4
G. Geyer und M. Borneff: Mikrobielle Schleimhautbesiedelung 463 G. Kittel (Erlangen): An der Bedeutung hochgradiger Epitheldysplasien ffir die Karzinornent- stehung besteht kein Zweifel. Dennoch gibt es auch erhebliche Dysplasien, die sich unter funktioneller Therapie v611ig zuriickbilden, namentlich, wenn sie im Bereich der Processus vocales nach M. vocalis-Insuffizienzen mit kompensatorischen Hyperfunktionsmechanismen entstanden waren. B. Franz (Hamburg), Schluflwort: Einer Dysplasie kann man nicht unbedingt ansehen, ob es sich um eine neoplastische oder nur entziindliche Epithelvergnderung handelt. Deswegen ist es auch verstfindlich, dab eine schwere Dysplasie rficklgufig ist und sich nicht zu einem Karzinom entwickeln mug. 39. G. Geyer, Marianne Borneff (Mainz): Epidemiologie der mikrobiellen Schleimhautbesiedelung nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Kehlkopfbereich Bacterial Ecology Following Diagnostic and Therapeutic Treatment of the Larynx Summary. Changes of bacterial ecology in patients with different diseases of the glottis were traced from hospital admission until discharge. Eigthy-two patients were examined by skin- and throat-swabs and tracheal secretion at the beginning of their hospitalisation. In case of a surgical intervention this pattern was continued during the operation and also afterwards each week. The samples were differentiated concerning the biochemistry of the bacteria and the results discussed in relation to the clinical findings. Nosokomiale, d. h. krankenhauserworbene Infektionen, lassen sich in keiner Klinik v611ig vermeiden. Vor allem aus der Intensivpflege ist bekannt, dab trotz sachgerechter Handhabung das Auftreten gramnegativer Problemkeime nicht verhindert werden kann [1-3, 9, 10]. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die Ver/inderungen der bakteriellen Schleimhautbesiedlung wfihrend eines Krankenhausaufenthaltes zu verfolgen, um die Notwendigkeit und Relevanz antibakterieller Maf3nahmen zu beurteilen. Bei 82 Patienten mit verschiedenartigen Glottiserkrankungen wurden 1400 bakteriologische Proben in Form yon Abstrichen der Rachen- hinterwand und der Halsvorderseite und Trachealsekret entsprechend dem in Abb. 1 angegebenen Schema entnommen. Ergebnisse Zum Zeitpunkt der Mikrolaryngoskopie wiesen acht yon 52 Patienten eine Besiedelung mit gramnegativen Keimen auf. Bei 22 Patienten ergab die Mikrolaryngoskopie die Indikation ftir eine Kehlkopf-Teilresektion bzw. Laryngektomie. Die am Ende der Operation entnommenen Proben zeigten einen deutlichen Anstieg der Besiedelung yon Rachenhinterwand und Trachea mit Enterobakterien und Pseudomonaden. Dem postoperativ in 8t/igigem Rhythmus weitergefiihrten Kontrollschema ist zu entnehmen, dab jeweils am Ende der 2. Woche nach der Operation ein

Epidemiologie der mikrobiellen Schleimhautbesiedelung nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Kehlkopfbereich

  • Upload
    g-geyer

  • View
    218

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Epidemiologie der mikrobiellen Schleimhautbesiedelung nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Kehlkopfbereich

G. Geyer und M. Borneff: Mikrobielle Schleimhautbesiedelung 463

G. Kittel (Erlangen): An der Bedeutung hochgradiger Epitheldysplasien ffir die Karzinornent- stehung besteht kein Zweifel. Dennoch gibt es auch erhebliche Dysplasien, die sich unter funktioneller Therapie v611ig zuriickbilden, namentlich, wenn sie im Bereich der Processus vocales nach M. vocalis-Insuffizienzen mit kompensatorischen Hyperfunktionsmechanismen entstanden waren.

B. Franz (Hamburg), Schluflwort: Einer Dysplasie kann man nicht unbedingt ansehen, ob es sich um eine neoplastische oder nur entziindliche Epithelvergnderung handelt. Deswegen ist es auch verstfindlich, dab eine schwere Dysplasie rficklgufig ist und sich nicht zu einem Karzinom entwickeln mug.

39. G. Geyer, Marianne Borneff (Mainz): Epidemiologie der mikrobiellen Schleimhautbesiedelung nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Kehlkopfbereich

Bacterial Ecology Following Diagnostic and Therapeutic Treatment of the Larynx

Summary. Changes of bacterial ecology in patients with different diseases of the glottis were traced from hospital admission until discharge.

Eigthy-two patients were examined by skin- and throat-swabs and tracheal secretion at the beginning of their hospitalisation. In case of a surgical intervention this pattern was continued during the operation and also afterwards each week.

The samples were differentiated concerning the biochemistry of the bacteria and the results discussed in relation to the clinical findings.

Nosokomiale, d. h. krankenhauserworbene Infektionen, lassen sich in keiner Klinik v611ig vermeiden. Vor allem aus der Intensivpflege ist bekannt, dab trotz sachgerechter Handhabung das Auftreten gramnegativer Problemkeime nicht verhindert werden kann [1-3, 9, 10].

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die Ver/inderungen der bakteriellen Schleimhautbesiedlung wfihrend eines Krankenhausaufenthaltes zu verfolgen, um die Notwendigkeit und Relevanz antibakterieller Maf3nahmen zu beurteilen. Bei 82 Patienten mit verschiedenartigen Glottiserkrankungen wurden 1400 bakteriologische Proben in Form yon Abstrichen der Rachen- hinterwand und der Halsvorderseite und Trachealsekret entsprechend dem in Abb. 1 angegebenen Schema entnommen.

Ergebnisse

Zum Zeitpunkt der Mikrolaryngoskopie wiesen acht yon 52 Patienten eine Besiedelung mit gramnegativen Keimen auf. Bei 22 Patienten ergab die Mikrolaryngoskopie die Indikation ftir eine Kehlkopf-Teilresektion bzw. Laryngektomie. Die am Ende der Operation entnommenen Proben zeigten einen deutlichen Anstieg der Besiedelung yon Rachenhinterwand und Trachea mit Enterobakterien und Pseudomonaden.

Dem postoperativ in 8t/igigem Rhythmus weitergefiihrten Kontrollschema ist zu entnehmen, dab jeweils am Ende der 2. Woche nach der Operation ein

Page 2: Epidemiologie der mikrobiellen Schleimhautbesiedelung nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Kehlkopfbereich

464 G. Geyer und M. Borneff

PATIE NTENZAHL~. n=82 ~J

I 1. Mikrobiolog.Probe ~1 ('keine weiteren "~

entnommen w~hrend L .~ mikrobiolog. Proben-

MIKROLARYNGOSKOPIE J r l] entnahmen, da n = 52 j i keine

LARYNX-Op. ~t n=30

-21Mikrobiolog. Probe 1 [ entnommen w~hrend

I 3.-6. Mikrobiolog. Probe

entn. lx wi:ichenttich v~ihrend Station. AUFENTHALT

n=22

f , . 7. Makroblolog. Probe entnommen

nach ENTLASSUNG n=22

fEinmalige 7 mikrobiologisehe Probe I

entnommen |

1-15 Jahre naeh | LARYNX-OPERATION|

n=30 l

Abb. 1. Mikrobiologische Untersuchungen bei Erkrankungen der Glottis mit nachfolgender Operation (Patientenzahl n = 22)

h6herer Prozentsatz von Patienten eine gramnegative Besiedelung aufwies als zu anderen Zeitpunkten. Der Keimbefall war ausgeprfigter nachweisbar bei elf Patienten mit Kehlkopfteilresektion und oesophago-trachealem Shunt als bei elf Laryngektomierten. Mischbesiedelungen des Wundgebietes mit verschiedenen Enterobakterienarten wie z. B. Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae oder Proteus mirabilis sowie anderen gramnegativen Keimen sahen wir vor allem bei Patienten mit Kehlkopfteilresektion, wfihrend sich das Keimspektrum bei laryngektomierten Patienten im wesentlichen auf den primfir vorhandenen Keim beschrfinkte.

S/imtlichen Patienten war prophylaktisch bereits vor der Operation ein Antibiotikum verordnet worden. Die postoperativ erstellten Sensibilitgtsprofile der isolierten Stfimme ergaben in sechs F/illen Sensibilitfit aber in zehn Ffillen Resistenz gegenfiber den verabreichten und allen fibrigen verftigbaren Anti- biotika, d. h. in 62% der F~lle mit Anwesenheit pathogener Mikroorganismen war das primer vorhandene pathogene Keimspektrum durch die Antibiotika- gabe nicht zu beeinflussen.

Page 3: Epidemiologie der mikrobiellen Schleimhautbesiedelung nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Kehlkopfbereich

Mikrobielle Schleimhautbesiedelung 465

C 12

E . _ . lo

13..

"13

r 6

N r

16-

14-

2

s~mttiche larynxoperier te Patienten n= 22

Larynxteilresezierte oder nach STAFFIERI operierte Patienten n= 11

Laryngektomierte Patienten n= 11

~ . i i i i i

praeop, intraop. 1. 2. 3. 1,. Woche postoperativ

Zeitpunkte der Probenentnahme Abb. 2. Inzidenz gramnegativer Mikroorganismen nach Larynxoperat ionen w~ihrend des Kran- kenhausaufentha l tes (Patientenzahl n = 22)

Wundheilungsst6rungen, z. B. in Form yon Fistelbildungen, traten bei vier Patienten auf. Es ist zwar bekannt, dab insbesondere Enterobakterien und Pseudomonaden f~r derartige Entwicklungen verantwortlich sind [6, 12], doch konnte im Vergleich zu Patienten mit regelrechter Heilung bei den kompli- zierten Verl/iufen kein hfiufigeres Vorkommen pathogener Mikroorganismen nachgewiesen werden. Um die Entwicklung des Keimspektrums nach 1/ingerem Aufenthalt im hfiuslichen Milieu abschfitzen zu k6nnen, wurden 16 Laryngek- ,tomierte und 14 Kehlkopf-teilresezierte oder nach Staffieri operierte Patienten untersucht, deren Eingriffe zwischen 1 und 15 Jahren zurticklagen. Es zeigte sich, dab die zuvor beschriebenen Unterschiede zwischen den einzelnen Operationsgruppen und die ftir den Krankenhausaufenthalt typische Flora nach dieser Zeit und augerhalb des Krankenhauses nicht weiterbestehen.

Die Ergebnisse unserer Fallstudie lassen folgende Schltisse zu: 1. Kontaminationen des Wundgebietes mit gramnegativen Keimen sind im

Rahmen ausgedehnter Eingriffe im Hypopharynx-Larynxbereich nicht vermeid- bar [6].

2. Die (iblicherweise durchgeftihrte perioperative Antibiotikaprophylaxe kann aufgrund weitreichender Resistenzen keine wesentliche Beeinfiussung der gramnegativen Problemkeime bewirken [4, 8, 10, 11].

Die niedrige Rate nosokomialer Infektionen in den HNO-Kliniken - nach Daschner [5] liegt die Hfiufigkeit bei 2,5% - beruht wahrscheinlich auf den in

Page 4: Epidemiologie der mikrobiellen Schleimhautbesiedelung nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Kehlkopfbereich

466 G. Geyer und M. Borneff: Mikrobielle Schleimhautbesiedelung

der Mehrzahl gewebsschonenden Operationstechniken. Diese Feststellung entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung zur Prophylaxe durch Beachtung allgemeiner Grundsfitze der Krankenhaushygiene. Entsprechende Erhebungen [7] haben gezeigt, dab Krankenhausinfektionen in den meisten Ffillen auf fehlerhafter Handhabung medizinischer Gerfite durch unzureichend infor- miertes Personal zufiickzuffihren sind.

Der Einsatz von entsprechend geschultem Personal und die Bereitstellung geeigneter Materialien zur Pfiege der Patienten [6, 9, 12, 13] k6nnen das Risiko nosokomialer Infektionen entscheidend mindern.

Literatur

1 Bryant LR, Trinkle JK, Mobin-Uddin K, Baker J, Griffen WO (1972) Bacterial colonization profile with tracheal intubation and mechanical ventilation. Arch Surg 104:647-651

2 Bryant LR, Trinkle JK, Mobin-Uddin K, Griffen WO (1972) Interpretation of tracheal cultures in patients with intubation and mechanical ventilation. Am Surg 38:537-541

3 Daschner F (1977) Infektionswege in der Intensivmedizin. Hyg Med 2:197-199 4 Daschner F (1979) Infektionskontrolle in der Intensivmedizin - ist Antibiotikaprophylaxe

indiziert? Hyg Med 4:214-219 5 Daschner F (1979) Infektionskontrolle in Klinik und Praxis. Gerhard Witzstrock, Baden-Baden

K61n New York 6 Draf W (1980) Zur Problematik von Infektionen in der plastisch-rekonstruktiven Tumorchir-

urgie des Hypopharynx und cervicalen Oesophagus. In: Probst W (Hrsg) Plastische und Wiederherstellungschirurgie bei und nach Infektionen. Springer, Berlin Heidelberg New York

7 Dunkelberg H, Pfeiffer EH, Werner HP, Wittig JR (1976, 1977, 1978) Hygienisch-bakterio- logische Vergleichsuntersuchungen an 50 Krankenhfiusern I. Mitt - IV. Zbl Bakt Hyg I Abt Orig. B 161 : 387-426; VI. Mitt Zbl Bakt Hyg, I. Abt Orig B 165 : 381-392; V. Mitt Zbl Bakt Hyg, I. Abt Orig B 167:11-21

8 Goodpasture HC, Romig DA, Voth DW, Liu C, Brackett CE (1977) A prospective study of tracheobronchial bacterial flora in acutely brain-iniured patients with and without antibiotic prophylaxis. J Neurosurg 47:228-235

9 Just OH (1977) Praxis der klinischen Hygiene in An/isthesie und Intensivpflege. Schriflenreihe Intensivmedizin, Notfallmedizin, Anfisthesiologie. Thieme, Stuttgart

10 Linder E (1970) Infektionsprobleme nach Tracheotomie. Thoraxchirurgie 18:346-348 l l Price JE, Sleigh JD (1970) Control of infection due to Klebsiella aerogenes in a neurosurgical unit

by withdrawal of all antibiotics. Lancet 1213-1216 12 Werner H-P (1974) Schwerpunkte zur Verhfitung yon Krankenhausinfektionen durch gram-

negative Bakterien. Prakt Anaesth 9:316-330 13 Werner H-P (1977) Beweisbare Ursachen yon im Krankenhaus erworbenen Infektionen. In:

Schaaf D (Hrsg) Stellungnahme zu aktuellen Fragen der Desinfektion, Sterilisation, Chemo- therapie. Verlag Hygieneplan GmbH, Friedberg/Hessen

W. Mann (Freiburg i. Br.): Sind Ihnen die Untersuchungen aus den Royal Marsden in London bekannt, wo in einer kontrollierten Studie der Effekt einer prfioperativen Oabe von Cephalo- sporinen und Metronidazol bei Vorbestrahlung und anschliegender Laryngektomie und Neckdis- section auf die Wundheilung untersucht wurde? Vor allem die Anaerobierinfektionen konnten durch die Gabe von Metronidazol gut beherrscht werden und die Wundheilungsst6rungen nahmen dramatisch ab.

G. Geyer (Mainz), Schlufiwort: Die Studien sind mir bekannt. Das Verhalten der Mikroorganismen bei vorbestrahlten Patienten und gleichzeitiger Antibiose wurde aufgrund der geringen Anzahl derartiger F~lle in unserem Patientengut nicht berficksichfigt.