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Nr. 3 | 34. Jahrgang 2003 | Phys. Unserer Zeit | 107 | TREFFPUNKT FORSCHUNG Ordnung ist das halbe Leben Langjährige Abonnenten werden sich noch an die blauen Einbanddecken erinnern, in denen jeweils zwei Jahrgänge der Physik in unserer Zeit gesammelt werden konnten. Seit 1997 werden diese leider nicht mehr hergestellt. Damit Sie auch zukünftig nicht den Überblick über Ihre Samm- lung verlieren und schnell auf ältere Hefte zurückgreifen können, haben wir dieser Ausgabe sechs Aufkleber beigelegt. Sie passen auf den Rücken eines Stehordners und lassen sich leicht mit der Jahrgangszahl beschrif- ten. Zur Erinnerung möchte wir hier daran erinnern, dass Sie ein kosten- loses Register der Ausgaben seit 1994 auf unserer homepage www.wiley- vch.de/home/phiuz finden. TB IN EIGENER SACHE | MEDIZINPHYSIK | Erfolge mit der Schwerionen-Therapie In den 1990er Jahre wurde bei der GSI in Darmstadt am Schwerionen- Beschleuniger ein Strahlplatz einge- richtet, um Tumore zu behandeln. Im Dezember 1997 konnte erstmals in Europa ein Krebspatient mit dieser Technik therapiert werden (Physik in unserer Zeit 1998, 29 (4), 152). Schwere Ionen haben gegenüber Elektronen und Röntgenstrahlen den Vorteil, dass sie in Materie auf sehr kurzer Distanz absorbiert werden und sie dabei ihre Energie in einem eng begrenzten Bereich abgeben. Da- mit ist es möglich, Tumore zu be- strahlen, ohne umgebendes Gewebe zu schädigen. In Zusammenarbeit mit der Radio- logischen Universitätsklinik Heidel- berg wurden bei der GSI seitdem 153 Patienten mit Kohlenstoff-Ionen behandelt. Sie litten an strahlenresis- tenten und schwer oder gar nicht operablen Tumoren der Schädelbasis, die sich überwiegend in der nähe von empfindlichen Organen, wie dem Hirnstamm, den Augen oder Sehnerven befanden. Die klinischen Befunde sind sehr ermutigend: Nach den ersten drei Jahren der Studie lag abhängig von der Tumorart die Über- lebensrate bei 100 bzw. 89 %. Die positive Bilanz hat dazu ge- führt, dass am Klinikum Heidelberg ein eigener Linearbeschleuniger ge- baut wird, der ausschließlich medizi- nischen Zwecke dienen wird. Er be- schleunigt Kohlenstoff-Ionen auf 50 bis 430 MeV,was ihnen eine Ein- dringtiefe zwischen 2 und 30 cm ver- leiht. Auch mit Protonen- und He- lium-Strahlen will man experimentie- ren. Ab dem Jahr 2006 sollen jährlich tausend Patienten behandelt werden, bei der GSI betrug die Kapazität rund 70 Patienten. Außerdem hoffen die Mediziner, neben Kopftumoren auch eine Vielzahl anderer Karzinome be- kämpfen zu können. Die Behandlung soll pro Patient etwa 20000 Euro kos- ten und damit nicht teurer als andere operative oder medikamentöse Krebstherapien sein. Ruperto Carola 2003, 1, 12. TB Ein neuartiges Elektronen-Interferometer haben Moty Heiblum und Kollegen vom Weizmann-Institut in Rehovot, Israel, gebaut. In ihm bewegen sich die Teil- chen in einem ringförmigen Halbleiter mit wenigen Mikrometer Durchmesser. Ein mehrere Tesla starkes Magnetfeld lenkt sie auf zwei verschiedene Bahnen und führt sie anschließend wieder zusammen. Mit diesem Instrument lassen sich beispielsweise die quanten- mechanischen Eigenschaften der elektrischen Ladungen beim fraktionalen Quanten-Hall-Effekt studieren (Y. Ji et al.,Nature 2003, 422, 415). +++ In jüngster Vergangenheit ist es Physikern mit unter- schiedlichen Versuchsanordnungen gelungen, Licht stark zu verlangsamen. Allerdings benötigte man hierzu aufwändig erzeugte Bose-Einstein-Kondensate. Ein Team um Robert Boyd von der Universität Rochester, USA, bremste jetzt Laserlicht in einem Rubin bei Raum- temperatur auf 57 m/s ab. In den Kristall schossen sie zwei Laserstrahlen mit leicht unterschiedlichen Wellen- längen hinein. Im Innern regen diese Chrom-Atome zu Schwingungen an. Dies führt zu einer raschen spektra- len Variation des Brechungsindex und zu einer lang- samen Gruppengeschwindigkeit von einem der zwei Laserstahlen (M.S. Bigelow,Phys. Rev. Lett., 2003, 90, 113903). +++ Wissenschaftlern vom MPI für Quantenoptik in Gar- ching und von der TU Wien haben einzelne Pulse wei- cher Röntgenstrahlung im Attosekunden-Bereich erzeugt. Diese entstehen, wenn man intensive Lichtpul- se eines Femtosekundenlasers in ein Gas fokussiert. Durch das starke elektrische Feld werden Elektronen aus den Gasatomen herausgerissen und beschleunigt. Da sich das Feld nach kurzer Zeit umkehrt, kehren die Elektronen wieder zum Atom zurück, wo sie die in der Zwischenzeit aufgesammelte Energie in einem Spektrum hoher Harmonischer Frequenzen abstrahlen. Bedeutend ist die Fähigkeit, die Phase so einzustellen, dass innerhalb eines Laserblitzes kontrolliert und zu einem wohlbestimmten Zeitpunkt nur ein einzelner weicher Röntgenblitz entsteht. So lassen sich zukünftig beispielsweise Umstrukturierungen der Elektronenhülle Zeit-aufgelöst beobachten und steuern (A. Baltuska, Nature, 2003, 421, 611). +++ Im heutigen Standardmodell ist das magnetische Moment von Neutrinos null. Jeder nicht verschwin- dende Wert würde aber bedeuten, dass Neutrinos neben der bekannten schwachen Wechselwirkung auch eine elektromagnetische Wechselwirkung mit Materie eingehen. Ein neues Experiment eines chinesisch- taiwanesischen Teams fand darauf keinen Hinweis. Es konnte die obere Grenze für das magnetische Moment des Neutrinos zu 1,3 · 10 –10 des Bohrschen Magnetons bestimmen (H. B. Li et al.,Phys. Rev. Lett., 2003, 90, 131802). PHYSICS NEWS | IN UNSERER ZEIT PHYSIK

Erfolge mit der Schwerionen-Therapie

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Nr. 3 | 34. Jahrgang 2003 | Phys. Unserer Zeit | 107

| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Ordnung ist dashalbe Leben Langjährige Abonnenten werden sichnoch an die blauen Einbanddeckenerinnern, in denen jeweils zweiJahrgänge der Physik in unserer Zeitgesammelt werden konnten. Seit1997 werden diese leider nicht mehrhergestellt. Damit Sie auch zukünftignicht den Überblick über Ihre Samm-lung verlieren und schnell auf ältereHefte zurückgreifen können, habenwir dieser Ausgabe sechs Aufkleberbeigelegt. Sie passen auf den Rückeneines Stehordners und lassen sich

leicht mit der Jahrgangszahl beschrif-ten.

Zur Erinnerung möchte wir hierdaran erinnern, dass Sie ein kosten-loses Register der Ausgaben seit 1994auf unserer homepage www.wiley-vch.de/home/phiuz finden.

TB

I N E I G E N E R SAC H E|

M E D IZ I N PH YS I K|Erfolge mit der Schwerionen-Therapie

In den 1990er Jahre wurde bei derGSI in Darmstadt am Schwerionen-Beschleuniger ein Strahlplatz einge-richtet, um Tumore zu behandeln. ImDezember 1997 konnte erstmals inEuropa ein Krebspatient mit dieserTechnik therapiert werden (Physik inunserer Zeit 1998, 29 (4), 152).Schwere Ionen haben gegenüberElektronen und Röntgenstrahlen denVorteil, dass sie in Materie auf sehrkurzer Distanz absorbiert werdenund sie dabei ihre Energie in einemeng begrenzten Bereich abgeben. Da-mit ist es möglich, Tumore zu be-strahlen, ohne umgebendes Gewebezu schädigen.

In Zusammenarbeit mit der Radio-logischen Universitätsklinik Heidel-berg wurden bei der GSI seitdem153 Patienten mit Kohlenstoff-Ionenbehandelt. Sie litten an strahlenresis-tenten und schwer oder gar nichtoperablen Tumoren der Schädelbasis,die sich überwiegend in der nähevon empfindlichen Organen, wiedem Hirnstamm, den Augen oderSehnerven befanden. Die klinischen

Befunde sind sehr ermutigend: Nachden ersten drei Jahren der Studie lagabhängig von der Tumorart die Über-lebensrate bei 100 bzw. 89 %.

Die positive Bilanz hat dazu ge-führt, dass am Klinikum Heidelbergein eigener Linearbeschleuniger ge-baut wird, der ausschließlich medizi-nischen Zwecke dienen wird. Er be-schleunigt Kohlenstoff-Ionen auf 50bis 430 MeV, was ihnen eine Ein-dringtiefe zwischen 2 und 30 cm ver-leiht. Auch mit Protonen- und He-lium-Strahlen will man experimentie-ren. Ab dem Jahr 2006 sollen jährlichtausend Patienten behandelt werden,bei der GSI betrug die Kapazität rund70 Patienten. Außerdem hoffen dieMediziner, neben Kopftumoren aucheine Vielzahl anderer Karzinome be-kämpfen zu können. Die Behandlungsoll pro Patient etwa 20000 Euro kos-ten und damit nicht teurer als andereoperative oder medikamentöseKrebstherapien sein.

Ruperto Carola 22000033, 1, 12.

TB

Ein neuartiges Elektronen-Interferometer habenMoty Heiblum und Kollegen vom Weizmann-Institut inRehovot, Israel, gebaut. In ihm bewegen sich die Teil-chen in einem ringförmigen Halbleiter mit wenigenMikrometer Durchmesser. Ein mehrere Tesla starkesMagnetfeld lenkt sie auf zwei verschiedene Bahnen undführt sie anschließend wieder zusammen. Mit diesemInstrument lassen sich beispielsweise die quanten-mechanischen Eigenschaften der elektrischen Ladungenbeim fraktionalen Quanten-Hall-Effekt studieren (Y. Ji et al., Nature 2003, 422, 415).

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In jüngster Vergangenheit ist es Physikern mit unter-schiedlichen Versuchsanordnungen gelungen, Lichtstark zu verlangsamen. Allerdings benötigte manhierzu aufwändig erzeugte Bose-Einstein-Kondensate. EinTeam um Robert Boyd von der Universität Rochester,USA, bremste jetzt Laserlicht in einem Rubin bei Raum-temperatur auf 57 m/s ab. In den Kristall schossen siezwei Laserstrahlen mit leicht unterschiedlichen Wellen-längen hinein. Im Innern regen diese Chrom-Atome zuSchwingungen an. Dies führt zu einer raschen spektra-len Variation des Brechungsindex und zu einer lang-samen Gruppengeschwindigkeit von einem der zweiLaserstahlen (M.S. Bigelow, Phys. Rev. Lett., 2003, 90,113903).

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Wissenschaftlern vom MPI für Quantenoptik in Gar-ching und von der TU Wien haben einzelne Pulse wei-cher Röntgenstrahlung im Attosekunden-Bereicherzeugt. Diese entstehen, wenn man intensive Lichtpul-se eines Femtosekundenlasers in ein Gas fokussiert.Durch das starke elektrische Feld werden Elektronenaus den Gasatomen herausgerissen und beschleunigt.Da sich das Feld nach kurzer Zeit umkehrt, kehren die Elektronen wieder zum Atom zurück, wo sie die inder Zwischenzeit aufgesammelte Energie in einemSpektrum hoher Harmonischer Frequenzen abstrahlen.Bedeutend ist die Fähigkeit, die Phase so einzustellen,dass innerhalb eines Laserblitzes kontrolliert und zueinem wohlbestimmten Zeitpunkt nur ein einzelnerweicher Röntgenblitz entsteht. So lassen sich zukünftigbeispielsweise Umstrukturierungen der ElektronenhülleZeit-aufgelöst beobachten und steuern (A. Baltuska,Nature, 2003, 421, 611).

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Im heutigen Standardmodell ist das magnetischeMoment von Neutrinos null. Jeder nicht verschwin-dende Wert würde aber bedeuten, dass Neutrinosneben der bekannten schwachen Wechselwirkung aucheine elektromagnetische Wechselwirkung mit Materieeingehen. Ein neues Experiment eines chinesisch-taiwanesischen Teams fand darauf keinen Hinweis. Eskonnte die obere Grenze für das magnetische Momentdes Neutrinos zu 1,3 · 10–10 des Bohrschen Magnetonsbestimmen (H. B. Li et al., Phys. Rev. Lett., 2003, 90,131802).

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