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296 Frischeisen-KShler, Eugenische Untersuchungen in Familien yon Hilfsschiilern der ledig gebliebenen Mfitter hinzu, so betr~gt die durchschnittliche Kinderzahl pro fruehtbare Mutter 4,08 ± 0,11. Ieh m5chte abet ausdrficklich hervorheben, dab diese Zahl im allgemeinen nicht viel sagt, weil sicherlieh ffir die nicht- abgesehlossenen Ehen noch Kinder zu erwarten sind. Um zu vergleichen, ob die Kinderzahl in den abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation gegenfiber der Kinderzahl der vorangegangenen Generation Unterschiede aufweist, wurde berechnet, wieviel Geschwister die V~ter und Mfitter augenblicklicher Hilfsschiiler gehabt haben. Die durchschnittliche Kinder- zahl in den Familien der vorangegangenen v~terlichen Generation betri~gt 6,27 ± 0,17 pro fruchtbare Ehe, der vorangegangenen miitterlichen Generation 6,43 ± 0,15 pro fruchtbare Ehe. Da aueh in der Statistik der vorangegangenen Generation nur die Familien beriicksichtigt worden sind, wo einwandfrei die Kinderzahl (einschlieBlich der gestorbenen SKuglinge) angegeben werden konnte, so dfirften die Zahlen zuverl~ssig sein. Die Kinderzahl der vorangegangenen v£terlichen und mfitterliehen Generation zeigt -- unter Berficksichtigung des mittleren Fehlers -- keine Unterschiede gegeniiber der durchschnittlichen Kinderzahl in den abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation, was wohl als ein Beweis dafiir angesehen werden daft, daI] trotz der geringen Anzahl der abgesehlossenen Ehen der jetzigen Generation die bereehnete Kinderzahl yon 6,86 ± 0,38 pro fruchtbare Ehe ein zuverl£ssiges Bild yore zahlenm~l]igen Nachwuchs der abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation gibt. Auch die prozentuale Anzahl der Familien mit l, 2, 3 und so fort Kindern stimmt in den Ehen der vorangegangenen v~terlichen, der vorangegangenen mfitterlichen und den abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation sehr stark fiberein. In allen drei Gruppen sind Drei-bis Sechskinderehen am hi~ufigsten vertreten. Aber auch die Ehen mit 8 und 9 Kindern zeigen noeh eine relativ hohe Prozentzahl; erst dann erfolgt der Abfall. Schon aus den bis jetzt vorliegenden Ergebnissen ist zu ersehen, wie stark der Nachwuchs in den Familien yon Hilfsschulkindern selbst in GroB- Berlin ist. Nach der bisherigen Entwicklung ist es unwahrseheinlieh, dab die durchsehnittliehe Geburtenzahl in diesen Familien wesentlich sinkt, wenn es nicht gelingt, die Eheschlie6ung in diesen Fan~ilien fiberhaupt einzuschri~nken, oder wenn in den Fi~llen, wo solche Ehen geschlossen werden, nicht daffir gesorgt wird, dab kein Nachwuchs entstehen kann. Familien[orsehungen fiber Merkmale des fiulleren 0hres ~) Von Thordar Quelprud (Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Anthropologie, Berlin-Dahlem. Abe. ffir mens0h|iche Erblehre.) Mit 4 Textfiguren Durch Zwillingsuntersuchungen wurde eine sichere Grundlage ftir die l~amilienforschung geschaffen, die die Genetik des Ohres kl~ren soll( Q u el p r u d 1932 a, b, e; eine VerSffentlichung des ganzen MateriMs, 950 Zwillingspaare 1) Vorfirag gehalten auf der I0. Jahresversammlung in G6ttingen.

Familienforschungen über Merkmale des äußeren Ohres

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296 Frischeisen-KShler, Eugenische Untersuchungen in Familien yon Hilfsschiilern

der ledig gebliebenen Mfitter hinzu, so betr~gt die durchschnittliche Kinderzahl pro fruehtbare Mutter 4,08 ± 0,11. Ieh m5chte abet ausdrficklich hervorheben, dab diese Zahl im allgemeinen nicht viel sagt, weil sicherlieh ffir die nicht- abgesehlossenen Ehen noch Kinder zu erwarten sind.

Um zu vergleichen, ob die Kinderzahl in den abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation gegenfiber der Kinderzahl der vorangegangenen Generation Unterschiede aufweist, wurde berechnet, wieviel Geschwister die V~ter und Mfitter augenblicklicher Hilfsschiiler gehabt haben. Die durchschnittliche Kinder- zahl in den Familien der vorangegangenen v~terlichen Generation betri~gt 6,27 ± 0,17 pro fruchtbare Ehe, der vorangegangenen miitterlichen Generation 6,43 ± 0,15 pro fruchtbare Ehe. Da aueh in der Statistik der vorangegangenen Generation nur die Familien beriicksichtigt worden sind, wo einwandfrei die Kinderzahl (einschlieBlich der gestorbenen SKuglinge) angegeben werden konnte, so dfirften die Zahlen zuverl~ssig sein. Die Kinderzahl der vorangegangenen v£terlichen und mfitterliehen Generation zeigt - - unter Berficksichtigung des mittleren Fehlers - - keine Unterschiede gegeniiber der durchschnittlichen Kinderzahl in den abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation, was wohl als ein Beweis dafiir angesehen werden daft, daI] trotz der geringen Anzahl der abgesehlossenen Ehen der jetzigen Generation die bereehnete Kinderzahl yon 6,86 ± 0,38 pro fruchtbare Ehe ein zuverl£ssiges Bild yore zahlenm~l]igen Nachwuchs der abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation gibt.

Auch die prozentuale Anzahl der Familien mit l, 2, 3 und so fort Kindern st immt in den Ehen der vorangegangenen v~terlichen, der vorangegangenen mfitterlichen und den abgeschlossenen Ehen der jetzigen Generation sehr stark fiberein. In allen drei Gruppen sind Drei-bis Sechskinderehen am hi~ufigsten vertreten. Aber auch die Ehen mit 8 und 9 Kindern zeigen noeh eine relativ hohe Prozentzahl; erst dann erfolgt der Abfall.

Schon aus den bis jetzt vorliegenden Ergebnissen ist zu ersehen, wie stark der Nachwuchs in den Familien yon Hilfsschulkindern selbst in GroB- Berlin ist. Nach der bisherigen Entwicklung ist es unwahrseheinlieh, dab die durchsehnittliehe Geburtenzahl in diesen Familien wesentlich sinkt, wenn es nicht gelingt, die Eheschlie6ung in diesen Fan~ilien fiberhaupt einzuschri~nken, oder wenn in den Fi~llen, wo solche Ehen geschlossen werden, nicht daffir gesorgt wird, dab kein Nachwuchs entstehen kann.

Familien[orsehungen fiber Merkmale des fiulleren 0hres ~)

V o n

Thordar Quelprud (Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Anthropologie, Berlin-Dahlem.

Abe. ffir mens0h|iche Erblehre.)

Mit 4 Textfiguren

Durch Zwillingsuntersuchungen wurde eine sichere Grundlage ftir die l~amilienforschung geschaffen, die die Genetik des Ohres kl~ren sol l ( Q u el p r u d 1932 a, b, e; eine VerSffentlichung des ganzen MateriMs, 950 Zwillingspaare

1) Vorfirag gehalten auf der I0. Jahresversammlung in G6ttingen.

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umfassend, erfolgt in der n/~chsten Zeit). man wei~ nun, welche Merkmale besonders umweltlabil und welche konstant gegeniiber Umwelteinflfissen sind.

Das bis jetzt gesammelte Familienmaterial s t ammt yon einer ober- hessisehen DorfbevSlkerung. Es wurden- 785 Personen untersucht, 392 M/~nner und 393 Frauen. Dazu kommen noeh 150 Personen, deren Photographien bearbeitet wurden; dies war zur Vervollst/~ndigung best immter Familien sehr wertvoll. Das ganze Material umfa•t 253 El ternpaare mit 566 Kindern. AuSer Messungen und genauer Beschreibung der Merkmale nach demselben Schema wie bei den Zwillingen wurden noch bei allen Personen beide Ohren photographiert . Da die Bearbeitung des Materials sich noch im Anfang be- finder, wollen wir uns nur auf einzelne wenige Merkmale beschr/~nken.

Zun~ehst sol1 ein K a m m im oberen Concha-Tefl erw/~hnt werden; wir k6nnen ihn Cru8 cymbae nennen (Fig. 1). Das Merkmal, das in gleieher

Cru8 cymbae

Fig. 1. Beidersoitiges Auftreton eines Fig. 2. Ziemlich starker KnorpelhScker an der Kammes ( Crus cymbae) im oberon Concha- Rfickseite des Ohres in dot Mulde des Ohransatzes

Toil boi oinom 6j~hrigon Jungen boi oinem 11 ]~hrigen Jungon. Die Obren sind zur deutliehen Sichtbarmackung des HSckors durch Loucoplast otwas nach vorn goklappt

Weise bei Mgnnern und Frauen vorkommt (Hi~ufigkeit 5- -6 %) , ist ziemlieh variabel, was aueh die Zwillingsuntersuehungen zeigen, ab und zu nur bei vereinzelten Personen einer Familie vorhanden, manehmal nur einseitig, aber doch gut ausgebildet. In manchen Familien kann man t rotzdem einen domi- nanten Erbgang mit ziemlich grol~en Manifesta~ionsschwankungen feststellen.

An der Riickseite des Ohres ist besonders zu erw/~hnen ein Knorpel- hScker in der Mulde des Ohransatzes (Fig. 2). Er kann sehr ausgepr£gt sein und zeigt dann immer Konkordanz bei eineiigen Zwillingen. Unter Umst/~nden t r i t t an gleicher Stelle eine kammar t ige Bildung auf; ~berg~nge yon beiden Formen kommen vor. Es ist nun auffallend, dal~ dieses Merkmal bei Mannern viel h/~ufiger (72 %) als bei Frauen (29 %) vorkommt. Es besteht so ein deutlieher Geschleehtsunterschied. Obgleieh die Zwillingsuntersuchungen zeigen, da$ es sieh um ein ,,gutes Merkmal" handelt: kann man sieh dutch das blof~e Zusammenstellen der Familien noeh keine Klarhei t fiber einen Erbgang verschaffen.

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29~ Quelprud

Ein kleines Loeh am vorderen Helixrand, welches der Ausmiindung des ersten Kiemenganges entsprieht, eine sogen. Fis tu la aur is congenita - - mehr- faeh in der Li tera tur erw/ihn~ - - (Abbildung ver6ffenlblieht yon V i r e h o w , [ Q u e l p r u d 1932b]) - - , ist ein variables N[erkmal, was oft bei Einzelpersonen und einseitig auftritt . Aber auch hier kann man in best immten Familien yon einer deutlichen Dominanz des Merkmals spreehen.

Zuletzt soll das Ohrlgppehen erw/~hnt werden und zwar der Grad des Angewaehsenseins. Das Ohrl£ppchen weist eine Reihe yon Formen auf; es kann frei oder mehr oder weniger angewaehsen sein und dabei in die Wangen- haut gezogen; zungenf6rmige, bogenfSrmige, vier- und dreieckige Formen kommen vor. Man kann nun den Grad der Verwachsnng best immen, wie

dnc#uea ~tertragica

lob /. f ]*l

Fig. 3. Schema zur Bestimmung der Verwachsung des Ohrl~ppchens

es auf dem Schema (Fig. 3) ersiehtlich ist. Die H6he des untersten Punktes der Inc i su ra intertragica fiber dem unteren Ohrl£ppehen- rand wird gleich 1 gesetzt. Man kann dann das L/ippchen als 1/a , 1/2 , e/a , a/4 , 1/1 ange- waehsen bezeichnen (mit Zwischens~ufen). Ein ganz freies Ohrl~ppchen (~--: 0) kommt prak- tisch nie vor; selbst das freieste Ohrl£ppchen wird so etwas angewachsen sein. Wichtig ist dabei, dag man sieh nicht dureh eine vor- handene Furehe vor dem Lgppchen t/iuschen 1/if~t und es dadurch ffir freier hglt, als es in Wirklichkeit ist. Nun k5nnen die Ohr- 1/iploehen yon sehr verschiedener Form und L/inge sein und t rotzdem zur selben Verwach-

sungsklasse gehSren. Auger dab man die Form und die L/~nge angibt, kann man dann das L/ippchen noch nach einem anderen Schema ( K e i t h - B r y n - Q u e l p r u d ) best immen, was abet bier nicht n/~her er6rtert werden soll. Wir wollen uns hier nur mit dem Grad der Verwachsung besch/~ftigen. Daft das Ohrl/ippchen ein gutes Erbmerkmal ist, haben schon Zwillingsuntersuehungen gezeigt; in Ausnahmef/illen k6nnen doch ziemlich gro6e Variationen vorkommen. Es ist deshalb immer wichtig, bei einer Person b e i d e Ohren zu untersuchen. Man kann den Bruch, der den Grad der Verwachsung ausdrtickt, in Dezimalen (Prozenten) angeben: 3/4----0,75 oder 75; 100 bedeutet ganz angewachsen, 50 halb angewachsen usw. Wenn man den Mittelwert zwischen reehts und links ausrechnet, erh/ilt man eine fiir jede Person charakteristische Zahl.

Wie verh/ilt sich nun das ganz angewachsene Ohrl/ippchen ? In dieser Bev61kerung kommt es an b e i d e n Ohren bei M/~nnern in 7~/o, bei Frauen in 12% vor. S a l l e r (1930) hat bei seinen Fehmaranern gefunden, ,,da6 in allen Altersklassen im weiblichen Geschlecht die angewachsenen Ohrl/ippchen etwa doppelt so h/~ufig sind wie im m/innlichen", eine interessante Parallel- feststellung. Wenn man die untersuchten Personen nach Grad der Ver- wachsung des L£ppchens in Gruppen einordnet yon 0--40, 41--60, 61--80, 81--100 und fiir die M/inner und die Frauen die Kurven zeichnet, so sehen wir, dai] die Frauen mehr in der angewachsenen Gruppe zu finden sind, die M/~nner st/~rker in der freieren (Fig. 4); (tie beiden Kurven iiberschneiden sieh. Diese Tatsache ist sicher zur L6sung der Vererbungsfrage wichtig, ebenso eine weitere, <lab kleine Kinder nieht so h/iufig vollkommen und zwar schr/ig

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Familienforschungen fiber Merkmalc des i~uBcrcn Ohres P.99

angewachsene Ohrlgppchen besitzen, was wohl mit best immten Wachstums- erscheinungen zusammenh/ingt. H i l d d n (1922) zieht an Hand seiner Familien- untersuchnngen auf der Insel I~unf, die 247 Personen umfal~t, den Schlu6, dab ,,das freie und das angewachsene Ohr- 15~ppchen in ihrer Vererbung mit aller Wahr- scheinlichkeit dem einfachen monofaktoriellen Schema Iolgen, wobei das freie Ohrl~ppchen dominant ist." Diese Erkl/~rung reicht auch hier ffir best immte F/ille ans, doch scheinen die Verh/~ltnisse komplizierter zu liegen.

Dutch Zusammenstellung der oberhessischen Familien ohne t{ficksicht auf den erw/ihnten Geschlechts- und Altersunterschied gelangt man zu folgendem vorl/~ufigen Ergebnis: Eltern, die beide vollkommen angewachsenes Ohrl/tppchen besitzen, haben nie Kinder mit weniger als a/5 angewachsenem Ohrl/~ppchen ; Eltern, deren Ohrl/~ppchen weniger als 3/5 angewachsen sind, scheinen nie Kinder mit ganz angewachsenem Ohrl/~ppchen zu haben. Durch die weiteren Untersuchungen und Zusammenstellungen, wo- bei auch das Alter und das Geschlecht in Be- t racht gezogen werden mfissen, sowie auch die Form und Grfge des L/ippchens, wird es wohl gelingen, volle Klarheit fiber die Genetik des L/~ppehens zu erhalten.

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Verwachsung

Fig. 4. Gruppcneinordnung der oberhcssischen DorfbevOlkerung nach dam Grad der Ohrl~ppchen- Vcrwachsung. Dcr Geschlechts- unterschied tritt dcutlich hervor (0 = freiestes Ohrl/ippchen, 40 -= 2/5 angew., 60 --~ 3/5 angew., 80 = 4/5 angcw., 100 = ganz angcwachscn)

Zur Erbbiologie der Fingerleisten, zugleich ein Beitrag zur Zwil l ingsforschung 1)

Y o n

O. v. :Verschuer

Die Erbbiologie der Fingerleisten ist vor allem durch die Forschungen yon B o n n e v i e gekl~rt worden. Allgemeine Epidermisdicke und lokale Ver- dickungen der Epidermis (Polsterbildungen) sind als erbliche Eigenschaften erkannt worden, die w/ihrend des 3. Feta lmonats die Ausbildung der Papillar- muster an den Fingerbeeren festlegen. Erbstatistische Untersuchungen und Familienanalysen ffihrten B o n n e v i e zur Entdecknng yon drei voneinander unabh/~ngigen Erbfaktoren: den Fak tor V ffir die allgemeine Epidermisdicke und die Faktoren R und U fiir Polsterbildung auf der radialen bzw. ulnaren Seite der embryonalen Hand. Die Vererbung ist eine intermedi/ire. Fiir die Best immung des Faktors V ist der maximale Fingerwert yon Bedeutung; Polsterbildungen geben sich durch die Erniedrigung einzelner Fingerwerte zu erkennen, d. h. durch die Differenz zwischen h6chstem Fingerwert einer Hand und dem niedrigsten auf der radialen oder ulnaren Seite dec Hand.

1) Gehaltcn auf der 10. Jahresversammlung in G5ttingen.