6
177 Bautechnik 87 (2010), Heft 3 Berichte 1 Einführung Brücken sind wichtiger Bestandteil der Infrastruktur. In Deutschland dürfte ihre Anzahl heute bei ca. 120.000 lie- gen; d. h., auf ca. 5,4 km Straße (oder auf 690 Einwohner) kommt eine Brücke [1]. Die Unterhaltung des Brückenbestands stellt eine große Herausforderung für die Verkehrslast- träger dar. Dauerhafte Brückenkon- struktionen sind deshalb von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang spielen die Brückenkappen eine ge- hobene Rolle, da sie als ungeschützte Verscheißbauteile unterschiedlichsten klimatischen und nutzungsbedingten Einwirkungen ausgesetzt sind. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Belas- tungen durch Frost-Tau-Wechsel so- wie den Eintrag von Auftaumitteln (Bild 1). Um die hohen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit zu erfüllen, weisen Brückenkappen aus gewöhnlichem Stahlbeton einen hohen Luftporen- gehalt und in der Regel auch einen hohen Bewehrungsgrad aus. Hier- durch ist der Ersatz dieses Verschleiß- bauteils oft mit hohen finanziellen Mitteln verbunden. Das Suchen nach Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen – eine Pilotanwendung Nguyen Viet Tue Rolf Silbereisen Klaus Barthel einer Lösung für die Brückenkappen, bei der sowohl der Dauerhaftigkeit als auch dem leichten Ersatz genüge getan ist, stellt eine interessante ingenieur- wissenschaftliche Aufgabe dar. Im Rah- men einer Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Massivbau und Bau- stofftechnologie der Universität Leip- zig und CEMEX Deutschland wurden mit der Unterstützung des Verkehrs- und Tiefbauamts Leipzig die Kappen einer Brücke teilweise durch einen Be- ton mit Kunststofffasern Strux 40/90 [3] ersetzt. In diesem Beitrag werden über die Erfahrungen bei diesem Projekt und den aktuellen Zustand des Bauwerks nach der Nutzung von mehr als einem Jahr berichtet. 2 Anforderungen an Betone für die Brückenkappen Als Bestandteil der Brückenkonstruk- tion haben Kappen unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Diese sind ins- besondere: Schutz der tragenden Brückenkon- struktion (Überbau) vor Belastungen aus Nutzung und Umwelt Verankerung/konstruktiver Halt für passive Lärmschutzeinrichtungen – Sicherung des Verkehrsraums (Schrammbord) Flucht-/Inspektionsweg (als Außen- oder Mittelkappe) – Rad-/Gehweg Aus diesen unterschiedlichen Auf- gaben ergeben sich Anforderungen, die einer sachgerechten Planung, Kon- struktion und Ausführung besondere Bedeutung zukommen lassen. Entspre- chend der europäischen Betonnorm DIN-EN 206 [2] müssen beim Ent- wurf eines Betons für die Brücken- kappen verschiedene Anforderungen aus den folgenden Expositionsklas- sen berücksichtigt werden: XC4 Karbonatisierung bei wechselnd nassen und trockenen Bautei- len XF4 Angriff durch Frost-Tau-Wech- sel bei taumittelbehandelten Verkehrsflächen bzw. horizon- talen Bauteilen in deren Spritz- wasserbereich XM1 Mäßige Verschleißbeanspru- chung, z. B. durch luftbereifte Fahrzeuge XD3 Brückenteile mit häufiger chlo- ridhaltiger Spritzwasserbean- spruchung XA1 chemisch schwach angreifende Umgebung WA Feuchtigkeitsklasse für Bauteile unter Taumitteleinwirkung ohne zusätzliche hohe dynamische Beanspruchung. Um die Anforderungen zu erfüllen, wird im Allgemeinen ein Beton C30/ 37 mit Luftporenbildner benötigt, wo- bei der Gehalt an Luftporen zwischen 5 und 8 % liegt. Die Frost-Tausalz-Be- ständigkeit wird in Deutschland in der Regel nach dem CDF-Verfahren (Capillary suction of Deicing solution and Freeze thaw test) ermittelt. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Lärmschutzwände, Geländer oder Schrammborde besondere Belastun- gen und somit ein erhöhtes Scha- densrisiko bzw. eine verkürzte Lebens- dauer für Brückenkappen dadurch verursachen, dass sie das Räumen bzw. das Abfließen von taumittelhaltigen Schneeresten erschweren und somit eine im Vergleich zur Fahrbahndecke lange Einwirkungszeit bewirken, wie Bild 1 verdeutlicht. Ein planmäßiger Bild 1. Salzhaltige Schneehaufen auf Brückenkappen einer Bundesstraße

Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen — eine Pilotanwendung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen — eine Pilotanwendung

177Bautechnik 87 (2010), Heft 3

Berichte

1 Einführung

Brücken sind wichtiger Bestandteil derInfrastruktur. In Deutschland dürfteihre Anzahl heute bei ca. 120.000 lie-gen; d. h., auf ca. 5,4 km Straße (oderauf 690 Einwohner) kommt eineBrücke [1]. Die Unterhaltung desBrückenbestands stellt eine großeHerausforderung für die Verkehrslast-träger dar. Dauerhafte Brückenkon-struktionen sind deshalb von großerBedeutung. In diesem Zusammenhangspielen die Brückenkappen eine ge-hobene Rolle, da sie als ungeschützteVerscheißbauteile unterschiedlichstenklimatischen und nutzungsbedingtenEinwirkungen ausgesetzt sind. EinenSchwerpunkt bilden dabei die Belas -tungen durch Frost-Tau-Wechsel so-wie den Eintrag von Auftaumitteln(Bild 1). Um die hohen Anforderungenan die Gebrauchstauglichkeit undDauerhaftigkeit zu erfüllen, weisenBrückenkappen aus gewöhnlichemStahlbeton einen hohen Luftporen-gehalt und in der Regel auch einenhohen Bewehrungsgrad aus. Hier-durch ist der Ersatz dieses Verschleiß-bauteils oft mit hohen finanziellenMitteln verbunden. Das Suchen nach

Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen –eine PilotanwendungNguyen Viet TueRolf SilbereisenKlaus Barthel

einer Lösung für die Brückenkappen,bei der sowohl der Dauerhaftigkeit alsauch dem leichten Ersatz genüge getanist, stellt eine interessante ingenieur-wissenschaftliche Aufgabe dar. Im Rah-men einer Zusammenarbeit zwischendem Institut für Massivbau und Bau-stofftechnologie der Universität Leip-zig und CEMEX Deutschland wurdenmit der Unterstützung des Verkehrs-und Tiefbauamts Leipzig die Kappeneiner Brücke teilweise durch einen Be-ton mit Kunststofffasern Strux 40/90[3] ersetzt.

In diesem Beitrag werden über dieErfahrungen bei diesem Projekt undden aktuellen Zustand des Bauwerksnach der Nutzung von mehr als einemJahr berichtet.

2 Anforderungen an Betone für die Brückenkappen

Als Bestandteil der Brückenkonstruk-tion haben Kappen unterschiedlicheAufgaben zu erfüllen. Diese sind ins-besondere:– Schutz der tragenden Brückenkon-struktion (Überbau) vor Belastungenaus Nutzung und Umwelt– Verankerung/konstruktiver Halt fürpassive Lärmschutzeinrichtungen– Sicherung des Verkehrsraums(Schrammbord) – Flucht-/Inspektionsweg (als Außen-oder Mittelkappe)– Rad-/Gehweg

Aus diesen unterschiedlichen Auf-gaben ergeben sich Anforderungen, dieeiner sachgerechten Planung, Kon -struktion und Ausführung besondereBedeutung zukommen lassen. Entspre-chend der europäischen BetonnormDIN-EN 206 [2] müssen beim Ent-wurf eines Betons für die Brücken-kappen verschiedene Anforderungen

aus den folgenden Expositionsklas-sen berücksichtigt werden:

XC4 Karbonatisierung bei wechselndnassen und trockenen Bautei-len

XF4 Angriff durch Frost-Tau-Wech-sel bei taumittelbehandeltenVerkehrsflächen bzw. horizon-talen Bauteilen in deren Spritz-wasserbereich

XM1 Mäßige Verschleißbeanspru-chung, z. B. durch luftbereifteFahrzeuge

XD3 Brückenteile mit häufiger chlo-ridhaltiger Spritzwasserbean-spruchung

XA1 chemisch schwach angreifendeUmgebung

WA Feuchtigkeitsklasse für Bauteileunter Taumitteleinwirkung ohnezusätzliche hohe dynamischeBeanspruchung.

Um die Anforderungen zu erfüllen,wird im Allgemeinen ein Beton C30/37 mit Luftporenbildner be nö tigt, wo-bei der Gehalt an Luftporen zwischen5 und 8 % liegt. Die Frost-Tausalz-Be-ständigkeit wird in Deutschland inder Regel nach dem CDF-Verfahren(Capillary suction of Deicing solutionand Freeze thaw test) ermittelt.

In diesem Zusammenhang solltenicht unerwähnt bleiben, dass dieLärmschutzwände, Geländer oderSchrammborde besondere Belastun-gen und somit ein erhöhtes Scha-densrisiko bzw. eine verkürzte Lebens-dauer für Brückenkappen dadurchverursachen, dass sie das Räumen bzw.das Abfließen von taumittelhaltigenSchneeresten erschweren und somiteine im Vergleich zur Fahrbahndeckelange Einwirkungszeit bewirken, wieBild 1 verdeutlicht. Ein planmäßiger

Bild 1. Salzhaltige Schneehaufen aufBrückenkappen einer Bundesstraße

Page 2: Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen — eine Pilotanwendung

178

Berichte

Bautechnik 87 (2010), Heft 3

Austausch der Kappen bzw. der ein-zelnen Kappenabschnitte sollte des-halb möglich sein [3]. Kappen mithohem Gehalt an Betonstahlbeweh-rung erfüllen diese Anforderungen nurbedingt. Eine Anwendung von Betonmit Stahlfasern ist wegen der Rost-spur an der Oberfläche und vor allemder Verkehrssicherheit für die Fuß -gänger und Randfahrer, insbesonderebei Stadtbrücken, weniger geeignet.Betone mit Kunststofffasern sind hiervorteilhafter. In Folgenden wird einsolcher Beton vorgestellt.

3 Verhalten des Faserbetons mit Strux-Fasern 90/40

Strux 90/40 ist die Bezeichnung füreinen alkalibeständigen Fasertyp ausKunststoff, der gemäß der ZulassungZ-3.73-1937 [4] als Zusatzstoff für dieVerbesserung des Zugtragverhaltensvon normalfestem Beton verwendetwird. Die Faserdosierung liegt im Be-reich zwischen 2,5 und 7,0 kg/m3 Be-ton. In der Regel wird mit einer Do-sierung von 3 bis 5 kg/mł gearbeitet.Im Vergleich mit anderen Kunststoff-fasern ist der E-Modul der Strux-Fa-sern deutlich höher, hiermit wird dieEffektivität der Fasern bezüglich derVerbesserung des Zugtragverhaltensim späten Betonalter erhöht. Die we-sentlichen Eigenschaften der Strux-Fasern können Tabelle 1 entnommenwerden.

Durch Zugabe von Strux-Fasernwird das Verhalten von Beton aufDruck, sowohl das Vor- als auch Nach-bruchverhalten, nur wenig beeinflusst.

Das Zugtragverhalten im Nachbruch-bereich wird jedoch deutlich verbes-sert, insbesondere im Bereich großerVerformungen. Je höher die Faserzu-gabe ist, um so größer ist die Restzug-festigkeit. Bild 2 zeigt die Ergebnisseder Biegezugversuche mit unterschied-lichen Fasergehalten.

Um die Auswirkung der Faserzu-gabe auf die Rissbreitenbeschränkungallgemein abschätzen zu können, wur -de die Spannungs-Rissöffnungs-Bezie -hung mittels nichtlinearen FE-Rech-nungen ermittelt. Im Bild 3 ist dasRechenmodell und das zugehörigeRissbild bei einer Rissbreite von ca.0,4 mm dargestellt [5]. Um einen Ein-zelriss in der FE-Analyse zu erhalten,wird die vertikale Elementreihe in Bal -kenmitte mit einer um 5 % schwäche-ren Zugfestigkeit diskretisiert. Zum Ver-

gleich wurde ein Balken aus C35/45ebenfalls untersucht.

In Bild 4 sind die Rechenergeb-nisse vergleichend mit den Versuchs -ergebnissen und die durch inverse Be -rechnungen gewonnenen Spannungs-Rissöffnungs-Beziehungen dargestellt.Es ist deutlich zu erkennen, dass dieFasern aufgrund des relativ geringenE-Moduls und der geringen Verbund-steifigkeit des normalfesten Betonserst spät aktiviert werden. Somit wirddie Zugfestigkeit fct durch die Zugabevon Fasern nicht beeinflusst. Bei Riss-breiten kleiner als 0,1 mm ist eben-falls keine nennenswerte Steigerungder aufnehmbaren Zugspannungendes faserbewehrten Betons gegenüberunbewehrten Beton zu erkennen. BeiRissbreiten grö ßer als 0,1 mm erreichtder Faserbeton ein nahezu konstantes

Tabelle 1. Eigenschaften der Strux-Faser 90/40

Materialeigenschaften

Maximal zulässige Zugabemenge 7,5 kg/m3

Dichte bei 20 °C 0,92 kg/dm3

Querschnitt Rechteckig

Schnittlänge 40 mm

Einzelfaser 1,4 · 0,1 mm2

Absorption (Wasser) Keine

Elastizitätsmodul ≥ 9.500 N/mm2

Zugfestigkeit ≥ 620 N/mm2

Schmelzpunkt 160 °C

Entzündungspunkt 590 °C

Basen-, Säure-, Salz-beständigkeit hoch

Bild 2. Verhalten von Beton mit Strux-Fasern unter Biegezugbeanspruchung

Bild 3. Rechenmodell und Rissbild

Page 3: Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen — eine Pilotanwendung

179Bautechnik 87 (2010), Heft 3

Berichte

tonen mit und ohne Fasern zu erken-nen. Die Spannungsverteilung bei ei-ner Rissbreite von 4 mm verdeutlichtaber, dass der Beton mit Strux-Fasernbesonders vorteilhaft bei Bauteilen mithohem Umlagerungsvermögen ist, z. B.bei Bodenplatten oder Bauteilen mitkontinuierlicher Zwangkrafteinleitung,z. B. Wände auf Fundamenten.

4 Durchführung des Pilotprojekts4.1 Bauwerksbeschreibung und

Maßnahmen

Das Bauwerk überführt die LeutzscherAllee über den Elstermühlgraben inLeipzig. Das Einfeldbalken-Tragwerkwurde 1983 letztmalig saniert. Ausdieser Zeit stammen auch die vorhan-denen Kappen. Die Kappen dienen ne-ben dem Schutz des Überbaus auchals Geh- und Radweg. Die wichtigstenBauwerksdaten sind:

Bauart: einfeldrigerBalken als Rahmen

Brückenklasse: 30/30 (DIN 1072)

Gesamtlänge: 17,39 mLichter Abstand 16,20 mBreite zw. Geländern: 13,90 mBrückenfläche: ca. 260 m2

Kappenfläche Nord ca. 64 m2

Kappenfläche Süd: ca. 82 m2

Durch Frostangriff wurden die beidenSchrammborde stellenweise bis aufdie Fahrbahnoberkante abgetragen.Darüber hinaus sind die Kappenober-flächen so geschädigt, dass die Ver-kehrsicherheit nicht mehr gewähr -leistet werden kann. Bild 6 verdeut-licht den Zustand der Kappen vor derSanierung.

Entsprechend der globalen Ver-kehrsplanung der Stadt Leipzig solltedie Brücke spätestens in 10 Jahren er-setzt werden. Darüber hinaus ist dasGeländer einschließlich des Betons imBereich der Geländersockel in einemguten Zustand. Unter diesen Voraus-setzungen wurde aus Kostengründenentschieden, sowohl die Abdichtungals auch das Geländer im Rahmender Sanierung zu erhalten. Mit dieserVorgabe wurde die in Bild 7 dargestellteSanierungsmaßnahme gewählt.

Nach dem Ausführen der Längs-trennschnitte zur Erhaltung der Ge -länder wird der alte Kappenbeton min-destens 10 cm tief durch Hochdruck-

Bild 4. Simulation und Versuche sowie zugehörige Zugspannungs-Rissöffnungs-Beziehung

Bild 5. Spannungsverteilung bei verschiedenen Laststufen

Bild 6. Zustand der Kappenoberfläche vor der Sanierung

Spannungsplateau zwischen 0,48 und0,4 MN/m2.

Zur Verdeutlichung ist in Bild 5die Spannungsverteilung über die Hö -

he des Balkens bei maximaler Last undbei einer Rissöffnung von ca. 4 mmaufgetragen. Bei maximaler Last istkaum ein Unterschied zwischen Be-

Page 4: Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen — eine Pilotanwendung

180

Berichte

Bautechnik 87 (2010), Heft 3

wasserstrahlen entfernt. Anschlie -ßend erfolgt das Anbringen von An-schlussbewehrungsstäben zum Ver-binden der neuen und alten Kappen.Alle Fugen werden dauerelastisch ge-füllt. Nach dem Betonabtrag unddem Reinigen der Oberflächen wirdeine Haftbrücke auf den freigelegtenKappenbeton aufgebracht. Die Prü-fung der Abreißfestigkeit und Rauh-tiefe erfolgt gemäß ZTV-ING [6]. Dieneuen Kappen werden wie folgt her-gestellt:– Kappe Nord: kunststofffaserbewehr-ter Beton C 30/37 LP, mit hohemFrost- und Tausalzwiderstand, ohneZusatzbewehrung BSt 500, fugenloseHerstellung– Kappe Süd: kunststofffaserbewehr-ter Beton C 30/37 LP, mit hohemFrost- und Tausalzwiderstand, mit einer Lage obere Zusatzbewehrunglängs- und quer in Anlehnung an RIZBMV Kap 1, BSt 500 S, fugenloseHerstellung

Die Querschnittdicke des neuenKappenbetons beträgt minimal 10 cm,in den Schrammbordbereichen maxi-mal 30 cm. Die Aufnahme der horizon-

tal wirkenden Seitenstoßlast nachDIN-FB 101 [7] wird über die Her-stellung der Schrammborde mit einerHöhe von 15 cm sichergestellt. DieBreite der neu herzustellenden Kap-pen beträgt ca. 2,80 m (Kappe Nord)und ca. 3,80 m (Kappe Süd).

4.2 Betonzusammensetzung und Werkversuche

Für die Sanierung der beiden Kappenwurde ein Beton C25/30 mit LP ge-wählt. Der Beton setzt sich wie folgtzusammen:

Zement 355 kg CEM I 42,5 RGesteinkörnung 0/16 1602 kg/m3

BV 0,8 bis 1,5 % von ZementLP 0,6 bis 1,0 % von ZementFaser Strux 90/40 4,6 kg

Vor der Herstellung des Bauwerkswurden Werkversuche durchgeführt.Die Faserzugabe erfolgt am Mischer-auslass bei Übergabe des Betons inden Fahrmischer. Nach der Faserzu-gabe wurde der Beton im Fahrmischernochmals 5 min intensiv gemischt. Es

konnte im Allgemeinen eine gute Fa-serverteilung festgestellt werden. Beiden Mischungen mit Ausbreitmaßenim Bereich von 50 cm ist eine sehr guteFaserverteilung festzustellen. Der Be-ton ist aber zu weich und wenig geeig-net für die gewünschte Querneigungvon 3 % und die Ausbildung der Ober-fläche mit Besenstrich. Ein Ausbreit-maß von ca. 40 cm stellt offenbar dieUntergrenze für eine gleichmäßigeFaserverteilung dar (Bild 8).

Bei Zugabe von 0,6 % Luftporen-bildner bezogen auf die Zementmen -ge, wurde ein Luftporengehalt von ca.8 % ermittelt. Die mittlere Abwitterungnach 28 Frost-Tau-Wechseln von 5 un-tersuchten Proben beträgt 150 g/m2

gegenüber der Annahmegrenze von1500 g/m2. Bild 9 zeigt den guten Zu-stand der Proben nach der Frostprü-fung.

Bild 7. Gewählte Sanierungsmaßnahme

Bild 8. Betone mit unterschiedlichenAusbreitmaßen a) ohne Igelbildungund b) mit Igelbildung

a)

b)

Page 5: Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen — eine Pilotanwendung

181Bautechnik 87 (2010), Heft 3

Berichte

Zur Herstellung von Probenflä -chen wurde ein Beton mit einem Aus-breitmaß von 43 cm verwendet. Umden Einfluss der Herstellungsverfah-ren auf die Oberflächenbeschaffen-heit der Kappen feststellen zu können,wurden im Rahmen der Werkversuchedrei Probeflächen (Bild 10) mit folgen-den Oberflächenbehandlungen ange-legt: – Abziehen mittels Rüttelbohle an -schließend Besenstrich (Fläche 1)– Abziehen ohne Rüttelbohle, Abrei-ben (Fläche 2)– Abziehen mittels Rüttelbohle, Ab-reiben und anschließend Besenstrich(Fläche 3)

Anhand der Ergebnisse der Werk-versuche wurden für die Herstellungder Kappen folgende Maßnahmen vor-geschlagen:– Die Konsistenz des Betons auf derBaustelle soll 430 mm ± 20 mm betra-gen, bei steiferer Konsistenz ist die Fa-serverteilung ungünstig.

– Bei Einstellung der Konsistenz imWerk soll deren Änderung beim Trans-port berücksichtigt werden. – Vom Werk zur Baustelle muss dieFahrzeugtrommel langsam gedrehtwerden. – Der Einbau des Betons sollte übereinen Rutsche erfolgen. Wegen dergeringen Konsistenz und des Faserge-halts ist der Einbau mit Pumpe nichtzu empfehlen. – Der Betoneinbau erfolgt analog derFläche 3. – Wenn wider Erwarten Faserigel vor-handen sind, müssen sie manuell ent-fernt werden. – Alle Flächen sind mit flüssigemNachbehandlungsmittel (Emcoril S)gemäß AU zu besprühen.

4.3 Bauausführung

Vom Tiefbauamt Leipzig wurde dieFa. Matthaei, Magdeburg, mit der Bau-ausführung beauftragt. Die Herstel-

lung der beiden Kappen erfolgte inzwei Abschnitten. Zuerst wurde dieKappe Nord hergestellt. Bild 11 zeigtden Zustand der Kappe vor dem Auf-bringen des Betons. Statt mit Hoch-druckwasserstrahl wurde der Kappemit Presslufthammer abgebaut. Dankder unteren Bewehrungslage wurdedie Abdichtung hierbei nicht beschä-digt. Einbringen und Verdichten vonBeton mit Strux-Fasern 90/40 warenproblemlos. Die Vorgaben gemäß(Abschn. 4.2) wurden eingehalten. DerBeton wies eine mittlere Würfeldruck-festigkeit von ca. 40 N/mm2 und einenLuftporengehalt von ca. 5,5 % auf.

Das Verspülen mit flüssigenNachbehandlungsmitteln scheint aus-reichend zu sein, um einen Wasser-verlust des Frischbetons trotz sommer-licher Temperaturen zu verhindern.Hierbei muss jedoch dafür gesorgtwerden, dass die gesamte Betonober-fläche mit dem Nachbehandlungs-mittel bedeckt wird. In diesem Fallwurde dies durch zweimaliges Ver-spülen erreicht. Bild 12 zeigt den Zu-stand der Oberfläche nach Aufbrin-gen des Nachbehandlungsmittels. Diemit Besenstrich erzielte Struktur derOberflächen konnte durch die Wahleines Ausbreitmaßes im Bereich von42 cm sehr stabil gehalten werden.

Auch ein Jahr nach der Herstel-lung einschließlich der Frost- undTausalzbeanspruchung infolge desharten Winters 2008/2009 weisen die

Bild 9. Oberflächen der Proben nach CDF-Prüfung

Bild 10. Oberflächen mit unterschiedlichen Oberflächenbehandlungen

Bild 11. Kappe Nord vor dem Einbrin-gen des Betons

Page 6: Faserbeton für die Herstellung von Brückenkappen — eine Pilotanwendung

182

Berichte

Bautechnik 87 (2010), Heft 3

beiden Kappen sehr guten Zustandauf. Einige Tage nach der Herstellungwaren an den alten Fugenstellen Rissezu beobachten. Die Rissbreite sindkleiner als 0,15 mm, so dass keine wei-teren Maßnahmen erforderlich sind.Die Rissbreitenzunahme ist nach ei-nem Jahr Nutzung ebenfalls sehr ge-ring. Die an der Oberfläche erkenn-baren Fasern brechen mit der Zeit we-gen ihrer UV-Unbeständigkeit ab, ohnedabei das Betongefüge in Mitleiden-schaft zu ziehen. Bild 13 zeigt den ak-tuellen Zustand der beiden Kappen.

5 Schlussbemerkungen

Brückenkappen sind wichtige Kon-struktionselemente im Brückenbau,vor allem in Bezug auf die Verkehrs -sicherheit. Die hohen Beanspruchun-gen durch Frost und Tausalz sowiedurch Zwangspannungen führen dazu,dass die Kappen während der Nut-zungsdauer der Brücke mehrmals teil-weise oder vollständig ersetzt werdenmüssen.

Mit der Verwendung eines Betons,dem große Menge von Kunststofffa-sern mit relativ hohem E-Modul zuge-geben wurde, sollten die Lebensdauerund die Ersetzbarkeit der Brücken-kappen verbessert werden. Die bishe-rigen Ergebnisse eines Pilotprojekts inLeipzig deuten darauf hin, dass einVerzicht auf Betonstahlbewehrung beifugenloser Herstellung von Kappendurch die Verwendung von Luftporen-beton mit Strux-Fasern 40/90 mög-lich ist, zumindest für kleine bis mitt-lere Brückenlänge bis etwa 25 m. Beilängeren Brücken könnte die Zwang-beanspruchung so groß sein, dass eineKombination mit Betonstahlbeweh-rung sinnvoll wird. Hierfür sollten je-doch weitere Untersuchungen durch-geführt werden.

Literatur

[1] www.deutscheBrücken.de[2] Ingenieurbauwerke im Zuge von Stra-

ßen und Wegen — Prüfung und Über-wachung, DIN 1076: 1999.

[3] Brückenkappen — Informationsbro-schüre der CEMEX Deutschland AG,Ratingen, 02/2009.

[4] Deutsche Institut für Bautechnik:Zulassung Z-3.73-1937.

[5] Forschungsbericht des Instituts fürMassivbau und Baustofftechnologie,Universität Leipzig (2008).

[6] Zusätzliche Technische Vertragsbe-dingungen und Richtlinien für Inge -nieurbauten (ZTV-Ing), Ausgabe 2006.

[7] DIN-Fachbericht 101: Einwirkungenauf Brücken, Ausgabe 2003.

Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Nguyen Viet Tue, KHP-ZERNA Planungsgesellschaft mbH, Sebastian-Bach-Straße 4–6, 04109 LeipzigProf. Dr.-Ing. Rolf Silbereisen, Product Technology – Germany, Daniel-Goldbach-Straße 25, 40880 RatingenDipl.-Ing. Klaus Barthel, Stadt Leipzig, Verkehrs- und Tiefbauamt, Abt. Brückenbau und -unterhaltung

Bild 12. Nachbehandlung und Zustandder Oberflächen nach der Herstellung Bild 13. Aktueller Zustand der Kappen