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erziehungs kunst 01 | spezial Oktober 2011 | 3,50 Waldorfpädagogik heute Wohin geht die Oberstufe ? spezial

Erziehungskunst Spezial Oberstufe

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Oberstufe wohin?

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Page 1: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

erziehungskunst01 | spezial Oktober 2011 | 3,50 €

Waldorfpädagogik heute

Wohin geht die Oberstufe?

spezial

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4F. Osswald: Das Leben ist die Schule 4

7W. Sommer: Lernen als Lebensvorgang – erst recht in der Oberstufe 7

11H. Baumann: Gartenbau – Schule der Authentizität 11J. Frank: Eurythmie verändert das Leben – nachhaltig 14M. Zech: Nicht das Tafelsilber veräußern! 17

19A. Denjean: Ein bisschen Drill am Schluss genügt 19S. Sigler: Herausforderung Mathematik 22

26K.-P. Freitag: Das Ende der Waldorfschule 26D. Figura: Blick über den Tellerrand 28D. Göttel: Den Anschluss an den Abschluss finden 29L. Digomann: »Ich weiß jetzt, was ich nicht will« 32A. Schnitzler u. A. Gottschalk: Das Waldorfberufskolleg 34Portfolio und Waldorfabschluss – Fragen an R. Iwan, F. de Vries, Chr. Boettger u. T. Koch 36

38Was erwarten Wirtschaft und Hochschulen von Berufs- oder Studienanfängern?Fragen an M. Rogowski, M. da Veiga u. T. Göbel 38B. Kolass: Fragen eines Ehemaligen an die Waldorfschule 43

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erziehungskunst spezial Oktober | 2011

2 INHALT | IMPRESSUM

erziehungskunst spezialWaldorfpädagogik heute

75. Jahrgang, Heft 01, Oktober 2011, Auflage 72.000

Herausgeber: Bund der Freien Waldorfschulen e.V., Wagenburgstr. 6, 70184 Stuttgart, Tel.: 07 11/2 10 42-0

Redaktion: Mathias Maurer, Lorenzo Ravagli, Dr. Ariane Eichenberg

Beirat der Redaktion: Christian Boettger, Hans Hutzel, Christine Krauch, Henning Kullak-Ublick

Anschrift der Redaktion: Wagenburgstraße 6, D-70184 Stuttgart, Tel.: 07 11/2 10 42-50/-51 | Fax: 07 11/2 10 42-54E-Mail: [email protected], Internet: www.erziehungskunst.deManuskripte und Zusendungen nur an die Redaktion. Die Verantwortung für den Inhalt der Beiträge tragendie Verfasser.

Gestaltungskonzept: Maria A. Kafitz

Herstellung: Verlag Freies Geistesleben, Maria A. Kafitz

Verlag: Verlag Freies Geistesleben, Postfach 13 11 22, 70069 Stuttgart, Landhausstraße 82, 70190 StuttgartTel.: 07 11/2 85 32-00 | Fax: 07 11/2 85 32-10, Internet: www. geistesleben.com Ti

telfoto:JeffG

ynane/iStock

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Freiheit für die OberstufeLiebe Leserin, lieber Leser,

Die Waldorfoberstufe ist ein seltsames Zwitterwesen: Scheinen die Waldorfmetho-den nach demMotto »Erziehung zur Freiheit« in der Klassenlehrerzeit noch unan-gefochten, werfen in derOberstufe die Abschlüsse ihre Schatten voraus und bringenzunehmend »systemfremde« Elemente ins Spiel: Notendruck und Prüfungsstress.Manche Schulen »differenzieren« schon nach der zehnten Klasse: A-, B-, C-Kurse,sprich,Mittlere Reife, Fachhochschule oder Abitur. Gemeinsames Klassenspiel oderAbschlussfahrt ade – der Klassenverband hat sich bis zur Zwölften aufgelöst.Gegliedertes staatliches Schulwesen, nur etwas netter und kompakter? Dabei weißseit der bayerischen Farce der Heraufsetzung des Abiturdurchschnitts per minis-terialem Dekret jeder halbwegs informierte Mensch, wie absurd solche staatlichenPrüfungsveranstaltungen sind.Dochwas ist in den letzten dreißig Jahren geschehen, dass sich in derWaldorfschuleals hochgelobte Einheitsschule eine schleichende »Binnenselektion« einnistete?Elterndruck und Lehrernot?Haben sich die Schüler verändert, die Lehrer, die Eltern?Sind in der Oberstufe überhaupt genügend ausgebildete Waldorflehrer? Oder sindgroße Klassen mit Schülern aller Begabungsniveaus heute einfach nicht mehr zuunterrichten? Fragen tatsächlich diemeisten Eltern schon bei der Einschulung nachden Abschlussmöglichkeiten? Ist es tatsächlich der Geldmangel, dem die waldorf-spezifischen Fächer zumOpfer fallen? EndstationWaldorfgymnasium – Alternativ-schule mit Profilmerkmal Waldorf? Dabei haben Waldorfschüler nichts zubefürchten: Sie schneiden trotz der vielen Kunst und den exotischen Unterrichts-fächern genauso gut abwie ihre Kollegen an staatlichen Schulen und leisten in ihrenBerufen gesellschaftlich Außerordentliches. Also, was ist da los?DieGründe für diese Entwicklung liegen auf politischemFelde, denn dort wird überdie finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Schulen entschieden.Könnte es sein, dass die politische Abstinenz derWaldorfidealisten diesemPragma-tismus Vorschub geleistet hat? – Darauf brachte mich ein leitender Beamter desOberschulamtes. Er antwortete mir auf meine Frage nach den Aussichten auf eineigenes Waldorfabitur: Das ist das einzig Vernünftige. Sie arbeiten doch auch nachihren eigenenWaldorfmethoden.Andererseits:Waldorfschule heißtWaldorfpädagogik bis zur Zwölften. Danachmag(staatliche) Prüfungen ablegen, wer will. Denn eine Schule, die den Entwicklungs-gesetzmäßigkeiten der Kinder und Jugendlichen gemäß unterrichten möchte,braucht vor allem Freiraum. ‹›

Mathias Maurer

EDITORIAL 3

2011 | Oktober erziehungskunst spezial

Titelfoto:JeffGynane/iStock

Waldorfschule heißtWaldorfpädagogik biszur Zwölften

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Das Leben ist die Schulevon Florian Osswald

GRUNDLAGEN4

Die Oberstufenschüler sindGäste auf Zeit in unserem

Haus, die ein tiefes Anliegenin sich tragen. Wir brechenmit ihnen auf in das Aben-teuer des Denkens, dem sieauf eigene Weise vertrauen

lernen wollen.

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Waldorfpädagogik kann die Zeit vom Säugling bis zum jungen erwachsenenMenschen umfassen. In der Oberstufemüssen sich die Lehrer anstrengen, den Zu-sammenhang mit dem Entwicklungsbogen vom Kleinkind bis zum Erwachsenennicht zu verlieren. Wir spannen ihn dadurch, dass wir ihn nicht nur funktionalorganisieren, sondern innerlich in uns lebendig halten.Die Oberstufenschüler sindGäste auf Zeit in unseremHaus, die ein tiefes Anliegenin sich tragen.Wir brechenmit ihnen auf in dasAbenteuer desDenkens, dem sie aufeigeneWeise vertrauen lernenwollen. Sie stehen auf diesemWegstück ihres Lebensim Spannungsfeld zwischen der bewussten Entwicklung der eigenen Identität undden Forderungen der Gesellschaft. Und gerade hier setzt der Waldorfunterricht an.Er steht in diesemSpannungsfeld, indem ermit seinem fachlich orientiertenAnsatzsowohl der Selbstfindung als auch der Gemeinschaftsbildung dient. Er geht auf dieFragen des Einzelnen ein, der sich selbst findenmöchte und nach seiner Aufgabe inder Gemeinschaft sucht.

Eine Schülerin beschreibt in ihrem Bericht von der Arbeit mit behindertenMenschen ihren Abschied im Praktikum:»Vonmir bleibt nicht viel zurück; zwei Collagen und einGästebucheintrag, dieHälfteeines Papierdrachens und ein abgeschriebenesGedicht in einemHeft. Und vielleichtim einen oder andern Herzen eine kleine Spur Erinnerung.›Ade, ich gehe jetzt‹, sagte ich zu E. ›Wohin?‹ fragte sie. ›Nach Hause.‹ – ›Wasmachst du dort?‹ Ich lächle. ›Zu Hause sein.‹ – ›Ohne Himmel?‹, fragte E. ›Viel-leicht nehme ich ihn mit‹, antwortete ich. Ich meine nicht das Blau des Himmelsund nicht Gott. Ich spreche von denwunderbarenMenschen, die ich kennen gelernthabe. Von Menschen wie E.«

Hier wird das wichtigste Moment von Unterricht dargestellt: das Öffnen eines Be-gegnungsraumes, der aus der Sache heraus ein individuelles Anliegen letztendlichmit der gesamtenMenschheit verbindet.Steiner formulierte dieses Zusammengehen folgendermaßen: »Man hat in derMenschheitsentwicklung nicht das Recht, sich als Individualität zu fühlen, wennman sich nicht zu gleicher Zeit als Angehöriger der ganzen Menschheit fühlt«.

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Wir können nicht nur aus derKenntnis des Stoffes herausarbeiten. Ihn in Zusammen-hang mit der Welt zu sehenist ein notwendiger Schritt,denn Verstehen ist dieLeistung, einen Inhalt in Ver-bindung mit andern Inhaltenzu bringen.

Räume der Begegnung öffnen

Wollen wir einen Begegnungsraum öffnen, dem die Fachlichkeit zugrunde liegt,sind wir aufgefordert, den Unterrichtsstoff in besonderer Weise durchzuarbeiten.Wir können nicht nur aus der Kenntnis des Stoffes heraus arbeiten. Ihn in Zusam-menhangmit derWelt zu sehen, ist ein notwendiger Schritt, denn Verstehen ist dieLeistung, einen Inhalt in Verbindung mit andern Inhalten zu bringen. Und auchwennwir das erreicht haben, ist noch eine Steigerungmöglich, ja erforderlich. JederInhalt hat ein schöpferisches Potenzial. Bringen wir den Inhalt in Beziehung zumMenschen, dann kann er sich erst wirklich entfalten. Wir sprechen von lebendigenBegriffen undmeinen damit diese Keimkraft.

Beziehungen schaffen

Unter dem Aspekt des Spannungsfeldes Individuum – Gesellschaft ergeben sichnochweiterewesentlicheGesichtspunkte zurGestaltung desUnterrichts in derOber-stufe. Um einem Individuum zu begegnen, braucht es Beziehungsfähigkeit. Wirwissen heute, wie bedeutend diese Fähigkeit für das Unterrichtsgeschehen ist. Be-ziehung setzt Interesse voraus, Interesse für die Lerntätigkeit der Schüler undSchülerinnen. Gute Lehrpersonen wissen, wie ihre Schüler lernen. Daraus entstehteine wichtige Hilfe für den Unterrichtsaufbau. Ein Thema kann differenzierteraufgebaut werden, wenn die verschiedenen Arten zu lernen bekannt sind.Der gesellschaftliche Pol scheintmir weniger erforscht und bewusst zu sein.Wir tun

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Foto:CharlotteFischer

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GRUNDLAGEN6

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schon viel, wennwir unsere Aufmerksamkeit auf die Schulung derGesprächskulturoder auf das Austragen von Konflikten richten.Aber es gibt noch weitere, weniger offensichtliche Arbeitsfelder, wie zum Beispieldie Vernetzung der Fachlehrkräfte in der Oberstufe. Wir arbeiten, ob wir es wollenoder nicht, fachübergreifend an einemGesamtwerk: Der Begriff der Parabel kann inder Mathematik in verschiedenster Weise aufgegriffen werden. Er kann in der Phy-sik im Zusammenhangmit der Steinwurfkurve und dem Scheinwerfer in Alltags-erscheinungen studiert werden und in Lessings Ringparabel in einer unerwartetenFormwieder auftauchen. In der Kollegiumsarbeit schaffen wir das gemeinsame Be-wusstsein für diese Gesamttätigkeit. Der Einzelne gibt seinen Beitrag in die Ge-meinschaft und daraus entsteht etwas, das weit größer ist, als das, was der Einzelneschaffen könnte.

Der sozialpädagogische Impuls

Ein weiterer Aspekt, der in Zukunft weiter erforscht und gestaltet werden kann,ist der von Steiner angesprochene sozialpädagogische Impuls. Er gliedert ihn inzwei Gebiete: In »das Gebiet, das den Jugendunterricht umfaßt, jenen Unterrichtund jene Erziehung, durch den die Menschen hineingestellt werden sollen indas, was heute und für die nächste Zukunft durch ein wirklich soziales Denkenvon diesen Menschen gefordert wird«, und in die Lebensebene. Der Mensch istdas Leben selbst, aber er hat es nicht selbst hervorgebracht. Wir begegnen ihm.Es scheint, als würde es uns von außen entgegenkommen. Steiner bezeichnetdieses Gebiet auch als »Lehre des Lebens«. »Finden wir die rechte Art, uns jedemMenschen, der uns begegnet, gegenüberzustellen, dann wird er für uns eineQuelle der Weiterentwicklung in allem, was er uns bewußt oder namentlich un-bewußt gibt und ist. In allem, was wir tun, Stunde für Stunde, Tag für Tag, Wochefür Woche, erleben wir uns selber so, daß wir durch das, was wir mit uns durchdie Umwelt erleben, in uns eine Quelle der stetigen Fortentwicklung öffnen. DasLeben ist eine Schule für jeden gesunden Menschen.«Wir lassen uns inspirieren von der Begegnungmit demLeben. Ich begegne derWelt,die Welt begegnet mir. So wird Unterricht Begegnungsraum. Wie sieht die heutigeRealität in denOberstufen der Schulen aus?Wir können es uns einfachmachen undverschiedene Elemente von da und von dort nehmen und zusammenmischen. AusGelb und Blau wird dannGrün. Doch unterrichten heißtmehr.Wirmüssen uns dieFrage stellen, wie ausGelb undBlauRot wird. Daswürde eine echte Steigerung sein.Ohne sie bleiben die Impulse Rudolf Steiners blass. ‹›

Zum Autor: Florian Osswald ist Leiter der Pädagogischen Sektion des Goetheanum in Dornach

Wir lassen uns inspirieren

von der Begegnung mit

dem Leben. Ich begegne

der Welt, die Welt

begegnet mir.

So wird Unterricht

Begegnungsraum.

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METHODEN

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Als Lehrer dürfen wir daraufvertrauen, dass die Schüleraus der Vielheit der Fächerund den dort praktizierten un-terschiedlichen Lernformenein Ganzes bilden können.

In der heiteren Atmosphäre des Abiballs ergab sich mit den Schülern und ihrenEltern so manches gelöste, bilanzierende Gespräch. Ein Kollege vom benachbartenGymnasium, dessen Sohn meine Klasse besucht hatte, sprach mich an und wirtauschten uns über die Lehr- und Lernformen der Schule aus.

Er war längere Zeit an einem Oberstufengymnasium für die Klassen 11 bis 13 tätig,in das zahlreiche Waldorfschüler nach der 10. Klasse wechselten. Nach seiner Er-fahrung kommen die Waldorfschüler mit den dort praktizierten Lehr- und Lernfor-men problemlos zurecht. – SeineVermutung über dieGründe ließmich aufhorchen:Eine Methodendiskussion, die sich nur auf die kognitiven Fächer des Hauptunter-richtes beziehe, greife viel zu kurz, meinte er. Es gebe doch in Form der vielenExkursionen wie Heimatkunde, Feldmessen und Geographie zahlreiche Elementedes Projektlernens, die dann im Sozialpraktikum und in den handwerklichen undkünstlerischen Epochen vielfältig ausgebaut oder abgewandelt würden. Außerdemhätten die Klassenlehrer und -betreuer große Spielräume für soziale Lernprozesse.Die Schüler könnten seiner Erfahrung nach die verschiedenen Lehr- und Lernformenauf neue Situationen übertragen. Sie verfügten über ein reichesMethodenrepertoire,das sie selbstständig anwendeten.Der Vater und Kollege machte mir ein Element der Waldorfpädagogik neu be-wusst: Als Lehrer dürfen wir darauf vertrauen, dass die Schüler aus der Vielheitder Fächer und den dort praktizierten unterschiedlichen Lernformen ein Ganzesbilden können. Zu dieser »Integrationsleistung« werden sie aufgerufen, weil siebeides erleben: imHauptunterricht zum Beispiel eher geführte, gedankliche undkognitive Herausforderungen, im Projektunterricht offene Situationen, in denensie auf sich selbst gestellt sind und aus sich heraus kreative Lösungen entwickelnsollen.Den Blick wieder frei bekommen zu haben und das Ganze anschauen zu können,verdanke ich diesem Gespräch.

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Lernen als Lebensvorgang –erst recht in der OberstufeAlte wie neue Lernformen haben ihre Berechtigung

von Wilfried Sommer

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METHODEN8

Lehrer, die nicht nur für ihrFach brennen, sondern auchein Gespür dafür entwickeln,

wie sie ihr Fach in dieBildungsprozesse der Jugend-lichen begeisternd einbringenkönnen, sind ein Geschenk.

Gleichzeitig wird durchsie der Bildungsprozess zu

einem erfrischendenLebensvorgang.

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Zwischen Frontalunterricht und Gruppenarbeit

So bestätigend das oben referierte Gespräch seinmag, so klar ist auch, dass es nichtals Rechtfertigung für ein ermüdendes, lehrerzentriertes Vorgehen ohne Metho-denwechsel imHaupt- oder Epochenunterricht dienen darf. Auch befreit es einen alsLehrer nicht von der Aufgabe, im Blick zu behalten, ob die Arbeitstechniken deseigenen Faches von den Schülern selbstständig beherrscht werden.Die Frage, ob neuer Stoff in einer zusammenhängenden Darstellung oder überArbeits- und Aufgabenmaterial eingeführt und ausgebaut werden kann, musstäglich neu abgewogen werden. Ist in einer offenen Unterrichtssituation genügendMaterial und Vorwissen vorhanden, damit nicht nur die Begabten die Aufgabeangehen können?Wasmuss ich als Lehrer einführen, damit der Stoff erlebnisstarkvon allen realisiert wird, wo schweige ich besser oder moderiere allenfalls?

Foto:CharlotteFischer

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Vor demHintergrund solcher Fragen stellt sich der Haupt- oder Epochenunterrichtin der Oberstufe als Ansatz dar, den Lernvorgang der Schüler als Lebensvorgang inden Blick zu nehmen, der in seiner Ausdifferenzierung das volle Methodenreper-toire zulässt. Das schließt ausdrücklich anspruchsvolle kognitive Leistungen derSchüler in der oberen Oberstufe ein. »Das Bewährte« ist der Lebensvorgang, »dasNeue« sind die Fülle kollegialer und universitärer Anregungen, die immer neueUnterrichtsmethoden, Lehr- und Lernformen thematisieren.

Lernen im Epochenunterricht – ein Lebensvorgang

Wenn Schüler den Eindruck haben, dass das, was sie in der Schule lernen, nicht nurfür sich interessant ist, sondern auchmit demLeben imAllgemeinen undmit ihnenimBesonderen etwas zu tun hat, ist das für alle Seiten eine große Freude. Lehrer, dienicht nur für ihr Fach brennen, sondern auch ein Gespür dafür entwickeln, wie sieihr Fach in die Bildungsprozesse der Jugendlichen begeisternd einbringen können,sind ein Geschenk. Gleichzeitig wird durch sie der Bildungsprozess zu einemerfrischenden Lebensvorgang.Der Epochenunterricht baut darauf, dass Lehrer diese Aufgabe angehen: An einemTag wird ein StückWelt von den Lehrernmöglichst erlebnisstark imUnterricht ent-faltet, so dass alle, unabhängig von ihremVorwissen, in »das Leben« einer Sache ein-tauchen können. Begegnung ereignet sich – und den Schülernmuss dieGelegenheitgegeben werden, für sich diese Begegnung zu ordnen. Nicht reflexive Belehrungen,sondern unmittelbare Begegnungen stehen an; keine allgemeinen Erklärungen, son-dern sprechende Tatsachen. – Nach dieser Begegnung kann erst einmal durchgeat-met werden: Das Eine oder Anderewird notiert und vorläufig bewertet, dann folgt oftdie Pause.WarumdieseZäsur? –Damit die Schüler die Zusammenhänge in einer nächstenUn-terrichtsphase, die für gewöhnlich zu Beginn des folgendenHauptunterrichtes liegt,selbst finden können! Ein Stück Weltbegegnung wird für alle durch den Lehrer ge-staltet, damit sie selbst darin dieZusammenhänge aufsuchen, dieGesetze erschließenund das Allgemeine entdecken können. Die sprechende Einzelheit wird Thema,damit alle in einemnächsten Schritt dabei sein können, wenn die Zusammenhänge

METHODEN 9

Ein Stück Weltbegegnung wird für alle durch denLehrer gestaltet, damit sie selbst darin die Zusammen-hänge aufsuchen, die Gesetze erschließen und dasAllgemeine entdecken können.

Christoph LindenbergGeschichte lehrenThematische Anregungen zum Lehrplan.Menschenkunde und Erziehung 433., durchges.Auflage281 Seiten, gebunden€ 24,90 | ISBN 978-3-7725-0243-9

www.geisteslebe

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m

Dieses Buch bietet dem Klassen-

und dem Geschichtslehrer

wesentliche Arbeitsanregungen.

Christoph Lindenberg orientiert um-fassend uber den GeschichtsunterrichtanWaldorfschulen, stellt didaktischeÜberlegungen an und zeigt an vielenanschaulichen Beispielen, wie leben-diger Geschichtsunterricht aussehenkann.Von der 5. bis zur 12. Klassewerden Methode und Inhalt imEinzelnen dargestellt.

Daruberhinaus wendet sich Linden-berg ubergreifenden Aspekten derGeschichtserkenntnis zu: demVerhält-nis vonVergangenheit und Zukunftin der Geschichtsauffassung, derBeschleunigung der gesellschaftlichenProzesse oder demVerständnis einergeschichtlichen Symptomatologie.

Das Standardwerk zumGeschichtsunterricht

Freies Geistesleben

GeschichteChristoph Lindenberg

Menschenkunde und Erziehung 43

Verlag Freies Geistesleben

Geschichte lehren

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METHODEN

gesucht und bewusst werden. –Unmittelbarkeit und reflexive Distanz sindwie zweiPendelschläge des Lebens, die den Unterricht von Tag zu Tag durchziehen.Hat man als Lehrer diesen Lebensvorgang vor sich und immer wieder erlebt, wie ereinen interessanten und begeisterndenUnterricht tragen kann, somagman in ihmein bewährtesmethodisches Profil sehen und gleichzeitig das Bedürfnis entwickeln,diesen Lebensvorgang methodisch originell auszugestalten.In derUnterrichtsphase, in derman dieWeltbegegnung für die Schüler anlegt, stehtman, je nach Fach, vor unterschiedlichen Fragen: Setze ich die Begegnungmit einemStück Literatur als szenisches Spiel, als Lesung oder als Überblicksdarstellung an?Bietet sich eine Partnerarbeit mit Aufgaben an einer historischen Quelle an? Führeich eine Versuchsreihe mit einer bestimmten Ästhetik und Dramaturgie selbst voroder wähle ich Schülerversuche? Wofür kann ich Lernstationen einrichten? – Hierhaben sich unterschiedlichste Lernformen bewährt, getragen von dem Ziel, für alleeine starke Begegnung zu schaffen und allen den Freiraum zu geben, für sich dieseBegegnung zu ordnen.In der Unterrichtsphase, in der es gilt, Zusammenhänge zu finden, stellt manals Lehrer zu Beginn oft eine »offene Frage«,moderiert dann nur noch dasGesprächund sorgt dafür, dass es sich inÜbersichten, Tabellen undGrafen konzentriert.Höch-ste Schüleraktivität und eine zurückhaltende, moderierende Rolle des Lehrers sindder Weg. Die Schüler können Podiumsdiskussionen veranstalten, in Gruppen Ar-gumente schmieden oder in Form des Gruppenpuzzles arbeiten. Nicht Frontalun-terricht steht im Fokus, sondern die Schüleraktivität, die sich um ein Lernzielgruppiert, das sich aus der vorangegangenen Unterrichtsphase ergibt. Gleichzeitigwerden dadurch die Grundlagen für eine eigenständige Arbeit am Epochenheftoder Portfolio gelegt.Und die Heft- oder Portfolioarbeit? – Meiner Meinung nach ist sie ein Stück Indivi-dualisierung im Lernprozess, die sich aus den gerade entwickelten Lernschritten er-gibt. Sie hält Zentrales wie selbstverständlich geordnet fest, gibt aber auch dieFreiräume, in persönlicher Weise Stellung zu beziehen oder nach eigenen Vorstel-lungen Übersichten auszudifferenzieren. Dafür muss, wenn das Lernziel erreichtist, Unterrichtszeit zur Verfügung gestellt werden, bevor ein nächster Pendelschlagim Leben oder in der Lernbiographie des Unterrichtsfaches beginnt. ‹›

Zum Autor: Prof. Dr. Wilfried Sommer ist Oberstufenlehrer für Physik und Mathematik, Dozent

amWaldorflehrerseminar Kassel und Juniorprofessor an der Alanus Hochschule, Alfter.

erziehungskunst spezial Oktober | 2011erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Was ist »typisch

waldorf« im Haupt-

unterricht der Ober-

stufe? – Dass der

Lernvorgang zum

Lebensvorgang

wird. Das bildet

den Leitfaden für

die Lehrmethoden.

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Page 11: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

Als Kind stellte ich mir manchmal vor, wie ich mich wohl verändern würde, wennmir plötzlich ein Körperteil fehlte, ein Finger, ein Arm, ein Bein? Was würde dasverändern? Wäre ich dann noch derselbe?

»Waldorf« ohne Praktika, ohne Klassenspiele, ohne künstlerische Abschlüsse, ohneJahresarbeit und Theaterprojekt, ohne Eurythmie, ohne diese markanten AttributeundWaldorf-Highlights – was wäre die Waldorfschule dann?, frage ichmich heute.Oder ohne pädagogischen Gartenbau? – Schauen wir auf die Zeit der erstenWaldorfschule in den 1920er Jahren: Ein Großteil der Menschen arbeitet in einerkleinbäuerlichen, chemiefreien und unmotorisierten Landwirtschaft. Durch dieStädte fahren nochPferdedroschken.DieMenschen träumen davon, abends bei elek-trischem Licht vor tönenden Radiofunkempfängern zu sitzen …Und in dieser Zeit, die uns heute technisch rudimentär und doch relativ erdverbun-den erscheinen muss, regt Rudolf Steiner an, in der Waldorfschule Gartenbau-Un-terricht zu »machen« – sogar obligatorisch bis einschließlich Klasse 10.Fast ein Jahrhundert später hat sich der »Drive« der Zivilisation durch technischeInnovationen dramatisch beschleunigt. Jeder Punkt der Erde istmitmodernenTrans-portmitteln binnen kurzem zu erreichen. Coca Cola ist in jeder Bude amHimalayazu erstehen. JederMensch ist via Satellit von überall her in Sekunden zu »kontakten«.Neben der seit Jahrhunderten gewohnten »Realwelt« und der sinnlich erfahrbarenNatürlichkeit des Augenblicks hat sich mittels Computertechnologie und Interneteine ganz neue »Realität« aufgetan: Nicht nur Jugendliche können den größten Teildes Tages in dieser »virtuellen Realität« verbringen und in Sekündärwelten sogar an-dere Identitäten annehmen.Wie vielzitierte Studien aufzeigen, hat die Entfremdung von der Natur und denkreatürlichen Lebensgrundlagen seit den 1980er Jahren bei Kindern undJugendlichen zugenommen.Es ist fast müßig, sich die Frage zu stellen, was Rudolf Steiner wohl über die Not-wendigkeit vonGartenbau-Unterricht heute sagenwürde. DerGartenbau-UnterrichtanWaldorfschulen brennt vor Aktualität. Zumindest wenn der freie, der aufgeklärte

Es ist fast müßig, sich dieFrage zu stellen, wasRudolf Steiner wohl über dieNotwendigkeit von Garten-bau-Unterricht heute sagenwürde. Der Gartenbau-Unter-richt an Waldorfschulenbrennt vor Aktualität.Zumindest wenn der freie,der aufgeklärte Mensch, dieselbstbewusste, die ganzheit-lich entwickelte Persönlichkeitunser »Erziehungsziel« ist.

11BESONDERHEITEN

Gartenbau –Schule der Authentizitätvon Holger Baumann

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Mensch, die selbstbewusste, die ganzheitlich entwickelte Persönlichkeit unser »Er-ziehungsziel« ist.»Erdung, Ausgleich, Balance!« sind die Forderungen der Gegenwart. Sie sind zu-gleich dieMedizin für seelisch-geistige Einseitigkeiten, die die »digitale Revolution«mit sich bringt.Viele Autoren aus der Waldorfszene haben dazu beigetragen, den Gartenbau-Un-terricht immer wieder zu gründen und zu begründen. Es liegt ein detaillierter unddoch frei lassender »Rahmen-Lehrplan« vor, menschenkundlich wie alterstufen-gerecht (vgl. Heft 4/2011).

Da dieses Fach frei finanziert werdenmuss, sind dieGartenbaulehrer immerwiedergefordert, ihren pädagogischen Beitrag zur Entwicklung des Kindes zu einer Ge-samt-Persönlichkeit ins Bewusstsein der Kollegen zu heben. Besonders wenn diejährliche »Wir-müssen-sparen-Welle« in die Gremien schwappt.Eine weitere Gefährdung von »Waldorf-Substanz« sehe ich darin, dass in unsererSchullandschaft immer wieder gerne Waldorf-Charakteristika in Frage gestelltwerden. Das wirkt geradezu abstrus, wenn sich öffentliche Schulen zeitgleich genaufür dieseDinge starkmachen und sich dann gern alsUrheber dieser »neuen« Ideenpublikumswirksam in den Medien darstellen. Das gilt auch für den Gartenbau-Unterricht.»Das praktischeArbeiten bildet das polareGegenstück zur Beschäftigungmit schar-fem abstraktem Denken wie es vor allem in der Mathematik und in den naturwis-senschaftlichen Fächern als Antwort auf die erwachendenKräfte des Intellekts geübtwerden muss. Im ergänzenden Zusammenwirken dieser Polaritäten, verbundenüber die empfindendeMitte künstlerischen Schaffens und Erlebens, liegt eine großeChance. Schüler im Pubertätsalter davor bewahren zu können, die Welt mit ab-straktemDenken ›erobern‹ zuwollen und sich dabei in lebensfremden theoretischenModellen über die Wirklichkeit zu verlieren« fasst Christoph Leuthold, Waldorfleh-rer aus demSchweizerischen Steffisburg, die pädagogische Aufgabe desGartenbauszusammen.Genau deshalb haben viele staatliche Schulen und Internate begonnen, Gartenbau-Unterricht, Landbau und Tierpflege nicht nur als vorübergehende Arbeitsprojekteeinzuführen. Und wie viel mehr Naturkunde-Lehrer wünschten es sich an ihrenstaatlichen Schulen!

Bundespräsident Christian Wulff hat bei der Eröffnung der Bundesgartenschau inKoblenz am 15. April 2011 davon gesprochen, dass es im Garten- und Landschafts-bau umKunst, Kultur undNachhaltigkeit gehe!Weiter verlautete er, dass es pädago-gisch sinnvoll sei, wenn Kinder Beete anlegen würden. Wow!

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Bundespräsident ChristianWulff hat bei der Eröffnung derBundesgartenschau in Koblenz

am 15. April 2011 davon ge-sprochen, dass es im Garten-

und Landschaftsbau um Kunst,Kultur und Nachhaltigkeit

gehe! Weiter verlautete er, dasses pädagogisch sinnvoll sei,wenn Kinder Beete anlegen

würden. Wow!

12 BESONDERHEITEN

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2011 | Oktober erziehungskunst spezial

Wie schön, dass Kinder genau das im Rahmen ihrer Waldorfschulzeit tun können!Die Kinder erleben die gärtnerischen Grundtätigkeiten. Über eine Fülle von prakti-schen Tätigkeiten, welche stets Bezug zu allen Lebensgebieten haben, führt der wal-dorfmäßigeGartenbau-Unterricht über die Landschaftspflege undBiotop-Gestaltungder Neunt- und Zehntklässler zumErkennen der schöpferischen Eigentätigkeit undVerantwortlichkeit.Und wie schön auch, dass Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit Leitlinien der Waldorf-pädagogik sind.Man muss einmal mehr hier und jetzt feststellen: Noch nie war der pädagogischeGartenbau-Unterricht so wertvoll wie heute! –Und das wird er imZuge zunehmender »virtual reality« und damit einhergehenderNaturentfremdung wohl auch die nächsten Jahrzehnte bleiben! ‹›Zum Autor:Holger Baumann ist Lehrer für Biologie, Gartenbau, Geographie, Chemie und Ethik

an der Waldorfschule Oberberg.

13BESONDERHEITEN

Foto:CharlotteFischer

»Erdung, Ausgleich,

Balance!« sind

die Forderungen

der Gegenwart.

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»Man kann alles tanzen«, sagte die Malerin Margarita Woloschin, »alles, was manfühlt«. »Aber auf das Gefühl kommt es doch heute an«, antwortete Rudolf Steiner.Das war Teil des ersten Gespräches über die Eurythmie im Jahre 1908. Jahre späterwurde die neue Bewegungskunst Unterrichtsfach in der ersten Waldorfschule. Bisheute ist sie das an allen Waldorfschulen. Es gibt sogar einige wenige, in denen siebis in die 13. Klasse unterrichtet wird. Aber es gibt auch Schulen, in denen Euryth-mie in derOberstufe gar nichtmehr oder nicht in vollemUmfang unterrichtet wird.Mir persönlich hat sich die Antwort Steiners erst vor einigen Jahren in ihrer Tiefe er-schlossen. Den Erkenntnissen der modernen Hirnforschung zufolge funktioniertdas Lernen im Wesentlichen, wenn das Gefühl beteiligt ist. Lernen bedeutet, sichgefühlsmäßig mit den Inhalten zu verbinden. Lernen ist eben nicht ein bloßesAbspeichern von Informationen, auchwenn es in vielen Bereichen der Pädagogik sogehandhabt wird.

In der heutigen Zeit sind wir in vielen Bereichen unseres Lebens mit Handlungenkonfrontiert, die offensichtlich ohneGefühl stattfinden. Die Schüler, die wir auf ihreZukunft vorbereiten, benötigen Fähigkeiten, die weit über das lineare Denken undHandeln hinausgehen. Wir brauchen Menschen, die Denken, Fühlen und Wollennicht voneinander abkoppeln, sondern verbinden können. Lernen durch Bewegungist einwohlbekanntesMittel, das auch in Regelschulen, besonders in derUnterstufe,genutzt wird. In der Oberstufe sind heutzutage Tanzprojekte populär.

Roisten Maldoon, der bekannte britische Tänzer und Choreograf, inszeniert mitgroßem Erfolg fantastische Projekte mit Jugendlichen, die von der normalen Päda-gogik schon aufgegebenwurden. Auf pädagogischen Kongressen ist er ein beliebterund angesehener Redner.

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Den Erkenntnissen dermodernen Hirnforschungzufolge funktioniert dasLernen im Wesentlichen,

wenn das Gefühlbeteiligt ist.

Wir brauchen Menschen,die Denken, Fühlen und

Wollen nicht voneinanderabkoppeln.

14 BESONDERHEITEN

Eurythmie verändert das Leben –nachhaltig

von Jürgen Frank

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»You can change your life in a dance class« ist eine seiner Kernaussagen und er hatrecht damit. Wer einmal erlebt hat, wie es sich anfühlt, in vollkommener Balancegerade und aufrecht zu stehen, der wird sich immer danach zurücksehnen und nichtmehr geduckt durchs Leben gehen wollen.Im Unterschied zur Eurythmie benötigt der Tanz den Spiegel zur Korrektur;mühseliger ist es, den Spiegel in sich selbst zu bilden. Aber wenn diese Fähigkeiteinmal entwickelt wurde, dann bleibt sie demMenschen erhalten und ermöglicht esihm, sich selber von innen heraus zu korrigieren.DieWaldorfschule deckt diesen Bereich der äußeren und inneren Bewegungsschu-lungmit demFach Eurythmie ab. Alle anderen Fächer sind für einzelne Facetten derEntwicklung des Schülers förderlich, wie zum Beispiel ästhetisches Empfinden,Kunstverständnis, die Fähigkeit des Hörens. Aber kein anderes Fach schult denjungen Menschen umfassender und zielt so zentral auf die Entwicklung seinerPersönlichkeit.In derOberstufe geht esmehr undmehr darum, den Leib als Ausgangspunkt für dieeigene Entwicklung zu erfahren und gespiegelt zu bekommen,wiewir uns selbst und

Im Unterschied zur Eurythmiebenötigt der Tanz den Spiegelzur Korrektur;mühseliger ist es, den Spiegelin sich selbst zu bilden.

15BESONDERHEITEN

Foto:CharlotteFischer

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Page 16: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

wie uns andere wahrnehmen. Im Allgemeinen klaffen Eigen- und Fremdwahrneh-mung in diesem Alter auseinander.DerUnterricht in denOberstufenfächern soll zu vergleichbarenAbschlüssen führen;dadurch tritt der Entwicklungsgedanke der Waldorfpädagogik in den Hintergrund,daman sich den kurrikularen Zwängen anpassenmuss. Eurythmie hingegen bietetin der Oberstufe weiterhin die große Freiheit, die Inhalte des Unterrichtes den Ent-wicklungsbedürfnissen der Schüler anzupassen. Als Eurythmielehrer kann ich sogarnoch in der 13. Klasse frei entscheiden, was die Schüler brauchen, um sich weiter-zuentwickeln.Im Oberstufenunterricht geht es um Balance: Ausgleichende Übungen gegen denStress und die Bewegungslosigkeit in den anderen Unterrichten sollten dem tiefenkünstlerischen Impuls, der in der Eurythmie liegt, dieWaage halten. Hier liegt aucheine der Schwierigkeiten des Eurythmieunterrichtes in derOberstufe, denn der Spa-gat zwischen den verschiedenen Bereichen des Faches ist groß.Eine Kernaufgabe der Eurythmie ist die gefühlsmäßige Vorbereitung dessen, was inden anderen Fächern inhaltlich und denkerisch erfasst wird.

Die Projektive Geometrie ist nur gedanklich erfassbar. Erleben Schüler vor der Ma-thematikepoche in der Eurythmie am eigenen Leib solche Vorgänge imRaum, dannkönnen sie viel leichter in diesen Gedankenprozess eintauchen.Wenn die Schüler vor der Poetikepoche die Sprachrhythmenmit ihremganzen LeibimRaumbewegt haben, dann haben sie konkret erlebt, was einMetrum ist und sinddamit bestens vorbereitet für diese Epoche des Deutschunterrichts.Wenn Dur und Moll nicht nur verstanden werden, und nicht nur von den musika-lischen Schülern gehört werden, sondern für alle ein wirkliches Erlebnis darstellen,das mit ihnen selbst zu tun hat, dann können die Schüler auch in den Musikunter-richt ganz anders einsteigen.So könnte ich für jedes Fach Beispiele geben, um die Befruchtung durch die Euryth-mie deutlich zu machen. Zusätzlich geben Konzentrationsübungen und meditativeKörperübungen denSchülern dasRüstzeug für die kognitivenFächer und denAlltag.Die Eurythmie ist das modernste und zukunftsweisendste Fach der Waldorf-pädagogik. Sie fördert die Entwicklung des ganzenMenschen. ‹›

Zum Autor: Jürgen Frank ist Eurythmielehrer an der Waldorfschule Hamburg-Bergstedt

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Eine Kernaufgabe

der Eurythmie ist die

gefühlsmäßige Vor-

bereitung dessen,

was in den anderen

Fächern inhaltlich

und denkerisch

erfasst wird.

16 BESONDERHEITEN

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Schüler, die das Abiturmachenwollen,müssen solide auf die Prüfungen vorbereitetwerden. Das bringt mit sich, dass der Unterricht spätestens in der 12. Klasse aufdie vorgegebenen Lernziele undUnterrichtsinhalte ausgerichtet seinmuss. Das kannmit der Zielsetzung des Waldorflehrplans kollidieren und zwingt zu kreativenLösungen. Die Streichung der historischenÜberblicksepoche zugunsten des Regel-schullehrplans ist allerdings keine Lösung.Der für die 12. Klasse imWaldorflehrplan vorgesehene geschichtlicheÜberblick willdie Voraussetzungen der Urteilsfähigkeit der Schüler in Sachen Geschichte undKultur bewusst machen. Historizität und Bewusstseinswandel werden durchdacht,Sinnstiftungskonzepte reflektiert. Geschichte wird als Menschheitsgeschichte unddamit als eigene Geschichte fassbar.Dieses Vorgehen ist ein Alleinstellungsmerkmal der Waldorfschulen, das demOrientierungsbedürfnis des Schülers in einer globalisierten, interkulturellen Ge-sellschaft Rechnung trägt. Denn das Zeitalter der Globalisierung fordert, sich auffremde Lebens- undDenkformen einzulassen. Der 2003 verstorbene amerikanischeKulturkritiker Neil Postman schlug in seinemSpätwerk »The End of Education« dieRevision des national orientierten Geschichtsunterrichts vor. Er sah es als notwen-diges Bildungselement an, sich mit den Denkangeboten alter Kulturen zu beschäf-tigen und dabei archäologische und anthropologische Methoden anzuwenden. DerGeschichtsdidaktiker Bodo von Borries schlägt vor, die Geschichte in ihrer Gesamt-heit zu thematisieren und aufmehreren Ebenen zu reflektieren. Er verweist auf eineAnalyse deutscher Abituraufgaben, in der festgestellt wird, dass die europäische unduniversale Dimension der Geschichte unterschätzt und die Aufgaben auf deutscheThemen verengt würden.UnterWeltgeschichte versteht derWaldorflehrplan einenUnterricht, der die gesamteGeschichte betrifft und die frühen Kulturen einschließt. In jeder Unterrichtsstundesoll er dazu beitragen, dass die Schüler sich selbst und dieHerausforderungen ihrerEpoche verstehen. Der Waldorfpädagoge und Historiker Christoph Lindenberg be-zeichnet einen solchen Geschichtsunterricht als historische Anthropologie.Von Borries vertritt die Auffassung, dass sich Geschichtsunterricht hin zu einer

Unter Weltgeschichte verstehtder Waldorflehrplan einenUnterricht, der die gesamte Ge-schichte betrifft und die frühenKulturen einschließt.

Geschichte wird als Mensch-heitsgeschichte und damit alseigene Geschichte fassbar.

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Nicht das Tafelsilber veräußern!Ein Plädoyer zur Beibehaltung der historischenÜberblicksepoche in der 12. Klasse von Michael Zech

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Page 18: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

Kategorienliste undweg von einemStoffkanon entwickelnmuss. Denn der globalenDimension kann nicht mit festgelegten Inhalten entsprochen werden, sondern nurdadurch, dass Kulturphänomene anhand von Beispielen verdeutlicht werden. Auseben solchenÜberlegungen aber resultieren die Vorschläge desWaldorflehrplans, inder 12. Klasse geschichtliche Überblicke zu erstellen.VonBorries stellt in seiner Expertise zu einemKerncurriculumGeschichte fest, dassGymnasiasten sich schwer tun, das Fremde zu verstehen und den Wandel wahrzu-nehmen. Hier zeigt der Lehrplan der Waldorfschule mit seinem doppelten Durch-gang durch die Kulturgeschichte und der abschließenden Reflexion geschichtlicherErzählstrukturen in der historischen Überblicksepoche der 12. Klasse andere Mög-lichkeiten.In denKlassen 10, 11 und 12werdenVerfahrenmit den Schülern praktiziert und ein-geübt, wie sie die Fachdidaktikerin Susanne Popp für einen modernen Geschichts-unterricht anregt. Sie schlägt vor, zu vergleichen, was zur gleichen Zeit inverschiedenen Weltteilen geschah, oder wie verschiedene Kulturen mit ähnlichengeographischen Gegebenheiten umgingen. Solche methodischen Ansätze ermögli-chen nachAnsicht Popps, lokale und nationale Ereignisse oder Prozesse in denWan-del großer Zeitlinien einzuordnen und somit das Bewusstsein für geschichtlichenWandel differenzierter zu entwickeln. Und eben solche Zusammenhänge werdenin der Überblicksepoche der 12. Klasse an der Waldorfschule hergestellt.Es hängt sicherlich stark vom jeweiligen Lehrer und seiner Unterrichtskultur ab,ob und wie die politikorientierte nationale Geschichtsbetrachtung, wie sie in denAbschlussklassen der Gymnasien praktiziert wird, in Beziehung zum kultur- undbewusstseinsgeschichtlichen Konzept der Waldorfschulen gebracht wird.Tragisch aber wäre es, wenn die Waldorfschule mit der Überblicksepoche in der12. Klasse das Element aufgäbe, das zu einem differenzierten und reflexiven Ge-schichtsbewusstsein entscheidend beiträgt. Dann würde ausgerechnet das abge-schafft, was als Zukunftsaufgabe gefordert ist, und was bislang nirgends außer anWaldorfschulen in dieser Weise geboten wird. ‹›

Zum Autor:Michael Zech ist Oberstufenlehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde und

arbeitet als Dozent am Lehrerseminar für Waldorfpädagogik in Kassel.

Literatur: Bodo von Borries:Historisch Denken Lernen – Welterschließung statt Epochenüberblick.

Geschichte als Unterrichtsfach und als Bildungsaufgabe.Opladen&Framington Hills 2008; Bodo von

Borries: »KerncurriculumGeschichte in der gymnasialen Oberstufe.« In: Kerncurriculum Ober-

stufe II,Weinheim 2004; Christoph Lindenberg:Geschichte lernen. Thematische Anregungen zum

Lehrplan. Stuttgart 1981; Susanne Popp: »Orientierungshorizonte erweitern – welt- und global-

geschichtliche Perspektiven im Geschichtsunterricht.« In: Informationen für den Geschichts- und

Gemeinschaftskundelehrer,Heft 69/ 2005

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Unter Weltge-

schichte versteht

der Waldorflehrplan

einen Unterricht,

der die gesamte

Geschichte betrifft.

In jeder Unterrichts-

stunde soll er dazu

beitragen, dass die

Schüler sich selbst

und die Heraus-

forderungen ihrer

Epoche verstehen.

18 BESONDERHEITEN

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Unterricht in Fremdsprachenwird in der Oberstufe aus un-terschiedlichsten Gründen oftals problematisch erlebt. AlainDenjean, langjähriger Lehreran der Freien WaldorfschuleUhlandshöhe in Stuttgart undzuständig für die Didaktik ander Freien Hochschule inStuttgart, setzt sich mit denunterschiedlichen Facettendes Problems auseinander.

19BAUSTELLEN

Nicht oder mangelhaft ausgebildete Lehrer, veraltete Methoden, Drill statt Krea-tivität, demotivierende statt erwärmende Texte – zum Glück kommen alle dieseElemente selten zusammen vor! Dennoch wird der Fremdsprachenunterricht inden Oberstufenklassen mancher Waldorfschulen als Problemfach angesehen,nicht nur von Eltern und Schülern, sondern auch von Kollegen selbst.Auf der anderen Seite kennen ehemalige und jetzigeWaldorfschüler, Eltern undKol-legen, einen gediegenen Fremdsprachenunterricht mit großem Erfolg beim Abitur,der auch die Schüler begeistert und von welchem manche später sagen, dass siedurch ihn die Liebe zum fremden Land entwickelt haben. –Hier berührenwir schondie Grundfrage: Wer kann sachlich beurteilen, wie die Situation in den Waldorf-schulen wirklich ist? Negatives erzählt man gerne. Schon deshalb, weil man durchGleichgesinnte sein Teilurteil bestätigt habenmöchte.Häufung ersetzt Sachlichkeit.

Ichmöchte daran erinnern, dassman Leistungen vonKünstlern immer in Frühwerk,Hauptschaffenszeit und Spätwerk gliedert. Da der Fremdsprachenlehrer in derWaldorfschule bei allem wissenschaftlichen Anspruch vor allem ein Erziehungs-

künstler ist,mussman berücksichtigen, inwelcher Phase seinesWerks er sich geradebefindet, wennman ein Urteil über ihn fällt. Wenn der Lehrerwechsel häufig ist, sobefinden sich diese Lehrerpersönlichkeitenmitten oder amAnfang ihres Frühwerks.Wer hat den frühen Van Gogh für einen großen Künstler gehalten?Umso zentraler wird die Frage:Wie haltenwir junge Lehrer in unseren Schulen? Ei-nige können mit dem Künstlerischen nichts anfangen, zögern, die Arbeitsmengeauf sich zu nehmen, oder stellen bald fest, dass ihre pädagogischen Motive denZielen derWaldorfpädagogik nicht entsprechen. Von diesen Lehrern imVorfeld derWaldorfpädagogik sprechen wir zu oft.

Ein Teil der Probleme ist also ein Profilproblem:Möchteman einenwissenschaftlichorientierten Fremdsprachenlehrer mit aufgeweichten Staatsschulmethoden haben

Ein bisschen Drillam Schluss genügt von Alain Denjean

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Page 20: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Wir Lehrer stehen

oft in der Kritik der

Eltern und Schüler.

Zu Recht, weil

wir eine gewisse

Einseitigkeit in der

Ausübung unseres

Berufs aufweisen.

20

› oder einen Erziehungskünstler? Der allein wissenschaftlich ausgebildete Lehrer istamEnde seiner Ausbildung fertig; er braucht nur noch einwenig Erfahrung. Der Er-ziehungskünstler beginnt sein Wirken erst am Ende seiner Ausbildung, indem ersich künstlerisch betätigt. Von vornherein braucht der Waldorflehrer mehr Zeit alsandere. Deshalb spielt die Fortbildung in der Waldorfpädagogik eine große Rolle.Ein zweiter Aspekt, nun bei Lehrern, die sich mit der Waldorfpädagogik verbundenfühlen, ist die Methodenfrage. Als ich anderthalb Jahre lang den Fremdsprachen-unterricht in Waldorfschulen besuchte, habe ich oft gemerkt, wie die Unzufrieden-heit von Schülern und Eltern sich an ungeschicktem Verhalten im Methodischenentzündete. Einige Ratschläge nach dem Unterrichtsbesuch wirkten Wunder undselbst die Kindermerkten schnell, dass sich etwas änderte. Ein »Softmentorierung«durch erfahrene Kollegen, die nicht dem eigenen Kollegium angehören, hilft sehr.

Eine dritte Ebene von Unzufriedenheit betrifft die Didaktik des Fremdsprachenun-terrichts. Ist der Fremdsprachenunterricht ein Lern- oder ein Erlebnisfach? In der1. Klasse ist er auf jeden Fall ein Erlebnisfach. Danach auch noch lange … undeigentlich bis zumEnde der 12. Klasse. Aber irgendwannwird er auch ein Lernfach.Ichmeine, dass der Fremdsprachenunterricht erstmit der Einführung der Schrift inder 4. Klasse auch zum Lernfach wird, und zwar durch die Grammatik. In der

Foto:CharlotteFischer

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2011 | Oktober erziehungskunst spezial

21BAUSTELLEN

Lektürearbeit und in allem anderenmuss derUnterricht Erlebnis bleiben. Das ist dasgrößte Problem des Lehrbuchs, das alles auf die Ebene der Grammatik herunter-zieht und langweilige, didaktische Texte anbietet. In der 6. Klasse kommt die Wort-schatzarbeit zumLernfach hinzu, und in der 7.-8. Klasse wird auch die Lektüre zumTeil Lernfach. Daneben lebt der Fremdsprachenunterricht in derWaldorfschule vonRezitationen, Theaterszenen oder kleinen Theaterstücken, Singen, Tanzen, Spielen,Referaten und später von spannenden kulturgeschichtlichen Elementen, die aufMonatsfeiern, Elternnachmittagen, Festen und in Portfolio-Mappen zum Ausdruckkommen. Diese Progression des Lernfachmäßigen innerhalb des Erlebnismäßigenkann anthropologisch begründet werden und erfordert von den Lehrern großeGeistesgegenwart.In der Realität des Alltags bedeutet das, dass Lehrer sich trauen sollten, alle Metho-den, die die Fremdsprachenpädagogik anbietet, ob neu oder alt, so einzusetzen, wiesie es brauchen, um ein pulsierendes Leben und eine Lernstimmung imUnterrichtzu erzeugen. Dafür ist der Austausch zwischen den Kollegen hilfreich.Der Lehrer muss selbst entscheiden, ob er sich – je nach Altersstufe – vorwiegendan das Intellektuelle (Denken und Kopf), an das Gemüt (Herz) oder an den Willendes Schülers (Gliedmaßenaktivität) wendet. Durch die Berücksichtigung dieserKriterien individualisiert sich der Unterricht von selbst und jeder kann in ihm dasfinden, was er braucht.Wir Lehrer stehen oft in der Kritik der Eltern und Schüler. ZuRecht, weil wir eine ge-wisse Einseitigkeit in derAusübung unseres Berufs aufweisen.Die einen sind genialeDilettanten, andere sind von einer einzelnenMethode überzeugt oder sind pedanti-sche Experten, Klassiker, Modernisten, Drillspezialisten, Theaterliebhaber … Rich-tenwir uns nach demMenschen, dann spüren es Schüler und Eltern, und es entstehtspätestens in der Oberstufe ein anderer Dialog, in dem der Fremdsprachenunter-richt nicht als Problemfach angesehen wird, sondern als Fach, in dem einzelne Pro-bleme auftauchen können, die Lehrer, Schüler und Eltern trotz ihren jeweiligenEinseitigkeiten miteinander durch konkrete, der Situation angemessene Lösungenbewältigen können.‹›

Zum Autor: Alain Denjean ist Französisch- und Religionslehrer an der Waldorfschule Uhlands-

höhe und Dozent an der Freien Hochschule in Stuttgart.

Literatur: Rudolf Steiner: Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geistes-

wissenschaft, Vortrag vom 26.4.1920, GA 301, Dornach 1977

Pädagogischer Auftrag undUnterrichtsziele – vom Lehrplander WaldorfschuleHerausgegeben vonTobias Richter.Menschenkunde und Erziehung 693., erw. und akt. Auflage616 Seiten, gebunden€ 25,– | ISBN 978-3-7725-2569-8

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Dieses Buch dokumentiert denaktuellen Stand der Lehrplanarbeitund die Unterrichtstätigkeit anWaldorfschulen. Es bietet sowohleine horizontale Übersicht – dieBeschreibung dessen, was in denverschiedenen Altersstufen derKinder und Jugendlichen unterrich-tet wird – als auch eine vertikaleÜbersicht, die die Inhalte allerFächer vom ersten bis zum zwölftenSchuljahr skizziert. Die Angabenhaben dabei keinen normierendenCharakter, damit die Freiheitgewährleistet bleibt, die jede Schuleund jeder Lehrer benötigt.

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Page 22: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Was unterscheidet denMathematikunterricht in der

Waldorfschule vomherkömmlichen Unterricht?

Bildung ist nicht Entgegen-nahme von etwas, sondernder Prozess des Welt-Bildens

(Hartmut Köhler).

22 BAUSTELLEN

Die Mathematik hat bei Schülern den Ruf, ausschließlich ein Fach für Spezialistenzu sein: Die einen haben Freude daran und den Durchblick, die anderen empfin-den es als lebensfern, weil sie all den auf sie einprasselnden Symbolen keinerleiSinn und biographischen Bezug abringen können –Mathematik das Angstfach parexcellence. Auch in der Waldorfschule gibt es das Fach Mathematik! Die pädagogi-schen Ideale sind dort diesbezüglich hoch: Es soll Vertrauen in das Denken ge-schaffen werden, das geordnet und erkraftet werden soll. Mathematik ist somit –verkürzt gesagt – eine »Vorschule zum Geist«. Welch wunderbare Aussichten fürWaldorfschüler…! Doch was unterscheidet den Mathematikunterricht in derWaldorfschule eigentlich vom herkömmlichen Unterricht? Vielleicht nur die»nettere« Atmosphäre?

Auf die Methode kommt es an

Der Kenner der Waldorfpädagogik wird auf andere inhaltliche Schwerpunkte ver-weisen. Der Standardstoff muss allerdings ebenfalls unterrichtet werden, sodasses in erster Linie doch auf das Methodische ankommt. Auf diesem Felde ist auchnach über 90 JahrenWaldorfpädagogik noch sehr viel zu erarbeiten, denn schonein Blick auf die aktuellen Entwicklungen der akademischen Mathematikdidak-tik zeigt einen erheblichen Nachholbedarf!Die rein platonische Sicht, die Mathematik sei ein zu bestaunendes aber herme-tisches Gebäude, ehern beständig in seiner Wahrheit, muss radikal aufgebrochenwerden: Die Welt der Mathematik muss auch die Welt des Schülers werden –aber nicht so, dass der Schüler seine Welt verliert, sondern dass er seine Welt insMathematische erweitert. Bildung ist nicht Entgegennahme von etwas, sondernder Prozess des Welt-Bildens (Hartmut Köhler). Der Schüler wird in den Prozessdes Bauens mit hinein genommen und wird so zum Selbstbauer. Die Einsicht indie allgemeine Richtigkeit und Gültigkeit der Sache muss zur Einsicht in die zu-eigen gemachte und gleichzeitig hervorgebrachte Wahrheit für den Schüler

werden. Um diesen Schritt im Unterricht zu gehen, kann die methodische

Herausforderung Mathe

von Stephan Sigler

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Page 23: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

2011 | Oktober erziehungskunst spezial

Welchen geistigen Funkenkann man aus denPhänomenen schlagen?

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Gliederung, die Rudolf Steiner für den Hauptunterricht in der Oberstufe vor-schlägt, wegweisend sein (siehe Literaturhinweis).

Drei Schritte zur Erkenntnis

Ein erster Unterrichtsschritt besteht darin, dass Schüler in den zu erarbeitenden

Phänomenbereich eintauchen. Da mathematische Phänomene nur vorhanden sind,wenn sie vom Schüler selbst hervorgebracht werden, muss gerechnet, gezeichnetund vorgestellt werden. Die Kunst dabei ist die, dass der innere Zusammenhang derSache zwar in den Phänomenen lebt, aber noch nicht explizit wird und dass alle

Schüler eintauchen können. Es handelt sich also darum, in das Werden der Er-scheinung wahrnehmend tätig einzutauchen. Der Schüler lebt in der Sache mit, istmit ihr zusammen. Die Sache selbst spricht sich in konturierter Weise aus.In einem nächsten Schritt werden die Phänomene nochmals ins Bewusstsein ge-

hoben, beschrieben, geordnet, Entdeckungen ausgesprochen. Dadurch kann derSchüler sich etwas zueigen machen und gleichzeitig ein freieres Verhältnis zuder Sache gewinnen, in die er in der ersten Phase vollständig eingespannt war.Eine zufriedene, entspannte, zuweilen humorvolle Stimmung kann im Klassen-zimmer herrschen. Bildlich gesprochen hat man sich mit demNeuen befreundetund es sich mit ihm innerlich gemütlich gemacht.In der dritten Unterrichtsphase, die erst am nächsten Morgen, also nach einerNacht, beginnt, werden die Phänomene auf ihren inneren Zusammenhang befragt.

Foto:CharlotteFischer

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Page 24: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

Welchen geistigen Funken kann man aus den Phänomenen schlagen? WelchesLicht wirft dieser Funke auf andere Bereiche, auf das, was sich der Schüler schonerarbeitet hat? Die Erklärungen werden weniger an die Phänomene herangetra-gen, als aus ihnen herausanalysiert. Sie zeigen nichts Neues, Anderes oder gareine »Theorie«, die etwas »erklärt«, sie zeigen nur sich selbst. Sie sind durch-sichtig geworden. Man kann durch sie hindurch auf das Wesen einer Sacheblicken. Dabei kommt dem Lehrer ausschließlich eine moderierende Rolle zu;inhaltlich nimmt er sich vollständig zurück. Höchste Aktivität des betrachtendenDenkens ist schülerseitig gefragt. Die Schüler können und müssen dabei aberauf die gemachten Erfahrungen zurückgreifen. Alles lag ja schon vor Augen, jetztwird es nur sichtbar gemacht. Dadurch entsteht überhaupt erst die Möglichkeit,wirklich selbstständig Gedanken an der Erfahrung zu bilden. In diesem Erlebnisder Selbstständigkeit des Denkens, das sich nicht abschließt, sondern in die (auchmathematische) Welt hineinführt, liegt ein Quellpunkt der Entwicklungsmög-lichkeit von Jugendlichen.

Aufgaben der Schulbewegung

Umdem in derWaldorfpädagogik Veranlagten noch näher zu kommen, braucht esdringend zweierlei: Einmal eine pädagogische Forschung, die den beschriebenenLernvorgang genauer untersucht und befragt, die Fragen wie Binnendifferenzie-rung, Fähigkeitserwerb, Methodenvielfalt, Arbeitsformen in diesen Gang einord-net. Zum anderen muss die Waldorflehrerausbildung und -weiterbildung für dieOberstufe ein eigenes Profil gewinnen und deutlich intensiviert werden. Die An-strengungen, auch finanzieller Art, würden sich lohnen: Man stelle sich vor, Elternschickten ihre Kinder auf eine Waldorfschule, weil diese in der Oberstufe nebenden üblichen Events Klassenspiel und Praktika ein eigenes wissenschaftliches Pro-fil hat, weil dort der ungeheure, latente Idealismus der Schüler geistig Nahrung be-kommt und neue, junge, akademisch gut ausgebildete Lehrer in die Oberstufendrängen, weil sie dort in obigem Sinne unterrichten dürfen. Wenn es nach über90 Jahren Waldorfschule gelingt, in diese Richtung deutlich sichtbare Schritte zutun, würde aus einem Zukunftstraum eine reale Perspektive. ‹›

Zum Autor: Stepahn Sigler ist Oberstufenlehrer an der FreienWaldorfschule Kassel undDozent am

Lehrerseminar in Kassel für Mathematik und Geographie.

Literatur: Hartmut Köhler: Bildung und Mathematik in einer gefährdeten Welt. Buxheim/Eichstätt

1993; Rudolf Steiner:Menschenerkenntnis und Unterrichtsgestaltung 1921 (GA 302), dort besonders

der 2. und 3. Vortrag, und Allgemeine Menschenkunde 1919 (GA 293), 9. Vortrag

BAUSTELLEN24

Man stelle sich vor,

Eltern schickten ihre

Kinder auf eine Wal-

dorfschule, weil

diese in der Ober-

stufe ein eigenes

wissenschaftliches

Profil hat.

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

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Page 25: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

Bist Du wesentlich?

Hast Du Humor?Bist Du phantasievoll?

Bist Dusouverä

n?

Bist Dudiskussionsfreudig?Stehst Du hinterDeinen Aussagen?

Lehrst Du mich selbstständiges Arbeiten?

Nimmst Du mich ernst?Was siehst Du in mir?

Magst Du mich?

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Page 26: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

26 ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

Das Ende der Waldorfschulevon Klaus-Peter Freitag

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Jeden Morgen das Gleiche. Gymnasiasten in der Bahn auf dem Weg zu ihrerSchule: »Wie viele Notenpunkte hast Du?« Kein Wort über Inhalte, nur Noten.Die Zeit, in der das Fundament für das weitere Leben gelegt wird, verbringen diejungen Menschen die meiste Zeit in der Schule. Kann das Ziel wirklich nur ein»Abschluss« sein?Befragen Sie sich selbst, wie Ihre Schulzeit Sie geprägt hat. Was konnten Sie da-gegen mit Ihrem Abschluss machen? In der Regel tauschen wir ihn nur gegeneinen Ausbildungs- oder Studienplatz. Bildung hat aber einen »Nutzwert«, kei-nen »Tauschwert«.»Nicht gefragt werden soll: Was braucht der Mensch zu wissen und zu könnenfür die soziale Ordnung, die besteht; sondern: Was ist im Menschen veranlagtund was kann in ihm entwickelt werden«, schwebte Rudolf Steiner als Ziel derBildung vor.Haben wir heute schon ein Bild von dem, was in den einzelnen Schülern wirk-lich veranlagt, – heute würde man sagen – mit ihnen entwickelt werden kann?Auch wir Waldorfpädagogen sollten nicht so tun, als würden wir immer wissen,wie wir gute Schule – gerade auch in der Oberstufe – machen können. Vieles vondem, was Steiner sich erhofft, oder erträumt hat, muss von uns überhaupt nochentdeckt und entwickelt werden.Es reicht nicht, wenn Ehemalige sich an die Klassenfahrten, die Klassenspieleund Jahresarbeiten erinnern. Diese stellen zweifelsohne Höhepunkte dar, abernur einen kleinen Teil des alltäglichen Unterrichts.Die Abschlüsse mit ihren Prüfungen sind nicht generell das Problem. In derRegel ist es sogar gut, wenn Schüler, wie Erwachsene auch, sich messen können.Wenn jedoch Abschlüsse ausschließlich Ziel und Wegbestimmung sind, dannwürde Schule allgemein ihren Sinn verfehlen.Alle Überlegungen zur Gestaltung des Abschlusses – wir sprechen hier auchlieber von »Aufschlüssen« – müssen zum Ziel haben, pädagogische Freiheit inder Gestaltung und Begegnung zu ermöglichen.Auch Waldorfschulen kommen nicht ohne Abschlüsse aus. Ein eigener Ab-

Wenn Abschlüsse aus-schließlich Ziel und

Wegbestimmung sind,dann würde Schule

ihren Sinn verfehlen.

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Page 27: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

27ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

Auch wir Waldorfpädagogen sollten nicht so

tun, als würden wir immer wissen, wie wir

gute Schule – gerade auch in der Oberstufe –

machen können. Vieles von dem, was Steiner

sich erhofft oder erträumt hat, muss von

uns überhaupt noch entdeckt und

entwickelt werden.

2011 | Oktober erziehungskunst spezial

schluss, der staatlicherseits anerkannt und zum Beispiel als Hochschulzugangs-berechtigung anerkannt wäre, ist in Deutschland in absehbarer Zeit nicht zu rea-lisieren. Daher wird zurzeit versucht, durch die Konzeption eines »EuropeanDiploma of Secondary Education«, wie es in England auf den Weg gebrachtwurde, ein Tor, auch für eine formale Anerkennung zu öffnen. Darüber hinausgibt es zwei weitere Projekte, die mit den Portfolioansätzen arbeiten. Das eu-ropäische Projekt »European Portfolio Certificate (EPC)« und das Projekt »Ab-schlussportfolio der Schulen in NRW«. – Dabei geht es in erster Linie umBefähigungsnachweise, nicht um Zugangsberechtigungen.Gleich, welchen Abschlüssen man sich stellt, das Entscheidende wird sein, obman zu den Schülern und für sie steht und mit ihnen gemeinsam lernend einenwesentlichen und prägenden Lebensabschnitt beschreitet. Dann ist auch das Endeder Waldorfschule nicht das Ende der Waldorfschule.‹›

Zum Autor: Klaus-Peter Freitag ist Oberstufenlehrer für Mathematik und Philosophie und Ge-

schäftsführer des Bundes der FreienWaldorfschulen

Wenzel M.Götte | Peter Loebell |Klaus-Michael MaurerEntwicklungsaufgaben undKompetenzenZum Bildungsplan derWaldorfschule.Menschenkunde und Erziehung 96437 Seiten, gebunden€ 28,90 | ISBN 978-3-7725-1696-2

www.geistesleben.com

Welche Entwicklungsaufgabenstellen sich in welchem Alter fürdie Kinder und Jugendlichen?Und welche Kompetenzen müssenentwickelt werden, um diesenAufgaben gerecht zu werden?Die Darstellungen vonWenzelM.Götte, Peter Loebell und Klaus-Michael Maurer ergänzen denLehrplan derWaldorfschulen umdie Frage der Kompetenzen, die sichdie Schüler in den verschiedenenKlassenstufen und den einzelnenFächern aneignen – inhaltlich,methodisch und in sozialer Hinsicht.

Für alle Lehrer und pädagogisch

Interessierten gibt dieser Band

vielfältige Anregungen; zugleich

ist er ein wichtiger Beitrag in

der gegenwärtigen Bildungs-

diskussion.

Vom Leben lernenkönnen

Freies Geistesleben

BildungsplanW. M. Götte | P. Loebell | K.-M. Maurer

Menschenkunde und Erziehung 96

Verlag Freies Geistesleben

Entwicklungsaufgaben und KompetenzenZum Bildungsplan der Waldorfschule

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28 ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

Blick über den TellerrandBerufsorientierung in Bremen

von Dagmar Figura

Die Berufsorientierung ist eine Orientierung fürs Leben. Eine Projektgruppe derWaldorfschule Touler Straße in Bremen hat sich zum Ziel gesetzt, die Berufsorien-tierung als Angebot für die Weiterentwicklung der Persönlichkeit zu begreifen. Siebietet Projekttage und einen Berufemarkt an, der von Eltern als Experten in ihremBeruf gestaltet wird. Zudem begleitet die Projektgruppe Schüler im Praktikum.Darüber hinaus steht sie in engemKontaktmit der Lehrerschaft und berät sich überden Stand der unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler – eine ungewöhnlichePerspektive für diese.Konkret heißt das: • Brücken bauen zwischen persönlichen Interessen und beruf-licher Welt • Bewerbungstraining und Praktikumsreflexion als Angebot der Schule• Motivation von Schülern zu stärkerem Austausch untereinander • Informations-börse zum Thema: Schule – was dann? • Eltern zeigen sich als Experten in ihremBeruf • Kontakt zu Ehemaligen herstellen.In den Projekttagen gehen die Schüler in Kleingruppen auf Tuchfühlung mit ihreneigenen Interessensgebieten. Über eine Collagenarbeit entdecken die Schüler Ver-bindungen zwischen sich selbst, ihrem Interesse und beruflichen Ideen. In Grup-penprozessen und Bewerbungstrainings erleben und erkennen sie ihre Positionen.Mehrere Informationsbörsen präsentieren Angebote nach dem Schulabschluss –von Auslandsaufenthalten über Ausbildungen bis hin zu Studiengängen.Die Praktikanten zeigen sich hoch motiviert, wenn sie mit der »echten« Berufsweltin Berührung kommen,wenn »echte«Betriebe, denZeugnisentwurf nutzend, die Po-tenziale der Schüler sichtbar machen. Die Spannung zwischen persönlichen undberuflichen Zielen weckt ungeahnte Ressourcen in den jungen Menschen und bie-tet Möglichkeiten, inne zu halten und zu reflektieren.Es liegt an uns als Lehrer und Eltern, die Begeisterung des Jugendlichen fürs Lebenzu stützen. – Es liegt an uns, Zukunft optimistisch zu beschreiben und ihre Verän-derung zuzulassen. – Es liegt an uns, Raum und Möglichkeiten zu bieten, damitJugendliche Brücken zwischen sich und der Welt bauen können. ‹›Zur Autorin: Dagmar Figura ist Berufsberaterin für Schüler und Erwachsene und leitet eine Praxis

für Familiencoaching: www.beratung-andiamo.de

Es liegt an uns als Lehrerund Eltern, die Begeisterung

des Jugendlichen fürsLeben zu stützen.

Es liegt an uns,

Zukunft optimistisch

zu beschreiben

und ihre

Veränderung

zuzulassen.

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Seitdem ich vor etwa zehn Jahren zum ersten Mal das Chemieabitur an unsererSchule betreut habe, besuche ich regelmäßig unsere Abiturfeiern. Es war anfangsüblich, die Absolventen öffentlich über ihre Zukunftspläne zu befragen. Die Ant-worten waren wenig aufregend: »Erst einmal Pausemachen«, »Mich selbst imAus-land finden«, »Ein soziales Jahr zur Selbstfindung«, »Ichweiß noch nicht«, »Ich geherst mal zur Bundeswehr, dann sehen wir weiter. … « So oder so ähnlich klang esmeistens. Konkrete Berufs- oder Lebensziele waren die Ausnahme.Um seinen Weg zu finden, ist es wichtig, ein breit gefächertes Angebot zu kennenund sich selbst richtig einzuschätzen. EineAnalyse und ein realistisches Bewusstseinfür die persönlichen Stärken und Kompetenzen ist Grundvoraussetzung für eine(hoffentlich) gelingende Zukunftsplanung. Dabei kann Schule helfen.Unsere Schule bietet den Schülern vielfältige Möglichkeiten zur Selbsterfahrung.Diverse Auslandsaufenthalte und die bekannten Praktika gehören dazu.Eine Besonderheit ist der Handwerkerhof in der 9. Klasse, wo die Schüler verschie-dene praktisch-handwerkliche Tätigkeiten auch außerhalb des Schulbetriebs er-leben.Das Betriebspraktikum in der 10. Klasse bietet die Möglichkeit, für drei Wochen ineinen selbst gewählten Bereich intensiv hineinzuschnuppern. Vermehrt werden Be-rufe aus derMediengestaltung, dem Film, Funk und der Fotografie gewählt. Bewer-bungsunterlagen, Vorstellungsgespräche, soziale und fachliche Kompetenzenmüssen jetzt in der Arbeitswelt erprobt werden.Ebenfalls eine Besonderheit bildet das JUNIOR-Projekt in der 10. Klasse, das vom In-stitut der DeutschenWirtschaft gefördert wird.Hier erfahren die Schüler die Arbeitgeber- und Unternehmerseite des Wirtschafts-lebens als Vorstandsvorsitzende, Leiter der Finanz-, Verwaltungs-, Marketing- oderTechnikabteilung und übernehmen Führungsaufgaben und unternehmerischeVer-antwortung.Ein ähnliches Feedback erhalten die Schüler der 11. Klasse im dreiwöchigen Sozial-praktikum, wobei hier natürlich soziale Neigungen oder Kompetenzen im Mittel-punkt stehen.

Erfahrungen in Gröbenzell

HandwerkerhofBetriebspraktikumJunior-ProjektSozialpraktikum

29ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

Den Anschluss an denAbschluss findenvon Daniela Göttel

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30 ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

MeineKonsequenz aus den erstenBegegnungenmit denAbgängern unserer Schulewar es, einen Austausch mit Ehemaligen zu organisieren. Zu diesem freiwilligenAbend für Schüler der 11. bis 13. Klassen hatten wir, je nach Schwerpunkt der12. Klasse Besuch von der Studienberatung einer Münchener Hochschule, einerKunstakademie und von Hochschulprofessoren unterschiedlicher Fachrichtungenoder auch von der Agentur für Arbeit. Neben dem Impulsreferat dieser Gäste warenfür die Schüler vor allem die Podiumsdiskussion mit Ehemaligen und die Berichteaus verschiedenen Fachbereichen bereichernd.Auf der diesjährigen Abiturfeier wurden die Schüler nach längerer Pause wiedernach ihren Zukunftsideen gefragt. Erfreulich war für mich, dass die meisten jetztkonkretere Pläne und Vorstellungen von ihrer Zukunft hatten.Die Gruppe von Schülern, die sich auf dieMittlere Reife vorbereiteten, begleitete ichüber eine ganzeWoche hinweg zum Thema Lebensplanung-Berufsplanung. Dabeispannten wir den Bogen von der Frage nach den Aufgaben in unserer Gesellschaftbis hin zum perfekten Bewerbungsgespräch.Zunächst beschrieben wir verschiedenste Aufgabenfelder der Gesellschaft. Soziale,kulturelle, wirtschaftliche, politische Berufe, Dienstleistungen oder produzierendesGewerbe wurden charakterisiert und wir überlegten, welche Qualifikationen jeweilsgebraucht werden.Über eine Stärken- und Schwächen-Analyse sollten die Schüler eine realistischeVorstellung für ihre Möglichkeiten entwickeln. Im Gegensatz zu ihren Schwächenkönnen die Schüler ihre eigenen Stärken nur schwer benennen. Interaktive Spieledienen dazu, die Aktivitäten der Schüler in Bezug auf Eigenorganisation, Team-fähigkeit undZielorientierung zu beobachten.Die Beobachtung geschieht zumeinenin Eigenwahrnehmung, aber auch durchMitglieder derGruppe, die nichtmitspielen.Die Ergebnisse werden mittels Fragebögen im Gespräch ausgewertet. Eigen- undFremdwahrnehmung stehen sich gegenüber und ergänzen sich.Im »blinden Seilfünfeck« wird fünf bis zehn Schülern die Augen verbunden, einerbekommt ein wirres Seil in die Hand. Nun müssen sich alle so organisieren, dassnach 20 Minuten ein ordentliches Fünfeck mit etwa vier Metern Durchmesser amBoden liegt.

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Begegnung mit Ehemaligen

Lebensplanung

BerufsplanungAbitur

Mittlere ReifeAufgaben

Stärken und Schwächen

Über eine Stärken- und Schwächen-Analyse sollten die

Schüler eine realistische Vorstellung für ihre Möglichkeiten entwickeln.

Im Gegensatz zu ihren Schwächen können die Schüler ihre eigenen

Stärken nur schwer benennen.

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Eine anderes Spiel: JedemSchüler wird ein BogenPapier auf denRücken geklebt, aufden jeder jedem Mitschüler eine positive Eigenschaft schreibt. Die Schüler sinderstaunt, welche Resonanz sie erhalten.Desweiteren verfolgten wir verschiedene Fragestellungen: Wie soll mein Arbeits-umfeld aussehen? (Ist es drinnen oder draußen, theoretisch oder praktisch? ...)Welcher Arbeitstyp bin ich? (spontan oder überlegt, Einzelkämpfer oder Team-arbeiter …) Was ist mein Arbeitsmotiv? (Einkommen, Anerkennung, Karriere,Zufriedenheit …)Dann erstellte jeder Schüler für sich ein kleines Profil mit den für ihn charakteristi-schenMerkmalen. Dabei wird besonders auf die Intimsphäre geachtet. Die Schülergeben nur Preis, worüber sie gerne Auskunft geben.Kaum ein Schüler hatte sich bisher die Frage gestellt, wie er sich seine Zukunft inzwei oder fünf Jahren vorstellt oder was er unternimmt, umdieses Ziel zu erreichen.Jetzt steht er vor dieser Frage und sie wird ernst und realistisch beantwortet.Im nächsten Schritt erkunden wir konkrete Berufsbilder im Internet oder mit Hilfeverschiedenster Lektüren (jobworld.de, bewerbung-forum.de, berufenet.de …).Wie ein Bewerbungsgespräch ablaufen kann und welche Fragen zur Falle werdenkönnten, beschäftigte uns abschließend. Wir spielten die Gespräche konkret durchund lernten anhand von Filmausschnitten richtiges und sicheres Auftreten.Die Resonanz bei den Schülern war positiv. Oft haben die Gespräche sehr persön-lichen Charakter; deshalb ist eine Gruppengröße von maximal zehn Schülernempfehlenswert. – Allerdings sind wir von einem durchgängigen Berufs-orientierungskonzept noch weit entfernt. ‹›

Zur Autorin: Daniela Göttel ist Oberstufenlehrerin für Biologie und Chemie an der Rudolf Steiner

SchuleGröbenzell, leitet die Schülerfirma »Junior« (10. Klasse) und betreut das Betriebspraktikum.

31

Foto:C

harlotteFischer

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Mitte der 1990er Jahre bildeten Lehrer der FreienWaldorfschule am Kräherwald inStuttgart zusammen mit einigen Eltern einen Kreis, der einen »Tag der Berufs-findung« organisierte.ZweiMal im Jahrwurden an einemSamstag Persönlichkeitenaus den verschiedenstenBerufen eingeladen, die auf Fragen der Schüler fachkundigeAntworten geben konnten.Zuerst gab es kein bestimmtes Thema für diese Tage, in einemEingangsreferat ginges über das Thema Beruf im allgemeinen und Ausbildung im Besonderen. Mit derZeit wurden diese Berufsfindungstage unter einMotto gestellt, wie »… rund umdenComputer« oder »Traumjob oderAlbtraum«, zu demReferenten aus der IT-Branche,aus Fernsehen, Funk, Fußball und der Musikbranche gewonnen werden konnten.Im Laufe der Jahre kamen Oberstufenschüler dazu, die mit Herzblut die Tage mit-organisierten.2003 änderte der Vorbereitungskreis das Konzept. Er holte nicht mehr Fachkräftevon außen in unsere Schule, sondern organisierte Besuche bei verschiedenenFirmenin Stuttgart und Umgebung, wobei die Schüler vor Ort Informationen über die ver-schiedenen Berufsfelder und die Ausbildungsmöglichkeiten bekamen. Vor allemgroße Firmen und Institutionen wurden besucht, wie Bosch, Daimler, das Diako-nissenkrankenhaus oder das Staatstheater.Mit der Einrichtung einer Klasse 11 P, deren Schwerpunkt auf das Praktische ge-richtet ist, änderte sich unser Projekt zur Berufsorientierung völlig. Während dieSchüler, die auf das Abitur zusteuerten, die Möglichkeit bekamen, die verschiede-nen Unis im Rahmen des »Tages der offenen Tür« zu besuchen, bekamen dieSchüler der 11 P über eine dreimonatige Praktikumsstelle einen tiefergehenden Ein-blick in das Berufsleben. Dieses Berufspraktikum liegt zwischen den Weihnachts-und Osterferien und soll den Schülern das Berufsleben mit all seinen Facetten vielintensiver erlebbarmachen, als es ein einwöchiges Praktikum je vermag.Wennmög-lich, sollen die Schüler eine Praktikumsstelle für diese Zeit suchen. Die Erfahrungzeigt aber, dass sie oft aus verschiedenen Gründen zwei Stellen suchen müssen.Den Schülern der 11 P wird viel Eigenverantwortung übertragen. Sie suchen ihrePraktikumsstellen selbst und formulieren ihre Bewerbungsschreiben in Eigenregie.

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Mit der Einrichtung einerKlasse 11 P, deren Schwerpunktauf das Praktische gerichtet ist,änderte sich unser Projekt zur

Berufsorientierung völlig.Während die Schüler, die aufdas Abitur zusteuerten, die

Möglichkeit bekamen, die ver-schiedenen Unis im Rahmen

des »Tages der offenen Tür« zubesuchen, bekamen die

Schüler der 11 P über eine drei-monatige Praktikumsstelle

einen tiefergehenden Einblickin das Berufsleben.

32 ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

»Ich weiß jetzt, was ich nicht will«Langzeitpraktika an der Freien Waldorfschule am Kräherwald

von Ludwig Digomann

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Natürlich unterstützt die Schule diese Eigenverantwortlichkeit: Wir versuchen, vorden Praktika den Schülern in zwei Stunden pro Woche die Arbeitswelt, die Bewer-bungssituation und alles, was damit zusammenhängt, näherzubringen.Während des Praktikums wird jeder Schüler von einem Lehrer der Klasse begleitetund betreut, der die Schüler vor Ort besucht, undmit ihnen und ihrem verantwort-lichen Betreuer spricht.In derWoche nach denOsterferien findet nach dem regulärenHauptunterricht täg-lich von 10.00 bis 14.00 Uhr ein einwöchiges Berufsfindungsseminar statt. In die-sem Seminar werden die Erfahrungen aus den Praktikumsstellen gesammelt unddarüber hinaus beim Besuch großer Firmen und Institutionen in einen passendenRahmen gestellt. In dieser Zeit machen die Schüler auf freiwilliger Basis den geva-Eignungstest »Berufswahl«, der weitere Hinweise geben kann.Seinen Abschluss finden das Praktikum und das Berufsfindungsseminar in Formeiner Präsentation der verschiedenen Praktikumsstellen vor Lehrern, Eltern und denehemaligen Betreuern. Da ziehen dann oft die Schüler ein Resümee, bei demmanhören kann: »Das Praktikumnahmmir die Angst vor demechtenBerufsleben« oder»Das früheAufstehen und die Pünktlichkeit fielenmir schwer« oder »Ichweiß jetzt,was ich nicht will.« ‹›

Zum Autor: Ludwig Digomann ist Oberstufenlehrer undmit anderen Kollegen zuständig für die

Öffentlichkeitsarbeit an der Freien Waldorfschule am Kräherwald in Stuttgart.

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Während des Praktikums wird

jeder Schüler von einem Lehrer

der Klasse begleitet und betreut,

der die Schüler vor Ort besucht,

und mit ihnen und ihrem

verantwortlichen Betreuer spricht.

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Page 34: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

»Wann seid Ihr denn endlich mal wieder da ...?« werde ich immer wieder gefragt,wenn ich durch unsere Schule gehe. In der Tat, »wir« oder vielmehr »sie« – die Schü-lerinnen und Schüler unseres Berufskollegs – sind relativ selten »da«. UnsereKollegiaten arbeiten nämlich zwei Drittel ihres ersten Jahres an ihren Praktikums-stellen in Jugendhilfeeinrichtungen, Kindergärten, Krankenhäusern, Wohn- undArbeitsstätten fürMenschenmit Behinderungen und erleben dort, was es bedeutet,wirklich gebraucht zu werden.Dies scheintmir eines derwesentlichsten Elemente zu sein, die das erste Jahr des Be-rufskollegs für Sozial- und Gesundheitswesen prägen. Einige der Kollegiaten habeich, da sie von anderen Schulen kamen, imRahmen ihrer Praktikumsstelle zum er-sten Mal kennengelernt und war beeindruckt, welch hochmotivierte, zuverlässigeund selbstständig arbeitende jungeMenschen sich bei uns eingefunden haben. Auchüber unsere eigenen Schülerinnen und Schüler bekamenwir nur Positives zu hören.Und so freuten wir uns sehr auf die wenigen Wochen, die wir mit ihnen epochen-weise in der Schule zusammen arbeiten konnten.Irgendwie schienenmanche schnell vergessen zu haben, dass Pünktlichkeit auch inder Schule Sinn macht und dass ihr Verhalten eine Auswirkung auf die Gesamt-stimmung des Unterrichts haben könnte. Trotzdem und gerade weil wir um dieErfahrungen aus den Praktika wussten, konnten wir sehr gut mit ihnen arbeiten.Und ganz wichtig: ihre Erfahrungen im Praktikum gaben ihnen immer wieder dieMöglichkeit, über ihre »Schülerrolle« hinauszuwachsen.Für die Zeit des Unterrichts stellt sich die Frage, ob an einem Berufskolleg, das sichan die staatlichenRichtlinien haltenmuss, überhaupt nochwaldorfpädagogische In-halte und Arbeitsweisen zum Zuge kommen. Wir haben den Eindruck, dass diessehr gut möglich ist. Gerade für das erste Jahr sind die Richtlinien sehr freilassendformuliert und es gibt viel Gestaltungsfreiraum. Wie dies im zweiten Jahr aussieht,in dem die Kollegiaten das ganze Schuljahr Unterricht haben, der mit der Fach-hochschulreife abschließt, können wir leider noch nicht sagen.Eine Illusionwurde uns allerdings genommen.Nämlich die, dass der Klassenverbandvom Übergang aus der 11. in die 12. Klasse erhalten bleiben könnte. Durch die

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Fünf Waldorfschulen – dieWindrather Talschule, dieFreie Waldorfschule Haan-Gruiten, Schloss Hamborn,

die Freie WaldorfschuleBielefeld und die Emil MoltAkademie in Berlin – gehenmit dem Berufskolleg neue

Wege in der Oberstufe.Die Schüler – die nicht

alle Waldorfschüler sind –legen in diesem zweijährigenAusbildungsgang nicht nurdie Fachhochschulreife ab,sondern absolvieren auch

Langzeitpraktika in Betrieben.Zwei Schulen berichten nach

einem Jahr Erfahrung.

34 ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

Das Waldorfberufskolleg

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Page 35: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

2011 | Oktober erziehungskunst spezial

Jugendlichen, die von anderen Schulen kommen, entsteht eine völlig neue Gruppeund es beginnt ein neuer Abschnitt in ihrer Schullaufbahn. Und das ist, wennmansie fragt, genau richtig! Sie wollen sich in diesemAlter in neuen Zusammenhängenund Gruppen erleben und neue Rollen für sich finden. ‹›

Zur Autorin: Anne Schnitzler ist Oberstufenlehrerin für Mathematik an der Freien Waldorf-

schule Velbert-Langenberg und leitet das Berufskolleg.

Hochmotiviert erobern im August 2010 dreizehn junge Menschen »ihr« neues Be-rufskolleg. Zusätzlich zuMathematik, Deutsch, Englisch undGesellschaftslehre stehtviel Technik in denNaturwissenschaften auf demStundenplan, da dies die fachlicheAusrichtung der zweijährigen Fachoberschule ist. Schwerpunkt des ersten Jahressind jedoch eindeutig die rund 30Wochen Praktikum, in denen die Schüler Berufewie Fluggerätemechaniker,Medizinisch-Technischer Assistent, Veranstaltungstech-niker oder Baubiologe kennen lernen.So vielseitig wie die Erfahrungen in der Berufswelt sind auch die Werdegänge derSchüler. Neben Gymnasiasten und Realschülern, Berufskollegiaten und VHS-Schülern sind sechs Schüler mit Waldorfbiographie dabei. Sie haben es leichter mitFächern wie Eurythmie undMusik oder Klassenspielproben, aber auch die anderensind offen für Waldorfspezifisches. So konnte zuletzt ein gelungenes Klassenspielzusammen mit der Klasse 12 über die Bühne gehen, wobei der Prozess bis dahinnicht unproblematisch war. Die Integration der Berufskollegiaten gestaltete sichwegen ihrer langen Abwesenheit in den Praktika schwierig, aber auch die selbstver-ständliche Identifikationmit einemKlassenprojekt fehlte zunächst. Imnächsten Jahrwerden die Praktikumszeiten regelmäßig an drei Tagen pro Woche liegen, um denfachbezogenenwie auch künstlerischenUnterrichten eine größere Kontinuität zu er-möglichen.Der jetzige erste Jahrgang wird dann während eines rein schulischen Jahres auf diePrüfungen zur Fachhochschulreife vorbereitet. ‹›

Zur Autorin: Astrid Gottschalk ist Oberstufenlehrerin für Mathematik und Geographie an der

Freien Waldorfschule Haan-Gruiten und leitet das Berufskolleg.

Erfahrungen im Praktikumgeben die Möglichkeit, überdie »Schülerrolle« hinaus-zuwachsen.

35ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

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Rüdiger Iwan:Das Portfolio – gleichwertig mit demAbitur?Wohl eher höherwertig!Wenn ein Schüler ein Portfolio erstellt und den damit verbundenen dialogischenProzess durchläuft, wenn er in der Lage ist, über sein Lernen (in formalen und in-formellen Bereichen), seine Kompetenzen (fachlicher, personaler und sozialer Art)und über seine persönliche Vision beredt und begründet Auskunft zu geben, danndürfte das die Einlösung dessen sein, was das Reife-Zeugnis immer vorgegeben hatzu sein, aber nie gewesen ist. – So kann sich das Portfolio zu einemWaldorfabschlussentwickeln.Mit Betonung auf: Entwickeln.Wir dürfen das Pferd nicht von hinten auf-zäumen. Dort, wo das Portfolio primär als alternatives Prüfungsinstrument, alsAbschluss-Mappe, eingeführt wird – noch bevor es die Chance hatte, die Unter-richtskultur und den Lehrerhabitus zu wandeln – bleibt alles beim Alten.

Frank de Vries: Zurzeit vergeben 20 Waldorfschulen in Nordrhein-Westfalen eineneigenen Waldorfabschluss in Form eines Abschlussportfolios nach der 12. Klasse.Die Schülerleistung wird im Abschlussportfolio so dokumentiert, dass das indivi-duelle Kompetenzprofil der Schüler direkt und unmittelbar in Erscheinung tritt.Dabei kann ein Kompetenzportfolio den Übergang von der Schule zum Beruf undden Zugang zum Studium wesentlich besser gestalten, als vergleichbare staatlicheAbschlüsse. Obwohl heute bei Unternehmen und Hochschulen allgemein»Schlüsselqualifikationen« wie Eigenmotivation, Teamfähigkeit, Lernbereitschaft,Kommunikationsstärke und Kreativität gefragt sind, werden sie im staatlichen Be-rechtigungswesen nicht weiter berücksichtigt. Wenn die Waldorfschulen weiterhinnur auf staatliche Abschlüsse setzen, nehmen sie diesen Widerspruch undVerlust an Substanz für die Lern- und Berufsbiographie und für die beruflichenChancen ihrer Schüler in Kauf. Es wird daher höchste Zeit, dass auch auf Bundes-ebene die Waldorfschulen einen eigenen Waldorfabschluss entwickeln und zurAnerkennung bringen!

Christian Boettger: Ist es möglich, bei Eltern, Schülern und bei Universitäten undBetrieben parallel und alternativ zu den staatlichen Prüfungen ein Vertrauen in einAbschlussportfolio zu vermitteln?Werden dannSchüler die gleichenChancenhaben,einen Studien-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden? – Ich bezweifle, dass dasin absehbarer Zeit eintretenwird. – ImMittelpunkt stehen doch die Schüler! Und fürdie liegen die Abschlussprüfungen in der 9. bis 11. Klasse weit weg – manchmal so

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Es gibt viele verschiedeneArten von Portfolios:

Von einfachen Mappen mitSchülerarbeiten mit Epoche-heftcharakter bis hin zu um-

fangreichen Darstellungen derEntwicklung mit Selbst-

beurteilungen der Schüler undBeurteilungen der Lehrer.Und es gibt viele verschie-

dene Auffassungen, wie Port-folios im Unterricht

eingesetzt werden können.Wäre es denkbar, dass sich

das Portfolio zu einemWaldorfabschluss entwickelt,der gleichwertig ist mit dem

Abitur? Wir haben vierExperten gebeten, ein kurzes

Statement abzugeben.

36 ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

›Portfolio und Waldorfabschluss

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Page 37: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

Rüdiger Iwan: Das Portfoliokann sich zu einemWaldorf-abschluss entwickeln.

Frank de Vries: Die Waldorf-schulen sollten auf Bundes-ebene einen eigenen Abschlussanstreben.

Christian Boettger: Prüfungensind eher eine Art Abfall-produkt des Unterrichts.

Thilo Koch: Das europäischeWaldorfdiplom könnte an dieStelle des Abiturs treten.

2011 | Oktober erziehungskunst spezial

weit, dass man als Lehrer etwas nervös in Bezug auf deren Arbeitshaltung werdenkönnte. – Durch das Portfolio zwingen wir die Schüler, früher an die Zeit nach derSchule zu denken. Lassen wir ihnen damit noch genügend persönlichen Entwick-lungsfreiraum?Werden die schwächeren Schüler, die Spätzünder und Träumermitihren relativ schwachen Portfolios inHinblick auf ihrenAbschluss nicht zu frühmitihren Schwächen konfrontiert? Wie motivieren wir sie? Durch (indirekten) Prü-fungsdruckmit demPortfolio?Oder durch die Inhalte der Epochen undUnterrichte?Ich habe bei meinen Schülern immer eine Art Wettbewerb mit den Freunden anden staatlichen Schulen erlebt. Sie wünschen zu erfahren, ob sie die zentralenPrüfungen genauso gut bestehen können. Und ich habe mich in meiner Arbeit alsWaldorflehrer nie durch diese Forderung eingeschränkt gefühlt. Die Prüfungenwaren eher eine Art Abfallprodukt.

Thilo Koch: Portfolio als Abschlussdokumentationsmappe für Waldorfschul-abgänger? JA! Das ist mit dem Europäischen Abschluss-Portfolio/ European Port-folio Certificate (EPC) bereits von zwölf Waldorfschulen aus acht EU-Ländernentwickelt worden und kann von allen Waldorfschulen Europas mit einer Ober-stufe genutzt werden.Gleichwertig mit dem Abitur? NEIN! Er müsste MEHR-wertig sein. Das wäre beimEPC gegeben. Aber »gleichwertig«meint auch staatlich anerkannt und hier blockiertder deutsche Staat. Es gibt keine rechtliche Handhabe, mit der die Anerkennungeines gleichwertigen oder sogarmehrwertigenWaldorfabschlusses erzwungenwer-den könnte. Das hat der Arbeitskreis »Zukunft der Abschlüsse« in einem Rechts-gutachten klären lassen.Portfolio alsWaldorfabschluss,mehrwertiger als das Abitur? JA!Mit dem in der Ent-wicklung befindlichen European Waldorf Diploma, das auf dem Waldorflehrplanberuht und das EPC als integralen Bestandteil nutzt, wird es in Europa – undDeutschland ist Teil davon –möglich. Ein Abschlussportfolio, das nur die »Waldorf-Exotika« beinhaltete, wäre keinWaldorfabschluss. Esmüsste dann schon alle Fächer,Praktika, Projekte, Präsentationen und internen Prüfungen – undwarumnicht auchdie staatlich anerkannten Prüfungen – adäquat spiegeln. Ein solches Abschluss-portfolio hätte eine positive Innen-Wirkung; das revolutionär-dynamische, amKind,an der Klasse orientierte Lehrplan-Ideal Steiners könnte stärker und bewusster gelebtwerden. ‹›

37ANSCHLÜSSE & ABSCHLÜSSE

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Page 38: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

38 ERWARTUNGEN

Was erwarten die Wirtschaft und dieHochschulen von Berufsanfängern?

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Wenn gegen Ende der Schulzeit die Entscheidung für eine berufliche Erstaus-bildung oder einen dualen Studiengang ansteht, ist der Entscheidungsprozessfür die jungenMenschen und ihre Eltern nicht so einfach. Was möchte ich gernemachen? Wo sind meine Stärken? Werde ich in dem Beruf erfolgreich sein?Auch die Firmen, die Ausbildungsplätze anbieten und Bewerbungen erhalten,haben ähnliche Fragen. Hat der Bewerber die Stärken beziehungsweise dasPotenzial, das für diese Berufsrichtung entscheidend ist? Wird er erfolgreich dieAusbildung absolvieren? Passt er zu uns?

Für Antworten auf diese Fragen und um sich über die Bewerber ein Bild zu ver-schaffen, vermitteln auch heute noch die schriftliche Bewerbung, die formalenZugangsvoraussetzungen und das entsprechende Zeugnis einen ersten Eindruck.Generell gilt, dass Noten in Hauptfächern und in auf das spätere Berufsbild be-zogenen Schlüsselfächern bei der ersten Sichtung von Bewerbungen eine zentraleRolle spielen. Noten erlauben einen Rückschluss auf Wissen und Intelligenzsowie auf Fleiß, Engagement, Leistungsbereitschaft, die Fähigkeit zum Denkenin Zusammenhängen, Neigungen und Stärken.Noten sind ein wichtiges Selektionskriterium im Bewerbungsprozess. Je nachdemwie begehrt eine bestimmte Ausbildung ist, desto höher liegt der Notendurchschnittin den berufsrelevanten Fächern. So liegt zum Beispiel bei der Voith GmbH derNotendurchschnitt bei Bewerbern für das duale Studium als Maschinenbauinge-nieur bei 2,5 in den Fächern Mathematik und Physik, Deutsch und Englisch.

Um den Erfolg einer Ausbildung besser prognostizieren zu können, verwendenviele Firmen heute Testverfahren. In den Testverfahren werden einerseits kogni-tive Fähigkeiten wie zum Beispiel analytische Fähigkeiten, Denken in Prozessen,Kombinations- und Abstraktionsfähigkeit sowie Selbstmanagement gemessenund andererseits Persönlichkeitsfaktoren wie Frustrationstoleranz, Selbstver-trauen und Zielorientierung.Während Testverfahren nicht überall eingesetzt werden, führt an dem persön-lichen Vorstellungsgespräch kein Weg vorbei, das heute auch oft in Form eines

Dr. Michael Rogowski,Vorsitzender des Stiftungs-

rates der Hanns-Voith-Stiftung, langjähriger

Vorsitzender des Voith-Konzerns und ehemaliger

Waldorfschüler.

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Page 39: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

39ERWARTUNGEN

2011 | Oktober erziehungskunst spezial

gemeinsamen Auswahltages durchgeführt wird. Hier geht es darum, den zuvorgewonnenen Eindruck durch vertiefende Fragen – zum Beispiel in Bezug auf diesoziale Kompetenz – abzurunden. Dazu gehören das Auftreten, die Zusammen-arbeit und der Umgangmit Anderen, persönliche Interessen, Hobbys, das Enga-gement in Vereinen und Institutionen. In dieser Phase spielt auch die Frage, obder Bewerber und die Firma zueinander passen, eine wichtige Rolle.Wenn der entsprechendeMix aus fachlichen und sozialen Kompetenzen stimmt,spielt es keine Rolle, aus welchem Schultyp der Bewerber kommt. Ich selbst warWaldorfschüler und habe es – alles in allem – nicht bereut. Zumindest vermuteich, dass gerade dieser Schultyp wesentlich zur Entwicklung einer authentischenPersönlichkeit beitragen kann. ‹›

Kein Studiumohne eine SehnsuchtNach welchen Kriterien wählen Hochschulen heute Studienanfänger aus? Habensie dabei besondere Erfahrungen mit ehemaligen Waldorfschülern gemacht? –Antworten gibt Professor Marcelo da Veiga, Gründungsrektor an der AlanusHochschule in Alfter.

Junge Menschen, die heute studieren, haben es mit ganz neuen Möglichkeiten zutun. Bologna gliedert das Studium inBachelor- undMaster-Abschlüsse. Nach drei bisvier Jahren ist man fertig und kann sich dann entweder im eigenen Fach weiter spe-zialisieren oder im Masterstudium einen ganz neuen Schwerpunkt setzen und istdann trotzdemmit 25 Jahren bereit für denBeruf. Jemand kann zumBeispiel imErst-studiumein künstlerisches Fachunddann imMasterWirtschaft studieren.Der Schul-abgänger kann angesichts dieser Freiheit gelassener auf das Studium zugehen.DieAlanusHochschule achtet darauf, dass die Bewerber die Bereitschaft zeigen, sichkritisch mit Zeitfragen zu beschäftigen und auf die ethische Verantwortung zu bli-cken, die sie mit einem Beruf übernehmen werden.Wer bei uns zumBeispielWirtschaft studiert, wird im Studiummit Fragen der öko-logischen Nachhaltigkeit oder der sozialen Verantwortung konfrontiert. Wer für das ›

Bestanden – Lebenswegeehemaliger Waldorfschüler19 Gespräche, aufgezeichnet vonMonika Schopf-Beige.135 Seiten, kartoniert€ 12,90 | ISBN 978-3-7725-1769-3

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Nicht weil ich Waldorfschüler war,bin ich ein guter Geiger geworden,sondern durch ihre Pädagogik hatmir die Waldorfschule eine positiveGrundeinstellung für mein Lebengegeben und insofern auch eineangemesseneVorbereitung, dieKunst, die in mir lebt, auszubilden.»Eckhard Fischer, Professor fürVioline

Zusammenfassend kann ich sagen,dass ich nicht weiß, was ich ohnedie Waldorfschule gemacht hätte.Ich sehe in der Möglichkeit sie zubesuchen, einen der wichtigstenFaktoren in meinem Leben.»

Dr. Konrad Schily,Arzt

Was wird aus Waldorfschülern?

Wie blicken sie zurück auf

ihre Schulzeit?

19 ehemalige Schülerinnen

und Schüler geben Antwort.

Individuelle Lebenswege

Freies Geistesleben

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40 ERWARTUNGEN

Lehramt studiert, den versuchen wir für die hohe Verantwortung für den einzelnenMenschen und für die Gesellschaft zu sensibilisieren.Ferner erwartenwir die Bereitschaft, über den Tellerrand des eigenen Studienfacheshinauszublicken und sichmit Studierenden anderer Disziplinen auseinanderzuset-zen. Wir laden jeden Bewerber zu einemGespräch ein und versuchen uns, ein Bildvon seiner Motivation und seinen Fähigkeiten zu verschaffen. Es ist wichtig, miteinem Anliegen, mit einer Frage, mit einer Beunruhigung oder Sehnsucht in einStudium einzutreten, sonst findet man keine Antworten.Zwar kommt der überwiegende Teil unserer Studenten nicht aus Waldorfschulen,aber unsere Erfahrung mit Absolventen von Waldorfschulen ist sehr positiv. Wal-dorfschüler sind häufig sehr motiviert, engagiert und fühlen sich in der Regel beiuns sehr wohl. AusGesprächen habe ich erfahren, dass dies daran liegt, dass sie ein-erseits dasGefühl haben, an einer ganz normalenHochschule zu studieren, und an-dererseits doch die Möglichkeit sehen, an Dinge anzuknüpfen, die sie aus ihrerSchulzeit kennen. Im Kunstbereich bietet das Studium auch eine Alternative zumAbitur, denn nach einer Begabtenprüfung ist der Einstieg in das Studium auch ohneAbi möglich, und der Abschluss des Kunststudiums enthält neben dem Hoch-schulabschluss automatisch auch das Abitur. Das heißt, ein Kunstabsolvent kannanschließend auch noch andere Studiengänge an anderen Universitäten beginnen.Die AlanusHochschule ist eine Kunsthochschulemit universitärem Status. Sie bie-tet verschiedene künstlerische und wissenschaftliche Studiengänge an. Regelvor-aussetzung für ein Studium ist die allgemeine Hochschulreife, doch die AlanusHochschule kann in ihre Studiengänge auch Studierwillige mit Berufsausbildungund -praxis aufnehmen sowie Anwärter ohne Hochschulreife, die eine besonderekünstlerische Begabung in einem Aufnahmeverfahren nachweisen. ‹›

Professor Marcelo da Veiga,Gründungsrektor an der

Alanus Hochschule in Alfter.

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2011 | Oktober erziehungskunst spezial

Über entscheidende Anforderungen an heutige Studierende oder Berufsanfängerzu schreiben, fällt nicht leicht. Und das vor allem, weil wir in Zeiten hohen Erwar-tungsdrucks leben: Sobald Sie heute gewisse Anforderungen artikulieren, produ-zieren Sie hochgejazzte Lebensläufe, die versuchen, genau diese Kriterien zuerfüllen.ImWissen um diese Paradoxie stelle ich dennoch drei Anforderungen ausmeinenBeobachtungen der letzten zehn Jahre an der Zeppelin Universität und an vielenSchulen zusammen – verbunden mit der Empfehlung, einfach so zu bleiben, wieman ist:

Die Grundfertigkeiten müssen sitzen: Lesen, Schreiben, Rechnen, Reden. Das Stu-dium an einer Hochschule und die Beschäftigung mit wissenschaftlichem Wissensowie die im Laufe des Studiums einsetzende eigene Produktion von wissenschaft-lichemWissen kann ohne diese Fertigkeiten nicht geleistet werden. Da helfen auchkeine ausgeprägten sozialen Kompetenzen oder der Gewinn von sieben Planspie-len. Die Schule muss den Schülern die Möglichkeit gegeben haben, sich diese vierFertigkeiten anzueignen.

Erfolgreiche Menschen beobachten ihre jeweiligen Umwelten und Märkte undentdecken Nischen, die andere nicht sehen. Eine präzise Beobachtungs- undWahr-nehmungskompetenz hilft Studierenden, ihre eigene Nische zu finden. Hoch-schulen können dies fördern, indem sieMöglichkeiten des Beobachtungstrainingsanbieten: Von der Bildanalyse in den Kunstwissenschaften bis hin zu kleinenintimen Runden, in denen Studierende mit Vorständen und Unternehmernplaudern und diese auf ihre Kompetenzen und Kompetenzsimulationen hin be-obachten.

Heute ist es nicht ausreichend, etwas zu wissen oder zu können.Manmuss es auchkommunikativ vermitteln können und wissen, wer die wichtigen »Spieler« sind.Hausarbeiten bereits in unteren Semestern können die schriftlichen Ausdrucks-

Tim Göbel, Vizepräsident derZeppelin-Universitätin Friedrichshafen

41ERWARTUNGEN

Was wünscht eine Uni vonihren Studenten?

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fähigkeiten von Studierenden fördern und unter Beweis stellen. Mündliche Präsen-tationen in Seminaren können für den späteren Elevator-Talk vorbereiten.

Graf Ferdinand von Zeppelin erlebte im Jahr 1908, acht Jahre nach der Jungfern-fahrt des Zeppelins, denAbsturz seines Luftschiffs bei Echterdingen. Er gab trotzdemnicht auf, glaubte an seine Idee, und heute gibt es immer noch Zeppeline. Derrichtige Umgang mit dem Scheitern – sei es bei einer Klausur oder einer Jobbe-werbung – will gelernt sein.

An der Zeppelin Universität gibt es unter den 772 Studierenden auch mehrereDutzend, die von Waldorfschulen zu uns gekommen sind. Bei ihnen stechen dreiWesensmerkmale hervor:Erstens: Eine hohe Identifikation mit der Bildungsinstitution und der Philosophieder Schule oder Hochschule. Der Schüler ist in solch einem Verhältnis kein reinerKonsument, der die Institution für seineZwecke der Bildungnutzt, sondern setzt sichmit ihr und ihrer Entwicklung aktiv auseinander. Dieses Sich-Auseinandersetzenträgt somit auch zur Identitätsbildung des Schülers bei. Viel Kritik an der Institutionund den leitenden Personen bedeuten keine Abkehr des Schülers von der Schule,sondern sind Zeichen einer starken Bindung.Zweitens: Ein hohes Maß an Eigeninitiative. Das Umfeld wird aktiv (mit-)gestaltet,neue Ideen werden entwickelt und realisiert. Der Schüler versteht sich als aktiverGestalter seiner jeweiligenUmwelten, nicht als reiner Konsument vonGegebenhei-ten. Diese Haltung hält oft ein Leben lang.Drittens: PassendeUnangepasstheit alsHaltung gegenüber Autoritäten.Wer sich inmodernerWeisemit der Idee derUniversität auseinandersetzt, konzentriert sich aufden kritischenUmgangmitWissen und auf dasMisstrauen demWissen gegenüber,das im Prozess zu immer neuemWissen führt. Eine guteMischung aus Demut vorErwachsenen – vor allem auf Basis des Erfahrungsvorsprungs der Älteren – sowieeine selbstbewusste Haltung vor dem Hintergrund des eigenen Wissens zeichnenWaldorfschüler aus. ‹›

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Waldorfschüler bringen die passende Unangepasstheit als

Haltung gegenüber Autoritäten mit.

42 ERWARTUNGEN

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1. »DieWelt brennt, und wirmachen Eurythmie« lautete der Titel unserer bundes-weiten Schülertagung. Es war die Zeit des ersten Irakkriegs, ich besuchte die11. Klasse, nachmittags gingen wir demonstrieren.Der Satz war ernst gemeint. Können wir nette Kunst machen, solange Notärzte,Lebensmittel für hungernde Kinder oder Feuerwehrleute dringender gebrauchtwerden?Mit der Frage blieben wir allein. Kein Lehrer griff sie auf … bis auf einen: Errezitiertemit uns Goethes »Prometheus« auf demSchlossplatz.Wir verstanden ihnohne große Erklärung. Wahrscheinlich würde er heute keine Anstellung in derOberstufe bekommen – als Schauspieler ohne Prüfungsberechtigung. Doch beiihm war Kunst mehr als bürgerliches Statussymbol, Sahnehäubchen, lauwarmesGewedel oder Ego-Shooting. Kunst hatte bei ihm keinen Zweck, sie hatte Sinn.

2. Erziehungskunst. Ich hatte damals nur eine dunkle Ahnung und verstand erstspäter, dass das, was die Erziehung in der Waldorfschule ausmacht, nicht in der di-rekten Anwendungsmöglichkeit zu suchen ist. Freilich habe ich eineMenge Prakti-sches gelernt, vom Melken über das Musikinstrument bis zum Grundverständniseines Computer-Chips.Undnebenbei erlangte ich ein sehr gutes Ergebnis imMathe-Leistungskurs. Doch solche allgemeinen Kulturpraktiken kann jede Pädagogikvermitteln. Dagegen waren die Bewegungen der Eurythmie, die genauen Beobach-tungen in der Naturwissenschaft oder die Denkübungen anhand von Parabeln undParallelen keine Vorbereitungen für gute Künstler oder Bauzeichner. Sie stärktendasDenken, trainierten denUmgangmitGefühlen undwaren anregend für eine pro-duktive Auseinandersetzung mit der Welt.

3. Im Sportverein oder im Tanzkurs begegneten uns die Standardfragen: Fühlt IhrEuch eigentlich irgendwie anders? Habt Ihr es schwerer, in der Gesellschaft zu be-stehen, Euch zu bewerben oder einzugliedern? Schön, dass Ihr so vielMusikmacht,aber was ist das eigentlich, dieser Tanz mit Schleiern, die – wie heißt das nochmal …? Jeder Waldorfschüler hat seine Antworten darauf. Auch wenn er sich fühlt,

43ERWARTUNGEN

Fragen eines Ehemaligenan die Waldorfschulevon Benjamin Kolass

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wie ein bemitleideter Eisbär im südländischen Zoo, wenn er versichert, dass er sehrgut in dieserWelt klar kommt.Heutemöchte ich demwidersprechen.Wir kommennicht klar. Weil die Gesellschaft anders ist. Und es wäre doch schade, wenn die exo-tischenUnterrichtsfächer, die vielen Elternabende und Konferenzen nur dazu dien-ten, uns besser einzugliedern, erfolgreicher zu sein.Woranmisst dieWaldorfwelt ihren Erfolg?WelcheMaßstäbe könnte es geben außerder Abi-Quote und der Anzahl akademischer Titel? Die vielen interessanten und in-dividuellen Persönlichkeiten, die jährlich die Schule verlassen, sind schwermessbar.Doch ihre Qualitäten könnten sichtbarer werden, wenn zumBeispiel Dinge wie dieJahresarbeiten einen höheren Stellenwert bekämen. Denn wir haben mehr zu bie-ten als konservative Innenminister und Hollywood-Sternchen.

4. Was brauchen Waldorfschüler nach der Schule? Gewiss sollen sie sich mit derWelt, in der sie leben, auseinandersetzen, mit ihr ringen und sie verändern. Einekonstruktive Auseinandersetzung steht mit der Frage der Berufsfindung an. Brau-chen wir Arbeitsamt-Broschüren im Schülercafé? Der eben neu erschienene Film»Berufswege« (www.berufswege.com) zeigt beispielhaft, wie es anders gehen kann.Wo setzen wir fort, was wir als Ideal in der Erziehung etabliert haben: etwas aus In-teresse undBegeisterung zu tun?Oder:Wie erhalte und entwickle ich Begeisterung,auch später an denAufgaben in derGesellschaft?Wo sind die anthroposophisch ori-entierten Institutionen, die akzeptieren, dass wir anders sind? Nicht schräger, bun-ter, künstlerischer – sondern anders!

5. Spätestens als ichmeine Tanzkurs-Liebe für einen Tag imGymnasiumbesuchte,war klar, dass ich auf der richtigen Schule war. Jetzt wollte ich wissen, was an mei-ner Schule anders ist. Und bis heute bedauere ich die Angst vor zu viel Ideologie. Diebeinahe feige Verdrängung, das Nicht-Wissen macht uns zum Sklaven der Ge-wohnheiten.Wissen um dieHerkunft, um die Grundlagen einer Erziehung ermög-licht einen produktiven Umgang damit.

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Wir haben mehr zu bieten alskonservative Innenministerund Hollywood-Sternchen.

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Wo sind die anthroposophisch orientierten Institutionen,

die akzeptieren, dass wir anders sind?

Nicht schräger, bunter, künstlerischer – sondern anders!

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2011 | Oktober erziehungskunst spezial

Ist es vielleicht an der Zeit, amUrsprung wieder anzuknüpfen, an dem dieWaldorf-schule Teil undFolge einer Bewegungwar, die alle Bereiche derGesellschaft berührte,die die feudale und bürgerliche Restkultur ablöste und die sozialistische Bewegungwesentlich transformierte? – Vielleicht wird das jetzt im Ländle wieder möglich.Inwieweit sind die Waldorfschulen noch ein ernstzunehmender, erneuernderKulturfaktor? Oder werden sie von den Medien nur deshalb abwechselnd mit halb-wohlwollender Ironie besprochen oder in die Rassismus-Ecke geschubst, weil mansie als Privatschulbewegung in dieser Größe mit einer Zielgruppe, die überdurch-schnittlich viele lesendeMenschen aufweist, nicht ganz vernachlässigen kann?Wasbewegen die Waldorfschulen darüber hinaus?

6. Manchmal frage ichmich: Sollte ich in guter alter Familientradition, nach Groß-vater und Vater nicht auchWaldorflehrer werden? Doch nach wie vor schreckt michdie Institution Schule als solche ab. Sie ist wie ein Krankenhaus oder Altenheim,eine Welt in der Welt, mit starren eigenen Regeln, sozialen Beziehungen und Ver-haltensmustern. Das ist sinnvoll, denn heranwachsende Menschen brauchen das.Und es ist Unsinn, denn die Regeln und Verhaltensmuster sind längst nicht mehrfür alle gleich. Würde mich ein erfahrener Lehrer zur Hospitation in einer Epocheeinladen, ich würde wahrscheinlich kommen. Doch ins Seminar sitzen? Mein Un-terrichtsstoff wäre sekundär. Ich würde unterrichten, was aktuell im Leben anstehtund an diesem Stoff Methoden vermitteln, grundlegende Fähigkeiten die überallgebraucht werden.An meiner alten Schule unterrichtete ich Projektmanagement parallel zum Einstu-dieren eines Klassenspiels. Ich freute mich darauf, mit den Schülern etwas zuentwickeln. Doch sie waren vor allem darin geschult, Aufgaben im 45-Minuten-Takt abzuarbeiten.Wo sind das selbstständigeDenken, das eigenverantwortliche Be-arbeiten von Aufgaben über einen längeren Zeitraum geblieben?

7. Die eigentliche Frage ist jedoch nicht, was ich erlebt habe und anders oder gleichmachenwürde. Die Frage ist, wiemuss Erziehung sein in einer Gesellschaft, in wel-cherMenschen heranwachsen, die eineWelt ohneHandy undComputer nichtmehrerlebt haben, die völlig neue Kommunikations- undBeziehungsformen, ein anderesRezipieren der Welt, ein anderes Denken und neue Umgangsformen entwickeln?Was braucht es im neuen Jahrtausend, um Schule zu machen? Sind die Waldorf-schulen da noch unserer Kultur voraus? Oder rennen sie hinterher? ‹›

Zum Autor: Benjamin Kolass, Jahrgang 1975, besuchte die Waldorfschule Engelberg. Studium

der Literatur und Geschichte in Berlin, Young Entrepreneur Programm, Kunstschaffender und

Herausgeber der »projekt.zeitung«.

projekt.zeitung.Texte zu Arbeit und Berufsfindungmit DVD des Films »Berufswege«von J. Conens und C. Schwarzüber drei ungewöhnliche Berufs-wege. Beiträge von W.-U. Klünker,J. Conens, J. v. d. Meulen,O. Bishop, F. Lück.ISBN 978-3-941667-15-0

Zu beziehen über:www.projektzeitung.orgprojekt.zeitung, Wichertstr. 44,10439 BerlinE-Mail: [email protected],

45ERWARTUNGEN

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www.schule-beruf.dewww.info3.de (Sonderheft Berufsbildung, erscheint jährlich als Beilage)www.freunde-waldorf.de (Freiwilligendienste)www.eos.de (Freiwilligendienste)www.jugendseminar.dewww.waldorfschule.info (grundständige Waldorflehrerausbildung, Tagungen,Fortbildungen Oberstufe)www.bildung-fuers-leben.dewww.waldorf-aktuell.dewww.waldorfkindergarten.de (Waldorferzieherausbildung)www.youthsection.orgwww.horizoninternational.de (Auslandsaufenthalte während der Schulzeit)www.freunde-waldorf.de (Schüleraustausch)www.waldorf-sv.de (Waldorfschülervertretung/Schüleraustausch national)www.waldorf-direkt.com

Wenzel Götte: »Oberstufe und Jugendalter«, in: P. Loebell:Waldorfschule heute,

Stuttgart 2011Wenzel Götte: »Das Jugendalter«, in: W. Götte/ P. Loebell/ K.-P. Maurer:Entwicklungsaufgaben und Kompetenzen, Stuttgart 2009Tobias Richter: Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele. Vom Lehrplan der

Waldorfschule, Stuttgart 2010Monika und Helmut Kiel-Hinrichsen: Pubertätssprechstunde, Stuttgart 2009Henning Köhler: Jugend im Zwiespalt, Stuttgart 2009

www.bli-hamburg.de (Bernard Lievegoed-Institut)www.janusz-korczak-institut.de (Henning Köhler)www.forum-zeitnah.de (Monika Kiel-Hinrichsen)www.naatsaku.de (Markus von Schwanenflügel)

www.interesse-ev.de (Angelika Ludwig-Huber)

www.apf-nrw.dewww.ecswe.orgwww.epc-group.org

www.cg-sozialwerke.dewww.artaban.infowww.aventerra.dewww.eos-ep.de

www.jugendsymposion-kassel.dewww.freie-schule.de

erziehungskunst spezial Oktober | 2011

Links:

Literatur:

Therapie / Time out:

Schülermediation / Streitschlichter:

Abschlüsse / Portfolio:

Freizeit / Ferienlager:

Sonstiges:

46 SERVICE & INFO

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Page 47: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

Bestellen Sie im Internet: www.waldorfbuch.de oder per Fax bei: DRUCKtuell, Benzstr. 8, 70839 Gerlingen, Fax: (07156) 2008-26

Pädagogische Forschungsstellebeim Bund der Freien Waldorfschulen

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Das Abschlussportfolio der Wal-dorfschulen in Nordrhein-West-falen ist auf eine breite Doku-mentation von Kompetenzen und waldorfspezifischen Unterrichtsin-halten angelegt und wird am Ende der 12. Klasse vergeben.

• Befähigungsnachweis statt Berechtigungsschein

• Vielfalt statt Einheit und Normierung

• Individualisierung und Chancengerechtigkeit

• Lernkompetenz für lebenslanges Lernen

• Übergang von Schule zu Beruf

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Page 48: Erziehungskunst Spezial Oberstufe

Verlag Freies Geistesleben : Wissenschaft und Lebenskunst

Johannes Kühl

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