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Epidemiologische Grundlagen und Epidemiologische Grundlagen und Beiträge Beiträge Die Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I: Die Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I: Kap. (3, 14, 15) Kap. (3, 14, 15) Vorlesung 3 Klinische Psychologie und Psychotherapie I – Einführung in die allgemeinen Grundlagen

Epidemiologische Grundlagen und Beiträge Die Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I: Kap. (3, 14, 15) Vorlesung 3 Klinische Psychologie und Psychotherapie

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Epidemiologische Grundlagen und BeiträgeEpidemiologische Grundlagen und BeiträgeDie Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I:Die Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I:

Kap. (3, 14, 15)Kap. (3, 14, 15)

Vorlesung 3Klinische Psychologie und Psychotherapie I – Einführung in die allgemeinen Grundlagen

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Die Kernfragen nach den Ursachen psychischer StörungenDie Kernfragen nach den Ursachen psychischer Störungen

Beides?

Gibt es überhaupt „Ursachen“ (Kausalität?)

Gibt es einfache Grundmodelle?

Lässt sich das so reduzieren?

Oder ist das alles komplizierter?

Welche Zugangswege habe ich?

Was muss ich bei deren Identifikation und Prüfung beachten?

Welche Grenzen und Optionen haben die verschiedenen Paradigmen?

Organische Ursachen?

Psychische Ursachen?

Soziale Ursachen?

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Es gibt aktuell viele verschiedene Modelle, Es gibt aktuell viele verschiedene Modelle, Herangehensweisen und PerspektivenHerangehensweisen und Perspektiven

Welche sollte ich kennen und was sollte ich wissen?Welche sollte ich kennen und was sollte ich wissen?

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Beispiele für einfache Beispiele für einfache (richtiger: vereinfachte!)(richtiger: vereinfachte!) wissenschaftliche wissenschaftliche ModelleModelle

ModellePsychoanalytische

Psychodynamische

Epidemiolog./soziologischeNeurobiologische

Neuroanatomische

(Infektionsmodelle)

Konditionierungs-

Kognitive Modelle

Psychophysiologische

Störungserklärungs-AnsatzFrühe Es-, Über-Ich-, Ich-Störungen

Ich-Struktur Defekte

Schicht- und Desintegrationsannahmen (Epidemiologie)

Transmitter/genetische Steuerung (z.B. HPA/Vererbung)

Neuronale Schädigung

Epidemiologie (Suizid, Schizophrenie, Depression - Bora)

Psychische Störungen werden gelernt (Trauma)

Dysfunktionale Einstellungsmuster

Gestörte Regelkreise

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Grundüberlegungen zur KausalitätGrundüberlegungen zur Kausalität

Zeitachse

Familiengenetischer

Faktor:

z. B. Mutter

Depression

Temperaments-

Faktor:

z. B. Kind ist schüchtern,

ängstlich (BI)

Faktor

Geschlecht:

weiblich

OutcomeBeginn einer Major Depression im Alter

von 18 (nach der Trennung vom Freund?)

Prozess??

Blackbox

Diathese = Vulnerabilitäten

Distale (entfernte Faktoren)

z.B. Stress = proximale Auslöser

und Prozesse

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Wie findet man die entscheidenden Ursachen heraus?Wie findet man die entscheidenden Ursachen heraus?

Dies ist eine Ursachenfrage = Ätiologiefrage/Bedingungswissen= grundlegende Wissenschaftsfrage = Voraussetzung für Intervention

Was ist ein Risikofaktor?Was ist eine Vulnerabilität?Was will ich vorhersagen? Beginn, Verlauf

Wie kann man Wechselwirkungen unterscheiden?

Multikausale/multimodale Modelle

Komplizierende Faktoren I bei der Beurteilung von Risiko und Vulnerabilität: Entwicklung, Reifung, Komorbidität

Komplizierende Faktoren II: Störungsdynamik (kurz, lang, fortschreitend etc.)

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In dieser Population, für diesen Faktor kann gezeigt werden, dass...In dieser Population, für diesen Faktor kann gezeigt werden, dass...

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Konzeptueller Rahmen psychische Störungen: z.B. Konzeptueller Rahmen psychische Störungen: z.B. DepressionDepression

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Wie findet man die entscheidenden Ursachen heraus - DesignmöglichkeitenWie findet man die entscheidenden Ursachen heraus - Designmöglichkeiten

Design Merkmale

Fallstudien (beobachtend) ein Patient (Querschnitt oder Verlauf)

schlecht generalisierbar, hypothesengenerierend

Fallstudien (experimentell) 2+ Patienten (Variation einer oder mehrerer Variablen

schlecht generalisierbar, hypothesengenerierend

Querschnittsstudien (beobachtend)

Patienten (Querschnitt, retrospektiv Verlauf)

nur für Gruppe generalisierbar, retrospektiv (Fehler?), fehlschlussanfällig, hypothesengenerierend

Kontrollierte Querschnittsstudien (quasi-experimentell, Kohortenstudie)

mehrere Gruppen nach Merkmalen (z.B. nach familiärer Belastung)

nur für Gruppe generalisierbar, retrospektiv (Fehler?), fehlschlussanfällig, aber spezifische Hypothesentestung

Obige Designs an repräsentativer Stichprobe

Variationen w.o. Besser generalisierbar, aber Patienten- oder Bevölkerungen retrospektiv (Fehler?), fehlschlussanfällig, aber spezifische Hypothesentestung

Prospektive Verlaufsstudien 2+ Verlaufsuntersuchungen experimentell oder beobachtend

wenn an repräsentativen Gruppen (Patienten, Bevölkerung, Kohorte) generalisierbare kausale Faktoren identifizierbar

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Bedeutung und Bedeutung und Merkmale Klinischer Merkmale Klinischer

StudienStudien

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Störungsübergreifender Teil:Störungsübergreifender Teil:

EpidemiologieEpidemiologieWas kann die Epidemiologie zum Verständnis psychischer Was kann die Epidemiologie zum Verständnis psychischer

Störungen beitragen?Störungen beitragen?

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Epidemiologie - Etymologie

Epi auf, über

Demos das Volk Griechischer Wortstamm

Lógos die Lehre

Die „Lehre über das Volk“

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Was ist Epidemiologie: EntwicklungWas ist Epidemiologie: Entwicklung

Ursprünglich (siehe Wortbedeutung!) gleichbedeutend mit der Epidemien übertragbarer Erkrankungen

Bsp. Chadwick & Snow (1870) oder Pettenkofer in D: Untersuchungen des Zusammenhangs von Choleramortalität und Trinkwasserversorgung (-verunreinigung) durch systematische Registrierung der „Fälle“ nach Trinkwasserbezug. Dadurch konnte – bereits vor Entdeckung der Ursache (Choleravibrionen; Robert Koch) – die Cholera erfolgreich bekämpft werden.Rudolf Virchow: Studien zum Zusammenhang von Armut, Hunger und epidemischen Auftretens von Typhus (Oberschlesien)Robert Koch: Entdeckung der bakteriellen und viralen Entwicklungswege

Nach Rückgang der Infektionskrankheiten seit den letzten 60 Jahren– erweiterte sich die Epidemiologie auf das gesamte Spektrum körperlicher und psychischer StörungenSeit 1997 ist das Robert Koch Institut für Deutschland die verantwortliche nationale Koordinationsstelle

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Die epidemiologische TriasDie epidemiologische Trias

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Was ist Epidemiologie: DefinitionWas ist Epidemiologie: Definition

Feststellung der Krankheitsverteilung über Raum und Zeit in Abhängigkeit von Umwelt, Organismus und Persönlichkeit (deskriptive E.)

Untersuchung von Entstehung, Verlauf und Ausgang von Erkrankungen (analytische E. / Vervollständigung der klinischen Forschung)

Ermittlung von individuellen Krankheitsrisiken

Prüfung von Hypothesen über kausale Beziehungen zwischen Umweltfaktorten, Krankheit und Person (analytische E.; quasi-experimentelle Designs)

Entwicklung, Ableitung, Evaluation von präventiven Interventionen

Verwandte Begriffe administrative E., Versorgungsepidemiologie, genetische Epidemiologie, Public Health

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Epidemiologische Grundlagen und KonzepteEpidemiologische Grundlagen und Konzepte

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Epidemiologische Grundlagen und KonzepteEpidemiologische Grundlagen und Konzepte

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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße

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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße

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General population (or fractions thereof (i.e age groups)

Persons with (i.e. anxiety or depressive) symptoms

Persons with (i.e MDE) syndromes

Untreated cases with DSM-IV disorders (MDD)

Treated patientsPrimary careMH-specialists

Epidemiological approaches allow a representative description and thus complete clinical descriptions without biases such as

severity, helpseeking and treatment effects

Epidemiologische Perspektive

Clinical researchsamples

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Epidemiologische Grundlagen und KonzepteEpidemiologische Grundlagen und Konzepte

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Untersuchungsdesigns in der analytischen EpidemiologieUntersuchungsdesigns in der analytischen Epidemiologie

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Untersuchungsdesigns in der analytischen EpidemiologieUntersuchungsdesigns in der analytischen Epidemiologie

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Epidemiologische AnsätzeEpidemiologische Ansätze

Was kann man damit machen?

Was kann man damit erreichen, wenn es um die Aufklärung von Ätiologie geht?

Beispiele aus der deskriptiven undaus der analytischen Epidemiologie

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1. Beispiel 1. Beispiel

Die psychische Gesundheit der DeutschenDie psychische Gesundheit der Deutschen Ergebnisse des German National Health Interview and

Examination Survey – Mental Health Supplement(GHS-MHS)

H.-U. Wittchen, Susanne Winter, Hildegard Pfister

Max-Planck Institut für Psychiatrie

München

Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie

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Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)Ziele und Methoden Ziele und Methoden (Das Gesundheitswesen 1998,S.59-S.114)(Das Gesundheitswesen 1998,S.59-S.114)

Erster bundesweiter Morbiditäts- und Gesundheitssurvey Ziel: Diagnosenspezifische umfassende Gesundheitsberichterstattung (Prävalenz, Risiken, Korrelate)

Modularer AufbauÄrztlich-medizinische & klinisch-psychologische UntersuchungsteamsRepräsentative bundesweite Einwohnermeldestichprobe, N=7200 Personen in 120 sample points (Ausschöpfung 87,6%)Zwei-stufiges Vorgehen (two stage design)

Alle Kernsurvey-Teilnehmer: Stammfragebogen-ScreeningAlle Screen-Positiven und 50% der Screen-Negativen wurden untersucht (N= 4181)

Standardisiertes Interview (CIDI) zur Erfassung von 42 ICD-10 und DSM-IV DiagnosenAuswertung: gewichtet (Screening, Ausfälle, Bundesrepräsentativität)

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Die Module des Bundesgesundheitssurveys Die Module des Bundesgesundheitssurveys (1998/99)(1998/99)

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29

2925 25 24

18

36 38 36 3735

33 31 31 3126 25

37

31

0

10

20

30

40

50

18-29 30-39 40-49 50-59 60-65 Total

Männer Frauen Gesamt

Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen (DSM-IV) 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen (DSM-IV)

nach Alter und Geschlechtnach Alter und Geschlecht Jeder Dritte im Alter von 18-65 ist betroffen!Jeder Dritte im Alter von 18-65 ist betroffen!

12-Monatsprävalenz

AltersgruppeWittchen, H.-U., Pfister, H., et al. (2000). Zusatzsurvey "Psychische Störungen" (Bundesgesundheitssurvey 98): Häufigkeit, psychosoziale Beeinträchtigungen und Zusammenhänge mit körperlichen Erkrankungen (Schlussbericht). München: MPI

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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße

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Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)

12-Monatsprävalenz von Angststörungen 12-Monatsprävalenz von Angststörungen (18-65 j.)(18-65 j.)

2,0

2,3

2,0

1,5

3,4

7,6

0,97 Mio.

1,12 Mio.

3,7 Mio.

0,97 Mio.

0,73 Mio.

1,65 Mio.

6,91 Mio.

0 2 4 6 8 10

Agoraphobie

Panikstörungen

Spezifische Phobien

Soziale Phobie

Generalisierte Angststörung

Angststörung NNB

irgendeine Angststörung1irgendeine Angststörung

davon

Frauen%w

Männer %w

3,1 1,0

3,0 1,7

13,5 5,9

3,5 2,2

2,1 1,0

4,9 1,9

19,5 9,0

1 ohne Zwangsstörungen, Posttraumatische Belastungsstörung² Prävalenz alte Bundesländer: 14,21%; Prävalenz neue Bundesländer: 14,25%

14

(gewichtete % und Angaben in Millionen Bundesbürgern)

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Unterschiedliche Prävalenzraten für Depression in Abhängigkeit der Unterschiedliche Prävalenzraten für Depression in Abhängigkeit der verwendeten Zeit- und Schweregrad-Kriterienverwendeten Zeit- und Schweregrad-Kriterien

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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße

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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße

Zentrale Voraussetzung: genaue Definition der Bezugspopulation, repräsentative Stichprobe oder Totalerhebung, reliable Falldefinition, Wahl des adäquaten Designs

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Kumulierte Inzidenz für ausgewählte AngststörungenKumulierte Inzidenz für ausgewählte Angststörungen

Specific Phobia - Animal

00.010.020.030.040.050.060.070.080.09

0.1

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

Age of Onset

Cum

ulat

ive

Haz

ard

Rat

es

malefemale

Specific Phobia - Natural Environment

0

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05

0.06

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

Age of Onset

Cum

ulat

ive

Haz

ard

Rat

es

malefemale

Specific Phobia - Blood, Injection, Injury

0

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05

0.06

0.07

0.08

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

Age of Onset

Cum

ulat

ive

Haz

ard

Rat

es

malefemale

Specific Phobia - Situational

0

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05

0.06

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

Age of Onset

Cum

ulat

ive

Haz

ard

Rat

es

malefemale

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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße

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12-Monats-Komorbidität psychischer Störungen12-Monats-Komorbidität psychischer Störungen (Wittchen et al. submitted)(Wittchen et al. submitted)

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Zusammenfassung: Epidemiologie und Spontanverlauf Zusammenfassung: Epidemiologie und Spontanverlauf psychischer Störungenpsychischer Störungen

Lebenszeitrisiko psychischer Störungen insgesamt: 43%12-Monatsprävalenz: 31%; Männer : Frauen = 1 : 2Ausgeprägte Lebenszeit- und QuerschnittskomorbiditätErsterkrankungsrisiko: diagnostisch unterschiedlich, z. B.

frühe Störungen (Alter <20): Phobien, Drogen-, Ess- und somatoforme Störungen (Ausnahme Schmerzsyndrome)spätere Störungen: Panikstörung, Generalisierte Angst, Alkohol, Depression

Verlauf: variabeleher episodisch: affektive Störungen (Major Depression, Bipolare)eher persistierend/chronisch: Alkoholabhängigkeit, Angststörungen, somatoforme Störungen, Dysthymiehohe Spontanremission: frühe Phobien, Drogenmissbrauch

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2. Beispiel 2. Beispiel

Sind psychische Störungen in den neuenSind psychische Störungen in den neuen Bundesländern häufiger?Bundesländern häufiger?

Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Psychische Störungen in Ost und West

Hypothese:Die Wiedervereinigung (BRD kauft DDR) hat in der Ost-Bevölkerung eine generalisierte

Hilflosigkeit ausgelöst.Der sozioökonomische Status der Ost-Bevölkerung ist niedrig!

Beides sollte in erhöhter psychischer Morbidität resultieren!

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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße

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108,3

3,3

28,1

31,9

12 11,5

4,8

0

5

10

15

20

25

30

35

Ost West

AngststörungenDepressionenSomatoforme Stör.Substanzabhängigk.Gesamt

Sind die neuen Bundesländer (Ost) häufiger von psychischen Sind die neuen Bundesländer (Ost) häufiger von psychischen Störungen betroffen als die alten (West)Störungen betroffen als die alten (West) (Jacobi et al in press)(Jacobi et al in press)

12-Monats-Prävalenz (%)

* OR kontrolliert nach Geschlecht, Alter, Schicht und körperlicher Morbidität

OR: 1,2*

Nein – im Gegenteil - es finden sich Hinweise auf höhere Morbidität im Westen:

- Substanzstör. (Drogen)- Somatoforme Stör.- Depressionen

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Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio

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Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio

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Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio

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4-Wochenprävalenz 4-Wochenprävalenz (%, 95% CI, gewichtet)(%, 95% CI, gewichtet) affektiver Störungen* affektiver Störungen* nach neuen und alten Bundesländernnach neuen und alten Bundesländern

* Major Depression, Dysthymie, Bipolare Störungen

Altersgruppe Alte BL% 95%CI

Neue BL% 95%CI

OR Geschlecht

18 - 29 5,4 (3,7 – 7,8) 2,3 (1,1 – 5,0) 2,44*

30 – 39 5,8 (4,3 – 7,8) 3,8 (2,3 – 6,1) NS

40 – 49 6,1 (4,5 – 8,3) 5,1 (3,2 – 8,1) NS

50 – 59 8,5 (6,5 – 11,0) 8,0 (5,6 – 11,4) NS

60 – 65 8,6 (5,6 – 13,0) 5,8 (2,8 – 11,5) NS

Gesamt 6,7 (5,8 – 7,7) 4,8 (3,8 – 6,1) 1,41*

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46

Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)

Zusammenfassung: Ost-West UnterschiedeZusammenfassung: Ost-West Unterschiede

Insgesamt ergeben sich keine signifikanten Unterschiede in psychischen Morbidität

Wenn überhaupt, sind - mit einer Ausnahme - die Prävalenzen eher höher in den alten Bundesländern

Dies gilt auch bei Berücksichtigung von spezifischen Diagnosen, Alter und Geschlecht sowie Schweregrad

Raten für Angststörungen sind fast identisch

Raten für Affektive Störungen tendenziell, und für somatoforme Störungen deutlich höher in den alten Bundesländern

Bemerkenswert angesichts der ätiologisch relevanten und in den neuen Bundesländern höheren Risikokonstellationen (Arbeitslosigkeit, Unsicherheiten, Perspektiven, „Hilflosigkeit“)

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47

Mögliche Ursachen?Mögliche Ursachen?

Im Osten höhere selektive Ausfälle? Nein – im Screening keine Unterschiede Teilnehmer vs. Nicht-Teilnehmer

Im Osten systematischer response bias? Unwahrscheinlich – warum dann nicht bei Angst, warum kein Unterschied in Symptomfragebögen?

Es gibt wirksame Kompensationsmechanismen (Gefühl größeren Zusammenhalts im Osten angesichts des „gemeinsamen Feindes“ (der Wessi – ich bin nicht schuld!) ?

Keine gravierenden Schichtunterschiede (es geht allen schlecht!)

da Unterschied bei somatoformen Störungen am größten – Zusammenhang mit Angebotslage? Möglich, da im Osten bedeutsam weniger versorgt werden! (Iatrogene Einflüsse oder Instrumentenbias?)

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48

Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio

Odds ratio: 4.7** (95% CI: 1.7-13.0)** p<0.05: controlled for age and sex

Lieb, et al. (2000) Parental psychopathology, parenting styles, and the risk for social phobia in offspring: Arch Gen Psych

Soziale PhobieDiagnose bei Eltern

nein ja

Diagnose bei Kindern

nein 253 126ja 7 45

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49

Beispiel 1: Cumulative risk of onset of offsprings social phobia development by age and parantal diagnostic

status:EDSP prospective-longitudinal data

0,84

0,86

0,88

0,9

0,92

0,94

0,96

0,98

1

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 age

1-cu

mul

ativ

e lif

etim

e in

cide

nce

no parental psychopathology

parental social phobia

Lieb, et al. (2000) Parental psychopathology, parenting styles, and the risk for social phobia in offspring: Arch Gen Psych

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50

Bsp: Wenn Kinder (-14) eine (primäre) Angststörung haben, wie hoch Bsp: Wenn Kinder (-14) eine (primäre) Angststörung haben, wie hoch ist ihr Risiko über 5 Jahre eine sekundäre Depression zu entwickeln?ist ihr Risiko über 5 Jahre eine sekundäre Depression zu entwickeln?

7,9

16,3

24,1

32,5

27,1

15,5

22,5

0 5 10 15 20 25 30 35

keineAngststörung

irgendeine

Panikstörung

GAD

Agoraphobie

SpezifischePhobie

Soziale Phobie 2.68 (1.6-4.5)

1.76 (1.2-2.5)

3.01 (1.5-6.2)

4.2 (2.1-8.5)

2.6 (0.9-7.8)

2.1 (1.5-2.9)

1.0

Primäre Angstst.

% aller Fälle mit sekundärer Depression

Kontr. nach:Alter, Geschlecht,

anderen Störungen

OR (95% CI)

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51

Störungsübergreifender Teil:Störungsübergreifender Teil:

Soziologische AnsätzeSoziologische Ansätze

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

52

Soziologische ModelleSoziologische Modelle

Die Schicht-Hypothese (Hollingshead & Redlich 1956):

Die Bevölkerung kann hinsichtlich ihrer Lebensbedingungen in regelhafte „Schichten/Klassen“ (Bildung/Einkommen/Prestige) unterteilt werden. Diese Klassen bedingen systematisch Unterschiede im Gesundheits-/ Krankheitsstatus.

Das Anomie- Konzept (Durckheim 1970):

Bestimmte Bevölkerungsschichten sind durch ein hohes Ausmaß an Desintegration gekennzeichnet, dabei spielt die mangelnde Einbindung in soziale Beziehungen (Anomie) eine entscheidende Rolle.

Das soziale Hilflosigkeitskonstrukt (Seligmann 1991):Säkulare und andere Zeittrends bedingen bevölkerungsbezogen ein generalisiertes Gefühl der „Hilflosigkeit“, diese führt zu erhöhter Morbidität

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53

Soziologische AnsätzeSoziologische Ansätze

Soziologische Theorien haben in den 50er Jahren unter Einfluss der Chicago School psychische Störungen als Folge diverser soziologischer Konstrukte

interpretiert. Diese Arbeiten haben bis heute großen Einfluss zum Beispiel im Zusammenhang mit Theorien zur sozialen Integration:

Beispiele: Durckheim (Anomie und Suizid)

Hollingshead (Soziale Desintegration / soziale Schicht)

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54

12-Monatsprävalenz psychischer Störungen nach 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen nach Altersgruppe und sozialem SchichtstatusAltersgruppe und sozialem Schichtstatus

34,330,1 28,628,1

25,226,3

05

10152025303540

18-35 36-65

Unterschicht Mittelschicht Oberschicht

Altersgruppe

Es ergeben sich signifikant höhere Prävalenzen psychischer Störungen bei Unterschichtprobanden – bei älteren stärker ausgeprägt als bei Jüngeren

12-Mo.-prävalenz

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55

12-Monatsprävalenz suizidalem Verhaltens nach 12-Monatsprävalenz suizidalem Verhaltens nach Altersgruppe und sozialem SchichtstatusAltersgruppe und sozialem Schichtstatus

2,6

4,3

2,5

4,1

2,2

3,9

00,5

11,5

22,5

33,5

44,5

5

18-35 36-65

Unterschicht Mittelschicht Oberschicht

12-Mo.-prävalenz

Es ergeben sich höhere Prävalenzen suizidaler Handlungen bei Unterschichtprobanden (Differenz Ober- vs. Unterschicht)

Altersgruppe

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56

Ist die Anomie Erklärung stichhaltig?Ist die Anomie Erklärung stichhaltig?

Nein – weder Schicht noch Anomie sind an sich machtvolle Risikofaktoren, bestenfalls sind sie Moderatoren oder Folgen

die aktuelle Befundlage, dass z. B. folgende Aspekte wichtig sind:Personen mit sehr niedrigem SES sind stärkerem sozialen Stress ausgesetzt (Arbeitslosigkeit, Arbeitsunsicherheit)

Sie haben geringere soziale (Netzwerk, Freizeit) und kognitive Ressourcen (Information, Wissen über Risiken)

Sie haben schlechteres Gesundheitsverhalten (Rauchen, Alkohol, Bewegung)

Sie haben geringere persönliche Ressourcen (effiziente Coping Strategien finden sich eher in höheren Schichten)

Henne oder Ei? Die meiste Varianz wird dadurch erklärt, dass Personen mit psychischen Störungen eine schlechtere Sozialisation (schulisch, sozial, beruflich) haben und deshalb sind sie häufiger in unteren SES zu finden! („social drift“ Hypothese)

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57

4. Beispiel 4. Beispiel

Versorgungsepidemiologie Wie viele werden „behandelt“?

Kontakt mit professionellen Diensten klinischer wie ambulanter Art (einschließlich Hausarzt) ungeachtet Häufigkeit, Art und Adäquatheit der Intervention

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Problem 1: Behandlungsraten psychischer Störungen sind niedrig: Behandlungsraten nach Alter und Geschlecht bei DEGS

Lifetime und 12-Monats Fällen

23,3

43,4

9,2

25,5

36,3

49,4

15,8

27,5

39,1

51,8

13,3

21,9

40,146,2

4,5

14,1

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Männer Frauen Männer Frauen

18-34 35-49 50-64 65+

A. Lifetime Diagnose und lifetime Behandlung

B. 12-Monats Diagnose und 12-Monats Behandlung

In %

Lifetime:

Frauen > Männer8-34-Jährige niedrigste Rate

Anstieg mit Alter (Dauer Störung? Komorbidität?)

12-Monatsraten

niedrig für junge Männer und Altere (65+)

Gesamt: M:11,6%, F:23,5)

Mack et al in IJMPR 2013

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DiagnosegruppeNGS 1998 DEGS

2011Differenz

Psychotische Störungen 56,5 73,3 +16,8%

Affektive Störungen 49,7 56,5 + 9,8%

Angststörungen 47,8 48,7 + 0,9

Somatoforme 40,4 50,6 +10,2%

Esstörungen 36,4 44,3 +7,9%

Suchterkrankungen 34,1 35,9 +1,8%

Problem 2: Versorgungslage bessert sichVeränderungen im Vergleich zu 1998 verbessert?

(siehe Psychotherapeutengesetz und Reformbemühungen)

Wittchen et al 2001, 2012, Bundesgesundheitsblatt; Mack et al in IJMPR 2013

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Bilanz Versorgung: Die Versorgungssituation psychischer Störungen ist defizitär

In Europa und Deutschland werden trotz effektiver medikamentöser und psychotherapeutischer Verfahren …

Nur 30-52% (je nach Land ) überhaupt vom Versorgungssystem erfasst Nur 8-16% vom spezialierten Sektor für psychische Störungen Nur 2-9% erhalten eine minimal adäquate Therapie

Medikamente >1 month plus > 4+ Besuche oder >8 Sitzungen Psychotherapie

Wenn Behandlung, dann Medikamente, Psychotherapie nur für 0-3% aller Betroffenen

Die Behandlung erfolgt viel zu spät (Median 15.6 Jahre nach Krankheitsbeginn)

Das Ausmaß der Unter-, Fehl und verzögerten Versorgung psychischer Störungen ist unter allen Krankheiten einzigartig

Die Situation wird sich verschlimmern allein aufgrund der demographischen Entwicklung

Ursache: Die Anzahl von Behandlern/Einrichtungen entspricht kapazitär bei weitem nicht dem Ausmaß des Problems, Integration der Sektoren und Maßnahmen sowie Kontinuität mangelhaft

Wittchen et al 2012, EJN, Wittchen Lancet 2013

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Die gesellschaftliche und gesundheitsökonomische Belastung

durch psychische Störungen

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

62

Wie beeinträchtigend sind psychische Wie beeinträchtigend sind psychische Störungen? Störungen?

Anteil psychischer Störungen mit Einschränkungen in den vergangenen 4 Wochen (Harvard Index) und mittlere

Anzahl von Arbeitsunfähigkeits- und Einschränkungstagen im vergangenen Monat

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Mental disorders = disorders of the brain = always always associated with functional impairments and disabilities

Examples (Kessler et al 1996, Stein et al 1999, Wittchen et al 2002)

leaving school early, drop-out, lower educational attainment Missing social-developmental milestones Sick leave days and reduced work productivity being unemployed and lower income being single or divorced,disruption of family life Dissatisfaction/disruption friends and leisure activities smaller density of network, dependency on others decreased quality of life, social skills, competence

Cognitive impairments and disabilities Intellectual disability (like in dementias) Attention, concentration, memory, executive functions Decision making, volition

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Mittlere Anzahl Krankheitsausfalltage/Monat

Personen mit akuten psychischen Störungen haben extrem hohe Krankheitstage - nach Abklingen der Symptomatik Normalisierung

Status psychische Störung

Bei Vorliegen akter psychischer Störungen

vervielfacht sich die Zahl der Ausfalltage von 0,3/Monat auf 2,1.

Bei Besserung und Remission kommt es zu

einer Normalisierung (0,4 Tage)

Bei Vorliegen somatischer UND

psychischer Erkrankungen weitere

Steigerung

DEGS: Wittchen et al in prep

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

65

Wie beeinträchtigend sind psychische Störungen?Wie beeinträchtigend sind psychische Störungen? % mit Beeinträchtigung und mittlere Anzahl der Tage/Monat% mit Beeinträchtigung und mittlere Anzahl der Tage/Monat

% beeinträchtigt mind. 1 Tag

Mittlere Anzahl Tage

Phobien soziale 63,6 9,6

spezifische 33,1 4,3

GAE 61,1 11,5

Affektive Störungen 49,7 7,6

Panikstörung 49,0 8,5

Drogenabhängigkeit 39,2 1,9

Psychotische Störungen 37,3 5,1

Alkoholabhängigkeit 25,6 2,1

Keine Diagnose 4,8 0,2

1 Diagnose 15,3 1,4

2 Diagnosen 35,9 3,7

3 Diagnosen (und mehr) 70,3 11,8

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Psychische Störungen sind einschränkender (years lived in disability: 42%), nicht aber tödliicher (disability adjusted life years,DALY: 28%) als andere Krankheitsgruppen

Die hohe Behinderungslast ergibt sich aus der hohen Prävalenz, dem häufigen frühen Beginn, dem persistierenden Verlauf und defizienter Versorgung.

Höchste DALY-Werte für: Depressionen, Sucht, MS und Angsterkrankungen

In Europa und Deutschland sind psychische Störungen für den größten Anteil der Krankheitsbelastung verantwortlich

DALY: (Disability adjusted Life years)YLD (=Verlust gesunder Lebensjahre)

Psychische Störungen

Andere Krankheitsgruppen

66

28%42%

72%58%

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Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.

The new EU data 2011: Depression has become the largest single The new EU data 2011: Depression has become the largest single contributor to DALY of all diseases in Europe:contributor to DALY of all diseases in Europe:

DALY proportions (%) of all causes

In previous estimations (WHO) for depression

9,89,2

7,8

5,2

0

5

10

15

1990 2000 2005 2030

Page 68: Epidemiologische Grundlagen und Beiträge Die Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I: Kap. (3, 14, 15) Vorlesung 3 Klinische Psychologie und Psychotherapie

In 2010, ergeben sich für psychische Störungen in Europa Gesamtkosten von € 674.000 Millionen

(Deutschland: 122.111 Mill. €)

Die Gesamtkosten unter Einbezug neurologischer Erkrankungen sind für Europa €797.725 Millionen

Als Ergebnis der Häufigkeit psychischer Störungen und ihrem Behinderungsausmaß sind die Gesamtkosten in Europa immense

Anteil nach Kostenart

Kosten in Millionen € (standardisiert) 2010

Direkte Gesundheitskosten: 211.007 Andere Kosten: 152.956Indirekte Kosten: 310.625

Gesamt “psychische Störungen 674.588

Gesamt ‘psychische undNeurologische Erkrankungen: 797.725

68

Jenny Muiry
Please provide a reference for this slide.The total 'disorders of the brain' cost of '797.725' is in Olesen 2012, but the proportions stated in this reference are different to those shown on the slides (37; 23; 40) - please could you advise which reference is needed for the other data.Should the '.' actually be ',' e.g., 797,725 million?
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69

Diese Schätzungen werden durch die “tatsächlichen direkten Ausgabezahlen” gestützt:

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direct other

indirect

direct-health care

Depression

direct other

indirect

direct-health care

Diabetes

direct other

indirect

direct-health care

CVD

Aber die direkten Therapiekosten einzigartig niedrig!: Ein Vergleich

direct other

indirect

direct-health care

AnxietyUngleich anderer

Erkrankungen ist die Kostenstrukur

hauptsächlich durch indirekte Kosten bestimmt

Selbst bei Depressionen sind die direkten

Behandlungskosten extrem niedrig!

Würde eine Erhöhung der direkten Kosten nicht eine

überproportional große Reduktion der indirekten

kosten bedingen?

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Arbeit und Arbeitswelt: Veränderbarer Risikofaktor oder

protektive Ressource?

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20,9

35

20,9

33,536,4

33,5

37,8

55,7***

37,8

0

10

20

30

40

50

60

Männer Frauen Total

in Arbeit

keine Arbeit

arbeitslos

***

Depression und andere psychische Störungen sind am häufigsten bei Personen ohne Arbeit

12-month prevalence (%)

Jacobi et al (in press) IJMPR

In beiden Geschlechtern sind die Morbiditätsraten am Niedrigsten bei denen die in einem Arbeitsverhältnis

stehen

Bei Arbeitslosen ist die Morbiditätsrate 2-3- fach erhöht

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20,2

25,6

35,3

0

10

20

30

40

50

Morbiditätsrate nach Ausmaß der Imbalanz

niedrig mittel hochDegree of imbalance

Ein erhöhtes Ausmaß der empfundenen arbeitsbezogenen Imbalanz (ERI) erhöht das Risiko einer psychischen Störung

Morbiditätsrate 12-Monatsprävalenz (%)

Jacobi et al (in press) IJMPR

Das Effort-Reward Imbalance Model (ERI, Aufwand-Belohnungs Imbalanz) von

Siegrist ist ein etabliertes standardisiertes Maß, das sich aus drei Komponenten

zusammensetzt:

Aufwand/Anstrengung Belohnung

Überidentifikation

Hohe Imbalanz ist mit schlechterer Gesundheit und einem Abfall der Arbeitsproduktivität assozziert

(Siegrist et al. 2004).

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41,2

23,5

16,7

35,734,3

14,8

49,9

43,3

25,0

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

F 18-34 F 35-49 F 50-65

niedrig mittel hoch

Aber es gibt viele weitere Einflussfaktoren - Beispiel: Geschlecht und Alter

12-Monat Morbiditätsrate (%)

12,814,7

16,7

36,4

13,8 14,8

37,7

27,125,0

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

M 18-34 M 35-49 M 50-64

niedrig mittel hoch

Männer Frauen

**

***

Page 75: Epidemiologische Grundlagen und Beiträge Die Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I: Kap. (3, 14, 15) Vorlesung 3 Klinische Psychologie und Psychotherapie

• Es gibt vielfältige Alters- und Geschlechts Effekte bezüglich des Imbalanz-modells und seiner Komponenten - einfache Schlussfolgerung schwierig

• z.B. Jüngere klagen über fehlende Transparenz, und Unsicherheit,

• Ältere über Monotonie, fehlende Rückmeldung und multitasking)

•Wir haben die Komplexität erkannt, aber kausale Modelle fehlen • Partizipation in sozialen Rollen ist protektiv• Machbare Herausforderungen stärken das Gehirn und die Stress Ache• Arbeitsplatzbezogene Maßnahmen können positive und negative Effekte haben• Wir wissen noch nicht, wann, wie und bei welchen Risikogruppen gezielte Maßnahmen und

Prävention greifen • Gutgemeinte Prävention kann negative Folgen haben

Der Zusammenhang zwischen Arbeit und psychischer Krankheit ist komplex: Ressource oder Risikofaktor?

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Herausforderungen

• Arbeit ist nur eine Komponente

• Ziele • „Hollywood?“• Problemreduktion?

• Machbarkeit • Wissen • Machbarkeit• Kontinuität• Nachhaltigkeit• Transparenz

Die (unrealistische?) Vision eines guten Lebens ?

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77

Zusammenfassung: Zusammenfassung: Der Beitrag der Epidemiologie undDer Beitrag der Epidemiologie und

sozialwissenschaftlicher Perspektivensozialwissenschaftlicher Perspektiven

Epidemiologische Methoden bieten einzigartige Möglichkeiten für ein besseres Verständnis psychischer Störungen

Vervollständigung klinischen Wissens

Fehlerfreie Abschätzungen zur relativen Bedeutung von Faktoren

Grundlagen für Versorgungsplanung und Prävention

Verständnis des Spontanverlaufs

Etc.

Sie sind auch unverzichtbar bei der sachgerechten Aufklärung der Bevölkerung und Betroffener

In Kombination mit psychologischen und genetischen Ansätzen sind sie der machtvollste Ansatz um Vulnerabilitäts-Risiko-Modelle zu prüfen

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78

Prüfungsschwerpunkte IPrüfungsschwerpunkte I1. Erläutern Sie die “Epidemiologische Trias”!

2. Geben Sie Beispiele für unterschiedliche Falldefinitionen, die in einer epidemiologischen Studie herangezogen werden können!

3. Definieren Sie folgende Begriffe: Prävalenz, Inzidenz, Risikofaktor, Komorbidität, Odds Ratio.

4. Welche Heuristiken kann man im epidemiologischen Kontext heranziehen, um gefunde (korrelative) Zusammenhänge hinsichtlich der Kausalität praktisch zu beurteilen?

5. Welche Qualitätskriterien zeichnen gute bzw. valide epidemiologische Studien aus?

6. Wie häufig sind psychische Störungen? Hierbei kommt es nicht auf exakte Prozentangaben an, sondern um einige zentrale Aussagen, aus denen hervorgeht, dass Sie wissen, dass es die Prävalenz psychischer Störungen so nicht gibt, d. h., dass Sie die Randbedingenen kennen, hinsihctlich derer die letztendlichen Prozentwerte zu interpretieren sind!

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79

Prüfungsschwerpunkte IIPrüfungsschwerpunkte II

1. Überlegen Sie sich mögliche inhaltliche und methodische Gründe für den Befund aus dem Kasten zu psychsichen Störungen in Ost- und Westdeutschland.

2. Beziehen Sie Stellung zur Lage der Versorgung psychsicher Störungen!

3. Nennen Sie Ansätze, um mit epidemiologischen Studien ätiologische Fragestellungen zu untersuchen (analytische Epidemiologie)!

4. Inwiefern sind psychsiche Störungen teure (d. h. mit hohen gesellschaftlichen Kosten verbundene) Störungen?