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Epidemiologische Grundlagen und BeiträgeEpidemiologische Grundlagen und BeiträgeDie Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I:Die Suche nach den Ursachen psychischer Störungen I:
Kap. (3, 14, 15)Kap. (3, 14, 15)
Vorlesung 3Klinische Psychologie und Psychotherapie I – Einführung in die allgemeinen Grundlagen
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Die Kernfragen nach den Ursachen psychischer StörungenDie Kernfragen nach den Ursachen psychischer Störungen
Beides?
Gibt es überhaupt „Ursachen“ (Kausalität?)
Gibt es einfache Grundmodelle?
Lässt sich das so reduzieren?
Oder ist das alles komplizierter?
Welche Zugangswege habe ich?
Was muss ich bei deren Identifikation und Prüfung beachten?
Welche Grenzen und Optionen haben die verschiedenen Paradigmen?
Organische Ursachen?
Psychische Ursachen?
Soziale Ursachen?
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Es gibt aktuell viele verschiedene Modelle, Es gibt aktuell viele verschiedene Modelle, Herangehensweisen und PerspektivenHerangehensweisen und Perspektiven
Welche sollte ich kennen und was sollte ich wissen?Welche sollte ich kennen und was sollte ich wissen?
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Beispiele für einfache Beispiele für einfache (richtiger: vereinfachte!)(richtiger: vereinfachte!) wissenschaftliche wissenschaftliche ModelleModelle
ModellePsychoanalytische
Psychodynamische
Epidemiolog./soziologischeNeurobiologische
Neuroanatomische
(Infektionsmodelle)
Konditionierungs-
Kognitive Modelle
Psychophysiologische
Störungserklärungs-AnsatzFrühe Es-, Über-Ich-, Ich-Störungen
Ich-Struktur Defekte
Schicht- und Desintegrationsannahmen (Epidemiologie)
Transmitter/genetische Steuerung (z.B. HPA/Vererbung)
Neuronale Schädigung
Epidemiologie (Suizid, Schizophrenie, Depression - Bora)
Psychische Störungen werden gelernt (Trauma)
Dysfunktionale Einstellungsmuster
Gestörte Regelkreise
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Grundüberlegungen zur KausalitätGrundüberlegungen zur Kausalität
Zeitachse
Familiengenetischer
Faktor:
z. B. Mutter
Depression
Temperaments-
Faktor:
z. B. Kind ist schüchtern,
ängstlich (BI)
Faktor
Geschlecht:
weiblich
OutcomeBeginn einer Major Depression im Alter
von 18 (nach der Trennung vom Freund?)
Prozess??
Blackbox
Diathese = Vulnerabilitäten
Distale (entfernte Faktoren)
z.B. Stress = proximale Auslöser
und Prozesse
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Wie findet man die entscheidenden Ursachen heraus?Wie findet man die entscheidenden Ursachen heraus?
Dies ist eine Ursachenfrage = Ätiologiefrage/Bedingungswissen= grundlegende Wissenschaftsfrage = Voraussetzung für Intervention
Was ist ein Risikofaktor?Was ist eine Vulnerabilität?Was will ich vorhersagen? Beginn, Verlauf
Wie kann man Wechselwirkungen unterscheiden?
Multikausale/multimodale Modelle
Komplizierende Faktoren I bei der Beurteilung von Risiko und Vulnerabilität: Entwicklung, Reifung, Komorbidität
Komplizierende Faktoren II: Störungsdynamik (kurz, lang, fortschreitend etc.)
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In dieser Population, für diesen Faktor kann gezeigt werden, dass...In dieser Population, für diesen Faktor kann gezeigt werden, dass...
Konzeptueller Rahmen psychische Störungen: z.B. Konzeptueller Rahmen psychische Störungen: z.B. DepressionDepression
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Wie findet man die entscheidenden Ursachen heraus - DesignmöglichkeitenWie findet man die entscheidenden Ursachen heraus - Designmöglichkeiten
Design Merkmale
Fallstudien (beobachtend) ein Patient (Querschnitt oder Verlauf)
schlecht generalisierbar, hypothesengenerierend
Fallstudien (experimentell) 2+ Patienten (Variation einer oder mehrerer Variablen
schlecht generalisierbar, hypothesengenerierend
Querschnittsstudien (beobachtend)
Patienten (Querschnitt, retrospektiv Verlauf)
nur für Gruppe generalisierbar, retrospektiv (Fehler?), fehlschlussanfällig, hypothesengenerierend
Kontrollierte Querschnittsstudien (quasi-experimentell, Kohortenstudie)
mehrere Gruppen nach Merkmalen (z.B. nach familiärer Belastung)
nur für Gruppe generalisierbar, retrospektiv (Fehler?), fehlschlussanfällig, aber spezifische Hypothesentestung
Obige Designs an repräsentativer Stichprobe
Variationen w.o. Besser generalisierbar, aber Patienten- oder Bevölkerungen retrospektiv (Fehler?), fehlschlussanfällig, aber spezifische Hypothesentestung
Prospektive Verlaufsstudien 2+ Verlaufsuntersuchungen experimentell oder beobachtend
wenn an repräsentativen Gruppen (Patienten, Bevölkerung, Kohorte) generalisierbare kausale Faktoren identifizierbar
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Bedeutung und Bedeutung und Merkmale Klinischer Merkmale Klinischer
StudienStudien
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Störungsübergreifender Teil:Störungsübergreifender Teil:
EpidemiologieEpidemiologieWas kann die Epidemiologie zum Verständnis psychischer Was kann die Epidemiologie zum Verständnis psychischer
Störungen beitragen?Störungen beitragen?
Epidemiologie - Etymologie
Epi auf, über
Demos das Volk Griechischer Wortstamm
Lógos die Lehre
Die „Lehre über das Volk“
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: EntwicklungWas ist Epidemiologie: Entwicklung
Ursprünglich (siehe Wortbedeutung!) gleichbedeutend mit der Epidemien übertragbarer Erkrankungen
Bsp. Chadwick & Snow (1870) oder Pettenkofer in D: Untersuchungen des Zusammenhangs von Choleramortalität und Trinkwasserversorgung (-verunreinigung) durch systematische Registrierung der „Fälle“ nach Trinkwasserbezug. Dadurch konnte – bereits vor Entdeckung der Ursache (Choleravibrionen; Robert Koch) – die Cholera erfolgreich bekämpft werden.Rudolf Virchow: Studien zum Zusammenhang von Armut, Hunger und epidemischen Auftretens von Typhus (Oberschlesien)Robert Koch: Entdeckung der bakteriellen und viralen Entwicklungswege
Nach Rückgang der Infektionskrankheiten seit den letzten 60 Jahren– erweiterte sich die Epidemiologie auf das gesamte Spektrum körperlicher und psychischer StörungenSeit 1997 ist das Robert Koch Institut für Deutschland die verantwortliche nationale Koordinationsstelle
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Die epidemiologische TriasDie epidemiologische Trias
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: DefinitionWas ist Epidemiologie: Definition
Feststellung der Krankheitsverteilung über Raum und Zeit in Abhängigkeit von Umwelt, Organismus und Persönlichkeit (deskriptive E.)
Untersuchung von Entstehung, Verlauf und Ausgang von Erkrankungen (analytische E. / Vervollständigung der klinischen Forschung)
Ermittlung von individuellen Krankheitsrisiken
Prüfung von Hypothesen über kausale Beziehungen zwischen Umweltfaktorten, Krankheit und Person (analytische E.; quasi-experimentelle Designs)
Entwicklung, Ableitung, Evaluation von präventiven Interventionen
Verwandte Begriffe administrative E., Versorgungsepidemiologie, genetische Epidemiologie, Public Health
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Epidemiologische Grundlagen und KonzepteEpidemiologische Grundlagen und Konzepte
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Epidemiologische Grundlagen und KonzepteEpidemiologische Grundlagen und Konzepte
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße
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General population (or fractions thereof (i.e age groups)
Persons with (i.e. anxiety or depressive) symptoms
Persons with (i.e MDE) syndromes
Untreated cases with DSM-IV disorders (MDD)
Treated patientsPrimary careMH-specialists
Epidemiological approaches allow a representative description and thus complete clinical descriptions without biases such as
severity, helpseeking and treatment effects
Epidemiologische Perspektive
Clinical researchsamples
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Epidemiologische Grundlagen und KonzepteEpidemiologische Grundlagen und Konzepte
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Untersuchungsdesigns in der analytischen EpidemiologieUntersuchungsdesigns in der analytischen Epidemiologie
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Untersuchungsdesigns in der analytischen EpidemiologieUntersuchungsdesigns in der analytischen Epidemiologie
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Epidemiologische AnsätzeEpidemiologische Ansätze
Was kann man damit machen?
Was kann man damit erreichen, wenn es um die Aufklärung von Ätiologie geht?
Beispiele aus der deskriptiven undaus der analytischen Epidemiologie
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1. Beispiel 1. Beispiel
Die psychische Gesundheit der DeutschenDie psychische Gesundheit der Deutschen Ergebnisse des German National Health Interview and
Examination Survey – Mental Health Supplement(GHS-MHS)
H.-U. Wittchen, Susanne Winter, Hildegard Pfister
Max-Planck Institut für Psychiatrie
München
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)Ziele und Methoden Ziele und Methoden (Das Gesundheitswesen 1998,S.59-S.114)(Das Gesundheitswesen 1998,S.59-S.114)
Erster bundesweiter Morbiditäts- und Gesundheitssurvey Ziel: Diagnosenspezifische umfassende Gesundheitsberichterstattung (Prävalenz, Risiken, Korrelate)
Modularer AufbauÄrztlich-medizinische & klinisch-psychologische UntersuchungsteamsRepräsentative bundesweite Einwohnermeldestichprobe, N=7200 Personen in 120 sample points (Ausschöpfung 87,6%)Zwei-stufiges Vorgehen (two stage design)
Alle Kernsurvey-Teilnehmer: Stammfragebogen-ScreeningAlle Screen-Positiven und 50% der Screen-Negativen wurden untersucht (N= 4181)
Standardisiertes Interview (CIDI) zur Erfassung von 42 ICD-10 und DSM-IV DiagnosenAuswertung: gewichtet (Screening, Ausfälle, Bundesrepräsentativität)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Die Module des Bundesgesundheitssurveys Die Module des Bundesgesundheitssurveys (1998/99)(1998/99)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
29
2925 25 24
18
36 38 36 3735
33 31 31 3126 25
37
31
0
10
20
30
40
50
18-29 30-39 40-49 50-59 60-65 Total
Männer Frauen Gesamt
Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen (DSM-IV) 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen (DSM-IV)
nach Alter und Geschlechtnach Alter und Geschlecht Jeder Dritte im Alter von 18-65 ist betroffen!Jeder Dritte im Alter von 18-65 ist betroffen!
12-Monatsprävalenz
AltersgruppeWittchen, H.-U., Pfister, H., et al. (2000). Zusatzsurvey "Psychische Störungen" (Bundesgesundheitssurvey 98): Häufigkeit, psychosoziale Beeinträchtigungen und Zusammenhänge mit körperlichen Erkrankungen (Schlussbericht). München: MPI
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)
12-Monatsprävalenz von Angststörungen 12-Monatsprävalenz von Angststörungen (18-65 j.)(18-65 j.)
2,0
2,3
2,0
1,5
3,4
7,6
0,97 Mio.
1,12 Mio.
3,7 Mio.
0,97 Mio.
0,73 Mio.
1,65 Mio.
6,91 Mio.
0 2 4 6 8 10
Agoraphobie
Panikstörungen
Spezifische Phobien
Soziale Phobie
Generalisierte Angststörung
Angststörung NNB
irgendeine Angststörung1irgendeine Angststörung
davon
Frauen%w
Männer %w
3,1 1,0
3,0 1,7
13,5 5,9
3,5 2,2
2,1 1,0
4,9 1,9
19,5 9,0
1 ohne Zwangsstörungen, Posttraumatische Belastungsstörung² Prävalenz alte Bundesländer: 14,21%; Prävalenz neue Bundesländer: 14,25%
14
(gewichtete % und Angaben in Millionen Bundesbürgern)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Unterschiedliche Prävalenzraten für Depression in Abhängigkeit der Unterschiedliche Prävalenzraten für Depression in Abhängigkeit der verwendeten Zeit- und Schweregrad-Kriterienverwendeten Zeit- und Schweregrad-Kriterien
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße
Zentrale Voraussetzung: genaue Definition der Bezugspopulation, repräsentative Stichprobe oder Totalerhebung, reliable Falldefinition, Wahl des adäquaten Designs
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Kumulierte Inzidenz für ausgewählte AngststörungenKumulierte Inzidenz für ausgewählte Angststörungen
Specific Phobia - Animal
00.010.020.030.040.050.060.070.080.09
0.1
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24
Age of Onset
Cum
ulat
ive
Haz
ard
Rat
es
malefemale
Specific Phobia - Natural Environment
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24
Age of Onset
Cum
ulat
ive
Haz
ard
Rat
es
malefemale
Specific Phobia - Blood, Injection, Injury
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
0.08
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24
Age of Onset
Cum
ulat
ive
Haz
ard
Rat
es
malefemale
Specific Phobia - Situational
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24
Age of Onset
Cum
ulat
ive
Haz
ard
Rat
es
malefemale
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße
12-Monats-Komorbidität psychischer Störungen12-Monats-Komorbidität psychischer Störungen (Wittchen et al. submitted)(Wittchen et al. submitted)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Zusammenfassung: Epidemiologie und Spontanverlauf Zusammenfassung: Epidemiologie und Spontanverlauf psychischer Störungenpsychischer Störungen
Lebenszeitrisiko psychischer Störungen insgesamt: 43%12-Monatsprävalenz: 31%; Männer : Frauen = 1 : 2Ausgeprägte Lebenszeit- und QuerschnittskomorbiditätErsterkrankungsrisiko: diagnostisch unterschiedlich, z. B.
frühe Störungen (Alter <20): Phobien, Drogen-, Ess- und somatoforme Störungen (Ausnahme Schmerzsyndrome)spätere Störungen: Panikstörung, Generalisierte Angst, Alkohol, Depression
Verlauf: variabeleher episodisch: affektive Störungen (Major Depression, Bipolare)eher persistierend/chronisch: Alkoholabhängigkeit, Angststörungen, somatoforme Störungen, Dysthymiehohe Spontanremission: frühe Phobien, Drogenmissbrauch
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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2. Beispiel 2. Beispiel
Sind psychische Störungen in den neuenSind psychische Störungen in den neuen Bundesländern häufiger?Bundesländern häufiger?
Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Psychische Störungen in Ost und West
Hypothese:Die Wiedervereinigung (BRD kauft DDR) hat in der Ost-Bevölkerung eine generalisierte
Hilflosigkeit ausgelöst.Der sozioökonomische Status der Ost-Bevölkerung ist niedrig!
Beides sollte in erhöhter psychischer Morbidität resultieren!
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
40
Was ist Epidemiologie: E.-MaßeWas ist Epidemiologie: E.-Maße
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
41
108,3
3,3
28,1
31,9
12 11,5
4,8
0
5
10
15
20
25
30
35
Ost West
AngststörungenDepressionenSomatoforme Stör.Substanzabhängigk.Gesamt
Sind die neuen Bundesländer (Ost) häufiger von psychischen Sind die neuen Bundesländer (Ost) häufiger von psychischen Störungen betroffen als die alten (West)Störungen betroffen als die alten (West) (Jacobi et al in press)(Jacobi et al in press)
12-Monats-Prävalenz (%)
* OR kontrolliert nach Geschlecht, Alter, Schicht und körperlicher Morbidität
OR: 1,2*
Nein – im Gegenteil - es finden sich Hinweise auf höhere Morbidität im Westen:
- Substanzstör. (Drogen)- Somatoforme Stör.- Depressionen
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
42
Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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4-Wochenprävalenz 4-Wochenprävalenz (%, 95% CI, gewichtet)(%, 95% CI, gewichtet) affektiver Störungen* affektiver Störungen* nach neuen und alten Bundesländernnach neuen und alten Bundesländern
* Major Depression, Dysthymie, Bipolare Störungen
Altersgruppe Alte BL% 95%CI
Neue BL% 95%CI
OR Geschlecht
18 - 29 5,4 (3,7 – 7,8) 2,3 (1,1 – 5,0) 2,44*
30 – 39 5,8 (4,3 – 7,8) 3,8 (2,3 – 6,1) NS
40 – 49 6,1 (4,5 – 8,3) 5,1 (3,2 – 8,1) NS
50 – 59 8,5 (6,5 – 11,0) 8,0 (5,6 – 11,4) NS
60 – 65 8,6 (5,6 – 13,0) 5,8 (2,8 – 11,5) NS
Gesamt 6,7 (5,8 – 7,7) 4,8 (3,8 – 6,1) 1,41*
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
46
Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) Der Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS)
Zusammenfassung: Ost-West UnterschiedeZusammenfassung: Ost-West Unterschiede
Insgesamt ergeben sich keine signifikanten Unterschiede in psychischen Morbidität
Wenn überhaupt, sind - mit einer Ausnahme - die Prävalenzen eher höher in den alten Bundesländern
Dies gilt auch bei Berücksichtigung von spezifischen Diagnosen, Alter und Geschlecht sowie Schweregrad
Raten für Angststörungen sind fast identisch
Raten für Affektive Störungen tendenziell, und für somatoforme Störungen deutlich höher in den alten Bundesländern
Bemerkenswert angesichts der ätiologisch relevanten und in den neuen Bundesländern höheren Risikokonstellationen (Arbeitslosigkeit, Unsicherheiten, Perspektiven, „Hilflosigkeit“)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
47
Mögliche Ursachen?Mögliche Ursachen?
Im Osten höhere selektive Ausfälle? Nein – im Screening keine Unterschiede Teilnehmer vs. Nicht-Teilnehmer
Im Osten systematischer response bias? Unwahrscheinlich – warum dann nicht bei Angst, warum kein Unterschied in Symptomfragebögen?
Es gibt wirksame Kompensationsmechanismen (Gefühl größeren Zusammenhalts im Osten angesichts des „gemeinsamen Feindes“ (der Wessi – ich bin nicht schuld!) ?
Keine gravierenden Schichtunterschiede (es geht allen schlecht!)
da Unterschied bei somatoformen Störungen am größten – Zusammenhang mit Angebotslage? Möglich, da im Osten bedeutsam weniger versorgt werden! (Iatrogene Einflüsse oder Instrumentenbias?)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
48
Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Wie kann ich den Risikostatus eines Faktors quantifizieren?Das Odds ratioDas Odds ratio
Odds ratio: 4.7** (95% CI: 1.7-13.0)** p<0.05: controlled for age and sex
Lieb, et al. (2000) Parental psychopathology, parenting styles, and the risk for social phobia in offspring: Arch Gen Psych
Soziale PhobieDiagnose bei Eltern
nein ja
Diagnose bei Kindern
nein 253 126ja 7 45
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Beispiel 1: Cumulative risk of onset of offsprings social phobia development by age and parantal diagnostic
status:EDSP prospective-longitudinal data
0,84
0,86
0,88
0,9
0,92
0,94
0,96
0,98
1
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 age
1-cu
mul
ativ
e lif
etim
e in
cide
nce
no parental psychopathology
parental social phobia
Lieb, et al. (2000) Parental psychopathology, parenting styles, and the risk for social phobia in offspring: Arch Gen Psych
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Bsp: Wenn Kinder (-14) eine (primäre) Angststörung haben, wie hoch Bsp: Wenn Kinder (-14) eine (primäre) Angststörung haben, wie hoch ist ihr Risiko über 5 Jahre eine sekundäre Depression zu entwickeln?ist ihr Risiko über 5 Jahre eine sekundäre Depression zu entwickeln?
7,9
16,3
24,1
32,5
27,1
15,5
22,5
0 5 10 15 20 25 30 35
keineAngststörung
irgendeine
Panikstörung
GAD
Agoraphobie
SpezifischePhobie
Soziale Phobie 2.68 (1.6-4.5)
1.76 (1.2-2.5)
3.01 (1.5-6.2)
4.2 (2.1-8.5)
2.6 (0.9-7.8)
2.1 (1.5-2.9)
1.0
Primäre Angstst.
% aller Fälle mit sekundärer Depression
Kontr. nach:Alter, Geschlecht,
anderen Störungen
OR (95% CI)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
51
Störungsübergreifender Teil:Störungsübergreifender Teil:
Soziologische AnsätzeSoziologische Ansätze
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Soziologische ModelleSoziologische Modelle
Die Schicht-Hypothese (Hollingshead & Redlich 1956):
Die Bevölkerung kann hinsichtlich ihrer Lebensbedingungen in regelhafte „Schichten/Klassen“ (Bildung/Einkommen/Prestige) unterteilt werden. Diese Klassen bedingen systematisch Unterschiede im Gesundheits-/ Krankheitsstatus.
Das Anomie- Konzept (Durckheim 1970):
Bestimmte Bevölkerungsschichten sind durch ein hohes Ausmaß an Desintegration gekennzeichnet, dabei spielt die mangelnde Einbindung in soziale Beziehungen (Anomie) eine entscheidende Rolle.
Das soziale Hilflosigkeitskonstrukt (Seligmann 1991):Säkulare und andere Zeittrends bedingen bevölkerungsbezogen ein generalisiertes Gefühl der „Hilflosigkeit“, diese führt zu erhöhter Morbidität
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
53
Soziologische AnsätzeSoziologische Ansätze
Soziologische Theorien haben in den 50er Jahren unter Einfluss der Chicago School psychische Störungen als Folge diverser soziologischer Konstrukte
interpretiert. Diese Arbeiten haben bis heute großen Einfluss zum Beispiel im Zusammenhang mit Theorien zur sozialen Integration:
Beispiele: Durckheim (Anomie und Suizid)
Hollingshead (Soziale Desintegration / soziale Schicht)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
54
12-Monatsprävalenz psychischer Störungen nach 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen nach Altersgruppe und sozialem SchichtstatusAltersgruppe und sozialem Schichtstatus
34,330,1 28,628,1
25,226,3
05
10152025303540
18-35 36-65
Unterschicht Mittelschicht Oberschicht
Altersgruppe
Es ergeben sich signifikant höhere Prävalenzen psychischer Störungen bei Unterschichtprobanden – bei älteren stärker ausgeprägt als bei Jüngeren
12-Mo.-prävalenz
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
55
12-Monatsprävalenz suizidalem Verhaltens nach 12-Monatsprävalenz suizidalem Verhaltens nach Altersgruppe und sozialem SchichtstatusAltersgruppe und sozialem Schichtstatus
2,6
4,3
2,5
4,1
2,2
3,9
00,5
11,5
22,5
33,5
44,5
5
18-35 36-65
Unterschicht Mittelschicht Oberschicht
12-Mo.-prävalenz
Es ergeben sich höhere Prävalenzen suizidaler Handlungen bei Unterschichtprobanden (Differenz Ober- vs. Unterschicht)
Altersgruppe
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Ist die Anomie Erklärung stichhaltig?Ist die Anomie Erklärung stichhaltig?
Nein – weder Schicht noch Anomie sind an sich machtvolle Risikofaktoren, bestenfalls sind sie Moderatoren oder Folgen
die aktuelle Befundlage, dass z. B. folgende Aspekte wichtig sind:Personen mit sehr niedrigem SES sind stärkerem sozialen Stress ausgesetzt (Arbeitslosigkeit, Arbeitsunsicherheit)
Sie haben geringere soziale (Netzwerk, Freizeit) und kognitive Ressourcen (Information, Wissen über Risiken)
Sie haben schlechteres Gesundheitsverhalten (Rauchen, Alkohol, Bewegung)
Sie haben geringere persönliche Ressourcen (effiziente Coping Strategien finden sich eher in höheren Schichten)
Henne oder Ei? Die meiste Varianz wird dadurch erklärt, dass Personen mit psychischen Störungen eine schlechtere Sozialisation (schulisch, sozial, beruflich) haben und deshalb sind sie häufiger in unteren SES zu finden! („social drift“ Hypothese)
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
57
4. Beispiel 4. Beispiel
Versorgungsepidemiologie Wie viele werden „behandelt“?
Kontakt mit professionellen Diensten klinischer wie ambulanter Art (einschließlich Hausarzt) ungeachtet Häufigkeit, Art und Adäquatheit der Intervention
Problem 1: Behandlungsraten psychischer Störungen sind niedrig: Behandlungsraten nach Alter und Geschlecht bei DEGS
Lifetime und 12-Monats Fällen
23,3
43,4
9,2
25,5
36,3
49,4
15,8
27,5
39,1
51,8
13,3
21,9
40,146,2
4,5
14,1
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Männer Frauen Männer Frauen
18-34 35-49 50-64 65+
A. Lifetime Diagnose und lifetime Behandlung
B. 12-Monats Diagnose und 12-Monats Behandlung
In %
Lifetime:
Frauen > Männer8-34-Jährige niedrigste Rate
Anstieg mit Alter (Dauer Störung? Komorbidität?)
12-Monatsraten
niedrig für junge Männer und Altere (65+)
Gesamt: M:11,6%, F:23,5)
Mack et al in IJMPR 2013
DiagnosegruppeNGS 1998 DEGS
2011Differenz
Psychotische Störungen 56,5 73,3 +16,8%
Affektive Störungen 49,7 56,5 + 9,8%
Angststörungen 47,8 48,7 + 0,9
Somatoforme 40,4 50,6 +10,2%
Esstörungen 36,4 44,3 +7,9%
Suchterkrankungen 34,1 35,9 +1,8%
Problem 2: Versorgungslage bessert sichVeränderungen im Vergleich zu 1998 verbessert?
(siehe Psychotherapeutengesetz und Reformbemühungen)
Wittchen et al 2001, 2012, Bundesgesundheitsblatt; Mack et al in IJMPR 2013
Bilanz Versorgung: Die Versorgungssituation psychischer Störungen ist defizitär
In Europa und Deutschland werden trotz effektiver medikamentöser und psychotherapeutischer Verfahren …
Nur 30-52% (je nach Land ) überhaupt vom Versorgungssystem erfasst Nur 8-16% vom spezialierten Sektor für psychische Störungen Nur 2-9% erhalten eine minimal adäquate Therapie
Medikamente >1 month plus > 4+ Besuche oder >8 Sitzungen Psychotherapie
Wenn Behandlung, dann Medikamente, Psychotherapie nur für 0-3% aller Betroffenen
Die Behandlung erfolgt viel zu spät (Median 15.6 Jahre nach Krankheitsbeginn)
Das Ausmaß der Unter-, Fehl und verzögerten Versorgung psychischer Störungen ist unter allen Krankheiten einzigartig
Die Situation wird sich verschlimmern allein aufgrund der demographischen Entwicklung
Ursache: Die Anzahl von Behandlern/Einrichtungen entspricht kapazitär bei weitem nicht dem Ausmaß des Problems, Integration der Sektoren und Maßnahmen sowie Kontinuität mangelhaft
Wittchen et al 2012, EJN, Wittchen Lancet 2013
Die gesellschaftliche und gesundheitsökonomische Belastung
durch psychische Störungen
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
62
Wie beeinträchtigend sind psychische Wie beeinträchtigend sind psychische Störungen? Störungen?
Anteil psychischer Störungen mit Einschränkungen in den vergangenen 4 Wochen (Harvard Index) und mittlere
Anzahl von Arbeitsunfähigkeits- und Einschränkungstagen im vergangenen Monat
Mental disorders = disorders of the brain = always always associated with functional impairments and disabilities
Examples (Kessler et al 1996, Stein et al 1999, Wittchen et al 2002)
leaving school early, drop-out, lower educational attainment Missing social-developmental milestones Sick leave days and reduced work productivity being unemployed and lower income being single or divorced,disruption of family life Dissatisfaction/disruption friends and leisure activities smaller density of network, dependency on others decreased quality of life, social skills, competence
Cognitive impairments and disabilities Intellectual disability (like in dementias) Attention, concentration, memory, executive functions Decision making, volition
Mittlere Anzahl Krankheitsausfalltage/Monat
Personen mit akuten psychischen Störungen haben extrem hohe Krankheitstage - nach Abklingen der Symptomatik Normalisierung
Status psychische Störung
Bei Vorliegen akter psychischer Störungen
vervielfacht sich die Zahl der Ausfalltage von 0,3/Monat auf 2,1.
Bei Besserung und Remission kommt es zu
einer Normalisierung (0,4 Tage)
Bei Vorliegen somatischer UND
psychischer Erkrankungen weitere
Steigerung
DEGS: Wittchen et al in prep
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
65
Wie beeinträchtigend sind psychische Störungen?Wie beeinträchtigend sind psychische Störungen? % mit Beeinträchtigung und mittlere Anzahl der Tage/Monat% mit Beeinträchtigung und mittlere Anzahl der Tage/Monat
% beeinträchtigt mind. 1 Tag
Mittlere Anzahl Tage
Phobien soziale 63,6 9,6
spezifische 33,1 4,3
GAE 61,1 11,5
Affektive Störungen 49,7 7,6
Panikstörung 49,0 8,5
Drogenabhängigkeit 39,2 1,9
Psychotische Störungen 37,3 5,1
Alkoholabhängigkeit 25,6 2,1
Keine Diagnose 4,8 0,2
1 Diagnose 15,3 1,4
2 Diagnosen 35,9 3,7
3 Diagnosen (und mehr) 70,3 11,8
Psychische Störungen sind einschränkender (years lived in disability: 42%), nicht aber tödliicher (disability adjusted life years,DALY: 28%) als andere Krankheitsgruppen
Die hohe Behinderungslast ergibt sich aus der hohen Prävalenz, dem häufigen frühen Beginn, dem persistierenden Verlauf und defizienter Versorgung.
Höchste DALY-Werte für: Depressionen, Sucht, MS und Angsterkrankungen
In Europa und Deutschland sind psychische Störungen für den größten Anteil der Krankheitsbelastung verantwortlich
DALY: (Disability adjusted Life years)YLD (=Verlust gesunder Lebensjahre)
Psychische Störungen
Andere Krankheitsgruppen
66
28%42%
72%58%
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
The new EU data 2011: Depression has become the largest single The new EU data 2011: Depression has become the largest single contributor to DALY of all diseases in Europe:contributor to DALY of all diseases in Europe:
DALY proportions (%) of all causes
In previous estimations (WHO) for depression
9,89,2
7,8
5,2
0
5
10
15
1990 2000 2005 2030
In 2010, ergeben sich für psychische Störungen in Europa Gesamtkosten von € 674.000 Millionen
(Deutschland: 122.111 Mill. €)
Die Gesamtkosten unter Einbezug neurologischer Erkrankungen sind für Europa €797.725 Millionen
Als Ergebnis der Häufigkeit psychischer Störungen und ihrem Behinderungsausmaß sind die Gesamtkosten in Europa immense
Anteil nach Kostenart
Kosten in Millionen € (standardisiert) 2010
Direkte Gesundheitskosten: 211.007 Andere Kosten: 152.956Indirekte Kosten: 310.625
Gesamt “psychische Störungen 674.588
Gesamt ‘psychische undNeurologische Erkrankungen: 797.725
68
69
Diese Schätzungen werden durch die “tatsächlichen direkten Ausgabezahlen” gestützt:
direct other
indirect
direct-health care
Depression
direct other
indirect
direct-health care
Diabetes
direct other
indirect
direct-health care
CVD
Aber die direkten Therapiekosten einzigartig niedrig!: Ein Vergleich
direct other
indirect
direct-health care
AnxietyUngleich anderer
Erkrankungen ist die Kostenstrukur
hauptsächlich durch indirekte Kosten bestimmt
Selbst bei Depressionen sind die direkten
Behandlungskosten extrem niedrig!
Würde eine Erhöhung der direkten Kosten nicht eine
überproportional große Reduktion der indirekten
kosten bedingen?
Arbeit und Arbeitswelt: Veränderbarer Risikofaktor oder
protektive Ressource?
20,9
35
20,9
33,536,4
33,5
37,8
55,7***
37,8
0
10
20
30
40
50
60
Männer Frauen Total
in Arbeit
keine Arbeit
arbeitslos
***
Depression und andere psychische Störungen sind am häufigsten bei Personen ohne Arbeit
12-month prevalence (%)
Jacobi et al (in press) IJMPR
In beiden Geschlechtern sind die Morbiditätsraten am Niedrigsten bei denen die in einem Arbeitsverhältnis
stehen
Bei Arbeitslosen ist die Morbiditätsrate 2-3- fach erhöht
20,2
25,6
35,3
0
10
20
30
40
50
Morbiditätsrate nach Ausmaß der Imbalanz
niedrig mittel hochDegree of imbalance
Ein erhöhtes Ausmaß der empfundenen arbeitsbezogenen Imbalanz (ERI) erhöht das Risiko einer psychischen Störung
Morbiditätsrate 12-Monatsprävalenz (%)
Jacobi et al (in press) IJMPR
Das Effort-Reward Imbalance Model (ERI, Aufwand-Belohnungs Imbalanz) von
Siegrist ist ein etabliertes standardisiertes Maß, das sich aus drei Komponenten
zusammensetzt:
Aufwand/Anstrengung Belohnung
Überidentifikation
Hohe Imbalanz ist mit schlechterer Gesundheit und einem Abfall der Arbeitsproduktivität assozziert
(Siegrist et al. 2004).
41,2
23,5
16,7
35,734,3
14,8
49,9
43,3
25,0
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
F 18-34 F 35-49 F 50-65
niedrig mittel hoch
Aber es gibt viele weitere Einflussfaktoren - Beispiel: Geschlecht und Alter
12-Monat Morbiditätsrate (%)
12,814,7
16,7
36,4
13,8 14,8
37,7
27,125,0
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
M 18-34 M 35-49 M 50-64
niedrig mittel hoch
Männer Frauen
**
***
• Es gibt vielfältige Alters- und Geschlechts Effekte bezüglich des Imbalanz-modells und seiner Komponenten - einfache Schlussfolgerung schwierig
• z.B. Jüngere klagen über fehlende Transparenz, und Unsicherheit,
• Ältere über Monotonie, fehlende Rückmeldung und multitasking)
•Wir haben die Komplexität erkannt, aber kausale Modelle fehlen • Partizipation in sozialen Rollen ist protektiv• Machbare Herausforderungen stärken das Gehirn und die Stress Ache• Arbeitsplatzbezogene Maßnahmen können positive und negative Effekte haben• Wir wissen noch nicht, wann, wie und bei welchen Risikogruppen gezielte Maßnahmen und
Prävention greifen • Gutgemeinte Prävention kann negative Folgen haben
Der Zusammenhang zwischen Arbeit und psychischer Krankheit ist komplex: Ressource oder Risikofaktor?
Herausforderungen
• Arbeit ist nur eine Komponente
• Ziele • „Hollywood?“• Problemreduktion?
• Machbarkeit • Wissen • Machbarkeit• Kontinuität• Nachhaltigkeit• Transparenz
Die (unrealistische?) Vision eines guten Lebens ?
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Zusammenfassung: Zusammenfassung: Der Beitrag der Epidemiologie undDer Beitrag der Epidemiologie und
sozialwissenschaftlicher Perspektivensozialwissenschaftlicher Perspektiven
Epidemiologische Methoden bieten einzigartige Möglichkeiten für ein besseres Verständnis psychischer Störungen
Vervollständigung klinischen Wissens
Fehlerfreie Abschätzungen zur relativen Bedeutung von Faktoren
Grundlagen für Versorgungsplanung und Prävention
Verständnis des Spontanverlaufs
Etc.
Sie sind auch unverzichtbar bei der sachgerechten Aufklärung der Bevölkerung und Betroffener
In Kombination mit psychologischen und genetischen Ansätzen sind sie der machtvollste Ansatz um Vulnerabilitäts-Risiko-Modelle zu prüfen
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Prüfungsschwerpunkte IPrüfungsschwerpunkte I1. Erläutern Sie die “Epidemiologische Trias”!
2. Geben Sie Beispiele für unterschiedliche Falldefinitionen, die in einer epidemiologischen Studie herangezogen werden können!
3. Definieren Sie folgende Begriffe: Prävalenz, Inzidenz, Risikofaktor, Komorbidität, Odds Ratio.
4. Welche Heuristiken kann man im epidemiologischen Kontext heranziehen, um gefunde (korrelative) Zusammenhänge hinsichtlich der Kausalität praktisch zu beurteilen?
5. Welche Qualitätskriterien zeichnen gute bzw. valide epidemiologische Studien aus?
6. Wie häufig sind psychische Störungen? Hierbei kommt es nicht auf exakte Prozentangaben an, sondern um einige zentrale Aussagen, aus denen hervorgeht, dass Sie wissen, dass es die Prävalenz psychischer Störungen so nicht gibt, d. h., dass Sie die Randbedingenen kennen, hinsihctlich derer die letztendlichen Prozentwerte zu interpretieren sind!
Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer.
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Prüfungsschwerpunkte IIPrüfungsschwerpunkte II
1. Überlegen Sie sich mögliche inhaltliche und methodische Gründe für den Befund aus dem Kasten zu psychsichen Störungen in Ost- und Westdeutschland.
2. Beziehen Sie Stellung zur Lage der Versorgung psychsicher Störungen!
3. Nennen Sie Ansätze, um mit epidemiologischen Studien ätiologische Fragestellungen zu untersuchen (analytische Epidemiologie)!
4. Inwiefern sind psychsiche Störungen teure (d. h. mit hohen gesellschaftlichen Kosten verbundene) Störungen?