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Exkursion nach Moskau und Kazan 9. bis 16. April 2017 Vereinigung Weihenstephaner Universitätsabsolventen (VWU) Dr. Johann Gröbmaier „GeRus Agro“ Entwicklung der deutsch-russischen Agrarbeziehungen Bulat Budaev

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Exkursion

nach

Moskau und Kazan

9. bis 16. April 2017

Vereinigung Weihenstephaner Universitätsabsolventen (VWU)

Dr. Johann Gröbmaier

„GeRus Agro“

Entwicklung der deutsch-russischen Agrarbeziehungen

Bulat Budaev

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Exkursionsteilnehmer

v.l.n.r.: Bulat Budaev (Exkursionsleitung), Dr. Johann Gröbmaier, Dr. Walter Schwab, Dr. Conrad Binding, Stefanie Gschlößl, Christian Brunner, Lena Baumgartner, Hedwig Klinkan, Winfried Satzger, Ilonka Prediger

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09.04.2017

Flug von München nach Moskau und gemeinsames Abendessen

10.04.2017

Der Montag stand ganz im Zeichen der Wissenschaft. Am Vormittag besuchten wir das Agrarzentrum der Moskauer Lomonossow-Universität (Eurasisches Zentrum für Ernährungssicherheit). Dessen Leiter, Prof. Sergeij Schoba, der gleichzeitig Dekan der Fakultät für Bodenkunde ist, sowie Dr. Anton Strokov, Leiter der Abteilung für Ökonomie, gaben einen Überblick über Struktur und Aufgaben dieser Einrichtung. Demnach kommt dem 2011 gegründeten Zentrum als leitendem Forschungs-, Experten- und Bildungszentrum in der eurasischen Region eine wichtige Rolle bei der Lösung von Aufgaben im Bereich Ernährungssicherheit zu.

Hauptgeschäftsfelder des Eurasischen Zentrums für Ernährungssicherheit sind:

- Soziale und Wirtschaftsforschungen - Forschungen im Bereich Bewertung, Schutz und rationelle Nutzung von Boden- und

Wasserressourcen - Informationsaustausch und Schulung

In diesem Rahmen beteiligt sich das Zentrum aktiv an der Koordination und Leitung von Arbeiten, welche die Teilnahme der Russischen Föderation an der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Ernährungssicherheit und Landwirtschaft gewährleisten. Dazu gehört unter anderem die L´Aquila-Initiative für Ernährungssicherheit, der die Staats- und Regierungschefs der G8 während des Gipfeltreffens 2009 zugestimmt haben. Gute Beziehungen bestehen insbesondere zu den GUS-Ländern und zum Kaukasus. Dort befinden sich auch Regionalzentren, in denen mit regionalen Akteuren zusammengearbeitet wird. Ebenso bestehen internationale Kooperationen, z. B. mit der FAO in Rom.

Die Moskauer Lomonossow-Universität ist mit 40.000 bis 50.000 Studenten und 40 Fakultäten die größte russische Universität. Es gibt ein Kontingent von Studienplätzen, bei denen keine Studiengebühren zu entrichten sind (sog. staatliche Plätze). Die Verteilung dieser Plätze richtet sich nach der Zeugnisnote der Bewerber. Bei den sog. privaten Plätzen werden Studiengebühren von umgerechnet rd. 5.000 $ pro Jahr erhoben.

Am Nachmittag besuchten wir die Russische Staatliche Agraruniversität. Die sogenannte Timirjasew-Akademie ist die leitende und älteste Landwirtschaftshochschule Russlands. Sie wurde im Jahr 1865 gegründet. Über 18.000 Studenten studieren derzeit an einer der 18 Fakultäten. Die Akademie trägt den Namen des bekannten Pflanzenphysiologen Kliment Timirsajew. Auf dem Gelände der Timirsajew-Akademie befinden sich mehr als 37 Bauwerke (Unterrichtsgebäude, Museen etc.). Die ältesten von ihnen sind im Stil des Eklektizismus errichtet worden.

Vor dem Dekanatsgebäude begrüßte uns Prof. Stanislav Velitschko. Er ist Direktor des historischen Museums der Russischen Staatlichen Agraruniversität und konnte uns daher bei einer Führung über den Campus viel Wissenswertes vermitteln. Das Dekanatsgebäude ist im Barockstil erbaut worden. Die Fenster im Gebäude sind wie Linsen gekrümmt. Das hat den Effekt, dass die Studenten im Vorlesungssaal nicht hinausschauen können und damit nicht abgelenkt werden. Gleichzeitig kommt von draußen mehr Licht herein. Prof. Velitschko erzählte uns auch über eine alte Tradition an der Universität, wonach jedes Jahr die Studenten, die ihr Examen bekommen haben, gemeinsam einen Baum pflanzen. Ebenso haben auch zahlreiche Besuchergruppen sowie Berühmtheiten wie Katharina die Große oder Friedrich Wilhelm III von Preußen bereits Bäume gepflanzt. Hierüber wird akribisch

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Buchgeführt. Am Ende unserer Führung betonte Prof. Velitschko, wie wichtig die deutsch-russische Beziehung für die Universität ist und war.

Im Anschluss an die Führung besuchten wir das auf dem Campus angesiedelte Museum für Bodenkunde. Dort begrüßte und Irina Kopejkina, Leiterin des Museums. Das Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert und diente zu dieser Zeit als Wohnheim. In der Gestaltung des Gebäudes sind mehrere Epochen, Kulturen und Länder vertreten. Das Museum wurde 1939 neu errichtet und der alte Stil aus traditionellen Gründen beibehalten. Das Bodenkundemuseum ist das größte und bedeutendste seiner Art in Russland und Ziel von zahlreichen Exkursionen. Es verfügt über eine Vielzahl von Bodenprofilen aus ganz Russland. Diese Profile sind wissenschaftlich immer noch wertvoll, da sie zum Teil seit 100 Jahren konserviert sind und den Zustand des Bodens aus dieser Zeit dokumentieren.

11.04.2017

09:00 Uhr: Treffen in der deutschen Botschaft, Referat für Ernährung und Landwirtschaft

Natalia Kanand - eine Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft, Abteilung für Ernährung und Landwirtschaft, beschrieb die Besonderheiten der Russischen Wirtschaft wie folgt:

- Sehr hoher Stellenwert der Landwirtschaft. Das Potential zur Selbstversorgung ist vorhanden, aber nicht umgesetzt. Beispielsweise hat nur ein Anteil von 20 % der Weizenproduktion Backqualität. Käse wird produziert, ist aber sehr teuer und z. T. mit Palmöl gemischt.

- Dutch disease: Die sog. Holländische Krankheit tritt auf, wenn ein Land Güter (zumeist Rohstoffe) in großem Umfang exportiert. Dadurch entstehen Außenhandelsüberschüsse, durch die es zu einer Aufwertung der Währung des Landes kommt. Dies bringt Absatzprobleme von Gütern der übrigen exportierenden Industrien mit sich. Der sinkende Export dieser Güter führt dann zum Rückgang oder Verschwinden der betroffenen Industrien und somit zu grundsätzlichen ökonomischen Problemen wie z. B. Arbeitslosigkeit. Als Gegenmaßnahme versucht man die Wertschöpfung nach Russland zu holen (z. B. Landw. Produkte, Autos, Pharmaprodukte).

- Importsubventionen (auch eine Folge der Dutch disease) v.a. im landwirtschaftlichen Bereich. - Durchschnittslohn 400 €/Monat. - Der Staat regelt sehr stark, häufig aber nicht sachgerecht (z. B. werden Inlandsanteile an

Produkten staatlich festgelegt. Bei Sonderinvestitionsverträgen (ab ca. 10 Mio. € Investitionsvolumen) können die Interessen der ausländischen Investoren stärker durchgesetzt werden (z. B. Claas, Daimler). Investitionsförderung von 30 % für russische Maschinen. Claas verlegte deshalb einen Teil der Produktion nach Russland.

- Generelles Investitionsklima: o Mit 150 Mio. Einwohnern ist Russland ein sehr großer Markt. o Positive Signale – Inflation auf 5 % eingegrenzt; 6 % Arbeitslosigkeit; Haushaltsdefizit

ca. 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP); 2 % Wachstum, für ein Schwellenland allerdings zu wenig.

o Russische Produkte sind trotz geringer Löhne immer noch teuer (Skaleneffekte und Mechanisierungsgrad geringer als in einem Industrieland – VW produziert in Deutschland immer noch billiger als in Russland).

o Wegen rückläufiger Reallöhne abnehmende Inlandsnachfrage in Russland. o High-End-Luxusprodukte gehen sehr gut. o Wirtschaftliche Zusammenarbeit ist gewünscht und wird gefördert. o Sanktionen waren nie gedacht, um Russland wirtschaftlich zu schaden. Nicht die

Sanktionen, sondern der sinkende Ölpreis hat der russischen Wirtschaft geschadet. o Russland entwickelt sich positiv und wird von Deutschland unterstützt. Deutschland

ist mit 5.400 Unternehmen die größte ausländische Kaufmannschaft.

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- Fazit: o Reformen sind notwendig, wegen der Wahlen nächstes Jahr aber nicht viel zu

erwarten. o Deutschland ist einer der wichtigsten Partner. o Russland ist nicht so selbstständig, wie viele Plakate es scheinen lassen. o Russland kann sich entwickeln, aber nur in Partnerschaft mit anderen Ländern.

12:30 Uhr: Mittagessen im GUM

Das Warenhaus GUM (zu Deutsch Hauptwarenhaus) ist ein ehemaliges Warenhaus und heute ein edles Einkaufszentrum im Herzen Moskaus am Roten Platz, gegenüber dem Lenin-Mausoleum und dem Kreml. Mit einer Fläche von rund 75.000 m² und einer über 100-jährigen Geschichte ist es eines der bekanntesten Handelsunternehmen und war nach alter Konzeption das größte Warenhaus Europas.

13:30 Uhr: Besichtigung des historischen Zentrums von Moskau (Roter Platz, Kreml, Metro)

Der Rote Platz ist einer der ältesten und auf Grund seiner Größe, seiner geschichtlichen Bedeutung und der angrenzenden historischen Bauwerke der international berühmteste Platz in Moskau und einer der bekanntesten der Welt. Er befindet sich im Zentrum der historischen Moskauer Altstadt, vor den östlichen Mauern des Kremls, und gilt mit Gebäuden wie der Basilius-Kathedrale, dem Lenin-Mausoleum und dem Warenhaus GUM als Wahrzeichen der Stadt. Zudem gehört er seit 1990 zum UNESCO-Welterbe.

Der Moskauer Kreml ist der älteste Teil der russischen Hauptstadt Moskau und deren historischer Mittelpunkt. Die ursprüngliche, aus dem Mittelalter stammende Burg an der Moskwa wurde ab Ende des 15. Jahrhunderts als Zitadelle neu errichtet. Bis zum 16. Jahrhundert diente sie den Großfürsten von Moskau und anschließend bis zur Verlegung der Hauptstadt nach Sankt Petersburg Anfang des 18.

Jahrhunderts den russischen Zaren als Residenz. In Mittelalter und früher Neuzeit war der Kreml zugleich Sitz der Metropoliten und späteren Patriarchen von Moskau. Nach der Oktoberrevolution wurde er 1918 erneut zum Zentrum der Staatsmacht: Zunächst Sitz der Sowjet-Regierung, ist er seit 1992 der Amtssitz des Präsidenten der Russischen Föderation. Der Name „Kreml“ wird daher auch als Synonym für die gesamte sowjetische bzw. russische Führung verwendet.

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Die Moskauer Metro hat ein Streckennetz von insgesamt 346 km und 206 Stationen. Jährlich werden ca. 2,4 Mrd. Fahrgäste befördert. Die Stationen der Moskauer Metro sind aufgrund ihrer teilweise sehr anspruchsvollen Architektur als unterirdische Paläste bekannt.

19:40 Uhr: Abfahrt nach Kazan mit dem Zug (Teilstrecke der transsibirischen Eisenbahn)

12.04.2017

Am frühen Morgen erwachten wir in unseren Zugabteilen. Während eines kleinen Frühstücks erreichten wir unser nächstes Ziel: den Bahnhof in Kazan. Kazan ist die achtgrößte Stadt in Russland und die Hauptstadt der Republik Tatarstan mit rund 1,1 Millionen Einwohnern.

Weiter reisten wir mit einem Kleinbus zu unserem schönen Hotel Bilyar Palace 4*, wo wir erstmal Zeit zur freien Verfügung hatten.

Anschließend fuhren wir zum ersten Mal eine kleine Strecke mit der Kazaner Metro, um uns am Weißen Kreml von Kazan mit der deutschsprachigen Stadtführerin Alfiya zu treffen. Dort trafen wir auch erstmals auf Elvira, eine Bekannte von unserem Exkursionsleiter Bulat Budaev, die aus auch die darauffolgenden Tage zeitweise begleitete. Sie hatte einige interessante Termine und Besuche vor Ort für uns organisiert. Auch einige tolle Restaurants besuchten wir nach ihrer Empfehlung.

Nach einer kurzen Vorstellung begannen wir mit unserer Führung auf einer Aussichtsplattform vor dem Weißen Kreml, der seit dem Jahr 2000 zum Kulturerbe der UNESCO gehört. Dort war auch eine besondere Statue zu sehen, welche Musa Dzhalil darstellte. Musa Dzhalil ging im Zweiten Weltkrieg freiwillig an die Front, geriet in Gefangenschaft, wurde zu Tode verurteilt und kam ins Gefängnis nach Berlin. Dort in seiner Zelle schrieb er Gedichte und nach seinem Tod blieben diese unsterblichen Gedichte erhalten. An einer Wand waren Bilder von seinen Kollegen angebracht, daneben ein Gedicht auf Russisch und Tatarisch und ein weiteres daneben auf Arabisch.

Auf dem Gelände des Kazan Kremls befinden sich unter anderem ein Hauptturm, ein Erlöserturm, eine muslimische Moschee, eine Kathedrale mit Aussichtsplatz, ein schiefer Turm und auch der Präsidentenpalast. Der Kreml wurde im 9. und 10. Jahrhundert errichtet. Insgesamt umfasst der Kreml eine Fläche von 12 ha, die von einer 1.000 Meter langen Mauer umgeben ist. Der Kreml wurde aus

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Steinen errichtet mit zwölf Türmen, wovon im Lauf der Zeit nur acht erhalten blieben und sollte als östliche Grenze von Moskau dienen. Ivan der Große versuchte dreimal den Kreml zu erobern, was ihm beim dritten Mal auch gelungen ist.

Weiter ging es zur Kul-Scharif-Moschee, welche dort zum 1.000 Jahrestag der Stadt errichtet worden ist. Diese beeindruckende Gebetsstätte der Muslime wurde von 1995 bis 2005 errichtet. Die Moschee mit ihrem besonderen Charme war sehr beeindruckend und wunderschön. Während unseres Aufenthalts, konnten wir auch einem Gebet beiwohnen. Des Weiteren lagen Spendenbücher aus, in denen genau aufgelistet war, wer eine Spende gab und wie hoch diese war. Die Kul-Scharif-Moschee ist die zweitgrößte Moschee in Europa.

Anschließend gingen wir zu einem Denkmal, das 2004 errichtet wurde. Dieses Denkmal wurde zum Dank an die Baumeister der Kathedrale, die hauptsächlich Tataren waren, errichtet. Vorbei am Präsidentenpalast kamen wir zur Aussichtsplattform. Dort hatten wir einen grandiosen Ausblick über Kazan und konnten auch erstmals das prachtvolle Gebäude des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung sehen. Danach gingen wir in die Maria-Verkündigungs-Kathedrale. Mit der benachbarten Kul-Scharif-Moschee gilt sie als Symbol für das friedliche Zusammenleben der muslimischen und orthodoxen Bevölkerung von Tatarstan. Am schiefen Turm, genannt Sujumbike-Turm beendeten wir schließlich unsere Kreml Führung.

Mit den vielen neuen Eindrücken machten wir uns auf dem Weg zu einem kurzen Mittagessen in der Kantine der Stadtverwaltung der Stadt Kazan.

Danach gingen wir weiter zum Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung, auch genannt Palast der Bauern („Palace of the Farmers“), wo wir vom Vizeminister und den Abteilungsleitern empfangen wurden. Nach der Begrüßung und Vorstellung, gab uns zunächst ein kleiner Film einen Eindruck und einen Überblick von der tatarischen Landwirtschaft. Der Schwerpunkt der anschließenden Diskussion drehte sich um die Investitionsmöglichkeiten von Ausländern in die Landwirtschaft in Tatarstan. Demnach sind ausländische Investoren willkommen, es wird aber erwartet, dass sie sich vor Ort engagieren und Arbeitsplätze im ländlichen Raum schaffen. Der Kauf von landwirtschaftlichen Flächen durch Ausländer ist nicht möglich, es werden aber sehr langfristige Pachtverträge (bis zu 49 Jahre) zu günstigen Konditionen angeboten. Außerdem wurde über verschiedene weitere Themen diskutiert, wie zum Beispiel die Digitalisierung im Pflanzenbau, die Struktur der Milchviehhaltung oder das System der landwirtschaftlichen Beratung und stellten einige Unterschiede zu Deutschland fest. Nach diesem äußerst interessanten und informativen Gespräch machten wir zusammen einen kleinen Spaziergang an der Wolga bei strahlendem Sonnenschein und abends ließen wir den Tag bei einem schönen gemeinsamen Abendessen ausklingen.

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13.04.2017

Am Donnerstag haben wir die Staatliche Agraruniversität Kazan besucht. Nach der Begrüßung durch den Zuständigen für internationale Beziehungen erhielten wir eine kleine Führung durch das Museum der Universität und erfuhren vieles über ihre Geschichte. 1922 wurde das Kazaner Institut für Land- und Forstwirtschaft gegründet, im Zweiten Weltkrieg diente es als Krankenhaus und 2006 wurde es zur Universität ernannt. Prominente Absolventen sind z. B. der Präsident der Republik Tatarstan Rustam Minnikhanov und der Präsident der Staatlichen Agraruniversität Kazan Dzhaudat Faizrakhmanov. Aktuell studieren hier ca. 5.000 Studenten an zwei Fakultäten: der Fakultät für Agronomie und der Fakultät für Forstwirtschaft und Ökologie. Die internationalen Beziehungen werden durch Studentenaustauschprogramme wie APOLLO und LOGO mit z. B. Deutschland, Niederlande, Frankreich und den USA gefördert.

Nach dem Museumsbesuch wurden wir in den Konferenzraum geführt und nahmen am Konferenztisch Platz, wo für jeden ein Teller mit tatarischen Spezialitäten bereitstand. Nach der Vorstellung aller Personen hielt der Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums eine Präsentation über die Landwirtschaft in Tatarstan. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt 4,5 Mio. ha, davon 3,4 Mio. ha Ackerfläche und die Landbevölkerung beträgt ca. 1 Mio. Menschen. Tatarstan produziert 4,3 % der landwirtschaftlichen Produkte von Russland, was ca. 230 Mrd. Rubel entspricht. Pro Jahr nimmt die Produktion um 4 bis 5 % zu. Im letzten Jahr erhielten die landwirtschaftlichen Betriebe 20 Mrd. Rubel aus dem regionalen und föderalen Etat, was deutlich über dem russischen Durchschnitt liegt. An diesen Zahlen kann man erkennen, dass die Landwirtschaft in Tatarstan eine besondere Bedeutung hat. Deshalb ist der Bedarf an Agronomen und Agraringenieuren auch nur zu ca. 80 % gedeckt und das Problem des Fachkräftemangels sehr aktuell. Die Agraruniversität Kazan ist im Gegensatz zu den mittleren Landwirtschaftlichen Schulen (auch genannt Colleges) eine von 54 höheren Agrarbildungseinrichtungen in Russland und hat 22 Lehrstühle und 180 Dozenten.

Nach der Präsentation konnten wir einige Fragen stellen: Hat der Ökologische Landbau in Russland eine Bedeutung? Der Leiter des wissenschaftlichen Zentrums antwortete, dass alle landwirtschaftlichen Produkte aus Deutschland für russische Verhältnisse als Öko-Produkte bezeichnet werden könnten, da bei uns so hohe Anforderungen gestellt werden. Seit drei Jahren gebe es eine Abteilung für Öko-Produktion am Ministerium, in der erst einmal eine Definition für „Ökologische Produktion“ festgelegt werden muss. Eine weitere Frage war, wie man sich einen typisch tatarischen landwirtschaftlichen Betrieb vorstellen kann. In Tatarstan gibt es verschiedene Arten von Betrieben. Es gibt ca. 400.000 familiäre Selbstversorgungsbetriebe mit einer Fläche bis ein Hektar mit Kühen, Schafen, Hühnern, usw., die 80 % ihrer Produkte selbst verbrauchen. 50 % der Versorgung mit Landwirtschaftsprodukten wird so sichergestellt. Es gibt ca. 4.000 familiäre Tierhaltungsbetriebe mit 20 bis 100 Rindern und 50 bis 2.000ha. Und es gibt ca. 750 GmbHs, AGs, Genossenschaften und 50 Agrarholdings. Sie bewirtschaften zwischen 20.000 und 500.000 ha.

Im Anschluss an die Diskussion besuchten wir einige Lehrstühle. Die Leiter stellten uns ihre Arbeitsbereiche und aktuellen Forschungsthemen vor und auch hier konnten wir wieder Fragen stellen. Mit dem Bus fuhren wir dann vom Hauptstandort der Uni in der Stadt Kazan, vorbei an Lenins ehemaligem Wohnsitz und dem See Kaban, zu dem außerhalb der Stadt gelegenen Institut für Landtechnik und den Gewächshäusern.

Nach dem Mittagessen in der Universitätsmensa machten wir uns auf den Weg zu einem Beerenproduktionsbetrieb „Jagodnaja Dolina“ (deutsch: „Beerental“) ca. 60 km von Kazan entfernt. Die zwei Betriebsleiter und der Bruder des Besitzers stellten uns den Betrieb vor und beantworteten unsere Fragen. Von der Gründung 2012 mit zwei Hektar steigerte sich die Fläche bis heute auf sechs Hektar Erdbeeren und fünf Hektar Schwarze Johannisbeeren an diesem Standort. Die Erdbeeren

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überwintern im Freiland auf einer weißen Folie und unter Stroh. Ab Mitte/Ende April wird das Stroh entfernt und durch ein Vlies ersetzt. Die Pflanzen werden mit einer Tröpfchenbewässerung und dem Wasser aus einem künstlichen Wasserbecken mit 8.000 Kubikmeter Fassungsvermögen bewässert. Die Jungpflanzen zweier Sorten werden aus Italien zugekauft und nach vier Ernten durch Getreide ersetzt. Da ab Ende August schon Frost droht, werden sie wieder mit Vlies abgedeckt, um die Erntezeit zu verlängern. Die Fläche des Betriebes ist vom Staat gepachtet. Allerdings muss nur ein symbolischer Pachtpreis bezahlt werden: 190 Rubel pro Hektar und Jahr. Die Früchte werden an Händler und Supermärkte verkauft. Zu Beginn der Saison erhält der Betrieb 150 Rubel/500g Schale; in der Mitte der Saison ca. 80 Rubel/500g Schale. Zum Betrieb gehört auch eine Halle mit mehreren Kühlräumen, in denen Steckholz für Schwarze Johannisbeeren, Kirschbäume und Apfelbäume lagern.

Nach einer Kaffeepause im neu errichteten Bürogebäude fuhren wir mit unserem Bus zurück nach Kazan und machten noch einen Zwischenstopp am Raifa Bogoroditsky Kloster.

Den Tag ließen wir in einem kleinen, typisch russischen Restaurant ausklingen und über einen kleinen Umweg gingen wir schließlich zu Fuß in unser Hotel zurück, um uns für den nächsten Tag auszuruhen.

14.04.2017

Am Morgen fuhren wir vom Hotel in Kazan in Richtung Südosten über den Kamafluss, der in die Wolga mündet und damit zu einem See aufgestaut wird, zum Besuch der rd. 170 km von Kazan entfernten Megafarm “Chuv Brod“ (deutsch: „tschuvachische Furt“) einem der 13 Milchviehbetriebe, die zur Agrarholding Krasny Vostok gehören.

Die Agrarholding Krasny Vostok („Roter Osten“) wurde 2003 mit einem Stammkapital von insgesamt 10 Milliarden Rubel auf der Basis von 68 Landwirtschaftsbetrieben gegründet. Im gesamten Unternehmen mit verschiedenen Geschäftsfeldern sind insgesamt 75.000 Mitarbeiter beschäftigt. Inhaber und Investor von Krasnij Vostok Agro ist Herr Ajrat Khajrullin. In den letzten 10 Jahren wurde eine Summe von 28 Mio. $ investiert.

Die Agrarholding übt derzeit ihre Geschäftstätigkeit in 8 Bezirken der Republik Tatarstan, sowie in den Gebieten Uljanowsk, Tambow und Woronesch aus. Die Agrarholding Krasny Vostok gehört mit 300.000 ha landw. Nutzfläche zu den größten Agrarbetrieben in Russland (der größte Betrieb hat 500.000 ha) und gilt als das effektivste Agrarunternehmen in Russland. Die Geschäftstätigkeit zielt auf die Entwicklung mehrerer Bereiche ab: Milchproduktion, Rindfleischproduktion, Ackerbau zur Produktion von Getreide, Ölsaaten und Grundfutter sowie Rinderzucht. Milchwirtschaft ist die Haupttätigkeit des Unternehmens.

Der landwirtschaftliche Betrieb ist in 4 Teile gegliedert (siehe Schema):

x Milchproduktion: 13 Betriebe x Tierzucht: Schaffung einer genetischen Bank im industriellen Maßstab; Embryo-Transfer

(5.000 eingefrorene Embryonen vorrätig) x Pflanzenproduktion: 300.000 ha, 20.000 landtechnische Einheiten x Getreidelagerung und Verarbeitung: Speicherung, Verarbeitung und Lagerung von Getreide;

Großhandel mit Getreide, Saatgut und Futtermitteln für Nutztiere; Bereitstellung der Prüfung und Vorbereitung der Saatgutes;

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Struktur des Agriholding "Krasnij Vostok"

Agriholding "Krasnij Vostok" Tierhaltung Pflanzenbau

"OAO Krasnij Vostok Agro"

OOO "Plemennoe Delo"

ZAO "Vostokzernoprodukt"

OAO "Zernovie Technologii Tatarstana"

Produktion von qualitativer Milch

Tierzucht von Rindern Produktion von Getreide und Futtermittel

Verarbeitung und Lagerung von

Getreide

Der Betrieb “Chuv Brod“ wurde im März 2007 gegründet. Teilweise wurden noch vorhandene Betriebe mit integriert. In der Sowjetzeitzeit gab es in jedem Dorf Betriebe mit 1.500 - 1.800 Milchkühen und der dazugehörigen Futterproduktion.

Der Vorstandsvorsitzende des örtlichen Getreide- und Milchviehbetriebes ist Herr Vladimir Pankov. Er koordiniert die Tätigkeiten der beiden getrennten Unternehmen unter einem Dach. Geführt wurden wir vom Betriebsleiter des Milchviehbetriebes "Tschuv Brod" namens Rafael Zajdullin und Betriebsdirektor Ajrat Khafisov, die uns auch fast alle Fragen beantwortete.

Standort: Am Standort herrschen strenge Winter mit bis zu -43 °C mit einer langandauernden Schneebedeckung. Im Frühjahr sind damit naturbedingt sehr schmutzige Verhältnisse vorzufinden.

Stallsystem: Der Standort (das Betriebsgelände umfasst 18 ha) hat eine Kapazität von 5.200 Rindern, davon 2.100 Milchkühe. Die Laufställe haben jeweils 1.200 Milchkuhplätze (die älteren Betriebe hatten „nur“ 500 Plätze). Die Seitenwände der Stallungen sind mit 2-lagigen Folien verkleidet, die jedes Jahr arbeitsaufwändig erneuert werden müssen. Die Lüftung erfolgt mit Schwerkraft und Großlüftern über dem Futtertisch. In deren Nähe werden die Hochleistungstiere gehalten. Die Dächer sind nicht isoliert. Die Temperaturen im Stall betragen deshalb im Sommer bis zu über 40 °C, 2 Monate herrschen Temperaturen über 30 °C. Für 1.200 Milchkühe stehen 1.100 Liegeplätze bereit. 12 % der Tiere haben keine Fressplätze (Breite 70 cm) zur Verfügung.

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Gülle: Die Entmistung erfolgt mit Faltschieber und z. T. mit Handschiebern zusammen mit händischer Wasserspülung. Die anfallende Gülle wird in zwei jeweils 45.000 m3 großen Lagunen gesammelt und zum Preis von 0,01 Rub/m3 an den Ackerbaubetrieb verkauft. Nicht teurer, da ansonsten das Grundfutter wieder teurer werden würde. Der Gülletransport und die Ausbringung erfolgt durch den Ackerbaubetrieb.

Melktechnik und Melkarbeit: 5 Melker arbeiten in einem 2x52 und einem 2x32 Melkstand vom Typ des Europarallelsystems. Die gesamte Milchtechnik kommt von De Laval. Nach dem Melken kommt der Tierarzt zur Untersuchung der Tiere. Jedes Tier wird individuell mittels Transponder überwacht (System Alpro). Ein Milchserviceunternehmen kümmert sich um den gesamten Bereich der Technik (Maschinen, Fütterungstechnik, Melkanlage).

Milchleistung und Milchvermarktung: Die Milchleistung beträgt 18 l Milch/Kuh und Tag, bzw. Ø 5.400 kg/Jahr. Spitzentiere geben bis zu 12.000 kg. Die Milchkühe werden 3-4 Laktationen lang gehalten. Die Inhaltsstoffe betragen 4,2 % Fett, 3,3 % Eiweiß und 280.000 Zellzahlen. Die produzierte Milch, 36.000 – 37.000l/Tag, wird täglich mit dem Tankzug einer separaten Firma abtransportiert. Die Milch wird an verschiedene Molkereien, wie z. B. die Firma Danone verkauft. Der Milchpreis, abhängig von Fett- und Eiweißgehalt, beträgt derzeit 32 Rubel/kg (begonnen wurde mit einem Preis von 9 Rubel/kg!). Es werden ½ bis 1 Jahresverträge mit verschiedenen Abnehmern abgeschlossen. Die Milcherzeuger in Russland sind sehr groß und können sich auch einem großen Milchherstellerverband anschließen. Damit haben die Milchproduzenten eine große Marktmacht gegenüber den Abnehmern und können einen einheitlichen und attraktiven Milchpreis erzielen.

Futtergrundlage: Die Futterproduktion wird von einem in der Nähe gelegenen Ackerbaubetrieb der Agrarholding übernommen. Das Futter wird auf Antrag geliefert und muss bezahlt werden. Die Grundfutterration besteht aus Mais- und Luzernesilage, Heu, Biertreber. Die Luzernesilage und das CCM wird mit Siliermitteln konserviert und in 13 Silobehältern gelagert. Die Silageentnahme erfolgt normalerweise mit einer Fräse (zum Zeitpunkt der Besichtigung aber defekt, Ersatz mit der Radladerschaufel). Es wird eine Einheitsmischung mit einem Selbstfahrfuttermischwagen verabreicht. Das Kraftfutter (je nach Leistung und Tierart) besteht aus Getreide, Mais, Soja, Sonnenblumenschrot und Mineralfutter und wird vom konzerneigenen Kraftfutterwerk „Petkus“ am Hafen in Kazan gemischt und geliefert.

Kälberhaltung: Die Kälber werden sofort abgesetzt und erhalten bis zum 10. Tag Biestmilch. Danach (bis 65 Tage) wird auf Milchaustauscher umgestellt, anschließend erhalten sie normales Futter. Am Betrieb wird eine Biestmilchreserve für 3 Monate vorgehalten (eingefroren). Die Kälber werden 25-30 Tage nach der Geburt thermisch enthornt. Mit den weiblichen Tieren wird weiter gezüchtet, die männlichen Kälber (ca. 1.000 Stk.) werden ab dem 6.

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Monat in separaten Ställen unkastriert gemästet und verkauft. Die Kälberverluste (in Deutschland Ø 10 %) wurden nicht bekannt gegeben, dürften aber den Äußerungen nach deutlich höher sein. Durchfallerkrankungen gibt es v. a. im Winter. Die Ursache dürften die sehr kalten Temperaturen und die Haltung (kein separates Gebäude) sein. Abhilfe versucht man mit Medikamenten, Kräuterzusätzen und Eichenrinde.

Arbeitskräfte: Es sind 90 AK beschäftigt, die im 3 Schichtbetrieb (06.00-18.00 Uhr, 18.00-06.00 Uhr) arbeiten. 1 Gruppe hat immer frei. 2 Mitarbeiter sind das ganze Jahr mit der Klauenpflege (1 x / ½ Jahr) beschäftigt.

Ackerbaubetrieb: Aus Zeitgründen konnte leider der naheliegende Ackerbaubetrieb nicht besichtigt werden. Auf dem Betriebsgelände sind die Kantinen für die Verpflegung der Mitarbeiter untergebracht. Auch hier genossen wir wieder eine bemerkenswerte Gastfreundschaft. Nicht nur, dass wir in der „guten Stube“, die dreckigen Schuhe mussten draußen bleiben, verpflegt wurden, sondern vor allem war das angebotene Menü mit vielen Gängen äußerst üppig und ganz besonders schmackhaft.

Wir bedankten uns bei Herrn Ajrat Khafizov, dem Direktor von "Tschuv Brod" (Chef dieses Betriebs und zuständig für alles innerhalb des Betriebs) für die offene Diskussion und für den tiefen Einblick in den Betriebsablauf mit einem original Weihenstephaner Maßkrug.

Entenbetrieb

Nach dem üppigen Mittagessen ging die Fahrt zum Entenmastbetrieb "Ramaevskaja Utka" in Kazaner Rajon (Bezirk Kazan) mit ausgeklügelter Produktion auf Lohnbasis und Vermarktung.

Der Betriebsleiter ist Jurist und führte vorher fünf Milchverarbeitungsbetriebe, die er u. a. an Danone verkaufte. Der Betrieb ist zertifiziert und hat auch mehrere Zertifikate im Besucherraum aufgehängt.

Betriebserrichtung und Vermarktungsziel: In 2011 erwarb der Herr Farid Khairutdinov für 1,5 Mio. $ (aus dem Verkauf seine Milchbetriebe) ein 8,5 ha großes Grundstück, um eine Entenfarm mit Vermarktung zu errichten. Dieser Entschluss reifte nach einem Marktprognoseseminar und auf vielen Auslandsreisen. Er vermutete eine Marktlücke, da

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im mittleren Segment (Hähnchen) eine hohe Konkurrenz vorausgesagt wurde, jedoch im Luxussegment (Ente) höhere Preise mit mehr Gewinn möglich seien. Pute sei auch keine Konkurrenz, da es Fleisch ohne Geschmack sei.

Ziel seiner Investition war auch die Unterstützung kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, die mit der Entenproduktion ein sicheres und lukratives Einkommen erwirtschaften können. Da die Moslems „Halal-Fleisch“, das ehrlich erzeugt und regelgerecht geschlachtet wird, brauchen, wird auf eine ehrliche Produktion in allen Bereichen (gerechte Behandlung der Tiere, pünktliche Bezahlung, Einhaltung der Vorschriften) größter Wert gelegt, was auch konsequent eingehalten und überprüft wird.

Unterstützt werde er vom Präsidenten von Tatarstan, der mit seinem Betriebskonzept sehr zufrieden sei.

Als sein Erfolgsgeheimnis bezeichnet er, dass jeder Mitarbeiter als Partner und nicht als Angestellter gesehen und behandelt wird. Er fühle sich als Ernährer und nicht als Landwirt. So finde man auch einen besseren Zugang zu der Bevölkerung.

Am Vermarktungsstandort gibt es 25 Arbeitsplätze (v. a. in der Schlachtung), deren Entlohnung aber weder den Mitarbeitern bekannt ist noch uns mitgeteilt wurde. Am Tage werden bis zu 5.000 Geflügel (10 to Fleisch) geschlachtet.

Produktion: Am Betrieb wird eine Elternherde mit 2-jährigem Wechsel (Mauser nach 1 Jahr) zur Erzeugung der Küken gehalten.

Die Entenproduktion und Vermarktung läuft folgenderweise ab:

Die möglichen Kleinlandwirte werden aus einer Vielzahl an Bewerbern (täglich 2-3 Kandidaten!) ausgewählt. Sie befinden sich in einer Entfernung bis zu 400 km.

Gemästet wird eine englische Rasse, die besseres Fleisch als die russischen und französischen Tiere haben. Küken, Futter sowie das Knowhow werden den Landwirten kostenlos zur Verfügung gestellt, die dann die Tiere in den noch vorhandenen alten Rinderstallungen ausmästen. Dies ist möglich, da Enten weniger krankheitsanfällig als Hähnchen oder Gänse sind.

Die Mast dauert 42 Tage. Optimal sind 2.000 m² Stallfläche für 10.000 Küken. Die Tiere wiegen dann nach einer ordnungsgemäß durchgeführten Mast 2,2 kg. So können mit 1.000 Tieren (1.000 €) innerhalb von 42 Tagen 2.200 kg Fleisch erzeugt werden. Danach erfolgt eine Pause von 14 Tagen zur Reinigung der Stallungen. In der Mast werden keine Medikamente eingesetzt. Die Mäster sind dabei von der Abnahme abhängig, da sie die Tiere selber nicht rupfen könnten. Die Tiere werden dann zum vereinbarten Preis zurückgenommen und im eigenen Schlachtbetrieb zerlegt und auf vielfältige Weise, u. a. im Hofladen auf dem Betriebsgelände, vermarktet.

Vermarktung: 1 kg Entenfleisch kostet 200 Rubel, verarbeitet bringt es aber 600 Rubel. Geringere Preise, und damit mehr mögliche Abnehmer, werden nicht angestrebt, da man im Luxussegment bleiben wolle. Im Vergleich zur Rindfleischproduktion kann der Landwirt zum gleichen Preis nur 4 Kälber mästen. Dies dauert bis zu 2 Jahre und bringt neben einem höheren Risiko nur 1.600 kg Fleisch. Hier werden alle Teile des Geflügels in den verschiedensten Verarbeitungsschritten, von der Rohware bis zum bratfertigen Fleisch attraktiv verpackt angeboten. Bezahlkriterien sind das

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Schlachtgewicht mit Unter- und Obergrenzen. Bei schlechter Qualität gibt es keine weitere Zusammenarbeit mehr. Falls sich mal kein Mäster findet, mästet der Betrieb selber in seinen Stallungen am Ort.

Ausblick und Ziele: Derzeit werden 2,5 Mio. Geflügel produziert. Einen guten Absatz gäbe es dabei auch immer vor Feiertagen, wo dann auch die Preise erhöht werden. Wegen einer stark zunehmenden Schicht, die sich Luxus leisten können, wird der Entenabsatz in Zukunft weiter ansteigen. Es ist geplant die Verarbeitung und Vermarktung zu verbessern. Auch eine neue Kühlanlage für 1.000 to Fleisch von Rindern und sonst. kleinen Tieren (Schafen) soll errichtet werden.

Bisher gibt es im Sommer eher einen schwachen Absatz . Deshalb werden in diesem Zeitraum bisher verstärkt Eier und Küken und weniger Fleisch vermarktet.

Ein neues Ziel ist es deshalb, die Vermarktung in andere Regionen, v. a. in die persische Bucht und nach Antalya zu erhöhen, da dort im Sommer eine hohe Nachfrage nach Geflügelfleisch (Urlauber) ist. Die Produktion soll dabei in Russland bleiben.

Der Betriebsleiter berichtete auch von Planungen, ein ähnliches System auch mit Schafen aufzubauen. Hier soll dann für den Schafhalter am Ende der Aufzucht immer 1 Schaf als Gewinn für den Eigenverbrauch übrig bleiben.

Auch hier wurden uns wieder die verschiedensten Entenspezialitäten aufgetischt. Da wir aber vom vorherigen Besuch noch nicht die notwendigen Essenskapazitäten hatten, musste der Karfreitag mit seinem Fleischverbot als Ausrede herhalten. Besonders glücklich war Dr. Binding, der mit viel Überzeugungskraft die Stallungen alleine mit dem Betriebsleiter besichtigen konnte. Sonst hätten wir davon keine Bilder bekommen. Zur Verabschiedung gab es Pralinen für den Betriebsleiter und seinen Bruder und viele Wünsche zum Ausbau des Betriebes. Wegen der vielen kulinarischen Genüsse brauchte Bulat für diesen Abend kein Abendessen mehr organisieren. Die meisten Teilnehmer beschränkten sich deshalb auf die Einnahme von flüssiger Nahrung.

15.04.2017

Nach der Abfahrt vom Hotel in Kazan und einer Stunde Fahrt mit dem Bus besuchten wir einen seit 2014 bestehenden privaten Betrieb mit Agrotourismus in Pestritsy. Dort begrüßten uns der Besitzer und Investor, Herr Mullagaliev, der auch ein Hotel und ein Restaurant in Kazan besitzt sowie ein Berater vom Landwirtschaftsamt, Herr Irek Sabirov. Das Landwirtschaftsamt ist zuständig für insgesamt 103.000 ha Fläche, davon 71.000 ha Ackerfläche und 120.000 Rinder, davon 45.000 Milchkühe.

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Der Betrieb bewirtschaftet eine Fläche von 600 ha, hält derzeit 74 Rinder, davon 36 Milchkühe (Holstein aus Ungarn), 3 Pferde, einen Vogel Strauß, Emus, 180 Schafe, ein Kamel, 3 Esel und 90 Ziegen. Die Ziegen werden für die Milch- und Käseproduktion gehalten, die Schafe für die Fleischproduktion. Die exotischen Tiere werden aufgrund des Betriebszweigs Agrotourismus gehalten. Zielgruppe für en Agrotourismus sind Schulklassen und Familien. Es sind Übernachtungsmöglichkeiten in Holzhütten vorhanden.

Die Milch geht an eine Molkerei, für alle Milchbauern beträgt der Milchpreis rd. 30 Rubel/kg, umgerechnet circa 50 Cent pro Liter. Die Milchleistung auf dem Betrieb liegt derzeit bei 4.800 kg pro Kuh und Jahr, angestrebt werden 5.000 kg. Die Kühe werden mit Heu, Maissilage, Grassilage, Körnermais, Sonnenblumenpresskuchen, Salz + Premix gefüttert. Der Betrieb hat 7 Mitarbeiter, davon ein Veterinär.

Der Berater, Herr Sabirov gab uns zudem einen Einblick in die Struktur und die Aufgaben des örtlich zuständigen Landwirtschaftsamts sowie der Landwirtschaft im Dienstgebiet. Pro Bezirk in Tatarstan gibt es ein Landwirtschaftsamt, das im Schnitt etwa neun Mitarbeiter hat.

Im Bezirk Pestritsy gibt es 12 große Betriebe (über 1.000 bis 100.000 ha), 86 kleine Betriebe (bis 1.000 ha) und 120.000 Selbstversorger-Betriebe. Die Berater haben alle eine höhere Ausbildung (Uni) und bekommen eine jährliche Schulung. Die Aufgaben der Berater umfassen beispielsweise Beratung im Bereich Pflanzenbau und Tierhaltung, Unterstützung bei staatlichen Förderprogrammen oder Düngemittelempfehlungen. Eine Düngeverordnung wie in Deutschland gibt es nicht, entsprechend ist auch keine Düngebilanz zu erstellen. Um die Produktion zu steigern, gibt es eine Förderung für die Verwendung von Mineraldünger, die über eine Art Gutschein ausgereicht wird. Auch in anderen Förderprogrammen spiegelt sich die Zielsetzung wieder, die Produktion zu steigern. So gibt es beispielsweise ein Förderprogramm Milch, bei dem 4,23 Rubel pro kg Milch jährlich ausbezahlt werden, wenn die Anzahl der Milchkühe und Milchmenge im Vergleich zur Vorjahresproduktion nicht reduziert wird. Absolut gesehen ist die Förderung in Russland allerdings deutlich niedriger als in Deutschland. Für die Förderung muss der Betriebsleiter einen Businessplan und einen jährlichen Bericht schreiben.

Am Abend beendeten wir den Tag mit einem Abendessen und einem Folkloreprogramm in Kazan.

16.04.2017

Rückflug von Kazan nach München