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Department of Microbiology College of Veterinary Medicine and Biomedical Sciences Colorado State University, Fort Collins, USA Enterovirusinfektion und Immunitat vor und nach der Geburt bei Kiihen und Kalbern*) Von A. K. EUGSTER, G. S. WARREN und J. STORZ Mit 3 Abbildungen und 4 Tabellen (Eingegangen am 12. Juni 1969) Einleitung Intestinale Infektionen der Rinder mit Enteroviren, die auch als ,,enteric cytopathic bovine orphan" (ECBO) Viren bezeichnet werden, sind seit uber 10 Jahren bekannt (I, 2). Diese Virusart wurde von gesunden, aber auch von kranken Rindern isoliert. Die pathogene Bedeutung der bovinen Enteroviren ist nahezu ungeklart. Wahrend KUNIN und MINUSE (2) und BURKI(3) bovine Enteroviren vorwiegend von gesunden Rindern zuchteten, fanden MOLLund DAVIS (4) sowie andere (5, 6) Enteroviren auch bei Rindern rnit respiratori- schen Symptomen. Zudem isolierten MOLL und DAVIS (4, 7) und auch MCFER- RAN (8) Enteroviren aus Organen abortierter Kdber. Andere Forscher (9, 10) fanden Enteroviren als Ursache einer katarrhalischen Vaginitis bei Kuhen. FLORENT et al. (11) isolierten das sogenannte GUP-Virus aus den Genital- organen eines Bullen. Dieser GUP-Stamm wurde nachtraglich als Enterovirus charakterisiert (12). BONTSCHEV et al. (13), sowie CHRISTOV und Mitarbeiter (14), isolierten Enteroviren aus Kotproben von Saugkalbern, die an Enteritis litten. Orale Inokulation von 1 bis 13 Tage alten Kalbern mit diesen Enteroviren fuhrte zu Enteritis und nervosen Symptomen mit zum Teil todlichem Ausgang. MCFER- RAN (1 5) beobachtete eine milde Diarrhoe nach oraler Enterovirusinfektion von Kalbern. Diese Befunde deuten darauf hin, dai3 Infektionen mit Entero- viren wahrend der neugeborenen Phase bei Kalbern von pathogener Bedeu- tung sein konnten. In diesem Zusammenhang ist das Verhalten der Entero- virusinfektion bei tragenden Kuhen von Bedeutung. Wir stellten uns die Aufgabe, den Verlauf der Enterovirusinfektion bei Kuhen, die zum ersten Ma1 tragend waren, zu untersuchen. Dabei studierten wir die Dynamik der Virusausscheidung der Kuhe und den Verlauf der Anti- ':.) Diese Untersuchungen wurden durch Mittel des ,,Institute of Allergy and Infectious Diseases", NIH, U. S. Public Health Service (Research Grant AI-08420) und durch Mittel aus ,,Regional Research Funds" (Project W-88) gefordert. Veroffentlichung Nr. 1438, Colo- rado Agricultural Experiment Station. ~__~_ -

Enterovirusinfektion und Immunität vor und nach der Geburt bei Kühen und Kälbern

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Department of Microbiology College of Veterinary Medicine and Biomedical Sciences

Colorado State University, Fort Collins, USA

Enterovirusinfektion und Immunitat vor und nach der Geburt bei Kiihen und Kalbern*)

Von

A. K. EUGSTER, G. S. WARREN und J. STORZ

Mit 3 Abbildungen und 4 Tabellen

(Eingegangen a m 12. Juni 1969)

Einleitung Intestinale Infektionen der Rinder mit Enteroviren, die auch als ,,enteric

cytopathic bovine orphan" (ECBO) Viren bezeichnet werden, sind seit uber 10 Jahren bekannt ( I , 2). Diese Virusart wurde von gesunden, aber auch von kranken Rindern isoliert. Die pathogene Bedeutung der bovinen Enteroviren ist nahezu ungeklart. Wahrend KUNIN und MINUSE (2) und BURKI (3) bovine Enteroviren vorwiegend von gesunden Rindern zuchteten, fanden MOLL und DAVIS (4) sowie andere (5, 6) Enteroviren auch bei Rindern rnit respiratori- schen Symptomen. Zudem isolierten MOLL und DAVIS (4, 7) und auch MCFER- RAN (8) Enteroviren aus Organen abortierter Kdber. Andere Forscher (9, 10) fanden Enteroviren als Ursache einer katarrhalischen Vaginitis bei Kuhen. FLORENT et al. (11) isolierten das sogenannte GUP-Virus aus den Genital- organen eines Bullen. Dieser GUP-Stamm wurde nachtraglich als Enterovirus charakterisiert (12).

BONTSCHEV et al. (13), sowie CHRISTOV und Mitarbeiter (14), isolierten Enteroviren aus Kotproben von Saugkalbern, die an Enteritis litten. Orale Inokulation von 1 bis 13 Tage alten Kalbern mit diesen Enteroviren fuhrte zu Enteritis und nervosen Symptomen mit zum Teil todlichem Ausgang. MCFER- RAN (1 5) beobachtete eine milde Diarrhoe nach oraler Enterovirusinfektion von Kalbern. Diese Befunde deuten darauf hin, dai3 Infektionen mit Entero- viren wahrend der neugeborenen Phase bei Kalbern von pathogener Bedeu- tung sein konnten. In diesem Zusammenhang ist das Verhalten der Entero- virusinfektion bei tragenden Kuhen von Bedeutung.

Wir stellten uns die Aufgabe, den Verlauf der Enterovirusinfektion bei Kuhen, die zum ersten Ma1 tragend waren, zu untersuchen. Dabei studierten wir die Dynamik der Virusausscheidung der Kuhe und den Verlauf der Anti-

':.) Diese Untersuchungen wurden durch Mittel des ,,Institute of Allergy and Infectious Diseases", NIH, U. S. Public Health Service (Research Grant AI-08420) und durch Mittel aus ,,Regional Research Funds" (Project W-88) gefordert. Veroffentlichung Nr. 1438, Colo- rado Agricultural Experiment Station.

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402 EUGSTER, WARREN und STORZ

korperbildung im Serum und Kolostrum, die durch die naturlich auftretende, intestinale Enterovirusinfektion verursacht wurde. Die Obertragung dieser Antikorper auf das Kalb wurde gemessen.

Material und Methoden Versuchstiere und ihre Haltung: Acht 2 bis 4 Monate tragende Kalbinnen

der Hereford Rasse wurden in die vorliegenden Untersuchungen eingeschlos- sen. Die ungefahr 20 Monate alten Tiere wurden aus einer geschlossenen Herde gekauft. Wahrend der ganzen Versuchsdauer waren sie in einer eingezaunten Offenstallung untergebracht und von anderen Tieren abgetrennt. Sofort nach der Geburt wurden die Kalber in institutseigene Isolierstallungen gebracht und mit gemessenen Mengen Kolostrum der entsprechenden Muttertiere gefuttert. Diese erste Futterung erfolgte gewohnlich nicht spater als 5 Stunden nach der Geburt.

Entnahme und Aufarbeitung der Versuchsproben: Bei Ankunft der Ver- suchskuhe und danach in monatlichen Zeitabstanden wurden Kotproben ent- nommen. Von den Kalbern sammelten wir taglich Kotproben wahrend der ersten Lebenstage. Gewohnlich wurden die Proben sofort nach der Entnahme iiach iriiher beschriebener Methode (16) aufgearbeitet und auf Gewebekulturen verimpft. Waren diese nicht vorhanden, so wurden die Kotproben bei - 20° C aufbewahrt.

Bei Entnahme der Kotproben wurden jeweils auch Blutproben zur Serum- gewinnung entnommen. Kolostrum wurde sofort nach der Geburt gemolken. Eine bestimmte Menge davon wurde dem jeweiligen Kalb mittels einer Milch- flasche verabreicht. Etwa 10 ml wurden in der folgenden Weise fur serologische Zwecke aufgearbeitet: 1 ml einer 1 : 40 verdunnten Lablosung wurde mit 10 ml Kolostrum vermischt. Diese Mischung wurde fur 1 Stunde im Wasserbad bei 37' C bebrutet. Das koagulierte Kasein wurde danach sedimentiert.

Gewebekulturen und Virusisolierung: Gewebekulturen aus embryonalen Kalbernieren (KN) wurden nach der Methode von MADIN und DARBY (17) hergestellt. Primare Zellen und die ersten 2 Subpassagen der Gewebekulturen wurden fur die Virusisolierungsversuche verwendet. Kotproben wurden in den Verdunnungen von 1 O-' bis 1 0-3 verimpft und mindestens dreimal subpassa- giert, ehe sie als negativ angesehen wurden.

Bei virushaltigen Kotproben zuchteten wir durch Endverdunnungen Virusstamme heraus, die im Kreuzneutralisationstest als Prototypen festge- legt, und deren charakteristische Merkmale auch physikalisch und chemisch naher bestimmt wurden.

Serologische Untersuchungen: Im Neutralisationstest wurden Seren in Potenzen von 2 verdunnt. Als Virusmenge verwendeten wir eine konstante Dosis von 100 TCID,, per 0,1 ml. Das Reaktionsgemisch wurde 1 Stunde bei Zimmertemperatur bebrutet und dann verimpft.

Ergebnisse Veriauf der Enterovirusausscheidung bei natiirlich infizierten tragrnden

Kiihen: Die Untersuchungen begannen bei Ankauf der Jungkuhe, die zu die- sem Zeitpunkt 2 bis 4 Monate tragend waren. Am Tage der ersten Probe- entnahme waren sie ungefahr 250 km im Lastwagen transportiert worden. Wahrend des Transportes kamen sie nicht in Kontakt mit anderen Rindern. Die Kiihe waren bei Ankunft und wahrend der ganzen Versuchsdauer klinisch normal. Der Kot war aber oft waflrig dunn.

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Enterovirusinfektion und Immunitat bei Kiihen und Kalbern 403

Alle 8 Versuchskuhe schieden bei Versuchsbeginn im Kot zytopathogene Viren aus. Die Nasentupferproben erwiesen sich als negativ mit Ausnahme der ersten Probe von Kuh Nr. 4 (Tab. 1) . Bei der zweiten virologischen Unter- suchung 52 Tage spater schieden noch 4 Kuhe zytopathogene Viren im Kot aus. Bei der Untersuchung am 86. Tag nach Beginn des Versuches wurde Virus nur noch im Kot der Kuh Nr. 8 nachgewiesen. Nach der Geburt schieden 2 Kuhe wieder Virus im Kot aus. Diese 2 Kuhe waren fur eine Zeit von mindestens 125 und 159 Tage virusfrei.

Die Kalber wurden kurz nach der Geburt von den Kuhen getrennt und schieden bei der Geburt keine zytopathogenen Viren im Kot aus. Die Plazen- ten der Kuhe wurden nicht untersucht.

Toqe nach Versuchrbeginn

u Kuh NI 3

0 52 06 1 1 1 140 175 211 263 290

P g e n w h Wrrvshsbeglnn

c + Kuh N r 2 +,+ Kuh Nr.8

Tage nach Versvchsbeginn

Abb. 1. Veranderungen im Antikorperspie- gel der Kiihe Nr. 4 und 6 vor und nach der

Geburt. J- = Enterovirus aus Kot isoliert + = Tag der Geburt

Abb. 2. Veranderungen im Antikorperspie- gel der Kiihe Nr .3 , 5 und 7 vor und nach

der Geburt. $ = Enterovirus aus Kot isoliert .f = Tag dcr Geburt

Abb. 3. Veranderungen im Antikorperspie- gel der Kiihe Nr. 1, 2 und 8 vor und nach

der Geburt. J- = Enterovirus aus Kot isoliert .f = Tag der Geburt

1

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404 EUGSTER, WARREN und STORZ

Art der Charakterisierung

Tabelle I Verlauf der Enterovirusausscheidung bei tragenden Kiihen

Titer j - Log ,, TCID,, per 0,l mll in Test probe I Kontrolle

1 Nr. der Kuh 1 1 2 3 4 5 6 7 8 1

PX 5

1 Trachtiqkeitsrnonat bei Versuchsbeginn

5.50 4.50

Kotuntersuchung t, Tage nach Versuchsbeginn 0 52 86

I15 148

I75 211 263 290

Stabilisierung durch 2 M MgSO, bei S O T 4.50

L 3 3.5 3 3 L L 2.5

0,83

+ + + + + + + + - + - - + - + +

+ - - - -

Trachtigkeitsmonat bei Versuchs -

beginn

Neutralisationstiter t, Tage 0 nach Versuchsbeginn 52

86 115 1L8

175

211

263 290

I , 3 3.5 3 3 L L 2.5

0 0 0 80 0 80 0 0 0 0 0 80 160 80 0 0 0 0 LO LO 80 80 80 0 0 0 80 LO LO LO LO 0 0 0 80 LO 80 LO 80 0

K O K320 K 160 20 10 160 160 160 160 80 10

K10 K160 K 80 K160

LO 10 160 80 160 LO 80 10 K 80

40 10 LO LO LO 20 20 10 0 0 20 20 10 10 0

1 Atherbehandlunq 20 h L°C I L.16 I L.50 I 110-5 M FUDR I 4 3 3 I 5.16 I I PH Stabi l i tat PH 3 I L,16 I 1.50 I

Millipore Fi l trat ion mi t 100 rnp IVCI 50 rnp (VAI 10 mu ( V F I

L,16 3,83 0.00

L.83 483 L.83

Tabelle 3 Neutralisierende Antikorper irn Serum der Versuchskiihe vor und nach der Geburt

und in der Kolostralmolke

1 Nr. der Kuh 1 1 2 3 L 5 6 7 8 1

Charakterisierung der zytopathogenen Virusisolate: Alle isolierten Viren verursachten dieselbe Art von zytopathischem EfTekt in KN. Die zytopathi- schen Veranderungen bestanden im wesentlichen aus 2 Phasen: In begrenzten einzelnen Kolonien rundeten sich die Zellen innerhalb von 24 Stunden nach der Beimpfung ab, zeigten scharf begrenzte Konturen, und kurz danach wurde der ganze Zellrasen zerstort. Der Kreuzneutralisationstest zeigte keine signifi- kanten serologischen Unterschiede zwischen den isolierten Virusstammen. Der Stamm M 934 wurde als Prototyp fur alle weiteren Studien verwendet.

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Die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Stammes M 934 sind in Tabelle 2 zusammengefaat. D a die Vermehrung dieses Virusstammes nicht durch Flurodeoxyuridine (FUDR) beeinfluat wurde, handelt es sich hochst- wahrscheinlich um ein Ribonucleinsaure enthaltendes Virus. Das Virus zeigte sich stabil in doppelt molarer Magnesiumsulfatlosung und war quantitativ resistent gegenuber Ather und verschiedenen pH-Werten (pH 3 u. pH 5). Das Virus passierte Poren eines 50 m p Millipore Filters, wurde aber bei einer Porengroae von 10 m p zuruckgehalten.

Entwicklung neutralisierender Antikorper im Serum der Versuchskiihe wahrend der Trachtigkeit und nach der Geburt: Die Kuhe bildeten neutrali- sierende Antikorper gegen den Stamm M 934 in unterschiedlicher Weise. Die Kuhe Nr. 4 und Nr. 6 hatten einen Neutralisationstiter von 1 : 80 zu Beginn des Versuches, und beide schieden zu diesem Zeitpunkt Virus aus (Tab. 3). Drei weitere Kuhe (Nr. 3, 5, 7) hatten Antikorper 52 bis 86 Tage spater, wobei die Virusausscheidung mit der Erscheinung der Antikorper aufhorte. Drei Kuhe, die fur Zeitspannen bis zu 86 Tagen Virus ausschieden, bildeten vor der Ge- burt im Serum keine neutralisierenden Antikorper. Das letzte Trimester war gekennzeichnet durch einen Abfall in Antikorpertitern in Kuhen, die bereits wahrend der ersten Halfte der Trachtigkeit einen signifikanten Serumanti- korperspiegel aufwiesen. Ein bemerkbarer Anstieg der Neutralisationstiter im Serum aller Kuhe wurde nach der Geburt festgestellt, obwohl nur 2 Kuhe (Nr. 2 u. 3) post partum Virus im Kot ausschieden. Diese Schwankungen im Antikorperspiegel sind in Bezug auf Virusausscheidung und Geburt in den Abbildungen 1 , 2 und 3 graphisch veranschaulicht.

Neutralisierende Antikorper im Kolostrum: Die Antikorpertiter im Kolo- strum entsprachen meistens den Serumtitern am Tage der Geburt (Tab. 3). Einige Kuhe (Nr. 6 , 7 u. 8 ) hatten im Kolostrum hohere Titer als im Serum. Kuh Nr. 1, die zur Zeit der Geburt keine Antikorper im Serum zeigte, hatte ebenfalls keine im Kolostrum. Nach der Geburt entwickelte diese Kuh jedoch Antikorper im Serum. Der Kolostral- und Serumtiter der Kuh Nr. 2 war nur 1 : 10, obwohl sie vor und nach der Geburt Virus ausschied.

Hohe der neutralisierenden Antikorper im Serum der Kalber wahrend der ersten Lebenstage: Antikorper waren im Serum der Kalber vor Kolostrum-

Tabelle 4 Neutralisierende Antikorper im Serum der Kalber vor und nach der Verabreichung

von Kolostralmilch Nr. des Kalbez

Nr. des Muttertieres

rnl Kolostrurn gefiittert

Neutralisationstiter des Kolostrums

Serumtiter der Kalber bei Geburt 0

Serumtiter t x Tage nach Kolostrurnfutterung 1 2 3 4 5 6 I 8

1 1 13 18 26 32

I 3 I1 16 I2 I4 15 I0 17

6 1 4 3 5 2 1 8 0 500 0 300 500 300 1000 150

320 0 80 160 160 10 160 80

0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 - - 0 0 0 0 20 - 0 - 0 0 0 2 0 -

0 0 2 0 - 0 20 -

20 - 10 - 10 - 10 80 10 10 0 10 40 10

0 10 80 10 - 10 40 10 - 10 40 10

10 0

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406 EUGSTER, WARREN und STOW

futterung nicht nachweisbar (Tab. 4). Alle Kalber, die Kolostrum mit neutrali- sierenden Antikorpertitern erhielten, entwickelten auch Serumtiter mit Aus- nahme des Kalbes Nr . 74. Das Serum dieses Kalbes wies keine Antikorper auf, obwohl das verabreichte Kolostrum einen Titer von 1 : 160 hatte. Es ist mog- lich, dai3 in diesem Falle die Verabreichung des Kolostrums zu spat nach der Geburt erfolgte und die Antikorper nicht resorbiert wurden.

Der Einflui3 der Menge des verabreichten Kolostrums auf den Serumtiter des Kalbes ist eindeutig. Kalb Nr. 70, das einen Liter Kolostrum mit einem Titer von 1 : 160 erhielt, zeigte einen Serumtiter von 1 : 80. Kalber Nr. 75, 72 und 77, die 150 bis 300 ml Kolostrum erhielten, entwidcelten dagegen nur Serumtiter zwischen I : 10 und 1 : 20. Der Serumtiter der Kalber blieb wah- rend der Versuchsdauer ziemlich konstant.

Besprechung der Ergebnisse In der Literatur ist die Isolierung von bovinen Enteroviren am besten

fur Jungtiere dokumentiert (2, 3, 13, 14). Wenig ist bekannt uber die Pathoge- nitat dieser Virusart in tragenden Kiihen. MOLL und DAVIS (4) berichteten iiber die Isolierung von Enteroviren von Rindern aus Bestanden rnit einer Anamnese von respiratorischen Erkrankungen und Aborten. Die Kiihe schie- den Enteroviren zur Zeit des Verwerfens im Kot aus.

Unsere Versuchskuhe waren zur Zeit des Ankaufes 3 bis 4 Monate tra- gend. Alle Kiihe schieden zu diesem Zeitpunkt Enteroviren im Kot aus, jedoch nur 2 von den 8 Versuchstieren zeigten Antikorper im Serum. Dieser Befund berechtigt zu der Annahme, dai3 bei diesen Jungkuhen hochstwahrscheinlich eine Erstinfektion mit diesen Enteroviren vorlag. Die Kiihe waren in gutem Ernahrungszustand und zeigten keine feststellbaren Krankheitssymptome. Die Trachtigkeit verlief normal und die Kiihe hatten gesunde Kalber.

Die Zeitspanne zwischen der letzten positiven Kotprobe und dem Vor- kommen von Antikorpern im Serum war sehr unterschiedlich. Es ist bemer- kenswert, dai3 3 der 8 Kiihe vor der Geburt keine neutralisierenden Anti- korper bildeten. Dementsprechend war das Kolostrum entweder frei oder hatte nur geringe Titer von neutralisierenden Antikorpern, so dai3 diese Kalber keine oder nur geringe Mengen spezifischer Antikorper erhielten. Diese Tat- sache gewinnt Bedeutung, wenn man die erneute Virusausscheidung der Kiihe post partum beriicksichtigt. Unter diesen Umstanden kann ein Kalb in den ersten Lebensstunden einer Enterovirusinfektion ausgesetzt sein, ohne ent- sprechenden passiven Schutz zu haben. Dieser Umstand gibt eine wahrschein- liche Erklarung fur Virusisolierungen von neugeborenen Kalbern mit Enteritis, wie es wiederholt beschrieben wurde (14, 18).

Unter diesen Versuchsbedingungen kam es nicht zur Enterovirusinfektion der Kalber in utero. Leider versaumten wiry virologische Blutuntersuchungen wahrend der aktiven Virusinfektion der Kuhe zu machen und die Plazenten entsprechend zu untersuchen.

Von besonderem Interesse war der Ruckgang der Serumtiter wahrend des letzten Trimesters der Trachtigkeit. Ein ahnliches Phanomen wurde auch von anderen Autoren beschrieben. GRAVES (19) berichtete iiber eine Senkung des Serumantikorperspiegels gegen Ende der Trachtigkeit in Maul- und Klauen- seuche schutzgeimpften Kuhen. WESSELHAFT (20) wies auf die vermehrte Empfanglichkeit fur Poliomyelitis und Podcen in schwangeren Frauen hin. GREENBERG et al. (21) berichteten uber eine erhohte Mortalitatsrate in schwan- geren Frauen rnit asiatischer Grippe.

Eine einleuchtende Erklarung fur diese Beobachtungen ist eine moglihe Depression der Immunitatsreaktion infolge der vermehrten Produktion von

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Enterovirusinfektion und Immunitat bei Kiihen und Kalbern 407

Hormonen wie des chorionischen Gonadotropins oder der Corticosteroide wah- rend der Schwangerschaft (21, 22). Chorionisches Gonadotropin hat einen hindernden Einflui3 auf die natiirliche Resistenz, der moglicherweise mit der Fahigkeit dieses Hormons, die vasculare Permiabilitat zu erhohen, zusammen- hangt (23).

Der Anstieg des Antikorperspiegels gegen Enteroviren nach der Geburt 1ai3t sich bei den Kiihen Nr. 2 und 3 leicht erklaren. Diese Tiere schieden post partum Viren im Kot aus, und eine aktive Infektion ist wohl fur den Serum- titeranstieg verantwortlich. Der Antikorperanstieg nach der Geburt bei den anderen Versuchskiihen 1ai3t sich vielleicht ahnlich erklaren. Es ist durchaus moglich, dai3 die Enterovirusinfektion auch bei diesen Tieren nach der Geburt aktiviert wurde und unsere Untersuchungsmethoden nicht ausreichend waren, die Virusausscheidung nachzuweisen.

Die kolostralen Antikorpertiter entsprachen ungefahr denen im Serum zur Zeit der Geburt. In einigen Fallen, wie besonders bei der Kuh Nr. 8, waren die Titer im Kolostrum hoher als im Serum. Die wirksame passive Immunisierung der Kalber durch orale Verabreichung von Kolostrum ist offen- sichtlich eine Frage des Antikorpertiters und der Menge des verabreichten Kolostrums. Kalber, die 150 bis 300 ml Kolostrum erhielten, entwickelten nur geringe Serumtiter, wahrend Kalb Nr. 70, das 1000 ml erhielt, einen erheblich hoheren Titer hatte. Dies entspricht den Erhebungen von FISCHER et al. (24). Die intestinale Resorption von Antikorpern ist bekanntlich sehr zeitbe- dingt (25).

Zusammenfassung Der Verlauf einer naturlich auftretenden Enterovirusinfektion in einer

Gruppe von tragenden Kiihen wurde untersucht. Die Kiihe waren zu Beginn der Untersuchung 2 bis 4 Monate tragend und schieden Enteroviren im Kot aus. Enteroviren wurden wahrend der Trachtigkeit fur eine Zeitspanne von mindestens 86 Tagen ausgeschieden. Nach der Geburt schieden 2 Kuhe erneut Enteroviren aus. Die Trachtigkeit verlief normal, und die Kalber hatten bei der Geburt keine Enterovirusinfektion.

Fiinf der 8 Versuchskiihe bildeten Antikorper gegen die intestinale Ente- rovirusinfektion, doch fielen die Neutralisationstiter im letzten Trimester der Trachtigkeit. Die restlichen 3 Kuhe bildeten keine neutralisierenden Antikor- per als Folge der Infektion. Nach der Geburt wurde bei allen Tieren ein An- stieg des Neutralisationstiters festgestellt. Die Antikorpertiter im Kolostrum entsprachen den Serumtitern am Tage der Geburt. Die Kalber hatten vor der Kolostrumfiitterung keine Antikorper. Die Menge des verabreichten Kolo- strums bestimmte den Serumantikorperspiegel der Kalber.

Summary Enterovirus infection and immunity

before and after birth in cows and calves The dynamics of the enterovirus infection were studied in 8 pregnant

cows. At the beginning of the investigations the cows were 2 to 4 months pregnant and all were shedding enteroviruses in the feces as a result of 3 natural infection. During gestation this infection persisted for at least 86 days. Two cows excreted enteroviruses again after parturition in their feces. Gesta- tion was normal and the calves were free of enteroviruses at birth.

Five of the cows formed neutralizing antibodies against the enteroviruses. Their antibody titers decreased markedly during the last trimester of gesta- tion. The remaining 3 cows did not form neutralizing antibodies to the

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enterovirus infection. A rise in neutralizing antibodies occurred in all cows following parturition. The antibody titers in the colostrum corresponded with the serum titers at the time of birth. No neutralizing antibodies were detected in the sera of calves before the feeding of colostrum. The amount of the colostrum given determined the subsequent antibody levels in the serum of the calves.

Rksumk Infection A entkrovirus et immuniti

avant et aprks la naissance hez les vahes et les veaux O n ktudie le dkveloppement d’une infection naturelle d entkrovirus sur

un groupe de vaches portantes. Au dkbut des examens, les vaches se trouvaient vers 2 A 4 mois de gestation et excrktaient des entkrovirus par les matikres fkcales. L‘klimination des entkrovirus se poursuivait pendant une durke d’au moins 86 jours en cours de gestation. Aprks la naissance, deux vaches recom- menckrent A kliminer des entkrovirus. La gestation s’est dkroulke normalement naissance.

Cinq des huit vaches d’expkience formhrent des anticorps contre une infection intestinale B entkrovirus, mais les titres de neutralisation diminukrent au cours du dernier trimestre de la gestation. Les trois autres vaches ne formk- rent pas d’anticorps neutralisants A la suite de l’infection. Aprks la naissance, on observe chez tous les animaux une augmentation du titre de neutralisation. Les titres des anticorps du colostrum correspondent au titre skrique du jour de la naissance. Les veaux ne posskdent pas d’anticorps avant l’ingestion de colostrum. La quantitk de colostrum administrke determine le niveau des anticorps skriques du veau.

Resume n Infeccidn enterovirdsica e inmunidad

antes y despuks del parto en vacas y en 10s terneros Se estudi6 el curso de una infecci6n enterovir6sica natural en un grupo de

vacas gestantes. Las vacas Ilevaban, en el comienzo del examen, de 2 a 4 meses de prefiez y eliminaban enterovirus con el estikrcol. Durante la gestacibn fueron eliminados enterovirus por un period0 minimo de tiempo de 86 dias. Tras el parto, 2 vacas eliminaron de nuevo enterovirus. Cada gestaci6n trans- momento del parto.

Cinco de las 8 vacas de ensayo formaron anticuerpos frente a la infecci6n enterovir6sica intestinal, aunque 10s titulos de neutralizaci6n disminuyesen de forma apreciable en el trimestre hltimo de gestaci6n. Las tres vacas restantes no formaron anticuerpos neutralizantes como consecuencia de la infecci6n. Despub de acontecido el parto, en todas las hembras se constat6 el aumento del titulo de neutralizaci6n. Los titulos de anticuerpos en el calostro correspon- dian a 10s titulos skricos en el dia del parto. Los terneros no tenian anticuerpos antes de administrirseles el calostro. La cantidad administrada de calostro determianba el nivel de seroanticuerpos en 10s terneros.

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Enterovirusinfektion und Immunitat bei Kuhen und Kalbern 409

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Anschrift der Verfasser : Dr. A. K. Eugster, Department of Microbiology, College of Veterinary Medicine and Biomedical Sciences, Fort Collins, Colorado 80 521, USA.

Zbl. Vet. Med., Reihe B, Bd. 17, Heft 3 27