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Sowohl Über- als auch Unterernährung sind prognostisch relevante Abweichun- gen von einem idealen Ernährungszu- stand. Das epidemiologisch größere Problem ist zweifelsohne die Überer- nährung. Dagegen ist die Unter- oder Mangelernährung in den industrialisier- ten Ländern überwiegend ein Begleit- phänomen von akuten und chronischen Erkrankungen und tritt vor allem bei geriatrischen Patienten auf. Nach aktu- ellen Daten einer Berliner Studie finden sich bei jedem vierten stationär behand- lungsbedürftigen Patienten Zeichen der Mangelernährung. Medizin aktuell P.Stiefelhagen · DRK-Krankenhaus Westerwald,Hachenburg Ernährung und Ernährungstherapie in der Gastroenterologie 10. Postgraduiertenkurs der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel- krankheiten, 17.09.2003 in Nürnberg Diese epidemiologischen Daten zeigen, dass das Thema Ernährung und Ernäh- rungstherapie nicht nur für den gastro- enterologisch tätigen Internisten von zunehmender Bedeutung ist. Deshalb wurde auch dieses Thema für den dies- jährigen Postgraduiertenkurs der Deut- schen Gesellschaft für Verdauungs – und Stoffwechselkrankheiten gewählt. Der folgende Kongressbericht beschäftigt sich mit folgenden Themen: Diagnostik der Fehlernährung, gastrale Ernährungssonden, Immunonutrition: Ernährung mit immunologischer Wirkung, Indikationen zur parenteralen Ernährung, Ernährung bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Diagnostik der Fehlernährung Für die Definition und Graduierung von Übergewicht empfiehlt sich die Bestim- mung des Body Mass Index (BMI = Kör- pergewicht in Kilogramm/Körpergröße in m 2 ). Bei Patienten ohne gravierende Hydratationsstörungen korreliert dieser Parameter sehr eng mit der Fettmasse, so- dass weitere aufwendige Untersuchungs- verfahren in der Regel nicht erforderlich sind.Wichtig jedoch ist die Erfassung Adi- positas begleitender Stoffwechselstörun- gen oder Folgekrankheiten, d. h. die Be- stimmung folgender Laborparameter: Harnsäure, Gesamtcholesterin, HDL- und LDL-Cholesterin, Triglyzeride, Kreatinin, Elektrolyte, Leberenzyme, Blutbild, Urin- status, oraler Glukosetoleranztest. Bei der Fehlernährung muss von der Unterernährung im eigentlichen Sinne, die durch eine Verminderung der Ener- giespeicher als Folge einer anhaltend er- niedrigten Kalorienzufuhr charakterisiert ist, die Mangelernährung abgegrenzt wer- den. Zu letzterer gehört der krankheits- assoziierte Gewichtsverlust, der Eiweiß- mangel und der spezifische Nährstoff- mangel. Von einem krankheitsassoziier- ten Gewichtsverlust spricht man bei einer unfreiwilligen Gewichtsabnahme von >10% in 6 Monaten oder >5% in 3 Mona- ten bei gleichzeitig bestehenden Zeichen einer Krankheitsaktivität wie Fieber, Nachtschweiß,Schmerzen oder Leistungs- minderung. Bei solchen Patienten ist in der Regel das Serumalbumin vermindert, welches als Marker der Krankheitsaktivität und auch als prognostischer Parameter gilt. Beim Eiweißmangel ist die Muskelmasse und die Plasmaproteinkonzentration re- Der Internist 2 · 2004 | 231 Internist 2004 · 45:231–236 DOI 10.1007/s00108-003-1112-4 Online publiziert: 13. Dezember 2003 © Springer-Verlag 2003

Ernährung und Ernährungstherapie in der Gastroenterologie

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Sowohl Über- als auch Unterernährungsind prognostisch relevante Abweichun-gen von einem idealen Ernährungszu-stand. Das epidemiologisch größereProblem ist zweifelsohne die Überer-nährung. Dagegen ist die Unter- oderMangelernährung in den industrialisier-ten Ländern überwiegend ein Begleit-phänomen von akuten und chronischenErkrankungen und tritt vor allem beigeriatrischen Patienten auf. Nach aktu-ellen Daten einer Berliner Studie findensich bei jedem vierten stationär behand-lungsbedürftigen Patienten Zeichen derMangelernährung.

Medizin aktuell

P. Stiefelhagen · DRK-Krankenhaus Westerwald, Hachenburg

Ernährung und Ernährungstherapie in derGastroenterologie10. Postgraduiertenkurs der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-krankheiten, 17.09.2003 in Nürnberg

Diese epidemiologischen Daten zeigen,dass das Thema Ernährung und Ernäh-rungstherapie nicht nur für den gastro-enterologisch tätigen Internisten vonzunehmender Bedeutung ist. Deshalbwurde auch dieses Thema für den dies-jährigen Postgraduiertenkurs der Deut-schen Gesellschaft für Verdauungs – undStoffwechselkrankheiten gewählt. Derfolgende Kongressbericht beschäftigtsich mit folgenden Themen:

▂ Diagnostik der Fehlernährung,▂ gastrale Ernährungssonden,▂ Immunonutrition: Ernährung mit

immunologischer Wirkung,▂ Indikationen zur parenteralen

Ernährung,▂ Ernährung bei Verdauungs- und

Stoffwechselkrankheiten.

Diagnostik der Fehlernährung

Für die Definition und Graduierung vonÜbergewicht empfiehlt sich die Bestim-mung des Body Mass Index (BMI = Kör-pergewicht in Kilogramm/Körpergrößein m2). Bei Patienten ohne gravierendeHydratationsstörungen korreliert dieserParameter sehr eng mit der Fettmasse,so-dass weitere aufwendige Untersuchungs-

verfahren in der Regel nicht erforderlichsind.Wichtig jedoch ist die Erfassung Adi-positas begleitender Stoffwechselstörun-gen oder Folgekrankheiten, d. h. die Be-stimmung folgender Laborparameter:Harnsäure,Gesamtcholesterin,HDL- undLDL-Cholesterin,Triglyzeride,Kreatinin,Elektrolyte,Leberenzyme,Blutbild,Urin-status, oraler Glukosetoleranztest.

Bei der Fehlernährung muss von derUnterernährung im eigentlichen Sinne,die durch eine Verminderung der Ener-giespeicher als Folge einer anhaltend er-niedrigten Kalorienzufuhr charakterisiertist,die Mangelernährung abgegrenzt wer-den. Zu letzterer gehört der krankheits-assoziierte Gewichtsverlust, der Eiweiß-mangel und der spezifische Nährstoff-mangel. Von einem krankheitsassoziier-ten Gewichtsverlust spricht man bei einerunfreiwilligen Gewichtsabnahme von>10% in 6 Monaten oder >5% in 3 Mona-ten bei gleichzeitig bestehenden Zeicheneiner Krankheitsaktivität wie Fieber,Nachtschweiß,Schmerzen oder Leistungs-minderung.

Bei solchen Patienten ist in der Regeldas Serumalbumin vermindert, welchesals Marker der Krankheitsaktivität undauch als prognostischer Parameter gilt.Beim Eiweißmangel ist die Muskelmasseund die Plasmaproteinkonzentration re-

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Internist 2004 · 45:231–236DOI 10.1007/s00108-003-1112-4Online publiziert: 13. Dezember 2003© Springer-Verlag 2003

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duziert,was ebenfalls mit einer Hypalbu-minämie einhergeht.

Für die Diagnostik eines spezifischenNährstoffmangels ist die entsprechende kli-nische Symptomatik führend.Bei vielen Pa-tienten mit einer Unterernährung oder ei-nem krankheitsassoziierten Gewichtsver-lust liegen häufig auch spezifische Nähr-stoffdefizite vor (M.Pirlich,Berlin).

Gastrale Ernährungssonden

Bei Patienten, die einer künstlichen Er-nährung bedürfen,ist die enterale Ernäh-rung grundsätzlich der parenteralen Nah-rungszufuhr vorzuziehen; denn sie istphysiologischer,einfacher durchführbar,komplikationsärmer,mit geringeren me-tabolischen Nebenwirkungen assoziiertund auch kostengünstiger. Wegen ihrertechnisch einfachen und sicheren Anla-gemöglichkeit und der hohen Akzeptanzbei Patienten und Pflegenden ist die per-kutane endoskopische Gastrostomie (PEG)heute die Methode der Wahl für die mit-tel- und langfristige enterale Ernährungvon Patienten,die aufgrund maligner oderbenigner Grunderkrankungen nicht mehrausreichend Nahrung zu sich nehmenkönnen. In Deutschland werden jährlichca. 180.000 PEG-Sonden neu gelegt.

> Die enterale Ernährung ist grundsätzlich der parenteralenNahrungszufuhr vorzuziehen

Sollte eine endoskopische Sondenlagetechnisch nicht möglich sein, so könnensolche enteralen Sondensysteme auch la-paraskopisch gastral oder jejunal platziertwerden.Wenn beispielsweise nach einemabdominal-chirurgischen Eingriff abseh-bar eine längerfristige künstliche entera-le Ernährung notwendig ist, empfiehlt essich,am Ende der chirurgischen Interven-tion eine Feinnadelkatheterjejunostomieoperativ anzulegen. Bei gastroduodena-len Motilitätsstörungen und Magenaus-gangsstenosen sollte primär eine perku-tane endoskopische Jejunostomie ange-legt werden.

Indikationen

Die wichtigsten Indikationen für einePEG-Sonde sind:

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▂ onkologische Erkrankungen: steno-sierende Tumoren im Hals-, Nasen-oder Ohrenbereich sowie des oberenGastrointestinaltrakts, Tumorkache-xie;

▂ neurologische Erkrankungen: poten-ziell reversible und irreversibleSchluckstörungen, Zustand nachApoplex, Schädel-Hirn-Trauma,Hirntumoren, apallisches Syndrom,Bulbärparalyse.

▂ sonstige Erkrankungen: Kurzdarm-syndrom, rekonstruktive Ge-sichtschirurgie, prolongiertes Koma,Zustand nach Polytrauma,„wasting“bei AIDS.

Da eine aggressive palliative Tumorthe-rapie (Chemotherapie oder Bestrahlung)eine adäquate Ernährung voraussetzt,soll-te auch bei solchen Patienten die Indika-tion zur Anlage einer PEG-Sonde groß-zügig erwogen werden.

Kontraindikationen

Vor der Anlage einer enteralen Ernäh-rungssonde müssen auch ethische Aspek-te bedacht werden, wobei der individuel-le klinische Verlauf, die Prognose der Er-krankung, die Abschätzung der Lebens-qualität und das Selbstbestimmungsrechtdes Patienten zu berücksichtigen sind.Eineterminale Krankheitssituation stellt somitin der Regel keine ethisch vertretbare In-dikation dar und die künstliche Ernäh-rung sollte auch keinesfalls Ausdruck einersymbolischen Behandlung bei infausterGrunderkrankung sein. Auch sollte einePEG-Sonde niemals aus Gründen der Zeit-, Personal- oder Kostenersparnis gelegtwerden.Die Anlage einer PEG-Sonde kannjedoch dann sogar auch bei terminal Kran-ken ethisch geboten sein, wenn klinischeSymptome wie Durst und Hunger beste-hen oder notwendige Medikamente nichtanders appliziert werden können.

Als Kontraindikationen gelten schwer-wiegende Gerinnungsstörungen (Quick-Wert <50%, PTT >50 s, Thrombozyten<50.000/mm3), ausgeprägte Peritone-alkarzinose,massiver Aszites,Peritonitis,Anorexia nervosa,schwere Psychose undeine stark eingeschränkte Lebenserwar-tung. Dagegen ist das Fehlen einer Dia-phanoskopie im Bereich der Punktions-

stelle heute keine Kontraindikation mehr,wenn beim Nadelaspirationstest mit ei-ner mit physiologischer Kochsalzlösunggefüllten 10-ml-Spritze der Magen ohnevorherige Luftaspiration problemlospunktiert werden kann.

Um lokale Kontraindikationen auszu-schließen,sollte vor der Anlage einer PEG-Sonde routinemäßig eine Gastroskopiedurchgeführt werden; eine großflächigeTumorinfiltration im Bereich der Punk-tionsstelle ist eine lokale Kontraindikati-on.Eine schwere erosive Gastritis oder einUlkus sollten vor Anlage einer PEG-Son-de abgeheilt sein.

Durchführung

Zu den notwendigen Vorbereitungen ge-hört die schriftliche Einverständniserklä-rung und der Patient sollte mindestens 8 hvor der PEG-Anlage nüchtern sein.Ob einegenerelle prophylaktische einmalige An-tibiotikagabe einen effektiven Schutz voreiner entzündlichen Komplikation bietet,wird kontrovers diskutiert. Von den bis-her publizierten Studien zu diesem Themazeigten 5 einen klinischen Vorteil,2 Studi-en dagegen nicht. In den meisten deut-schen Zentren wird deshalb seit einigenJahren keine routinemäßige antibiotischeProphylaxe mehr durchgeführt. Säurese-kretionshemmer müssen vor einer PEG-Anlage nicht abgesetzt werden und bereits1–2 h nach Anlage einer PEG-Sonde kannmit der Sondenkosternährung begonnenwerden (Ch. Löser, Kassel).

Bei Patienten,bei denen eine Stenose imoberen Gastrointestinaltrakt endoskopischnicht mehr zu passieren ist oder eine Bou-gierung oder Dilatation der Stenose auf-grund eines zu großen Risikos nicht durch-geführt werden kann, kommt nur das Di-rektpunktionsverfahren zur PEG-Anlagein Frage.Möglicherweise weist diese Tech-nik Vorteile in Bezug auf lokale Komplika-tionen wie Infektionen und Stichkanalme-tastasen auf im Vergleich zum Fadendurch-zugsverfahren (N.Höpffner,Frankfurt).

Immunonutrition: Ernährung mitimmunologischer Wirkung

Als Immunonutrition wird eine neue Formder Ernährungstherapie bezeichnet, dieneben der Versorgung mit Energieträgern

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zusätzlich auch das Immunsystem positivbeeinflussen soll. Dabei gilt es zu berück-sichtigen,dass eine Vielzahl von Nährsub-straten,die seit langer Zeit in der parente-ralen und enteralen Ernährung eingesetztwerden, einen substanziellen Einfluss aufdas Immunsystem haben,wie beispielswei-se die klassischen LCT-Fettemulsionen unddie Aminosäure Glutamin, die die zytoto-xische Aktivität der Killerzellen fördert.

Im engeren Sinne versteht man heuteunter Immunonutrition allerdings die Zu-fuhr von kommerziell hergestellten Son-dennahrungen,die mit unterschiedlichenSubstraten angereichert sind,die das Im-munsystem beeinflussen sollen.Dazu ge-hören:

▂ Omega 3- Fettsäuren,▂ Glutamin,▂ Antioxidanzien,▂ Nukleotide.

Bei den heute angebotenen Sondennah-rungen handelt es sich um Mischpräpa-rate,die im Hinblick auf ihre Zusammen-setzung stark variieren. Dies impliziertmethodische Schwierigkeiten für die kli-nische Bewertung der einzelnen Präpa-rate und Inhaltsstoffe.

Wer profitiert davon?

Nach den Ergebnissen einer entsprechen-den Metaanalyse vorliegender Studiendürfte eine angereicherte Sondenkost beielektiv operierten chirurgischen Patien-ten das infektiöse Komplikationsrisikound somit auch die Krankenhausverweil-dauer verkürzen, sodass eine solche an-gereicherte Sondenkost bei diesen Pati-enten nach den Kriterien der evidenzba-sierten Medizin empfohlen werden kann.Ansonsten scheinen auch weniger schwerkranke Patienten von einer solchen Im-munonutrition zu profitieren.Ob dies beischwerer kranken Patienten auch der Fallist, lässt sich nicht mit letzter Sicherheitbeurteilen,da sie nicht immer erfolgreichenteral ernährt werden können.

Bei Sepsispatienten mit einer frühzeiti-gen enteralen Ernährung wurde durch dieangereicherte Sondenkost sogar die Mor-talität gesteigert. Ob nur ein einzelner undwelcher der Zusätze für die höhere Morta-lität verantwortlich ist,lässt sich nicht sicher

beurteilen, da es sich bei den eingesetztenSondennahrungen um Mischpräparate han-delt.Da sie jedoch alle mit Arginin angerei-chert waren, welches zu einer vermehrtenZytokinfreisetzung führen kann,ist es denk-bar,dass bei Sepsispatienten mit einer aus-geprägten Entzündungsantwort durch diezusätzliche Gabe von Arginin die Inflam-mation sogar verstärkt wird,was prognos-tisch von Nachteil sein könnte.

Angesichts dieser z. T. schwer interpre-tierbaren Studienergebnisse empfiehlt dieDeutsche Gesellschaft für Ernährungsme-dizin bei weniger schwer kranken Intensiv-patienten dann die Gabe einer angereicher-ten Sondennahrung,wenn sie ausreichendernährt werden können. Dies gilt auch fürnicht-chirurgische Patienten mit einer leich-ten Sepsis. Dagegen sollten schwer krankeIntensivpatienten und auch Patienten mit ei-ner schweren Sepsis keine angereicherteSondennahrung erhalten,insbesondere soll-te auf den Einsatz von Arginin angereicher-ten Sondennahrungen verzichtet werden(K.G.Kreymann,Hamburg).

Indikationen zur parenteralenErnährung

Eine parenterale Ernährung ist dann in-diziert,wenn eine Mangelernährung vor-liegt oder sich krankheitsbedingt entwi-ckeln wird und eine enterale Ernährungnicht möglich ist.Der peripher-venöse Zu-gang empfiehlt sich nur für solche Patien-ten,die voraussichtlich maximal 2Wochenlang einer künstlichen Ernährung bedür-fen und geeignete Venen haben,oder wenndie Anlage eines zentralen Katheters nichtmöglich ist. Im Falle einer längerfristigenparenteralen Ernährungspflicht ist des-halb schon primär ein zentral-venöser Zu-gang zu bevorzugen.Auch sollte eine Ka-liumsubstitution nach Möglichkeit immerüber einen zentral-venösen Zugang erfol-gen, da eine solche Infusion rasch zu ei-ner peripheren Phlebitis führen kann.

Indikationen

Die häufigsten Indikationen im klinischenAlltag für eine parenterale Ernährung sind:

▂ akutes Abdomen,▂ Ileus oder Subileus mit Aspirations-

gefahr,

▂ frische obere gastrointestinaleBlutung,

▂ schwere entzündliche Darmerkran-kung, insbesondere mit Fistel-bildung,

▂ Kurzdarmsyndrom mit Malassimila-tion,

▂ floride akute Pankreatitis,▂ Chylothorax und Chyloaszites,▂ drohende Anastomseninsuffizienz

nach operativem Eingriff am Gastro-intestinaltrakt.

Der perioperative Einsatz einer parente-ralen Ernährung hat bislang in entspre-chenden retrospektiven Analysen nureinen marginalen Vorteil bei erheblichenzusätzlichen Kosten gezeigt und sollte des-halb keinesfalls routinemäßig erfolgen.Auch bei onkologischen Erkrankungenkonnte unter einer parenteralen Therapieein erhöhtes Komplikationsrisiko sowohlim Rahmen der Chemo- als auch derStrahlentherapie dokumentiert werden.Auch bei alkoholtoxischer Hepatitis wirdder Krankheitsverlauf durch den Einsatzeiner parenteralen Ernährung nicht ver-bessert. Bei Leberzirrhose verbessert je-doch die Gabe verzweigtkettiger Amino-säuren in der parenteralen Ernährung diehepatische Enzephalopathie.

Bei der akuten Pankreatitis ist ein diffe-renziertes Vorgehen empfehlenswert. Beider milden Form sollte die parenterale Er-nährung nicht routinemäßig eingesetztwerden,da sie keinen nachweisbaren klini-schen Vorteil bringt. Vielmehr kommt esunter der parenteralen Ernährung zu ei-nem verlängerten Klinikaufenthalt und zueiner erhöhten Infektionsrate. Bei derschweren nekrotisierenden Pankreatitis istdie Datenlage ebenfalls nicht ausreichend,um eine parenterale Ernährung zu recht-fertigen. Neuere Studien zeigen, dass diefrühenterale Ernährung über duodenaleSonden unterhalb des Treitzschen BandesVorteile bringt,sodass nur eine ausreichen-de Flüssigkeitssubstitution über einen zen-tral-venösen Zugang erforderlich ist.

Auch bei Patienten mit einer chronischentzündlichen Darmerkrankung kommtes unter der parenteralen Ernährung nichtzu einer erhöhten Remissionsrate und eskonnte auch kein günstiger Einfluss aufdie chirurgische Interventionsrate nach-gewiesen werden.

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Medizin aktuell

Zusammensetzung

Bei einer parenteralen Ernährung solltezunächst die Stoffwechselsituation des Pa-tienten genau definiert und abhängig da-von das parenterale Ernährungsregimefestgelegt werden. Der Stoffwechsel beikritisch kranken Patienten lässt sich in3 Stadien einteilen:

▂ Aggressionsstoffwechsel,▂ Postaggressionsstoffwechsel,▂ anabole oder Reparationsphase.

In der Aggressionsphase kommt es durchdie verstärkte Aktivierung des Sympathi-kus und die vermehrte Ausschüttung vonhormonellen Insulingegenspielern zu ei-ner Insulinsekretionshemmung und In-sulinresistenz.Dies führt zu einer Gluko-severwertungsstörung und somit zu ei-ner Hyperglykämie,die die Prognose derschwer kranken Patienten verschlechtert.Dies erfordert die Gabe von Insulin, wo-bei die Menge an Nahrungssubstrat so an-gepasst werden sollte, dass bei einer ma-ximalen Gabe von 4 IE Insulin/h der Blut-zuckerspiegel Werte von 120 mg/dl nichtüberschreitet.Diese Störung des Kohlen-hydratstoffwechsel bildet sich in der Post-aggressionsphase wieder allmählich zu-rück und normalisiert sich in der anabo-len Phase (R.-J. Schulz, Berlin).

Für die längere parenterale Ernäh-rungstherapie wird folgende Zusammen-setzung empfohlen:

▂ Glukose stufenweise bis 4–6 g/kgKG/Tag oder mindestens 100 g/Tag,

▂ Aminosäurenkonzentration:1,5–2 g/kgKG/Tag,

▂ Fettemulsion: 1,5–2 g/kgKG/Tag.

Ein Patient mit einer Leberinsuffizienzsollte weniger als 2000 kcal/Tag erhalten,wobei die Glukosezufuhr eine Grenze von2–4 g/kgKG/Tag nicht überschreiten undder Blutzucker kontrolliert gesteuert wer-den sollte.Die Fettkonzentration bei die-sen Patienten sollte 1–1,5 g/kgKG in Formeiner mittelkettigen und langkettigen Tri-glyzeridmischung im Verhältnis von 1:1betragen.

Bei Patienten mit einer Niereninsuffi-zienz sollte im Prädialysestadium eine Re-duktion der Proteinzufuhr erfolgen.Dia-

lysepatienten dagegen haben aufgrundder hohen Eiweißverluste einen erhöhtenEiweißbedarf.

Komplikationen

Die parenterale Ernährung ist mit einerReihe von Komplikationen – katheter-oder metabolisch bedingt – assoziiert.DasInfektionsrisiko für den zentral-venösenZugang hängt in erster Linie von der Ein-haltung aseptischer Kautelen ab. Aberauch die Katheterlage spielt eine Rolle.Das geringste Infektionsrisiko besteht beider Katheteranlage in die V. subclavia.

Die wichtigsten Komplikationen beider Anlage eines zentral-venösen Kathe-ters sind: Pneumothorax, Fehllage, arte-rielle Fehlpunktion,Luftembolie,Hydro-thorax und kardiale Arrhythmien. Einesehr gefürchtete Komplikation ist die Ka-theterinfektion, wobei sich das mikrobi-elle Spektrum in den letzten Jahren zugramnegativen Keimen gewandelt hat,welche im Allgemeinen auf Cephalospo-rine der 3. Generation gut ansprechen.Vorteilhaft scheinen Antibiotika beschich-tete Katheter zu sein. Bei Auftreten einervenösen Thrombose kann ein Lysever-such mit Streptokinase durchgeführt wer-den.

Die häufigsten metabolischen Kompli-kationen sind die Blutzuckerentgleisungund die Fettleber. Aber auch Elektrolyt-entgleisungen sind möglich. Darüber hi-naus kann es bereits nach wenigen Wo-chen einer totalen parenteralen Ernäh-rung zu einer Gallenblasenstase mit Slud-gebildung kommen. Bei einem vollstän-digen Verzicht auf eine enterale Ernäh-rung kommt es am Darm zur Zottenatro-phie und somit auch zu einer Beeinträch-tigung des Immunsystems. Deshalb soll-te,soweit möglich,der Patient auf eine zu-mindest teilweise enterale Ernährung ein-gestellt werden (B. Reiss, Rothenburg).

Ernährung bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

Perioperative Ernährung bei abdominal-chirurgischen Eingriffen

Auch in der Chirurgie ist die eigentlicheIndikation für eine künstliche Ernährungdie Prophylaxe und Behandlung der Man-

gelernährung; denn der prognostischeEinfluss einer Mangelernährung auf diepostoperative Morbidität und Letalität istvielfach belegt.Wann immer möglich,soll-te die enterale Ernährung bevorzugt wer-den bzw. kombiniert enteral/parenteralerfolgen. Eine längerfristige parenteraleErnährung ist nur bei einem ausgedehn-ten Kurzdarmsyndrom oder bei einerfortgeschrittenen Peritonealkarzinose in-diziert.Ansonsten ist generell postopera-tiv eine Unterbrechung der Nahrungszu-fuhr nicht erforderlich.

▃ Ein frühzeitiger oraler bzw. enteralerKostaufbau führt zur Verminderung desRisikos einer Infektion und verkürzt auchdie Krankenhausverweildauer.

Auch nach Anastomosen am Kolon undRektum kann bereits ab dem 1. postope-rativen Tag mit der oralen Nahrungszu-fuhr begonnen werden.Für Anastomosenam oberen Gastrointestinaltrakt empfiehltsich allerdings für die ersten Tage die en-terale Zufuhr über eine distal der Anas-tomose liegende Sonde. Eine Indikationzur künstlichen Ernährung besteht im-mer dann,wenn nach der Operation vor-aussichtlich mehr als 7 Tage keine oraleNahrungszufuhr oder mehr als 14 Tageoral keine bedarfsdeckende Ernährungmöglich ist (A.Weimann, Leipzig).

Ernährung beim Reizmagen- und Darmsyndrom

Da die Pathogenese dieser Erkrankungenbis heute nicht eindeutig geklärt ist, stehtauch keine kausale Therapie zur Verfü-gung.Die Diagnosestellung erfolgt auf derBasis des typischen Symptomenmustersund des gezielten Ausschlusses relevan-ter Differenzialdiagnosen. Zur initialenDiagnostik gehören neben Laborparame-tern (Blutbild,BSG,CRP,Urinstatus) eineendoskopische Abklärung (bei Reizma-gen: Ösophagogastroduodenoskopie,beiReizkolon: totale Koloskopie) und eineAbdomensonographie.

Obwohl die Datenlage unzureichendist, werden bei diesen funktionellen Stö-rungen Ernährungseinflüsse als wahr-scheinlich angenommen.Eine spezifischeDiät kann jedoch nicht empfohlen wer-den, stattdessen empfiehlt sich eine gut

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verträgliche Mischkost, die jedoch auchdie individuelle Verträglichkeit bestimm-ter Speisen berücksichtigen sollte.Bei derdifferenzialdiagnostischen Abgrenzungsollte insbesondere bei Vorliegen derSymptome Diarrhö und/oder Meteoris-mus auch eine Laktoseintoleranz,eine Zö-liakie oder eine Nahrungsmittelallergiedifferenzialdiagnostisch diskutiert wer-den, da diese Erkrankungen eine spezifi-sche diätetische Therapie erfordern.

Die Wirkung einer ballaststoffreichenDiät bei Patienten mit einem Reizdarm-syndrom ist umstritten,zumal bei einemTeil der Patienten die Beschwerden sogardadurch verstärkt werden. Bei Patientenmit Meteorismus und schmerzdominan-tem Reizdarmsyndrom wird deshalb aucheine ballaststoffarme Diät empfohlen.DieStudien mit Probiotika bei Patienten miteinem Reizdarmsyndrom kommen eben-falls zu kontroversen Ergebnissen. Des-halb kann eine solche Therapie nicht ge-nerell empfohlen werden (A. Madisch,Dresden).

Nahrungsmittelallergien

Unter einer Nahrungsmittelallergie ver-steht man eine immunologisch vermittel-te Überempfindlichkeitsreaktion auf Nah-rungsmittelproteine,die verschiedene int-ra- und extraintestinale Organe betreffenkönnen.Das klinische Bild ist deshalb viel-fältig und unspezifisch. Die Prävalenz ei-ner Nahrungsmittelallergie dürfte bei Er-wachsenen 1–2%,bei Kindern 2–4% betra-gen.Da ca.20–40% der erwachsenen Bevöl-kerung mit Darmbeschwerden glauben,aneiner Nahrungsmittelunverträglichkeit zuleiden, geht es primär darum, diejenigenPatienten zu identifizieren,die tatsächlichan einer Nahrungsmittelallergie leiden unddeshalb auch von einer antiallergischenTherapie profitieren können.

Differenzialdiagnostisch müssen des-halb andere Formen von Nahrungsmit-telunverträglichkeiten abgegrenzt wer-den: toxische Reaktionen auf Nahrungs-mittel, pseudoallergische Reaktionendurch histaminhaltige Nahrungsmittel,Enzymmangelerkrankungen wie die Lak-toseintoleranz und organische bzw.funk-tionelle Darmerkrankungen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es sichtatsächlich um eine Nahrungsmittelaller-

gie handelt ist groß,wenn gleichzeitig In-halationsallergien wie Heuschnupfen,Asthma bronchiale oder eine Neuroder-mitis bekannt sind. Für die Diagnose„Nahrungsmittelallergie“ spricht auch,wenn im Hauttest oder im Blut (RAST)eine Sensibilisierung auf Nahrungsmittelnachgewiesen werden kann. Mit letzterSicherheit lässt sich eine Nahrungsmit-telallergie allerdings mittels Labortestszurzeit nicht nachweisen. Diagnosewei-send ist jedoch ein entsprechender Pro-vokationstest mit verdächtigen Nahrungs-mitteln, die oral oder intestinal im Rah-men einer Spiegelung verabreicht werdenkönnen.

Die Therapie der Wahl bei gesicherterDiagnose ist die gezielte Eliminationsdi-ät. Eine wirksame medikamentöse The-rapie ist Chromoglycinsäure. Neue viel-versprechende Therapieansätze sind dieorale Hyposensibilisierung und die Modu-lation der bakteriellen Darmflora mittelsProbiotika.Letztere sind in der Lage,eineerhöhte intestinale Permeabilität zu nor-malisieren und somit eine orale Toleranzzu induzieren (S.C. Bischoff, Hannover).

Diätetik bei akuter und chronischerPankreatitis

Gesicherte Erkenntnisse zur Ernährungvon Patienten mit Pankreaserkrankun-gen sind eher spärlich. Die praktischenEmpfehlungen sind weitgehend aus derErfahrungsmedizin abgeleitet und ent-sprechen damit nicht den Kriterien der„evidence based medicine“.

Akute PankreatitisEntscheidend für die Therapieempfeh-lung ist die Abgrenzung der milden in-terstitiell ödematösen Form von der ne-krotisierenden Pankreatitis. Bei mildemVerlauf kann recht früh mit einem oralenKostaufbau begonnen werden und eineenterale bzw. parenterale Ernährung istnicht erforderlich. Somit genügt eine pa-renterale Volumen-, Elektrolyt- und evtl.Aminosäuregabe. Bei abnehmendenSchmerzen und sich verbesserndem All-gemeinbefinden wird ab dem 2.–4. Tagmit dem oralen Kostaufbau begonnen,derbei problemlosem Verlauf bereits nach1 Woche abgeschlossen sein kann. In die-ser Phase sollten jedoch Fette und Prote-

ine reduziert und diese durch Kohlenhy-drate substituiert werden.

Das Problem liegt jedoch darin, dassder Schweregrad der Erkrankung primärnicht immer zutreffend beurteilt werdenkann und dass sich gelegentlich nach ei-nem initialen milden Verlauf eine schwe-re nekrotisierende Pankreatitis entwickelt.

Bei der schweren Pankreatitis ist in denletzten Jahren ein gewisser Paradigmen-wechsel eingetreten.Während in den Lehr-büchern meist noch eine parenterale Infu-sionsbehandlung als zwingend erforder-lich angesehen wird, setzt sich in der kli-nischen Praxis immer mehr eine enteraleErnährungstherapie durch.Nach entspre-chenden Studienergebnissen scheint siezumindest ebenso sicher zu sein wie eineparenterale Ernährung. Dabei sollte amTag 2–3 eine Duodenalsonde platziert wer-den und zwar endoskopisch. Besteht eineMagenentleerungsstörung,empfiehlt sicheine 2. Sonde, um den Mageninhalt abzu-leiten. In einer klinischen Studie wurdenPatienten mit einer schweren Pankreati-tis sogar über eine solche Magensonde er-nährt,wobei es nur sehr selten zu Proble-men mit der Magenentleerung kam.

Die Infusion der Ernährungslösungsollte nach 12 h beginnen und die Kalori-enmenge bis zur gewünschten Dosis imVerlauf der nächsten Tage gesteigert wer-den.Auch Patienten mit einem Ileus/Sub-ileus können mit geringen Volumina en-teral ernährt werden, zumal die enteraleKost auch eine laxierende Wirkung ent-faltet.Gelingt es nicht,enteral ausreichendKalorien zuzuführen,so ist zusätzlich zurenteralen eine parenterale Ernährung er-forderlich.

Chronische PankreatitisBei Patienten mit einer chronischen Pank-reatitis ist die absolute Alkoholkarenz daswichtigste Ziel der Ernährungstherapie.Es ist jedoch bisher wissenschaftlich nichtbelegt, ob dadurch die Progression derchronischen Pankreatitis beeinflusst wer-den kann. Dagegen scheint eine Nikotin-karenz die Progression der idiopathischenbzw. der genetisch determinierten Pank-reatitis zu verlangsamen. Grundsätzlichempfiehlt es sich für Patienten mit einerchronischen Pankreatitis,zahlreiche klei-ne Mahlzeiten einzunehmen und die Fett-zufuhr zu beschränken.

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Medizin aktuell

Entwickelt sich ein Diabetes mellitus,so ist bei Patienten mit einer alkoholi-schen Pankreatitis wegen der erheblichreduzierten Lebenserwartung eine inten-sivierte Insulintherapie bzw.eine strengeEinstellung des Diabetes mellitus nichtsinnvoll.Vielmehr sollte man sich auf eineStrategie der Vermeidung von Hypoglyk-ämien beschränken. Dagegen ist bei Pa-tienten mit einer nicht-alkoholischenPankreatitis eine intensivierte Insulinthe-rapie unter einer entsprechenden Ernäh-rungstherapie durchaus sinnvoll (V.Keim,Leipzig).

Ernährungstherapie bei chronischenLebererkrankungen

Patienten mit einer fortgeschrittenenchronischen Lebererkrankung zeigenhäufig eine starke Atrophie der Muskula-tur und einen Verlust des Unterhautfettge-webes. Dazu kommt die Inappetenz, so-dass Betroffene häufig zu wenig essen undzu wenig Nährstoffe aufnehmen, um denBedarf des Körpers decken zu können.Die Mangelernährung führt nicht nur zurMüdigkeit und Schwäche, sondern stelltauch einen Risikofaktor für Komplikatio-nen wie Aszites, Ösophagusvarizenblu-tungen,hepatische Enzephalopathie undInfektionen dar und verschlechtert diePrognose quoad vitam.

FettleberhepatitisGrundsätzlich sollte primär eine ge-schmacklich ansprechende und bedarfs-deckende Ernährung auf oralem Wege an-gestrebt werden. Nur wenn dies nicht ge-lingt und keine Kontraindikationen (Ileus,Enzephalopathie IV.Grades) vorliegen,isteine supplementierende enterale Ernäh-rung indiziert.Bei Patienten mit einer al-koholischen Fettleberhepatitis wird eineGesamtkalorienzufuhr von 35–40 kcal/kgKg/Tag und eine Eiweißzufuhr von1,2–1,5 g/kgKG/Tag empfohlen.Für die en-terale Ernährung empfehlen sich hoch-molekulare Nahrungen bzw. Diäten mithoher Energiedichte,die insbesondere beiPatienten mit Aszites wegen der Flüssig-keitsbilanz vorteilhaft sind. Sollte untererhöhter Eiweißzufuhr eine hepatischeEnzephalopathie symptomatisch werden,kann die angestrebte Stickstoffzufuhrdurch Einsatz von Nährlösungen,die mit

verzweigtkettigen Aminosäuren angerei-chert sind, erfolgen.

Bei Patienten mit einer nicht-alkoho-lischen Fettleberhepatitis müssen dieEmpfehlungen im Hinblick auf die vor-liegende Grunderkrankung (Diabetesmellitus, Hyperlipoproteinämie) beach-tet werden. Eine übermäßige Gewichts-abnahme ist ebenso zu vermeiden wieeine Diät mit einem hohen Anteil mehr-fach ungesättigter Fettsäuren. Insgesamtempfiehlt sich eine mediterrane Diät miteiner Gesamtenergiezufuhr in Höhe desGrundumsatzes (25 kcal/kgKG/Tag).

LeberzirrhoseBei Patienten mit einer kompensierten Le-berzirrhose sollte die tägliche Kalorienzu-fuhr 30–35 kcal/kgKG/Tag mit einem Ei-weißanteil von 1,0–1,2 g/kgKG/Tag betra-gen. Bei Leberzirrhose mit Komplikatio-nen und schwerer Mangelernährung soll-te die Eiweißzufuhr auf 1,5 g/kgKG/Tag be-grenzt werden. Die früheren Empfehlun-gen einer eiweißarmen Diät sind überholt,denn eine langfristig durchgeführte ei-weißarme Diät verstärkt die Mangelernäh-rung und die Muskelatrophie. Nur bei ei-nem ganz geringen Teil von Patienten mitLeberzirrhose besteht eine Eiweißintole-ranz, sodass schon eine normale Eiweiß-zufuhr zur Enzephalopathie führt.Bei sol-chen Patienten sollte eine eiweißreduzier-te Diät durch die zusätzliche Einnahmevon verzweigtkettigen Aminosäuren(0,25 g/kcal kgKG/Tag) ergänzt werden.

Aber nicht nur der Eiweiß- sondernauch der Kohlenhydrat- und Fettstoff-wechsel ist bei Patienten mit einer chroni-schen Lebererkrankung gestört. So sinddie verfügbaren Glykogenvorräte vermin-dert,sodass bereits nach kurzen Hunger-perioden der Stoffwechsel von der Zucker-auf die Fettverbrennung umgeschaltetwird, wie dies bei Gesunden erst nach 3-tägigem Fasten der Fall ist. Deshalb soll-ten Patienten mit chronischen Leberer-krankungen zahlreiche kleine Mahlzeitenund vor dem Schlafengehen noch einekohlenhydratreiche Spätmahlzeit zu sichnehmen. Vor Untersuchungen sollte derPatient nur möglichst kurz nüchtern blei-ben und nach akuten Ereignissen wie z.B.einer gastrointestinalen Blutung sollte so-fort wieder mit der Ernährung begonnenwerden, ggf. auf parenteralem Weg.

Eine hepatische Enzephalopathie istmeist Folge einer Infektion oder Blutung.Nur sehr selten ist ein Ernährungsfehlerder Auslöser. Bei einer EnzephalopathieI.–II.Grades sollte keine Nahrungskarenzeintreten und die auf 50% reduzierte Ei-weißzufuhr sollte nur für maximal 48 hgelten.Bei einer höhergradigen Enzepha-lopathie, wenn eine orale oder enteraleErnährung wegen gestörter Schutzrefle-xe nicht mehr durchführbar ist,muss eineparenterale Ernährung eingeleitet wer-den und zwar mit 25 kcal/kgKG/Tag durchGlukose und Fett im Kalorienverhältnis1:1 und einer zusätzlichen Gabe von Amio-säuren (1,0 g/kgKG/Tag) in Form einer le-beradaptierten Lösung,die vermehrt ver-zweigtkettige Aminosäuren und wenigerTryptophan sowie aromatische undschwefelhaltige Aminosäuren enthaltensollte. Auch vor einer geplanten Leber-transplantation gelten die allgemeinen Er-nährungsempfehlungen für Zirrhosepati-enten (M. Plauth, Dessau).

Korrespondierender AutorDr. P. Stiefelhagen

DRK-Krankenhaus Westerwald, 57627 HachenburgE-Mail: [email protected]

| Der Internist 2 · 2004236