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Unterstützung der Therapie mit L-DOPA Enzyminhibitoren in der Parkinson-Therapie MICHAEL G ÜTSCHOW | MANUELA MEUSEL D er Einsatz von Enzyminhibitoren in der Parkinson-The- rapie geht in die sechziger Jahre des vergangenen Jahr- hunderts zurück. Da die Parkinson-Erkrankung auf einem Untergang von dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra zurückgeführt wird, ist die Erhöhung des effektiven Dopaminspiegels eine wichtige, wenn auch nur sympto- matische Strategie in der Arzneimitteltherapie. Dopamin ist ein Neurotransmitter aus der Gruppe der Catecholamine, Die Standardtherapie der Parkinson-Krankheit besteht in der Gabe von L-DOPA in Kombination mit einem Hemmstoff der peripheren DOPA-Decarboxylase. Als weitere Enzyme können die Catechol-O-Methyltransferase und die Monoaminoxidase durch Wirkstoffe gehemmt werden, um die DOPA-Therapie zu unterstützen. Diese Target-Enzyme und ihre Inhibitoren werden vorgestellt. der hauptsächlich in den Basalganglien vor- kommt, wo Neurone aus der Substantia nigra eine dopaminerge Bahn zum Striatum bilden. Bei Morbus Parkinson gehen viele dieser Neu- rone zugrunde. Damit ist in der Folge die vom Striatum auf die Motorik ausgeübte Kontroll- funktion gestört. Therapeutisch wird eine Vor- stufe von Dopamin, das L-DOPA (Levodopa, L- 3,4-Dihydroxyphenylalanin), verabreicht. Es kann im Gegensatz zu Dopamin die Blut-Hirn- Schranke durchdringen. Nach Metabolisierung kommt es zu einem Anstieg des zerebralen Do- paminspiegels und zu einer Besserung der Symptome. Die Langzeitbehandlung von Par- kinson-Patienten mit L-DOPA führt aber in vie- len Fällen zu einem gehäuften Auftreten von Dyskinesien und motorischen Fluktuationen, die dann im Wechsel so genannter On- und Off-Zeiten zu beobachten sind. Als Off-Zeiten werden Zustände des Patienten bezeichnet, in denen aufgrund von Wirkungsschwankungen bei längerfristiger Einnahme von L-DOPA eine Verschlechterung der Motorik eintritt, wäh- rend in den On-Perioden eine gute motorische Beweglichkeit besteht. Eine Strategie ist des- halb, durch Kombinationstherapie eine Verlängerung der dopaminergen Stimulation zu erreichen und damit eine Re- duktion der Dosierung von L-DOPA zu ermöglichen. Bei gleichzeitiger Gabe von L-DOPA mit einem peripheren DOPA-Decarboxylase-Inhibitor konnten die Dosis von L- DOPA deutlich reduziert und Nebenwirkungen wie Übel- keit und Appetitlosigkeit verringert werden. Neben den DOPA-Decarboxylase-Inhibitoren kommen auch vor allem Hemmstoffe der Catechol-O-Methyltransferase sowie der Monoaminoxidase zum Einsatz. Metabolismus von Dopamin und Angriffspunkte von Enzyminhibitoren L-DOPA wird nach der Absorption rasch im Blutkreislauf zu Dopamin umgewandelt (Abb. 1). Das dafür verantwortliche Enzym ist die DOPA-Decarboxylase (DDC). Nur weniger als 3 % des verabreichten L-DOPA erreicht letztlich das Gehirn, der Hauptanteil wird peripher zu Dopamin decarboxyliert. Diese periphere Decarboxylierung wird durch die DOPA- DOI:10.1002/pauz.200600169 218 | Pharm. Unserer Zeit | 3/2006 (35) © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ABB. 1 ANGRIFFSPUNKTE VON ENZYMINHIBITOREN Carbidopa, Benserazid Tolcapon, Entacapon Dopamin L-DOPA 3-OMD DDC COMT Dopamin L-DOPA 3-OMD DDC COMT Tolcapon T DOPAC Tolcapon COMT 3-MT MAO DOPAL ALDH Tolcapon COMT HVA HMPAL ALDH Selegilin, Rasagilin Selegilin, Rasagilin zentral peripher MAO Stoffwechsel und Transportwege von L-DOPA sowie Angriffspunkte von Enzyminhibitoren. In der Abbildung nicht dargestellt ist die Umwandlung von Dopamin zu Noradrenalin durch Dopamin- β- Hydroxylase (EC 1.14.17.1) und Nachfolgereaktionen sowie die Reduktion von DOPAL zu DOPET (vgl. Abb. 2). ALDH: Aldehyd-Dehydrogenase, COMT: Catechol-O-Methyltransferase, DDC: L-DOPA- Decarboxylase, DOPAC: 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure, DOPAL: 3,4-Dihydroxyphenylacetalde- hyd, HMPAL: 4-Hydroxy-3-methoxyphenylacetaldehyd, HVA: Homovanillinsäure, MAO: Mono- aminoxidase, 3-MT: 3-Methoxytyramin, 3-OMD: 3-O-Methyl-L-DOPA, T: Aminosäuretransporter.

Enzyminhibitoren in der Parkinson-Therapie. Unterstützung der Therapie mit L-DOPA

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Unterstützung der Therapie mit L-DOPA

Enzyminhibitoren in der Parkinson-TherapieMICHAEL GÜTSCHOW | MANUELA MEUSEL

Der Einsatz von Enzyminhibitoren in der Parkinson-The-rapie geht in die sechziger Jahre des vergangenen Jahr-

hunderts zurück. Da die Parkinson-Erkrankung auf einemUntergang von dopaminergen Neuronen in der Substantianigra zurückgeführt wird, ist die Erhöhung des effektivenDopaminspiegels eine wichtige, wenn auch nur sympto-matische Strategie in der Arzneimitteltherapie. Dopamin istein Neurotransmitter aus der Gruppe der Catecholamine,

Die Standardtherapie der Parkinson-Krankheit besteht in derGabe von L-DOPA in Kombination mit einem Hemmstoff derperipheren DOPA-Decarboxylase. Als weitere Enzyme könnendie Catechol-O-Methyltransferase und die Monoaminoxidasedurch Wirkstoffe gehemmt werden, um die DOPA-Therapie zu unterstützen. Diese Target-Enzyme und ihre Inhibitorenwerden vorgestellt.

der hauptsächlich in den Basalganglien vor-kommt, wo Neurone aus der Substantia nigraeine dopaminerge Bahn zum Striatum bilden.Bei Morbus Parkinson gehen viele dieser Neu-rone zugrunde. Damit ist in der Folge die vomStriatum auf die Motorik ausgeübte Kontroll-funktion gestört. Therapeutisch wird eine Vor-stufe von Dopamin, das L-DOPA (Levodopa, L-3,4-Dihydroxyphenylalanin), verabreicht. Eskann im Gegensatz zu Dopamin die Blut-Hirn-Schranke durchdringen. Nach Metabolisierungkommt es zu einem Anstieg des zerebralen Do-paminspiegels und zu einer Besserung derSymptome. Die Langzeitbehandlung von Par-kinson-Patienten mit L-DOPA führt aber in vie-len Fällen zu einem gehäuften Auftreten vonDyskinesien und motorischen Fluktuationen,die dann im Wechsel so genannter On- undOff-Zeiten zu beobachten sind. Als Off-Zeitenwerden Zustände des Patienten bezeichnet, indenen aufgrund von Wirkungsschwankungenbei längerfristiger Einnahme von L-DOPA eineVerschlechterung der Motorik eintritt, wäh-rend in den On-Perioden eine gute motorischeBeweglichkeit besteht. Eine Strategie ist des-

halb, durch Kombinationstherapie eine Verlängerung derdopaminergen Stimulation zu erreichen und damit eine Re-duktion der Dosierung von L-DOPA zu ermöglichen. Beigleichzeitiger Gabe von L-DOPA mit einem peripheren DOPA-Decarboxylase-Inhibitor konnten die Dosis von L-DOPA deutlich reduziert und Nebenwirkungen wie Übel-keit und Appetitlosigkeit verringert werden. Neben denDOPA-Decarboxylase-Inhibitoren kommen auch vor allemHemmstoffe der Catechol-O-Methyltransferase sowie derMonoaminoxidase zum Einsatz.

Metabolismus von Dopamin undAngriffspunkte von Enzyminhibitoren

L-DOPA wird nach der Absorption rasch im Blutkreislauf zuDopamin umgewandelt (Abb. 1). Das dafür verantwortlicheEnzym ist die DOPA-Decarboxylase (DDC). Nur weniger als3 % des verabreichten L-DOPA erreicht letztlich das Gehirn,der Hauptanteil wird peripher zu Dopamin decarboxyliert.Diese periphere Decarboxylierung wird durch die DOPA-

DOI:10.1002/pauz.200600169

218 | Pharm. Unserer Zeit | 3/2006 (35) © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

A B B . 1 A N G R I F F S P U N K T E VO N E N Z Y M I N H I B I TO R E N

Carbidopa,Benserazid

Tolcapon,Entacapon

Dopamin

L-DOPA

3-OMD

DDC

COMT

Dopamin

L-DOPA

3-OMD

DDC

COMTTolcapon

T

DOPAC

Tolcapon COMT

3-MT

MAODOPAL

ALDH

Tolcapon COMT

HVAHMPALALDH

Selegilin,Rasagilin

Selegilin,Rasagilin

zentralperipher

MAO

Stoffwechsel und Transportwege von L-DOPA sowie Angriffspunkte von Enzyminhibitoren. In derAbbildung nicht dargestellt ist die Umwandlung von Dopamin zu Noradrenalin durch Dopamin-ββ-Hydroxylase (EC 1.14.17.1) und Nachfolgereaktionen sowie die Reduktion von DOPAL zu DOPET(vgl. Abb. 2). ALDH: Aldehyd-Dehydrogenase, COMT: Catechol-O-Methyltransferase, DDC: L-DOPA-Decarboxylase, DOPAC: 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure, DOPAL: 3,4-Dihydroxyphenylacetalde-hyd, HMPAL: 4-Hydroxy-3-methoxyphenylacetaldehyd, HVA: Homovanillinsäure, MAO: Mono-aminoxidase, 3-MT: 3-Methoxytyramin, 3-OMD: 3-O-Methyl-L-DOPA, T: Aminosäuretransporter.

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Decarboxylase-Inhibitoren Benserazid und Carbidopaverhindert.

L-DOPA wird im Blutkreislauf ebenfalls durch das EnzymCatechol-O-Methyltransferase (COMT) zu 3-O-Methyldopa(3-OMD) umgewandelt. Die periphere Aktivität der COMTkann durch die Arzneistoffe Tolcapon und Entacapon ge-hemmt werden. L-DOPA gelangt mittels aktiven Transpor-tes durch die Blut-Hirn-Schranke, wonach es durch die DDCim Zytoplasma der nigrostriatalen Zellen zu Dopamin de-carboxyliert wird. Dopamin wird dann durch den vesiku-lären Monoamintransporter in die synaptischen Vesikel ge-bracht, wo die Moleküle vor enzymatischem Abbau ge-schützt sind, bis sie in den synaptischen Spalt freigesetztwerden.

In den dopaminergen Zellen wird zytosolisches Dopa-min hauptsächlich durch die Monoaminoxidase (MAO)-katalysierte Reaktion metabolisiert. Inhibitoren dieser Re-aktion sind Selegilin und Rasagilin. Dopamin wird zu 3,4-Dihydroxyphenylacetaldehyd (DOPAL) umgewandelt, derdann als Substrat der Aldehyd-Dehydrogenase (ALDH, EC1.2.1.3) fungieren kann, um 3,4-Dihydroxyphenylessigsäu-re (DOPAC) zu produzieren. ALDH kann irreversibel durchDisulfiram gehemmt werden. In erheblich geringerem Um-fang ist auch die Umwandlung von DOPAL zu 2-(3,4-Dihy-droxyphenyl)ethanol (DOPET) durch Aldehyd-Reduktase(EC 1.1.1.2) bzw. die eng verwandte Aldose-Reduktase (EC1.1.1.21) möglich (Abb. 2) [1].

Es wird gelegentlich übersehen, dass MAO nur den ers-ten Schritt der zweistufigen Umwandlung von Dopamin zuDOPAC (oder zu DOPET) katalysiert, nämlich die oxidativeDesaminierung zu DOPAL, die an der äußeren Mitochon-drienmembran abläuft. Die pathophysiologische Rolle die-ser Substanz und ihre Zytotoxizität wurden in den letzten

Jahren untersucht. Es ist möglich, dass DOPAL mitWasserstoffperoxid zum entsprechende Chinon, Wasserund Hydroxylradikalen reagiert [2]. Diese Radikale könntenz.B. mit dem Protein α-Synuclein wechselwirken und da-durch die neurotoxische Wirkung von DOPAL vermitteln.Hydroxylradikale können aus Wasserstoffperoxid allerdingsauch durch die Fenton-Reaktion gebildet werden. α-Synuclein spielt eine wesentliche Rolle für die Aufrechter-haltung der funktionellen Integrität der synaptischen Vesi-kel. Man nimmt an, dass generelle Störungen der Speiche-rung von Monoaminen in den Vesikeln beträchtlichepathologische Effekte hervorrufen [1, 3].

DOPAC kann entweder zu Glucuroniden oder Sulfatenkonjugiert oder durch COMT zu Homovanillinsäure (HVA)transformiert werden (Abb. 2). Die zentrale Aktivität vonCOMT wird durch Tolcapon gehemmt (Abb. 1). Ein alter-nativer Abbauweg von Dopamin zu HVA via 3-Methoxy-tyramin (3-MT) umgeht die Bildung von DOPAL. HVA istdas hauptsächliche Endprodukt des Dopamin-Metabolismusund wird über den Urin ausgeschieden. Die Bildung vonHVA erfolgt nicht vornehmlich in der Leber, sondern in an-deren peripheren Organen. Das Gehirn trägt mit höchstens12 % zur HVA-Bildung bei [1].

L-DOPA-Decarboxylase (DDC) und DDC-Inhibitoren

Die L-DOPA-Decarboxylase (DDC) bzw. 3,4-Dihydroxy-phenylalanin-Decarboxylase, auch als Aromatische-L-Ami-nosäuren-Decarboxylase (AADC; EC 4.1.1.28) bezeichnet,katalysiert die Decarboxylierung von L-DOPA zu Dopamin.Das Enzym ist ein Homodimer mit einem Molekulargewichtvon ungefähr 50 kDa pro Monomer. Das Dimer bindet einMolekül des Cofaktors Pyridoxalphosphat (PLP). DDC kann

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HO

HO

NH2 HO

HO

CHO

HO

HO

OH

HO

HO

COOH

O

HO

COOHH3C

Dopamin O2 + H2O NH3 + H2O2 DOPAL

NAD+ + H2O

NADH + H+

DOPAC

DOPET

ALDH

Aldehyd- bzw.Aldose-Reduktase

NAD(P)H + H+

NAD(P)+

HVACOMT

SAM

S-Adenosyl-homocystein

A B B . 2 | B I L D U N G U N D A B BAU VO N 3 , 4 - D I H Y D ROX Y PH E N Y L AC E TA L D E H Y D ( D O PA L )

In den dopaminergen Neuronen verläuft die Umwandlung von Dopamin hauptsächlich via DOPAL zu 3,4-Dihydroxyphenylessig-säure (DOPAC), die weiter zu Homovanillinsäure (HVA) metabolisiert wird. ALDH: Aldehyd-Dehydrogenase, COMT: Catechol-O-Methyltransferase, DOPET: 2-(3,4-Dihydroxyphenyl)ethanol, MAO: Monoaminoxidase, SAM: S-Adenosylmethionin.

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auch andere aromatische L-Aminosäuren decarboxylieren,so wurde mit der humanen DDC ein KM-Wert von 16 µMfür das Substrat 5-Hydroxytryptophan gefunden. KM-Wertefür das Substrat L-DOPA werden zwischen 20 und 150 µMangegeben, auch bei anderen Spezies sind sie etwas höherals die für 5-Hydroxytryptophan.

DDC liegt als lösliches Protein vor, allerdings wurdeauch über eine aktive Form der Decarboxylase als Be-

standteil der Zellmembranfraktion berichtet. Im Gehirnkommt DDC in den nigrostriatalen Neuronen vor und spielteine wesentliche Rolle bei der Biosynthese der Neuro-transmitter. DDC wurde auch in Gliazellen lokalisiert, sowiein verschiedenen peripheren Organen, wie Niere, Leberund Pankreas.

PLP ist an die ε-Aminogruppe des Lysinrestes 303 ge-bunden (Abb. 3), wobei die In-vitro-Aktivität durch Zuga-be von exogenem PLP gesteigert werden kann. In der sub-stratfreien Form liegt PLP als Schiffsche Base verknüpft vor,die von dem Substrat L-DOPA nucleophil angriffen wirdund die ε-Aminogruppe von Lys-303 im Zuge einer Transi-minierung freisetzt. In der enzymgebundenen Form wird L-DOPA decarboxyliert, das resultierende Carbanion wirddurch den Elektronenzug des protonierten Pyridinringesstabilisiert. Protonierung des chinoiden Intermediates, ver-mutlich unter Einbeziehung eines Histidinrestes, nucleo-philer Angriff des aktiven Lysins und eine zweite Transimi-nierung führen zur Freisetzung von Dopamin. α-Monoflu-ormethyl-DOPA ist ein potenter und selektiver Hemmstoffder DDC (Abb. 4). Im Tiermodell wurde die DOPA-Decar-boxylase nach Gabe von α-Monofluormethyl-DOPA in ver-schiedenen Organen, einschließlich Gehirn, gehemmt. α-Monofluormethyl-DOPA wirkt als Suizid-Inhibitor (enzym-aktivierter Inhibitor), der erst durch die enzymkatalysierteUmwandlung in eine reaktive Spezies zur irreversiblen Hem-mung (Inaktivierung) des Enzyms führt.

Bei der Behandlung von Morbus Parkinson wird L-DOPA zur Erhöhung der Bioverfügbarkeit üblicherweise miteinem DDC-Hemmstoff als Kombinationspräparat gegeben.Carbidopa und Benserazid (Abb. 5) sind Decarboxylase-In-hibitoren, die nur peripher wirken, da sie aufgrund ihrer po-laren Struktur die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kön-nen [5, 6]. Die Kombination mit DDC-Hemmern konnte zueiner beträchtlichen Reduktion der täglich benötigten Men-ge an L-DOPA führen. Carbidopa liegt als (S)-Enantiomervor. Daher entspricht die Konfiguration am α-C-Atom derdes L-DOPA. Aus Röntgenkristallstrukturen des Enzym-In-

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A B B . 3 U M WA N D LU N G VO N L- D O PA Z U D O PA M I N

HO

HOCOO–

HNH2

HO

HONH2

HO

HOCOO–

H

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

+

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

+

+ Lys303

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

+

+ Lys303

– CO2

HO

HO

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

H

+ Lys303

NH2

+ Lys303

NH2

+ H+

Mechanismus der DDC-katalysierten Umwandlung von L-DOPA zu Dopamin. Übereine Schiffsche Base enzymgebundenes Pyridoxalphosphat (PLP) übernimmt dasSubstrat L-DOPA und setzt es nach der Decarboxylierung als Dopamin frei.

A B B . 4 H E M M U N G D E R D D C D U RC H αα- M O N O F LU O R M E T H Y L- D O PA

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

+

+ Lys303– CO2

HO

HO

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

CH2F

– Lys303

NH2

HO

HOCOO–

NH2

CH2F HO

HO

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

+

COO–CH2F

– F–

Enzym

HO

HO

NH

2–O3POO–

CH3

H N+

H

+

CH2

Vorgeschlagener Mechanismus der DDC-Hemmung durch den enzymaktivierten Inhibitor αα-Monofluormethyl-DOPA [16]. Dargestellt ist die Bildungder Schiffschen Base durch die Reaktion von αα-Monofluormethyl-DOPA mit dem enzymgebundenen Pyridoxalphosphat (PLP). Die Decarboxylierungund nachfolgende Abspaltung von Fluorid führt zu einem reaktiven Intermediat, das von einem Nucleophil des aktiven Zentrums angegriffen wird.Dieser Mechanismus führt zur Inaktivierung von DDC.

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hibitor-Komplexes wurde ersichtlich, dass Carbidopa übereine Hydrazon-Bindung kovalent an den Cofaktor PLP ge-bunden ist, dabei ragt die Catechol-Einheit tief in das aktive Zentrum des Enzyms hinein [7]. Im Benserazid ist dieHydrazino-Gruppe mit einem racemischen Serin acyliert.Für den aktiven Metaboliten 2,3,4-Trihydroxybenzylhydra-zin wird eine analoge Hydrazon-Bildung diskutiert [7].

Catechol-O-Methyltransferase (COMT) undCOMT-Inhibitoren

Die COMT (EC 2.1.1.6) wurde erstmals 1958 durch Axel-rod und Mitarbeiter gereinigt und charakterisiert. Späterkonnten zwei Isoformen dieses Enzyms aufgeklärt werden,eine lösliche Form (S-COMT), bestehend aus 221 Amino-säuren, und eine membrangebundene (MB-COMT), die 20zusätzliche Aminosäuren zur Membranverankerung besitzt.Die COMT ist ein zelluläres Enzym, das ubiquitär im Kör-per vorkommt. Während in peripheren Organen die S-COMT überwiegt, ist die Situation im Gehirn umgekehrt,hier liegt zu 70 % die MB-COMT als mikrosomales Enzymvor. Physiologische Substrate der COMT sind die Catecho-lamine (Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin), deren hydroxylierte Metaboliten, aber auch L-DOPA und Ascor-binsäure, Catecholestrogene sowie Arzneistoffe, darunterCarbidopa, Benserazid und 2,3,4-Trihydroxybenzylhydrazin[4].

Zuerst bindet S-Adenosylmethionin (SAM), dessen Me-thionin-Anteil seine Bindungstasche im Inneren des Pro-teins hat, dann ein Magnesiumion und schließlich das Catecholamin an das Enzym. Das Magnesiumion besitzt ei-ne oktaedrische Koordination zu zwei Asparaginsäureresten(Asp-141 und Asp-169), einem Asparagin (Asn-170), zu bei-den Catechol-OH-Gruppen sowie zu einem Wassermolekül[4, 8]. Dadurch erleichtert das Magnesiumion die Depro-tonierung der Hydroxylgruppe und kontrolliert die Orien-tierung des Substratmoleküls. Die COMT ist nur in der Lage, eine Hydroxylgruppe (in 3’- oder in 4’-Position) derCatechole zu methylieren (Abb. 6). Man nimmt an, dass ein

Cluster hydrophober Aminosäuren (Trp-38, Trp-143 undPro-174) in der Nähe des katalytischen Zentrums Einflussauf die Positionierung des Substrates und damit auf dieRegioselektivität der Methylierung hat und dass die Naturder Seitenkette des Catechols für die Methylierungspositi-on eine Rolle spielt: Hydrophobe Seitenketten können diehydrophobe Bindungsregion sehr gut besetzen, wogegenhydrophile Seitenketten, wie die doppelt geladene, raum-füllende Kette des L-DOPA, abgestoßen werden. Dies ver-hindert im letztgenannten Fall eine Methylierung der 4-OH-Gruppe. Die COMT metabolisiert auch Dopamin sowohlperipher als auch zentral durch Methylierung der meta-stän-digen OH-Gruppe [4, 8].

Wenn man L-DOPA allein verabreicht, wird es haupt-sächlich durch DDC in den peripheren Geweben decar-boxyliert. Gibt man es jedoch zusammen mit einem peri-pheren Decarboxylase-Hemmer, so wird es zu 90 % von derperipheren COMT zu dem inerten Metaboliten 3-O-Me-thyldopa (3-OMD) umgesetzt (Abb. 1). 3-OMD könnte dannmit L-DOPA um den Transport ins Gehirn mittels eines ak-tiven Transportmechanismus konkurrieren. Deshalb wur-den COMT-Inhibitoren für die Parkinson-Therapie heran-gezogen und mit Tolcapon und Entacapon zwei Wirkstoffefür die Behandlung von Patienten, die L-DOPA plus DDC-Inhibitor erhielten, eingeführt. Beide Arzneistoffe zeigtenklinische Wirksamkeit in Placebo-kontrollierten Doppel-blind-Studien, in denen sie die On-Zeiten erhöhten und dieOff-Zeiträume verringerten. Die verbesserte Bioverfügbar-keit von L-DOPA kann hauptsächlich auf seine verlängerteEliminationszeit bei Gabe von COMT-Inhibitoren zurück-geführt werden.

Die Nitrocatecholstruktur ist allen neueren COMT-In-hibitoren (z.B. Tolcapon, Entacapon, Nitecapon, Abb. 7)gemeinsam und ist essentiell für die feste Bindung des

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HO

HO

COOH

NH2

HO

HO

NH

HN

OH

O

NH2

OH HO

HO

NH

OH

NH2

HO

HO

COOH

H3C NH NH2

L-DOPA Carbidopa

Benserazid Benserazid-Metabolit

A B B . 5 | L- D O PA U N D D D C- I N H I B I TO R E N

Strukturen von L-DOPA, Carbidopa, Benserazid und dem Benserazid-Metaboliten 2,3,4-Trihydroxybenzylhydrazin.

A B B . 6 MECHANISMUS DER CO MT-KATALYSIERTEN

M E T H Y L I E R U N G VO N C AT EC H O L A M I N E N

HO

O NH2

R

H

N

N

N

NH2

N

O

OHOH

S+H2N

COOH

H3C

B

HO

O NH2

R

H3C

N

N

N

NH2

N

O

OHOH

SH2N

COOH

+BH+

COMT überträgt in Anwesenheit von Magnesium eine Methyl-gruppe von S-Adenosylmethionin (SAM) auf eine OH-Gruppeder Catecholstruktur (L-DOPA, R = COOH bzw. Dopamin, R = H). Ein Lysinrest (Lys-144) fungiert als katalytische Base(B) für den Methylgruppen-Transfer, der als SN2-Reaktion ab-läuft. Neben dem methylierten Produkt entsteht S-Adenosyl-homocystein.

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Inhibitors an das Enzym (tight-binding inhibitors). Die Ein-führung von Elektronenakzeptor-Substituenten führt zu Ca-techolen, die sich als potente Inhibitoren, aber schlechteSubstrate der Catechol-O-Methyltransferase erwiesen. Eswird angenommen, dass die Nitrogruppe die Nucleophilieder betreffenden OH-Gruppe verringert, wodurch dieMethylierungsreaktion unterbunden wird [4]. Ihre COMT-hemmende Wirkung üben die Nitrocatechole über einenvoll reversiblen Mechanismus aus. Die Ki-Werte von Tolca-pon, Entacapon, Nitecapon, bestimmt am rekombinantenEnzym, lagen im Bereich von 1 nM. COMT-Inhibitoren wer-den additiv mit einem L-DOPA/DDC-Hemmer-Kombinations-präparat gegeben [4, 6].

Tolcapon (Tasmar®, Abb. 7) ist ein selektiver Inhibitorder COMT, der sowohl in der Peripherie als auch im Gehirnwirkt. Es kann eine Verringerung der Dosis von L-DOPA vonbis zu 30 % und die Gabe von weniger DOPA-Dosen am Tagerreicht werden. Tolcapon kann zeitlich versetzt zu L-DOPA gegeben werden. Der Arzneistoff wird extensiv me-tabolisiert, nur 0,5 % der verabreichten Dosis werden un-verändert im Urin ausgeschieden. Hauptmetabolit ist dasinaktive 3-O-β,D-Glucuronid. Da Tolcapon mit drei Todes-fällen aufgrund von Hepatotoxizität im Zusammenhangstand, wurde Ende 1998 das Ruhen der Zulassung ange-ordnet und das Medikament in Europa sowie Kanada vomMarkt genommen. In den USA durfte es unter Aufnahmevon entsprechenden Warnhinweisen weiter vertrieben wer-den. Auf Empfehlung des Committee for Proprietary Me-dicinal Products (CPMP) der Europäischen Kommissionwurde das Ruhen der Zulassung im März 2005 aufgehoben.Tolcapon darf allerdings nur bei bestimmten, einge-schränkten Indikationen angewendet werden. Generell soll-ten die Werte der Leber-Transaminasen streng überwachtwerden.

Es wurde gezeigt, dass Entacapon (Comtess®, Abb. 7)und Tolcapon die COMT aus dem Striatum der Ratte in glei-chem Maße hemmen [9]. Entacapon hat jedoch einen nied-rigeren logP-Wert (0,178 versus 1,03) und kann die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren. Sein Effekt ist deshalb auf die

reversible Inhibition der peripheren COMT-Aktivität be-schränkt [5, 9]. Entacapon verlängert die Halbwertszeit vonL-DOPA bei gleichzeitiger Reduktion der Plasmakonzen-tration von 3-OMD und HVA. Bei Patienten, die L-DOPA er-hielten, führte die zusätzliche Gabe von Entacapon zu einerVerlängerung der On-Zeit und zu einer Verkürzung der Off-Zeit. Entacapon zeigte bisher keine hepatotoxischen Ne-benwirkungen, trotz allem wird auch hier eine regelmäßi-ge Kontrolle der Leber-Transaminasen empfohlen. Ein wei-terer Vorteil von Entacapon ist, dass es weniger starkausgeprägte gastrointestinale Störungen hervorruft als Tol-capon. Es wird gleichzeitig mit jeder Gabe von L-DOPA ein-genommen. Seit 2003 steht für die Therapie der Parkinson-Erkrankung eine sinnvolle, fixe Dreierkombination aus Le-vodopa/Carbidopa/Entacapon (Stalevo®) zur Verfügung.Besonders profitieren sollen davon Patienten, bei denen amEnde des Dosierungsintervalls die Wirkung von L-DOPA ab-klingt und es zu Ausfallerscheinungen und Fluktuationenkommt (end-of-dose wearing off-Symptome).

Monoaminoxidase (MAO) und MAO-Inhibitoren

Die Monoaminoxidase (EC 1.4.3.4, MAO) ist eine FAD-ab-hängige Oxidoreduktase, die die Reaktion von primärenAminen mit Wasser und Sauerstoff zu entsprechenden Aldehyden, Ammoniak und Wasserstoffperoxid katalysiert.Auch einige sekundäre und tertiäre Amine werden umge-setzt. Zu den Substraten der MAO gehören wichtigeNeurotransmitter wie Dopamin, Noradrenalin, Adrenalinund Serotonin. Kinetische Untersuchungen haben ergeben,dass zunächst das Amin-Substrat und dann Sauerstoff ge-bunden wird. Im ersten Schritt der enzymatischen Reak-tion führt die Reduktion des enzymgebundenen Flavins zurBildung des Aldehyds und Ammoniak, während im zweitenSchritt die Re-Oxidation des Flavins mit Sauerstoff unterFreisetzung von Wasserstoffperoxid erfolgt. Bereits 1928wurde ein Enzym beschrieben, das die oxidative Desami-nierung von Tyramin katalysierte und das zunächst als Tyra-min-Oxidase bezeichnet wurde. Später wurde die Oxida-tion verschiedener Monoamine, u.a. Catecholamine, regis-triert und das Enzym als MAO erkannt [10]. Es gibt zweiIsoformen des Enzyms, MAO-A (527 Aminosäuren) undMAO-B (520 Aminosäuren). Beide Oxidasen sind zu 70 %in ihrer Aminosäuresequenz identisch. Weiterhin enthaltenbeide Sequenzen das Pentapeptid Ser-Gly-Gly-Cys-Tyr, anwelches der obligatorische Cofaktor FAD kovalent über eine Thioether-Bindung an das Cystein (Cys-406 in MAO-A,Cys-397 in MAO-B) gebunden ist.

MAO wurde erstmals in der äußeren Mitochondrien-membran von Rattenleberzellen lokalisiert. Allerdings ex-primieren die meisten humanen Gewebe beide Mono-aminoxidasen. Lediglich in der Plazenta ist überwiegendMAO-A zu finden und in den Lymphozyten sowie Blut-plättchen ausschließlich MAO-B. Die beiden MAO-Typenunterscheiden sich bezüglich der Hemmstoffe und in ge-wissem Umfang bezüglich der Substratspezifität. Bevorzugte

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A B B . 7 CO M T- I N H I B I TO R E N

HO

HO

NO2

O

CH3

N CH3HO

HO

NO2

CH3

O

N

OHO

HO

NO2

CH3

OH3C

Tolcapon Entacapon

Nitecapon

Strukturen von Tolcapon, Entacapon und Nitecapon.

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Substrate der MAO-A sind Serotonin und Noradrenalin, dieder MAO-B β-Phenylethylamin and Benzylamin. Im Gehirnbeträgt der Anteil der MAO-B 75 bis 80 %. Mit zunehmen-dem Alter steigt außerdem interessanterweise der Anteilder MAO-B im Gehirn [10-12].

Ältere MAO-Inhibitoren (z.B. Tranylcypromin, Phenel-zin, Abb. 8) hemmen sowohl die MAO-A wie auch MAO-B.Daher steht dem mit der Nahrung zugeführten Tyramin(z.B. in Käse, Schokolade oder Wein) kein Metabolisie-rungsweg mehr offen, es wird akkumuliert und kann eineakute hypertensive Krise auslösen (cheese effect). DieseHemmstoffe binden irreversibel an das MAO-Coenzym FAD,so dass für eine Wiederherstellung der MAO-Funktion dieNeusynthese des Enzyms notwendig wird [12]. Das Anti-depressivum Moclobemid (Abb. 8) hingegen ist ein rever-sibler Hemmstoff der MAO-A, der keine Nahrungsmittel-In-teraktionen zeigt, da der Inhibitor durch Tyramin vom En-zym verdrängt werden kann und überdies MAO-B zumAbbau von Tyramin zur Verfügung steht. Selektive Inhibi-toren der MAO-A werden als RIMAs (Reversible Inhibitorsof MAO-A) bezeichnet. Während MAO-A-Inhibitorenhauptsächlich in der Behandlung von Depressionen undAngstzuständen eingesetzt werden, bewirken selektiveMAO-B-Hemmer eine erhöhte und längere Verfügbarkeitvon Dopamin in den striatalen Neuronen und werden da-her zur Therapie von Morbus Parkinson herangezogen [11].Selegilin, Pargylin und Rasagilin sind irreversible Inhibito-ren der MAO-B. Da im Zuge der Oxidation der Amine Was-serstoffperoxid und andere reaktive Sauerstoff-Spezies frei-gesetzt werden, die zur Degeneration der Neurone führenkönnten, werden zusätzliche neuroprotektive Effekte mit ei-ner Hemmung der MAO-B in Verbindung gebracht [12].

MAO-B oxidiert auch das Neuroto-xin 1-Methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahy-dropyridin (MPTP), das durch seinehohe Lipophilie schnell die Bluthirn-schranke passieren kann und im Ge-hirn eine zweistufige Giftung erfährt.Es entsteht zunächst das 1-Methyl-4-phenyl-2,3-dihydropyridinium-Kation(MPDP+) und daraus das 1-Methyl-4-phenylpyridium-Kation (MPP+). Letz-teres wird als das eigentliche toxischeAgens angesehen, welches Parkinsonauszulösen vermag [10]. Die quartäreWirkform akkumuliert im Gehirn, dasie die Blut-Hirn-Schranke nicht pas-sieren kann. MPP+ wird aufgrund sei-ner strukturellen Ähnlichkeit zu Do-pamin über den Dopamin-Transporterin die dopaminergen Neurone aufge-nommen und hemmt dort die mito-chondriale Elektronentransportkette.Diese Problematik ist im Zusammen-hang mit Verunreinigungen von MPTPin Pethidin-Zubereitungen oft disku-

tiert worden [5]. Aufmerksam wurde man auf die Aus-lösung von Morbus Parkinson durch MPTP durch das Auf-treten der Symptome an jungen Drogenabhängigen, die sichMPTP als Begleitstoff eines Pethidin-Analogons zugeführthatten. Berichte, nach denen der MAO-B-Inhibitor SelegilinMPTP-induzierten Parkinsonismus zu verhindern vermoch-te, verstärkten das Interesse an der anti-oxidativen Kom-ponente der MAO-B-Hemmung [12].

Selegilin (L-(-)-Deprenyl, Antiparkin, Movergan u.a.,Abb. 8) war der erste selektive MAO-B-Inhibitor. Die Al-kinylgruppe bindet kovalent an den Flavin-Cofaktor undführt dadurch zu irreversibler Hemmung. Klinische Studi-en ergaben, das Selegilin die Off-Zeit um 15 bis 20 % redu-ziert. Selegilin wird vornehmlich durch die Cytochrom-P450-abhängigen Enzyme CYP2D6 und CYP3A4 metabo-lisiert. Dabei entstehen (R)-(-)-Methamphetamin und(R)-(-)-Amphetamin (Abb. 8). Außerdem wird Selegilin zu (-)-Desmethylselegilin metabolisiert, dem neuroprotektiveEigenschaften zugesprochen werden. Die Amphetamin-Me-taboliten von Selegilin rufen eine Reihe von Nebenwirkun-gen hervor und sind daher als nachteilig einzustufen. Sele-gilin wird zumeist in Kombination mit L-DOPA gegeben. Ei-ne neue Formulierung des MAO-B-Inhibitors ist ZydisSelegilin (Zelapar®), welches sich im Mund schnell auflöstund resorbiert wird [11]. Damit wird gegenüber der kon-ventionellen Tablettenform der First-pass-Metabolismus um-gangen und eine höhere Konzentration von Selegilin im Se-rum und Gehirn angestrebt.

Rasagilin (Rasagilin-Mesilat, Azilect) ist ein selektiver,irreversibler MAO-B-Inhibitor der zweiten Generation, derseit Februar 2005 zugelassen ist. Er wird einmal täglich ein-genommen und wurde für den Einsatz in der initialen Mo-

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N

CH3

CH3CH

HN

CH

NH NH2

NH

CH3

CH3

NH2

NH

Cl

O

N

O

NH

CH3

CHNH2

CH3

N

CH3CH

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H

NH2

Tranylcypromin

Selegilin

Rasagilin

Phenelzin

Selegilin-Metaboliten:

Rasagilin-Metabolit:

(R)-Methamphetamin

Moclobemid Pargylin

Desmethylselegilin

(R)-1-Aminoindan

(R)-Amphetamin

A B B . 8 | I N H I B I TO R E N D E R M AO U N D M E TA B O L I T E N VO N S E L EG I L I N U N D R A SAG I L I N

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notherapie und in der Kombinationstherapie mit L-DOPAbei Patienten mit End-of-dose-Fluktuationen entwickelt. Eshandelt sich dabei um Ausfallerscheinungen nach dem Ab-klingen der L-DOPA-Wirkung. Rasagilin wird über das Cyto-chrom-P450-System (hauptsächlich CYP1A2) metabolisiert,im Unterschied zu Selegilin jedoch nicht zu Amphetami-nen (Abb. 8). Der Hauptmetabolit (R)-1-Aminoindan ist einrelativ schwacher kompetitiver Inhibitor der MAO-B(Ki = 32 µM). Rasagilin ist wie Selegilin ein Inaktivator desEnzyms, der zu einer kovalenten Modifizierung des FAD-Cofaktors führt. Für derartige Inakti-vatoren ist die Geschwindigkeitskons-tante zweiter Ordnung kinact/Ki ein ge-eigneter Parameter zur Beschreibungder inhibitorischen Effektivität. Rasa-gilin hemmt MAO-B mit kinact/Ki =76.000 M-1s-1, der Wert für MAO-A ist100-fach geringer. Das (R)-Enantiomer(i.e. Rasagilin) stellt den wirksamenMAO-B-Inhibitor dar, wohingegen das(S)-Enantiomer nur eine sehr geringeMAO-B-Hemmung zeigt (kinact/Ki =10 M-1s-1). Für die Inaktivierung wirdein ähnlicher, suizidaler Mechanismus(Abb. 9) wie im Falle anderer MAO-B-Inhibitoren mit Propargylamin-Partial-struktur (Pargylin, Selegilin) vorge-schlagen [13].

Bezüglich der Neuroprotektionzeigten Rasagilin und sein (S)-Enantio-mer ähnliche Aktivität. Auch dieser Be-fund weist darauf hin, dass die neuro-protektive Wirkung von MAO-B-Inhi-bitoren (Rasagilin, Selegilin) nicht aufdie Enzymhemmung zurückzuführenist [3, 10]. Es wurde berichtet, dass Ra-sagilin die strukturelle und funktio-

nelle Integrität der Mitochondrien be-wahrt, anti-apoptotische Proteine derBcl-2-Familie induziert und über Pro-teinkinase-C- und MAP-Kinase-vermit-telte Mechanismen eine Aktivierungder (nicht-amyloidogenen) α-Sekreta-se bewirkt [3].

Von MAO-Inhibitorenabgeleitete bifunktionaleWirkstoffeSubtile kognitive Funktionsstörungensind bei Morbus Parkinson sehr häu-fig. Wie bei Morbus Alzheimer kommtes auch bei der demenziellen Ent-wicklung der Parkinson-Krankheit zueinem corticalen cholinergen Defizit.Es konnte vor kurzem gezeigt werden,dass die Acetylcholinesterase-Hemmer

Donepezil und Rivastigmin zu einer Verbesserung der kog-nitiven Funktionen bei Parkinson-Patienten führten, die motorischen Symptome verschlechterten sich indes [14].Andererseits werden Anticholinergika eingesetzt, um dasrelative Übergewicht von Acetylcholin gegenüber Dopaminauszugleichen. Dieses älteste medikamentöse Behandlungs-prinzip der Parkinson-Krankheit verliert jedoch zunehmendan Bedeutung. Beim Einsatz von Anticholinergika sollte derAspekt des Acetylcholin-Mangels bei Parkinson-Demenzberücksichtigt werden, besonders bei älteren Patienten [5].

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A B B . 9 H E M M U N G VO N M AO - B D U RC H R A SAG I L I N

HN

CH

+HN

CHRasagilin

FAD, oxidierte Form

HN

N N

N

S

CH3

O

O

R

HN

N– N

HN

S

CH3

O

O

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reduzierte Form

HN

N

N

S

CH3

O

O

R

N

N–

Rasagilin-Flavin-Addukt

- H+

Vorgeschlagener Mechanismus der Hemmung von MAO-B durch Rasagilin. Rasagilin wirkt als Mechanis-mus-orientierter Hemmstoff, der durch die enzymkatalysierte Oxidation aktiviert wird und zu einerkovalenten Modifizierung des reduzierten Cofaktors Flavin führt. Die Struktur des alkenylierten Flavinswurde durch Röntgenkristallstrukturanalyse aufgeklärt [13].

HN

CH

HN

CHON

H3C

O

H3CHN

CHHO

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O

H3C

NCH3

CH3

CH3

Rivastigmin

Ladostigil

Rasagilin

Ladostigil-Metabolit:

6-Hydroxy-Rasagilin

A B B . 1 0 | S T R U K T U R E N V E R S C H I E D E N E R I N H I B I TO R E N

Strukturen von Rasagilin, dem AChE-Inhibitor Rivastigmin, dem bifunktionalenWirkstoff Ladostigil und dem Ladostigil-Metaboliten 6–Hydroxy-Rasagilin. Im Ladostigil wurden die Strukturkomponenten eines AChE-Hemmstoffs mit dem MAO-inhibitorischen und neuroprotektiven Pharmakophor des Anti-Parkinson-MittelsRasagilin kombiniert. Die Carbamat-Einheit ist für die Hemmung von Cholinestera-sen, die Propargylamin-Einheit für MAO-Hemmung und Neuroprotektion verant-wortlich. AChE-Inhibitoren werden zur Verminderung des cholinergen Defizits beider Alzheimerschen Krankheit eingesetzt. Neuroprotektive Aktivitäten von mono-funktionalen AChE-Inhibitoren wurden bislang nicht beschrieben [15].

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Bifunktionale Moleküle, die sowohl die dopaminergenals auch die cholinergen Funktionen im Gehirn verbessernsollen, rücken in den Fokus der Entwicklung neuer Wirk-stoffe. Ein erstes Molekül, in dem diese Strategie verwirk-licht wurde, ist Ladostigil (TV3326, Abb. 10). Ladostigil, dasstrukturell aus dem MAO-B-Inhibitor Rasagilin und demAcetylcholinesterase-Inhibitor Rivastigmin zusammenge-setzt wurde, erwies sich im Tierversuch als selektiver Inhi-bitor der MAO des Gehirns, wobei beide Isoformen ge-hemmt werden. Entsprechend sind Nahrungsmittel-Inter-aktionen (cheese effect) bei Zufuhr von exogenem Tyraminnicht zu erwarten, da die periphere MAO-Aktivität (in Le-ber und Darm) nicht beeinträchtigt wird. Ladostigil wurdefür die Therapie von Morbus Parkinson und Morbus Alz-heimer vorgeschlagen [3, 15].

Während Rasagilin ein selektiver Inhibitor der MAO-Bist, führt die Einführung einer Carbamat-Einheit in Position6 zu einer deutlichen Reduzierung der inhibitorischen Ak-tivität und zum Verlust der Selektivität. Der Befund, dass dieHemmung auf die MAO-Typen des Gehirns beschränktbleibt, erklärt sich möglicherweise durch den Metabolis-mus von Ladostigil: Wenn die Substanz durch Esterasen ge-spalten wird, entsteht das 6-Hydroxy-Derivat des Rasagilinsmit 500-600-fach verstärkter anti-MAO-Aktivität [15]. Es istbekannt, dass Esterasen Carbamat-Inhibitoren als alternati-ve Substrate umsetzen können.

Ladostigil hemmt sowohl Acetylcholinesterase (AChE,EC 3.1.1.7), als auch Butyrylcholinesterase (BuChE, EC3.1.1.8), letztere in stärkerem Maße. Es liegen Berichte zurVerbessung kognitiver Fähigkeiten im Tierversuch vor. Wieim Falle von Rasagilin ist die neuroprotektive Wirksamkeitnicht an die MAO-Hemmung, vermutlich aber an die Propar-gylamin-Partialstruktur, gebunden: Das (S)-Enantiomer desLadostigil ist ein extrem schwacher MAO-Hemmer, weistaber eine vergleichbare neuroprotektive Aktivität auf [15].Ob sich eine Verstärkung der cholinergen Aktivität zur Milderung kognitiver Störungen bei Morbus Parkinson alsein geeignetes Konzept erweist, müssen weiterführendeStudien zeigen.

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Die Autoren:Prof. Dr. Michael Gütschow; Biochemie-Studium ander Universität Leipzig; Promotion auf dem GebietPharmazeutische Chemie, wissenschaftlicher Assis-tent an der Universität Leipzig; 1993-1994 Stipen-diat am Georgia Institute of Technology, School ofChemistry and Biochemistry, Atlanta; Forschungs-aufenthalte an der Chemischen Fakultät der Univer-sität Jerewan, am Friedrich Miescher-Institut, Baselund bei Novartis Pharma, Basel; 1999 Habilitationfür das Fachgebiet Pharmazie/PharmazeutischeChemie an der Universität Leipzig; seit 2001 Profes-sor für Pharmazeutische Chemie an der RheinischenFriedrich-Wilhelms-Universität Bonn, seit 2004 Vor-sitzender der Fachgruppe Pharmazie der UniversitätBonn.

Dr. Manuela Meusel; 1996- 2000 Pharmaziestudiuman der Universität Leipzig; 2001-2005 Promotion ander Universität Bonn auf dem Gebiet Pharmazeuti-sche Chemie; seither Tätigkeit in der Qualitätssiche-rung der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG, Ingelheim am Rhein.

Anschrift:Prof. Dr. Michael GütschowPharmazeutisches Institut PoppelsdorfUniversität BonnKreuzbergweg 26D-53115 [email protected]

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