Evolon Modell

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Evolon Modell

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  • Forstw. Cbl. 120 (2001), 53-67 9 2001, Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin [SSN 0015-8003

    Beschreibung und Interpretation des Fichtenwachstums mit Hilfe des Evolon-Modells

    Description and interpretation of the growth of spruces by means of the Evolon-model

    Von W. MENDE und K.-E ALBRECHT

    Zusammenfassung Das Wachstum der mittleren Bestandesh6he yon Fichten (Picea abies) wird mit Hilfe des Evolon- Modells fiir verschiedene Standor~klassen beschrieben. Die Daten sind den Wachstumstafeln yon A. v. GU'~ENBERG (1915) enmommen. Im Ergebnis einer Parameteroptimierung wird fOr die Anfangs- phase des Wachstu msprozesses parabolisches Wachstum (~ = 0,41 ) und for die sich anschlief~ende Siit- tigungsphase hyperbolische Annaherung (k = 1,67) an den Sittigungswert erhalten. Die Werte fOr die beiden skaleninvarianten Evolon-Modellparameter g und ~. k6nnen folgendermaflen interpretlert werden: Zu Anfang ist der Wachstumsprozeg hauptsichlich yon innen heraus entsprechend der artspezifischen Erbinformation programmiert. Dieser Tell des Wachstumsprozesses wird dutch den Parameter ~ beschrieben. In der spiteren Siittigungsphase werden 6kologische Grenzen wirksam. In dieser Phase vollzieht der Baum einen individuellen Anpassungsprozeg an seine den speziellen Stan- dortbedingungen entsprechenden Wachstumsgrenzen. Dieser Siittigungsprozeg wird durch den Para- meter k beschrieben. Drei Parameter des Evolon-Modells erweisen sich als nahezu unabh~ingig yon der Standortklasse. Nur for die beiden Baumh6hen repr~isentierenden Parameter ergibt sich eine deut- liche Abhangigkeit yore Standort. Die Beschreibung der Daten durch das Evolon-Modell ist deutlich besser als die Beschreibung mit dem hiiufig benutzten Richards-Modell. Gleichzeitig liefert das Evo- ]on-Modell realititsn~ihere Prognosen.

    Schl/isselw6rter: Wachstumsmodellierung, Evolon-Modell, Richards-ModeH, Bestandesh6henwachs- turn, Gemeine Fichte.

    Summary The growth of the mean stand height of spruces (Picea abies) for different site classes is described using the Evolon model. The data are taken from growth tables established by A. v. GUTTENBERG (1915). As a result of a parameter optimisation we obtain parabolic growth (~: = 0.41) for the initial growth phase and hyperbolic asymtotic approximation (k = 1.67) to the saturation value during the later sat- uration phase. The values for the scale-independent parameters ~: and ;k of the Evolon model can be interpreted as follows: The initial growth process is mainly determined by the genetic information of the given species. This growth phase is described by the parameter K:. In the later saturation phase, however, ecological limitations come into effect. During this phase the tree undergoes an adaptation process to its individual growth limit caused by the site conditions. This saturation process is described by the parameter ~.. Three parameters of the Evolon-model do not show a clear dependence on the site conditions. Only two parameters, which represent tree heights, depend clearly on the site conditions. The description of the data by the Evolon-model is remarkably better than the descrip- tion by the commonly used Richards model. Simultaneously the Evolon model provides more realis- tic growth predictions than the Richards-model does.

    Keywords: Growth modelling, Evolon-model, Richards-mode[, forest stand height growth, Norway spruce.

    1 Einleitung

    Seit ca. 200 Jahren wurden wiederholt Versuche unternommen, das Baumwachstum mittels einfacher phiinomenologischer Wachstumsmodelle zu beschreiben (siehe z.B. ROMiSCH I979 und ZF~DE t993). Ein wichtiges Motiv daf6ir war der Wunsch, das Wachs-

    U.S. Copy right Clearance Center Code Statement: 0015-8003/2001 / 12002-0053 $15.00/0

  • 54 W.. Mende und K.-E Albrecht

    tum in Forstbest~inden in einfacher Weise zu charakterisieren und zu prognostizieren (ROHLE 1995). Bei derartigen ph~inomenologischen das resultierende Gesamtverhalten beschreibenden Modellen wird auf die vielen Faktoren und Teilprozesse, die zum Wachs- tum beitragen, nicht explizit eingegangen; sondern stellvertretend ffir das gesamte wach- sende System wird nut das Anwachsen eines geeigneten Wachstumsindikators betrachtet. Auch das Evolon-Modell, das hier auf das Wachstum yon Fichtenbest~inden angewendet wird, geh6rt zu dieser Modellklasse. Als Wachstumsindikator wird die mittlere Bestan- desh6he gewiihlt und als Datenbasis dienen Werte fiir mittlere Bestandesh/Shen yon Fich- tenbestiinden im Hochgebirge (GuTrENBERG 1915). Das Evolon-Modell wurde bisher auf eine Reihe unterschiedlicher Wachstumsprozesse angewendet. Dabei wurden in der Regel beachtlich gute Resulate und erzielt. Es erscheint naheliegend die Eignung des Modells auch for die Anwendung auf Wachstumsprozesse in der Forstwirtschaft zu untersuchen.

    Es wird sich zeigen, dai~ das Evolon-Modell ist in der Lage ist, das H6henwachsmm yon Fichtenbestiinden sehr gut zu beschreiben und daft es gegeniiber der Beschreibung mit dem h~iufig benutzten Richards-Modell deutliche Vorteile bietet.

    2 Die Daten zum Fichtenh6henwachstum

    Bei den benutzten Daten handelt es rich um mittlere Bestandesh6hen, die dutch Adolf Rit- ter v. GUTTENBERG (1915) for 5 Standortklassen ermittelt wurden. Dazu hat er insgesamt 170 Probefliichen yon Fichtenbest/inden im Hochgebirge herangezogen (TabeUe 1).

    Tabelle l. Anzahlen der den Standortklassen zugeordneten Probefliichen. Table 1. Numbers of trial areas for the different site classes.

    Standortklasse 1 2 3 4 4-5 5

    Anzahl der Probefliichen 46 58 36 22 5 3

    Durch v. GUTTENBERG wurden aufgrund seiner forstlichen Erfahrungen aus ~ilteren Bestiinden typische Fichtenexemplare sorgf/iltig ausgewiihlt und hinsichtlich des Wachs- turns ihrer H6hen, Durchmesser und welter Parameter analysiert. Dabei ging es v. GUT- TENBERG besonders darum, das lagrmalr Wachstum herauszufinden, getreu dem von Ale- xander v. HUMBOLDT stammenden und bei v. GtJ l I~.NBERG ausdfiicklich zitierten Motto: .... den mjl;fleren Zustand zu erforschen, um welchen bei der scheinbaren Ungebunden- heir der Natur alle Phiinomene innerhalb enger Grenzen oszillieren. ~ Die Jahresringe wur- den an Schnitten der ausgewiihlten gef~illten Fichtenst/imme vermessen und daraus die Fichtenh6hen in Abh~ingigkeit vom Baumalter graphisch rekonstruiert. Die H6hen der analysierten B~iume wurden gemittelt und eine Regressionsbeziehung zwischen den H6hen und Stammdurchmessern hergeleitet. Vermittels dieser Beziehung und der gemes- senen Stammdurchmesser der Biiume wurden die Ergebnisse der Stammanalysen auf die jeweiligen mittlere Bestandesh6he der Probefliichen hochgerechnet. Gegebenenfalls wur- den, dabei notwendige spezielle Korrekturen vorgenommen. Wie den Seiten 8, 34 und 51 der Arbeit A. v. GUTrENBERGS (1915) zu enmehmen ist, gestaltete sich die richtige Bestim- mung der Bestandesh6hen for die schlechten Standortklassen 4 und 5 insbesondere ffir das Jugendstadium schwierig. Wie in Tabelle 1 angedeutet, ist die Anzahl der diesen Standort- klassen zugeordneten Probefliichen besonders klein. Gleichzeitig wird fiir diese Standort- klassen das Wachstum in der Jugendphase durch tanganhaltende hohe Schneetagen beson- ders stark beeintr~ichtigt. Somit ist bei der Bestimmung der mittleren Bestandesh6he for die schlechten Standortklassen 4 und 5 eine geringere Genauigkeit insbesondere im Jugendstadium zu erwarten.

    Die durch v. GUTFENBERG (1915) angegebenen mittleren Bestandesh6hen ffir Fichten im Hochgebirge sind den Wachsmms- und Ertragstafeln enmommen und in Tabelle 2

  • Bescbreibung und Interpretation des Ficbtenwacbstums mit Hilfe des Evolon-Modells 55

    Tabelle 2. Durch v. GLr'v~I~BERG ermittelte Fichtenh6hen (GW), Evolon-Modellwerte (EW) und Richards-Modellwerte (RW) ffir Fichtenh6hen der verschiedenen Standortklassen (SK). Table 2. Heights of spruces determined by v. GtrlTENBERG (GW) and corresponding values of the Evolon model (EW) and the Richards model (RW) for the different site classes (SK).

    SK 1 2 3 4 5

    H6he [m] H6he [m] tt6he [m] H6he [m] H6he [m]

    Alter, RW GW EW RW GW EW RW GW EW RW GW EW RW GW EW Jahre H6he, m H6he, m H6he, m H6he, m H6he, m

    10 1,40 1,4 1,40 1,I0 1,1 1,I0 0,90 0,9 0,90 0,07 0,7 0,70 0,15 0,0 0,18 20 5,33 5,3 5,30 4,11 4,1 4,08 3,22 3,2 3,20 2,42 2,4 2,41 1,30 1,3 1,30 30 9,99 10,0 10,02 7,81 7,8 7,81 6,12 6,1 6,12 4,53 4,5 4,52 2,81 2,8 2,79 40 14,63 14,7 14,72 11,61 11,6 11,67 9,17 9,2 9,21 6,76 6,8 6,77 4,44 4,4 4,43 50 18,92 19,0 19,00 15,22 15,3 15,31 12,13 12,3 12,20 8,98 9,1 9,01 6,07 6,1 6,08 60 22,72 22,8 22,74 18,52 18,6 18,58 14,86 15,0 14,94 11,11 11,2 11,15 7,66 7,7 7,68 70 26,00 26,0 25,94 21,44 21,5' 21,45 17,36 17,4 17,39 13,11 13,2 13,15 9,17 9,2 9,20 80 28,79 28,7 28,64 23,98 24,0 23,93 19,56 19,5 19,54 14,96 14,9 14,98 10,59 10,6 10,61 90 31,12 31,0 30,93 26,16 26,1 26,05 21,48 21,3 21,42 16,65 16,5. 16,65 11,90 11,9 11,91

    100 33,07 32,9 32,87 28,01 27,9 27,88 23,15 22,9 23,05 I8,19 18,0 18,17 13,10 13,I 13,11 110 34,67 34,5 34,51 29,58 29,4 29,45 24,58 24,3 24,47 19,57 19,4 19,53 14,21 14,2 14,20 120 35,99 35,8 35,92 30,90 30,7 30,80 25,80 25,6 25,71 20,81 20,7 20,76 15,21 15,2 15,19 130 37,07 37,0 37,13 32,00 31,9 31,97 26,84 26,8 26,79 21,91 21,9 21,86 16,12 16,1 16,10 140 37,96 38,1 38,17 32,91 33,0 32.99 27,71 27,9 27,73 22,89 23,0 22,86 16,95 16,9 16,92 150 38,68 39,1 39,08 33,67 34,0 33,89 28,45 28,9 28,56 23,76 24,0 23,76 17,69 17,7 17,67 200 40,68 42,23 35,91 37,00 30,72 31,53 26,80 27,15 20,42 20,57 300 41,62 45,17 37,08 39,96 32,02 34,41 29,21 30,76 22,87 23,81

    unter GW aufgefiihrt sowie in Abbildung la veranschaulicht. Es ist zu bemerken, dal~ die- se Daten keine direkten Mef~werte darstellen, sondern daf~ es sich um Gr6f~en handelt, die durch statistische Analysen und graphische Gl~ittungen ermittelt wurden. Dieselben Daten wurden auch yon anderen Autoren benutzt, um die Anwendbarkeit yon Wachstumsmo- dellen zu testen (z.B. THOMASIUS 1962 u. 1964, ROMISCH 1979, ZF.IDE 1993).

    3 Das Evo lon-Mode l l

    Das Evolon-Modell wurde Anfang der siebziger Jahre im Zusammenhang mit Wachstums- untersuchungen und der Frage nach der Systematisierung yon Wachstumsprozessen ent- wickelt (MENDE 1985). Es hat die Form einer autonomen nichtlinearen Differentialglei- chung fiir den Zuwachs des Wachstumsindikators X(t):

    dX/dt = cX'~(B - X) ~ f/Jr 0 0 (1)

    Das Evolon-Modetl besteht aus zwei mukiplikativ gekoppelten Termen. Der erste Term: cX ~ bedingt das Anwachsen der Zuwiichse wiihrend des anf~nglichen Wachstums und der zweite Term: (B-X) x" bewirkt die Abnahme der Zuw~ichse wiihrend des sp~iteren S~tti- gungsprozesses. Die Modellparamcter des Evolon-Modells sind:

    c = Geschwindigkeitsparameter, B = Siittigungswert (Maximalwert des Wachstumsindikators), ~r = Exponent fiir die anf//ngliche Wachstumsphase k = Exponent fiir die Siittigungsphase des Wachstums und X(t0) = X0 = Startwert fiir die Integration zum Zeitpunkt to.

  • 56 W. Mende und K.-E Albrecht

    Die Exponenten K und k reflektieren skalenunabh~gige Systemeigenschaften. Insbeson- dere bestimmen sie die qualitativen Eigenschaften der Ann~iherung an den Anfangs- und Endzustand.

    Im Allgemeinen gibt es keine explizite analytische Darstellung fiir die L6sung der Glei- chung (1). Die Wachstumskurve X(t) kann aber in jedem Falle fiir beliebige ir und k-Wer- te durch numerische Integration der Evolon-Modellgleichung erhalten werden. Dazu wird ein Startwert X(to) ben6tigt. (Es wurde hier to = 70 Jahre gew~ihlt und die Modellwerte fiir vor und nach to gelegene Zeitpunkte wurden durch Riickw~irts- und Vor'wiirtsintegration erhalten.)

    Formal gesehen ist das Evolon-Modell eine Verallgemeinerung des vielfach verwende- ten logistischen Modells 0r = ~- = 1). Der Wachstumsterm des Evolon-Modells allein

    dX/dt = cX ~ (2)

    ergibt fiir Ir < 1 parabolisches Wachstum:

    X(t) = const.(t- to) ~ mit 0~ = 1/(1 - ~c) und t_> to (3)

    f/Jr ~: = 1 exponentielles Wachstum:

    X(t) = const.exp(c(t- to)) (4)

    und fiJr g > 1 hyperbolisches Wachstum:

    X(t) = const./(to-t)~ mit [3 = I/0c-1) und t < to (5)

    Die Eigenschaft parabolisch, exponentiell oder hyperbolisch zu wachsen ist skaleninvari- ant. Das exponentielle Wachstum bildet die Grenze zwischen parabolischem und hyper- bolischem Wachstum. Empirisch zeigt es sich, dat~ bei den weitaus meisten Wachstums- prozessen die Wachstumsindikatoren in der Anfangsphase entweder parabolisch 0r 1; wie z. B. beim Wachstum eines Menschen) oder hyperbolisch 0r 1; wie z. B. beim Wachs- tum der Weltbev61kerung) wachsen (MENDE 1985). Exponentielles Wachstum ist dagegen viel seltener. Bei realen komplexen Wachstumsprozessen bleibt (w~rend ihrer anf~ngli- chen Phase) der relative Zuwachs nur in Ausnahmef~illen konstant. Bei der Untersuchung verschiedener realer Wachstumsprozesse hat sich herausgestellt, daf~ dem hyperbolischen Wachstum 0r 1) und dem parabolischen Wachstum 0r 1) unterschiedliche Prozel~cha- raktere entsprechen. Dieser Umstand wurde als Klassifikationsregel (MENDE 1985) for- muliert. Demgem~if~ gibt es zwei Klassen yon Wachstumsprozessen mit wesentlich unter- schiedlichen Eigenschaften. Die Klassenzugeh6rigkeit des anf~inglichen Wachstumspro- zesses spiegelt sich bei der Beschreibung mit dem Evolon-Modell im Weft fiir den Exponenten Ir wider: Fiir programmierte Wachstumsprozesse, bei denen vorgegebene Wachstumsziele realisiert werden, ergeben sich ~c-Werte kleiner als eins. Wiederholtes Aus- fiihren eines solchen Wachstumsprogramms fiihrt zu nahezu identischen Kopien. F/Jr nicht vorprogrammierte (Prim~ir-) Prozesse, wie sie z. B. fiir die biologische Evolution cha- rakteristisch sind, werden dagegen ~r gr61~er als eins erhalten. Hierbei spielen im Gegensatz zu den programmierten Prozessen .Innovationen" eine Schliisselrolle.

    Die Zuwachsgleichung (2) beschreibt unbeschr~inktes Wachstum. Im Falle ~c> 1 hat der Wachstumsindikator sogar einen Pol zu einem endlichen Zeitpunkt to. Unbeschr~inktes Wachstum kommt friJher oder sp~iter in Konflikt mit der endlichen Umwelt, auf deren ,Kosten" sich das Wachstum vollzieht. Daher wurde zur Beschreibung der Abbremsung des Wachstums ein zu (2) analoger Term fiir die Gr6f~e Y(t) = B- X(t) konstruiert:

    dY/dt = cY x = c(B-X) x. (6)

  • Beschreibung und Interpretation des Ficbtenwachstums mit Hilfe des Evolon-Modells 57

    Dieser Term beschreibt die Ann~herung des Wachstumsindikators X(t) an die Gr6fle B w~.hrend des Siittigungsprozesses, wobei je nach k-Weft diese Anniiherung wieder para- bolisch (k< t), exponenfiell (k = 1) oder hyperbolisch (k> 1) verlaufen kann. Die multipli- kative Kopplung beider Teilprozesse ergibt dann das Evolon-Modell in der hier verwen- deten Form (1).

    Analog wie beim Exponenten ~ wird die Klassifikationsregel auch fiir den Exponenten k formuliert. Demnach erfolgt der S~.ttigungsprozefl parabolisch (k < 1) fiir programmier- te Prozesse, wogegen er hyperbolisch (k > 1) fiir solche Prozesse vert~iuft, die nicht vor- programmierte multifaktorielle Anpassungsprozesse an die Wachstumsgrenzen sind. W~ihrend'ffir k < 1 der Wert B durch X(t) zu einem endlichen Zeitpunkt erreicht wird, wird ffir k> 1 der B-Weft mit wachsendem t dutch X(t) zwar immer welter angeniihert aber zu endlichen Zeiten nicht erreicht.

    Die Klassifikationsregel hat sich bei vielen untersuchten Wachstumsprozessen immer wieder bew~.hrt (MENDE und Pr.SCHEL 1977), (MENDE 1985), (PEsCHEL und MENDE 1983), (MENDE und ALB~CHT 1987), (MrNr)r und ALBRECHT 1990). Das Evolon-Modell bietet in Verbindung mit der Klassifikationsregel fiir Wachstumsprozesse die M6glichkeit einer inhaltlichen Interpretation der Werte fiir die Parameter Ir und k. Diese Parameterwerte bestimmen je nach dem, ob sie kleiner oder gr/Sfler als eins sind, die Zugeh~Srigkeit zu unterschiedlichen Wachstumsprozeflklassen.

    4 Das Richards-Model l

    Das Richards-Modell ist im Gegensatz zum Evolon-Modell als exptizite Funktion der Zeit (t) darstellbar:

    X(t) = a(1- b exp(--gt))' (7)

    Es wurde h~iufig zur Beschreibung des Wachstums in der Forstwissenschaft benutzt (sie- he z. B. GOLSER und HASENAUER 1997). Wegen seiner verbreiteten Anwendung wird es hier anhand desselben Datensatzes mit dem Evolon-Modell verglichen. Die dem Evolon- Modell analoge Darstellung als autonome Differentialgleichung hat folgende Form:

    dX/dt = rgX( 1 - I/~)(alI~ - X m) for 0

  • 58 W. Mende und K.-E Albrecht

    linearit/iten sind um so st/irker, je mehr die Exponenten yon 1 abweichen. RATKOWSKI (1989) weist auf die mit der starken Nichtlinearit~.t verbundenen schlechten Parameter- sch~tzeigenschaften beim Richards-Modell bin. Entsprechenden Schwierigkeiten begegnet man auch beim Evolon-Modell. Sit sind jedoch mit guter Numerik und zweckmiifligen Transformationen beherrschbar.

    Die Modellparameterwerte wurden mittels nichtlinearer Parameteroptimierung unter Verwendung des Programmsystems MINUIT (JAMES and Roos 1977) erhalten. Dabei wurde nach derjenigen Parameterkombination gesucht, die eine Abstandsfunktion F als Marl fiir den Abstand zwischen Modell- und Datenwerten minimiert. Als Abstandsfunk- tion wurde die Summe der Quadrate der relativen Differenzen zwischen Datenwerten Xd(ti) = Xi d und entsprechenden Modellwerten X(tl) = Xi (mit ti = Baumalter in Jahren) verwendet:

    n

    F(X, d .... , X,a; X,(p, ..... pro)) = E( (X i d - X i ) /X i ) 2 (10) i=l

    (Das Verwenden der Summe der Quadrate der Abstiinde der Datenwerte yon den Modell- werten als Abstandsfunktion fiihrt nicht zu wesentlichen .~nderungen der Resultate, da die Daten den fr/.ihesten Teil des Wachstumsprozesses nicht enthalten.)

    Da uns die Meflfehler der Daten nicht bekannt sind. ist es nicht m6glich die Giiltigkeit der Modelle statistisch zu verifizieren. Statt dessen benutzen wir zur Charakterisierung der Abweichungen vom jeweils als g/.iltig angenommenen Modell ein relatives und ein absolu- tes Streumag. Als absolutes Streumag wird der folgende Ausdruck benutzt:

    n

    1 E(X , d _ Xi) 2 S= ~ i=l

    (it)

    Dabei bezeichnet n die Anzahl der Datenwerte und p ist die Anzahl der Modellparameter. Als relatives Streumag verwenden wir die mittlere relative auf den Freiheitsgrad bezo-

    gene Abweichung R:

    W n R = ~[~((X, a - Xi)/Xi) 2 (12) Die mittels der Minimierung der Abstandsfunktion F erhaltenen Resultate fiir die Modell- parameterwerte und die Streumage sind in den Tabellen 3 und 4 aufgefiihrt. Tabelle 3 enth~ilt die Resultate fiir das Evolon-Modell. Bemerkenswert ist, dat~ sich fiir alle Standortklassen ~l d.h. parabolisches Anfangswachstum und hyperbolische S~ittigung ergibt und die Werte der Parameter c, k und ~ keine klare Abh~ingigkeit yon der Standortklasse erkennen lassen. Dies wird unter den Punkten 7 und 8 n~iher diskutiert und in Abbildung 4 dargestellt. Die mit den in Tabelle 3 enthaltenen Parameterkombinationen berechneten Evolon-Modellwerte fiir die Fichtenh6hen werden in Tabelle 2 den dutch v. GI.H'FENBERG ermittelten mittleren Fichtenh6hen sowie den entsprechenden Richards- Modellwerten gegenfibergestellt.

    In Tabelle 4 sind zum Vergleich die entsprechenden Resultate fiir das Richards-Modell aufgeffihrt. Die F-Werte sowie die R- und s-Werte in den Tabellen 3 und 4 zeigen, dal] das Fichtenwachstum mit dem Evolon-Modell deutlich besser als mit dem Richards-Modell beschrieben wird. Die bessere Beschreibung durch dis Evolon-Modell beruht auf der Erfassung des hyperbolischen Charaktes des S~ittigungsprozesses (k = 1,7). Da das Ri- chards-Modell nut k = 1 zul~gt, fiihrt dies im S;ittigungsbereich zu einer schlechteren Anpassung dutch dieses Modell.

  • Beschreibung und Interpretation des Fichtenwachstums mit Hilfe des Evolon-ModeUs 59

    Tabelle 3. Zum Minimum der Abstandsfunktion F gehSrende Parameterwerte des Evolon-Modells (to = 70 Jahre) und Streum~e (F, R, s). Table 3. Parameter values of the Evolon-model belonging to the minimum of the distance function (to = 70 years) and deviation measures (F, R, s).

    Standortkl. 1 2 3 4 5

    c 0,000433 0,000428 0 ,000409 0 ,000435 0,000440 B [m] 48,96 43,82 38,36 36,18 29,32

    0,40 0,41 0,42 0,36 0,33 k 1,66 1,66 1,69 1,65 1,69 X(to) [m] 25,94 21,45 17,39 13,15 9,20 F(c, B, ~ k, X0; Xi d) 0 ,000056 0 ,000120 0 ,000417 0 ,000575 0,000067 R 0,00236 0,00346 0,00646 0,00758 0,00237 s [m] 0,023 0,028 0,067 0,074 0,018

    Tabelle 4. Zum Minimum der Abstandsfunktion geh6rende Parameterwerte des Richards-Modells und Streumaf~e (F, R, s). Table 4. Parameter values of the Richards-model belonging to the minimum of the distance function and deviation measures (F, R, s).

    Standortkl. 1 2 3 4 5

    g 0,0214 0,0197 0,0183 0,0136 0,0118 a [m] 41,74 37,28 32,27 30,06 23,99 b 1,06 1,04 1,03 1,03 1,09 r 1,7545 1,8092 1,8448 1,6404 1,4867 F(a, b, g, r; Xi d) 0,000333 0 ,000275 0 ,001040 0 ,000911 0,000146 R 0,00550 0,00500 0,00972 0,00910 0,00382 s [m] 0,177 0,144 0,213 0,137 0,028

    Die Abweichung des k-Wertes von 1 ist auch stabil bei Verwendung des erweiterten Evo- lon-Modells (9), das u.a. die Variation von k und w erlaubt. Die Parameteroptimierung ergibt in diesem Fall fiir die Standortklasse 1 die in Tabelle 5 aufgefiihrten Parameterwerte.

    Der optimale Wert fiir den Parameter w bleibt nahe bei 1. Dies weist auf die Adiiquat- heit des einfachen Evolon-Modells zur Beschreibung des Fichtenwachstumsprozesses hin. Fiir die korrekte Beschreibung des S~ittigungsprozesses ist der Parameter k offensichtlich

    Tabelle 5. Ergebnissse der Anpassung des erweiterten Evolon-Modells an die Daten der Standort- klasse 1. Table 5. Results of fits with the extended Evolon model for the data for site class 1.

    Parametername Parameterwert Parameterwert Parameterwert bei bei bei

    Startwert: w = 0,8 Startwert: w = 1,0 Startwert: w = 1,2

    c 0,000497 0,000433 0,000447 B [m] 53,40 48,98 49,25 ~( 0,39 0,40 0,40 k 1,59 1,66 1,65 w 1,0290 1,0003 1,0038 X(t0) [m] 25,97 25,93 25,96 F(c, B, K, k, X0; Xi d) 0,0000307 0,0000561 0,0000387

  • 60 W. Mende und K-E Albrecht

    wesentlich, da auch das erweiterte Evolon-Modell einen %-Wert nahe bei 1,7 - also weir enffernt yon eins - ergibt. Der Vorteil der Verwendung des Parameters % kann offenbar durch die alternative EinfOhrung des Parameters w nicht erreicht werden. Das Resultat der Parameteroptimierung mit dem erweiterten Evolon-Modell ergibt somit eine Modelliden- tiflkation zugunsten des einfachen Evolon-Modells.

    6 Beschreibung und Prognose des Wachstums von Fichtenh6hen mit dem Evoion-Modeli

    Tabelle 2 enth/It neben den durch v. G~LI~NSEV, G ermittehen mittleren Bestandesh6hen (GW) auch die angepalgten Modellwerte des Evolon-Modells (EW) und des Richards- Modells (RW). In Abbildung 1 sind die Evolon-Modellkurven und die mittleren Bestan- desh6hen fOr unterschiedliche Standortklassen graphisch dargestellt. Neben den direkt zur Anpassung benutzen Daten der mittleren Bestandesh6hen (Abb. la) sind auch deren Zuw/ichse (Abb. lb) und die relativen Abweichungen der Daten yon den Modellwerten (Abb. 1c) abgebildet. Die Abweichungen der Datenwerte yon den Evolon-Modellwerten sowie die entsprechenden Abweichungen yon den Richards-Modellwerten sind in Abbil- dung 2 dargestellt.

    Die Unterschiede zwischen den Daten und den Evolon-Modellwerten sind s~imtlich Ideiner als 1,2 % (Abb. lc). Die gr6tgte Differenz betrigt 34 cm. Die Residuen sind beim Evolon-Modell insbesondere ~r die Standortklassen 1 bis 4 deutlich kleiner, wenngleich auch das Richards-Modell schon Anpassungen liefert, bei denen die Abweichungen yon den Daten 1,6 % nicht fibersteigen (Abb. 2).

    Da sich bei der Anpassung der Fichtenh6hen mit dem Evolon-Modell klar hyperboli- sche S/ittigung (% = 1,67) ergibt (Tab. 3) und das Richards-Modell aber nut exponentielle S~ittigung (~. = l) enthiilt, ist im S~.ttigungsbereich keine gute Anpassung mit dem Richards- Modell zu erwarten.

    Dieser Erwartung entsprechend sind die Differenzen zwischen Modell und Datenwer- ten (Residuen) beim Evolon-Modell (zumindest for die Standortklassen 1-4) im S~itti- gungsbereich (t > 40 Jahre; siehe Abb. Ib) im Vergleich zum Richards-Modell deutlich kleiner. In Abbildung 2 wird dies veranschaulicht. Die in den Tabellen 3 und 4. aufgeffihr- ten R- und s-Werte dr/icken die deutlich bessere Beschreibung durch das Evolon-Modell im Vergleich zum Richards-Modell quantitativ aus. W~ihrend beim Richards-Modell der gr6f~te Wert des absoluten Streumaf~es s = 17,7cm betr~.gt, sind diese Werte beim Evolon- Modell s~mtlich kleiner als s = 7,4cm.

    In Tabelle 2 sind auch die Modellwerte for Fichtenalter yon 200 Jahren und 300 Jahren aufgefohrt. Es wird deutlich, daf~ das Richards-Modell for alle Standortklassen merklich

    Tabelle 6. Resultate des Vorhersageexperiments fOr Anpassungen bis zum Alter yon 100 Jahren. Table 6. Results of the prediction experiment for fits up to the age of 100 years.

    Modell: Evolon-Modell Richards-Modell

    Optimale c = 0,000736 d -- 0,02220 Parameter- B = 47,32 m a = 41,021 m Werte g = 0,3935 b -- 1,0570

    k= 1,540 r= 1,8027 Xo = 25,986 m

    F 0,0000044 0,0000366

    X(150 a) 39,01 m 38,27 m

    X J (150 a) - X(150 a) -0,09 m -0,83 m

  • Beschreibung und Interpretation des Fichtenwachsturns rnit Hilfe des Evolon-Modells

    a) Mittelwerte der Bestandes- 50 h6hen (Kreuze) und ange- patgte Modellkurven

    a) Mean values for stand 40 heights (crosses) and fitted ~. model curves o'" 30

    ,g

    ao m

    10

    61

    ' ' | , , ' i ' 9 , i 9 9 " 1 , , " i 9 ' 9 I ' ' ' i 9 , 9 i 9

    SK1

    SK2

    Sg3"

    s~4:

    sgs:

    20 40 60 80 100 120 140 160

    Baumalter [Jahre]

    b) Zuw~ichse fiir Daten- und Modellwerte

    b) Increments for data and model values

    0.5

    ~ O.4

    ~ 0.3 N

    0.2 .o

    0.1

    9 I ' 9 ' I ' , , I " ' 9 i 9 ' ' i ' ' ' I ' ' ' I ' ' ' I I ' '

    l I i i [ I I I I I I I I I [ I . . . . . . I . . . . . . . . .

    0 20 40 60 80 100 120 140 160 Baumalter [Jahre]

    c) Relative Abwei- chungen zwischen Modell- und Datenwerten

    c) Relative deviations between model values and data

    0,015 :D r ,,.)

    '~ 0,01 /: .,Q <

    0,005 e-

  • 62 W. Mende und K.-E Albrecht

    0.2

    ~-o.2 I . . . . . . . . . . . . . . . . . , , , , , , , , , , , 0 20 40 60 80 100 120 140 160

    f " ' " " " " "Z ' t < -o .2

    , , I , , , I 9 , 9 f , , , I , , . I J m m I m i m I m m m

    0 20 ,40 60 80 100 120 140 160

    ~ -0,2

    0 20 40 60 80 100 120 140 160

    E" 0 '4 f " " ' ' ' ' ' I ' " " ' ' ' " ' ' ' ' ' ' ' ' i ' ' ' ' ' ' " S t a n d o r t k l a s s e 4

    = ~ 0.2

    ~ -0 .2 I . , . . . , . . . , . , , [ , , , t , , , t , , , ~ , ,

    0 20 40 60 80 100 120 140 160

    ~ 0,2

    < -o.2 9 , I , , , 1 , , , I , , , I , , , I , , , I ,

    0 20 40 60 80 100 120 140 160

    Baumarter [ Jahre]

    Abb. 2. Residuen der Werte des Evolon-Modells (Kreise) und des Richards-Modells (Dreiecke) zu den durch v. GUTI'ENBERG ermittelten Bestandesh6hen fiir Fichten (Daten). Fig. 2. Residuals of the values of the Evolon model (circles) and of the Richards model (triangles) to the mean stand heights for spruces determined by v. GtrFrE.',IBERG (data).

    kleinere Prognosen ftir die Fichtenh6hen liefert. In Abbildung 3a wird dies veranschau- licht. Besonders grog sind die Unterschiede ftir die Standortklasse I.

    Um zu testen, welches der Modelle realistischere Prognosen liefert, wurde ein progno- stisches Experiment durchgeftihrt. Dazu wurden ftir die Anpassung die Daten der Stand- ortklasse 1 bis zum Alter yon 100 Jahren benutzt und die resultierenden Modellwerte f/fir das Alter yon 150 Jahren mit der durch v. GU'I-I'I~NBEV,6 ermittelten Fichtenh6he verglichen. Tabelle 6 und Abbildung 3b enthalten die Resultate.

    Dav. GU'I'IIzNBERG die Fichtenh6he nut mit einer Stelle nach dem Komma angibt, ist zu vermuten, daft der Fehler bei seiner Ermittlung der Fichtenh6hen etwa in der Gr6fen- ordnung yon 0,10 m liegen dtirfte. Der Evolon-Modellwert fiir die Prognose unterschei-

  • Bescbreibung und Interpretation des Fichtenmacbstums mit Hilfe des Evolon-Modells

    50

    40

    E = 30

    = 20

    0 0

    10

    0.2

    -0 .2 E

    ~= -O4

    -0.6

    -0.8

    -1 0

    63

    . . . . i . . . . i . . . . . , . . . . i . . . . i . . . .

    - - Ev~on

    ~ / ~ ' r bere,ch i 10ere ic t '~ - ~ " f ~ . . . . : I ~ , , , I . . . . i . . . .

    50 100 150 '200 250 300 Bauma~er[Jahre]

    a) Vorhersage basierend auf dem Anpassungsbereich: 10 Jahre ~ t ~ 150 Jahre fiir Standortklassen 1 bis 5

    a) Prediction based on the fit period: 10 years g t g 150 years for the site classes 1 to 5

    ' ' ' i 9 9 9 i 9 9 ' i ' 9 9 i 9 , , | 9 . 9 1 " ' 9 i 9 ' '

    _ _ . . . . ~ Evolon-'%.

    I " , % ! Richards'~. I

    i " \

    Anpassungs- Vorhersage- bereich ' bereich

    . . I , , , i . . . i . , . I , , i , . . i . . . t

    20 40 60 80 100 120 140 160 Baumalter

    b) Prognoseexperiment: Re- siduen zwischen Modell- und Datenwerten als Er- gebnis einer Anpassung im Bereich 10 ~ t ~ 100 Jahre fiJr Standortldasse I

    b) Prognosis experiment: Re- siduals between model- and data-values as a result of a fit in the period 10 years -< t

  • 64 W. Mende und IC-E Albrecht

    7 Abhi ingigkeit der Evo lon-Mode l lparameter von den Standortk lassen

    Aus Tabelle 3 und Abbildung 4 geht hervor, daft die Werte fiir die Parameter c und k rela- tiv unabh~ingig vonder Standortklasse sind. Die Werte fiir den Parameter ~c variieren fiir die Standortklassen 1-3 ebenfalls kaum. Die ldeineren Werte fiir die Standortklassen 4 und 5 sind m6glicherweise durch die in Abschnitt 2 erwiihnten besonderen Einfliisse verur- sacht. Da das Zuwachsmaximum etwa im Alter zwischen 30 und 40 Jahren erreicht wird (Abb. lb), stehen auSerdem fiir die Bestimmung des Parameters ~c nut/iuf~erst wenige Daten zur Verfiigung. Kleine St6reinfliisse in Jugendstadium k6nnen sich daher relativ stark auf den ~c-Wert auswirken. Der erhaltene Weft fiir tc kann daher nicht sehr genau sein.

    In Abbildung 4 wird die Abhiingigkeit der normierten Parameter yon der Standort- ldasse dargestellt. Nur die Werte fiir den Parameter B (Baumh6he zur Zeit t ~ oo) und die Werte fiir X(to) (Baumh6he zum Alter to = 70 Jahre) zeigen eine klare Abhiingigkeit yon der Standortklasse. Der Korrelationskoeffizient fiir die Ausgleichsgerade der B-Werte betr/igt r = 0,9914. Fiir die X(t0)-Werte betriigt err = 0,9998. Insbesondere die hohe linea- re Korrelation der X(t0)-Werte mit der Standortldasse reflektiert die sinnvolle gleichstufi- ge Standortklasseneinteilung durch v. GUI-I~.NBERG. Die besten linearen Korrelationen der Evolon-Modell-Bestandesh6hen mit den Standortldassen ergeben sich f/Jr Baumalter im Bereich 60 Jahre < t < 120 Jahre. Das entspricht weitgehend der forstlichen Erfahrung, dar die zu einem gen(igend hohen Baumalter erreichte Bestandesh6he ein geeignetes Kriterium for die G/.ite eines Standortes ist.

    1.1 . I I I I I ,,e 1 60

    N 0.9 K

    ~ 0.8

    o_ 0.7

    ~0.6

    .,$ 0.5

    0.4 " xo(7 o o_ 0.3 ' I I I I

    1 2 3 4 5 StandortNasse #

    Abb. 4. Optimale relative (auf den Weft f/Jr Standortklasse I bezogene) Evolon-Modellparameter- werte in Abh~ingigkeit yon den Standortklassen. Fig. 4. Optimal relative (normalized on the value for site class 1) Evolon-modell parameter values in dependence on the site classes.

    Beim Richards-Modell ist nur ein Parameter (b) relativ unabh~ingig vonder Standortklas- se. Beim Evolon-Modell ist dies dagegen f/.ir 3 Parameter der Fall. Somit konzentriert sich der Standorteinflur beim Evolon-Modell auf nur auf den Parameter B und den - fiir genii- gend grores tc mit B stark korrelierten - Parameter X(t0). Beim Evolon-Modell wirken sich die Standortbedingungen also nut auf diejenigen Parameterwerte aus, die Baumh6hen repr~entieren. Diese Parameter eignen sich daher (bei geniigend grorem to) als quantita- tives Marl zur Charakterisierung von Standorten. Es erscheint interessant zu priifen, ob sich die relative Unabh~ngigkeit dreier Parameter des Evolon-Modells vom Standort wei- ter verallgemeinern l~t.

  • Bescbreibung und Interpretation des Fichtenwachstums mit Hilfe des Evolon-ModeUs 65

    Entsprechend dem Evolon-Modell wachsen die B~iume auf schlechteren Standorten nicht nur langsamer, sondern die Maximalh6he B ist ffir schlechte Standorte auch deutlich kleiner (Tabelle 3). Dies gilt auch fiir die Beschreibung mit dem Richards-Modell (Tabelle 4). Der maximalen asymtotischen Baumh6he B entspricht hier der Parameter a. Seine Wer- te sind im Vergleich zu den entsprechenden B-Werten beim Evolon-Modell deutlich (urn ca. 20 %) kleiner.

    Nach WENK, ROMISCH und GEROLD (1985) wurde das Auftreten unterschiedlicher Wachstumsgeschwindigkeiten mit Hilfe yon Bonit~itsklassen charakterisiert. Ober die Ursachen des Auftretens der 3 Boni~tsklassen schreibt WENK, daft sie durch Unterschie- de im Klima abet auch in der Wasserhaushalts- und Trophiestufe verursacht sein k6nnen. Insbesondere stellt er fest: Der Einflufl der Bestandesbehandlung auf die Wachstumstypen, die dutch die drei Bonit~itssysteme beschrieben werden, ist dominant gegen/Jber anderen Merkmalen. (WENK 1979). Da uns entsprechende Daten bisher nicht zur Verffigung stan- den, konnte der Einflufl yon Bonit~iten auf die Evolon-Modellparameter nicht untersucht werden.

    8 Diskussion und Interpretation der Resultate

    Bei der Anpassung des Evolon-Modells an die durch v. GLHTENBERG ermittelten Daten zum H6henwachstum yon Fichtenbest~inden ergibt sich parabolisches Anfangswachstum (g = 0,41) und hyperbolische S~ittigung (k = 1,67). Die ermittelten Exponenten des Evo- Ion-Modells lassen sich mit Hilfe der Klassifikationsregel for Wachstumsprozesse in fol- gender Weise interpretieren:

    1. Der Befund ~ < 1 reflektiert den Umstand, daft w~ihrend der anf~inglichen durch wach- sende Zuw~ichse gekennzeichneten Wachstumsphase im wesentlichen ein zielgerichte- tes, durch die Erbanlagen programmiertes Wachstum stattfindet.

    2. Die K:-Werte for die besseren Standortklassen 1 bis 3 sind nahezu gleich grolg. Dies kann derart interpretiert werden, daf der anf~ngliche Wachstumsproze~ haupts~ichlich durch die gleichen m6glicherweise artenspezifischen Erbanlagen gesteuert wird. (Die abwei- chenden kleineren ~c-Werte for die schlechten Standortklassen 4 und 5 sind vermutlich durch besondere St6rungen des normalen Wachstumsprozesses w~ihrend der Jugend- phase verf~ilscht.)

    3. Der Befund k > 1 weist darauf hin, daf das Wachstum w~ihrend der sich anschlie8en- den durch abnehmende Zuw~ichse gekennzeichneten S~ittigungsphase nicht mehr in dem Mafe vorprogrammiert ist und sich im wesentlichen ein individueller Anpas- sungsprozef~ des Baumwachstums an seine durch den individuellen Standort gegebenen Wachstumsgrenzen vollzieht. Gleichzeitig impliziert k > I auch, daf~ sich die Ann~ihe- rung der Baumh6he an den Maximalwert B hyperbolisch vollzieht. Der Baum w~ichst daher w~ihrend seiner gesamten Lebenszeit im Unterschied zu beispielsweise S~iugetie- Fen.

    4. Die sehr gut i.ibereinstimmenden ~.-Werte ffir alle Standortklassen weisen auf eine gleich grofle m6glicherweise artenspezifische Anpassungsf/ihigkeit der Fichten an die den Standortbedingungen entsprechenden Wachstumsgrenzen hin.

    Ein Modellvergleich zwischen Evolon-Modell und Richards-Modell ergibt deutliche Vor- teile des Evolon-Modells sowohl bei der Beschreibung der Daten als auch bei der Pro- gnose. Diese Vorteile resultieren aus der richtigen Beschreibung der hyperbolisch verlau- fenden Abbremsphase des Wachstums yon Fichten durch das Evolon-Modell. Ein weiterer Vorteil des Evolon-Modells besteht darin, daf nur die beiden Baumh6hen repr~isentieren- den Parameter eine klare Abh~ingigkeit yore Standort erkennen lassen. Es erscheint inter- essant, die Verallgemeinerungsf~ihigkeit der erhaltenen Resultate an weiteren Daten zu iiberprfifen.

  • 66 W. Mende und K.-E Albrecbt

    Es ist bemerkenswert, daft es offensichtlich Gesetze des ,normalen ~ Wachstums gibt, die rich im Sinne des angefiihrten Zitats yon A. v. Humboldt mit erstaunlich hoher Priizi- sion realisieren. Es ist ebenso bemerkenswert, daft sich das von einer Vielzahl von Ein- flui~faktoren abh/ingige Wachstum yon Fichten durch ein verhiiltnismkgig einfaches yon nur wenigen Parametern abh~ingiges Modell pr~izise beschreiben lii'~t.

    9 Danksagung Herrn Prof G. WENK m6chten wir danken fiir den Hinweis auf die Daten zum Fich- tenwachstum in der Arbeit von A. v. GUTI'ENBERG. Herrn Prof. H. ROHLE, Herrn Dr. K. ROMISCH und Frau Dipl.-Math. U. FEDEPd~USCI-I danken wir fiir Hinweise zum Richards- Modell und zur Literatur. Fiir Literaturhinweise sind wir besonders auch den Herrn Prof. H. HASENAUER und Prof. H. PRETZSCH dankbar. Herrn Prof. H. ROHLE und Herrn Prof. G. E. DUDEL danken wir fiir die kritische Durchsicht des Manuskripts.

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    Anschriften der Verfasser: WERNER MENDE, FB Geowissenschaften, Freie Universit~it Berlin, J~iger- str. 22/23, D-10117 Berlin Dr. KARL-FRIEDRICH ALBRECI~T, Dozentur f-iir Umweltsystemanalyse, Institut ffir Allgemeine Okologie und Umweltschutz, Technische Univer- si6it Dresden, Pienner Str. 8, D 01737 Tharandt