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2 © 2012 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · geotechnik 35 (2012), Heft 1 Eurocodes in der Geotechnik – Ein echter Fortschritt? Die Entwicklung der Eurocodes ist aus einem Aktionsprogramm der Europäischen Kommission aus dem Jahre 1984 hervorgegangen. Mit Stichtag zum 01.07.2012 werden die Eurocodes in Deutschland bauauf- sichtlich eingeführt und die überholten nationalen Normen aus der Liste der Technischen Baubestimmungen herausgenommen. Damit wird deren Anwendung eindeutig geregelt und die bisherige Koexistenz, die uns doch einiges Kopfzerbrechen bereitete, ist Geschichte. In der Geotechnik hatten wir es in Deutschland mit der Entwicklung der Eurocodes nicht wirklich leicht. Erst seit Herbst 2011 steht uns hier das Handbuch Eurocode 7 mit der DIN EN 1997 und den damit korres- pondierenden nationalen Normen zur Verfügung. Den Beteiligten ist für dieses Handbuch höchste Anerkennung zu zollen; die Umsetzung in der Praxis fordert jetzt alle Ingenieure. Da mit der Schaffung der Eurocodes eine Trennung zwischen Bemessung und Ausführung verbunden war, er- gab sich für alle relevanten Normen des Spezialtiefbaus die besondere Situation, dass reine Ausführungsnormen zu gestalten waren. Dies erfolg- te auf europäischer Ebene durch die Arbeitsgruppe TC 288, in der auch die ausführenden europäischen Firmen stark engagiert waren und die bis heute unter deutscher Führung steht. Die erste Norm (DIN EN 1536 für Bohrpfähle), die ebenso unter deutscher Leitung entstand, erschien bereits 1999 und wurde schon im Jahre 2010 überarbeitet. Wie bei jeglicher Einführung neuer Systeme stellt sich die Frage nach dem Nutzen und dem Fortschritt. Der Vorwurf eines zu großen Umfangs der Normen kann nicht pauschal zurückgewiesen werden, hier kann je- doch die deutsche Geotechnik durch intensive Mitarbeit in nationalen und europäischen Gremien mittelfristig sehr wohl Einfluss nehmen. Aus der Sicht des Ingenieurs in einem ausführenden Unternehmen ist eine konsequente Umsetzung der Eurocodes nur zu begrüßen. Neben einer effizienteren Einarbeitung und Weiterbildung junger Ingenieure ist deren Einsatz bei europäischen Projekten sehr viel einfacher. Erfahrungen aus abgeschlossenen Baustellen lassen sich besser vergleichen, auswerten und für neue Projekte nutzen. Der Kunde kann sehr viel leichter technisch an- spruchsvolle Projekte europaweit ausschreiben, wodurch sich die Chance für einen Qualitätswettbewerb ergibt, den wir in Deutschland so schmerz- lich vermissen. Die Harmonisierung der Normen fördert den Binnenmarkt in allen Segmenten, nicht nur für Ausführende, sondern ebenso für Liefe- ranten, Gerätehersteller, Beratende Ingenieure und planende Büros. Ich kann die Fragestellung nach dem Fortschritt daher nur bejahen und Sie auffordern, das Thema Eurocodes in der Geotechnik weiter kon- struktiv zu diskutieren und sich an der Normungsarbeit aktiv zu beteili- gen. Dies bietet für die deutsche Geotechnik ein enormes wirtschaftliches Potenzial und sichert uns allen den technischen Fortschritt. Glück Auf Roland Jörger Editorial

Eurocodes in der Geotechnik – Ein echter Fortschritt?

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2 © 2012 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · geotechnik 35 (2012), Heft 1

Eurocodes in der Geotechnik – Ein echter Fortschritt?

Die Entwicklung der Eurocodes ist aus einem Aktionsprogramm der Europäischen Kommission aus dem Jahre 1984 hervorgegangen. MitStichtag zum 01.07.2012 werden die Eurocodes in Deutschland bauauf-sichtlich eingeführt und die überholten nationalen Normen aus der Listeder Technischen Baubestimmungen herausgenommen. Damit wird derenAnwendung eindeutig geregelt und die bisherige Koexistenz, die uns docheiniges Kopfzerbrechen bereitete, ist Geschichte.

In der Geotechnik hatten wir es in Deutschland mit der Entwicklungder Eurocodes nicht wirklich leicht. Erst seit Herbst 2011 steht uns hierdas Handbuch Eurocode 7 mit der DIN EN 1997 und den damit korres-pondierenden nationalen Normen zur Verfügung. Den Beteiligten ist fürdieses Handbuch höchste Anerkennung zu zollen; die Umsetzung in derPraxis fordert jetzt alle Ingenieure. Da mit der Schaffung der Eurocodeseine Trennung zwischen Bemessung und Ausführung verbunden war, er-gab sich für alle relevanten Normen des Spezialtiefbaus die besondere Situation, dass reine Ausführungsnormen zu gestalten waren. Dies erfolg-te auf europäischer Ebene durch die Arbeitsgruppe TC 288, in der auchdie ausführenden europäischen Firmen stark engagiert waren und die bisheute unter deutscher Führung steht. Die erste Norm (DIN EN 1536 fürBohrpfähle), die ebenso unter deutscher Leitung entstand, erschien bereits1999 und wurde schon im Jahre 2010 überarbeitet.

Wie bei jeglicher Einführung neuer Systeme stellt sich die Frage nachdem Nutzen und dem Fortschritt. Der Vorwurf eines zu großen Umfangsder Normen kann nicht pauschal zurückgewiesen werden, hier kann je-doch die deutsche Geotechnik durch intensive Mitarbeit in nationalenund europäischen Gremien mittelfristig sehr wohl Einfluss nehmen.

Aus der Sicht des Ingenieurs in einem ausführenden Unternehmen isteine konsequente Umsetzung der Eurocodes nur zu begrüßen. Neben einereffizienteren Einarbeitung und Weiterbildung junger Ingenieure ist derenEinsatz bei europäischen Projekten sehr viel einfacher. Erfahrungen ausabgeschlossenen Baustellen lassen sich besser vergleichen, auswerten undfür neue Projekte nutzen. Der Kunde kann sehr viel leichter technisch an-spruchsvolle Projekte europaweit ausschreiben, wodurch sich die Chancefür einen Qualitätswettbewerb ergibt, den wir in Deutschland so schmerz-lich vermissen. Die Harmonisierung der Normen fördert den Binnenmarktin allen Segmenten, nicht nur für Ausführende, sondern ebenso für Liefe-ranten, Gerätehersteller, Beratende Ingenieure und planende Büros.

Ich kann die Fragestellung nach dem Fortschritt daher nur bejahenund Sie auffordern, das Thema Eurocodes in der Geotechnik weiter kon-struktiv zu diskutieren und sich an der Normungsarbeit aktiv zu beteili-gen. Dies bietet für die deutsche Geotechnik ein enormes wirtschaftlichesPotenzial und sichert uns allen den technischen Fortschritt.

Glück Auf

Roland Jörger

Editorial