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Zeitsehrift fiir Krebsforsehung 65, 342--350 (1963) Aus dem Pathologischen Institut der Universit~t Bonn (Direktor: Prof. Dr. H. HAMPEP~L) Experimentelle Untersuehungen zur ,,Synei~reinogenese" I. Mitteflung gersuche zur Krebserzeugung an Ratten bei gleichzeitiger Applikation yon Di~ithylnitrosamin und 4-Dimethylamino-azobenzol* ** Von D. SCHM~HL, Co THOMAS und K. ~NIG Nit 4 Text~bbildungen (Eingegangen am 20. Dezember 1962) Das Zusammenwirken mehrerer Carcinogene bei der Krebsentstehung wurde yon BAVE~ (1948) als ,,Syncarcinogenese" bezeichnet. Quantitative experimen- telle Untersuchungen zur Frage der Syncarcinogenese liegen aber bisher kaum vor. Deswegen haben wir ein grSgeres Arbeitsprogramm zu diesem Thema begonnen. Dabei interessiert vor allem, ob eine Addition der carcinogenen Effekte auftritt, wenn verschiedene Substanzen mit der gleichen Organotropie der Wirkung und solche mit unterschiedlicher Organotropie gleichzeitig zur Anwendung kommen. IJber erste Ergebnisse dieser Versuche, die die Untersuchung der Carcinogenese bei gleichzeitiger Zufuhr zweier Carcinogene mit der gleichen Organtropie be- treffen, soll im folgenden berichtet werden. Wit verwendeten fiir diese Versuche zwei ehemiseh v611ig versehiedene Sub- stanzen, namlich das hinreiehend bekannte 4-Dimethylamino-azobenzol (DAB, Formel I) und das Di/ithylnitrosamin (DXNA, Formel II), dessen caneerogene W i r k u n g y o n SCHMXRL, PREUSSMA~r162 und HAMPE~n beschrieben wurde. Beide Substanzen erzeugen an Ratten Leberkrebs. Beim DAB handelt es sich um ein sehwer wasserl6sliches aromatisches Amin, beim DiaNA dagegen um eine einfach gebaute aliphatische, gut wasserl6sliehe Verbindung. Beide Substanzen unter- ./. ~--N=N--. / . . ~N( (I) 0 =N--N( (II) ~ // ~\\ \CH 3 \02H5 4-Dimethyl~mino-azobenzol ( D A B ) Dii~thylnitros~min (D~NA) scheiden sich a]so sowohl in ihrem chemischen Bau Ms auch in ihren physiko- chemischen Eigenschaiten erheblich voneinander. Methodik Die Subst~nzen wurden uns in d~nkenswerter Weise yon H. AI~NOLD, Brackwede (DAB) und yon 1~. PREtrSSMA~r162162 Freiburg (D~NA) zur Verffigung gestellt. Die Bestimmung der spektralen Absorption and des Schmelz- bzw. Koehpunktes ergab fiir die beiden Verbindungen die bekannten Werte. Als Versuchstiere dienten Albino-I~atten beiderlei Geschlechts eines institutseigenen Inzuchtstammes. Die Tiere wurden im Alter yon 2--3 Monaten in die Versuche genommen und w6chentlich gewogen. In der ersten Versuchsserie erhielten 28 tCatten t~glich nur D~NA in einer Tagesdosis (d) yon 3 mg/kg im Trinkwasser ver~breicht. Die Nahrung bestand aus * Herrn Prof. Dr. A. BUTENA•DT, Mfinchen, zum 60. Gebmnbstaggewidmet. ** Die Arbeit wurde dutch die ,,Deutsche Forschungsgemeinschaft" ermSglieht.

Experimentelle Untersuchungen zur “Syncarcinogenese”

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Page 1: Experimentelle Untersuchungen zur “Syncarcinogenese”

Zeitsehrift fiir Krebsforsehung 65, 342--350 (1963)

Aus dem Pathologischen Institut der Universit~t Bonn (Direktor: Prof. Dr. H. HAMPEP~L)

Experimentelle Untersuehungen zur ,,Synei~reinogenese" I. Mitteflung

gersuche zur Krebserzeugung an Ratten bei gleichzeitiger Applikation yon Di~ithylnitrosamin und 4-Dimethylamino-azobenzol* **

Von D. SCHM~HL, Co THOMAS und K. ~ N I G

Nit 4 Text~bbildungen

(Eingegangen am 20. Dezember 1962)

Das Zusammenwirken mehrerer Carcinogene bei der Krebsentstehung wurde yon BAVE~ (1948) als ,,Syncarcinogenese" bezeichnet. Quantitative experimen- telle Untersuchungen zur Frage der Syncarcinogenese liegen aber bisher kaum vor. Deswegen haben wir ein grSgeres Arbeitsprogramm zu diesem Thema begonnen. Dabei interessiert vor allem, ob eine Addition der carcinogenen Effekte auftritt, wenn verschiedene Substanzen mit der gleichen Organotropie der Wirkung und solche mit unterschiedlicher Organotropie gleichzeitig zur Anwendung kommen. IJber erste Ergebnisse dieser Versuche, die die Untersuchung der Carcinogenese bei gleichzeitiger Zufuhr zweier Carcinogene mit der gleichen Organtropie be- treffen, soll im folgenden berichtet werden.

Wit verwendeten fiir diese Versuche zwei ehemiseh v611ig versehiedene Sub- stanzen, namlich das hinreiehend bekannte 4-Dimethylamino-azobenzol (DAB, Formel I) und das Di/ithylnitrosamin (DXNA, Formel II), dessen caneerogene Wirkung yon SCHMXRL, PREUSSMA~r162 und HAMPE~n beschrieben wurde. Beide Substanzen erzeugen an Ratten Leberkrebs. Beim DAB handelt es sich um ein sehwer wasserl6sliches aromatisches Amin, beim DiaNA dagegen um eine einfach gebaute aliphatische, gut wasserl6sliehe Verbindung. Beide Substanzen unter-

./. ~--N=N--. / . . ~ N ( (I) 0 = N - - N ( (II) ~ / / ~ \ \ \ C H 3 \02H5

4-Dimethyl~mino-azobenzol ( D A B ) Dii~thylnitros~min (D~NA)

scheiden sich a]so sowohl in ihrem chemischen Bau Ms auch in ihren physiko- chemischen Eigenschaiten erheblich voneinander.

Methodik Die Subst~nzen wurden uns in d~nkenswerter Weise yon H. AI~NOLD, Brackwede (DAB)

und yon 1~. PREtrSSMA~r162162 Freiburg (D~NA) zur Verffigung gestellt. Die Bestimmung der spektralen Absorption and des Schmelz- bzw. Koehpunktes ergab fiir die beiden Verbindungen die bekannten Werte.

Als Versuchstiere dienten Albino-I~atten beiderlei Geschlechts eines institutseigenen Inzuchtstammes. Die Tiere wurden im Alter yon 2--3 Monaten in die Versuche genommen und w6chentlich gewogen. In der ersten Versuchsserie erhielten 28 tCatten t~glich nur D~NA in einer Tagesdosis (d) yon 3 mg/kg im Trinkwasser ver~breicht. Die Nahrung bestand aus

* Herrn Prof. Dr. A. BUTENA•DT, Mfinchen, zum 60. Gebmnbstag gewidmet. ** Die Arbeit wurde dutch die ,,Deutsche Forschungsgemeinschaft" ermSglieht.

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Experimentelle Untersuohungen zur ,,Syncarcinogenese". I 343

,,Altromin R"-Keksen. Eine zwei~e Gruppe yon 23 Tieren bekam nur DAB, das in Brot [Zusammensetzung s. bei Scm~XJ~L (1954)] eingebacken wurde. Die Tagesdosis betrug hier 33 mg/kg. Diese Tagesdosen wurden gewi~hlt, weft sie ~quieffiziente Dosierungen hinsichtlich der Induktionszeit der Tumoren darstellen (s. Tabelle 1). Bei einer dritten Gruppe verabreich- ten wir 38 Ratten beide Substanzen in den eben erwahnten Tagesdosen gleichzeitig (Kombi- nationsversueh). Um die Spezifitht eines mSglichen Additionseffektes zu sichern, unterwarfen wir in einer vierten Versuchsserie 19 Ratten wghrend der Behandlung mit DANA einer zwei- maligen, im Abstand yon 4 Wochen operativ durehgeffihrten Quetsehung eines Leberlappens mit einer Pinzette, einem Eingriff also, der zwar zu t~egenerationen und Proliferationen in der Leber fiihrt, fiir sich allein aber sicher nicht zu Krebs.

Alle Tiere wurden solange behandelt, bis sich palpatorisch an der Leber ein Krebswachstum feststellen ]ielL Das war in der Regel dann der Fall, wenn ein Tumorkno~en reichlich Kirsch- kerngr5~e erreicht haste. Danach brachen

g wir die Fiitterung der cancerogenen Substan- zen ab und beobaehteten die Tiere bis zu ihrem Lebensende. Nach dem Tode wurden die Ra~ten seziert und makroskopisch auf- f~llige Organe histologisch untersucht. Die beim ersten Tasten des Tumors aufgenom- mene Gesamtdosis (D) und damit die Induk- tionszeit ergab sich jewefls aus dem Pro~o- koll. Die dadurch Iiir jedes Tier gewonnenen Punkte wurden in ein ,,Wahrseheinlichkeits- netz" (Abszisse log., Ordinate nach dem Gau6sehen Integral in Summenhaufigkeits- prozente geteil~) eingetragen und flit jede Versuchsgruppe die Dosis-Wirkungskurve nach einem yon DRVeKREY, SCmV~L und DmCnLE~ angegebenen Verfahren berechnet. Signifikanz-Bereehnungen effolgten nach der Z~-Methode (PEArson).

Ergebnisse

A. Allgemeine Be/unde

.DANA .....-.o

,2 gg - ~ ~ ~ 1 7 6 1 7 6 1 7 6

G ' e w i c h / ; ]

/ i . - - DAS+D A'A

/ 0 I I I [ I l I I

g 1 2 3 g 5 g 7 Nonafe

Abb. 1. Waehstlmask~ve yon Ratten w~hrend der Behandlnng n~dt Di~ithylnitrosamin (Tagesdosis: 3 mg/kg), 4-Dimethylamino-azobenzol (Tagesdosis 3 3 m g / ] ~ ) ~ m d b e i g l e i c h z e i t i g e r •

Die Behand]ung mi t D A N A in der bei4er Substanzen in den gleichen Ta~esdosen angegebenen Tagesdosis wurde yon den Tieren gu t ver t ragen. Die Gewich tszunahme en t sprach der der Kont ro l len . I )as Durchschn i t t sgewich t erreichte Wer te , die fiber 340 g pro Tier lagen. I m Gegen- satz dazu war die Gewiehtszunahme der mi t D A B bzw. D A B ~- D A N A behande l ten R a t t e n unbefr iedigend. Es wurde bei ihnen n u t ein Durchschn i t t sgewich t yon m a x i m a l 180 g beobach te t (Abb. 1). Dieser Befund zeigt, dab die im K o m b i n a - t ionsversuch nur mange lhaf te Gewichtszunahme auf das D A B zurfickzufi ihren ist. Wei t e r wi rd da raus ersichtl ich, dal~ die in der L i t e r a tu r i m m e r wieder zu fin- dende Behaup tung , die cancerogenen Subs tanzen seien obl igat auch Wa e hs tums - hemmstof fe n ich t zutr i ff t , denn die n u t mi t D A N A behande l t en R a t t e n entwickel- t en bei gu te r Gewichtszunahme ausnahmslos Leberkrebs . Die Wachs tums- h e m m u n g t r i t t offenbar nur dann auf, wenn die Subs tanzen in hohen, subtoxischen Dosen ve rabre ich t werden; sie is t also eine , ,Konzen t ra t ionswi rkung" . Die in unseren Versuchen appl iz ier ten Tagesdosen machen diesen Sachverha l t besonders deutl ich. Die mi t t l e re le ta le Dosis (DLs0) yon D A B beli iuft sich bei R a t t e n bei e inmal iger oraler Gabe auf e twa 350 mg/kg ; die yon uns gegebene Tagesdosis (33 mg/kg) be t r~gt also den 10. Teil der DLs0 , w~hrend wi t vom DASIA, dessen DLso 210 mg/kg ausmacht , nur 1/70 (d : 3 mg/kg) der DLs0 als Tagesdosis gaben.

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344 D. Se~Xm~, C. T~zo~As und K. K6NIG:

96 yon den 108 verwendeten Rat ten bekamen in den Versuchen Leberkrebs. Die Wachstumszeit der Geschw/ilste vom Zeitpunkt der ersten Palpation des Tumors his zum Tode der Tiere betrug 28 J= 10 Tage. Die Lebern solcher Tiere waren dann meist yon mehreren multizentriseh entstandenen Krebsknoten durch- setzt. Das Tumorgewicht erreiehte hitufig 35 g und mehr. Neben dem Leberkrebs fanden wit fast regelm/~Big kleine Metastasenknoten im Netz oder Mesenterium, gelegentlich auch in den Lungen. H/~ufig entwickelte sieh ein blutiger Aseites. Einige Rat ten starben, bevor der Tumor palpiert werden konnte, dureh Verblu- tung in die Bauchh6hle aus nekrotisehen Tumoranteilen. Die in dem Versueh DANA +Leberquetschung aufgetretenen Geschwiilste gingen niemals yon dem dureh den Eingriff vernarbten Lebergewebe aus, sondern stets vom normalen Parenehym.

B. Histologische Be/unde Die in den Versuehsreihen aufgetretenen bSsartigen Tumoren lassen sich naeh

ihrem histologisehen Bild in Leberzellcareinome und versehleimende Adeno- earcinome einteflen. Das maligne t tepatom oder Leberzelleareinom, das in der Versuehsreihe mit alleiniger D~NA-Behandlung in allen Fs beobachtet wurde, ist z.T. yon groBen, blassen Zellen mit ehromatinarmem Kern und prominentem Nueleolus aufgebaut. Diese Form, die dem Typ I naeh EDWAI~DS und WHITE entsprieht, ist manchmal so hoeh ausdi/ferenziert, daB eine Abgrenzung yore gut- artigen t Iepatom schwer f~llt. Infiltratives Waehstum (Abb. 2 a), Neigung zum Gefs oder Metastasierung besonders in die Lungen sprechen jedoeh ffir die Malignit/it dieser Tumoren. Neben einem soliden Aufb&u mit balkenfSrmiger Anordnung kann auch eine Lumenbildung auftreten. Man beobaehtet dabei kleinere acin/~re, oder grSBere alveol~re Liehtungen, die yon leberzells Zellen umss werden. Ffir diese Geschwulstform trifft dann die Bezeiehnung Adenohepatom zu (Abb. 2b)

Neben solidem Leberzellkrebs und dem Adenohepatom traten in den Versuchs- serien mit DAB and DAB + D A N A such Adenocareinome auf; ihre Driisen- lichtungen enthalten reichlich Sehleim, der yon einem flaehen bis kubisehen Epithel gebildet wird. Obwohl dieses Adenocarcinom dicht neben soliden Leber- zellearcinomen zu finden ist, sind doeh nirgends ~bergs nachweisbar. Typisch ffir diese Gesehwulstform ist ferner ein reiehliehes Stroma (Abb. 2 e), das beim soliden Leberzellcareinom praktisch fehlt und beim Adenohepatom auf ein feines Gitterfasernetz beschrs bleibt (Bild 2b). Manchmal neigen die Gesehwfilste zur Verwilderung oder zu einer st/~rkeren Stromawucherung (Abb. 2d), so dab die Tumoren an Fibro- oder Angiosarkome erinnern (s. aueh RICtIAlCDSON and BO~SOS-NACHT~EBEn), die abet als solehe z. B. yon JAFFW abgelehnt werden.

Bei den mit DANA behandelten l~atten tr i t t neben den Leberzelleareinomen eine geringe Fibrose tier periportalen Felder auf, die aber bei der verwendeten relativ niedrigen Tagesdosierung nicht bis zur Cirrhose ffihrt. Die Tiere im Kom- binationsversueh and diejenigen, die nur mit DAB gefiittert wurden, zeigten st~rkere Pseudogallengangswucherungen mit sekundi~rer, cystiseher Erweiterung und Bildung yon groBen tIohlrs Die Epithelauskleidnng der Meineren Cysten ist einreihig und flach, bei den grSBeren dagegen ist ein rein verzweigter, papillarer Aufbau zu erkelmen. Wit haben somit das Bild eines Cystadenoms

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Experimentelle Untersuchungen zur ,,Syncarcinogenese". I 345

vor uns (Abb. 3). Die papill/iren Wucherungen kSnnen solide Bezirke bilden und schlieBlich in ein Leberzellcarcinom fibergehen.

Nach dem histologischen Bild lassen sich die durch DANA erzeugten Tumoren yon denen, die im Kombinationsversuch oder bei alleiniger DAB-Behandlung

Abb. 2 a - - d . a Solides Leberzellcaxcinom Ca, das das norraa~e P a r e n c h y m verdr/~ngt L und infi l tr iert I . Gomori-Feulge~ 120real. b Adenohepa tom A mat ~ b e r g a n ~ in ein solides Leberzel lcarcinom S. Gomori~ Fe~Igen 120real. c Schleimbfldendes Adenocarc inom Sch m i t reichlich S t roma St, Gomori~Feulgen

250real. d u Carcinom: vereinzelte Driisen sind noch erhal ten D. Sarkom~hnliche S t romabi ldung St, Gomori-Feulgen 120real

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346 D. Som~/4~L, C. THEWS und K. K6~Io:

auf t re ten , unterscheiden. Sie bes tehen vorwiegend aus soliden odor tr~bekuli~ren Leberzel lcarc inomen. Pseudoga l lengangswucherungen t r e t en n ich t auf. Ver. schleimende Adenocarc inome en t s t anden in dieser D ~ N A - S e r i e nicht . Sie s ind indessen bei anderen Tagesdos ierungen ausnahmsweise zu beobach ten (TIme,As).

Abb . 3. s der Schni t t f lAche eilies Leber l~ppens . C y s t a d e n o m Cy-4 ul id solides Leberze l lcaxeinom L. Mult iple k le ine H e r d e y o n cys t i s ch e r w e i t e r t e n P s e u d o g a l l e n g a n g s w u e h e r u n g e n Oe.

G o m o r i - F e u l g e n e t w a 7real

Morphologisch k6nnen Obergangs fo rmen zwischen den verschiedenen Tumor- t y p e n nachgewiesen werden, so z .B. zwischen Pseudoga l lengangswucherungen und Cys t adomen einersei ts sowie A d e n o h e p a t o m e n u n d sol iden Leberze l lcarc inomen andererse i ts , wobei der Leberze l lu rsprung zu e rkennen bleibt .

C. Dosis- Wirkungs-Beziehungen

I n der Tabel le s ind die Ergebnisse der Versuche zusammenges te l l t und in Abb. 4 graphisch zur Dars te l lung gebrach t . Die Regress ionsgeraden erg~ben im

Tabelle. ~bersichtstabelle i~ber Versuche zur Krebserzeugung bei aUeiniger bzw. fleichzeitiger orcder Applilcation zweier hepatrop wirkender Carcinogene

Versuch Tages - Tier-

dosis (d) zah l m g / k g n

33

3

23 38

19

D~NA . . . . . DAB . . . . . D/4L----~A 4- . . . . DAB . . . . . DANA ~- Leber-

quetschung . .

Tiere m i t Y~rebs Gesanl t - dosis (Ds0) I

n ] To m g / k g

28 100 700 18 78 7770 36 95 460

5160

14 76 755

I n d u k t i o n s - Regress io l i zei t I

Tage (is0) t g I <~

233 20 87 235 7,5 82 153 1 84

252 12 84

Charak te r i s t ik ; es l iegt also eine Norma lve r t e i lung ve t . Die T~ngens-Wer te ffir , ,Wahrscheinl ichkei tsnetz" fiber dem log der Gesamtdos is (D) Geraden yon hoher

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Experimentelle Un~ersuchungen zur ,,Syncarcinogenese". I 347

die einzelnen Dosis-Wirkungs-Kurven liegen zwischen 7,5 mad 20, die Anstiegs- winkel der Geraden entspreehen zwischen 82 und 87 ~ Die geringste Streuung (s) hatte der Versuch mit alleiniger DANA-Applikation, die grS~te der mit Mleiniger DAB-Ffitterung. Damit erweist sich aueh an diesem Beispiel, dab DANA ein sicherer wirksames Carcinogen Ms DAB darstellt. Dies drfiekt sich auch in dem Befund aus, dal~ in dem DANA-Versuch Mle eingesetzten Tiere (28/28) Leberkrebs bekamen, im Gegensatz zu nur 78% (18/23) im DAB-Versueh.

Die mittlere zur Krebserzeugung benStigte Ges~mtdosis (Ds0) betrug im DANA-Versuch 700 mg/kg und in der DAB-Serie 7770 mg/kg. Im Kombinations-

95 o o

�9 o �9

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o ~ -

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l l S~ ~ o +o

r fl -J#o ~0o 500 FOg 700 7000 SO00 mQ/l~q 700FO

G2samfdoszs

Abb. 4. Regress ionsgeraden i m , ,W~hrsche in l ichke i t sne tz" fill, fo lgende Versuche zur ~ : rebserzeugung an R a t t e n . D X N A = Di~ thy ln i t rosamin oral, Tagesdos is 3 m g f k g . D A B = 4-Dimethy lamino-azobenzo l oral, Tagesdos is 33 m g / k g . D X N A K ~ ]K:ombinationsversuch DiaNA + D A B . D A B K = Kombinat ionsvers~lch

D A B + DANA. + = D ~ N A + Leberq]letsch~mg

versuch, in dem DANA + DAB in der gleichen Weise wie bei der alleinigen Be- handlung gegeben wurde, ben5tigten wit dagegen nur 460 mg/kg yon D~_NA und 5160 mg/kg yon DAB. Das sind jeweils 66% yon derjenigen Gesamtdosis, die bei Mleiniger Zufuhr der Substanzen zar Krebserzeugung benStigt wurden. Ent- sprechend waren die Induktionszeiten verkfirz~. Die gefundenen Differenzen sind statistisch hoch signifikant (p <0,01). Dieser Befund zeigt, dab eine Addition der carcinogenen Effekte der beiden Substanzen eingetreten sein muI3. Da wir in dem Versuch DANA + Leberquetschung keine Verminderung der Ds0 yon DANA beobachteten, mui3 es sich bei der Addition um spezifische Vorg~nge handeln, die durch unspezifische EingTiffe wi~hrend der Carcinogen-Zufuhr nicht ausgelSst werden kSnnen.

Die in unseren Versuchen bei einer Tagesdosis yon 3 mg/kg gefundene mittlere Gesamtdosis yon DANA, niimlich 700 mg/kg, liegt hSher als die frfiher yon DI~IICKI~Bu u. Mitarb. bei gleicher Tagesdosis beschriebene (etwa 500 mg/kg). Dies ha~ wahrscheinlich in dem verschiedenen Tiermaterial seine Ursache. Die Neigung tier Regressionen im Wahrscheinhchkeitsnetz war dagegen bei beiden Versuchs- gruppen gleich, so dal~ die PrAzision, mit der die Krebserzeugung durch DANA gelingt, auch an mehreren l%attenst~mmen nachweisbar ist.

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348 D. Sc~X~L, C T~o~is und K. K6~Io:

Diskussion Das wesenthche Ergebnis tier vorliegenden Versuche ist darin zu sehen, daG

bei gleichzeitiger Zufuhr zweier Csrcinogene mit gleicher Organotropie eine Addi- tion der carcinogenen Effekte eintritt. Dieser Befund zwingt zu tier Annahme, daG der Angriffspunkt der carcinogenen Wirkung in der Zelle an den gleichen Zellbestandteilcn erfolgt und alas ferner jeweils dieselbe Zellart bctroffen wird. so dal~ also nicht nur die gleiche Organotropie, sondern such die gleiche Cytotropie der Wirkung vorliegt. W/~re dies nicht so, dann k6nnte man die Addition der carcinogenen Effekte nicht verstehen.

Bemerkenswert ist dabei die Morphologie der erzeugten Lcbergeschwfilste. Wahrend DANA allein nut Leberzellkrebs hervorruft, erzeugt DAB und die Kombi- nation DANA ~-DAB zwar meist such Lcberzellkrebse, daneben gelegentlich aber such verschleimende Adenocarcinome. Unter Lebcrzellkrebsen verstehen wir dabei sowohl die soliden Formen wie such drfisige, lichtungsbildende Krebs- typcn, die sog. Adenohepatome. Ihnen stellen wit diejenigen drfisigcn Tumoren als eine besondere Krebsform gegenfiber, die nach ihrer feineren ZeUbeschaffenhcit am ehesten den Gallengangen zuzuordnen w/~re, also einen Gallengangskrebs dar- stellt. Die morphologische Unterscheidung zwichen soliden und drfisigen Krebs- formen (Adenocarcinomen) deckt sich also nicht mit der histogenetischen Ein- teilung, da man zwar alle soliden Krebse als t tepatome, kcineswegs abet alle Adenocarcinome als Gallengangskrebse ansehen kann. Auf dieser verschiedenen Basis der Einteilung und Bezeichnung dfirften such die Unterschiede zwischcn unseren Zahlenangaben und denjenigen yon DAN~CEBS,~G and LAVBS, X~ beruhen. In unseren Kombinationsversuchen handelt es sich in den allermeisten Fallen um Krebse, die man naeh ihrer Differenzierung und Gewebsanordnung suf die Leber- zcllen zurfickffihren muir, also um LeberzeHcarcinome. Wir mfissen daher an- nehmen, daG sich die Addition der cancerogenen Effekte bei der Kombinations- behandlung in den Leberzellen bzw. ihren Abk6mmlingcn abspielt. Dabei machen wit allerdings stillschweigend die V0raussetzung, alas die in einem b6sartigen Tumor schheShch auftretende Gewebsdifferenzierung uns einen verl/iGlichen Hinweis suf seine Abstammung yon einer bestimmten Zellart gabe. In den meisten Fallen mag das tatsachhch zutreffen, zwingend ist dieser SchluG indessen nicht, wissen wir doch aus tier allgemeinen Pathologie, dait in den Organen des erwachsenen Organismus such Tumoren einer Differenzierungsrichtung entstehen k6nnen, die entweder blo$ w/~hrend tier Embryogcnesc vorhanden war oder ~berhaupt nut ein verwandtes Organ betrifft (Plattenepithelcarcinome tier Schilddrfise, Knorpelgeschwfilste des reifen Knochens usw.). Es ware also denkbar, dal~ such in der Leber durch Proliferation yon Leberzellen Tumoren mit Gallen- gsngsdifferenzierung und dureh Proliferation yon Gslleng~ngen ,,Leberzell- tumoren" entstehen kSnnten. Nnr unter Ber/icksichtigung dieses Standpnnktes sind so versehiedene Ansichten fiber die Abstsmmung der Krebes in der Leber zu verstehen.

Ds wir eine Addition der carcinogenen Effekte im Kombinationsversuch fan- den, ist anztmehmen, dab die verschiedenen Leberkrebssrtcn yon demselben Zell- typ ausgehen. Diese Annahme ist in tier Literatur schon gelegentlich diskutiert worden. KINOSITA vermutete ihnlich wie TANAKA und KA~o eine Transition yon

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Experimentelle Untersuchungen zur ,,Syncarcinogenese". I 349

Zellformationen in der Leber w~hrend der Carcinogenese mit DAB. P~ICE u. Mit- arb. kamen zu dem SchluI~, dal~ die meisten - - wenn nicht alle - - experimentellen Lebergeschwfilste der Rat te trotz verschiedener Morphologie der Tumoren yon den Galleng/~ngen ausgehen wfirden, w~hrend EDWARDS und WHITE den krebsigen Umbau der Leberzellen als wesentlich ffir die verschiedenen Krebsbildungen in der Leber ansehen. Andere Untersucher glauben dagegen, dab man zwischen Leberzell- und Gallengangskrebsen histogenetisch streng unterscheiden mfisse. Unsere pharmakodynamischen Ergebnisse weisen darauf hin, da{3 der Ursprung der yon uns beobachteten Leberkrebsarten von ein und demselben Zelltyp, wahr- scheinlich cler Leberzelle, ausging. Yfir diese Auffassung sprechen auch neuere Befunde yon S~oMo~ u. Mitarb. (1962), die in den ZeHen der Leber w~hrend der Carcinogenese durch verschiedene Substanzen (Thioacetamid, DAB und Dimethyl- nitrosamin) elektronenmikroskopisch die gleichen Veriinderungen an den Zellen ~anden, gleichgfiltig welche Substanz zugeffihrt wurde.

Quantitative Untersuchungen fiber die MSglichkeit einer Addition cler can- cerogenen Effekte verschiedener Cancerogene, die ttinweise fiber deren Ausmal~ geben wfirden, liegen bisher nicht vor. Wohl aber zeigten qualitative Versuche die grunds~tzliche MSglichkeit einer solchen Addition. So beschrieb z.B. N~A~ARA eine Addition der carcinogenen Wirkungen verschiedener cancerogener Kohlen- wasserstoffe. Ko~PAssY beobachtete nach Behandlung yon Rat ten mit Gerbs/iure und 2-Acetamino-fluoren mehr Lebertumoren als bei alleiniger Gabe dieser beiden Substanzen. Ahnliche Befunde beschrieb BE~so~, der bei Kombination yon dl- ~ th ionin~- N-2-fluorenylaeetamid mehr Mamma- und GehSrgangseareinome auf- treten sah als bei blof~er Gabe des Fluoren-AbkSmmlings.

Unsere Ergebnisse lassen dagegen bei der yon uns gew/~hlten Versuchsanordnung eine quantitative Aussage zu: Nut etwa 66 % der zur Krebserzeugung benStigten Gesamtdosis pro Substanz sind bei Kombination zweier Careinogene mit gleieher Organotropie zur Krebsentstehung erforderlich im Vergleieh zur a]leinigen Zufuhr der Substanzen. Welter zeigen unsere Ergebnisse, dal~ bei der carcinogenen Wir- kung nicht nur dann eine Summation der Effekte vorliegt, wenn nur ein Cancero- gen gegeben wird (I)X~UCKREY U. SCH]~XHL), sondern auch wenn mehrere mit der gleichen Organotropie gleichzeitig einwirken. Zu analogen Schlul3folgerungen war auch NAXAHA~A bei seinen Versuchen mit cancerogenen Kohlenwasserstoffen ge- kommen. Die Bedeutung dieser Befunde im Sinne der ,,Syncarcinogenese" liegt auf der Hand.

Zusammenfassung Die beiden hepatotrop wirkenden Carcinogene Di/~thylnitrosamin und 4-Di-

methylamino-azobenzol wurden an Ratten einmal allein und einmal kombiniert in den gleiehen Tagesdosen verabreicht. Im Kombinationsversuch waren nut 66 % yon derjenigen Gesamtdosis zur Krebserzeugung erforderlich, die bei aIle~niger Gabe der Verbindungen dazu benStigt wurde. Wi~hrend cter Behandlung mit Di~thylnitrosamin durehgeffihrte Leberquetschmlgen beeinfluBten die Geschwin- digkeit der Krebsentstehung in der Leber nicht. Die morphologisch verschiedenen Leberkrebsarten gehen wahrsehein]ich jeweils yon Leberzellen aus.

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350 D. Sc~wi~H~ et al. : Experimentelle Untersuchungen zur ,,Syncarcinogenese". I

S tud ies of "Syncarcinogenesis" I . E x p e r i m e n t s on the i n d u c t i o n of c a n c e r in r a t s by the s i m u l t a n e o u s

a d m i n i s t r a t i o n of d i - e t h y l n i t r o s a m i n e a n d 4 - d i m e t h y l a m i n o - a z o b e n z e n e

Summary

The two hepa to t rop i c carcinogens, d i - e thy in i t rosamine and 4 -d ime thy lamino- azobenzene, were admin i s t e red to ra t s in the same da i ly dosage, i nd iv idua l ly in the f irst exper imen t , and toge the r in the second. I n the combina t ion s tudies on ly 66 % of t h a t ent i re dose was needed for the induc t ion of cancer, which was requ i red b y a single compound . Compression of the l iver dur ing the t r e a t m e n t wi th d i -e thyl - n i t rosamine d id no t influence the r a p i d i t y b y which the cancer developed. The morpholog ica l ly di f ferent t ypes of hepa t i c cancer p r o b a b l y or ig ina ted f rom the l iver cells.

L i te ra tur

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Priv.-Doz. Dr. D. Scmv~i~n%, Dr. C. T~o~As, eand. med. K. K6NIG~ Pathologisch0s Institut der Universitat, 53 Bonn-Venusberg