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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Greifswald. Fermentative Bildung und Zerst~rung yon Histamin und Tyramin *. Von Peter Holtz, Rudolf Heise und Walter Spreyer. Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 22. Dezember 1937.) In mehreren Arbeiten 1 haben wir gezeig*, daf~ Leber und ~qiere ver- schiedener Tierarten die Aminos~uren Histidin und Tyrosin fermentativ in die entsprechenden Amine umzuwandeln vermSgen. Wir liel~en Leber- und Nierengewebe oder aueh Gewebsextrakte yon Kaninchen, Meer- schweinchen und Ratten auf Histidin einwirken und fanden, daf~ die Ver- suehslSsungen im biologisehen Yersueh wie Histamin wirlc~en. Bei der Einwirkung yon Nierengewebe oder Phosphatextrakt aus Niere auf Tyrosin entstand eine blutdruekerhShende Substanz, deren Identitat mit Tyramin inzwischen auch mit chemischen Methoden nachgewiesen wurdeL Auch yon Werle und Herrmann a sowie Werle und Mennicken 4 wurde gefunden, daI~ Leber und Niere yon Kaninchen und Meersehweinchen decarboxylierende Fermente fiir die beiden Aminosauren besitzen. Mit Leher un4 Niere anderer uls der genannten Tierarten gel~ng es uns nieht oder nur ganz vereinzelt, die gleiehen Ergebnisse zu erhatten. Die Ursache hierfiir vermuteten wir in dem bei den einzelnen Tierarten stark voneinander abweichenden und bei manchen Tierarten sehr hohen Gehalt der nntersnchten Organe an I-Iistaminase und Tyraminase, den aminzerstSrenden Fermenten. In der vorliegenden Arbeit haben wir Leber un4 Niere verschiedener Tierarten auf ihren Gehalt an Histaminase und Tyraminase untersucht. Wir haben dann weiterhin versucht, die amin- zerstSrenden ~Fermente auszuschalten, um vielleieht aueh in den Fallen das Vorhandensein aminbildender Fermente nachweisen zu kSnnen, in clenen es bisher nicht mSglich war. Die ttistaminmenge, die in Versuchen mit Leber- und Nierengewebe aus zugesetztem Histidin gebildet wird und sich am Versuchsende nach- weisen laJ~t, hang* yon der Wirksamkeit vier verschiedener Fermente ab. Zunachst miissen das histaminbildende Ferment und die Histaminase, * Ausgefilhrt Init Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgelneinschaft und der Gesellsohaft yon Freunden und FSrderem der Universit~t Greifswald. 1 tIoltz, P., u. R. Heise: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 186, 377 (1937); Holtz, P., u, It. Janisch: Ebenda 186, 684 (1937); Holtz, P.: Klin. Wschr. 1937, S. 1561. -- 2 Holtz, P.: Z. physiol. Chem. 251, 226 (1938). -- 3 Werle, E., u. H. Herrmann: Biochem. Z. 291, 105 (1937). -- 4 Werle, E., u. G. Mennicken: Ebenda 291, 325 (1937).

Fermentative Bildung und Zerstörung von Histamin und Tyramin

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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Greifswald.

Fermentative Bildung und Zerst~rung yon Histamin und Tyramin *.

Von Peter Holtz, Rudolf Heise und Walter Spreyer.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 22. Dezember 1937.)

In mehreren Arbeiten 1 haben wir gezeig*, daf~ Leber und ~qiere ver- schiedener Tierarten die Aminos~uren Histidin und Tyrosin fermentat iv in die entsprechenden Amine umzuwandeln vermSgen. Wir liel~en Leber- und Nierengewebe oder aueh Gewebsextrakte yon Kaninchen, Meer- schweinchen und Rat ten auf Histidin einwirken und fanden, daf~ die Ver- suehslSsungen im biologisehen Yersueh wie His tamin wirlc~en. Bei der Einwirkung yon Nierengewebe oder Phosphatextrakt aus Niere auf Tyrosin entstand eine blutdruekerhShende Substanz, deren Ident i ta t mit Tyramin inzwischen auch mit chemischen Methoden nachgewiesen wurdeL Auch yon W e r l e und H e r r m a n n a sowie W e r l e und M e n n i c k e n 4 wurde gefunden, daI~ Leber und Niere yon Kaninchen und Meersehweinchen decarboxylierende Fermente fiir die beiden Aminosauren besitzen.

Mit Leher un4 Niere anderer uls der genannten Tierarten gel~ng es uns nieht oder nur ganz vereinzelt, die gleiehen Ergebnisse zu erhatten. Die Ursache hierfiir vermuteten wir in dem bei den einzelnen Tierarten stark voneinander abweichenden und bei manchen Tierarten sehr hohen Gehalt der nntersnchten Organe an I-Iistaminase und Tyraminase, den aminzerstSrenden Fermenten. In der vorliegenden Arbeit haben wir Leber un4 Niere verschiedener Tierarten auf ihren Gehalt an Histaminase und Tyraminase untersucht. Wir haben dann weiterhin versucht, die amin- zerstSrenden ~Fermente auszuschalten, um vielleieht aueh in den Fallen das Vorhandensein aminbildender Fermente nachweisen zu kSnnen, in clenen es bisher nicht mSglich war.

Die t t istaminmenge, die in Versuchen mit Leber- und Nierengewebe aus zugesetztem Histidin gebildet wird und sich am Versuchsende nach- weisen laJ~t, hang* yon der Wirksamkeit vier verschiedener Fermente ab. Zunachst miissen das histaminbildende Ferment und die Histaminase,

* Ausgefilhrt Init Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgelneinschaft und der Gesellsohaft yon Freunden und FSrderem der Universit~t Greifswald.

1 t Io l tz , P., u. R. Heise: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 186, 377 (1937); Hol tz , P., u, It. Janisch: Ebenda 186, 684 (1937); Hol tz , P.: Klin. Wschr. 1937, S. 1561. - - 2 Hol tz , P.: Z. physiol. Chem. 251, 226 (1938). - - 3 Werle, E., u. H. H e r r m a n n : Biochem. Z. 291, 105 (1937). - - 4 Werle, E., u. G. Mennicken: Ebenda 291, 325 (1937).

Fermentative Bildung und ZerstSrung yon I-Iistamin nnd Tyramin. 581

das histaminzerst6rende Ferment, beriieksiehtigt werden. Weiterhin kann die Aminosauren-Desaminase der Leber un4 Niere, die in letzter Zeit besonders yon K r e b s 5 untersucht wurde, yon Bedeutung sein und, soweit es sieh um Versuehe mit Lebergewebe handelt, die yon E d l b a c h e r 6 ent- deekte Histidase, die nur in din Leber vorhanden ist und Histidin unter Ringsprengung abbaut. Die Wirksamkeit der Histaminase und Desaminase ist auf die Gegenwart yon Sauerstoff angewiesen, die Histidase ist aueh bei Sauerstoffabwesenheit wirksam. -- Bei unseren Untersuchungen fiber Histaminbildung durch Leber- und Nierengewebe hatte sieh gezeigt, dal~ die Histaminmenge, die sieh bei der Auswertung yon Versuehen mit Saner- stoffaussehlul~ fand, immer deutlich grSl~er war als diejenige, die sieh in Versuehen unter aeroben Bedingungen naehweisen liel3. Zur Erklarung dieser Beobachtung haben wir angenommen, dab unter Verhiiltnissen guter Sauerstoffversorgung die desaminierende Wirkung der Gewebs- desaminase gegeniiber der Wirksamkeit des histaminbi]denden Ferments in den Vordergrund trit t , dal3 also bei guter Sauerstoffversorgung w e n i g e r Histamin g e b i l d e t wird. Andererseits haben wir darauf hingewiesen, dal~ die ebenso wie die Desaminase auf die Gegenwart yon Sauerstoff angewiesene Histaminase fiir die letzten Endes naet~weisbare Histamin- menge yon Bedeutung sein mul~, insofern, Ms bei Sauerstoffgegenwart m e h r Histm~lin z e r s t S r t wird. Wenn somit aueb nnter Verhg|tnissen guter Sauerstoffversorgung eine verminderte Histaminbildung und eine erh6hte Histaminzerst6rung in Betraeht gezogen wurde, so haben wir doeh nicht klar entschieden, ob und inwieweit diese beiden M6gliehkeiten zur Erklgrung der experimentellen Beobaehtungen herangezogen werden kSnnen. -- In der vorliegenden Arbeit haben wir versueht, dureh Trennung des histaminbildenden und histaminzerst6renden Ferments diese Frage zu klgren.

Versuehsergebnisse.

1. Histaminase- und Tyraminaseg'ehalt der Leber und Niere verschiedener Tierarten.

Die ersten Angaben fiber das Vorkommen der Histaminase in ver- sehiedenen 0rganen und bei versehiedenen Tierarten finden sich in Arbeiten aus dem Laboratorium yon C. H. B e s t 7, dem Entdeeker des Ferments. Aus diesen Angaben geht hervor, da6 die Histaminase vor allem in Niere und Darmschleimhaut enthalten ist. Die Mengenverhgltnisse weiehen bei den einzelnen Tierarten betrgchtlieh voneinander ab: So linden E . W . Me H e n r y und G a r v i n s, dal] in der Niere yon Meersehweinchen, Rat ten

Krebs, H.A.: Z. physiol. Chem. 217, 191 (1933); Klin. Wsehr. 11, 1744 (1932). -- G Edlbaeher , S.: Z. physiol. Chem. 157, 106 (1926); 191, 225 (1930); 195, 267 (1931); 22Y4, 261 (1934). - - 7 Best, C.H.: J. of Physiol. 67, 256 (1929); Best, C.H., u. E.W. MeHenry : Ebenda 70, 349 (1930). -- s McHenry , E. W., u. Garvin: Bioehem. J. 26, 1365 (1932).

582 P. I-IOLTZ, ]~. HEISE und W. SPREYER:

und Hiihnern iiberhaupt kein histaminzerstSrendes Ferment enthalten ist, und da]] Schaf- und Schweineniere fast doppelt so reich an Histaminase sind wie z .B. Kaninchen-, Katzen- und Rinderniere. Spgtere Unter- suchungen anderer Forscher weichen in einigen Punk~ten yon diesen Er- gebnissen ab. So geben z. B. G. V. A n r e p , G. S. B a r s o u m und M. Ta - la a t 9 in einer neueren Arbeit an, dab auch die Kaninchenniere histaminase- frei sei. Vor kurzem haben S. E d lb a c he r und A. Z el le r 10 Untersuchungen iiber das Vorkommen der Histaminase verSffentlicht. LTber die quanti- tativen Verh~iltnisse gibt diese Arbeit keinen Anhaltspunkt, zeigt aber, daB, w~hrend das Ferment bei den meisten untersuchten Tierarten in Leber und Iqiere nachweisbar ist~ dies bei Rattenleber und -niere sowie bei Hiihnerniere und Sehweineleber nieht der Fall ist. SchlieBlieh geht aus einer ebenfa]ls erst kiirzlich erschienenen Arbeit yon E. W e r l e und H. H e r - m a n n hervor, daft in ~-bereinstimmung mit den ersten Angaben Yon E. W. Mc H e n r y nnd G a r v i n und im Gegensatz zu den neueren Befunden yon G.V. A n r e p , G. S. B a r s o u m und M. T a l a a t die Kaninchenniere Histamin abzubauen vermag.

Die widersprechenden Ergebnisse der erwahnten Arbeiten haben sicher zu einem grol~en Teil ihre Ursache in der Verschiedenartigkeit der von den einze]nen Forsehern angewandten Methodik. W~hrend die einen mit frischem Gewebe arbeiteten, benutzten andere Gewebsextrakte zu ihren Versuchen, wieder andere gingen yon Acctontrockenpulver der zu untersuchenden Organe aus. Andererseits war die yon den einzelnen Forschern gew~hlte Versuchsdauer verschieden.

Soweit aus der Literatur zu ersehen ist, wurden die Versuche in Luft- atmosphere angesetzt. Da abet schon aus den Untersuchungen von C. H. B e s t hervorgeht, dab fiir die Wirksamkeit der Histaminase die Gegenwart von Sauerstoff efforderlich ist, stellt eine Yersuchsanordnung in Luftatmosphgre wahrscheinlich nicht optimale Bedingungen fiir die Fermentwirkung dar, und man mu$ daher mit der MSglichkeit rechnen, dal] in F~llen, in denen das Untersuchungsmaterial nur wenig Histaminase enth~lt, das Ferment iiberhaupt nicht nachweisbar ist. Wir haben deshalb unsere Untersuchungen in Sauerstoffatmosph~re ausgefiihrt.

~ber die Wirkung und das u tier Tyraminase sind wit besonders dutch die Untersuchungen yon B e r n h ei m- H a r e 11 unterrichtet. Hiernaeh kommt das Ferment vornehmlieh in der Leber vor, auBerdem in kIeinerer Menge noeh in der Niere. Kaninehenleber solI am ferment- reichsten sein. Die Wirksamkeit ist wie diejenige der Histaminase auf die Gegenwart von Sauerstoff angewiesen.

Anrep, G.V., G. S. Barsoum u. M. Talaa t : ;l. of Physiol. 86, 55 (1936). __ lo Edlbacher , S., u. A. Zeller: Helvetia Chim. acta 20, 717 (1937). -- 11 Bernhe im-Hare , M.: Biochem. J. 22, 968 (1928); J. of biol. Chem. 93, 299 (1931).

Fermentat ive 13ildung und Zerst6rung yon Histamin und Tyramin. 583

Methodik.

V e r s u e h s a n s a t z . Leber und Niere friseh get6teter Tiere wurden mi t der Sehere rein zerMeinert. Je 200 mg Gewebsbrei wurden in kegelf6rmige Warburg- Gefi~Be yon ungefi~hr 15 ccm Inhalt eingewogen und in 2 ecm m/20 Natriumphos- phatpuffer yore p~ 8 suspendiert. Zu jedem Ansatz wurden, in 2 ecru aqu. dest. gel6st, versehiedene Mengen Histamin (50--500 y) und Tyramin (5--10 rag) zu- gefiigt. Hierauf wurden die GefiiBe mit Sauerstoff gefiillt und 2 Stunden lang in der Bareroft-Apparatur bei 37 o gesehiittelt.

B e s t i m m u n g de r H i s t a m i n a s e - u n d T y r a m i n a s e w i r k u n g . A m E n d e der Versuchszeit wurden die Versuehsl6sungen im Blutdruekversuch an der Katze gegeB Histamin und Tyramin ausgewertet. Der Fermentgehal t der untersuehten Gewebe bzw. d i e Fermentwirksamkeit wird in y His tamin nnd mg Tyramin aus- gedriickt, (tie yon 200 mg Gewebe bei Sauerstoffge- genwart und 370 in 2 Stun- den zerst6rt werden.

D i e Tab . 1 g i b t e ine

l J b e r s i c h t i iber die ge- f u n d e n e n H i s t a m i n a s e - ~'r.

wer te .

I n (~be re ins t im- 1

m u n g m i t den sehon er- 2 w ~ h n t e n B e o b a e h t u n g e n 3 B e s t s u n d se iner Mit- 4

a r b e i t e r l i n d e n auch wit , dab be i den m e i s t e n 7 T i e r a r t e n die N i e r e fer- 8

m e n t r e i e h e r is t als die

Leber . So ist Sehwe ine -

n ie re fas t 20 rea l wi rk-

s a m e r als Sehwe ine l ebe r ;

be i de r K a t z e bes i t z t die

L e b e r n u r e in F i in f t e l

de r W i r k s a m k e i t de r ~ " Niere . E i n e A u s n a h m e

m a e h e n K a n i n e h e n u n d

R a t t e , be i d e n e n inl 1 H i s t a m i n a s e g e h a l t de r 2 L e b e r u n d N ie r e ke in 3 4 U n t e r s e h i e d be s t eh t , 5 und v o r a l l em Meer- 6

s e h w e i n c h e n u n d H u h n , 8 be i d e n e n y o n L e b e r g e -

Tabelle 1. H i s t a m i n a s e g e h a ] t cter L e b e r u n d

v e r s e h i e d e n e r T i e r a r t e n . N i e r e

Tierart

Meersehweinchen . . Kaninehen . . . . . . . . Ra t te . . . . . . . . . . . . Huhn . . . . . . . . . . . . Mensch, 12 Std. p. m. Hammel . . . . . . . . . . Rind . . . . . . . . . . . . . Katze . . . . . . . . . . . . Schwein . . . . . . . . . .

200 mg

Niere Leber zerst6ren in 2 Std. bei 370 in

Sauerstoffatmosph~re 7 Histamin y Hislamin

18 32 20 20 25 20 30 65 90 40

> 1 0 0 50 180 50 315 60 452 25

Tabelle 2. T y r ~ m i n a s e g e h a l t d e r L e b e r n n d N i e r e

v e r s c h i e d e n e r T i e r a r t e n .

200 mg

Niere I Leber zerst~ren in 2 Std. bei 37 o in

S~uerstoffatmosph~re Tierart

Rat te . . . . . . . . . . . . . Schwein . . . . . . . . . . Katze . . . . . . . . . . . . Mensch, 10 Std. p. m. Hammel . . . . . . . . . . Meerschweinchen . . Kaninchen . . . . . . . . Huhn . . . . . . . . . . . .

mg Tyramin mg Tyramin

2,0 5,6 3,8 9,0 4,25 9,35 5,6 7,4

> 5,0 > 5,0 6,0 8,5 6,6 6,8 8,0 3,8

w e b e m e h r H i s t a m i n ze r s tS r t w i r d als y o n N i e r e n g e w e b e .

D ie Tabe l l e 2 en th i i l t die E rgebn i s s e u n s e r e r T y r a m i n a s e b e s t i m m u n g e n .

584 P. ttOLTZ, It. HEISE und W. SteErER:

Der Tyraminasegehal t der Leber ist, wie schon yon B e r n h e i m- H a r e angegeben wurde, im allgemeinen hSher als derjenige der Niere. Eine Aus- nahme hiervon mach t die Hiihnerleber, die nur halb so wirksam ist wie die Niere. Auch bei einigen anderen Tierarten, so z. B: bei Kaninchen und Meerschweinchen, ist der Tyraminasere iehtum der Niere betr~ichtlich un4 steht demjenigen der Leber kaum nach.

2. Histamin- und Tyraminbildung dureh Leber und Niere versehiedener Tierarten.

H i s t a m i n b i l d u n g .

Wie in der Einlei tung schon erw~hnt wurde, gelang uns der Nacl~weis des histaminbildenden Ferments in Leber und Niere yon Meerschweinchen, Kaninchen un4 Rat ten . Die Niere schien besonders fermentreich zu sein: Nierengewebe bildete unter sonst gleiehen Versuchsbedingungen 4 - -6 rea l mehr His tamin als Lebergewebe. Diese drei Tierar ten stehen in der Tabelle 1, in der die Reihenfolge der untersuchten Tierarten dem zunehmenden Histaminasegeha]t der Niere entsprieht, an den drei ersten Stellen. Sie enthal ten in ihrer Niere weir weniger His taminase als alle anderen unter- suchten Tierarten, bis auf das Huhn , dessen Niere ebenfalls n u r einen geringen Gehalt an Histaminase aufweist, Ehe wir den bisher vergeblich gemachten Versueh, das histaminbildende Ferment bei anderen Tierarten nachzuweisen, erneut unternahmen, haben wir uns da tum bemiiht, die Wirkung der His taminase mSglichst weitgehend auszuschalten, ohne das histaminbildende Fe rmen t zu sch~digen. Das gelang auf drei versehiedenen Wegen.

~Jnsere frflheren ~Jntersuchungen hatten ergeben, dab die Wirksamkeit des histaminbildenden Ferments nieht an die lebende Zelle gebunden ist, sondern auch in Gewebsextrakte, z. ]3. Phosphatextrakte, fibergeht. Vergleichende Versuche mit Gewebe und Gewebsextrakten yon Kaninchen- und Meerschweinchenniere zeigten nun weiterhin, dab Phosphatextrakte sogar wirksamer waren als die entsprechende, entweder mit der Sehere oder dureh u mit Quarzsand zerkleinerte Gewebs- menge. Andererseits war die histaminzerst6rende Wirksamkeit des Gewebes grSl3er als die des Gewebsextraktes. Zum Nachweis des histaminbildenden Ferments wird man deshalb besser Gewebsextrakte als Gewebe selbst verwenden.

E d l b a c h e r und Zeller 1~ berichteten in einer vor kurzem erschienenen Arbeit fiber Versuche, in denen es ihnen gelang, die Histaminase aus ihren LSsungen durch Kao]in oder Fullererde zu adsorbieren. Wir haben untersucht, wie sieh das histamin- bildende Ferment beim Sehfitteln mit Kaolin verh~ilt, und gefunden, daf~ dureh 15 Minuten langes Schfitteln yon 10 ccm Phosphatextrakt aus Kaninehen- oder Meer- schweinchenniere mit 0,5g Kaolin die hier allerdings an sich nur geringfiigige Histaminasewirkung vollstiindig beseitigt, die Wirksamkeit des histaminbildenden Ferments jedoch iiberhaupt nicht oder nur ganz wenig beeintr~ehtigt wird. Es schien somit die M6g]iehkeit gegeben, durch selektive Adsorption das histaminzerstSrende Ferment aus Phosphatextrakten weitgehend zu entfernen und das histaminbildende ]~erment auch in F~illen, in denen es bisher nicht mSglieh war, naehzuweisen.

In unserer ersten Arbeit tiber Histaminbildung durch Leber und Niere hatten wir in Versttehen mi~ Katzenorganen sehon versucht, die Histaminase, deren Wirk- samkeit auf die Anwesenheit yon Sauerstoff angewiesen ist, dadurch auszuschalten,

Fermentative Bildung und Zerst6rung yon Histamin und Tyramin. 585

dag wir dis Versuchsansgtze einige Minuten lang mit Stiekstoff durchstr6mten. Denn es haLte sieh gezeigt, dab die Wirksamkeit des histaminbildenden Ferments durcii Aussehlul3 yon Sauerstoff nieht beeintrgchtigt wurde. Aber aueh unter diesen Versuehsbedingungen war es nur ganz unregelmi~fiig in einzelnen FMlen m6glieh, eine Histaminbildung dureh Katzenorgane naehzuweisem Wit haben uns bemtiht, in den Versuchen der vorliegenden Arbeit einen m6gliehst vollkommenen AusschluB von Sauerstoff zu erreichen, indent wir die Versuchsglgser mindestens 10 Minuten lang mit Wasserstoff oder sauerstofffreiem Stickstoff durehstr6mten.

U m eine mSglichst wei tgehende Ausscha l tung der H i s t aminase zu erreichen, haben wir deshalb 1. a n s t a t t m i t Gewebe nl i t P h o s p h a t e x t r a k t e n gearbe i t e t , da diese mehr h i s taminbi ldendes , aber weniger h i s t amin- zers t5rendes F e r m e n t en tha l ten , 2. wenigstens einen Tell der auch im P h o s p h a t e x t r a k t noeh en tha l t enen Hi s t aminase durch selekt ive Adso rp t ion an Kao l in ent fernt , 3. die auch i e t z t noch vo rhandene H i s t aminase durch sorgfgl t igen Aussehlu~ yon Sauers tof f in ihrer W i r k s a m k e i t abzusehwgehen versueht . I m einzelnen gingen wir folgendermal~en vor :

Methodik.

H e r s t e H u n g de r P h o s p h a t e x ~ r a k ~ e . Leber un4 Niere wurde ra6gliehst frbch mit Quarzsand verrieben. Der Organbrei wurde 5--10 Minuten tang mit der ffinffachen Gewichtsmenge m[20 Natriumphosphat vom PH 8 extrahiert, zentri- fugiert, und die iiberstehende L6sung zum Vermwh verwandt.

A d s o r p t i o n tier H i s t a m i n a s e . ,Ie 10 ~xqn Phosphatextr~kt warden mit 0,5 g Kaolin 15 Minuten in der Sehiittelmasehine gesehiittelt. Veto Ka.]il~ wurde ,d~zentrifugiert.

V e r s u c h s a n s a t z u n t e r Saue r s to f f aussekhf l .L In grol,~e l~eagensgl~iser mit doppelt durchbohrtem Gummistopfen und Einleitungsrohren wurden fiir den

K o n t r o l l v e r s u c h : 5c.em Phosphatextrakt } 5ecru aqu. dest., fiir den H a u p t v e r s u e b : 5 cem Phospha~extrakt 7- 20--50 mg 1-Histidinmono-

eh]orhydrat in 5 eem aqu. dest. (neut,alisiert)

eingefiillt und l (~m Toluol zugegeben. Die Versuehsi6smlgen wurden dann 10 Minuten lang mit Wasserstoff oder Stiekstoff durehstr6mt and in den grut- sehrank (37 ~ gebraeht.

H i s t a m i n n a c h w e i s . Der Histaminnachweis erfolgte an d e r m i t Pernocton narkotisierten, atropinisierten KMze. 7Die u wurden {ibm' Watte filtriert und intraven6s injiziert. |~;s wurde besonders darauf geaehtet, dab die Filtration sehneI1 erfolgte und die erste intraven6se Injektion sofort nach beendeter Filtration stattfand, so dab ein lgngeres St~ehenbleiben der L6sungen an der Luft vermieden wurde.

Die Abb. ] g ib t eine {}bersicht fiber die e rha l tenen Ergebnisse. Bei allen untersuehten T ie ra r t en ist das h i s t aminb i ldende F e r m e n t in der Leber naehweisbar . Dieser Naehweis gel ingt aueh ohne vorher ige Aus- sehi i t te lung der L e b e r e x t r a k t e mi t Kaol in , so dal~ wir bei den meis ten Versuchen h ie rauf verz ieh te t haben. Die naehweisbaren I - I is taminmengen sind n ieht grol], sie be t ragen nur wenige y. Es is t daher vers tgnd]ieh, dalt sie dureh die in den ge rsuehs l6sungen noeh in wi rksamer F o r m ent- ha l t ene Hi s t aminase le icht und schnell zers tSr t werden , wenn dieser naeh

Areh iv f, exper imen t . Pa th . u. Pha rmako l . Bd. 188. 38

586 P . !-]~OLTZ, R ; H E I S E u n d W . S P ~ Y ] ~ I ~ :

Offnen der Versuehsgl~ser and Filtrieren der LSsungen dureh den jetzt hinzut~etenden Luftsauerstoff die M6gtiehkeit dazu gegeben wird.

Das trifft vor allem fiir Versuehe mit Nierengewebe zu, da ja die Niere bei manchen Tierarten besonders histaminasereieh ist. Es wird erliiutert dutch einen Versueh mit Rinderniere (Abb. 1). Hier tuft die erste Injektion eine deutliche Blutdrucksenkung hervor, die Wirkung der zweiten, nach ungef/ihr 6 Minuten ei folgenden Injektion ist sehon Schw/ieher, und 12 Mi- nuten sp/iter ist eine dritte Injektion vollkommen wirkungslos. Auf die starke Wi:rksamkeit der Nierenhistaminase ist es w~hrseheinlieh zuriick- zufiihren, dal], wenn wit auch bei allen untersuchten Tierarten inmehreren

a b

Abb. 1. H i s t a m i n b i l d u n g d u r c h L e b e r u n d N i e r e v e r s c h i e d e n e r T i e r t t r t e n . Katze. Perno~tonn~rkgse. Bl~tdru~k in de~ ~rt. fern. Phosphatextrakte ~us Le, b~r und Niere (2 g Gewebe auf 50 corn m/40 sec. Natriumphosphat). 20 mg 1-Histidln. Toluol. 10 Min. Wassers/offdureh-

strSmung. 15--18 Std. bei 370. 1 = 1 ccm Extrakt ohne Hist idin, 2 := l ccm Extrakt + IItst idln.

Versuchen mit 1Niere ein positives Resultat erhielten, dieses nicht so regel- miil3ig zu erha]ten war wie in Versuehen mit dem an Histaminase/irmeren Lebergewebe. Das negative Ergebnis mancher Versuche mit Nierengewebe finder seine Erkl~.rung durch das Resultat yon Kontrol~versucher~, in denen dem Nierenextrakt 20 ? Histamin zugesetzt wurden. Hier fanden wir h~ufig, dab trotz m6glichst vollkommenen Sauerstoffausschlusses durch langdauernde Einleitung yon Wasserstoff alles Histamin zerstSrt war. Es gelingt demnach nicht immer, die sehr wirksame und in hoher Kon- zentration vorhandene Histaminase der Niere vollst~ndig auszuschalten.

T y r a m i n b i l d u n g .

Das tyraminbildende 'Ferment hatte sich ebenso wie das histamin- bildendr Ferment, schon in unseren friiheren Untersuchungen in der Niere yon Meerschweinehen und Kaninchen nachweisen lassen, w~hrend u suche mit Nierengewebe anderer Tierarten bisher ergebnislos verlaufen waren. Wir haben schon darauf hingewiesen, dal] die Organe der Tierarten,

Fermentative Bildung und Zerst6rung yon Histamin und Tyramin. 587

bei denen besonders leieht und regelmiil]ig die F/ihigkeit zur Histamin- bildung gezeigt werden konnte, sieh dureh einen besonders niedrigen Gehalt an Gewebshistaminase auszeiehnen und dal] hierin vielleieht die Ursache fiir den leieht zu fiihrenden Naehweis des histaminbildenden Ferments gegeben ist. Das trifft anseheinend nieht zu ffir die Verteilung der Tyra- minase und die Wirksamkeit des tyraminbildenden Ferments. Denn gerade bei den Tierarten, deren Nierengewebe zugesetztes Tyrosin in Tyramin umwandelte, ist die Niere besonders tyraminasereieh (vgl. Tabelle 2, Nr. 6 und 7). Hier seheint ein hoher Gehalt an Tyraminase mit einern hohen Gehalt an tyraminbildendem Ferment vergesellsehaftet zu sein.

Um aueh bei den Tierarten, bei denen eine Tyraminbildung aus Tyrosin

A H b . 2 . T 3 I ' a l l l i H t ) i l l [ l l I l 2 [ l I Id - Z P I " ; t ; J | ' l l II ~Z" It II r a h K a tlJ ~ / c l i o n l l i e r ( ~ .

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bisher nicht nachgewiesen werden konnte, eine Umwandhmg der Amino- sS, ure zu erh~lten, h~ben wit ebenso wie zum Nachweis des histaminbildenden Ferments versueht, die fermentative AminzerstSrung zu verhiHdern. Ent- fernung der Tyraminase durch Adsorption an Kaolin erwies sich ~ls nicht ~nwendbar, dg in Kontrollversnehen mit Meersehweinehen- und Kaninchen- niere durch Sehiitteln der Phosphatextrakte mit Kaolin auch d~s tyramin- b i ldende Ferment zum gral3ten Tei] gebunden wurde. Wit haben uns deshMb damit begnfigt, dureh m6glichst weitgehenden Ausschlul3 yon Sauerstoff die Wirksamkeit der Tyraminase auszusehalten, indem wir die VersuehslSsungen 10 Minuten l~ng mit Wasserstoff durehstrSmten. l)enn auch die Tyraminase ist nut bei Sauerstoffgegenwart wirksa, m, und eine Tyraminbildung 1/igt sieh bei guter Sauerstoffversorgung in Fgllen, in denen sie bei Sauerstoffaussehlu[~ deutlieh wird, nieht naehweisen (Abb. 2). -- Im iibrigen stimmte die Versuchsanordnung mit der im vorher- gehenden Abscbnitt ffir die Versuehe fiber Histaminbildung gngegebenen Methodik fiberein. Wir h~ben Versuehe mit Hiihner-, Schweine- und Rattenniere genmeht.

588 P. ]~OLTZ, l~. }IEISE und W. SPttEYEK:

Wie bei Meerschweinchen und Kaninchen, so gelingt auch beim Huhn trotz des hohen Tyraminasegehaltes der Niere der Nachweis der Tyramin- bildung aus zugesetztem Tyrosin in allen Fallen. Auch mit Schweineniere erhielten wit deutliche Ausschlage (Abb. 3).

Auswertungsversuche ergaben, da$ Kaninchenniere im Vergleich mit Schweineniere mehr als die dreifache Menge Tyramin gebildet hatte. Solche Auswertungen kSnnen bei Versuehen mit Schweineniere im all- gemeinen nicht mit den Phosphatextrakten s e lbst vorgenommen werden, da diese meistens zuviel histamin- oder adenosinahnliche, also blutdruck- senkende Substanzen enthalten. Wit haben die Auswertungen deshalb in Extrakten vorgenommen, die naeh der Enteiweil~ung mit Triehloressig- saure durch Fallung mit Aceton und Silbernitrat weitgehend yon blutdruek- senkenden Stoffen befreit worden waren*.

Der Tyraminasegehalt der Kaninehenniere ist andererseits deutlich hSher als derjenige der Sehweineniere (vgl. Tabelle 2), so dai~, wie schon vermutet, eine gewisse Parallelitat im Gehalt der Niere an tyramin- b i l dendem und tyraminzers tSrendem Ferment tatsi~ehlich zu bestehen scheint. Dafiir wiirde dann auch sprechen, da[~ wir mit Rattenniere, deren Gehalt an Tyraminase k]einer als derjenige aller anderen untersuchten Tierarten ist (Tabelle 2, Nr, 1), bei dem Versueh, die Wirkung des tyramin- bildenden Ferments nachzuweisen, nicht als sicher positiv zu wertende Ergebnisse erhielten.

3. ~ber den Mechani smus der fermentat iven Aminbi ldung und die Bedeutung des Sauerstoffs.

In kiirzlich verSffentlichten Arbeiten 12 haben wir gezeigt, dal~ unter der Einwirkung verschiedener Redoxsubstanzen, wie z. B. Ascorbinsaure und Cystein auf Histidin bei Sauerstoffgegenwart ein Tell der Aminosaure in alas Amin umgewandelt wird. Wit haben angenommen, daft die AminO- saure durch den aktiven Peroxydsauerstoff, der sich bei der Autoxydation der untersuchten Redoxsubstanzen bildet TM, zur Iminosaure dehydriert wird; aus dieser entsteht nach unserer Vorstellung dutch Decarboxylierung das Imin und dieses wird dann durch die noch in der Reduktionsform vorliegenden Anteile der Redoxsubstanzen zum Amin reduziert. Diese Annahme land eine Stiitze in dem Ergebnis yon Modellversuchen, in denen wir durch Palladium aktivierten Sauerstoff und Wasserstoff abweehselnd auf Histidin einwirken liel~en und ebenfalls die Bildung yon Histamin nachweisen konnten 14. -- LieBen wit die Aseorbinsgure sich sehnell oxy-

* ~ber Einzelheiten der angewandten Methodik siehe Holtz, P.: Chemischer Nachweis der fermentatixen Tyraminbfldung dureh Nierengewebe. Z. physiol. Chem. 251, 226 (1938). ':

12 Holtz, P., u. R: Heise: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 186, 269 (1937); 187, 581 (1937). -- 13 Holtz, P., u. G. Triem: Z. physiol. Chem. 2~8, 1 (1937). _ la H oltz, P. : Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 187, 589 (1937).

Fermentative Bildung und ZerstSrung von Histamin und Tyra.min. 589

dieren, indem wir dureh die L6sungen einen krgftigen Sauerstoffstrom leiteten, oder durehstr5mten wir in den Versuelaen mit Pa.lladium die Histidinl6sungen 3--4real liinger mit Sauerstoff als mit Wasserstoff, so entstand kein Histamin. Zur Erkliirung dieser Beobachtung haben wir zwei M6glichkeiten in Erwggung gezogen. Einmal kSnnte aueh bei intensiver 8auerstoffbehandlung Histamin zwar entstehen, sieh dem Naehweis aber dadureh entziehen, dab es, kaum entstanden, wieder zerst6rt wird. Denn Kontrollversuehe hatten ergeben, daG bei der schnell verlaufenden Oxydation der Aseorbinsiiure oder bei DurehstrSmung mit Sauerstoff in Gegenwart yon Palladium Histamin zerst6rt wird. Es zeigte sieh aber, daG der Vorgang der Histaminzerst6rung welt langsamer verlief als der Prozel~ der Histaminbildung; aus diesem Grunde hielten wir es fiir wahr- seheinlieher, daG unsere Versuehsansgtze bei guter Sauerstoffversorgung deshalb biologisch unwirksam blieben, weil unter diesen Bedingungen iiberhaupt kein Histamin gebildet wurde. Wir stellten uns die Wirkung des Sauerstoffs so vor, daft er~ naehdem dureh Dehydrierung der Amino- sgure die Iminosgure und aus dieser das Imin entstanden war, die Re- duktion des letzteren zum Amin verhinderte und einen weiteren oxydativen oder auch hydrolytisehen Abbau ermSgliehte.

Diese Vorste]lungen haben wir dann spgter auf die f e r m e n t a t i v e Aminbildung dutch Leber und Niere iibertragen. Denn auch bier ]ie/.~ sieh bei Sa.uerstoffgegenwart nur wenig oder iiberhaupt kein Am in na(~hweisen. ;[)as ist wahrschein[icb die Ursache dafiir, (la[] cs Z i p f und (~ebaner 1~ nicht, gelingt, eine Histaminbildung durch K~minchenniere nachzuweiscn. Die bisher nur am Beispiel der Itistaminbildung a.us Histidin untersuchten Verh~i,ltnisse treffen auch, wie aus dem Versuch der Abb. 2 her~,orgeht, fiir (tie Umwandlung des Tyrosins in Tyramin zu und erklgren damit, weshMb H e i n s e n 16 (tie Reproduktion unserer Versuchsergebnisse nicht m6glich ist.

Auch bei der f e r m e n t a t ~ i v e n Aminbildung k6nnte die Erkliirung fiir die Wirkungsart des Sauerstoffs in einer unter aeroben Versuchs- bedingungen stattfindenden Aminz e r s t 6 r u n g durch (tie j a nur bei Sauer- stoffgegenwart wirksamen aminzerst6renden fermente , die Histaminase und Tyr,~mina,se, gegeben sein; ,~odann konnge aber auch bier mit einer verminderten A m i n b i l d u n g gereehnet werden, indem jetzt eil~ mehr oder weniger groGer Anteil der Aminos~iure nicht in das Amin iibergefiihrt, sondern oxydativ desaminiert wurde.

Um zu entseheiden, inwieweit diese beiden M6glichkeiten die experi- mentellen B e h n d e erkl~iren konnten, haben wir eine Anzahl yon Versuchen genmcht, die zun~ichst das Ziel hatten, die Wirkung des antinzerst6renden

~5 zipf , K., u. A. Gebauer: Klin. Wsehr. 1937, S. 754; N~mnyn-Sehmiede- bergs Arch. 187, 501 (1937). 16 Heinsen, H. A.: 13ioehem. Z. 294, 120 (1937).

590 1 ~. HO;~TZ, R. HEIS~ und W. SPR~Y~:

Ferments und damit die als erste in Betracht gezogene MSglichkeit aus- zusehlieBen.

LaBt man Nierengewebe yon Kaninchen oder Meerschweinchen anf Histidin in Sauerstoff- bzw. Stickstoffatmosph~re einwirken, so enth~lt der Ansatz in Stickstoff deutlich mehr Histamin als derjenige in Sauerstoff. LaBt man anstatt Nierengewebe P h o s p h a t e x t r a k t aus Niere einwirken, so sind die Untersehied.e zwisehen ae~obem und anaerobem Yersuch bei weitem nicht mehr so groB. Schiittelt man die Phosphatextrakte, ehe man sie auf Histidin einwirken lgBt, mit Kaolin, so ist der Histamingehalt der VersuchslSsungen in Sanerstoff-und Stickstoffatmosphare am Ende des Versuchs gleich. -- Wie wir schon vorher erw~hnten, enth~lt aber der Phosphatextrakt weniger Histaminase als die ihm entsprechende. Gewebsmenge, und dutch Kaolin wird die im Extrakt noch vorhandene Histaminase fast vollkommen entfernt. Die mitgeteilten Versuchs- ergebnisse sprechen deshalb dafiir, dalt die in Versuchen bei Sauerstoff- gegenwart nnd unter SauerstoffaussehluB beobachteten Unterschiede wenigstens zum grB~ten Tell dadurch beding~ sind, dal] in Sauerstoff- atmosphere das aueh hier entstehende Amin wieder zerstBrt wird.

Allerdings l~Bt sich hiergegen einwenden, dab ebenso wie die Histaminase, so vielleicht auch das desaminierende Ferment im Gewebs- e x t r a k t nur wenig wirksam ist und durch Kaolin adsorbiert wird. Tat- st~chlich finder K r e b s s in seinenUntersuchungen iiber die Nierendesaminase, dab Phosphatextrakte aus Niere nut kurze Zeit wirksam sind, so z.B. naeh einer Stunde ~ur noch die H/~lfte ihrer urspriinglichen Wirksamkeit besitzen. Wir haben deshalb noch Versuche angeschlossen, in denen wir in je zwei Vergleichsans~tzen dis gleiche Gewebsmenge in Form von Nierenbrei oder Nierenschnitten einwirken lieflen, das eine Mal in Sauer- stoff-, alas andere Mal in Stickstoffatmosph~re, und dann nach einigen Stunden in allen VersuchslSsungen den Histamingehalt bestimmten. Unter diesenVersuchsbcdingungen wurde durch Nierengewebe bei Saner- stoffgegenwart die gleiche Histaminmenge zerstSrt, die sich beim Vergleieh der in Sauerstoff bzw. Stickstoff gehaltenen Versuchsansgtze mit Histidin als Differenz ergab. Die bei Sauerstoffgegenwart in Erscheinung tretende Wirksamkeit der Histaminase ist deshalb der einzige Grund dafiir, dab sich in Versuchen mit Nierengewebe und I-Iistidin unter aeroben Ver- h~ltnissen weniger Histamin nachweisen laBt als unter anaeroben Be- dingungen. W~re am Zustandekommen der im Sauerstoff- und Stickstoff- re,such beobachteten Unterschiede die Wirkung eines auf die Gegenwart yon Sauerstoff angewiesenen desaminierenden Ferments aueh nur in geringem Umfange beteiligt, so hatten wir in unseren zahlreichen Aus- wertungsversuchen Anhaltspunkte hierfiir gewinnen miissen. Da das nicht der Fall war, halten wit es ftir sehr wahrscheinlich, da[t es in Leber und Niere iiberhaupt kein Ferment gibt, welches Histidin oxydativ des- aminiert.

Fermentative Bildung und Zerst6rung yon Histamin und Tyramin. 591

Diese Annahme finder eine Stfitze in Untersuehungen yon F e l i x , Z o r n und D i r r - K a l t e n b a e h iv. Sehon K r e b s war bei seinen Unter- suehungen fiber den Abbau der Aminosiiuren dutch Nierengewebe auf- gefallen, dal3 gerade die eyclisehen Aminosiiuren, besonders ihre natiirlieh vorkommenden optisehen Isomeren, durch die Nierendesaminase weniger s tark angegriffen wurden als d i e meisten aliphatisehen Aminosiiuren. Die Arbeit yon F e l i x und Mitarbeitern zeigt nun ffir das Tyrosin, dab das natfirliche l-Tyrosin dureh Nierengewebe fiberhaupt nicht desaIniniert, sondern lediglich dureh eine in der Niere enthaltene Dehydrase u : t e r Ver- braueh yon einem Sauerstoffatom pro Molekfil dehydriert wird. Dem- entsprechend liil3t sieh hier aueh nicht das charakteristisehe Produkt de r oxydativen Desaminierung, die entspreehende Ket0sgure, nachweisen, wiihrend diese aus dem nicht natfirliehen d-Tyrosin in den Versuehen yon F eli x unter Abspaltung von Ammoniak entsteht. Dasselbe wurde -- ebenfalls fiir Tyrosin -- yon B e r n h e i m 18 in Versuehen mit Lebergewebe gefunden.

Wenn iihnliche gerhiiltnisse auch fiir den Abbau des Histidins zutreffen, was wit auf Grund unserer Versuehsergebnisse ffir wahrscheinlieh halten, so wfirde sieh ergeben, dal3 die natiirlich vorkommenden Formen dieser eyelisehen Aminosiiuren in Leber und Niere iiberhaupt nieht oxydativ desaminiert, sondern zuniichst nur dehydriert weiden. In diesem Zu- sammenhang ist yon Bedeutung, daB, wie in einer frfiheren Arbeit 19 sehon kurz erwghnt und auch von Wer l e a geflmden wurde, nur aus tier natiir- lichen 1-Form des Histidins Histamin gebildet wird. Es ist dann aueh verstgndlieh, dag, wenn es fiir 1-Histidin und 1-Tyrosin keine oxydativ wirkende Oewebsdesaminase gibt, die Bedeutung des Sauerstoffs fiir die Aminausbeute bei der Umwandhmg dieser AminosSuren nieht auf tier Seite der A m i n b i l d u n g , sondern nut auf der Seite der Anfin- z e r s t S r u n g liegt.

Ffir den Abbau der a l i p h a t i s e h e n Aminos~uren hingegen, bei denen aueh die natiir]ieh vorkommenden Formen in grSl3erem Umfang oxydativ desaminiert und in (lib Ketosguren iibergefiihrt werden, wird der Sauerstoff fiir die Aminausbeute vermutlieh aueh im Sinne einer Verminderung der A m i n b i l d u n g yon Bedeutung sein kSnnen. Wiihrend bei der Amin- bildung aus aliphatisehen Aminos:~uren der f~ir die Aminbildung dureh AseorbinsSmre oder aktiven Sauerstoff und Wasserstoff wahrseheinlieh geltende Reaktionsmeehanismus: Aminosgure ~, Iminos~iure --~ hnin -~ Amin ebenfalls zutreffen kSnnte, wird das jetzt ffir die fermentative Histamin- und Tyraminbildung zweifelhaft. [)enn wenn die Dehydrierung, der ja aueh die natiirlieh vorkommenden eyclisehen Aminosguren unter- liegen, an derselben 8telle im l~lolekiil erfolgt, an der sie zur Umwandlung der Aminosgure in (lie hninosgure erfolgen muff, sollte man annehmen,

11 Felix, IK., K. Zorn u. t[. D i r r - K M t e n b a c h : Z. physiol. Chem. 247, 141 (1937). 18 Bernheim, F.: J. of biol. Chem. 111, '_)17 (1935). --- lu Hol tz , P.: Klin. Wsehr. 16, 1561 (1937).

592 P. HOLTZ, R. HEISE u. W. SPREYER: ZerstSrung von Histamin u. Tyra.min.

dal~ das dann ja auch fiber die Iminos~ure entstehende Imin bei intensiver Sauerstoffversorgung wenigstens zum Tell am reduktiven Ubergang ins Amin verhindert wfirde, und die Differenz der Aminausbeute im Sauerstoff- und Stiekstoffversuch gr6[~er ware, als mit der zerstSrenden Wirkung der Histaminase und Tyraminase erkl~irbar ist. Da das nieht zutrifft, darf vielleicht wenigstens auf die MSgliehkeit hingewiesen werden, dal~ das aminbildende 1-Histidin und ]-Tyrosin im Gegensatz zu ihren optischen Isomeren nicht unter ~bergang in die Iminos~ure am ~-Kohlenstoffatom und am Stickstoffatom dehydriert werden, sondern vielleieht, wie Fel ix yon anderen Gesichtspunkten aus erSrtert, am ~- und fi-Kohlenstoff- atom unter Umwandlung in eine ~, fi-unges~ttigte Aminosaure. Eine Diskussion der sich dann ergebenden MSglichkeiten erseheint aber ver- frfiht, solange nieht die vermuteten Zwischenprodukte gesichert sind.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

]. Leber und Niere versehiedener Tierarten werden auf ihren Gehalt sn Histaminase und Tyraminase untersucht.

2. Bei den meisten Tierarten ist der Histaminasegehalt der Niere grS~er als derjenige der Leber. Nut bei Meerschweinchen und Huhn ist die Leber histaminasereicher als die Niere. DieWirksamkeit derHistaminase kann weitgehend ausgeschaltet werden, indem man die Versuche unter anaeroben Bedingungen ansetzt. Dann l ~ t sich aueh bei den Tierarten, deren Leber und Niere viel Histaminase enthalten, die Wirksamkeit des histaminbildenden Ferments naehweisen. Dieses kommt sowohl in der Niere als aueh in der Leber vor.

3. Der Tyraminasegehalt der Leber ist bei dell meisten TiQrarten hSher als derjenige der Niere. Nur beim Huhn finder sieh das Umgekehrte. Das tyraminbildende Ferment ist nur in der Niere enthalten. Zum Nachweis seiner Wirkung mul~ man diejenige der Tyraminase aussehalten, was dutch Ausschlul~ yon Sauerstoff mSglich ist.

4. Der Mechanismus der fermentativen Aminbildung und die Be- deutung des Sauerstoffs ffir die Aminausbeute wird erSrtert. -- Diese ist bei Gegenwart yon Sauerstoff geringer als bei Sauerstoffausschlul~. Die Ursaehe hierfiir ist nicht in einer verminderten Aminbildung, sondern in einer erhShten Aminzers tSrung durch die bei Anwesenheit yon Sauer- stoff wirksam werdende Histaminase und Tyraminase gegeben. Die frfiher yon uns mit in Erw~gung gezogene verminderte Aminbildung durch die bei guter Sauerstoffversorgung in Erseheinung tretende Wirksamkeit eines desaminierenden Ferments trifft nicht zu, da es eine Desaminase ffir das natfirlich vorkommende 1-Histidin und 1-Tyrosin in Leber und Niere wahrscheinlich nicht gibt.