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Zur Zukunft der Wirtschaftsmedien Zwischen Existenzkrise und Erfolgskalkül Wer hat an der Uhr gedreht? Zeitmanagement für Fachjournalisten Es grünt so grün Nachhaltigkeitsthemen in den Medien – eine Bestandsaufnahme No. 1 2012 Januar 2012 12. Jg. ISSN 1860-2827

Fachjournalist - Januar 2012

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Das Onlinemagazin „Fachjournalist“ wird vom Deutschen Fachjournalisten-Verband (DFJV) herausgegeben. Auf www.fachjournalist.de publizieren wir regelmäßig zu den Themenbereichen Fachjournalismus, Fach-PR und Fachmedien. Zudem behandeln wir relevante Rechtsthemen für Journalisten. Beiträge der Rubrik „Praktischer Journalismus“ vermitteln darüber hinaus unmittelbar anwendbares Wissen für den journalistischen Arbeitsalltag. Das Magazin richtet sich an alle Mitglieder des DFJV, an nicht beim Verband organisierte Journalisten, PR-Referenten sowie Dozenten und Studenten journalistischer und kommunikationswissenschaftlicher Studiengänge. Bis April 2012 erschien der Fachjournalist als Printversion. Alle bislang veröffentlichten Einzelbeiträge sind kostenfrei auf www.fachjournalist.de einsehbar, sortiert nach Rubriken. Die seit dem Relaunch des Magazins im Juli 2010 erschienen Gesamtausgaben sind zudem als animierte E-Paper hier auf ISSUU.com abrufbar.

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Zur Zukunft der Wirtschaftsmedien Zwischen Existenzkrise und Erfolgskalkül

Wer hat an der Uhr gedreht? Zeitmanagement für Fachjournalisten

Es grünt so grün Nachhaltigkeitsthemen in den Medien – eine Bestandsaufnahme

No.

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Januar 2012 12. Jg. ISSN 1860-2827

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FINANZJOURNALISMUS Quo vadis Wirtschaftsmedien?

ZEITMANAGEMENT Mehr Effizienz am Arbeitsplatz

RECHT Rechtspraxis für Journalisten

02 INHALT

03 EDITORIAL

35 IMPRESSUM

INHALT

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DFJV Intern

ZUR ZUkUNFT DER WIRTScHAFTSMEDIEN Zwischen Existenzkrise und Erfolgskalkül Lothar Lochmaier

JOURNALISMUS IN DER DIgITALEN MODERNEErgebnisse aus dem Projekt „Zukunft des Journalismus“ der Stiftung Neue VerantwortungLeonard Novy und Dominic Schwickert

WER HAT AN DER UHR gEDREHT?Zeitmanagement für FachjournalistenCordula Nussbaum

REcHTSPRAxIS FüR JOURNALISTENFrank C. Biethahn

TRENDSTUDIE WISSENScHAFTSkOMMUNIkATIONDie Chancen und Risiken der nächsten EntwicklungsstufeAlexander Gerber

VERLIEREN DIE WAcHHUNDE IHRE ZäHNE?Zum Rollenselbstverständnis von Nachwuchsjournalisten Rebekka Merholz

ES gRüNT SO gRüNNachhaltigkeitsthemen in den Medien – eine BestandsaufnahmeKira Crome

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NACHHALTIGKEITWie "grün" ist die Medienberichterstattung?

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das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in den Medien an Gewicht. Eine zentrale Herausfor-

derung liegt darin, dem komplexen Thema und den globalen Zusammenhängen gerecht zu

werden, gleichfalls aber auch eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Denn – dies belegen

Studien – die meisten Medienformate richten sich beim Thema Nachhaltigkeit bislang an

die „Bildungselite“ und die Zielgruppe der sogenannten „LOHAS“ (Lifestyles Of Health And

Sustainability), in deren Lebenskontext die Thematik bereits fest verankert ist. Wollen Medien

ihrem Auftrag als Förderer eines gesellschaftlichen Wandels gerecht werden, müssen sie

Nachhaltigkeitsthemen mit der Lebenswirklichkeit der breiten Öffentlichkeit koppeln. Es

wird darauf ankommen, inwieweit sie es schaffen, komplexe Inhalte über innovative Formate

auf affektive Weise verständlich zu vermitteln. Bestehende Formate lediglich mit einem

„grünen Anstrich“ zu versehen, reicht dabei nicht aus. Hier ist fachjournalistische Kompetenz

gefragt – die in ihrer Ausgestaltung freilich noch (weiter-) entwickelt werden muss. Dieses

Spannungsfeld beschreibt Kira Crome ab S. 13.

Einen „Geist der Zuspitzung, Vereinfachung und Übertreibung“ bei auflagenstarken

Wirtschaftstiteln erkennt Lothar Lochmaier. Es herrsche hier eine (zu sehr) am Massenge-

schmack und an der breiten medialen Aufmerksamkeit orientierte Berichterstattung vor;

eine differenzierte, kritische Analyse finde zu wenig statt. Gerade diese sei aber essenziell,

um beispielsweise eine Frühwarnfunktion im Vorfeld von Wirtschaftskrisen auszuüben.

Nach Lochmaier besteht der „inhaltliche Megatrend zur Differenzierung“ nun darin, „neue

Wege im konstruktiven Kapitalismus aufzuzeigen.“ Chancen sieht er in einer weniger

stereotypen, weniger hierarchisch geprägten Wirtschafts- und Finanzberichterstattung.

Diese sollte beispielsweise profilierte Wirtschafts- und Finanzblogs in ihre Berichterstattung

einbeziehen, eine Dialog-und Kollaborationsbereitschaft stärker verinnerlichen und so

eine tiefere thematische Durchdringung und auch Vielfalt erreichen. Der Trend zum „perso-

nalisierten Wirtschafts- und Finanzmedium im Netz“ werde sich zweifellos verstärken.

Welche Herausforderungen und Potenziale für den Wirtschafts- und Finanzjournalismus der

Zukunft bestehen, lesen Sie ab S. 4.

Eine lohnende Lektüre wünscht Ihnen

IHR LARS VON HUgO

(Chefredakteur)

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

EDITORIAL

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von Lothar Lochmaier

ZUR ZUkUNFT DER WIRTScHAFTSMEDIEN ZWIScHEN ExISTENZkRISE UND ERFOLgSkALküL

Zweifellos befindet sich der Finanz- und Wirtschaftsjournalismus im Umbruch. Sinkende

Erlöse, eingeschränkte Entwicklungsperspektiven und eine personelle Ausdünnung der

Redaktionsstäbe zehren an Substanz und Qualität. Doch es gibt auch positive Zeichen:

Neue Formate verändern den Blickwinkel auf die Finanzwelt und treiben eine bunt gefächerte

mediale Innovationskultur voran, von der alle Beteiligten profitieren.

FINANZJOURNALISMUS

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ZUR ZUkUNFT DER WIRTScHAFTSMEDIEN ZWIScHEN ExISTENZkRISE UND ERFOLgSkALküL

Zweifellos befindet sich der Finanz- und Wirtschaftsjournalismus im Umbruch. Sinkende

Erlöse, eingeschränkte Entwicklungsperspektiven und eine personelle Ausdünnung der

Redaktionsstäbe zehren an Substanz und Qualität. Doch es gibt auch positive Zeichen:

Neue Formate verändern den Blickwinkel auf die Finanzwelt und treiben eine bunt gefächerte

mediale Innovationskultur voran, von der alle Beteiligten profitieren.

FINANZJOURNALISMUS

Erst wenn vermeintliche Außenseiter sich vom äußeren Rand in die Mitte der Gesellschaft vorgearbeitet haben, nehmen die Leitmedien in der Regel davon Notiz. Ein beredtes Beispiel hierfür ist die Protestbewegung Occupy Wall Street1, die sich in den USA gebildet hat, um aus Sicht der Demonstrierenden gegen die Auswüchse eines aus dem Ruder gelaufenen Finanzmarktkapitalismus zu demonstrieren.2

»Wirtschafts- und Finanzpresse setzen sich gerade in der Frühphase kaum ernsthaft mit relevanten

sozialen Phänomenen auseinander.«

Unabhängig davon, welche Haltung der Beobachter ge-genüber dieser Bewegung beziehen mag, ist ein mediales Aufmerksamkeitsdefizit offensichtlich geworden: Die Pro-tagonisten in der Wirtschafts- und Finanzpresse setzen sich gerade in der Frühphase kaum ernsthaft mit rele-vanten sozialen Phänomenen auseinander. Im Falle von Occupy Wall Street dominierte zu Anfang sogar vielerorts die überhebliche Tendenz, deren Protagonisten als idealis-tische Träumer, Weltverbesserer oder gar linke Sektierer abzustempeln.

MEHR ALS EINE RANDERScHEINUNg

Erst als sich einige prominente Fürsprecher aus Wirt-schaft, Finanzbranche und Politik für eine gerechtere Verteilung von Reichtum aussprachen, erreichte die Dis-kussion um die „soziale“ Zukunft der Finanzwelt erneut die Titelseiten der einschlägigen Wirtschaftstitel, die sich sonst verstärkt nackten Zahlen, Prognosen und Ge-schäftsbilanzen widmen, also vor allem mit den Erfolgrei-chen dieser Welt beschäftigen.

Noch ist völlig offen, ob sich im Falle von Occupy Wall Street1 aus einem anfänglich kleinen Proteststurm von heterogenen Gruppierungen in den USA überhaupt eine konstruktive Ideenbewegung hin zu einer sozialeren Marktwirtschaft, etwa nach deutschem Vorbild, entwi-ckeln kann. Die relevanten Fragen, die sich im Zuge des-sen aber stellen, sind kaum anders zu bewerten als bereits unmittelbar nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008. Können Medien ihrer Frühwarnfunktion im Vorfeld von Krisen nachkommen? Gelingt es, ausreichend frühzeitig auf neue Blasenbildungen oder Missstände an den Finanz-märkten hinzuweisen – oder dominiert der blinde Fleck?

»Führt der Herdentrieb zu kollektiver Verdrängung?«

Sind die Konsequenzen, etwa aus den jüngsten Gescheh-nissen in Griechenland, von den Leitkommentatoren

richtig eingeschätzt worden? Hat man insbesondere die Reichweite der Krise bis hin zu den systemgefährdenden Folgen erkannt? Ist die Berichterstattung während der anhaltenden Krise nachhaltig beziehungsweise reflektiert und reicht sie über eine episodische und punktuelle Dar-stellung von Ereignissen hinaus? All diese Fragen stellen sich mit jedem Aufflammen neuer Turbulenzen seit 2008 an den Finanzmärkten.3

HERDENTRIEB VERHINDERT DIFFERENZIERTEN BLIckWINkEL

Vor drei, vier Jahren schien kaum jemand in der Exper-tenriege diese Fragen wirklich beantworten zu können. Warum antizipieren die Medien die Geschehnisse hinter der großen Fassade in der Finanzwelt so wenig oder erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung? Führt der Herdentrieb zu kollektiver Verdrängung? Der mediale Durchschnitt legt den Fokus auf den Massenmarkt. Er funktioniert ähnlich wie ein Optionsgeschäft an den Börsen.

»Es dominiert in den auflagestarken Wirtschaftstiteln der Geist der Zuspitzung,

Vereinfachung und Übertreibung.«

Analog zur „Call-and-Put“-Funktion an den Kapitalmärk-ten herrscht in den wirtschaftlichen Leitmedien die Ten-denz vor, relevante Nachrichten „nur“ zu pointieren und zu verdichten, also quasi nach oben oder nach unten zu spekulieren, wie es gerade opportun erscheint: so, wie es dem allgemeinen Kenntnisstand des Bevölkerungs-durchschnitts entspricht, oder wie es auch nur eine auf die jeweilige Lesergruppe situativ verstärkte Gerüchtekü-che widerspiegelt, um ein möglichst breites mediales Auf-merksamkeitsfenster zu erzeugen. Kurzum: Es dominiert in den auflagestarken Wirtschaftstiteln, gerade mit Blick auf komplizierte Zusammenhänge in der Finanzwelt, der Geist der Zuspitzung, Vereinfachung und Übertreibung nach oben beziehungsweise nach unten. Bislang halten die Macher an diesem Erfolgsrezept fest, freilich mit den bekannten Nebenwirkungen von Schwarz-Weiß-Malerei und dem Reproduzieren von oftmals gängigen Klischees. Als Schutzbehauptung dient dabei das gelegentlich vorge-tragene Argument, wirtschaftliche und fachliche Komple-xität zu demonstrieren könne kaum für Auflage und damit Wirtschaftlichkeit sorgen. Intelligente und differenzierte Beiträge über komplexe Zusammenhänge zu publizieren, die selbst Insider in der Finanzwelt kaum verstünden, (so betont es das Gros der Macher fast gebetsmühlenartig) sei etwas für Randgruppen und Nischenmärkte – und las-se sich somit kaum mit entsprechend großer Reichweite vermarkten. Unabhängig davon, ob man dieser These zu-stimmt oder nicht: Das Innovationsdilemma in den Wirt-

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schafts- und Finanzmedien bleibt bestehen. Der mediale Durchschnitt liegt gerade bei einschneidenden Verände-rungen und Umbrüchen letztlich falsch. Es ist eine Art von systemimmanenter Betriebsblindheit, in der die Ak-teure gerade in drastischen sozialen und wirtschaftlichen Umbruchzeiten strukturell gefangen sind.

Als Beleg für diese These mag die Aussage dienen, dass rund drei Viertel aller Menschen an der Börse regelmäßig Geld verlieren. Höchstens ein Viertel der privaten Markt-teilnehmer ist überhaupt in der Lage, das Spiel an den Ka-pitalmärkten erfolgreich zu gestalten. Wer gewinnen will, muss dort gegen den Strom schwimmen, also Zukunft-strends rechtzeitig antizipieren. Vor diesem nüchternen Hintergrund sollte die anhaltende Finanzkrise im Lichte der Berichterstattung neu eingeordnet werden.

In einer Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stif-tung zum Status quo des Wirtschaftsjournalismus4 aus dem Jahr 2010 hatten die Autoren die gravierenden Defizite ei-ner am Massengeschmack orientierten Berichterstattung herauskristallisiert. Mit Blick auf die Oberhoheit über die Stammtischmeinung gelangte die Otto-Brenner-Stiftung in einer jüngeren Studie5 zu der eindeutigen Schlussfolgerung, dass mit dem griechischen Volk nun der ideale Sündenbock für die Verwerfungen in der Finanzwelt gefunden sei.

MODERNISIERUNg: gREIFT DAS PROPAgIERTE ERFOLgSkALküL?

Um den Mechanismus zu verstehen, lohnt ein Exkurs in die Massenmedien, die breite Bevölkerungsschichten an-sprechen, statt sich wie die reinen Wirtschaftsmedien auf spezielle, meist gut gebildete Leserzielgruppen zu fokussie-ren. Für die mit einem unterdurchschnittlichen Wissens-stand ausgestatteten Leser ließe sich die gängige Formel geradezu symptomatisch auf den Umstand herunterbre-chen, dass Griechenlands Schuldenkrise identisch mit der Eurokrise sei. Gerade Deutschlands auflagenstärkstes Printmedium BILD habe sich, so die Autoren der Otto-Brenner-Stiftung, der überaus eingängigen Losung ver-schrieben, sich aus billigem Populismus nur einseitig um die Perspektive der deutschen Steuerzahler zu kümmern. Die Griechen hingegen, mit ihren „satten Sünden“, hätten die Welt betrogen und deshalb keine Hilfe verdient. Ihnen bei der Bewältigung der Schuldenkrise nicht beizustehen,

komme somit einer gerechten Strafe gleich.

Die gelernte Lektion dieses stark verkürzten Blickwinkels auf die Finanzökonomie lautet: Die Wirtschafts- und Fi-nanzmedien bedienen zwar einerseits ein höher gebildetes Klientel, das in wirtschaftlichen Fragen zu einer differen-zierten Sichtweise in der Lage ist. Jedoch gab es nach Auf-fassung der Otto-Brenner-Stiftung auch hier, zumindest bis zum Ausbruch der Finanzkrise, eine starke Neigung zum Herdentrieb, indem man die Dimension einer heraufzie-henden Krise nicht wirklich hat kommen sehen. Dies ist ein Grund, warum die Mehrheit der einschlägigen Wirtschafts-titel erst über eine sich zuspitzende Krise berichtet, wenn diese von der breiten Masse nicht mehr zu übersehen oder gar zu verleugnen ist. Oder wie es Ariana Huffington, die Gründerin der amerikanischen Online-Zeitung Huffington Post, ausdrückte: „Und sie [die Wirtschaftsmedien; Anmer-kung der Redaktion] waren mehr Cheerleader des Turbo-Kapitalismus als Kritiker“.6

Wer nun jedoch anhand einer offensichtlichen Sinnkrise eilfertig das Ende des Wirtschafts- und Finanzjournalis-mus in der bisherigen Funktionsweise proklamiert, über-sieht eines: Erprobte Alternativen jenseits des selektiven Qualitätsjournalismus liegen für die breite Masse ange-sichts eines niedrigen ökonomischen Grundwissens um komplexere Zusammenhänge kaum auf der Hand. Aber auch Wirtschaftsblätter und insbesondere die Leitmedien sind keine „höhere moralische Bildungsanstalt“, sondern in erster Linie Wirtschaftsbetriebe, die den jeweils herr-schenden Spielregeln verpflichtet sind. Dies führt zu einem Stärken-Schwächen-Profil, das folgende Aspekte umfasst:

OCCUpy WALL STREET

FINANZJOURNALISMUS

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hören nicht nur zur schicken Fassade, wenn Macher und Rezipienten sich auf Augenhöhe begegnen. Eine weniger hierarchisch strukturierte Wirtschafts- und Finanzbericht-erstattung dürfte die Folge sein, bei der sich Fach- und Gastbeiträge um aktive Feedback-Elemente über unter-schiedliche Frequenzen und Kanäle ergänzen.

SOcIAL MEDIA: VERSIERTE BLOgFORMATE HAUcHEN FRIScHES LEBEN EIN

Am Beispiel der Resonanzanalyse zur Bewegung Occupy Wall Street1 lassen sich erste Umrisse einer neuen Informa-tionspluralität in der Finanz- und Wirtschaftsberichterstat-tung erkennen. Unzählige Blogs und Beiträge in sozialen Netzwerken zeigen das große Spektrum an Ideen und Mei-nungen auf, anhand derer sich die Leser ein intensives Bild über die aktuellen Geschehnisse und deren Hintergründe machen können.

Natürlich führt die steigende Zahl von Blogformaten auch dazu, dass die Ware Information zum rasch veröffentlichten und oftmals wenig aussagekräftigen Allgemeingut wird – und indirekt den medialen Überfluss sogar verstärkt. Jedoch geht es in diesem Szenario nicht darum, klassische Medien durch individuelle Blogs gänzlich zu ersetzen, sondern diese hinter dem „Eisernen Vorhang“ hervorzuholen und durch vielseitige Blickwinkel von gewissen Erstarrungsritualen und Schablonen zu befreien.

»Onlineportale sind längst vom Schattendasein ins Rampenlicht getreten.«

Zweifellos spielen profilierte Wirtschafts- und Finanz-blogs künftig zumindest in der qualitativ hochwertigen Ni-sche eine prägende Rolle. Dessen Charme wird sich auch der mediale Durchschnitt nicht entziehen. Eine visionäre Entwicklung in Richtung „Finanzjournalismus 2.0“ scheint greifbar, die ihren Markt von den medialen Rändern her ins Zentrum ausweitet. Onlineportale mit Blogcharakter wie Businessinsider, Zerohedge oder Credite Writedowns kombinieren bereits heute auf geschickte Art und Weise die Welt der Nachrichten mit hintergründiger Berichterstattung.

Und einige dieser Onlineportale sind längst vom Schat-tendasein ins Rampenlicht getreten. Mittlerweile verfü-gen Businessinsider und Co. in den USA nicht nur über

FINANZJOURNALISMUS

• Die Wirtschaftsberichterstattung lebt vom Massengeschmack, nicht von den Randmeinungen.

• Es dominiert der Fokus auf die „Global Player“ in der Wirtschaft.

• Das Gros der Finanzmedien huldigt dem Herdentrieb an der Börse.

• Home Stories sind glatt und langweilig.

• Eine differenzierte Sicht auf die Wirtschaft interessiert nur wenige Leser.

• Eine „Sowohl-als-auch“-Tendenz in der Berichterstattung erscheint langweilig.

• Der zweite Blick hinter die Nachricht findet kaum statt.

Wo aber liegt die Zukunft? Mit technischen Lösungen, allein im Zuge einer Modernisierung der redaktionellen Prozesse und Abläufe, lässt sich kaum ein neues tragfä-higes Geschäftsmodell generieren. Manche sehen mobile Endgeräte wie das iPad, mit deren Hilfe die Leser bequem und zeitnah Informationen abrufen können, als neue Heilsbringer an. Jedoch entbindet dies die Verantwortli-chen nicht von der brennenden Frage, mit überzeugenden Inhalten beim Leser zu punkten, gerade wenn es um neue Bezahlmodelle im Netz geht.

»Die Grenzen zwischen der Innen- und Außenwahrnehmung beim kollaborativen

Journalismus lösen sich weiter auf.«

Eine Blaupause für ein funktional logisches Geschäftsmo-dell scheint hier bislang nirgendwo erkennbar. Somit bleibt es fraglich, für welche Qualität der Kunde bereit ist zu zah-len, wenn andernorts – etwa in der Blogosphäre oder auf weiteren einschlägigen Seiten – sich die Inhalte genauso gut aufspüren und nachvollziehen lassen. Aber auch das von Medienmachern gelegentlich ins Spiel gebrachte Credo, alternativ mit kostenlosen Inhalten plus flankierender Werbung zu punkten, erweist sich kaum als zielführende betriebswirtschaftliche Lösungsformel.

Fest steht vielmehr, dass sich die Grenzen zwischen Innen- und Außenwahrnehmung beim kollaborativen Journalis-mus weiter auflösen werden. Der inhaltliche Megatrend zur Differenzierung am Markt besteht darin, neue Wege im konstruktiven Kapitalismus aufzuzeigen. Lesercom-munities und eine dadurch erhöhte Dialogbereitschaft ge-

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nennenswerte Reichweiten, Werbeeinnahmen und perso-nelle Ausstattung. Sie gehören auch zu den von gängigen Leitmedien immer öfter zitierten Quellen, wenn es sich um exklusive Geschichten oder persönlich eingefärbte Hintergrundberichte handelt.

»Es besteht ein „Trend zum personalisierten Wirtschafts- und Finanzmedium im Netz“.«

Dies führt dazu, dass gerade die Leitmedien nicht umhin kommen, neue Spieler wie Blogs, soziale Medienkanäle oder andere vermeintlich rudimentäre Nachrichtensei-ten ernst zu nehmen und sukzessive kreative Spielele-mente in ihr eigenes Geschäftsmodell einfließen zu las-sen. Dadurch wächst die Nische für „echte“ Geschichten mit unterschiedlichen Akteuren und Unternehmern zum Anfassen. Die Berichterstattung bewegt sich damit partiell, verstärkt durch den sozio-ökonomischen Paradigmenwan-del in der Finanzwelt, weg von Stereotypen und Hoch-glanzbildern, zumindest wenn diese einer genaueren Über-prüfung durch die Gesellschaft nicht mehr standhalten.

Dieser Trend birgt für die künftige Generation von Wirt-schafts- und Finanzjournalisten eine große Chance in sich, indem sie den neuen Charakter einer ungleich stär-ker vernetzten Ökonomie 2.0 in seiner ganzen medialen Vielfalt widerspiegelt und aktiv begleitet. Eine Studie von Deutsche Bank Research zum Umbruch im Verlagswesen8 bündelt diese Einschätzung in der Überzeugung, dass sich die Trennlinie zwischen Medienkonsument und Medien-macher über dezentral gruppierte Kommunikationska-näle, die sich mit Begrifflichkeiten wie Social Media und anderen dezentralen Medienformaten verbinden, weiter auflösen wird.

Dieser Umstand eröffnet Medien nicht nur die Chance, jenseits von modischen Accessoires eine bi-direktionale Beteiligungswelle mit effizientem Zuschnitt einzuleiten. Das neue Rollenspiel bietet darüber hinaus die Option, die eigene Wertschöpfungskette gründlich an die neuen Erfordernisse anzupassen sowie belebende Konzepte daraus zu entwickeln. Daraus könnten schließlich neue Formate und Chancen erwachsen, um das eigene Profil, die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Verweildauer zu schärfen oder gar zu erhöhen. Eine deutlich größere Medienvielfalt von unten bietet somit gerade Fachverla-gen, aber auch versierten und offenen Wirtschafts- und Fi-nanzjournalisten die Chance, sich über Mehrwertdienste am Markt zu (re)differenzieren.

FAZIT

Mediale Einbahnstraßenkanäle und selektives Nachrich-tenmanagement mit vermeintlich exklusiven Geschichten verlieren angesichts einer neuen Medienvielfalt an Ge-wicht. Zweifellos verstärkt sich dadurch der Trend zum personalisierten Wirtschafts- und Finanzmedium im Netz, mit einer weiteren Vertiefung in Richtung Themen- und Spartenkanäle, die der geneigte Leser in einer Art Baukas-tenprinzip individuell konfigurieren kann.//

Der Autor LOTHAR LOcHMAIER arbeitet als freier

Fach- und Wirtschaftsjournalist in Berlin. Zu seinen

Schwerpunkten gehören Energiefragen, Informations-

technologie und die Finanzbranche. Im Mai 2010

erschien im Heise Verlag sein Buch „Die Bank sind

wir – Chancen und Perspektiven von Social Banking“.

Er betreibt außerdem das Experten-Weblog „Social

Banking 2.0 – der Kunde übernimmt die Regie“

(http://lochmaier.wordpress.com/), gemäß Süddeutscher

Zeitung eine der lesenswerten Adressen unter den deut-

schen Finanz- und Wirtschaftsblogs. Über Twitter kann

man regelmäßig seinen Gedanken zur Bankeninnovation

folgen: http://twitter.com/#!/LotharLochmaier

ENDNOTEN:

1 http://occupywallstreet.org2 Zur medialen Entstehungsgeschichte der Rezeption um die Bewegung Occupy Wall Street siehe folgenden Beitrag: From a single hashtag, a protest circled the world. Quelle: Nachrichtenagentur Reuters UK vom 17.10.2011, http://reut.rs/opTH29 3 Siehe dazu die Publikation der Columbia University von Schiffrin, A. (Hg.) (2011): Bad News. How America's Business Press Missed the Story of the Century. The New Press, New York / London 2011. Siehe dazu auch die Rezension in der Neuen Züricher Zeitung v. 18.10.2011: Mitschuld an der Finanzkrise? Amerikanische Experten beleuchten die Rolle des Wirtschafts- journalismus, http://bit.ly/u3pPDf4 Otto-Brenner-Stiftung (2010): Wirtschaftsjournalismus in der Krise – Zum massenmedialen Umgang mit Finanzmarktpolitik, http://bit.ly/sRGNSf 5 Siehe dazu auch die „BILD-Studie“: Otto-Brenner-Stiftung v. 06.04.2011, http://www.bild-studie.de6 Interview von Ariana Huffington mit Spiegel Online v. 07.02.2011, http://bit.ly/hIQvlY7 http://www.businessinsider.com, http://www.zerohedge.com, http:// www.creditwritedowns.com8 DB Research: Verlage im Umbruch – Digitalisierung mischt Karten neu v. 30.10.2010, http://bit.ly/vLmrZI

00102100000122101

00102100 000 12210 1 03928590483 759238 74597 457234987 59234875 934875 48937 00102100 000 12210 1 03928590483 759238 74597 934875 48937

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FINANZJOURNALISMUS

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ZUkUNFT DES JOURNALISMUS

JOURNALISMUS IN DER DIgITALEN MODERNE ERgEBNISSE AUS DEM PROJEkT „ZUkUNFT DES JOURNALISMUS“ DER STIFTUNg NEUE VERANTWORTUNgvon Leonard Novy und Dominic Schwickert

Im Mediensektor erleben wir zurzeit einen tief greifenden Strukturwandel, der nicht nur

die Mediennutzung verändert, sondern jahrzehntelang erfolgreiche Geschäftsmodelle und

letztlich ein ganzes Berufsbild infrage stellt. Dies ist sowohl für die Medienhäuser als auch

die Redaktionen eine große Herausforderung. Klar ist: Die verantwortlichen Akteure in

Medien, Politik und Zivilgesellschaft müssen die gewaltigen Umbrüche in der Medienbranche

stärker als Chance begreifen. Die Ergebnisse des interdisziplinären Forschungsprojekts

„Zukunft des Journalismus“ des Berliner Think Tanks „Stiftung Neue Verantwortung“ geben

einige Anhaltspunkte, wie die Alleinstellungsmerkmale von Journalismus unter veränderten

Rahmenbedingungen verteidigt und sogar ausgeweitet werden können.

Im Journalismus sind wir heute mit einer paradoxen Situ-ation konfrontiert: Wir können auf eine größere Vielfalt an Informationsangeboten denn je zugreifen und müssen gleichzeitig feststellen, dass der Markt allein bestimmte kostenintensive journalistische Inhalte nicht mehr oder nicht mehr ausreichend bereitstellen kann. Und auch wenn sich der Journalismus zumindest in der Spitze des Seg-ments wahrscheinlich so gut wie zu keinem Zeitpunkt sei-ner jahrhundertealten Geschichte präsentiert, ist er gleich-zeitig so gefährdet wie nie zuvor – mit Auswirkungen nicht zuletzt auch auf die kommunikative Infrastruktur unserer Demokratie. So prägt der Journalismus als zentrales Ele-ment unserer „allgemeinen Erfahrungsstruktur“ (Isaiah Berlin) Inhalte, Strukturen und Prozesse von politischer Öffentlichkeit.

»Guter Journalismus ist das kulturelle Tafelsilber moderner Demokratien!«

Und doch stehen die Allgegenwart und die Bedeutung der neuen Medienrealitäten in einem krassen Missver-hältnis zur gesellschaftlichen Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Medienpolitik ist in Deutschland mehr denn je ein Nischenthema für hochspezialisierte Fachkreise. Sie erschöpft sich in ritualisierten Graben-kämpfen zwischen privatwirtschaftlichen Verbänden und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, komplexen Re-gulierungsdebatten und floskelhaften Appellen zur För-derung von „Medienkompetenz“. Nur punktuell, etwa

aus Anlass des Abhörskandals um die britische News of the World oder wenn es um den publizistischen Einfluss autokratischer Führungsfiguren wie Silvio Berlusconi geht, sind Medien und Journalismus Gegenstand breiter öffentlicher Debatten. Dabei ist eine grundsätzliche Aus-einandersetzung mit der Zukunft des Journalismus im Zeitalter der „Massen-Selbstkommunikation“ (Manuel Castells) notwendiger denn je: politisch, weil der techno-logisch, ökonomisch und sozial befeuerte Strukturwandel der Medien Herausforderungen impliziert, die mit dem klassischen Regulierungsinstrumentarium nicht zu lösen sind. Gesellschaftlich, weil trotz aller Schwierigkeit, ihre Wirkung zu quantifizieren, die Bedeutung der Medien für sozio-politische Verständigungsprozesse unbestritten ist.

STRUkTURkRISE DES JOURNALISMUS

Demokratien brauchen professionell betriebenen Journa-lismus, der aufklärt und staatliches Handeln kontrolliert, Relevantes von Unwichtigem trennt, als eine Art Früh-warnsystem für gesellschaftliche und politische Krisen fungiert und vor allem Orientierung stiftet. Gerade infol-ge der Expansion und Professionalisierung von Public Re-lations (PR) und Lobbyismus ist guter, unabhängiger Jour-nalismus notwendiger denn je. Und auch wenn die Zeit der Einsparrunden, Entlassungen und Einstellungen gan-zer Zeitungen ausgestanden scheint und sich vorsichtiger Optimismus, beinahe sogar wieder Euphorie verbreitet: Die Krise des Journalismus ist nicht ausgestanden. Denn

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nur ein Teil der Probleme des Journalismus war zyklischer Natur, Ausfluss der Wirtschaftskrise. Der andere Teil ist strukturell bedingt und hat mit umfassenden technologi-schen und sozio-kulturellen Veränderungen zu tun. Wir erleben einen maßgeblich, aber nicht ausschließlich durch die Verbreitung des Internets hervorgerufenen digitalen Strukturwandel, der klassische, jahrzehntelang erfolgrei-che Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsmuster infrage stellt, tradierte Arbeits- und Denkweisen herausfordert und bestehende Rezeptions- und Nutzungsverhalten verändert.

Ein schier unaufhaltsamer Auflagenschwund bei den Ta-geszeitungen, Konkurrenz durch neue Akteure im Inter-net, dazu die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Werbemarkt – die massiven Umbrüche in der Medien-branche sind an den Befindlichkeiten vieler Journalisten nicht spurlos vorübergegangen. Doch trotz spürbarer Ver-unsicherung glaubt die überwiegende Mehrheit der Jour-nalisten an eine digitale Zukunft des Journalismus. Das ist das Ergebnis der vom Berliner Think Tank „Stiftung Neue Verantwortung“ in Zusammenarbeit mit dem Bera-tungsunternehmen IFOK durchgeführten Onlineumfrage „Journalismus 2020“, an der sich zwischen März und Juni 2011 mehr als 800 Redakteure und freie Mitarbeiter aus Online, Print, TV und Radio beteiligt haben.

AUSgEWäHLTE ERgEBNISSE DER UMFRAgE „JOURNALISMUS 2020“

Mit der Umfrage sollte herausgefunden werden, wie Jour-nalisten in Deutschland den aktuellen Zustand und die Perspektiven ihrer Branche einschätzen. Ein überraschen-des Ergebnis: Trotz Etatkürzungen, Lohndumping und Redaktionszusammenlegungen würden sich fast 80 Pro-zent wieder für ihren Beruf entscheiden. Nur jeder Fünfte würde sich – noch einmal als Berufsanfänger vor die Wahl gestellt – einen anderen Job suchen. Als häufigste Gründe nennt die frustrierte Minderheit der Befragten den gestie-genen Alltagsdruck und die schlechte Bezahlung.

»Über 80 Prozent der Journalisten sind der Meinung, dass der wirtschaftliche Druck Kreativität und Motivation gefährdet.«

Hinsichtlich der Zukunft der eigenen Zunft fürchtet der Großteil aller Befragten (84 Prozent), dass der wirtschaft-liche Druck Kreativität und Motivation gefährdet. Beklagt wird zudem der zunehmende Einfluss der PR (63 Prozent) sowie das schlechte Management von Medienunternehmen (56 Prozent). Wie die Umfrage gezeigt hat, wird die Verun-sicherung über die Folgen der Digitalisierung durch Kom-munikationsprobleme zwischen Arbeitgebern und Beschäf-tigten noch verstärkt. So gibt rund die Hälfte der Teilnehmer

der Befragung an, die Planungen ihres Medienhauses für die Zukunft nicht zu kennen (45 Prozent). Knapp jeder Fünfte kann im eigenen Unternehmen keine schlüssige Strategie erkennen, die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Doch so groß die Verunsicherung auch sein mag: Hinweise für die oft beklagte Zukunftsverweigerung bzw. Resistenz von Jour-nalisten gegenüber Veränderungen liefert die Umfrage nicht.Vielmehr ist die Selbstkritik beachtlich: So glaubt jeweils über die Hälfte der Befragten, dass sich Journalisten statt mit gesellschaftlich relevanten Themen zu sehr mit Bana-litäten beschäftigen und sich allgemein mehr Gedanken über die Risiken als über die Chancen der Zukunft ma-chen. Und Chancen gibt es nach Einschätzung der Befrag-ten im Zeitalter der Digitalisierung genug. Fast die Hälfte (47 Prozent) glaubt, dass die Verlage Ende des Jahrzehnts mehr Geld im Internet umsetzen werden als mit ihren Printprodukten. Zwar glaubt nur eine Minderheit an den Durchbruch von allgemeinen Bezahlschranken (27

Alle Angaben in Prozent; N=836Quelle: Stiftung Neue Verantwortung / IFOK

"Der professionelle Journalismushat seine zentrale Aufgabe alsThemenfilter verloren, da er nicht mehr über die Auswahl von Nachrichten und deren Schwerpunktsetzung entscheidet."

Stimme zu (218)

Keine Meinung (58)

Stimme nicht zu (550)

Keine Antwort (9)

Nicht gezeigt (1)

2

66 267

1

ABB. 1: WIE STEHEN SIE ZUR PROgNOSE FüR DAS JAHR 2020:

ZUkUNFT DES JOURNALISMUS

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11Fachjournalist No .1 2012

Prozent), Einzelzahlungen wie Crowdfunding und Social Payments (14 Prozent) bzw. Micropayments (36 Prozent) oder Onlineabos (38 Prozent). Hingegen sieht eine Mehr-heit von 62 Prozent in Bezahl-Apps große Potenziale, auch im Netz mit Journalismus gutes Geld zu verdienen.In sozialen Netzwerken wie Facebook sehen 53 Prozent die Chance für neue Formen von Journalismus. Dass Leser, Zuschauer und Hörer an Einfluss gewinnen und stärker eingebunden werden, bewerten 60 Prozent als positiv. Der Erfolg der Enthüllungsplattform Wikileaks wird ebenfalls von der Mehrheit als Chance (57 Prozent) und weniger als Bedrohung (7 Prozent) für den eigenen Berufsstand betrachtet. Knapp zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) glauben, dass professioneller Journalismus auch in Zukunft „zentraler Themenfilter“ bleiben wird. Nicht einmal jeder fünfte Teilnehmer (18 Prozent) erwar-tet demnach, dass Plattformen wie Facebook und Twitter im Jahr 2020 als Informationsquelle wichtiger sein wer-den als klassische Nachrichtenagenturen.

DIALOg UND OFFENHEIT FüR VERäNDERUNgEN

Das Internet galt vielen Medienakteuren lange nur als weiterer Verbreitungsweg, als Spielplatz der Banalitäten oder sogar als Gefahr. Immer wieder war die Rede vom Qualitätsverfall, vom Verlust an Objektivität und dem Ende der sozial-integrativen Funktion der Medien – kurz: dem Ende des Abendlandes. Auf die damit einhergehen-den Veränderungen, auf neue Nutzungsverhalten und Mitsprachebedürfnisse, wie sie sich etwa im Bürgerjour-nalismus manifestieren, reagierten Redaktionen zu spät. Mit diesem Strukturkonservatismus machen die Medien sich überflüssig. Wie die Umfrage „Journalimus 2020“ zeigt, sieht die Mehrheit der Journalisten in der zuneh-menden Digitalisierung viele neue Chancen und ist durch-aus veränderungsbereit. Statt sich vorwiegend Gedanken über Sparrunden zu machen, sollten die Medienhäuser diese Offenheit nutzen – und viel stärker im Dialog mit ihren Redaktionen überlegen, wie man den Wandel im Journalismus aktiv gestalten kann.

Konkret müssen sich die handelnden Akteure früher oder später von der liebgewonnenen Betrachtung der Probleme des Journalismus aus der Partikularperspektive einzelner Gattungen und Organisationsformen lösen und stattdessen den Blick darauf richten, wie Journalismus angesichts sich rasant verändernder technischer, kultureller und ökonomi-scher Rahmenbedingungen der Vielfalt der an ihn gerichte-ten Erwartungen gerecht werden kann. Welche Kanäle die Konsumenten vorziehen, ob Druck, Online oder Apps, ist sekundär gegenüber Anspruch und Notwendigkeit, funk-tionsfähige Apparate der Nachrichtenbeschaffung und -verbreitung zu haben („Society doesn’t need newspapers.

What we need is journalism.“, Clay Shirky).Ein solcher Perspektivwechsel ermöglicht es, statt nur Gefahren auch die großen Potenziale zu sehen, etwa:

• dass Druck und Vertrieb über die Hälfte der Kostenbasis von Zeitungen ausmachen und dass mit der Migration von Printprodukten ins Netz potenziell auch Ressourcen für journalistische Inhalte frei werden;

• dass Nischenangebote so präziser und kosteneffizienter an die jeweiligen Zielgruppen gebracht werden können;

• dass das Internet hinsichtlich Transparenz und Qualität journalistischer Recherche (u.a. durch Nutzereinbin- dung über Social Communities, Datenjournalismus) zu wichtigen Verbesserungen führen kann.

Die kumulierte tägliche Zeitungsauflage liegt in Deutsch-land immer noch bei über 24 Millionen, von den Milli-onen Internetnutzern abgesehen. Auch Letztere haben

2

59 327

1

"Leser, Zuschauer und Hörer gewinnen an Einfluss und wollen stärker beteiligt werden."

Chance (492)

Sowohl als auch (270)

Bedrohung (61)

Keine Antwort (12)

Nicht gezeigt (1)

ZUkUNFT DES JOURNALISMUS

ABB. 2: SEHEN SIE FOLgENDE ENTWIckLUNg EHER ALS cHANcE ODER BEDROHUNg:

Alle Angaben in Prozent; N=836Quelle: Stiftung Neue Verantwortung / IFOK

Page 12: Fachjournalist - Januar 2012

12 Fachjournalist No .1 2012

Der Autor DR. LEONARD NOVy ist Direktor für den Bereich

Forschung und Entwicklung am Institut für die Wis-

senschaften vom Menschen in Wien und Mitglied der

Institutsleitung beim Institut für Medien- und Kommu-

nikationspolitik in Berlin. 2010 / 2011 war er Fellow im

Projekt „Zukunft des Journalismus“ der Stiftung Neue

Verantwortung.

Der Autor DOMINIc ScHWIckERT arbeitet beim Beratungsun-

ternehmen IFOK und lehrt am Institut für Politikwis-

senschaft der Universität Münster. Er war 2010 / 2011

Associate im Projekt „Zukunft des Journalismus“ der

Stiftung Neue Verantwortung..

die Wikileaks-Enthüllungen mehrheitlich nicht direkt beim „Anbieter“ gelesen, sondern in den Angeboten etablierter journalistischer Marken, die die verfügbaren Informationen sorgfältig ausgewählt, ausgewertet und aufbereitet haben.

Der Journalismus wird seine gesellschaftliche Funktion, Akzeptanz und damit auch ökonomische Tragfähigkeit in dem Maße bewahren, indem er den gesellschaftlichen und technologischen Wandel, für den das Internet steht, annimmt und sich ihm stellt. Diese Entwicklung veror-tet die Funktion des Journalisten nun umso deutlicher inmitten der Gesellschaft. Dies bedeutet nicht, dass Jour-nalisten ihre Alleinstellungsmerkmale – professionelle Recherche, Einordnung und sprachliche Qualität – aufge-ben, im Gegenteil. Es gilt, diese Alleinstellungsmerkmale unter veränderten Rahmenbedingungen zu verteidigen und sogar auszuweiten.

»Was Redaktionen und Medienhäusern fehlt, ist eine institutionalisierte „Beta-Kultur“ hinsichtlich der journalistischen Produkte

und der Einbindung der Nutzer.«

Dafür müssen Journalisten und Management ihre Kom-munikationsprobleme überwinden und gemeinsam in-novationsfreudiger werden. Schließlich erfordert ein hochdynamisches Umfeld kontinuierliche Innovation hinsichtlich Organisation (Redaktionsstruktur, Arbeits-abläufe), Kultur (mehr Zusammenarbeit mit Endver-brauchern und Nischenangeboten) und Produkten (For-mat). Was den Redaktionen und Medienhäusern fehlt, ist ein mutiges und experimentierfreudiges Handeln, eine institutionalisierte „Beta-Kultur“ und, damit zu-sammenhängend, die Bereitschaft, in den Dialog zu tre-ten und auch Misserfolge in Kauf zu nehmen. Allein die Tatsache, dass weit über die Hälfte der Umfrageteilneh-mer (56 Prozent) der Meinung sind, dass das schlechte Management von Unternehmen die Perspektiven des Berufsstands gefährdet, unterstreicht den Mangel an internem Dialog. Wenn stattdessen Medienhäuser und Redaktionen gemeinsam experimentieren, können Ide-en für kreative Ertragssteigerungen und jene wirtschaft-lichen Freiräume entstehen, die es ermöglichen, in der nächsten Konjunkturkrise nicht nur auf simple Kosten-senkungen setzen zu müssen.

NUTZERBINDUNg DURcH NUTZEREINBINDUNg

Doch die Forderung nach mehr Dialog bezieht sich nicht nur auf die interne Kommunikation. Wie eine kürzlich vom European Journalism Observatory veröffentlichte, international vergleichende Studie festgestellt hat, setzt

offenbar der überwiegende Teil der europäischen Me-dien Kommunikationsangebote an ihre Nutzer – wenn überhaupt – vor allem aus Marketinggründen ein. Das Vertrauen in das eigene journalistische Produkt wird durch solche Teilhabeillusionen freilich nicht gesteigert. Was die Einbindung des Publikums anbelangt, zeigen sich auch (und gerade) die deutschen Medien bislang eher zugeknöpft: Statt Transparenz über redaktionelle Strukturen, Prozesse und Entscheidungen herzustellen und – wo möglich und sinnvoll – die Weisheit der Vielen zu nutzen, erschöpft sich das Teilhabeverständnis der Ver-lage, Sender und Journalisten hierzulande nach wie vor meist in bloßen Kommentarfunktionen oder im Verweis auf die sozialen Netzwerke. Beispiele für weitergehende Dialogangebote – sei es in Form von Leserbeiräten, Web-casts von Redaktionskonferenzen, Ombudsmänner, die die Rolle einer Beschwerdeinstanz einnehmen, oder gar Redaktionsforen, bei denen die Mediennutzer über grund-legende redaktionelle Entscheidungen (mit-) diskutieren können – sind kaum zu finden.

FAZIT

Das Internet kann Journalismus beleben, reichhaltiger und stärker machen. Es bietet neue Möglichkeiten für ein vielfältigeres mediales System, in dem die großen traditio-nellen Marken als multimediale, interaktive Nachrichten-organisationen neben den unzähligen Nischenprodukten des Long Tail fortbestehen. Das identitätsstiftende Mo-ment, das Theoretiker und Essayisten den „klassischen“ Massenmedien TV („Lagerfeuer der Nation“), Radio und Zeitung zugeschrieben haben, ist damit endgültig passé. Doch die Idee der einen, monolithischen Öffentlichkeit war ohnehin stets ein Mythos, eine Chiffre für eine Viel-zahl von Teilöffentlichkeiten. Diese müssen sich journa-listische Medien nun stets aufs Neue erschließen. Genau darin liegt die Herausforderung der digitalen Moderne.//

ZUkUNFT DES JOURNALISMUS

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13Fachjournalist No .1 2012

NAcHHALTIgkEIT

ES gRüNT SO gRüNNAcHHALTIgkEITSTHEMEN IN DEN MEDIEN – EINEBESTANDSAUFNAHME von Kira Crome

„Grüne“ Themen haben Konjunktur: Klimawandel, Unternehmensverantwortung,

Bio- und Fair-Trade-Zertifizierung, Energie sparen und umweltfreundliches Reisen

– solche nachhaltigkeitsrelevanten Themen machen vermehrt in Zeitschriften und

Tageszeitungen Schlagzeilen oder sind Gegenstand von Fernseh- und Radiobeiträgen.

Trotzdem klagen Nachhaltigkeitsexperten, dass das Leitthema Nachhaltigkeit keinen

angemessenen Raum in den Massenmedien einnimmt. Medien- und Kommunikations-

forscher kritisieren außerdem, dass die Medienmacher die breite Masse nicht erreichen

und letztlich ihrem Auftrag als Förderer eines gesellschaftlichen Wandels nicht gerecht

würden. Wie also steht es um die mediale Vermittlung der komplexen Themen, welche

neuen Ansätze gibt es und welche Herausforderungen ergeben sich für Fachjournalisten?

Page 14: Fachjournalist - Januar 2012

14 Fachjournalist No .1 2012

Erinnern Sie sich noch an Stefan Kappers? Der Düssel-dorfer Werbetexter war 1999 und 2000 Held einer bun-desweiten Kampagne des Verbandes Deutscher Zeitschrif-tenverleger mit der Botschaft: Prominenz braucht keine Voraussetzung. Eines der 20 Motive zeigte den bis dahin unbekannten Nobody auf einem Traktor mitten in einem Kornfeld. Der Slogan: „Das Leben ist wie Traktor fahren.“ Die Aussage: null. Das Ergebnis: Am Ende der Kampagne kannte ein Viertel aller Deutschen Stefan Kappers (vgl. VDZ 2001). Ein interessantes Experiment, mit dem es ge-lungen ist, einem Unbekannten ohne besonderen Nach-richtenwert in der breiten Öffentlichkeit einen hohen Bekanntheitsgrad zu verleihen. Lässt sich dieses Konzept auch auf die mediale Vermittlung eines so komplexen und schwer transportierbaren Themas wie Nachhaltigkeit übertragen?

Noch im Jahr 2004, als der Hollywood-Ökothriller „The Day After Tomorrow“ den Klimawandel zum Kassen-schlager machte und für große Aufmacher in der Bild-Zeitung sorgte, beklagten Nachhaltigkeitsexperten und Medienforscher, dass Nachhaltigkeit in den Medien „kein Gesicht“ habe – so das Fazit einer Studie des Adolf-Grimme-Instituts im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Dafür werteten die Medienforscher exem-plarisch Programme aus unterschiedlichen Genres von verschiedenen Fernsehsendern aus und befragten deren Macher (vgl. Rat für Nachhaltige Entwicklung 2004). Sie fanden heraus, dass die meisten der Redakteure, Autoren und Produzenten zwar persönlich wesentliche Aspekte des Leitbildes Nachhaltigkeit befürworteten – wie etwa soziale Verantwortung, Generationengerechtigkeit oder Umweltschutz. Sie dienten ihnen jedoch nicht als Maß-stäbe oder Orientierung für die Programmgestaltung. Der Begriff Nachhaltigkeit und die mit ihm verbundenen Ansprüche wurden als zu komplex, zu kopflastig, zu an-spruchsvoll, zu unattraktiv – und daher insgesamt unge-eignet für die mediale Vermittlung angesehen. Und das betraf sogar solche Sendungen, die in der Studie als durch-aus nachhaltigkeitsorientiert bewertet wurden, weil sie die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Zusammen-hänge eines Themas aufgezeigt hatten. Sie wurden aber von den verantwortlichen Redakteuren und Autoren nicht mit dem Nachhaltigkeitsbild in Verbindung gebracht (vgl. Rat für Nachhaltige Entwicklung 2004, S. 4).

AUS DER ExPERTENNIScHE ZUM gRüNEN TRENDTHEMA

Eine Erklärung für diese Diskrepanz lautet, dass heutzu-tage Nachrichten immer kürzere Halbwertszeiten haben und deshalb kaum Raum bleibt, Hintergründe, Zusam-menhänge und Wirkungen eines Problems ausführlich zu erklären. Hinzu kommt, dass das Sachthema Um-welt den besonderen Nachrichtenwert, den es zuletzt in

den 1980er-Jahren zu Zeiten von Waldsterben, Seveso und Tschernobyl hatte, im Fahrwasser von Klimakatas-trophen, Polschmelze, Artensterben und erneuerbaren Energien zwar wiedererlangt hat. Die klassische Um-weltberichterstattung ist heute jedoch hinter globale und komplexe Kontexte zurückgetreten.

»Nachhaltigkeitsthemen widersprechen den medialen Erfordernissen nach Einfachheit.«

Aktuelle Fragen nach einer zukunftsorientierten Nutzung knapper Ressourcen und einer generationengerechten Lebensweise, die das Postulat einer nachhaltigen Ent-wicklung heute stellen, ergeben sich aus einer neuen Qualität von Umweltproblemen, die nicht nur zeitlich und räumlich entgrenzt sind. Ihre Wirkungen schlagen sich auch noch in naturfernen ökonomischen oder sozi-alen Bereichen nieder. Nachhaltigkeitsthemen sind des-halb nicht einfach erklärt – und widersprechen damit den medialen Erfordernissen nach Einfachheit. Peter Unfried, Chefreporter und Umweltfachmann der taz, vermisst in seiner Branche ein Bewusstsein für die Komplexität des Themas: „Generell herrschte und herrscht nach meiner Einschätzung Sprachlosigkeit zwischen den Experten für das Thema und dem Rest von Redaktionen“ (Unfried, P. 2010). Sie sei Hauptgrund dafür, warum die meisten Me-dien der wachsenden Bedeutung nachhaltiger Themen und Perspektiven in der Gesellschaft nicht gerecht wür-den. Mehr noch: Die Sprachlosigkeit spiegele zudem eine gesellschaftliche Befindlichkeit wider: „Sie entspricht der zwischen öko-affinen Bürgern und dem großen Rest der Gesellschaft“ (Unfried, P. 2010).

»Den Medien kommt bei der Förderung eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels hin zu nachhaltigen Konzepten eine Schlüsselrolle zu.«

Die Autoren der jüngsten Medienstudie zum Thema vom Wuppertal Institut Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) aus dem Jahr 2010 kommen nach einer qualitativen Analyse von ausgewähl-ten Medienformaten zu einem ähnlichen Schluss: Zwar seien in den letzten Jahren zunehmend Medienformate entwickelt worden, die das Potenzial hätten, Menschen für nachhaltige Themenfelder zu öffnen und sie mit ent-sprechenden zuverlässigen und authentischen Informatio-nen zu versorgen. Doch richteten sich diese hauptsächlich an die „Bildungselite“ und die Zielgruppe der sogenann-ten LOHAS, kurz für „Lifestyle Of Health And Sustain-ability“ – eine schwer im Trend liegende Zielgruppe, die die Konsumforschung als neuen hedonistischen Konsum-typ beschreibt, der auf einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil Wert legt. Für die breiten Bevölkerungsschich-ten, die laut Sociovision Institut zusammen über 50 Prozent

NAcHHALTIgkEIT

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15Fachjournalist No .1 2012

NAcHHALTIgkEIT

der Gesellschaft ausmachen, fehle es aber an der entspre-chenden medialen Ansprache (CSCP 2010).

„NUR NOcH kURZ DIE WELT RETTEN“

Wissenschaftler, Medienforscher und Kommunikations-experten haben deshalb in den letzten Jahren diskutiert, wie Medien den Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeits-gedankens in der breiten Öffentlichkeit steigern können, um die Kluft zwischen den Lagern zu überwinden. Dass die Medien diese Aufgabe grundsätzlich leisten können, ist Konsens: „Den Medien kommt bei der Förderung ei-nes grundlegenden gesellschaftlichen Wandels hin zu nachhaltigen Konzepten qua definitionem eine Schlüs-selrolle zu“ (CSCP 2010, S. 6). Sie sind einerseits mei-nungsbildend und deshalb verpflichtet, nachhaltigkeits-bezogene Inhalte in der eigenen Berichterstattung zu liefern. Medien sind andererseits meinungsabbildend und deshalb verpflichtet, die öffentliche Meinung zu Nach-haltigkeitsthemen genau wiederzugeben (Moutchnik, A. 2009). „Mithilfe einer optimalen und effektiven Nutzung von Medienformaten können die Menschen mit Nachhal-tigkeitsbotschaften erreicht werden. Sie können lernen und bestenfalls ihre Einstellungen und Verhaltensweisen ändern“, resümieren die Autoren der CSCP-Studie den ak-tuellen Forschungsstand (CSCP 2010, S. 6). Einig sind sich Medienforscher und Nachhaltigkeitsexperten ebenfalls darin, dass Medienmacher die Aufgabe haben, die Kom-plexität der nachhaltigkeitsbezogenen Themen zu reduzie-ren und die Inhalte auf emotionale und affektive Weise zu vermitteln. Die „reine Lehre“, das umfassende Nachhal-tigkeitsverständnis mit den Dimensionen Ökologie, Öko-nomie und soziale Balance, wird demnach auch weiterhin nur schwer redaktionellen Platz finden. Das Rezept einer erfolgreichen medialen Vermittlung lautet, den offenbar wachsenden Bedarf an Ratschlägen und Hinweisen, wie die Menschen persönlich mit Klimawandel, knapper werden-den Ressourcen und insgesamt wachsenden ökologischen und sozialen Herausforderungen umgehen können, punkt-genau und zielgruppengerecht zu treffen. Es sind zumeist einfache Botschaften, mit denen Medienmacher versuchen sollten, Lesern und Zuschauern nachhaltige Lebensstile schmackhaft zu machen.

kEINE EINFAcHEN REZEPTE

Dass das in der Praxis nicht immer einfach ist, zeigt der Blick über den Medienmarkt der letzten drei Jahre. Im Jahr 2008 wollte der Burda-Verlag mit Ivy, einem ambitionier-ten Lifestylemagazin samt flankierendem Onlineangebot, den wachsenden Markt für grüne Themen und bewussten Lebensstil beliefern. Mit 21 Millionen potenziellen Lesern hatte man gerechnet. Doch schon nach der zweiten Aus-

gabe fiel das Projekt durch. „Das wirtschaftliche Umfeld bietet trotz guter Medienresonanz zur Zeit weder in Print noch Online eine notwendige Perspektive“, ließ der Ver-lag verlauten. Die Blattmacher änderten ihre Strategie und setzten auf einzelne „grüne“ Schwerpunktausgaben von Titeln wie Focus oder Focus Money. Quer durch die Re-daktionen produziert der Burda-Verlag jährlich über 150 redaktionelle Seiten mit „grünen“ Inhalten. Aber auch das Nachrichtenmagazin Stern widmete eine Ausgabe dem Thema Nachhaltigkeit und stellte dafür das Logo statt auf roten auf grünen Hintergrund. Modemagazine wie Madame fahren 15-seitige Strecken über High-End- und Luxus-Produkte aus ökologischer und fairer Produktion. Tageszeitungen wie der Kölner Stadt-Anzeiger oder die Financial Times Deutschland veröffentlichen „grüne“ Son-derbeilagen.

Auf dem Fernsehmarkt beobachten Medienforscher einen ähnlichen Trend. Martin Kreeb, vom Lehrstuhl für Um-weltmanagement an der Universität Hohenheim und Mit-Initiator eines Forschungsprojektes zur Medialisierung der Nachhaltigkeit, registriert einen spürbaren Anstieg der TV-Beiträge mit Nachhaltigkeitsbezug in den vergan-genen Jahren (Schwender, C., Schulz, W. F., Kreeb, M. 2008). Hatten Wissenschaftsmagazine wie „Quarks & Co.“ im WDR oder „Welt der Wunder“ auf RTL 2 ver-stärkt auf serviceorientierte Themen mit konkretem All-tagsbezug wie Burn-Out, Kraftstoffsparen oder Wärme-dämmung im Haus gesetzt, gehen die Fernsehsender in jüngster Zeit zu imageträchtigen Sendeschwerpunkten über: Im Oktober 2011 hat VOX unter der Überschrift „Planet Blue“ an einem quotenträchtigen Samstag zum zweiten Mal ein 12-Stunden Programm zum Thema Kli-mawandel gesendet. Im Jahr davor hatte der erste „Planet Blue“-Tag zum Thema Wasser einen Tagesmarktanteil von 7,5 Prozent bei Zuschauer von 14 bis 49 Jahren erzielt und lag damit 0,5 Prozentpunkte über dem durchschnittlichen Samstags-Marktanteil von 7,0 Prozent. Der Fernsehsender ProSieben machte im Mai 2011 nach einigen ersten Pi-lottagen gleich einen ganzen Monat unter der Überschrift „Green Seven“ zum Themenschwerpunkt mit vielen Bau-steinen in unterschiedlichen Formaten und Magazinen, ohne eine Aussage über Zuschauerzahlen treffen zu können.

QUOTE, WERBEEINAHMEN, gEWINN – UND cSR

Es scheint kein Zufall, dass die Debatte um die adäquate Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen in eine Zeit fällt, in der Unternehmen zunehmend in die Pflicht genommen werden, sich um ihre gesellschaftliche Verantwortung zu kümmern. Der neue gesellschaftliche Anspruch, dem internationale Unternehmen wie die BBC schon vor Jahren begegnet sind, erhöht einerseits den Druck auf die Medienun-

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16 Fachjournalist No .1 2012

ternehmen, sich des Themas ernsthaft anzunehmen. Sender wie die Gruppe ProSiebenSat.1 haben eine eigene Corporate Social Responsibility (CSR)-Abteilung gegründet oder veröf-fentlichen wie die RTL-Gruppe einen Nachhaltigkeitsbericht. Andererseits verzerrt der neue gesellschaftliche Anspruch die Argumentationslinien einer in wissenschaftlichen Krei-sen geführten Debatte, die vor allem daran krankt, dass es überhaupt nur eine Handvoll Forschungsvorhaben gibt, die sich mit der Erfassung und der Rezeption von Nachhaltig-keitsthemen in den Medien beschäftigen.

»Die Rezeptionsforschung hat keine Antworten darauf, wie Nachhaltigkeit oder Nachhaltigkeits-relevanz zu definieren und zu ermitteln sind.«

Auch wenn grüne Themen unter dem kühlen Kalkül von Marketingstrategen eindeutig zum Trend gemacht werden und durchaus Konjunktur haben: Die vielen guten Beispie-le sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Nachhaltig-keitsbotschaften zumindest im direkten Sinne nach wie vor nur vereinzelt ins Mainstream-Programm Einzug halten. Bislang, so warnt Medienforscher Friedrich Hagedorn, hat sich kein Königsweg zur Verknüpfung von nachhaltigen Ansprüchen und massenmedialer Wirksamkeit offenbart (Hagedorn, F. 2008). Wie langfristige Strategien zur Ver-mittlung von Nachhaltigkeitsthemen in publikumswirk-samen Medienformaten auszusehen haben und welchen Regeln eine optimale und effektive Nutzung folgen soll, ist nach wie vor eine offene Frage. Trotz interdisziplinär ange-legter Forschungsvorhaben, die neueste Erkenntnisse aus der Konsumforschung in den Blick nehmen, hat die Rezep-tionsforschung keine Antworten darauf, wie Nachhaltigkeit oder Nachhaltigkeitsrelevanz zu definieren und zu ermit-teln sind. Auch wenn der Begriff in den letzten Jahren Kon-junktur hat, bleibt seine Zuordnung doch schwierig (Hage-dorn, F. 2009). Zum anderen weist Alexander Moutchnik von der Münchner Mediadesign Hochschule darauf hin, dass eine quantitative Feststellung von nachhaltigkeitsrele-vanten Inhalten in Medien allein noch nichts darüber aus-sagt, ob das Konzept bei den Lesern und Zuschauern wirk-lich ankommt. „Die tatsächliche Rezeption des Konzepts Nachhaltigkeit in der Bevölkerung ist quantitativ kaum erfassbar, denn zum einen schränkt die Analyse von nur einem Massenmedium – beispielsweise Zeitung – in den Zeiten der Medienkonvergenz und geänderten Mediennut-zungsverhaltens die Betrachtungsperspektive stark ein, und zum anderen wird dadurch noch keine Aussage getroffen, ob die Prinzipien und die Grundlagen des Konzepts durch die Gesellschaft verbreitet und wahrgenommen werden.“

„LOVE gREEN“: NIcHT REDEN – EINFAcH MAcHEN

Wie es gelingen könnte, nachhaltigkeitsrelevante Botschaf-ten zuschauernah, inhaltlich relevant und dramaturgisch

überzeugend zu gestalten, will die im Sommer 2010 im deutschen Fernsehen angelaufene Medieninitiative „Love Green“ zeigen. Mit reichweitenstarken TV-Spots und „grü-nen“ redaktionellen Schwerpunkten in Magazinen und Themensendungen wollen die Kommunikationsprofis Mar-kus Schmidt und Philipp A. Thode von der Münchener Kre-ativagentur UnitedSenses mit ihrem Medienpartner Sat.1 das wenig prominente Thema Nachhaltigkeit aus der Ex-pertennische holen. Die cross-medial angelegte Kampagne soll die breite Öffentlichkeit zu einem verantwortungsvol-len Umgang mit der Umwelt inspirieren. Die beiden Krea-tivköpfe setzen auf einen hohen Wirkungserfolg. Deshalb wird das Sendeprogramm von einem Onlinemagazin flan-kiert, das täglich Fakten und „grüne“ Nachrichten liefert.

»So einig man sich ist, dass Nachhaltigkeit in den Medien kein „Quotenkiller“ mehr ist,

so wenig ist klar, welche konkreten fachlichen Kompetenzen Journalisten, Redakteure undAutoren mitbringen müssen, um Nachhaltig-

keitsthemen erfolgreich in traditionellen Redaktionsstrukturen unterzubringen.«

Mehrere Hunderttausend Leser verzeichnet das Magazin seit dem Start. Innerhalb der stetig wachsenden Facebook-Fangemeinde wurden die „good News“ sogar schon in den ersten Monaten über eine Million Mal abgerufen. Die Botschaft der Kampagnenmacher ist einfach: Wenn viele Menschen ihr Verhalten nur ein bisschen verändern, wird aus der Summe der kleinen Aktionen ein großer Beitrag – zum Wohle der kommenden Generationen. Damit liegen sie voll im Trend, ganz nach dem Motto „Nur noch kurz die Welt retten“. Für die Medienforschung wird dieses Projekt spannend sein. Denn so einig man sich ist, dass Nachhaltigkeit in den Medien kein „Quotenkiller“ mehr ist (Schwender, C., Schulz, W. F., Kreeb, M. 2008), so we-nig ist klar, welche konkreten fachlichen Kompetenzen Journalisten, Redakteure und Autoren mitbringen müssen, um Nachhaltigkeitsthemen erfolgreich in traditionellen Redaktionsstrukturen unterzubringen. Es gibt kaum spe-zifische Weiterbildungsangebote, die sich speziell an Jour-nalisten richten. Wie der jüngst veröffentlichte Leitfaden für ein entsprechendes Weiterbildungsangebot für zukünf-tige Journalisten, der auf Grundlage der CSCP-Studie in Kooperation mit der Grimme-Akademie entstanden ist und als Anregung für Journalistenschulen dient, aufge-nommen werden wird, bleibt abzuwarten (CSCP 2011).

Unterdessen warnen aber Nachhaltigkeitsexperten und Kom-munikationsprofis davor, bestehenden Medienformaten ledig-lich einen grünen Anstrich zu verleihen. Um einen Wertewan-del zu initiieren, brauche es vor allem überzeugende Stoffe und Geschichten, denen es gelingt, Nachhaltigkeitsthemen

NAcHHALTIgkEIT

Page 17: Fachjournalist - Januar 2012

17Fachjournalist No .1 2012

NAcHHALTIgkEIT

LITERATUR:

Hagedorn, F. (2009): Green-TV sells? Neue Ansätze für Umwelt und Nachhaltigkeit im Fernsehen, in: uwf – UmweltWirtschaftsForum, Berlin, Heft Nr. 1 / März 2009.Hagedorn, F. (2008): Nachhaltigkeit im Fernsehen: anspruchsvoll und populär?, in: BNE-Journal, Ausgabe 5 / 2008.Moutchnik, A. (2009): Nachhaltigkeitsdimensionen in der Medienbranche, in: uwf – UmweltWirtschaftsForum, Berlin, Heft Nr. 1 / März 2009.Rat für Nachhaltige Entwicklung, Adolf-Grimme-Institut (2004): TV-Medien und Nachhaltigkeit. Kurz-Studie zur Ermittlung von Formen, Hindernissen und Potenzialen der Darstellung von Nachhaltigkeitsthemen in ausgewählten deutschen Fernsehprogrammen, Berlin.Schwender, C., Schulz, W. F., Kreeb, M. (Hg.)(2008): Medialisierung der Nach- haltigkeit. Das Forschungsprojekt balance [f]: Emotionen und Ecotainment in Massenmedien, Marburg.UNEP / Wuppertal Institut Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) (2010): Wie kommen nachhaltige Themen verstärkt in die Medien? Tools für politische Institutionen. Nachhaltigkeit und Medien – Integration von Nachhaltigkeitsthemen in Medienkooperationen in NRW. Ein Projekt im Auftrag des und gefördert vom Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) des Landes Nordrhein-Westfalen, Wuppertal.UNEP / Wuppertal Institut Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP), Grimme-Akademie (2011): Was denken, was zeigen, was sagen? Medienmacher und Nachhaltigkeit. Ein Leitfaden für einen Kurs für zukünftige Journalisten, Wuppertal.Unfried, P. (2010): Ende der Eiszeit! Zeitungen und Gesellschaften brauchen eine Klimakultur, in: forum Nachhaltig Wirtschaften, Heft 3 / 2010.VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (Hrsg.)(2001): Stefan Kappers und die Zeitschriften. Ein Experiment zur Wirksamkeit von Printwerbung, Berlin.

Die Autorin kIRA cROME ist Fachjournalistin und Texterin.

Sie führt das Redaktionsbüro ecoContent in Köln. Zuvor

war sie mehrere Jahre Referentin in der Geschäftsstelle

des Rates für Nachhaltige Entwicklung in Berlin und

hat in der Stabsstelle Unternehmenskommunikation

der Fachverlagsgruppe Bertelsmann Springer Science +

Business Media gearbeitet. Während ihres sozialwis-

senschaftlichen Studiums mit Schwerpunkt Politische

Kulturforschung arbeitete sie für die Smithsonian

Institution in Washington D.C., die Deutsch-Indische

Handelskammer in Bombay und für verschiedene Un-

ternehmen im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

ein eigenes Gesicht zu verleihen. „Die massiven Herausfor-derungen, mit denen wir uns zukünftig nicht nur in ökologi-scher, sondern auch in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht sowie in der Gestaltung unserer gesamten persönlichen Le-benspraxis auseinandersetzen müssen, sind eine Chance für engagierte, kreative und unterhaltsame Konzepte“, erklärt Medienforscher Hagedorn (Hagedorn, F. 2009, S. 4). Nur so könnten sich neue mediale Ansätze ergeben, die die Lebens-wirklichkeit der Zuschauer ansprechen – und die diese des-halb auch entsprechend goutieren würden. Dies gelte nicht zuletzt dann, wenn das Fernsehen seinen medialen Horizont erweitert und verstärkt cross-mediale Konzepte entwickelt. „Denn vor allem im Internet sind Nachhaltigkeits-Themen längst angekommen“ (Hagedorn, F. 2009, S. 4). Es bleibt also abzuwarten, was die Wirkungsanalysen der „Love Green“-In-itiative ergeben werden und ob das Konzept aufgeht. Ein viel-versprechender nächster Schritt ist gemacht, damit es dem-nächst heißt: „Wir alle sind grün – wir alle sind Kappers.“//

Erfolgsfaktoren des Fernsehens zur Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen

Das Fernsehen bietet den Zuschauern Entspannung und Unterhaltung, die deren alltäglichen Bedürfnissen ange- passt sind (z. B. nach einem anstrengenden Arbeitstag). Das Fernsehen hat Orientierungsfunktion, da die Zuschau-er das (nachhaltige) Verhalten ihrer TV-Vorbilder überneh-men können.Fernsehsendungen erzählen Geschichten aus dem täglichen Leben. Hierdurch können Zuschauer das Gezeigte leichter in Verbindung zu ihrem eigenen Leben bringen.Das Medium Fernsehen erreicht alle Altersstufen.Schließlich bietet das Fernsehen ergänzende Kommunikati-onsmöglichkeiten an (z. B. durch Internetseiten oder Telefon- Hotlines).

Erfolgsfaktoren der Printmedien zur Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen

Printmedien schaffen Serviceangebote (z. B. Checklisten zum Energiesparen). Hierdurch können das Wissen über Nachhaltigkeit sowie Einstellungen und Verhaltensweisen aktiv beeinflusst werden.Printmedien wiederholen Nachrichten und tragen somit zu deren Verständnis bei: Nachrichten zu einem bestimmten Thema können wieder aufgegriffen und vertieft werden und bleiben so in der Diskussion (ein Beispiel wäre eine Serie von Nachrichten über neue soziale Geschäftskonzepte).Printmedien präsentieren sich in ständig neuen, funktionel- len Medienformaten mit starkem Alltagsbezug, z. B. zum Thema gesunde Lebensweise. So können sie Wissen vermit-teln und Einstellungen und Verhaltensweisen in Richtung Nachhaltigkeit positiv beeinflussen.

Erfolgsfaktoren des Web 2.0 zur Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen

Das Web 2.0 bietet themenspezifische Diskussionsplattformen.Es ermöglicht eine Kommunikation in Echtzeit.Innerhalb des Web 2.0 entstehen partizipative und interaktive Formate der Kommunikation (Blogs und Web-Communities).Durch das Web 2.0 ist eine cross-mediale Nutzung in Kom- bination verschiedener Medienformate wie Print, TV und Radio, und somit eine multi-mediale Nutzung möglich.Weiterhin ermöglicht das Web 2.0 die Bildung und Ver-breitung von detaillierten Nachrichten und Hintergrund-informationen.Ergebnisse lt. UNEP / Wuppertal Institut Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) (2010): Wie kommen nachhaltige Themen verstärkt in die Medien? Tools für politische Institutionen. Nachhaltigkeit und Medien – Integration von Nachhaltig-keitsthemen in Medienkooperationen in NRW, S. 17, 19, 20.

ABB. 1: WIE kOMMEN NAcHHALTIgE THEMEN VERSTäRkT IN DIE MEDIEN?

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18 Fachjournalist No .1 2012

von Cordula Nussbaum

Den ganzen Tag sind Sie auf den Beinen,

doch abends haben Sie nicht einmal die Hälfte von

dem geschafft, was Sie schaffen wollten? Erfahren Sie,

wie Sie kompetenter mit Ihrer Zeit umgehen und mehr

Energie für die wirklich wichtigen Aufgaben finden.

Fachjournalisten brennen sehr häufig für Themen – und verlieren dann beim Recherchieren, Schreiben und Re-digieren oftmals die Zeit aus den Augen. Dann werden Deadlines zum echten Motivationskiller – und unter dem Zeitdruck leidet nicht nur der Journalist, sondern auch die Qualität. Ein Bumerang. Denn wer jetzt „halbfertige“ Bei-träge liefert, der bekommt nicht nur die Sachen zum Voll-enden zurück, sondern auch noch Stress mit Redaktionen, Kollegen und Chefredakteuren. Stellen Sie deshalb recht-zeitig die Weichen, um Energieeinsatz und Stresspegel für die eigenen Beiträge in die richtige Balance zu bringen.

TIpp 1: EINE AUFgABE FüLLT STETS DIE ZEIT AUS, DIE WIR IHR EINRäUMEN. LEgEN SIE DESHALB LIEBER kNAPPE ZEITFENSTER FEST.

Die gute Nachricht: Sie haben es in der Hand, ob Sie sich für Ihren Journalismus aufopfern oder ob Freizeit und Spaß ebenbürtige Partner sind. Nutzen Sie diesen Beitrag, um die häufigsten Zeitfresser eines Journalisten kennenzu-lernen und rechtzeitig Ihr persönliches Arbeitszeitmodell zu kreieren.

kLARE VORSTELLUNg VOM EINSATZ

Regelmäßige Arbeitszeiten gelten in der kreativen Zunft als eher exotisch. Dennoch: Legen Sie fest, wie viele Stun-den Sie im Schnitt pro Woche in Ihre journalistische Tätig-keit investieren wollen. 30, 40 oder 50 Stunden? Wie oft wollen Sie abends oder nachts arbeiten? Wenn Sie selbst-

ständig sind: Notieren Sie auch, wie hoch Ihr ge-

wünschter Umsatz und Ihr gewünschter Gewinn sind, den Sie mit diesem Zeitaufwand erwirtschaften wollen. Seien Sie realistisch, um sich nicht zu überfordern, und berück-sichtigen Sie, dass mehr Umsatz zunächst auch einmal mehr Arbeitseinsatz erfordert.

ZEITLIMITS SETZEN

Nehmen Sie sich das „Parkinson-Prinzip“ zu Herzen: Eine Aufgabe füllt stets die Zeit aus, die wir ihr einräu-men. Das haben Sie sicherlich in Ihrer täglichen Arbeit bereits beobachten können. Sie haben nur 30 Minuten Zeit, um ein Interview zu führen? Dann werden Sie es in 30 Minuten auch schaffen. Sie haben zwei Stunden da-für Zeit? Dann werden Sie auch die zwei Stunden locker damit füllen können. Berufstätige, die sorgfältig mir ihrer Ressource Zeit haushalten, legen sich deshalb für bestimm-te (Routine-) Tätigkeiten ein knappes Zeitbudget fest.

ZEITMANAgEMENT

WER HAT AN DER UHR gEDREHT?ZEITMANAgEMENT FüR FAcHJOURNALISTEN

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19Fachjournalist No .1 2012

ZEITMANAgEMENT

TIpp 2: ARBEITEN SIE AN IHRER BERUFSTäTIgkEIT, STATT IMMER NUR IN IHR.

Viele Journalisten schuften 80 Stunden die Woche – und schlagen sich in dieser Zeit häufig nur mit unwichtigen Kleinkramarbeiten herum, die sie langfristig überhaupt nicht weiterbringen. Nach einer Studie des Kaizen-Institutes ge-hen rund 40 Prozent eines Arbeitstages bei unproduktiven Arbeiten verloren (vgl. Kaizen-Institut, 2004). Gut, manche Dinge müssen eben sein, wie das Dokumentieren oder die Reisekostenabrechnung. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie zunehmend mehr Anteile Ihrer Arbeitszeit für Tätigkeiten investieren, die Ihre Beiträge oder Ihre beruflichen Ziele fördern. Erfolgreiche Berufstätige agieren nach dem Prinzip „Nicht härter, sondern cleverer arbeiten“. Klar, dass man als Freiberufler oder Experte in seinem Fachgebiet oft Mädchen für alles ist. Die Kunst besteht darin, sich immer wieder aus dem Hamsterrad zu befreien und sich zu fragen: Ist es ziel-führend (wichtig), was ich gerade treibe? Nein? Macht es zumindest Spaß oder bringt Entspannung? Nein? Dann sollten Sie diese Tätigkeiten künftig streichen, delegieren oder versuchen, diese Dinge effizienter zu erledigen, damit Sie schneller wieder bei Ihren wichtigen Aufgaben sind.

»Lösen Sie sich vom Anspruch, alles akribisch planen zu wollen. Denn der Alltag

eines Journalisten ist nicht immer planbar.«

TIpp 3: MAcHEN SIE kONZEPTE FüR IHRE TAgE, WOcHEN UND MONATE.

Wer Konzepte macht über die Dinge, die in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten auf ihn zukommen, der be-freit sich ein Stück weit von der Fremdbestimmung durch andere. Wichtig dabei: Lösen Sie sich vom Anspruch, alles akribisch planen zu wollen. Denn der Alltag eines Journa-listen ist nicht immer planbar. Da können Sie noch so viele Listen und Pläne erstellen – die Aktualität bestimmt sehr häufig, was in den Medien thematisiert werden muss. Und Sie können nicht einfach sagen „Heute schreibe ich den Artikel über den Schuldenschnitt für Griechenland fertig“, wenn der Ministerpräsident zurücktritt.

„Planen“ hilft Journalisten also nicht – aber ein Konzept als Arbeitsentwurf und eine grobe Skizze –, mit der Erlaub-nis, jederzeit etwas zu ändern – können viel Ruhe bringen. Und: Brechen Sie vor allem auch dann Ihre „großen“ be-ruflichen Ziele auf die „kleinen“ Alltäglichkeiten in Ihrem Berufsalltag herunter. Was wollen Sie in fünf Jahren ma-chen? Welche Themen behandeln, für welche Redaktionen schreiben? Denken Sie dabei in Etappen: Stecken Sie sich Tages- und Wochenziele, aber auch längerfristige Monats- bzw. Jahresziele. So verschiebt sich auch automatisch Ihre

Prioritätensetzung, weil manche Projekte an Dringlichkeit verlieren, andere dafür in den Vordergrund rücken. Neh-men Sie sich mindestens ein Mal im Jahr ein paar Tage am Stück frei, schaffen Sie sich Zeit für Aufstiegsträume, für „Dreamdays“ und für die weitere strategische Planung Ihrer Zukunft oder der Ihres Unternehmens. Große Kon-zerne sind hier ein gutes Vorbild: Diese schicken ihre Füh-rungskräfte regelmäßig auf Strategie-Klausur-Tage.

SO kONZEPTIONIEREN SIE RIcHTIg.

Es genügt, wenn Sie rund fünf bis zehn Minuten pro Tag die Aktivitäten und Termine der kommenden Tage auf-schreiben und ein wenig „Ordnung“ in den jeweiligen Ta-ges- und Wochenablauf bringen. Das kann Ihnen bis zu zwei Stunden freie Zeit bescheren, in der Sie sich dann auf die Ihnen wichtigen Aufgaben konzentrieren können. Nehmen Sie sich ein Mal im Monat Zeit, die kommenden Monate und Jahre zu überdenken. Nehmen Sie sich gegen Ende der Woche (Donnerstag oder Freitag) die neue Wo-che vor und lassen Sie Ihre Termine und Aufgaben Revue passieren. Konzeptionieren Sie am besten ca. 30 bis 60 Mi-nuten vor Ihrem Feierabend den kommenden Tag im Gro-ben. Notieren Sie Ihre Aufgaben und Termine und verge-ben Sie dabei nur 50 Prozent Ihrer Zeit. Die restlichen 50 Prozent brauchen Sie als Puffer: Stau, Verspätungen eines Geschäftspartners, Kopfschmerzen, Krankheit. Das gibt Ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt – und damit rechtzeitig – den Spielraum, einen zu engen Zeitplan zu entzerren.

»Die Hoffnung, „irgendwann, wenn es ruhiger wird,fahre ich mit meiner Familie weg“, erfüllt sich nie.«

WIdERWILLEN GEGEN pLANUNG?Sie spüren einen großen Widerwillen in sich, wenn Sie das Wort „Planung“ hören? Dann kann es sein, dass Sie eher zu den „Kreativen Chaoten“ gehören – den flexiblen, ideenreichen, visionären Menschen, die ein-fach andere Hilfsmittel brauchen, um sich und Ihre Aufgaben erfolgreich und mit Spaß dauerhaft zu orga-nisieren. Unter www.kreative-chaoten.com finden Sie die kostenlose Denkstil-Analyse „Chaot oder Systema-tiker“, die Ihnen zeigt, wie Sie „ticken“, und wertvolle Tipps für jede Denke liefert.

AUSZEITEN EINPLANEN

Planen Sie unbedingt Auszeiten mit ein. Die Hoffnung, „ir-gendwann, wenn es ruhiger wird, fahre ich mit meiner Fa-milie weg“ erfüllt sich nie. Im Leben der meisten Journalis-ten bedeutet das Wort „Privatleben“ oft die Zeit, die nach

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dem Job noch übrig bleibt. Und das übliche Verhaltens-muster eines Kreativen ist, bei überraschenden Geschäfts-terminen immer als Erstes den abendlichen Saunabesuch, das intime Abendessen mit der Frau, die Ballettaufführung der Tochter oder den Kurzurlaub mit der Familie sausen zu lassen. Schließlich ist man ja pflichtbewusst. Doch auf Dauer machen Sie sich so zum Sklaven Ihrer Abgabe- und Fremdtermine. Planen Sie deshalb freie Zeiten schriftlich ein und verteidigen Sie diese. Treffen Sie sich nicht zähne-knirschend am Samstagnachmittag – während die Tochter ihre erste Ballettaufführung hat – mit einem potenziellen Informanten. Als proaktiver Berufstätiger schlagen Sie bei so einer Anfrage Alternativen vor. Damit zeigen Sie ein ge-sundes Selbstbewusstsein.

kOPF ABScHALTEN

Achten Sie darauf, dass Sie in Ihrer Freizeit auch den „Kopf abschalten“, also wirklich voll bei Ihrer Freizeit sind – und nicht nur körperlich anwesend. Denn Erholung ist in erster Linie Kopfsache.

TIpp 4: SETZEN SIE PRIORITäTEN.

Lernen Sie, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und sich bewusst zunächst den wichtigen Aufgaben zu wid-men. Ist die Aufgabe, die Sie gerade angehen, wirklich (!) wichtig fürs persönliche Vorankommen oder für die Quali-tät Ihres Beitrags? Überwinden Sie Ihren Widerwillen – und setzen Sie sich direkt an die Aufgabe, die Priorität hat. Klar, Sie sind Ihr eigener Chef und die Verlockung ist groß, sich die Dinge „rauszupicken“, die mehr Spaß machen. Doch: Der Spaß hört spätestens dann auf, wenn Sie wegen Überar-beitung auf dem Zahnfleisch kriechen. Motivieren Sie sich, indem Sie sich immer wieder den Gewinn des Prioritätenset-zens vor Augen halten: die Erfolgserlebnisse, die freien und schönen Stunden, mit denen Sie sich im Anschluss belohnen. Weil Sie keine Zeit mit unnötigem „Krimskrams“ verplem-pert haben – und Ihr freier Abend früher beginnt als sonst.

TIpp 5: FINDEN SIE DIE RIcHTIgEN HILFSMITTEL FüR DIE RIcHTIgEN ARBEITSABLäUFE.

Gehen Sie wachsam durch Ihren Alltag und verbessern Sie konsequent Arbeitsabläufe und Zusammenarbeit. Nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte. Halten Sie die Augen offen. Wie organisieren sich Ihre Kollegen? Was können Sie in der eigenen Organisation von anderen lernen? Lernen Sie dabei unbedingt von Menschen, die die gleichen Talente haben wie Sie. Sonst kann es nämlich sein, dass Sie sich einen total systematischen Kollegen als Vorbild nehmen – und sich als „kreativer Chaot“ daran die Zähne ausbeißen. Kommen Sie Zeitfallen in Ihren internen

ZEITMANAgEMENT

ORdNUNG IST dAS HALBE LEBEN?

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Arbeitsläufen auf die Spur – und seien Sie so mutig, sich auch von Strukturen in Ihrer Organisation zu verabschieden, die sich nicht bewähren. Arbeiten Sie im Team (und nicht alleine im Home Office), dann holen Sie die Kollegen mit ins Boot. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass zähe Abläufe nicht nur Sie ärgern, sondern alle im Team. Und gemeinsam haben Sie mehr „Macht“, Veränderungen durchzusetzen.

Manchmal liegt es auch an den fehlenden Hilfsmitteln. Was bietet sich gerade auf dem Markt an bunten, über-sichtlichen „Helfern“ an, um das eigene Arbeitsterrain übersichtlicher zu gestalten? Klicken Sie sich durch einen Onlinekatalog von Büroausstattern oder gönnen sich ei-nen Shopping-Nachmittag für das neue Ablagesystem.

Auf dem Schreibtisch stapeln sich die Unterlagenund je größer der Stapel an „To do’s“ wird, desto stärker werden Zeitdruck und innerliche Unruhe. Das muss nicht sein! Lassen Sie Unordnung und Chaos an Ihrem Platz erst gar nicht zu groß werden. Lösen Sie sich aber auch vom Anspruch eines „leeren“ Schreibtisches. Vor allem, wenn Sie eher der „kreative Chaot“ sind. Den lähmt komplette Leere nämlich auch komplett. Finden Sie Ihr persönliches Wohlfühl-Level an Chaos oder Ordnung – dann verlieren Sie weder Zeit wegen unnö-tiger Suche von wichtigen Arbeitspapieren noch inves-tieren zuviel Zeit, um Ordnung zu schaffen. Zudem be-wahren Sie viel leichter den Überblick und den „kühlen Kopf“, wenn Sie Ihr Wohlfühl-Level haben.

Egal, ob am Schreibtisch oder sonst irgendwo in Ihrem Unternehmen: Bei Ihnen hat alles seinen eigenen Platz. Dann reicht ein zielsicherer Griff anstelle minutenlanger Suche.

Sie sind ein visueller Typ. Dann gestalten Sie es sich bunt an Ihrem Arbeitsplatz. Weisen Sie be-stimmten Arbeitsabläufen, Projekten oder Auf-tragsarbeiten Farben zu. Zum Beispiel ist von jetzt an Ihre Buchhaltung grün (für Hoffnung), Ihre Lieblingsaufgaben sind rot, etc.

Beschriften Sie Ihre Ordner, Hefter und sonstige Ablage in auffälliger Schrift und Farbe.

Geben Sie ruhig etwas mehr Geld für Ihre neuen „Ordnungshüter“ aus. Wertvolle Hilfsmittel füllenSie nicht so unbedacht mit wertlosem Inhalt. Sie sammeln automatisch weniger Zeug – und weni-ger Zeug bedeutet sofort weniger Zeitaufwand für das Sortieren, Ablegen und Wiederfinden.

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21Fachjournalist No .1 2012

ZEITMANAgEMENT

Nutzen Sie das Direkt-Prinzip: Sachen, die Sie in-nerhalb von vier Minuten erledigen können, erle-digen Sie sofort. Damit ersparen Sie sich hohe Pa-pierstapel auf dem Schreibtisch – und Sie ersparen sich, die Unterlagen ein zweites Mal in die Hand nehmen zu müssen. Beschränken Sie Ihre „Direkt-Erledigen-Blöcke“ z.B. auf 20 Minuten, denn sonst erledigen Sie den ganzen Tag Dinge, die jeweils nur vier Minuten brauchen – und erfüllen wieder nicht Ihre wichtigen Aufgaben.

TIpp 6: SEIEN SIE ZUVERLäSSIg.

Redaktionen wünschen sich heute neben einer guten Qua-lität der Arbeit vor allem Zuverlässigkeit und einen per-fekten Service. Das klingt sehr banal. Aber im täglichen Geschäftsalltag schießen sich immer mehr (freie) Fachjour-nalisten ins Aus, weil Sie Abgabetermine verbummeln oder Interviewpartner stundenlang warten lassen. Punkten Sie deshalb in der Gunst der Redaktionen einfach mit Zuver-lässigkeit und Service. Auch, wenn Sie viel um die Ohren haben. Ihren Geschäftspartner interessiert nicht, was bei Ihnen möglicherweise für Schwierigkeiten auftauchen.

Machen Sie sich bewusst: Menschen, die von Ihrer schlam-pigen Arbeit oder zeitlichen Unzuverlässigkeit genervt sind, kommen nicht mehr auf Sie zurück und geben diese schlechte Erfahrung im Durchschnitt elf Mal an andere (potenzielle Kunden, Informanten etc.) weiter (vgl. Nuss-baum, C., Grubbe, G. (2007), S. 137). Damit schaffen Sie sich selbst eine große Zeitfalle: Einerseits müssen Sie die verärgerten Menschen besänftigen – und dann müssen Sie sich auf die Suche nach neuen Kunden, Informanten etc. machen. Effizient ist das nicht, denn es ist fünf bis sieben Mal teurer und zeitaufwendiger, neue Kontakte zu finden als bestehende Kontakte zu binden (vgl. Nussbaum, C., Grubbe, G. (2007), S. 123).//

LITERATUR:

Kaizen-Institut (2004), NWZ online vom 24.2.2007, http://bit.ly/vc38yZNussbaum, C., Grubbe, G. (2007): Die 100 häufigsten Fallen nach der Existenzgründung, München.

Die Autorin cORDULA NUSSBAUM gilt als Deutschlands

Expertin Nummer Eins für kreativ-chaotisches Zeit-

management. Sie unterstützt in Seminaren und im

persönlichen Coaching Journalisten zu den Themen

Marketing / Positionierung, Selbstmarketing sowie

Selbst- und Zeitmanagement. Sie ist u. a. Autorin der

Bücher „Organisieren Sie noch oder leben Sie schon?

Zeitmanagement für Kreative Chaoten“, welches

auch als Hörbuch unter www.kreative-chaoten.com

erhältlich ist sowie „Bunte Vögel fliegen höher –

Die Karrieregeheimnisse der Kreativen Chaoten“.

Kontaktdaten, Seminarinformationen, weitere Buch-

tipps und zahlreiche Checklisten sowie Onlineanalysen

finden Sie unter: www.kreative-chaoten.com

5

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22 Fachjournalist No .1 2012

Der Medienbereich unterliegt rechtlichen Rahmenbedingungen, die der juristisch

nicht ausgebildete Journalist im Detail oft nicht überblicken kann. Mitgliedern des

DFJV steht in solchen Fällen eine kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung. Diese

wird von unserem Vertragsanwalt Frank C. Biethahn durchgeführt, der für den

Verband auch das Seminar „Presserecht“ anbietet. Im Fachjournalist widmet sich

Frank C. Biethahn fortan in lockerer Folge rechtlichen Themen, die für Journalisten

von zentraler Bedeutung sind und veranschaulicht diese anhand von konkreten

Fällen. Ein Wunsch, der von DFJV-Mitgliedern im Rahmen der Rechtsberatung

wiederholt geäußert wurde und dem wir gerne nachkommen wollen.

Im Fachjornalist sollen an dieser Stelle weniger juristische Details behandelt werden –

DFJV-Mitglieder finden entsprechende thematisch geordnete Leitfäden unter

http://www.dfjv.de/infopool/studien_und_dokumente.html – vielmehr soll die Rechts-

praxis zu für Journalisten relevanten Fragestellungen allgemeinverständlich

dargestellt werden.

Die Reihe beginnt mit Erläuterungen des Autors zum Ziel, welches mit den Beiträgen

verfolgt wird. Den Schwerpunkt des ersten Beitrags bildet einen Praxisbericht, der das

Thema Honorarstreitigkeiten behandelt. Der nächste Beitrag behandelt dann u. a. die

Themen Urheberrecht und Kostenfallen für Journalisten.

genstand der Beiträge dieser Reihe. Um der zielsetzungs-bedingten Einseitigkeit etwas entgegenzuwirken, sei dar-auf hingewiesen, dass Nutzer sich beispielsweise darüber beklagen, dass Journalisten Absprachen nicht einhielten (z. B. zu spät lieferten oder in anderer Weise als vorge-sehen) oder dass sie rechtswidriges Material (z.B. gegen Urheberrecht verstoßendes) abgäben.

REcHT – FüR JOURNALISTEN VON ExISTENZIELLER BEDEUTUNg

Rechtsangelegenheiten werden immer bedeutender – dies gilt für die gesamte Gesellschaft. Für Journalisten können sie existenziell sein. Zum einen geht es oft um die Durchsetzung der ihnen zustehenden Vergütung,

von Frank C. Biethahn

WARUM BEITRägE DIESER REIHE BEWUSST AUS JOUR-NALISTENSIcHT gEScHRIEBEN SIND

Die nachfolgenden Beispiele stellen eine kleine Auswahl von für Journalisten relevanten Fällen aus der Praxis dar. Die Mehrzahl der alltäglichen Fälle ist natürlich weit we-niger spektakulär und selbstverständlich gibt es auch red-liche und anständige Nutzer journalistischer Leistungen – nur sind diese in der anwaltlichen Praxis naturgemäß weniger relevant und deswegen hier auch nicht berück-sichtigt.

Selbstverständlich liegen Ärgernisse nicht nur auf der ei-nen Seite, und auch Nutzer haben immer wieder Anlass, sich über Journalisten zu beklagen; das ist aber nicht Ge-

REcHTSPRAxIS FüR JOURNALISTEN

REcHT

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24 Fachjournalist No .1 2012

der Höhe. Die wenigen Fälle, in denen Journalisten sich wehren und in denen der Rechtsstreit für den Nutzer verloren geht, sind dann schon „eingepreist“, sie werden „gegenfinanziert“ durch die Vielzahl an Fällen, in denen sich Journalisten nicht wehren.

Anders sieht es jedoch aus, wenn Urheberrechte ver-letzt werden: Hier können die Kosten eines Rechts-streits für den Rechtsverletzer durchaus abschrecken-de Wirkung entfalten. Trotzdem lassen sich auch hier viele Nutzer nicht von widerrechtlichem Verhalten abschrecken. Teils aus Unkenntnis (vgl. nächster Ab-schnitt), teils bewusst und darauf spekulierend, dass der betroffene Journalist seine Rechte nicht durch-setzen wird. Tut er das dann doch, geht die Rech-nung des Nutzers allerdings in aller Regel nicht auf.

REcHTSBRUcH AUS UNkENNTNIS

Größer als die Gruppe der bewussten Rechtsverletzer ist sicherlich die Gruppe derjenigen, die aus Unkenntnis die Rechte von Journalisten verletzt. Allgemein entsteht der Eindruck, dass auf der Nutzerseite immer weniger Kenntnis des einschlägigen Rechts besteht, dass rechts-verletzendes Verhalten oft als normal empfunden wird. Je mehr Rechtsverletzungen auftreten, desto „normaler“ wird dieser Zustand dann auch aufgefasst, sodass das Unrechtsbewusstsein größerer Kreise für Rechtsver-letzungen abnimmt. Das Vorbild der Rechtsverletzer – gleich ob diese nun bewusst oder unbewusst Rechte verletzen – wirkt sich aus. Die Verletzer berufen sich dann auch oft darauf, dass das verletzende Verhalten „branchenüblich“ sei bzw. dass es sich um die „üblichen Praktiken“ handele, die „schon immer“ betrieben wor-den seien, dass das also nicht rechtswidrig sein könne. Um solche Zustände nicht weiter einreißen zu lassen, sollten auch Rechtsverletzungen dieser Gruppe nicht un-beanstandet bleiben. Hier wird man eher eine gütliche Einigung erreichen können – das ist natürlich oft bes-ser als ein gerichtlicher Rechtsstreit. Obwohl die Nutzer dieser Gruppe sich zwar gütlichen Erledigungen nicht genau so umfassend wie diejenigen der ersten Gruppe verschließen, nimmt nach der Erfahrung des Autors die Bereitschaft zu gütlichen Einigungen auch in dieser Gruppe ab, müssen Rechte immer öfter auch hier ge-richtlich durchgesetzt werden. Dies mag seinen Grund in einem fortgesetzten Verkennen der Sach- und Rechts-lage haben oder einfach darin, dass darauf gesetzt wird, dass der Journalist sich schon nicht gerichtlich wehren wird. Auch hier macht es dann natürlich Sinn, wenn der Journalist den Nutzer eines Besseren belehrt. Nur auf diesem Wege kann er erwarten, dass diese Unsitte nicht weiter einreißt.

REcHTSVERFOLgUNg FüR JOURNALISTEN

Um dem Unwesen bewusster Rechtsverletzer entgegen-zuwirken, kommt nur die konsequente Rechtsverfolgung in Betracht. Gerade in Urhebersachen, wo die Erfolgs-aussichten für den Urheber oftmals sehr gut sind und zu-dem festzustellen ist, dass die Verteidigung oft weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt, ist nicht recht zu ver-stehen, warum sich die Nutzer einer gütlichen Einigung verweigern – der Weg eines gerichtlichen Rechtsstreits kommt sie oft um ein Vielfaches teurer zu stehen. Dass Journalisten oft ihre Rechte wirklich nicht durchsetzen, fördert diese Verhaltensweisen natürlich.

Für diejenigen Journalisten, die sich die Rechtsverfol-gung finanziell nicht leisten können, sieht der Staat Fi-nanzierungshilfen vor in Form von Beratungshilfe (au-ßergerichtlich) und Prozesskostenhilfe (gerichtlich).

Allgemein ist zu beobachten, dass die Bereitschaft zu rechtmäßigem Verhalten immer weiter sinkt – auch die öffentliche Hand ist beteiligt –, und wer sich einschüch-tern lässt, wird auch in Zukunft sicherlich nicht besser behandelt.

STREIT UMS HONORAR

Um das Honorar wird immer wieder gestritten, ebenso um die damit zusammenhängende Frage der Erstattung von Auslagen (z. B. Reisekosten).

„RAHMENVERTRägE“

Viele Auftraggeber verwenden „Rahmenverträge“ bzw. „Rahmenvereinbarungen“, die auf die eine oder andere Art die Vergütung des Journalisten gering halten sollen, beispielsweise indem gegen eine – niedrige – pauschale Vergütung sämtliche urheberrechtlichen Nutzungen ei-nes Textes oder Fotos gestattet sein sollen. Obwohl diese Regelungen in „Rahmenverträgen“ oft unwirksam sind, hält dies den Auftraggeber oft nicht davon ab, sich auf diese Regelungen trotzdem zu berufen – sei es nun aus Unkenntnis oder im Bewusstsein, dass der Journalist sich schwer tun wird, seinen Auftraggeber auf Zahlung zu ver-klagen. Wie schon aufgezeigt, lässt es der Nutzer oftmals auf Klagen ankommen.

VERTRAgSBASIS

Journalisten sollten darauf achten, dass ihre Zahlungs-ansprüche möglichst eindeutig (und in Bezug auf Höhe und Konditionen vernünftig) geregelt sind. Besteht keine oder keine eindeutige Regelung, sehen sich viele Auftrag-

REcHT

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25Fachjournalist No .1 2012

REcHT

LITERATUR:

Hamann, G., Marohn, A. (2011): Der lange Arm aus Berlin, in: „Die Zeit vom“ 25.8.2011, http://bit.ly/qvtyya, abgerufen am 14.11.2011.

geber veranlasst, einen Vergütungsanspruch ganz oder teilweise zu verneinen.

In einem (extremen) Fall hatte ein Journalist etliche Jahre lang für einen Auftraggeber jeweils auf Anforderung be-stimmte Rechercheleistungen erbracht und diese für den Auftraggeber journalistisch verarbeitet. Honorare wur-den oft nicht vorab vereinbart, sondern man einigte sich danach. Es bestand also ein gewisses Vertrauensverhält-nis. Nach einer auftragsgemäßen mehrtägigen Auslands-recherchereise nahm der Auftraggeber zwar die journa-listischen Leistungen ab (und verwertete sie), wollte aber weder eine Vergütung zahlen noch für die dem Journalis-ten entstandenen Kosten aufkommen. Erst vor Gericht konnte – auf dringendes Zuraten des Gerichts – eine güt-liche Einigung im Sinne des Journalisten erreicht werden.

ZAHLUNgSPRAxIS

Selbst wenn die vertragliche Grundlage nicht zu bean-standen ist, bedeutet das natürlich noch nicht, dass der Auftraggeber sie auch einhält. Allgemein ist zu beobach-ten, dass die Zahlungsmoral vieler Auftraggeber schlecht ist. Journalisten klagen immer wieder darüber, dass viel zu spät – beispielsweise nach etlichen Monaten – oder nur teilweise oder gar nicht gezahlt werde. Manche Auf-traggeber verzögern oder verweigern die Zahlung ohne jegliche Begründung, andere führen rechtlich unerhebli-che – oft wohl nur als abenteuerlich zu bezeichnende – Begründungen an. Inzwischen fast schon „übliche“ Begründungen gehen beispielsweise in die Richtung, dass die Rechnung bereits beglichen sei – auch wenn das nicht der Fall ist –, dass die Buchhaltung für die Bearbeitung der Rechnung länger brauche (z. B. weil sie gerade völlig überlastet sei oder gerade umstrukturiert werde), dass man immer erst nach einigen Monaten zahle; andere dahin, dass die Qualität der abgelieferten Arbeit zu wünschen übrig ließe (obwohl man den Text bzw. das Foto weiterhin weiter und auch gleich in mehreren Medien verbreitete) oder dass mehr geliefert worden sei als vereinbart und die vorher verein-barte Vergütung deshalb geringer ausfalle als wäre nur das Vereinbarte geliefert worden (die Logik dieses mehr-fach angetroffenen Arguments erschließt sich dem Autor allerdings – von Sonderfällen abgesehen – bislang nicht).

In einem besonderen Fall war die Gegenseite ein Ver-lag, der wiederum zu einer Verlagsgruppe aus mehreren Einzelgesellschaften gehörte – als solches nicht unge-wöhnlich. Ungewöhnlich war allerdings, dass der Verlag rechtswidrig versuchte, sich durch eine Vielzahl von Maß-nahmen seinen Pflichten aus Verträgen mit Journalisten

zu entziehen. Abgesehen davon, dass er falsche Angaben zum Verkauf von provisionspflichtigen Werken machte und diese mit wahrheitswidrigen Unterlagen versuchte, um Autoren so über die verkaufte Stückzahl ihres Wer-kes zu täuschen, beabsichtigte er, sich durch verschiede-ne rechtliche Gestaltungsmaßnahmen seiner Zahlungs-pflicht zu entziehen. Nach Vorstellung des Verlags sollte eine Gesellschaft die für die Veröffentlichung notwendi-gen Rechte haben, während eine andere – die, im Gesamt-zusammenhang wenig überraschend, insolvent war – die Vergütung schulden sollte.

ZAHLUNgSDURcHSETZUNg

Wenn es keinen berechtigten Grund für eine Kürzung oder Nicht-Zahlung gibt – wie es oft der Fall ist –, sollte der Journalist seine Ansprüche auch durchsetzen. Ein Auf-traggeber, der nicht zahlt, ist kein Auftraggeber, auf den man besondere Rücksicht nehmen müsste. Zur Durchset-zung solcher Ansprüche hält der DFJV einen vom Autor verfassten Leitfaden bereit (http://bit.ly/rXkYZE ).

Die schlechte Zahlungsmoral beruht – wie schon darge-stellt – nicht zuletzt darauf, dass Journalisten ihre Rechte in der Regel nicht gerichtlich durchsetzen; zudem sind die Kosten eines bloßen „Zahlungsstreits“ (wenn es also nur um das Honorar geht, nicht auch etwa um Unterlas-sung urheberrechtswidriger Nutzungen) relativ gering, sodass der Auftraggeber es wirtschaftlich oft ohne Wei-teres auf einen solchen Streit ankommen lassen kann.

Fortsetzung folgt.//

Der Autor FRANk c. BIETHAHN ist Inhaber einer eigenen

Kanzlei bei Hamburg und bundesweit u. a. in

Urhebersachen tätig. Als Vertragsanwalt des DFJV

ist er für die Mitglieder-Rechtsberatung zuständig,

zugleich führt er als Dozent das Seminar „Presse-

recht“ des DFJV durch. Er ist Lehrbeauftragter an

verschiedenen Hochschulen in Hamburg.

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26 Fachjournalist No .1 2012

Wo steht die deutsche Wissenschaftskommunikation angesichts der fundamentalen

Veränderungen im Mediensystem aktuell? Welches sind die größten Herausforderungen

und vielversprechendsten Lösungswege? Diesen Fragen geht seit zwei Jahren eine umfang-

reiche Trendstudie nach, die alle drei Perspektiven der Wissenschaftskommunikation

betrachtet – Journalismus, PR und innerwissenschaftliche Kommunikation. Ein erster

Ergebnisbericht ist jetzt als Buch erschienen sowie dank Förderung durch den Stifterverband

für die Deutsche Wissenschaft zudem als E-Book zum kostenfreien Download.

aus zwei Gründen erstmals einen echten Dialog auf Au-genhöhe ermöglichen, versprechen oder vielleicht sogar erfordern: Erstens führt die Mediennutzung, beziehungs-weise die veränderte Erwartungshaltung der „Prosumen-ten“2, zu grundlegenden Kontrollverlusten in der PR, da neben Pressestelle und Medien nun eine Vielzahl weiterer, unkalkulierbarer Akteure ins Spiel kommt. Man kann hier ohne jede Übertreibung von einem Paradigmenwechsel spre-chen. Zweitens erodieren durch die neue, aktive Rolle der einstigen „Rezipienten“ die Fundamente des Journalismus, wenn Nachrichten nicht mehr „konsumiert“ werden, son-dern eigenständig ihre Zielgruppen finden, und wenn über die Relevanz einer Information nicht mehr journalistische „Gatekeeper“ entscheiden, sondern die Empfehlungen des eigenen, persönlichen Netzwerks. Klassische Vermittlungs-ansätze greifen hierbei einfach zu kurz.

»Die Konzentration des Wissenschafts-journalismus auf Forschungsergebnisse zeichnetein verzerrtes Bild wissenschaftlichen Arbeitens.«

Je mehr die massenmedialen Konzepte an Bedeutung ver-lieren, sprich die tradierten Abgrenzungen zwischen In-dividual- und Massenkommunikation verschwimmen, desto stärker müssen klassische Wissenschaftsmedien den Veränderungsdruck für Innovationen nutzen – von neuen Recherchetechniken über interaktive Formate bis zu neuen Formen der Distribution und natürlich entspre-chend angepassten Geschäftsmodellen. Indem das „Ver-mitteln und Erklären“ immer mehr vom mediatisierten Wissenschaftsbetrieb selbst übernommen wird, muss der Wissenschaftsjournalismus seine Rolle grundsätzlich neu definieren. Auch in der PR entsteht ein immenser Bera-

von Alexander Gerber

Sinkende Printauflagen ( →Abb. 1 ) und niedrige Honora-re auf der einen Seite und eine immer professionellere und personell aufgerüstete PR auf der anderen Seite prä-gen die Wissenschaftskommunikation seit Jahren. Nun fällt der Vorhang für diese historisch betrachtet vierte Entwicklungsphase, das „Public Understanding of Sci-ence“ 1, und der nächste, fünfte Akt beginnt mit der Suche nach neuen Konzepten, Formaten und Werkzeugen. Wie sehr diese Entwicklungen der Medienlandschaft und PR-Praxis schon heute den Alltag in der Wissenschaftskom-munikation verändern, macht der intensive Diskurs der mehr als 30 Experten im Rahmen unserer Trendstudie deutlich. Demnach ist besagte Phase 5 vor allem gekenn-zeichnet vom Bedeutungszuwachs der zunehmenden Interaktion im Internet als neuem Leitmedium der Wis-senschaft. So erlebt die PR, wie ihre über Jahre hinweg professionalisierte „Verpackungsindustrie“ aus den An-geln gehoben wird. Mehr noch bekommen aber vor allem die klassischen Wissenschaftsmedien zu spüren, wie die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikati-on verschwimmen. Ob die Verlage und Sender es schaf-fen, diesen Veränderungsdruck für eigene Innovationen zu nutzen, wird letztlich über die weitere Zukunft der Wissenschaftspublizistik entscheiden.

»Krise als Chance: Werden Verlage und Sender den Veränderungsdruck für eigene

Innovationen nutzen oder nicht?«

PARADIgMENWEcHSEL DURcH DAS SOcIAL WEB

Mit dem Internet und vor allem den Sozialen Medien sind ganz neue Kommunikationsmuster entstanden, die

TRENDSTUDIE WISSENScHAFTSkOMMUNIkATION DIE cHANcEN UND RISIkEN DER NäcHSTEN ENTWIckLUNgSSTUFE

WISSENScHAFTSkOMMUNIkATION

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WISSENScHAFTSkOMMUNIkATION

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+ 11 %ZEIT Wissen

+ 114 %Welt der Wunder

- 36 %GEO

- 32 %P.M.

- 40 %National Geographic (D)

- 15 %Bild der Wissenschaft

- 19 %Spektrum der Wissenschaft

- 41 %Sterne und Weltraum

- 32 %Technology Review

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ABB. 1: WISSENS- UND WISSENScHAFTSTITEL käMPFEN MIT AUFLAgENVERLUSTEN

Quelle: IVW. Die Prozentzahlen weisen die Entwicklungen zwischen dem ersten Quartal 2000 und dem ersten Quartal 2011 aus.

Nahezu alle Wissens- und Wissenschaftstitel auf dem deutschen Printmarkt verlieren seit Jahren kontinuierlich an verkaufter Auflage – im Durchschnitt um gut 30 Pro-zent binnen der letzten zehn Jahre, wie eine Auswertung der IVW-Daten im Rahmen dieser Studie zeigte. Selbst Flaggschiffe wie GEO oder National Geographic (D) verzeichneten einen etwa 40-prozentigen Einbruch beim Verkauf. Auch im Mittelfeld oder bei den kleinen Wissen-stiteln sieht es kaum anders aus. Einzige Ausnahmen in dieser Auswertung sind das redaktionell vergleichsweise aufwendig produzierte Magazin ZEIT Wissen, das von an-fangs knapp 72.000 verkauften Exemplaren (Ende 2006)

auf 80.000 bis 100.000 Exemplare gewachsen ist (je nach Titelthema stark schwankend), sowie das Wissensmagazin Welt der Wunder, dessen Auflage allerdings 2010 ebenfalls um 19 Prozent abnahm. Insgesamt gehen die von uns be-fragten Experten davon aus, dass dies ein Indiz für einen fundamentalen Wandel der Wissenschaftspublizistik ist. Die Geschäftsmodelle der Verlage müssen überprüft und auf dieses geänderte Umfeld ausgerichtet werden. In wel-chem Maße die Verlage das nachlassende Leserinteresse an gedruckten Wissenschaftstiteln durch entsprechende Onlineangebote kompensieren können, lässt sich mangels verfügbarer unabhängig erhobener Daten kaum sagen.

tungsbedarf, wie mit den durch das Web 2.0 entstehenden kommunikativen Chancen und Risiken umzugehen ist. Und Wissenschaftler müssen in Aus- und Weiterbildung

deutlich besser auf den direkten Dialog vorbereitet wer-den, nicht zuletzt auch, um im Sinne des Pluralismus die mediale Dominanz einiger Weniger zu vermeiden.

Page 28: Fachjournalist - Januar 2012

28 Fachjournalist No .1 2012

Verlage und Journalisten stehen unter zunehmendem Veränderungsdruck. Werden sie diesen für Innovationen nut-zen und als „Wissensarbeiter“ zu Vorreitern im Web 3.0? Oder halten sie handwerklich an Bewährtem fest, sind letztlich vielleicht auf staatliche oder private Subventionen angewiesen? Droht ein weiterer Bedeutungsverlust des (ohnehin historisch betrachtet nur wenig investigativen) Wissenschaftsjournalismus als „Kontrollinstanz“?

ABB. 2: QUO VADIS - ZUkUNFTSSZENARIEN FüR DIE WISSENScHAFTSPUBLIZISTIk

Quelle: Alexander Gerber / innokomm Forschungszentrum

POTENTIAL neue Recherchekompetenzen (data-driven journalism etc.) neue Distributionswege neue Formate mehr Investigation

HERAUSFORDERUNGEN journalistische Weiterbildung neue Ausbildungsinhalte

FORMATE Slidecasts, Animationen Mashups, Online-Deliberation interaktive Infografiken

+

+++

••

•••

GEFAHREN zunehmend unwirtschaftlich für Verlage und Journalisten schwindender Einfluss der demokratischen Kontrollinstanz

FORMATE journalistische Weiterbildung neue Ausbildungsinhalte

••

+

+

OPTIONEN Stiftungs-Modelle wie bei ProPublica Crowdfinanzierung

WISSENSCHAFTSPUBLIZISTIK

Journalisten als Wissensarbeiter im Web 3.0

Bedeutungsverlust insbesondere im Printsegment

(künstliche) Nischen für Qualitätsjournalismus

Innovationsfähigkeit / neue crossmediale Geschäftsmodelle

inhaltliche Verflachung

Konsolidierung statt Erneuerung

WISSENScHAFTSkOMMUNIkATION

Page 29: Fachjournalist - Januar 2012

29Fachjournalist No .1 2012

Die „1. Trendstudie Wissenschaftskommunikation“ ist als Band 1 der Reihe edition innovare des Deut-schen Forschungszentrums für Wissenschafts- und Innovationskommunikation (innokomm) erschie-nen, ISBN 978-3-9814811-0-5 (16,90 EUR).

Die Publikation wurde gefördert vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der eine eletronische Fassung kostenfrei auf seinen Internetseiten bereit-stellt: http://www.stifterverband.de/wk-trends

Weitere Informationen zum Projekt und versand-kostenfreie Buchbestellung: http://wk-trends.de

Hintergrundmaterial zur Studie: http://wk-trends.de

WISSENScHAFTSkOMMUNIkATION

LITERATUR:

Brumfiel, G. (2009): Supplanting the old media?, in: NATURE, 458: 274-277, http://bit.ly/WK-Trends-1, Abruf: 08.11.2011.Forthmann, J. (2011): Social Media-Trendmonitor 2011, http://bit.ly/WK- Trends-2, Abruf: 08.11.2011. Gerber, A. (2008): Antennen müssen auf Empfang stehen, in: Wissenschafts- management 4, 20-29.Gerber, A. (2011): Schluss mit der Isolationspolitik!, in:, Lisowski et al. (Hrsg.): Wissensbasierte Stadtentwicklung, S. 134-139, http://bit.ly/WK-Trends-3, Abruf: 08.11.2011.Paál, G. (2010): Professor Querdenker kann gut reden, http://bit.ly/WK-Trends-4, Abruf: 08.11.2011.PUSH-Memorandum, http://bit.ly/WK-Trends-5, Abruf: 08.11.2011.Sonnabend, M. (2010): Austausch auf Augenhöhe, http://bit.ly/WK-Trends-6, Abruf: 08.11.2011.Sorg, J. (2011): Wissen, Infrastruktur und Sozialität in der Digitalen Gesellschaft, in: Fachjournalist 3, S. 18ff.Toffler, A. (1983): Die dritte Welle. Zukunftschancen und Perspektiven für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. (Übers.: The third wave, 1980), München.

Der Autor ALExANDER gERBER ist Informationswissenschaft-

ler, von Hause aus Fachjournalist für Wissenschaft

und Innovation sowie seit 2010 Geschäftsführer des

Deutschen Forschungszentrums für Wissenschafts- und

Innovationskommunikation (innokomm). Davor leitete

er für sieben Jahre Kommunikation und Strategisches

Marketing des Verbunds der 20 Fraunhofer-Institute im

IuK-Bereich und initiierte 2006 das Wirtschaftsmagazin

„InnoVisions“. Herr Gerber ist DFJV-Beirat „Wissen-

schaft“ und berät weitere Verbände wie HPC, TELI, WPK

und Euroscience. Außerdem ist er Gutachter in Akkredi-

tierungsverfahren für Kommunikationsstudiengänge.

kULTURWANDEL STATT PR-VERPAckUNgSINDUSTRIE

Transparenz in der Wissenschaft ist mehr als ein Gebot der Legitimation öffentlicher Mittelverwendung. Ziel soll-te eine neue „Kultur der Kommunikation“ sein, die die ganze Bandbreite gesellschaftlicher Gruppen im Sinne einer „Scientific Citizenship“ einbezieht. Noch führt die Konzentration auf Forschungsergebnisse zu einem Zerr-bild wissenschaftlichen Arbeitens. Medien sollten des-halb Formate entwickeln, mit denen sich authentischer zwischen ergebnis- und prozessorientierter Perspektive hin- und herschalten lässt. Wissenschaftler und PR sind gefordert, die Sicherheit des von ihnen erzeugten Wissens transparenter zu machen als bisher – also deutlich zu ma-chen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse immer relativ, begrenzt und somit nie endgültig sind.

Grundsätzlich wandeln sich Selbstverständnis und Anfor-derungsprofil des „Wissenschaftskommunikators“ lang-sam aber sicher in Richtung Moderator und Mediator. Denn Vermittlungsleistung wird sich künftig immer stärker dran messen, ob es gelingt, auch innerhalb der eigenen Institution oder Organisation die einzelnen Puzzleteile zusammenzusetzen und über alle Diszipli-nen hinweg zum „Big Picture“ zu synthetisieren, anstatt bloß Projektergebnisse zu verbreiten und Markenpflege zu betreiben. Statt die eigenen Themen durch verengte Informationskanäle zu zwängen, ist ein „Agenda Sur-fing“ auf gesellschaftlich-politischen Wellen gefragt. Das Themenradar künftiger PR muss also mindestens ebenso viele sozioökonomische Trends und regulatorische Ent-wicklungen zurück in die eigene Organisation spiegeln wie Informationen aus der Organisation nach außen ge-tragen werden.//

Während das wachsende Interesse an Wissenschaft in den 1950er Jahren zu-nächst durch positiv besetzte Utopien und Science Fiction befriedigt wurde (Phase 1), ging es in den 1960er und frühen 1970er Jahren vor allem dar-um, es auch Laien Wissenschaft nahe zu bringen, dies allerdings meist lehr-buchartig mit dem Ziel der „Aufklärung“ (Phase 2). Die Gründung von Bild der Wissenschaft im Jahr 1964 durch den TV-Journalisten Heinz Haber war hier sicherlich ein wichtiger Meilenstein im deutschsprachigen Raum. Mit der zunehmend kritischen Haltung der Bevölkerung zu neuen Technologi-en, vor allem der Kernenergie, nahm auch die Berichterstattung über Wis-senschaft zu (Phase 3). Die These damals: Wer mehr von Technik versteht, wird diese auch eher akzeptieren. Seit den 1990er Jahren weiß man, dass diese Rechnung nicht aufgeht und vielmehr ein vertrauensbildender Dialog von Nöten ist, der die Bedenken der Öffentlichkeit ernst nimmt. Und doch besteht dieser Dialog auch 12 Jahre nach dem „PUSH-Memorandum“ (Be-ginn von Phase 4) bei näherem Hinsehen meist nur aus einer Einwegkom-munikation, die von personell aufgerüsteten Pressestellen an Hochschulen, Instituten und Unternehmen gespeist wird, wie etwa Michael Sonnabend vom Stifterverband jüngst in seinem Blog zu Recht kritisierte.

Personen, die gleichzeitig Konsumenten und Produzenten des von ihnen Verwendeten sind. Alvin Toffler, Schriftsteller und Futurologe, führte 1980 in dem Buch „Die dritte Welle“ („The Third Wave“) den Begriff ein.

1

ENDNOTEN:

2

Page 30: Fachjournalist - Januar 2012

30 Fachjournalist No .1 2012

Eine Onlineumfrage unter deutschen Journalistenschülern kommt zu dem Ergebnis,

dass sich Nachwuchsjournalisten deutlich stärker als etablierte Journalisten der kritischen

Berichterstattung verpflichtet fühlen. Es stellt sich die Frage, wann und wieso sich das

Rollenselbstverständnis von Journalisten im Laufe der beruflichen Tätigkeit verändert.

zustimmt und ob bei der Berichterstattung die Interessen des Auftraggebers eine Rolle spielen.

Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen wurde das Mittel der Onlinebefragung gewählt. Sie war vom 09. Mai bis zum 25. Juni 2011 für einen geschlossenen Per-sonenkreis im Internet verfügbar. Grundgesamtheit waren Nachwuchsjournalisten, die zum Zeitpunkt der Umfrage eine der 17 deutschen Journalistenschulen be-suchten, und Studenten, die parallel zu ihrem Studium eine Journalistenausbildung absolvierten, im Rahmen der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. oder am Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses e. V. (IFP).

Dank der Kooperationsbereitschaft der Journalistenschu-len ist eine Vollerhebung gelungen. Insgesamt haben 312 Nachwuchsjournalisten an der Befragung teilgenommen. Die Ausschöpfungsquote liegt damit bei rund 31 Prozent. Zur Stichprobe: 64 Prozent der Befragten sind weiblich, 36 Prozent sind männlich. Im Durchschnitt sind die be-fragten Nachwuchsjournalisten etwa 26 Jahre alt (Span-ne: 20 bis 39 Jahre), seit 5,4 Jahren journalistisch tätig, arbeiten für 3,2 verschiedene Medien und das 28 Stun-den in der Woche. Insgesamt zeigten sich bei allen oben genannten Abfragen große Unterschiede in den Angaben der Befragten. Auffällig ist, dass Journalismus scheinbar für viele junge Menschen immer noch ein Traumberuf ist, auf den sie hinarbeiten. So gaben 77 Prozent der Befrag-ten an, dass es ihr ausdrücklicher Wunsch gewesen sei, Journalist zu werden. Lediglich 22 Prozent sagten aus, eher zufällig zu diesem Beruf gekommen zu sein.

Im Zentrum der Analyse stand die Frage nach dem beruf-lichen Selbstverständnis. Dazu wurden den Befragten 20 verschiedene Aussagen präsentiert. Sie sollten bei jeder dieser Aussagen angeben, inwieweit sie ihr zustimmen oder sie ablehnen. Für die größte Zustimmung wurde

von Rebekka Merholz

Geschichten aufspüren, Missstände aufdecken und die Öffentlichkeit darüber informieren – so wird das Ideal-bild eines Journalisten umschrieben. Dass die tägliche Praxis anders aussieht, hat die Journalistenbefragung von Weischenberg, Malik und Scholl aus dem Jahr 2005 gezeigt. Vor allem die unter dem Oberbegriff „Informati-on und Orientierung“ eingeordneten Rollenbilder haben große Zustimmung erfahren. So gaben beispielsweise 89 Prozent der Befragten an, dass sie eine möglichst neutra-le Berichterstattung anstreben. Nur etwas mehr als „die Hälfte der Journalisten (58 Prozent) hat die Absicht, in ihrem Beruf Missstände in der Gesellschaft zu kritisieren“ (Weischenberg, Malik, Scholl, 2006, S. 106). Doch wie ist es um den journalistischen Nachwuchs bestellt? Wie de-finieren junge Berufseinsteiger ihre Rolle? Gibt es noch die „jungen Wilden“, die Missstände aufdecken wollen? Oder sehen sich Nachwuchsjournalisten heute eher als Vermittler oder Unterhalter?

Die wissenschaftliche Literatur beschreibt eine große Bandbreite an journalistischen Rollenkonzepten. Ein Vergleich der unterschiedlichen Modelle fällt jedoch schwer, da an verschiedenen Dimensionen der berufli-chen Wirklichkeit angesetzt wird. Einige Konzepte sind rein normativ, andere wiederum leiten sich aus empiri-scher Forschung ab. Dennoch hat sich die Unterteilung der verschiedenen Rollenbilder in drei Kategorien be-währt. In die erste Rubrik fallen alle Rollenbilder, die mit Information und Orientierung zu tun haben. Die zweite beinhaltet Kritik, Kontrolle und Engagement und in der dritten Kategorie sind Service und Unterhaltung beheimatet. In der im Rahmen einer Bachelorarbeit durchgeführten Studie zum Rollenselbstverständnis von Nachwuchsjournalisten wurden unter dem Oberbegriff „Sonstige Rollenbilder“ zusätzlich neue Berichterstat-tungsmuster, die in Europa bisher wenig verbreitet sind, aufgenommen. Abgefragt wurde zum Beispiel, wie stark der Nachwuchs der Vermischung von Fakten und Fiktion

VERLIEREN DIE WAcHHUNDE IHRE ZäHNE?ZUM ROLLENSELBSTVERSTäNDNIS VON NAcHWUcHSJOURNALISTEN

NAcHWUcHSJOURNALISMUS

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31Fachjournalist No .1 2012

NAcHWUcHSJOURNALISMUS

die Zahl „fünf“ vergeben, für die stärkste Ablehnung die Zahl „eins“. Der größte Zustimmungswert bei den Nach-wuchsjournalisten liegt, genau wie bei den Befragten von Weischenberg, Malik und Scholl, in der Oberkategorie „Information und Orientierung“. Die Aussage „In mei-nem Beruf geht es mir darum, komplexe Sachverhalte zu erklären und zu vermitteln“ erhält mit einem Wert von 4,44 die größte Zustimmung. Ebenfalls sehr hohe Zustim-mungswerte erzielen die Aussagen „In meinem Beruf geht es mir darum, meinem Publikum Wissen zu vermitteln und dessen Horizont zu erweitern“ (4,30) und „In meinem Beruf geht es mir darum, Kritik an Missständen zu üben“ (4,12). Die größte Ablehnung erfährt das Statement „In meinem Beruf geht es mir darum, Rechercheergebnisse mit fiktiven Beispielen zu untermauern und so eine unterhaltsame Ge-schichte zu präsentieren“ (1,89), gefolgt von „In meinem Beruf geht es mir darum, die Anliegen meines Auftragge-bers möglichst überzeugend darzustellen“ (2,04).

Die Untersuchung hat außerdem ergeben, dass die jünge-ren Nachwuchsjournalisten der Aussage „Kritik an Miss-ständen zu üben“ in der Stichprobe stärker zustimmen als die älteren Befragten. Dieses Ergebnis konnte durch einen Vergleich mit der Befragung von Weischenberg, Malik und Scholl aus dem Jahr 2005 untermauert werden. Die be-fragten Nachwuchsjournalisten haben den Aussagen zum kritischen Journalismus deutlich stärker als die Etablierten zugestimmt. In einem weiteren Schritt wurde untersucht, ob das Rollenbild abhängig vom Medium ist, für das die Nachwuchsjournalisten tätig sind. Ergebnis: Es gibt keine nennenswerten Unterschiede zwischen den verschiedenen Medientypen und der Zustimmung zu den einzelnen Be-rufsrollen. Die Befragten aller Medien stimmen der Aussa-ge „In meinem Beruf geht es mir darum, komplexe Sach-verhalte zu erklären und zu vermitteln“ am stärksten zu, gefolgt von „In meinem Beruf geht es mir darum, meinem Publikum Wissen zu vermitteln und dessen Horizont zu erweitern“. Diese Erkenntnis überrascht, da Rundfunkjour-nalisten oftmals eine Unterhaltungsorientierung unterstellt wird, während bspw. Printjournalisten vor allem als neutra-le Informationsvermittler gelten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Nach-wuchsjournalisten, so die Ergebnisse der Studie, deutlich stärker dem aufdeckenden Element dieses Berufes ver-pflichtet fühlen als die etablierten Kollegen. Ihr berufliches Selbstverständnis wird nicht durch das Medium beeinflusst, für das sie schwerpunktmäßig tätig sind. Dies lässt die Ver-mutung zu, dass die Journalistenschule für Nachwuchsjour-nalisten eine nicht unwichtige Sozialisierungsinstanz ist, die ihnen Werte und Ideale des Berufes vermittelt. Inter-essant wären weiterführende Untersuchungen, um heraus-zufinden, wann sich bei den Nachwuchsjournalisten das

Selbstverständnis verändert. Dazu wäre jedoch eine auf-wendige Längsschnittstudie nötig, die im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht durchgeführt werden konnte.

Den Chefredakteuren kann an dieser Stelle eine Erkennt-nis mit auf den Weg gegeben werden: Die Freude an der kritischen Berichterstattung ist bei Nachwuchsjourna-listen generell gegeben. Die Herausforderung liegt bei den Schulen und Redaktionen, diese Freude zu erhalten, indem sie das Engagement dafür unterstützen und im Berufsalltag die zur Umsetzung notwendigen Rahmen-bedingungen schaffen. Dadurch könnte das vielfach ge-wünschte Potenzial der kritischen Berichterstattung bei den „jungen Wilden“ erhalten bleiben. Nur so können die Medien ihrer Funktion als „vierte Gewalt“ auch in Zukunft gerecht werden.//

LITERATUR:

Weischenberg, S., Malik, M., Scholl, A. (2006): Die Souffleure der Medienge- sellschaft, Konstanz.

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Die Autorin REBEkkA MERHOLZ hat an der Heinrich-

Heine-Universität Düsseldorf Sozialwissenschaften

mit Schwerpunkt Kommunikations- und Medienwis-

senschaft studiert und war parallel journalistisch

tätig. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit hat sie das

Rollenselbstverständnis von Nachwuchsjournalisten

untersucht. Seit November 2011 ist sie als Redaktions-

volontärin bei Radio Wuppertal beschäftigt.

Page 32: Fachjournalist - Januar 2012

32 Fachjournalist No .1 2012

DFJV INTERN

DR. WERNER MUSSLER ERHäLT DEUTScHEN FAcHJOURNALISTEN-PREIS 2011

v. l.: Dr. Werner Mussler, Prof. Dr. Siegfried Quandt; Fotos: F. A. Z. / Frank Röth

v. l.: Laudator Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, Preisträger Dr. Werner Mussler, Prof. Dr. Siegfried Quandt, Präsident des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes; Fotos: F. A. Z. / Frank Röth

Am 14. November 2011 wurde dem Wirtschaftskorrespon-denten der Frankfurter Allgemeine Zeitung in Brüssel, Dr. Werner Mussler, im Rahmen einer Feierstunde in Frank-furt der Deutsche Fachjournalisten-Preis 2011 verliehen.

Mit dem Preis würdigt der DFJV jährlich besondere fach-journalistische Leistungen bei der kompetenten Vermitt-lung komplexer und wichtiger Themen. Die Wahl der Preisträger wird vom Präsidium getroffen.

Dr. Werner Mussler war bis 1998 in der Wirtschaftswis-senschaft tätig. Als Journalist arbeitete er zunächst für das Handelsblatt, 2002 wechselte er zur Frankfurter Allge-meine Zeitung (F. A. Z.). Seit 2004 ist er Wirtschaftskor-respondent der F. A. Z. in Brüssel. Schwerpunkte seiner Berichterstattung sind die Wirtschafts-, Währungs- und Wettbewerbspolitik.

Die Berichterstattung Dr. Musslers zeichne sich durch eine eindrucksvolle Verbindung zwischen „systematischer Analyse und verständlicher Darstellung aus“, so Prof. Dr. Siegfried Quandt, Präsident des DFJV, in der Begründung für die Auszeichnung. Dies zeige sich zum Beispiel in aktu-ellen Beiträgen Musslers zur europäischen Staatsschulden- und Finanzkrise. Dr. Mussler wisse „immer die richtigen

Fragen zu stellen und mit wohltuender Distanz trotz vie-ler Nebelwörter der Politik ein klares Bild zu entwerfen“.

Laudator war Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué von der Univer-sität Magdeburg, ehemaliger Finanzminister von Sachsen-Anhalt. Mussler formuliere sachlich, präzise und prägnant. Kein Brüsseler Korrespondent habe „im vergangenen Jahr so schnell und klar wie Werner Mussler erkannt, dass die Politik die Prinzipien der Europäischen Währungsunion opfert“, so Prof. Paqué in seiner Laudatio.//

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DFJV INTERN 33Fachjournalist No .1 2012

Am Dienstag, dem 25. Oktober 2011, fand im Berliner Radialsystem V die Premiere von dfjv:konnekt, dem neuen Veranstaltungsformat des DFJV, statt. Das Thema der Auftaktveranstaltung lautete: „Crowdfunding – Finanzierungs-modell für freie Journalisten und Fotografen (-netzwerke)?“

Einen einführenden Vortrag mit Zahlen und Fakten zum Status quo und der Zukunft von Crowdfunding hielt Karsten Wenzlaff, Geschäftsführer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom). Welche Potenziale und Her-ausforderungen, aber auch Grenzen bei der Finanzierung journalistischer Projekte über Crowdfunding bestehen, dazu sprachen Nicole Walter, Chefredakteurin des Blogs „bier statt blumen“, Florian Siebeck, Redakteur und Mitgründer des Herznote Verlags, Dr. Andrea Kamphuis, freie Publizistin und Buchautorin und Hagen Linder, Projektmanager bei der deutschsprachigen Crowdfundingplattform startnext.de. Moderator des Abends war Dr. Leonard Novy vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik und Projektleiter der Umfrage Journalismus 2020 der Stiftung Neue Verantwortung (→S. 09 ).

Für diejenigen, die an dfjv:konnekt weder vor Ort in Berlin noch per Livestream und Twitter teilnehmen konnten, steht der 90-minütige Videomitschnitt der Veranstaltung online zur Verfügung. Ebenso abzurufen sind eine Fotogalerie sowie ein Interview der Fachjournalist-Podcast-Redaktion mit Dr. Andrea Kamphuis, die im Frühjahr 2011 mithilfe von Crowdfunding 8.000 Euro für die Realisierung eines Sachbuchs über Autoimmunkrankheiten eingeworben hat.//

Alle Links finden Sie hier: http://conference.make.tv/dfjv-konnekt

Wer sich über das Format und die Idee von dfjv:konnekt informieren möchte, findet weitere Informationen hier: http://www.dfjv.de/leistungen/veranstaltungen.html

PREMIERE VON DFJV:kONNEkT ZUM THEMA cROWDFUNDINg

01: Hagen Lindner, Projektmanager der Crowdfundingplattform startnext.de; 02: Es diskutierten v. l.: Karsten Wenzlaff, Nicole Walter, Dr. Leonard Novy, Dr. Andrea Kamphuis, Hagen Linder und Florian Siebeck; 03: Get together; 04: Fragen kamen aus dem Publikum und über Twitter; Fotos: Stephan Pramme

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34 Fachjournalist No .1 2012

BUNDESSOZIALgERIcHT:ONLINEJOURNALIST DARF SIcH üBER küNSTLER-SOZIALkASSE (kSk) VERSIcHERN

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, inwiefern ein Onlinejournalist einen Anspruch darauf hat, sich über die Künstlersozial-kasse (KSK) zu versichern, wenn er auf seiner Webseite kostenlos Artikel zum Abruf bereithält, seine Einnahmen jedoch überwiegend durch den Verkauf von Werbeflä-chen erzielt.

Die KSK bietet selbstständigen Künstlern und Publizisten viele Vorteile, beispielsweise eine günstige Kranken- und Pflegeversicherung sowie eine eigene Altersvorsorge. Die Beiträge werden nur zu einem geringen Teil von den Ver-sicherten selbst übernommen; die Finanzierung erfolgt zum großen Teil durch die Abgaben der Auftraggeber sowie eine Bezuschussung durch den Bund. Daher ist die jeweilige finanzielle Be-lastung für den einzelnen Künstler meist recht überschaubar (vgl. hierzu auch den kostenlos abrufbaren DFJV-Leitfaden zur KSK: http://bit.ly/g4q8M8).

Dementsprechend groß ist das Interesse, bei der KSK versi-chert zu sein. Häufig ist die Frage, wer tatsächlich be-rechtigt ist, die Privilegien in Anspruch zu nehmen, immer schwieriger zu beant-worten. Auch hinsichtlich der Beitragshöhe kommt es

regelmäßig zu Rechtsstreitigkeiten. Dass sich das Führen eines Prozesses lohnen kann, zeigt der betreffende Fall.

Der Journalist verfasste seit dem Jahr 2001 eigene Artikel zum Thema „Internet“ und stellte diese kostenlos auf sei-ner Internetseite zur Verfügung. Nur vereinzelt verkaufte er die Publikationen als Auftragsarbeit.

Die hieraus erzielten Einnahmen lagen unter dem Grenz-betrag von 3.900 Euro / Jahr und damit unter der Ge-ringfügigkeitsgrenze des Künstlerversicherungsgeset-

zes. Danach wäre diese publizistische Tätigkeit grundsätzlich versicherungsfrei. Da der Kläger darüber hinaus jedoch Werbeeinnahmen bis zu 21.000 Euro erzielte und damit deutlich über

der Geringfügigkeitsgrenze lag, bean-tragte er die Feststellung der Versiche-

rungspflicht bei der KSK.

Diese lehnte ab. Begründung für diese Entscheidung war, dass die aus dem Verkauf von Werbeflä-

chen bezogenen Einnahmen nicht als Einkünfte aus publizistischer Tätigkeit gewertet werden könnten und damit keine KSK-Pflicht bestehe. Der Kläger legte hiergegen Rechts-

mittel ein und unterlag in den Vorinstanzen. Damit

DFJV INTERN

Page 35: Fachjournalist - Januar 2012

35Fachjournalist No .1 2012

IMPRESSUM

HerausgeberProf. Dr. Siegfried Quandt (Präsident des DFJV)

DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG

VerlagDFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG

Hegelplatz 1, 10117 Berlin

Telefon 030 / 81 00 36 88 0

Fax 030 / 81 00 36 88 9

ChefredaktionLars von Hugo (V.i.S.d.P.)

[email protected]

RedaktionsbeiratGabriele Bartelt-Kircher, Leiterin der Journalistenschule-Ruhr . Markus Becker,

Leiter des Ressorts Wissenschaft bei Spiegel-Online . Prof. Dr. Udo Branahl, Institut

für Journalistik an der Universität Dortmund . Prof. Dr. Ulrike Buchholz, Fachbereich

Informations- und Kommunikationswesen an der Fachhochschule Hannover

Prof. Dr. Rainer Burchardt, Lehrbeauftragter für Media Management an der

Fachhochschule Kiel . Prof. Dr. Giso Deussen, ehem. Leiter des Studiengangs

Technikjournalismus an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg

Walter Engstle, Geschäftsführer der UVK Verlagsgesellschaft, ›Reihe Praktischer

Journalismus‹ . Prof. Dr. Christoph Fasel, Professur für Medien- und

Kommunikationsmanagement, SRH Hochschule Calw . Dr. med. Christoph Fischer,

Facharzt und Lehrbeauftragter an der Hamburg Media School

Wolfgang Goede, M. A., Wissenschaftsredakteur der Zeitschrift P. M. . Dr. Gabriele

Hooffacker, Leiterin der Journalistenakademie München . Prof. Dr. Guntram Platter,

Professur für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, FH Eberswalde

A. o. Prof. Dr. Dr. Benno Signitzer, Fachbereich Kommunikationswissenschaft an

der Universität Salzburg . Werner Starz, M. A., Direktor Marketing und Kommunikati-

on bei Eurosport . Prof. (em.) Dr. Jan Tonnemacher, Lehrstuhl für Journalistik II

an der Katholischen Universität Eichstätt . Eva Wiese, Technology Communications,

Daimler Chrysler

Illustration, Satz und LayoutEsther Schaarhüls

druckCW Niemeyer Druck GmbH, Hameln

[email protected]

Die aktuellen Mediadaten des Fachjournalist erhalten Sie auf www.fachjournalist.de

Autoren dieser AusgabeAlexander Gerber . Cordula Nussbaum . Dominic Schwickert . Frank C. Biethahn

Kira Crome . Leonard Novy . Lothar Lochmaier . Rebekka Merholz

Leserbriefe

wie Statements, Anregungen, Lob und Kritik bitte an: [email protected]

Erscheinungstermine:Der Fachjournalist erscheint quartalsweise. Mitglieder des Deutschen

Fachjournalisten-Verbandes erhalten den Fachjournalist kostenfrei.

RechtlichesDer Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge spiegelt nicht die Meinung der

Redaktion wider. Bei Einsendung von Manuskripten wird das Verständnis zur vollen

oder auszugsweisen Veröffentlichung (Print und Online) vorausgesetzt. Hinweise

für Autoren erhalten Sie unter www.fachjournalist.de

ISSN 1860-2827

FachjournalistFachjournal ismus, Fach-PR & Fachmedien

Angeschlossen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW)

blieb ihm nur der Weg vor das Bundessozialgericht.

Das Bundessozialgericht gab dem Kläger schließlich Recht. Die Vorinstanzen hatten zu Unrecht die Versiche-rungspflicht bei der KSK abgelehnt. Das Urteil (BSG Urt. v. 21.07.2011 – Az.: B 3 KS 5/10 R) wurde wie folgt begründet:

Ein Arbeitseinkommen gilt nach den Vorschriften des Künstlersozialversicherungsgesetzes als „aus selbststän-diger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit“ er-zielt, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der künstlerischen bzw. der publizistischen Tätigkeit und den Einnahmen bestehe. Dabei reiche nach Ansicht des Gerichts ein mittelbarer Zusammenhang aus. Dieser liege auch dann vor, wenn die Gegenleistung im weitesten Sinn für die journalistische Tätigkeit erfolgt sei. Eine direkte Verknüpfung von Zahlung und Arbeitsleistung sei dem-nach nicht erforderlich.

Damit stehe der Verkauf von Werbeflächen auf der Web-seite des Klägers in entsprechendem mittelbaren Zusam-menhang mit seiner journalistischen Tätigkeit. In wirt-schaftlicher Hinsicht sei der Verkauf von Werbeflächen notwendige Bedingung für die Ausübung seiner Tätigkeit unter Verwendung des Mediums Internet. Gerade im Bereich der Onlinepublikationen habe sich eine Gratis-Kultur entwickelt, durch die es fast selbstverständlich geworden sei, dass auch professionelle journalistische Informationen kostenfrei zur Verfügung gestellt würden. Aufgrund dieser Entwicklung bestehe eine gewisse Not-wendigkeit der Refinanzierung, so dass journalistische Leistungen heutzutage grundsätzlich über Werbeeinnah-men finanziert werden.

Im Fall des Klägers bejahte das Gericht daher eine wirt-schaftliche und organisatorische Verknüpfung. Die Ver-öffentlichung der Texte und die Refinanzierung durch Werbeeinnahmen bildeten so die geforderte einheitliche Tätigkeit.

Für den Kläger war es ein langer und mühsamer Weg, um schlussendlich doch zu seinem Recht zu kommen. Die Mitglieder des DFJV können hiervon nun profitieren und sich in entsprechenden Fällen auf dieses aktuelle Urteil beziehen.//

Page 36: Fachjournalist - Januar 2012

ZUR ZUkUNFT DER WIRTScHAFTSMEDIEN Zwischen Existenzkrise und Erfolgskalkül

JOURNALISMUS IN DER DIgITALEN MODERNEErgebnisse aus dem Projekt „Zukunft des Journalismus“ der Stiftung Neue Verantwortung

WER HAT AN DER UHR gEDREHT?Zeitmanagement für Fachjournalisten

REcHTSPRAxIS FüR JOURNALISTEN

TRENDSTUDIE WISSENScHAFTSkOMMUNIkATIONDie Chancen und Risiken der nächsten Entwicklungsstufe

VERLIEREN DIE WAcHHUNDE IHRE ZäHNE?Zum Rollenselbstverständnis von Nachwuchsjournalisten

NAcHHALTIgkEITWie "grün" ist die Medienberichterstattung?