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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 7 475 DOI: 10.1002/best.201300032 FACHTHEMA ARTICLE Frederik Teworte, Josef Hegger FACHTHEMA Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrung unter Querkraftbeanspruchung 1 Einleitung Viele Brückenbauwerke in Deutschland aus den 1960er- und 1970er-Jahren sind für das Lastmodell SLW60 [1] un- ter Querkraftbeanspruchung nach dem Hauptzugspan- nungskriterium von DIN 4227 [2] bemessen und weisen häufig sehr geringe Querkraftbewehrungsgrade auf. Ein Nachweis der statischen Querkrafttragfähigkeit dieser Brücken nach den aktuellen DIN-Fachberichten 101 und 102 [3, 4] ergibt in vielen Fällen eine höhere erforderliche Querkraftbewehrung als in den Stegen vorhanden [5]. Die Zunahme der Verkehrsbelastung führt neben der er- höhten Belastung im Grenzzustand der Tragfähigkeit ebenfalls zu einer höheren Ermüdungsbeanspruchung, sodass mit Einführung des DIN-Fachberichts 102 im Jahr 2003 sowohl die statische als auch die zyklische Quer- krafttragfähigkeit nachzuweisen sind. Da ein Querkraft- versagen unter den derzeit einwirkenden Verkehrslasten bisher nicht beobachtet wurde, sind die Brücken offen- sichtlich noch in der Lage, die gestiegenen Lasten trotz rechnerisch zu geringer Querkraftbewehrung aufzuneh- men. Zur Bewertung der Querkrafttragfähigkeit von vor- gespannten Bestandsbrücken können die in Bild 1 darge- stellten Nachweiskonzepte verwendet werden, von denen nachfolgend im Wesentlichen die Ermüdungsnachweise (FAT) näher beschrieben werden. Die vorgeschlagenen Ansätze zur Ermittlung des Widerstands unter zyklischer Belastung wurden basierend auf den am Institut für Mas- sivbau der RWTH Aachen durchgeführten Versuchen an Spannbetonträgern ohne Querkraftbewehrung (13 Trä- ger) sowie mit geringen Querkraftbewehrungsgraden (14 Träger) entwickelt. Aufgrund der fehlenden Stegbewehrung erfolgte das zy- klische Querkraftversagen der Spannbetonträger ohne Querkraftbewehrung schlagartig ohne augenscheinliche Vorankündigung [6]. Die ertragbare Lastspielzahl der un- tersuchten Träger wird durch den Ansatz zur Querkraft- ermüdung nach DIN-Fachbericht 102 jedoch deutlich un- terschätzt. Auf Basis der Untersuchungen wurden daher in [6] zwei modifizierte Ansätze in Form von GOODMAN- Diagrammen zur Ermittlung der Querkrafttragfähigkeit von Spannbetonträgern ohne Querkraftbewehrung unter zyklischer Beanspruchung entwickelt, die auch für Brü- Brücken aus den 1960–70er-Jahren wurden aufgrund der hohen Vorspannung häufig mit sehr geringen Querkraftbeweh- rungsgraden ausgeführt. Weist man die betroffenen Brücken nach DIN-Fachbericht 102 mit den neuen Lastmodellen aus DIN-Fachbericht 101 nach, ergibt sich in vielen Fällen eine deutlich höhere erforderliche Querkraftbewehrung als in den Stegen vorhanden. Zur Untersuchung der Ermüdungsfestigkeit von Spannbetonträgern mit Querkraftbewehrung wurden Ermü- dungsversuche an 14 Trägern mit geringem Querkraftbeweh- rungsgrad (ρ w = 0,15 %, ρ w = 0,22 % und ρ w = 0,33 %) durchge- führt. Der Beitrag beschreibt die experimentellen Untersuchungen und das in den Versuchen beobachtete sukzessive Versagen der Querkraftbewehrung unter zyklischer Beanspruchung. An- hand von Vergleichsrechnungen und den im Versuch ermittel- ten Druckstrebenwinkeln wurde ein Ansatz zur Ermittlung der Spannungsschwingbreite der Querkraftbewehrung unter zykli- scher Belastung entwickelt. Der Ansatz basiert auf dem Fach- werkmodell mit variablem Druckstrebenwinkel. Fatigue of prestressed beams with web reinforcement under cyclic shear Many existing bridge structures built in the 1960s and 1970s typically feature a high degree of prestressing and low shear reinforcement ratios. Therefore, their shear bearing capacity, originally determined based on the principal tensile strength criterion, can often not be verified with the strut and tie models of DIN-Fachbericht 102. To investigate the shear strength of prestressed concrete beams with web reinforcement under cyclic loading, fatigue tests on 14 beams with a low amount of shear reinforcement (ρ w = 0,15 %, ρ w = 0,22 % and ρ w = 0,33 %) were performed. The present paper describes the fatigue tests and the occur- ring gradually stirrup fractures with increasing number of load cycles. Based on comparative calculations and the experimen- tally determined strut inclinations, a modified approach to cal- culate the stirrup stress amplitude under cyclic loading has been developed. It is based on a truss model with variable strut inclination. Bild 1 Nachweiskonzept zur Bewertung der Querkrafttragfähigkeit von vorgespannten Bestandsbrücken Basic structure of shear assessment of existing prestressed concrete bridges

Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrung unter Querkraftbeanspruchung

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Page 1: Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrung unter Querkraftbeanspruchung

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 7 475

DOI: 10.1002/best.201300032

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Frederik Teworte, Josef Hegger FACHTHEMA

Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrungunter Querkraftbeanspruchung

1 Einleitung

Viele Brückenbauwerke in Deutschland aus den 1960er-und 1970er-Jahren sind für das Lastmodell SLW60 [1] un-ter Querkraftbeanspruchung nach dem Hauptzugspan-nungskriterium von DIN 4227 [2] bemessen und weisenhäufig sehr geringe Querkraftbewehrungsgrade auf. EinNachweis der statischen Querkrafttragfähigkeit dieserBrücken nach den aktuellen DIN-Fachberichten 101 und102 [3, 4] ergibt in vielen Fällen eine höhere erforderlicheQuerkraftbewehrung als in den Stegen vorhanden [5].

Die Zunahme der Verkehrsbelastung führt neben der er-höhten Belastung im Grenzzustand der Tragfähigkeitebenfalls zu einer höheren Ermüdungsbeanspruchung,sodass mit Einführung des DIN-Fachberichts 102 im Jahr2003 sowohl die statische als auch die zyklische Quer-krafttragfähigkeit nachzuweisen sind. Da ein Querkraft-versagen unter den derzeit einwirkenden Verkehrslastenbisher nicht beobachtet wurde, sind die Brücken offen-sichtlich noch in der Lage, die gestiegenen Lasten trotzrechnerisch zu geringer Querkraftbewehrung aufzuneh-men. Zur Bewertung der Querkrafttragfähigkeit von vor-gespannten Bestandsbrücken können die in Bild 1 darge-stellten Nachweiskonzepte verwendet werden, von denennachfolgend im Wesentlichen die Ermüdungsnachweise(FAT) näher beschrieben werden. Die vorgeschlagenenAnsätze zur Ermittlung des Widerstands unter zyklischerBelastung wurden basierend auf den am Institut für Mas-

sivbau der RWTH Aachen durchgeführten Versuchen anSpannbetonträgern ohne Querkraftbewehrung (13 Trä-ger) sowie mit geringen Querkraftbewehrungsgraden (14Träger) entwickelt.

Aufgrund der fehlenden Stegbewehrung erfolgte das zy-klische Querkraftversagen der Spannbetonträger ohneQuerkraftbewehrung schlagartig ohne augenscheinlicheVorankündigung [6]. Die ertragbare Lastspielzahl der un-tersuchten Träger wird durch den Ansatz zur Querkraft-ermüdung nach DIN-Fachbericht 102 jedoch deutlich un-terschätzt. Auf Basis der Untersuchungen wurden daherin [6] zwei modifizierte Ansätze in Form von GOODMAN-Diagrammen zur Ermittlung der Querkrafttragfähigkeitvon Spannbetonträgern ohne Querkraftbewehrung unterzyklischer Beanspruchung entwickelt, die auch für Brü-

Brücken aus den 1960–70er-Jahren wurden aufgrund der hohen Vorspannung häufig mit sehr geringen Querkraftbeweh-rungsgraden ausgeführt. Weist man die betroffenen Brückennach DIN-Fachbericht 102 mit den neuen Lastmodellen ausDIN-Fachbericht 101 nach, ergibt sich in vielen Fällen einedeutlich höhere erforderliche Querkraftbewehrung als in denStegen vorhanden. Zur Untersuchung der Ermüdungsfestigkeitvon Spannbetonträgern mit Querkraftbewehrung wurden Ermü-dungsversuche an 14 Trägern mit geringem Querkraftbeweh-rungsgrad (ρw = 0,15 %, ρw = 0,22 % und ρw = 0,33 %) durchge-führt. Der Beitrag beschreibt die experimentellen Untersuchungenund das in den Versuchen beobachtete sukzessive Versagender Querkraftbewehrung unter zyklischer Beanspruchung. An-hand von Vergleichsrechnungen und den im Versuch ermittel-ten Druckstrebenwinkeln wurde ein Ansatz zur Ermittlung derSpannungsschwingbreite der Querkraftbewehrung unter zykli-scher Belastung entwickelt. Der Ansatz basiert auf dem Fach-werkmodell mit variablem Druckstrebenwinkel.

Fatigue of prestressed beams with web reinforcement undercyclic shearMany existing bridge structures built in the 1960s and 1970stypically feature a high degree of prestressing and low shearreinforcement ratios. Therefore, their shear bearing capacity,originally determined based on the principal tensile strengthcriterion, can often not be verified with the strut and tie modelsof DIN-Fachbericht 102. To investigate the shear strength ofprestressed concrete beams with web reinforcement undercyclic loading, fatigue tests on 14 beams with a low amount ofshear reinforcement (ρw = 0,15 %, ρw = 0,22 % and ρw = 0,33 %)were performed. The present paper describes the fatigue tests and the occur-ring gradually stirrup fractures with increasing number of loadcycles. Based on comparative calculations and the experimen-tally determined strut inclinations, a modified approach to cal-culate the stirrup stress amplitude under cyclic loading hasbeen developed. It is based on a truss model with variable strutinclination.

Bild 1 Nachweiskonzept zur Bewertung der Querkrafttragfähigkeit von vorgespannten BestandsbrückenBasic structure of shear assessment of existing prestressed concretebridges

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F. Teworte, J. Hegger: Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrung unter Querkraftbeanspruchung

cken ohne Querkraftbewehrung bzw. mit etwa der erfor-derlichen Mindestbewehrung ρw,min nach [4] verwendetwerden können. Hierbei handelt es sich zum einen um eine Begrenzung der zulässigen Querkraftschwingbreitenach dem Hauptzugspannungskriterium und zum ande-ren um die Begrenzung der zulässigen Schwingbreite derschiefen Hauptzugspannung.

In Anlehnung an DIN 4227 [2], DIN-Fachbericht 102(Gleichung 4.119) [4] sowie die in [7] beschriebenen Un-tersuchungen an vorgespannten Durchlaufträgern scheintdie Anwendung des Hauptzugspannungskriteriums eben-falls für den statischen Nachweis (GZT) der entsprechen-den Bauwerke möglich. Im Vergleich zum Ermüdungs-nachweis sind hierbei grundsätzlich höhere Lasten aufder Einwirkungsseite bei gleichzeitiger Erhöhung des zu-lässigen Bemessungswerts der Betonzugfestigkeit auf derWiderstandsseite anzusetzen. Je nach Bauwerkseigen-schaften (z. B. Geometrie, Vorspannung, Stützweiten)kann aufgrund dieser gegenläufigen Einflussfaktoren da-her grundsätzlich entweder der Nachweis der statischenoder der zyklischen Querkrafttragfähigkeit maßgebendwerden. Basierend auf den vorhandenen Erkenntnissenwird somit empfohlen, neben der Nachweisführung unterstatischer Belastung im GZT, ebenfalls den Ermüdungs-nachweis unter zyklischer Belastung durchzuführen. BeiBrücken mit einer Querkraftbewehrung größer als die er-forderliche Mindestbewehrung ρw,min kann die Querkraft-tragfähigkeit unter statischer und zyklischer Beanspru-chung unter Berücksichtigung des Traganteils der vorhan-denen Bügelbewehrung nachgewiesen werden.

Der nachfolgend hergeleitete erweiterte Ermüdungsnach-weis der Bügelbewehrung basiert auf den eigenen Versu-chen an Spannbetonträgern mit Querkraftbewehrung.Neben den Ermüdungsversuchen werden in dem vorlie-genden Beitrag insbesondere die Ermittlung des maßge-benden Druckstrebenwinkels für Ermüdung und der auf-tretenden Spannungsschwingbreite der Stegbewehrungunter Annahme der Fachwerktheorie erläutert.

Darüber hinaus sind die Rissentwicklung und die Versa-gensankündigung zur Beurteilung von Bestandsbrückenvon besonderem Interesse. Der Querschnitt und die Vor-spannung der Versuchsträger stimmen mit denen des I-Trägers ohne Querkraftbewehrung aus [6] überein undwurden anhand einer Analyse von typischen Bestands-brücken der Bundesfernstraßen festgelegt. Im Rahmender Versuche wurden die Einflüsse aus den ParameternVorspannung, Bügelbewehrungsgrad und Belastung aufdas Querkrafttragverhalten unter zyklischer Beanspru-chung untersucht.

2 Ermüdungsnachweis bei Bauteilen mit Querkraftbewehrung

Die Querkrafttragfähigkeit von Balken mit Querkraftbe-wehrung setzt sich aus einem Betontraganteil und einemFachwerktraganteil der Querkraftbewehrung zusammen

[8]. Der Betontraganteil kann entfallen, wenn alternativein Fachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigung θverwendet wird (Bild 2). Neben der Querkraftbewehrung,die als Zugstreben dienen, wird die einwirkende Quer-kraft ebenfalls durch Rissreibung bzw. einen Betontragan-teil abgetragen. Der Winkel der geneigten Druckstrebenhängt hierbei von dem verwendeten Ansatz ab.

Nach DIN-Fachbericht 102 ergibt sich der Wert θ in Ab-hängigkeit von der Querkraft- und Normalkraftauslas-tung. Hierbei muss der Druckstrebenwinkel mindestenseine Neigung von etwa 30° (cotθ = 7/4) aufweisen undsoll nicht steiler als ca. 60° (cotθ = 4/7) angenommen wer-den. Bei wiederholter Belastung wird, bedingt durch dielokale Zerstörung des Betons, an den Rissufern eine Ver-minderung der Rissverzahnungswirkung und des Beton-traganteils unterstellt. Die dadurch verursachten Span-nungsumlagerungen auf die Querkraftbewehrung werdendurch die Annahme eines steileren Druckstrebenwinkelsθfat nach Gl. (1) im Vergleich zur statischen Bemessungberücksichtigt.

tanθfat = �����tanθ (1)

Dieser Ansatz wurde ursprünglich von GROB [9] zur Be-schreibung der unterschiedlichen Neigungen der Druck-streben im Gebrauchs- und Bruchzustand auf Basis derPlastizitätstheorie hergeleitet. Beim Ermüdungsnachweisnach [4] sollte der Winkel θfat nur für Druckstrebenwinkelkleiner als 45° zur Ermittlung der Beanspruchung der Be-wehrung verwendet werden. Ansonsten ist wie beimNachweis der Druckstrebe der für die Nachweise unter ru-hender Belastung verwendete Winkel θ anzusetzen. Auf-grund der geringen Querkraftbewehrungsgrade der unter-suchten Spannbetonträger wird hier nicht näher auf denErmüdungsnachweis der Betondruckstrebe eingegangen.

Der Ansatz nach FREY [10] zur Ermittlung der Span-nungsschwingbreite der Querkraftbewehrung basiertebenfalls auf einem Beton-Druckfeldmodell bzw. Fach-werkmodell. Die Herleitung der Druckfeldneigung θ er-folgt unter Anwendung der Plastizitätstheorie, sodass sievon der Versagensart abhängt. Da für die untersuchtenTräger das Versagen der Querkraftbewehrung maßgebendist, wird der Winkel θ nur durch den mechanischen Quer-kraftbewehrungsgrad beeinflusst. Unter Berücksichtigungeines zusätzlichen, belastungsabhängigen Beiwerts zur

Bild 2 Fachwerkmodell für Bauteile mit QuerkraftbewehrungTruss model for beams with shear reinforcement

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Erfassung der Vorspannung wird der Wert θfat analog zuDIN-Fachbericht 102 durch die Modifikation der Druck-feldneigung unter statischer Belastung im Bruchzustandnach Gl. (1) ermittelt. Hierbei unterscheiden sich jedochdie Neigungen des Druckfeldes unter statischer Bean-spruchung voneinander. Der Ansatz von FREY weist fürSpannbetonträger im Allgemeinen flachere rechnerischeNeigungen im Bruchzustand auf als DIN-Fachbericht102.

Die mit dem Winkel θfat ermittelten Stahlspannungen derQuerkraftbewehrung dürfen unter zyklischer Belastungbei maximaler Querkraft Vmax (Oberlast) und minimalerQuerkraft Vmin (Unterlast) die Fließspannung des Stahlsnicht überschreiten. Zusätzlich ist die Spannungs-schwingbreite ∆σ der Bewehrung (Gl. (2)) zu beschrän-ken.

(2)

Hierbei beschreibt ∆V die Querkraftschwingbreite, z deninneren Hebelarm und asw die bezogene vorhandeneQuerschnittsfläche der Querkraftbewehrung. Die Ermü-dungsfestigkeit des Betonstahls wird in der Regel durchWÖHLERlinien festgelegt (Bild 3). Die WÖHLERlinie nachDIN-Fachbericht 102, die anhand von Einstufenversu-chen hergeleitet wurde und den Zusammenhang zwi-schen Spannungsschwingbreite ∆σ und Bruchlastspiel-zahl N angibt, wird durch die Spannungsexponenten k1und k2 sowie die charakteristische Ermüdungsfestigkeit∆σRsk bei N* Lastwechseln definiert. Die entsprechendenWerte nach [4] und für einbetonierten Betonstahl nach[11] sind in Bild 3 angegeben. Zur Berücksichtigung unterschiedlicher Schwingbreiten wird in der Regel die

tanVa · z

·sw

fatσ θ∆ = ∆ lineare Schädigungshypothese nach PALMGREN-MINER

[12] verwendet.

3 Experimentelle Untersuchungen3.1 Versuchsträger

Im Rahmen des Versuchsprogramms wurden die Einflüs-se aus den Parametern Vorspannung, Bügelbewehrungs-grad und Belastung auf das Querkrafttragverhalten unterzyklischer Beanspruchung untersucht. Die Versuche las-sen sich hinsichtlich des Querkraftbewehrungsgrades indrei Serien unterteilen. Der verwendete Querschnitt, dieSpannglieder sowie die Längs-, Spaltzug- und Bügel -bewehrung zum Zug- und Druckgurtanschluss (Bild 4)stimmen mit denen des doppeltprofilierten I-Trägers ohneQuerkraftbewehrung aus [6] überein.

Bild 3 WÖHLERlinie für BetonstahlFatigue strength curve for reinforcing steel

Bild 4 Querschnitt (links) und Längsschnitt (rechts) der I-Träger mit QuerkraftbewehrungCross section (left) and half-elevation (right) of the test beams with shear reinforcement

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F. Teworte, J. Hegger: Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrung unter Querkraftbeanspruchung

Als Querkraftbewehrung wurden zweischnittige Bügelder Festigkeitsklasse B500 mit einem Stabdurchmesservon 6 mm verwendet. Der Abstand der Bügel wurde inden drei Versuchsserien zwischen 37,5 cm und 17,5 cmvariiert, sodass sich Querkraftbewehrungsgrade von0,15 % (M-15), 0,22 % (M-22) und 0,33 % (M-33) ergeben.Der untere Wert entspricht etwa der erforderlichen Min-destquerkraftbewehrung der verschiedenen Regelwerkeaus den 1960–70er-Jahren und die beiden größeren Wertebefinden sich im Bereich der Stegbewehrung vieler Be-standsbrücken. In der Mitte weist der 6,5 m lange Trägerüber eine Länge von 2  m einen erhöhten Querkraftbe-wehrungsgrad auf, um in diesem Bereich ein unplanmäßi-ges Querkraftversagen im zweiten Teilversuch ausschlie-ßen zu können (Abschn. 3.2). Zur Ermittlung der Span-nungs-Dehnungs-Beziehung und der WÖHLERlinie derverwendeten Querkraftbewehrung wurden statische undzyklische einaxiale Zugversuche durchgeführt.

In Tab. 1 sind die aufgebrachten Vorspannkräfte Pm,tmder Versuchsträger als Mittelwert über die Versuchsdauerangegeben. Die Vorspannkraft eines Spannglieds wurdemit einer am Festanker angebrachten Hohlkraftmessdosekontinuierlich gemessen. Die Festlegung der Vorspan-nung erfolgte, wie bei den Trägern ohne Querkraftbeweh-rung [6], in Anlehnung an typische Bestandsbrücken. Derobere Grenzwert der resultierenden Betondruckspannun-gen in Höhe der Schwerlage σcp von 3,5 N/mm² ent-spricht etwa dem Niveau einer durch externe Vorspan-nung nachträglich verstärkten Spannbetonbrücke. Diezwei niedrigeren Vorspanngrade repräsentieren Bestands-brücken ohne nachträgliche Verstärkung. Um gezielt denEinfluss der zyklischen Belastung auf das Tragverhaltenuntersuchen zu können, wurde bei den Trägern M-22-4bis M-22-7 und der Versuchsserie M-33 die Vorspannungnicht variiert. Da bei niedriger Vorspannung ein geringe-rer Betontraganteil zu erwarten ist und sich die Beanspru-

chung der Querkraftbewehrung entsprechend erhöht,wurde zur Übertragbarkeit der Versuchsergebnisse aufnicht verstärkte Brücken hier eine Betondruckspannungvon 1,77 N/mm² gewählt.

In versuchsbegleitenden Baustoffuntersuchungen an Pro-bekörpern, die jeweils neben den Trägern gelagert wur-den, erfolgte u. a. die Ermittlung der Betondruckfestigkeit.Da die ermittelten Werte über die Versuchsdauer keineausgeprägte Abhängigkeit vom Betonalter aufwiesen,werden für die weiteren Auswertungen die über die Versuchsdauer gemittelten Zylinderdruckfestigkeitenfcm,cyl,tm (150 × 300 mm) verwendet (Tab. 1). In Anleh-nung an die bei alten Spannbetonbrücken häufig verwen-dete Festigkeitsklasse C30/37 (≈ B450) waren planmäßigWerte zwischen 34 N/mm² und 38 N/mm² angestrebt.

Basierend auf den ermittelten Mittelwerten der Vor-spannkräfte, Betonkennwerte und Betonstahlfestigkeitenwurden die mittleren statischen Querkrafttragfähigkeitender Versuchsträger bestimmt. In Tab. 1 sind die entspre-chenden Werte VRm,sy,FB nach DIN-Fachbericht 102 undVRm,sy,H nach dem Modell von HEGGER/GÖRTZ [13] an-gegeben. Bei der Ermittlung vom VRm,sy,FB wurde abwei-chend von DIN-Fachbericht 102 der untere Grenzwertdes Druckstrebenwinkels θFB,stat nach DIN 1045-1 von18,4° (cot θ = 3,0) verwendet. Das Modell nach HEGGER/GÖRTZ ergibt für alle Versuchsträger deutlichhöhere statische Querkrafttragfähigkeiten als der Ansatznach DIN-Fachbericht 102.

3.2 Versuchsaufbau und -durchführung

Die Spannbetonträger wurden zunächst in einem Vier-Punkt-Biegeversuch (Teilversuch 1) mit einer Spannweitevon 6,0 m bis zum Versagen einer Trägerhälfte zyklisch

Tab. 1 Vorspannkräfte, Betonkennwerte und rechnerische statische Querkrafttragfähigkeiten der VersuchsträgerPrestressing forces, concrete properties and calculated static shear strengths of the test beams

Träger Pm,tm [kN] σcp [N/mm²] fcm,cyl,tm [N/mm²] θFB,stat [°] VRm,sy,FB [kN] VRm,sy,H [kN]

M-15-1 636 –3,54 31,2 24,7 95 275

M-15-2 411 –2,29 39,7 24,1 97 248

M-15-3 320 –1,78 36,1 24,4 96 212

M-22-1 632 –3,52 34,8 27,5 123 284

M-22-2 432 –2,40 34,3 27,8 121 254

M-22-3 320 –1,78 35,3 27,9 121 211

M-22-4 32,5 27,9 120 200

M-22-5314 –1,77

36,1 27,6 121 211

M-22-6 34,0 27,8 120 205

M-22-7 32,0 27,9 120 205

M-33-1 37,8 30,3 160 253

M-33-2314 –1,77

39,2 30,3 160 243

M-33-3 29,9 30,7 158 237

M-33-4 45,3 30,0 162 263

Pm,tm = Mittelwert der Vorspannkraft; σcp = Pm,tm/Ac; fcm,cyl,tm = Mittelwert der Zylinderdruckfestigkeit; θFB,stat = statischer Druckstrebenwinkel nach [4];VRm,sy,FB = mittlere statische Querkrafttragfähigkeit nach [4]; VRm,sy,H = mittlere statische Querkrafttragfähigkeit nach [13]

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F. Teworte, J. Hegger: Fatigue of prestressed beams with web reinforcement under cyclic shear

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bei einer Frequenz zwischen 3 Hz und 6 Hz belastet(Bild 5). Vor Beginn der zyklischen Belastung erfolgte zu-nächst eine statische Erstbelastung bis zur Schubrissbil-dung im Steg, um gezielt die Ermüdungsfestigkeit derQuerkraftbewehrung untersuchen zu können. Die zykli-sche Belastung führte zu einem sukzessiven Versagen derQuerkraftbewehrung mit gleichzeitiger starker Verfor-mungs- und Rissbreitenzunahme. Zum Erhalt der Vor-spannung für den zweiten Teilversuch wurde der ersteTeilversuch in der Regel nach Versagen eines Großteilsder Stegbewehrung abgebrochen. Nach Abschluss desersten Teilversuchs wurde der Versuchsstand umgebautund die zweite Trägerhälfte in einem Drei-Punkt-Biege-versuch mit einer Spannweite von 4,0 m bei unveränder-ter Schubschlankheit von a/d ≈ 3,3 belastet (Teilversuch2). Die beschädigte Trägerhälfte wurde im Bereich deskritischen Schubrisses mit Stahlprofilen und Stahlstan-gen verstärkt, die als externe Querkraftbewehrung die-nen. Falls die Trägerhälften infolge der zyklischen Belas-tung nicht vollständig versagten, wurde bei ausgewähltenVersuchen in Drei-Punkt-Biegeversuchen die statischeResttragfähigkeit der jeweiligen Trägerseite ermittelt.

Die Festlegung der zyklischen Versuchslasten erfolgte so-wohl anhand der ermittelten Schubrisslasten Vcr als auchder rechnerischen Spannungsschwingbreiten der Bügel-bewehrung ∆σFB nach [4] und ∆σFrey nach FREY [10]. DieBetriebsfestigkeit des Betonstahls wird vor allem durchdie Spannungsamplitude bestimmt, während bei Betonzusätzlich das Spannungsniveau von großer Bedeutungist. Daher wurden sowohl die Spannungsamplitude alsauch das Spannungsniveau variiert.

Bei der Versuchsdurchführung kann zwischen Mehrstu-fenversuchen und Einstufenversuchen unterschiedenwerden. Während in den Versuchen M-15 und M-22-1 bisM-22-3 mehrere unterschiedliche Belastungskombinatio-nen (Mehrstufenversuch), analog zu den in [6] beschriebe-nen Versuchen, aufgebracht wurden, erfuhren die übrigenTräger eine konstante Belastung (Einstufenversuch).

In Tab. 2 sind die untersuchten Belastungskombinationenund zugehörigen Lastwechselzahlen der Mehrstufenver-

suche angegeben. Der Buchstabe a in der Träger -bezeichnung beschreibt den 1. Teilversuch und der Buch-stabe b entsprechend den 2. Teilversuch eines Trägers.Die Querkräfte Vmax und Vmin wurden in einem Abstandvon 1 m von der Lasteinleitung unter Berücksichtigungdes Trägereigengewichts und der Lasteinleitungskon-struktion bestimmt. Die untersuchten Oberlasten in denMehrstufenversuchen variierten zwischen 91 % und183 % des Werts VRm,sy,FB, d. h. die rechnerische Bügel-spannung war in der Regel größer als die Zugfestigkeitdes Betonstahls ft. Ein entsprechendes statisches Ver -sagen der Bügel bzw. Träger konnte in den Versuchen al-lerdings nicht beobachtet werden. Demnach unterschätztder Ansatz nach DIN-Fachbericht 102 die statische Trag-fähigkeit der Träger mit Querkraftbewehrung erheblich.

Die Unterlasten wurden so festgelegt, dass sich nachDIN-Fachbericht 102 rechnerische Spannungsschwing-breiten ∆σFB,fat im Bereich bzw. oberhalb der charakte -ristischen Ermüdungsfestigkeit bei 1 · 106 Lastwechseln∆σRsk = 175 N/mm² nach [4] ergaben. Die ermitteltenSpannungsschwingbreiten ∆σFrey lagen bei allen Ver-suchsträgern deutlich unterhalb der rechnerischen Wertenach DIN-Fachbericht 102. Zusätzlich sind in Tab. 2 dierechnerischen Spannungsschwingbreiten ∆σFB,stat unterAnnahme des Druckstrebenwinkels für statische Belas-tung nach [4] angegeben, die jeweils zwischen den Werten∆σFB,fat und ∆σFrey liegen.

In den Einstufenversuchen wurden jeweils zwei Oberlas-ten bzw. Spannungsschwingbreiten aufgebracht (Tab. 3).Hierdurch konnte gezielt der Einfluss des Spannungs -niveaus und der Spannungsschwingbreite auf das Trag-verhalten untersucht werden. Die Oberlasten lagen mit0,9 · Vcr und 1,1 · Vcr sowohl unter- als auch oberhalb derSchubrisslast. Die rechnerischen Spannungsschwingbrei-ten betrugen unter Ansatz des statischen Druckstreben-winkels θFB,stat etwa 200 N/mm² bzw. 250 N/mm².

Obwohl bei den Trägern mit Mehrstufenbelastung einGroßteil der Stegbewehrung gebrochen war, konnten dieuntersuchten Belastungen weiterhin ohne ein Versagendes Bauteils aufgenommen werden. Im Gegensatz hier-zu trat in vier Einstufenversuchen (M-22-7b, M-33-3a, M-33-4a, M-33-4b) ein Versagen des Bauteils unter denaufgebrachten zyklischen Lasten auf. Das endgültige Ver-sagen ist auf den Rissfortschritt des Schubrisses in denDruckgurt unterhalb der Lasteinleitung bzw. den vorge-spannten Zuggurt am Auflager zurückzuführen. An fünfTrägern (M-15-2, M-15-3, M-22-1, M-22-2, M-22-3) wurdejeweils die statische Resttragfähigkeit nach vorheriger zy-klischer Belastung ermittelt.

3.3 Ergebnisse3.3.1 Versagensankündigung

Die zyklische Belastung führte zu einem sukzessiven Ver-sagen der Bügelbewehrung mit gleichzeitiger Umlagerungder Querkräfte, Zunahme der Verformungen und Riss-

Bild 5 Versuchsaufbau und VersuchsdurchführungTest setup and test procedure

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F. Teworte, J. Hegger: Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrung unter Querkraftbeanspruchung

Tab. 2 Belastungskombinationen, Lastwechselzahlen, Schwingbreiten und Versagensarten der MehrstufenversucheApplied load regimes and load cycles, stirrup stress amplitudes and observed failures for tests with variable load amplitudes

Träger Vmax Vmin Zyklen Ni ΣNi ∆σFB,fat ∆σFrey ∆σFB,stat Versagen[kN] [kN] [· 103] [· 103] [N/mm²] [N/mm²] [N/mm²]

M-15-1a 181,8 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

148,0 134,0 1500 1500 115(2) 63(1) 78(2) nein

167,8 152,3 1500 3000 128(2) 69(2) 87(2) nein

167,8 135,3 1600 4600 268(2) 145(1) 182(2) nein

167,8 119,8 1110 5710 396(2) 215(1) 268(2) Abbruch

M-15-1b 160,4 112,4 500 6210 396(2) 215(1) 268(2) nein

160,4 95,9 1175 7385 532(2) 289(1) 361(1) Abbruch

M-15-2a 163,3 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

133,3 120,3 1000 1000 106(2) 61 71(2) nein

147,8 120,3 1100 2100 224(2) 128(1) 150(2) nein

147,8 105,3 2098 4198 346(2) 198(1) 231(1) nein

147,8 110,3 66 4265 305(2) 175(1) 204(1) Abbruch

M-15-2b 140,4 97,9 384 4650 346(2) 198(1) 231(1) nein

155,9 124,9 1000 5650 252(2) 145(1) 169(2) nein

155,9 108,9 500 6150 383(2) 219(1) 256(1) nein

163,4 114,9 500 6650 394(2) 226(1) 264(2) nein

177,4 124,4 85 6735 431(2) 247(1) 289(2) Abbruch

203,4 – 0,001 6735 – – – Restt.

M-15-3a 152,3 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

137,3 111,3 2000 2000 213(2) 125(1) 144(2) nein

137,3 98,3 3500 5500 320(2) 187(1) 215(1) nein

157,8 132,8 507 6007 205(2) 120(2) 138(2) nein

157,8 127,8 50 6057 246(2) 144(2) 166(2) nein

157,8 122,8 100 6157 287(2) 168(1) 193(2) nein

157,8 127,8 300 6457 246(2) 144(2) 166(2) Abbruch

M-15-3b 150,4 115,4 943 7400 287(2) 168(1) 193(2) nein

150,4 105,4 1000 8400 369(2) 216(1) 249(1) nein

160,4 115,4 500 8900 369(2) 216(1) 249(2) Abbruch

209,5 – 0,001 8900 – – – Restt.

M-15-3b2 210,3 – 0,001 6457 – – – Restt.

M-22-1a 167,8 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

162,8 131,8 2000 2000 182(2) 99 131(1) nein

162,8 116,3 2670 4670 273(2) 148 197(1) Abbruch

M-22-1b 157,4 110,9 830 5500 273(2) 148 197(1) nein

187,4 140,9 500 6000 273(2) 148(1) 197(2) Abbruch

234,1 – 0,001 6000 – – – Restt.

M-22-1b2 203,5 – 0,001 4670 – – – Restt.

M-22-2a 157,9 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

145,3 120,8 60 60 145(2) 84 105(1) nein

153,8 126,8 3500 3560 159(2) 92 116(1) nein

153,8 107,3 6 3566 275(2) 159 199(1) nein

153,8 126,8 1034 4600 159(2) 92 116(1) nein

153,8 116,3 1300 5900 221(2) 128 161(1) nein

182,8 145,3 287 6187 221(2) 128(1) 161(1) Abbruch

M-22-2b 241,2 – 0,001 6187 – – – Restt.

M-22-3a 159,8 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

148,3 117,8 3000 3000 180(2) 108 131(1) nein

148,3 105,3 1804 4804 254(1) 152 185(1) Abbruch

M-22-3b 154,9 111,9 996 5800 254(2) 152 185(1) Abbruch

263,8 – 0,001 5800 – – – Restt.

(1) σsw bei Oberlast > ft; (2) σsw bei Ober- und Unterlast > ft; ∆σFB,fat = Bügelspannungsschwingbreite nach [4]; ∆σFrey = Bügelspannungsschwingbreite nach [10]; ∆σFB,stat = Bügelspannungsschwingbreite mit θFB,stat nach [4]; Schubriss = statische Schubrisslast; nein = kein Trägerversagen; Abbruch = Bügel gebrochen – kein Trägerversagen; Restt. = statische Resttragfähigkeit

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Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 7 481

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breiten. Dieses Verhalten wird im Folgenden exempla-risch anhand des Versuchs M-33-3a beschrieben.

In Bild 6 (oben) ist der Verlauf der im Steg mittels induk-tiven Wegaufnehmern kontinuierlich gemessenen Riss-breite R1D unter Ober- und Unterlast dargestellt. DasRissbild zeigt den Zustand bei Versuchsende. Mit zuneh-mender Lastwechselzahl erhöhte sich die Rissbreite kon-tinuierlich, wobei sie kurz vor Versuchsende überpropor-tional bis auf mehr als 9 mm unter Oberlast zunahm. DieRissbreitendifferenz zwischen Ober- und Unterlast ver-größerte sich von 0,1  mm zu Versuchsbeginn mit fort-schreitender Rissbildung und sukzessivem Versagen ein-zelner Bügel auf 1,6 mm bei Versuchsende. Aufgrund derstarken Rissbildung und Verformungszunahme liegt eineausgeprägte Versagensankündigung vor. Die regelmäßigesprunghafte Rissaufweitung kann jeweils auf das Ver -sagen eines Bügelschenkels zurückgeführt werden.

Der Bruch eines Bügelschenkels führte zu einem sprung-haften Spannungsabfall des betroffenen Bügels und einergleichzeitigen Kraftumlagerung auf die verbleibende Quer-kraftbewehrung (Bild 6, unten). Die Ermittlung der Bügel-spannungen unter Oberlast erfolgte basierend auf derSpannungs-Dehnungs-Beziehung der verwendeten Be-wehrung und den mittels Dehnungsmessstreifen (DMS)gemessenen Dehnungen der Stegbewehrung. Da die Lageder Schubrisse vor Versuchsbeginn nicht bekannt war,wurden die DMS in unterschiedlichen Höhen angebracht.

Tab. 3 Belastungskombinationen, Lastwechselzahlen, Schwingbreiten und Versagensarten der EinstufenversucheApplied load regimes and load cycles, stirrup stress amplitudes and observed failures for tests with constant load amplitudes

Träger Vmax Vmin Zyklen Ni ΣNi ∆σFB,fat ∆σFrey ∆σFB,stat Versagen[kN] [kN] [· 103] [· 103] [N/mm²] [N/mm²] [N/mm²]

M-22-4a 143,2 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

129,0 85,0 3000 3000 267(1) 159 194 nein

M-22-5a 162,4 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

144,3 87,3 3000 3000 344(1) 204 249 nein

M-22-6a 152,0 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

167,3 123,3 3250 3250 267(2) 163 194(1) Abbruch

M-22-7a 145,2 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

159,8 102,8 1000 1000 346(1) 213 252(1) Abbruch

M-22-7b 159,8 102,8 852,6 1852,6 346(1) 213 252(1) zyklisch

M-33-1a 162,3 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

145,3 88,3 4475 4475 247 150 189 Abbruch

M-33-2a 161,8 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

145,3 70,0 1404 1404 326 196 249 Abbruch

M-33-3a 129,0 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

159,8 102,8 1487 1487 249(1) 160 192 zyklisch

M-33-3b 159,9 102,9 1013 2500 249(1) 160 192 Abbruch

M-33-4a 161,8 – 0,001 0,001 – – – Schubriss

177,8 102,3 442 442 325(1) 196 247 zyklisch

M-33-4b 177,9 102,4 129 571 325(1) 196 247 zyklisch

(1) σsw bei Oberlast > ft; (2) σsw bei Ober- und Unterlast > ft; ∆σFB,fat = Bügelspannungsschwingbreite nach [4]; ∆σFrey = Bügelspannungsschwingbreite nach [10]; ∆σFB,stat = Bügelspannungsschwingbreite mit θFB,stat nach [4]; Schubriss = statische Schubrisslast; nein = kein Trägerversagen; Abbruch = Bügel gebrochen – kein Trägerversagen; zyklisch = zyklisches Trägerversagen

Bild 6 Schubrissbreitenentwicklung (oben) und gemessene Bügelspannun-gen unter Oberlast (unten) in Versuch M-33-3aShear crack development (top) and stirrup stresses under maximumload (bottom) in test M-33-3a

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482 Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 7

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Nach 570000 Lastwechseln trat der Bruch des Bügel-schenkels 4V auf, der sich in einem sprunghaften Span-nungsabfall äußerte. Gleichzeitig erhöhte sich die Bean-spruchung der benachbarten Bügel 5 und 6. An der Mess-stelle 4R auf dem zweiten Bügelschenkel, der nach594000 Lastwechseln versagte, trat aufgrund des größerenAbstandes zum maßgebenden Schubriss keine Spannungs-änderung auf. Die Bügel 5, 6 und 8 versagten schließlichnach 786000, 928000 bzw. 1334000 Lastwechseln. Mitfortschreitendem Versagen der Bügelbewehrung fielen dieZugstreben des Fachwerks lokal begrenzt aus, die Fach-werktragwirkung verringerte sich und ein erhöhter Anteilder Querkraft wurde durch eine direkte Druckstrebe bzw.den vorgespannten Zuggurt abgetragen.

Das zyklische Versagen eines Bauteils kann grundsätzlichnach dem in Bild 7 dargestellten Ablaufdiagramm zusam-mengefasst werden. Solange der Träger keine Schubrisseaufweist, führt die Hauptzugspannung infolge der zykli-schen Beanspruchung zu einer Verringerung der Beton-zugfestigkeit mit zunehmender Lastspielzahl. Nach derSchubrissbildung stellen sich Spannungsschwingbreitenin der Querkraftbewehrung ein. Bei Überschreiten der Er-müdungsfestigkeit der Bügelbewehrung tritt ein zykli-sches Versagen des Betonstahls ein, sodass sich unter an-derem die Spannungsschwingbreite der verbleibendenBügel erhöht und diese ein Ermüdungsversagen erfahrenkönnen. Bei Trägern mit geringen Querkraftbewehrungs-graden kann das Ermüdungsversagen eines Bügels auf-grund der Kraftumlagerung auf die verbleibenden Bügelbereits zu einem statischen Bruch der Nachbarbügel füh-ren, wenn die Stahlzugfestigkeit unter der Oberlast beider nunmehr verringerten Fläche der Querkraftbeweh-rung überschritten wird. Ursache für das Überschreitender Stahlzugfestigkeit kann auch die Verringerung der Be-tonzugfestigkeit und die damit verbundene Rissbreitenzu-nahme sein. Bei den Versuchen mit einer Querkraftbe-wehrung oberhalb der Mindestbewehrung war ein suk-zessives Versagen der Bügelbewehrung über einige Hun-derttausend Lastwechsel bis zum Versagen des Bauteilszu beobachten, wobei sich der Abstand zwischen denVersagenszeitpunkten der einzelnen Bügel mit zuneh-mender Lastspielzahl verringerte.

Grundsätzlich wird die ertragbare Lastspielzahl der Steg-bewehrung bis zum Versagen, insbesondere bei Trägernmit geringen Querkraftbewehrungsgraden, neben derSpannungsschwingbreite ebenfalls durch das Spannungs-niveau beeinflusst. In Bild 8 sind die experimentell ermit-telten Bruchlastspielzahlen Ntest der Querkraftbewehrungder Versuchsträger mit Einstufenbelastung dargestellt.Hierbei wurden die Versuche hinsichtlich des Querkraft-bewehrungsgrades ρw, der Oberlast und der rechneri-schen Spannungsschwingbreite ∆σFB,stat eingeteilt. DieBestimmung der Bruchlastspielzahlen erfolgte anhandder gemessenen Stahldehnungen der Bügelbewehrungund der Rissbreiten im Steg. Die grauen Säulen entspre-chen jeweils dem Mittelwert aller Bügel eines Trägers,wobei die Bügel ohne Versagen unter zyklischer Belas-tung nicht berücksichtigt wurden. Die Streuung der Ein-zelwerte ist durch die schwarzen Linien gekennzeichnet,die die Spannbreite zwischen Maximalwert und Minimal-wert angeben. Mit Ausnahme der Versuche mit ρw =0,22 % und der kleineren Schwingbreite führte die Erhö-hung des Spannungsniveaus jeweils zu einer Verringe-rung der ertragenen Lastspielzahl der Stegbewehrung.Gleiches gilt mit einer Ausnahme (ρw = 0,22 %, Vmax =0,9 · Vcr) für die Erhöhung der Spannungsschwingbreite,die ebenfalls zu einem früheren Versagen führte.

Bild 7 Ablaufdiagramm des zyklischen QuerkraftversagensFlow chart of shear fatigue failure

Bild 8 Ertragene Bruchlastspielzahlen Ntest der Querkraftbewehrung (Ein -stufenversuche)Resisted load cycles of the stirrups until failure Ntest (constant loadamplitude)

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3.3.2 Versuchsnachrechnung

Der Ansatz nach DIN-Fachbericht 102 zur Ermittlungder Spannungsschwingbreite der Querkraftbewehrungunter zyklischer Belastung kann unter anderem anhanddes Verhältnisses der im Versuch ertragenen und derrechnerischen Bruchlastspielzahl Ntest/Ncalc bewertetwerden. In Bild 9 sind die experimentell ermitteltenBruchlastspielzahlen der Querkraftbewehrung und dieVerhältniswerte Ntest/Ncalc der einzelnen Versuchsträgerdargestellt. Während bei den Mehrstufenversuchen dieaufgebrachte Querkraftschwingbreite mit zunehmenderLastwechselzahl in der Regel gesteigert wurde, erfolgte inden Einstufenversuchen direkt eine Beaufschlagung mithöheren Schwingbreiten. Dementsprechend versagte dieQuerkraftbewehrung der Träger in den Einstufenversu-chen früher.

Die mittleren rechnerischen Bruchlastspielzahlen Ncalcwurden unter Verwendung der WÖHLERlinie für einbeto-nierten Betonstahl nach [11] ermittelt, da diese mit den ei-genen, in zentrischen Dauerschwingversuchen an Beton -stählen (∅6 mm) bestimmten Mittelwerten der Bruchlast-spielzahl eine gute Übereinstimmung aufwies. Zur Be-rücksichtigung der unterschiedlichen Belastungen in denMehrstufenversuchen wurde die Schädigungshypothesenach PALMGREN-MINER verwendet.

Der Ansatz nach DIN-Fachbericht 102 zur Ermittlungder Spannungsschwingbreite unterschätzt die experimen-tell ermittelten Bruchlastspielzahlen der untersuchtenSpannbetonträger unabhängig von der Vorspannkraftund dem Querkraftbewehrungsgrad (Bild 9, unten). Diesist zum einen auf die Überschätzung der auftretendenSpannungsschwingbreiten ∆σ infolge des zu steil ange-nommenen Druckstrebenwinkels zurückzuführen. Zumanderen waren in den Versuchen eine Abnahme des Ver-bundes zwischen Bügelbewehrung und Beton infolge derzyklischen Beanspruchung und eine Umlagerung in einedirekte Betondruckstrebe zu beobachten, die zusammendie Spannungsschwingbreite verringern.

4 Ansatz zur Bestimmung der zyklischenQuerkrafttragfähigkeit

4.1 Allgemeines

Basierend auf den durchgeführten Untersuchungen wur-de ein verbesserter Ansatz zur Ermittlung der Spannungs-schwingbreite der Querkraftbewehrung unter zyklischerBeanspruchung entwickelt. Der Ansatz basiert auf demFachwerkmodell mit variabler Druckstrebenneigungnach DIN-Fachbericht 102.

4.2 Methoden zur Ermittlung des Druckstrebenwinkels

Die Druckstrebenwinkel für die eigenen Versuche wur-den mit zwei unterschiedlichen Methoden bestimmt. Dieerste Methode basiert auf der Auswertung der gemesse-nen Stahldehnungen der Bügelbewehrung und die zweiteMethode auf einer Auswertung der ermittelten Bruchlast-spielzahlen der einzelnen Bügelschenkel.

4.2.1 Methode 1

Anhand der gemessenen Stahldehnungen der Bügelbe-wehrung unter Ober- und Unterlast kann die im Versucheinwirkende Spannungsschwingbreite ermittelt werden.Die DMS, die während des Versuchs beschädigt wurdenoder sich zu weit vom Riss entfernt befanden (> 4 cm)oder auf Bügeln befestigt waren, die nicht versagten bzw.aufgrund eines Überschreitens der statischen Zugfestig-keit versagten, wurden in der Regel nicht berücksichtigt.Da die Messstellen sich nicht immer unmittelbar amSchubriss befanden, wo die größte Schwingbreite auftritt,wurden die gemessenen Schwingbreiten in Abhängigkeitvom Rissabstand erhöht. Der Abstand der Dehnungs-messstreifen zum Schubriss wurde durch Freilegen derBügel nach Versuchsende bestimmt. Mithilfe der experi-mentell ermittelten Spannungs-Dehnungs-Beziehung desBetonstahls wurde unter Vernachlässigung der unter zy-klischer Belastung auftretenden Hysterese-Schleifen dieSpannungsschwingbreite ∆σ bestimmt. In Bild 10 istexemplarisch der Verlauf von ∆σ des Bügels 4 des TrägersM-22-7 dargestellt, der nach 686 000 Lastwechseln ver-sagte. Trotz konstanter Querkraftschwingbreite stellte

Bild 9 Ertragene Bruchlastspielzahlen der Bügelbewehrung (oben) und Verhältnis der ermittelten und rechnerischen Bruchlastspielzahlen(unten)Resisted load cycles of the stirrups until failure (top) and ratio of experimental and calculated load cyles until failure (bottom)

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sich aufgrund der in Abschn. 3.3.1 beschriebenen Kraft-umlagerung keine konstante Spannungsschwingbreiteein. Mithilfe des Ansatzes nach PALMGREN-MINER wirdunter Annahme einer WÖHLERlinie die Schädigung D be-stimmt. Um die ungünstigste Beanspruchung der Bügel-bewehrung zu ermitteln, wird hier die WÖHLERlinie nach[4] verwendet. Anschließend kann die konstante äquiva-lente Spannungsschwingbreite ∆σequ berechnet werden,die die gleiche Schädigung wie die gemessene variableSpannungsschwingbreite ∆σ hervorruft. Da jetzt mit Aus-nahme des Druckstrebenwinkels θfat alle Parameter derGl. (2) bekannt sind, kann der für einen Bügel im Versuchvorherrschende Druckstrebenwinkel unter der zyklischenQuerkraft berechnet werden. Bei den Mehrstufenversu-chen wurde jeweils das gewichtete Mittel der einwirken-den Querkraftschwingbreite angesetzt.

4.2.2 Methode 2

Bei der zweiten Auswertemethode wird unter Ansatz ei-ner WÖHLERlinie für jeden Bügelschenkel aus der er-reichten Bruchlastspielzahl die zu einer Schädigungssum-me von 1,0 zugehörige äquivalente Spannungsschwing-breite ermittelt. Da eine größere Ermüdungsfestigkeit einen größeren Wert ∆σequ ergibt und somit die ungüns-tigste Beanspruchung darstellt, wurde die WÖHLERlinienach [11] angesetzt. Analog zur Auswertung auf Basis dergemessenen Stahldehnungen werden mithilfe der Gl. (2)die einzelnen Werte θfat berechnet. Hierbei wurde bei denMehrstufenversuchen ein über die Versuchsdauer kon-stanter Winkel θfat angenommen, sodass die Berechnungfür jeden Bügel iterativ unter Ansatz der jeweils einwir-kenden Querkraftschwingbreite erfolgte.

4.3 Ingenieurmodell

Die Entwicklung des Ansatzes zur Ermittlung des Druck-strebenwinkels unter Ermüdung erfolgt basierend auf den

in den Versuchen ermittelten Druckstrebenwinkeln ohneBerücksichtigung von Sicherheitsbeiwerten. Hierbei wur-den die Druckstrebenwinkel θfat nach den beiden Aus-wertemethoden jeweils für jeden Bügelschenkel der Ver-suchsträger bzw. jeden berücksichtigten DMS einzeln er-mittelt. In Bild 11 (oben) sind die sich ergebenden Mittel-werte θfat der verschiedenen Versuchsträger für beideAuswertemethoden (M1 = Methode 1, M2 = Methode 2)dargestellt. Als Bezugsgröße wird der Druckstrebenwin-kel unter statischer Belastung im Bruchzustand θFB,statnach Tab. 1 verwendet. Zusätzlich wurden die analyti-schen Ansätze nach DIN-Fachbericht 102 und FREY be-rücksichtigt.

Mit zunehmendem Querkraftbewehrungsgrad erhöhtsich sowohl der Druckstrebenwinkel unter statischer alsauch unter zyklischer Belastung. Die Werte θfat,M1 liegenmit einer Ausnahme (M-22-5) zwischen 19° und 26°. Mitder Methode 2 auf Basis der Bruchlastspielzahlen erge-ben sich Druckstrebenwinkel θfat,M2 zwischen 19° und30°. Somit liegen die in den Versuchen ermittelten Wertedeutlich unterhalb des Ansatzes nach DIN-Fachbericht102. Dementsprechend wird die tatsächlich auftretendeSpannungsschwingbreite mit dem derzeitigen Bemes-sungsansatz überschätzt bzw. die ertragbare Bruchlast-spielzahl der Stegbewehrung unterschätzt (vgl. Bild 9,

Bild 10 Spannungsschwingbreite und Schädigung des Bügels 4 in Versuch M-22-7aStress amplitude and damage of stirrup 4 in test M-22-7a

Bild 11 Druckstrebenwinkel für Ermüdung nach verschiedenen Ansätzen(oben) und Verhältnis Ntest /Ncalc für den modifizierten Ansatz (unten)Strut inclination for fatigue of several approaches (top) and ratioNtest /Ncalc of the proposed approach (bottom)

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unten). Die Druckstrebenwinkel nach FREY θfat,Frey befin-den sich im Bereich der experimentell bestimmten Mittel-werte.

Auf Basis der durchgeführten Vergleichsrechnungen undder im Versuch ermittelten Druckstrebenwinkel wird fürdoppeltprofilierte Spannbetonträger mit geringen Quer-kraftbewehrungsgraden (ρw ≤ 0,33 %) vereinfachend vor-geschlagen, den Druckstrebenwinkel der statischen Quer-kraftbemessung nach DIN-Fachbericht 102 ebenfalls zurErmittlung der Spannungsschwingbreite der Stegbeweh-rung unter zyklischer Belastung anzusetzen (Gl. (3)).

θfat = θFB,stat (3)

Die so ermittelten Druckstrebenwinkel θfat sind für zwölfder 14 Träger größer als die experimentell ermittelten Wer-te (Bild 11, oben). Gleichzeitig sind die Werte deutlichkleiner als die derzeit nach [4] anzusetzenden Winkel, so-dass sich entsprechend die rechnerische Spannungs-schwingbreite der Querkraftbewehrung verringert. Hier-durch wird die ertragbare Bruchlastspielzahl der Quer-kraftbewehrung der Versuchsträger zutreffender erfasst(Bild 11, unten). Analog zur Versuchsnachrechnung wur-de die rechnerische Bruchlastspielzahl Ncalc unter Verwen-dung der WÖHLERlinie nach [11] bestimmt. Bei Träger M-22-2 mit einer Schadenssumme kleiner als 1,0, d.h.rechnerisch tritt kein Ermüdungsversagen ein, wurde dierechnerische Lebensdauer durch eine Extrapolation mitder letzten auftretenden Spannungsschwingbreite ermit-telt. Mit einem Mittelwert von 1,9 beschreibt der modifi-zierte Ansatz das Verhältnis der experimentellen und rechnerischen Bruchlastspielzahl der BügelbewehrungNtest/Ncalc unter zyklischer Beanspruchung zufriedenstel-lend. Die Überschätzung der Bruchlastspielzahl der Träger M-22-2 und M-33-4 kann aufgrund der Umlagerungsreser-ven sowie der ausgeprägten Rissbildung, die eine frühzeiti-ge Versagensankündigung ermöglicht, vertreten werden.Da die bis zum Bruch ertragbare Lastwechselzahl derQuerkraftbewehrung neben der Schwingbreite ebenfallsdurch das Spannungsniveau beeinflusst wird, sollte dieOberlast bei Verwendung des Ansatzes sinnvoll begrenztwerden. Bis weitere Ermüdungsversuche mit größerenOberlasten und größeren Querkraftschwingbreiten vorlie-gen, wird basierend auf den untersuchten Belastungskom-binationen zunächst eine Begrenzung auf etwa 110 % derstatischen Schubrisslast nach dem Hauptzugspannungs-kriterium (Gleichung 4.119, DIN-FB 102) vorgeschlagen.

Der Druckstrebenwinkel θfat nach Gl. (3) sollte nur zurErmittlung der Spannungsschwingbreite der Bügelbeweh-rung mit zugehörigem Nachweis des Ermüdungswider-stands verwendet werden. Für den ebenfalls zu erbringen-den Nachweis der Spannungsbegrenzung unter Ober-und Unterlast liefert dieser Ansatz unter Umständen kei-ne zutreffenden Ergebnisse. So überschreiten die rechne-rischen Bügelspannungen unter den untersuchten Ober-bzw. Unterlasten die Zugfestigkeit des Betonstahls undabweichend von den Versuchsergebnissen wird ein stati-sches Versagen des Trägers vorhergesagt (Tab. 2 und 3).

5 Zusammenfassung

Zur Untersuchung der zyklischen Querkrafttragfähigkeitvon Spannbetonträgern mit geringen Querkraftbeweh-rungsgraden wurden am Institut für Massivbau derRWTH Aachen Versuche an 14 doppeltsymmetrischenprofilierten I-Trägern mit Stegbewehrung durchgeführt.Die Versuche dienten insbesondere zur Ermittlung desDruckstrebenwinkels im Fachwerkmodell unter zykli-scher Querkraftbeanspruchung und zur Bewertung derVersagensankündigung. Es wurden die Einflüsse aus denParametern Vorspannung, Bügelbewehrungsgrad und Be-lastung auf das Querkrafttragverhalten unter zyklischerBeanspruchung untersucht. Aus den Untersuchungen las-sen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

(1) Die zyklische Belastung führte zu einem sukzessivenVersagen der Bügelbewehrung mit gleichzeitiger Um-lagerung der Querkräfte sowie deutlich erkennbarerZunahme der Verformungen und der Rissbreiten.Aufgrund der starken Rissbildung und Verformungs-zunahme lag eine ausgeprägte Versagensankündi-gung vor. Mit zunehmender Lastspielzahl verringertesich der Abstand zwischen den Versagenszeitpunktender einzelnen Bügel.

(2) Durch den sukzessiven Ausfall der Bügel erhöhte sich jeweils sprunghaft die Beanspruchung der be-nachbarten Bügel. Dies betraf sowohl die Spannun-gen unter Oberlast als auch die Spannungsschwing-breiten.

(3) Die ertragbare Lastspielzahl der Stegbewehrung biszum Versagen wurde bei den Trägern mit geringemQuerkraftbewehrungsgrad neben der Spannungs-schwingbreite ebenfalls durch das Spannungsniveaubeeinflusst.

(4) Mit zunehmendem Ausfall der Stegbewehrung erfolg-te eine zusätzliche Umlagerung der Kräfte in eine direkte Betondruckstrebe (Betontraganteil). Darüberhinaus verringerte sich die Beanspruchung der Bügelaufgrund einer kontinuierlichen Auflösung des Ver-bundes zwischen Bügelbewehrung und Beton.

(5) Der Ansatz nach DIN-Fachbericht 102 zur Ermitt-lung des Druckstrebenwinkels für Ermüdung über-schätzt die im Versuch gemessenen Spannungs-schwingbreiten der Bügelbewehrung, sodass dieBruchlastspielzahl der Bügelbewehrung deutlich unterschätzt wird.

(6) Auf Basis der durchgeführten Vergleichsrechnungenund der im Versuch ermittelten Druckstrebenwinkelwird für doppeltprofilierte Spannbetonträger mit ge-ringen Querkraftbewehrungsgraden vereinfachendvorgeschlagen, den Druckstrebenwinkel der stati-schen Querkraftbemessung nach DIN-Fachbericht102 ebenfalls zur Ermittlung der Spannungsschwing-breite der Stegbewehrung unter zyklischer Belastunganzusetzen. Hierbei sollte die Oberlast sinnvoll be-grenzt werden.

Zur weiteren Überprüfung des Ansatzes der Schwingbrei-tenermittlung und einer Erweiterung auf andere Quer-

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Literatur

[1] DIN 1072 – Straßen- und Wegbrücken; Lastannahmen.Berlin, 1953.

[2] DIN 4227 – Spannbeton – Richtlinien für Bemessung undAusführung (1953). Betonkalender 1967, Verlag Ernst &Sohn, Berlin.

[3] DIN-Fachbericht 101 – Einwirkungen auf Brücken. Berlin,2009.

[4] DIN-Fachbericht 102 – Betonbrücken. Berlin, 2009.[5] HEGGER, J.; KARAKAS, A.; PELKE, E.; SCHÖLCH, U.: Zur

Querkraftgefährdung bestehender Spannbetonbrücken –Teil I: Grundlagen. Beton- und Stahlbetonbau 104 (2009),Heft 11, S. 737–746.

[6] TEWORTE, F.; HEGGER, J.: Querkraftermüdung von Spann-betonträgern ohne Querkraftbewehrung. Beton- und Stahl-betonbau 108 (2013), Heft 1, S. 34–46.

[7] HEGGER, J.; HERBRAND, M.: Einfluss einer nachträglichenexternen Vorspannung in Längsrichtung auf die Querkraft-tragfähigkeit bestehender Spannbetonbrücken. Schlussbe-richt, Institut für Massivbau der RWTH Aachen, IMB-Be-richtsnr.: 317/2013, 2013 (unveröffentlicht).

[8] HEGGER, J.; SHERIF, A.; GÖRTZ, S.: Investigation of Pre-and Postcracking Shear Behaviour of Prestressed ConcreteBeams Using Innovative Measuring Techniques. ACI Struc-tural Journal 101 (2004), Nr. 2, S. 183–192.

[9] GROB, J.: Ermüdung von Stahlbeton- und Spannbetontrag-werken. Institut für Baustatik und Konstruktion ETH Zürich, Bericht Nr. 75, 1977.

[10] FREY, R.: Ermüdung von Stahlbetonbalken unter Biegungund Querkraft. Dissertation, ETH Zürich, 1984.

[11] MAURER, R.; DREIER, F.; MACHOCZEK, D.; HEEKE, G.: Bestimmung der Ermüdungsfestigkeit von einbetoniertemBetonstahl mit dem Interaktiven Verfahren. Forschungs -bericht, Dortmund, 2009.

[12] HAIBACH, E.: Betriebsfestigkeit: Verfahren und Daten zurBauteilberechnung. Springer, Berlin, 2006.

[13] HEGGER, J.; GÖRTZ, S.: Querkraftmodell für Bauteile ausNormalbeton und Hochleistungsbeton. Beton- und Stahl -betonbau 101 (2006), Heft 9, S. 695–705.

Autoren

RWTH Aachen Lehrstuhl und Institut für Massivbau Mies-van-der-Rohe-Straße 152074 Aachen

Dipl.-Ing. Frederik [email protected]

Prof. Dr.-Ing. Josef [email protected]

486 Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 7

F. Teworte, J. Hegger: Ermüdung von Spannbetonträgern mit Bügelbewehrung unter Querkraftbeanspruchung

kraftbewehrungsgrade, Querschnittsformen und Spann-gliedführungen sind weitere experimentelle und theore -tische Untersuchungen erforderlich. Dies betrifft ins -besondere den Einfluss des Spannungsniveaus auf denDruckstrebenwinkel sowie den Nachweis der Spannungs-begrenzung unter Ober- und Unterlast.

Dank

Die vorgestellten Untersuchungen wurden durch dieDeutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, Geschäftszei-chen HE 2637/12-1) und Hessen Mobil gefördert. DerDFG, Hessen Mobil und allen Mitgliedern der Berater-gruppe sei an dieser Stelle herzlich gedankt.