25
Schriftliche Prüfung im Grundwissen Finanzmathematik und Risikobewertung gemäß Prüfungsordnung 4 der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. Musterklausur Hinweise: Als Hilfsmittel ist ein Taschenrechner zugelassen. Die Gesamtpunktzahl beträgt 180 Punkte. Die Klausur ist bestanden, wenn mindestens 90 Punkte erreicht werden. Alle Antworten sind zu begründen und bei Rechenaufgaben muss der Lösungs- weg ersichtlich sein.

Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Schriftliche Prüfung im Grundwissen

Finanzmathematik und Risikobewertung

gemäß Prüfungsordnung 4der Deutschen Aktuarvereinigung e. V.

Musterklausur

Hinweise:

• Als Hilfsmittel ist ein Taschenrechner zugelassen.

• Die Gesamtpunktzahl beträgt 180 Punkte. Die Klausur ist bestanden, wennmindestens 90 Punkte erreicht werden.

• Alle Antworten sind zu begründen und bei Rechenaufgaben muss der Lösungs-weg ersichtlich sein.

Page 2: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 1. [Zahlungsströme, Versicherungs- u. Finanzmarktprodukte] [15 Punkte]

(a) [4 Punkte] Definieren Sie den Begriff „Zahlungsstrom“ und interpretieren SieZahlungsströme als stochastische Prozesse.

(b) [5 Punkte] Beschreiben Sie die Bedeutung von Immobilienmärkten und nennenSie wesentliche Formen der Immobilienanlage. Beschreiben Sie den Zahlungs-strom, der aus einer Direktanlage in eine Immobilie (Fremdnutzung) resultiert.

(c) [6 Punkte] Betrachten Sie die Ausübungspreise K1 < K2 < K3 mit

K2 = (K1 + K3)/2.

Auf ein (dividendenfreies) Basisobjekt mit Kursentwicklung St; 0 ≤ t ≤ Twerden jeweils eine Europäische Call-Option mit Ausübungspreis K1 und K3gekauft sowie zwei Europäische Call-Optionen mit Ausübungspreis K2 mit Lauf-zeit T verkauft. Die resultierende Kombinationsposition wird als (symmetri-scher) Butterfly-Call-Spread bezeichnet.

Wie lautet das Rückzahlungsprofil (d. h. die Position ohne Berücksichtigung derbei Positionseingang entrichteten Optionsprämien) des Butterfly-Call-Spread ?Stellen Sie dieses Rückzahlungsprofil analytisch und grafisch dar.

Lösungsskizze:

(a) Ein Zahlungsstrom Z = (Zt)t∈T ist eine Folge von (reellwertigen) Zahlungenzu bestimmten Zeitpunkten T, wobei es sich um Ein- oder Auszahlungen bzw.einen Saldo aus Ein- und Auszahlungen handeln kann. Die Notation Zt bedeu-tet dabei, dass eine Zahlung der Höhe Zt zum Zeitpunkt t erfolgt.

Aus heutiger Sicht ist häufig unbekannt, in welcher Höhe die Zahlung Zt erfol-gen wird. Daher wird diese als Zufallsvariable modelliert; der Zahlungsstrombildet entsprechend einen stochastischen Prozess.

(b) Bedeutung:

Immobilienanlagen sind für private und institutionelle Anleger wie Investment-fonds und Versicherungen traditionell bedeutende Anlageinstrumente. Als Be-standteil der Asset-Allokation sind Immobilienanlagen populär, insbesondereda für Immobilien eine hohe reale Wertbeständigkeit sowie eine geringe Kor-relation der Wertentwicklung zu anderen Anlageklassen - und damit Diversifi-kationspotential in der Asset-Allokation - unterstellt wird.

Formen der Immobilienanlage:

Neben einer Direktanlage in Immobilien (Wohnimmobilien, Gewerbeimmobili-en) können ebenso indirekte Immobilienanlagen getätigt werden. Analog zum

Seite 2 von 25

Page 3: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aktienfall besteht die Möglichkeit, in Immobilienfonds (offene Immobilienfonds,geschlossene Immobilienfonds) sowie in Indizes, die auf Immobilien beruhen,zu investieren. Daneben kann man in Immobilienaktiengesellschaften inves-tieren.

Zahlungsstrom:

Ein direktes Immobilienengagement zur Fremdnutzung beginnt mit dem Er-werb einer Immobilie zu einem Zeitpunkt t0 zu einem (bekannten) Preis S0 =s0 (Kaufpreis). Es folgen Mietzahlungen der Höhe Dt zu den Zeitpunkten t( = 1, . . . , n, t0 < t1 < . . . , tn < T) und gegebenenfalls der Verkauf der Immo-bilie zu einem Zeitpunkt T zum Preis ST (Verkaufskurs). Formal entspricht diesaus Sicht des Investors dem Zahlungsstrom Z = (Zt)t∈t0,t1,...,tn,T mit

• Zt0 = −s0,

• Zt = Dt , = 1, . . . , n,

• ZT = ST .

(c) Es bezeichne BCST das Rückzahlungsprofil des Butterfly-Call-Spread zum Zeit-punkt T. Es gilt zunächst

BCST = (ST − K1)+ + (ST − K3)+ − 2(ST − K2)+.

Durch eine Fallunterscheidung ergibt sich mit K2 = (K1 + K3)/2.

BCST =

0 für ST ≥ K3,2K2 − K1 − ST für K2 ≤ ST < K3

ST − K1 für K1 ≤ ST < K20 für ST < K1

Grafische Darstellung:

!

Seite 3 von 25

Page 4: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 2. [Individualbewertung] [13 Punkte]

(a) [2 Punkte] Anfangs- bzw. Endvermögen eines Investors sind gegeben durch 0bzw. V1. Die zugehörige Logrendite R ist gegeben durch R = ln(V1/0). DerInvestor bewertet das Endvermögen durch den Erwartungsnutzen E[(V1)]auf der Basis seiner persönlichen Risikonutzenfunktion .

Bestimmen Sie die hierzu äquivalente Nutzenfunktion , sodass E[(R)] zueiner identischen Bewertung führt.

(b) [5 Punkte] Betrachten Sie das folgende Spiel (St. Petersburg-Paradox): Einefaire Münze wird in stochastisch unabhängigen Wiederholungen geworfen, biszum ersten Mal „Kopf“ erscheint. Fällt „Kopf“ im n-ten Versuch, so erhält derSpieler die Auszahlung 2n−1.

Zeigen Sie, dass der erwartete Gewinn des Spielers („faire Prämie“) unendlichist. Berechnen Sie für den erwarteten Gewinn des Spielers das Sicherheitsä-quivalent für die Nutzenfunktion () =

p. Was fällt Ihnen auf ?

Hinweis: Die Wahrscheinlichkeit, dass „Kopf“ zum ersten Mal im n-ten Versuchfällt, beträgt 2−n.

(c) [6 Punkte] Gegeben sei ein Portfolio von unabhängigen, identisch verteiltenVersicherungsrisiken R1, . . . , Rn, n ∈ N, mit 0 < μ := E[R1] < ∞,0 < σ :=σ(R1) <∞, das in der Periode den zufälligen Gesamtschaden Sn erzeugt.

(i) [3 Punkte] Als Prämie pro Risiko wird der Erwartungswert μ angesetzt.Zeigen Sie, dass

limn↑∞

P[Sn − nμ > 0] = 12 ,

d. h. selbst in einem großen Portfolio ist die Wahrscheinlichkeit eines Ver-lustes bei 50%.

Hinweis: Verwenden Sie den Zentralen Grenzwertsatz.

(ii) [3 Punkte] Aus der Individualbewertung resultiert für VersicherungsrisikenX ein Prämienprinzip der Form π[X] = E[X]+Vr(X) für > 0. In diesemSinn wird als Prämie für die Einzelrisiken π = μ + σ2 angesetzt. ZeigenSie, dass

limn↑∞

P[Sn − nπ > 0] = 0,

d. h. bei Vereinnahmung eines positiven Sicherheitszuschlags konvergiertdie Verlustwahrscheinlichkeit mit steigender Bestandsgröße gegen 0.

Hinweis: Nutzen Sie P[|X − E[X]| ≥ c] ≤ Vr(X)/c2 für c > 0.

Seite 4 von 25

Page 5: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Lösungsskizze:

(a) Aus R = ln(V1/0) folgt V1 = 0eR und damit E[(V1)] = E[(0eR)]. Die Nut-zenfunktion () = (0e) führt somit zu einer identischen Bewertung.

(b) Der zufällige Gewinn des Spielers ist gegeben durch

G =∞∑

n=1

2n−11¦„Kopf“ fällt zum ersten Mal im n-ten Versuch©.

Damit gilt nach Hinweis

E[G] =∞∑

n=1

2n−1P[„Kopf“ fällt zum ersten Mal im n-ten Versuch]

=∞∑

n=1

2n−12−n =∞∑

n=1

12 =∞

sowie

E[(G)] =∞∑

n=1

p

2n−12−n = 1p2

∞∑

n=1

1p2

n= 1p

2

11−1/

p2− 1

= (2−p

2)−1.

Das Sicherheitsäquivalent s(G), definiert durch die Bedingung (s(G)) = E[(G)],ist somit gegeben durch

s(G) = (2−p

2)−2 ≈ 2,91.

Niemand ist bereit den „fairen“ Preis E[G] = ∞ als Einsatz zu bezahlen. DerPreis aus Sicht des Spielers ist das Sicherheitsäquivalent.

(c) (i) Nach dem Zentralen Grenzwertsatz konvergieren die normierten Zufalls-variablen (Sn − nμ)/(

pnσ) für n ↑ ∞ in Verteilung gegen ein X, das einer

Standardnormalverteilung folgt. Entsprechend gilt

limn↑∞

P[Sn − nμ > 0] = limn↑∞

Ph

Sn−nμpnσ

> 0i

= P[X > 0] = 12 .

(ii) Es gilt wegen E[Sn] = nμ und Vr(Sn) = nσ2

P[Sn − nπ > 0] = P[Sn − E[Sn] > nσ2] ≤ P[|Sn − E[Sn]| ≥ nσ2]

≤Vr(Sn)

(nσ2)2=

1

n2σ2.

Dies impliziert die Konvergenz der Verlustwahrscheinlichkeit gegen 0.

Seite 5 von 25

Page 6: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 3. [Grundprinzipien der Finanzmathematik, Einperiodenmodelle] [25 Punk-

te]

(a) [8 Punkte] Ein Investor erwerbe ein strukturiertes Produkt auf den DAX mit denfolgenden Modalitäten. Die Mindestrückzahlung betrage 105% bezogen aufeinen Betrag von 18.900 e. Im Falle einer positiven DAX-Entwicklung betrage- wenn die Mindestrückzahlung hierdurch überschritten wird - die Rückzahlung18.900 e zuzüglich einer Partizipation in Höhe von 60% der einjährigen DAX-Rendite bezogen auf einen investierten Betrag von 18.900 e.

(i) [3 Punkte] Bestimmen Sie das Rückzahlungsprofil des Produkts zum Zeit-punkt t = 1.

(ii) [5 Punkte] Gegeben sei nun ein einperiodiges Binomialmodell für die DAX-Entwicklung. Der Startwert des DAX betrage DAX0 = 6.300 e. Am Endeder Periode ist der DAX entweder um 40% gestiegen oder um 25% gefal-len. Der risikolose Zins betrage 5%. Bestimmen Sie den fairen (arbitrage-freien) Preis des strukturierten Produkts durch direkte Replikation des Rück-zahlungsprofils.

(b) [17 Punkte] Betrachten Sie die folgenden einperiodigen State-Space-Finanz-marktmodelle mit Anfangspreisvektor S0 und Auszahlungsmatrix S1:

(1) Ω = ω1, ω2, F = P(Ω), P[ω] > 0, ∈ 1,2,

S0 =

15

, S1 =

109

609

109

409

(2) Ω = ω1, ω2, ω3, F = P(Ω), P[ω] > 0, ∈ 1,2,3,

S0 =

15

, S1 =

109

609

109

409

109

309

(3) Ω = ω1, ω2, ω3, F = P(Ω), P[ω] > 0, ∈ 1,2,3,

S0 =

1510

, S1 =

109

609

1209

109

609

809

109

409

809

(i) [10 Punkte] Welche dieser Modelle sind arbitrage-frei ? Geben Sie für diearbitrage-freien Modelle alle preiserzeugenden Vektoren sowie die korre-spondierenden äquivalenten risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaße an.

(ii) [2 Punkte] Untersuchen Sie die Modelle (1) und (2) hinsichtlich der Voll-ständigkeit. Begründen Sie Ihre Aussagen!

Seite 6 von 25

Page 7: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

(iii) [5 Punkte] Berechnen Sie für Modell (2) das Intervall der arbitrage-freienPreise für die bedingte Auszahlung C zu t = 1, definiert durch

C(ω1) = 75, C(ω2) = 50, C(ω3) = 25.

Welche Bedeutung besitzt die rechte Intervallgrenze ?

Lösungsskizze:

(a) (i) Das Rückzahlungsprofil L1 des Produkts zu t = 1 ist gegeben durch

L1 =mx18.900 · 1,05,18.900+ 18.900 · 0,6 · RDAX,

wobei

RDAX :=DAX1 −DAX0

DAX0die Einperiodenrendite des DAX bezeichnet.

(ii) Die DAX-Entwicklung ist gegeben durch:

*

HHHHj

DAX0 = 6.300

DAX1 = 8.820 (+40%)

DAX1 = 4.725 (−25%)

Wenn der DAX fällt, so beträgt die Rückzahlung 18.900 · 1,05 = 19.845.Wenn der DAX steigt, beträgt die Rückzahlung 18.900+18.900·0,6·0,4 =23.436. Damit gilt

*

HHHHj

L0

L1 = 23.436

L1 = 19.845

Replikation in t = 1:

8.820+ 1,05y = 23.436 (1)

4.725+ 1,05y = 19.845 (2)

Aus (1)-(2) folgt 4.095 = 3.591 und damit = 0,87692. Durch Einsetzenin (1) ergibt sich damit

y = [23.436− 8.820(0,87692)](1,05)− 1 = 14.953,87.

Wert des Replikationsportfolios in t = 0:

6.300+ y = 6.300(0,87692) + 14.953,87 = 20.478,47.

Der Wert des Replikationsportfolios ist zugleich der gesuchte faire Preisdes strukturierten Produkts.

Seite 7 von 25

Page 8: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

(b) (i) Ein State-Space-Markt mit K Szenarien ist arbitrage-frei genau dann, wennein Vektor ψ ∈ RK

>0 = (0,∞)K (preiserzeugender Vektor) existiert mit

S0 = ST1ψ. (3)

Marktmodell (1):

Das Gleichungssystem (3) besitzt genau eine Lösung ψ1 = ψ2 =920 >

0. Somit existiert ein preiserzeugender Vektor und damit ist das Modellarbitrage-frei. Produkt 1 ist eine sichere Anlage mit Einperiodenrenditer = 1/9. Damit ist Q mit

q := Q[ω] = (1+ r)ψ =12 , = 1,2,

das eindeutig bestimmte äquivalente risikoneutrale Maß.

Marktmodell (2):

Lösen des linearen Gleichungssystems (3) liefert zunächst

ψ2 = −3ψ1 + 95 , ψ3 = 2ψ1 − 9

10 .

Hierbei gilt ψ2 > 0, ψ3 > 0 genau dann, wenn ψ1 ∈ 920 ,

35

. Damit ist dieMenge der preiserzeugenden Vektoren gegeben durch

¦

ψ ∈ R3 : ψ1 ∈ 920 ,

35

, ψ2 = −3ψ1 + 95 , ψ3 = 2ψ1 −

910

©

,

d. h. das Marktmodell ist arbitrage-frei.

Multiplikation der preiserzeugenden Vektoren mit (1+ r) = 10/9 führt aufdie Menge der risikoneutralen Maße (q := Q[ω], = 1,2,3)

Q =¦

Q : q1 =109 ψ1, q2 =

109 (−3ψ1 +

95 ), q3 =

109 (2ψ1 −

910 ), ψ1 ∈

920 ,

35

©

Qα : q1 = α, q2 = −3α + 2, q3 = 2α − 1, α ∈12 ,

23

©

.

Marktmodell (3):

Das Gleichungssystem (3) besitzt die eindeutige Lösung ψ1 = ψ3 =920 ,

ψ2 = 0. Wegen ψ2 = 0 ist jedoch ψ = (9/20,0,9/20)T kein preiserzeu-gender Vektor, d. h. das Modell ist nicht arbitrage-frei. Es existiert keinäquivalentes risikoneutrales Maß.

Bemerkung: Die Existenz von Arbitrage ist evident, da Asset 3 bei dop-pelten Startpreis von Asset 2 und doppelten Auszahlungen in ω1, ω3 inSzenario ω2 nicht auch die doppelte Auszahlung liefert.

Seite 8 von 25

Page 9: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

(ii) Ein arbitrage-freies Finanzmarktmodell ist vollständig, wenn genau einpreiserzeugender Vektor bzw. äquivalent genau ein äquivalentes risiko-neutrales Wahrscheinlichkeitsmaß existiert. Damit ist mit den Erkenntnis-sen aus Teil (i) das Marktmodell (1) vollständig, während das Marktmodell(2) unvollständig ist.

(iii) Für die Menge der arbitrage-freien Preise gilt

infQ∈Q

EQ 11+rC

, spQ∈Q

EQ 11+rC

.

Wegen

EQα

11+rC

= 910 (75α + 50(−3α + 2) + 25(2α − 1)) = −22,5α + 67,5

und α ∈12 ,

23

ergibt sich konkret das Intervall

(52,5; 56,25).

Die rechte Intervallgrenze ist der Superhedging-Preis.

Seite 9 von 25

Page 10: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 4. [Zinsen, Zinsprodukte, Sensitivitäten (Duration, Konvexität)] [30 Punk-

te]

(a) [7 Punkte] Ein anfänglicher Kreditbetrag der Höhe S0 soll mit gleichhohennachschüssigen Zahlungen A (Annuität) in n Jahren inklusive aufgelaufenerZinsen getilgt werden. Der als fristigkeitsunabhängig angenommene Kredit-zins beträgt r. Ferner sei q := 1+ r.

(i) [3 Punkte] Weisen Sie nach, dass die Annuität A gegeben ist durch

A = S0qn(q− 1)qn − 1

.

(ii) [4 Punkte] Weisen Sie nach, dass für t = 1, . . . , n die Restschuld RSt amEnde der jeweiligen Periode gegeben ist durch

RSt = S0qn − qt

qn − 1.

Hinweis: Gehen Sie von dem Ansatzpunkt aus, dass in einem vollkomme-nen Kapitalmarkt sich die Restschuld zum Zeitpunkt t als Differenz deraufgezinsten Schuld bis t und der aufgezinsten Annuitätenzahlungen derTeilaufgabe (i) bis zum Zeitpunkt t ergeben muss.

(b) [9 Punkte] Gegeben seien zwei Standardbonds A und B mit korrespondieren-den Kursen PA und PB in t = 0, Nennwerten NA und NB, Nominalzinsen A undB sowie Restlaufzeiten TA = 2 und TB = 3. Gehen Sie ferner davon aus, dassdie einjährige Spot Rate rz0(1) zu t = 0 bereits bekannt ist.

(i) [2 Punkte] Wie lauten die Zahlungsströme der Bonds A und B ?

(ii) [5 Punkte] Bestimmen Sie in t = 0 die zugehörige Diskontstruktur (Kur-se der Einheitszerobonds) P(0,1), P(0,2), P(0,3) sowie die (restliche)Zinsstruktur (Spot Rates) rz0(2), r

z0(3) bei zusammengesetzter Verzin-

sung.

(iii) [2 Punkte] Geben Sie mithilfe der Kurse der Einheitszerobonds eine Be-rechnungsformel für die in t = 0 gültige Forward Rate für eine Anlage vont = 2 bis t = 3 bei stetiger Verzinsung an.

(c) [14 Punkte] Betrachten Sie eine Stufenzinsanleihe, die im ersten Jahr einenKupon von 1%, im zweiten Jahr einen Kupon von 2%, im dritten Jahr einenKupon von 3% und im vierten Jahr einen Kupon von 4% aufweist. Die Kuponssind jeweils am Jahresende fällig. Der Nennwert ist 100 e und die Laufzeitbeträgt 4 Jahre. Das aktuelle Marktzinsniveau ist flach und liegt bei 3% p.a.

(i) [3 Punkte] Berechnen Sie den heutigen Marktpreis der Anleihe.

Seite 10 von 25

Page 11: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

(ii) [5 Punkte] Schätzen Sie die prozentuale Preisveränderung der Anleihe un-ter Verwendung des Durationskonzeptes ab. Nehmen Sie an, dass sich dasMarktzinsniveau um einen Prozentpunkt reduziert.

(iii) [6 Punkte] Verwenden Sie nunmehr die Duration und Konvexität zur Schät-zung der Preisveränderung. Wie groß ist die prozentuale Preisverände-rung, wenn sich das Marktzinsniveau um einen Prozentpunkt reduziert ?

Lösungsskizze:

(a) (i) Der Barwert der nachschüssigen Rückzahlungen berechnet sich als

n∑

=1

Aq− = Aq−nn−1∑

=0

q = Aqn − 1

qn(q− 1).

Wegen

S0 = Aqn − 1

qn(q− 1)folgt hieraus

A = S0qn(q− 1)qn − 1

.

(ii) Nach Hinweis und mit (i) gilt

RSt = S0qt − A(qt−1 + . . .+ q+ 1) = S0qt − Aqt−1

q−1

= S0qt − S0 q

n(q−1)qn−1

qt−1q−1 = S0

h

qt − qn(qt−1)qn−1

i

= S0qt(qn−1)−qn(qt−1)

qn−1 = S0qn−qtqn−1 .

(b) (i) Der Zahlungsstrom von Bond A lautet −PA, NA · A, NA · A +NA, der Zah-lungsstrom von Bond B lautet −PB, NB · B, NB · B, NB · B +NB.

(ii) Der Kurs P(0,1) eines Einheitszerobonds mit einer Laufzeit von einem Jahrbei bekannter Spot Rate ist gegeben durch

P(0,1) = (1+ rz0(1))−1. (4)

Ferner gilt

PA = NA · A · P(0,1) + (NA · A +NA) · P(0,2), (5)

PB = NB · B · P(0,1) + (NB · B) · P(0,2) + (NB · B +NB) · P(0,3). (6)

Da P(0,1) gemäß (4) bekannt ist, folgt aus (5)

P(0,2) =PA −NA · A · P(0,1)

NA · A +NA=PA −NA · A · P(0,1)

NA · (1+ A)

Seite 11 von 25

Page 12: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

und damit aus (6)

P(0,3) =PB −NB · B · (P(0,1) + P(0,2))

NB · B +NB=PB −NB · B · (P(0,1) + P(0,2))

NB · (1+ B).

Dies liefert für die restlichen Spot Rates

rz0(2) = (P(0,2))−1/2 − 1 sowie rz0(3) = (P(0,3))

−1/3 − 1.

(iii) Die gesuchte Forward Rate ist gegeben durch

ƒ s0(2,3) = −(logP(0,3)− logP(0,2)).

(c) Es sei P(r) der Marktpreis der Stufenzinsanleihe zu t = 0 bezogen auf denflachen Zins r. Dann gilt:

P(r) = (1+ r)−1 + 2(1+ r)−2 + 3(1+ r)−3 + 104(1+ r)−4,

P′(r) = −(1+ r)−2 − 4(1+ r)−3 − 9(1+ r)−4 − 416(1+ r)−5,

P′′(r) = 2(1+ r)−3 + 12(1+ r)−4 + 36(1+ r)−5 + 2080(1+ r)−6.

(i) P(0,03) = 98

(ii) Für die modifizerte Duration gilt

DURM(0,03) = −P′(0,03)/P(0,03) = 371,445/98 = 3,79

und entsprechend

ΔP/P ≈ −DURM(0,03)(−0,01) = 0,0379.

Die approximative Wertsteigerung beträgt 3,79%.

(iii) Die (relative) Konvexität ist gegeben durch

CONV(0,03) = P′′(0,03)/P(0,03) = 1785,568/98 = 18,22.

Dies liefert unter Berücksichtigung der Konvexität

ΔP/P ≈ −DURM(0,03)(−0,01) + 12 CONV(0,03)(−0,01)

2 = 0,0388,

d. h. eine approximative Wertsteigerung in Höhe von 3,88%.

Seite 12 von 25

Page 13: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 5. [Bewertung von Aktienderivaten im Binomialmodell] [25 Punkte]

Betrachten Sie das zweiperiodige Binomialmodell, in dem für die Aktie ein Startpreisvon 4 e sowie pro Periode eine prozentuale Aufwärtsbewegung von 100% und eineprozentuale Abwärtsbewegung von 50% unterstellt wird. Der einperiodige Zinssatzfür die sichere Kapitalanlage bzw. -aufnahme betrage bei flacher Zinsstruktur r =10%.

Eine Lookback-Option auf die Aktie mit Preisprozess (St)t=0,1,2 liefert zum Zeitpunktt = 2 die zufällige Auszahlung

C2 := mx0≤n≤2

Sn − S2.

(a) [5 Punkte] Überprüfen Sie anhand von „Down“-Faktor d, „Up“-Faktor undZins r, dass das so spezifizierte Binomialmodell arbitrage-frei ist. Geben Sie -sofern existent - das äquivalente Martingalmaß explizit an.

(b) [2 Punkte] Geben Sie für alle Szenarien ω ∈ Ω = (y1, y2) : y ∈ d, dieAuszahlung C2(ω) der Lookback-Option an.

(c) [8 Punkte] Berechnen Sie durch risikoneutrale Bewertung die arbitrage-freienPreise dieser Option zu den Zeitpunkten t = 0,1 in den einzelnen Knoten.

(d) [10 Punkte] Berechnen Sie eine Replikationsstrategie, beginnend in t = 0, fürdie Lookback-Option.

Lösungsskizze:

(a) „Down“-Faktor d = 0,5, „Up“-Faktor = 2 und Zins r = 0,1 erfüllen die Be-dingung d < 1 + r < . Dies sichert die Existenz (genau) eines risikoneutralenMaßes Q und damit insbesondere die Arbitragefreiheit des vorliegenden Bino-mialmodells.

Die einperiodigen Übergangswahrscheinlichkeiten unter Q sind gegeben durch

q =1+ r − d− d

= 0,4

für eine Aufwärtsbewegung sowie durch 1−q = 0,6 für eine Abwärtsbewegungder Aktie. Damit gilt

Q[ω] = (1− q)2−N(ω)qN(ω),

wobei N(ω) für ω ∈ Ω = (y1, y2) : y ∈ d, die Anzahl der Aufwärtsbewe-gungen bezeichnet.

Bemerkung: Die Formel für q ergibt sich aus der Bedingung

S0 = EQ 11+rS1

= 11+r (S0q+ dS0(1− q)).

Eine explizite Herleitung ist nicht erforderlich.

Seite 13 von 25

Page 14: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

(b) Der Kursverlauf der Aktie ist gegeben durch

*

HHHHHHj

S0 = 4

S1 = S0 = 8

S1 = dS0 = 2

*

HHHHHHj

*

HHHHHHj

S2 = 2S0 = 16

S2 = dS0 = 4

S2 = d2S0 = 1

Hieraus ist die Auszahlung der Lookback-Option ablesbar:

C2(ω) =

0 für ω = (, ),4 für ω = (, d),0 für ω = (d, ),3 für ω = (d, d).

(c) Es sei Vt der arbitrage-freie Preis der Lookback-Option zum Zeitpunkt t, t =0,1,2. Dann gilt V2 = C2, und man berechnet rekursiv

V1((, ·)) = EQ 11+rV2|F1

(, ·) = 11+r [V2((, ))q+ V2((, d))(1− q)]

= 11+0,14 · 0,6 =

2411 ,

V1((d, ·)) = EQ 11+rV2|F1

(d, ·) = 11+r [V2((d, ))q+ V2((d, d))(1− q)]

= 11+0,13 · 0,6 =

1811

sowie

V0 = EQ 11+rV1

= 11+r [V1((, ·))q+ V1((d, ·))(1− q)]

= 11+0,1

2411 · 0,4+

1811 · 0,6

= 204121 .

(d) Die in (iii) berechneten arbitrage-freien Preise entsprechen im vollständigenBinomialmodell den Kosten der perfekten Replikation in den jeweiligen Kno-ten. Die Berechnung der Stückzahlen in der Aktie und y im Sparbuch mitWertentwicklung (1; 1 + r; (1 + r)2) = (1; 1,1; 1,21) erfolgt in jedem Knotendurch Lösen eines linearen Gleichungssystems.

t = 1, ω = (, ·):

16 + 1,21y = 0

4 + 1,21y = 4

Damit gilt = −1/3, y = 1600/363.

Seite 14 von 25

Page 15: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

t = 1, ω = (d, ·):

4 + 1,21y = 0

1 + 1,21y = 3

Damit gilt = −1, y = 400/121.

t = 0:

8 + 1,1y = 2411

2 + 1,1y = 1811

Damit gilt = 1/11, y = 160/121.

Seite 15 von 25

Page 16: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 6. [Value at Risk, Anwendung von Risikomaßen zur Bestimmung des er-

forderlichen Risikokapitals] [23 Punkte]

(a) [3 Punkte] Definieren Sie das monetäre Risikomaß Value at Risk V@Rλ zum Ni-veau λ ∈ (0,1) ausgehend von seiner Akzeptanzmenge. Erläutern Sie anhandIhrer Definition, in welchem Sinn der Value at Risk als Kapitalanforderung auf-gefasst werden kann.

(b) [3 Punkte] Die Verlustvariable L folge einer Pareto-Verteilung, d. h. es gilt für0 > 0 und > 0:

FL() = P[L ≤ ] = 1−

0

−.

Bestimmen Sie den V@Rλ der Finanzposition X = −L.

(c) [7 Punkte] Gegeben seien zwei stochastisch unabhängige Finanzpositionen X1und X2, deren Verteilungen spezifiziert sind durch:

P[X = 0] = 0,96, P[X = −1.000] = 0,04 für = 1,2.

(i) [5 Punkte] Bestimmen Sie für das vorgegebene Niveau von 5% den Valueat Risk für die Finanzpositionen X1 und X2 sowie X1 + X2.

Hinweis: Wenn X und Y stochastisch unabhängig sind, gilt

P[X = , Y = y] = P[X = ] · P[Y = y].

(ii) [2 Punkte] Welche Konsequenz hat das Ergebnis für die Konvexität desValue at Risk ? Welche Problematik kann hieraus in Praxisanwendungendes Value at Risk resultieren ?

(d) [10 Punkte] Der Wert V einer Finanzposition zum Zeitpunkt sei durch zweiRisikofaktoren Z1, Z2 erklärbar via V = (Z1

, Z2

) für eine stetig differenzier-

bare Funktion . Im Folgenden sei t ein fixierter Zeitpunkt, zu dem die Risiko-messung erfolgt.

(i) [4 Punkte] Geben Sie für kleines h > 0 die Delta-Approximation für denPeriodengewinn ΔV := Vt+h − Vt an.

(ii) [6 Punkte] Die Wertänderungen ΔZ = Zt+h−Z

t, = 1,2, seien gemeinsam

normalverteilt mit den Parametern

E[ΔZ] = hμ, Vr[ΔZ] = hσ2, Cov[ΔZ1,ΔZ2] = hσ1,2.

Leiten Sie mithilfe der Delta-Approximation eine Formel für den Value atRisk V@Rλ des Periodengewinns ΔV zum Niveau λ her. Leiten Sie dabeiexplizit die Berechnungsformel für den V@Rλ einer normalverteilten Fi-nanzposition her.

Seite 16 von 25

Page 17: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Lösungsskizze:

(a) Die Akzeptanzmenge des V@Rλ ist gegeben durch

A = X ∈ X |P[X < 0] ≤ λ,

wobei X die Menge aller Finanzpositionen zu einem festen Zeitpunkt bezeich-net. Dies bedeutet, dass alle Finanzpositionen, die mit Wahrscheinlichkeit klei-ner oder gleich λ keine Verluste erzeugen, akzeptabel sind. Der V@Rλ lässtsich aus der Akzeptanzmenge ableiten via

V@Rλ(X) = infm ∈ R|X +m ∈ A = infm ∈ R|P[X +m< 0] ≤ λ. (7)

In diesem Sinn ist der V@Rλ(X) der kleinste Geldbetrag, der zu einer Finanz-position X hinzuzufügen ist, sodass diese akzeptabel wird.

(b) Im Fall stetiger Zufallsvariablen muss gelten

λ = P[X + V@Rλ(X) < 0] = P[−X > V@RλX] = 1− FL(V@Rλ(X)).

Daraus folgt im vorliegenden Fall

λ = 1−

1−

V@Rλ(X)0

=

V@Rλ(X)0

−.

Umstellen liefert V@Rλ(X) = 0 · λ−1/.

(c) (i) Aus der Definition (7) folgt unmittelbar V@R0,05(X1) = V@R0,05(X2) = 0.Die Zufallsvariable X1 + X2 nimmt nur die folgenden Werte an:

X1+X2 =

0 wenn X1 = X2 = 0−1.000 wenn X1 = 0, X2 = −1.000 oder X1 = −1.000, X2 = 0−2.000 wenn X1 = X2 = −1.000

Für die Eintrittswahrscheinlichkeiten gilt hierbei:

P[X1 + X2 = 0] = P[X1 = 0, X2 = 0] = P[X1 = 0]P[X2 = 0]

= (0,96)2 = 0,9216

P[X1 + X2 = −1000] = P[X1 = 0, X2 = −1.000] + P[X1 = −1.000, X2 = 0]

= P[X1 = 0]P[X2 = −1.000]

+P[X1 = −1.000]P[X2 = 0]

= 2 · 0,04 · 0,96 = 0,0768

P[X1 + X2 = −2.000] = P[X1 = −1.000, X2 = −1.000]

= P[X1 = −1.000]P[X2 = −1.000]

= (0,04)2 = 0,0016

Hieraus ist ablesbar: [email protected](X1 + X2) = 1.000. Insbesondere gilt:

1.000 = [email protected](X1 + X2) > V@R0,05(X1) + V@R0,05(X2) = 0.

Seite 17 von 25

Page 18: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

(ii) Das Ergebnis verdeutlicht, dass das monetäre Risikomaß V@R im Allge-meinen nicht subadditiv und damit auch nicht konvex ist. Damit kann derValue at Risk ökonomisch sinnvolle Diversifikation zwischen Risiken be-strafen. Hieraus können Probleme bei der Steuerung resultieren.

(d) (i) Es seien z = z(t) sowie Δz = z(t + h) − z(t) für h > 0. Dann gilt gemäßTaylor-Approximation 1. Ordnung

Δ := (z1 + Δz1, z2 + Δz2)− (z1, z2) ≈∂(z1, z2)

∂z1Δz1 +

∂(z1, z2)

∂z2Δz2.

Da es sich hierbei per Konstruktion um eine lokale Approximation handelt,ist nur für „kleine“ Änderungen Δz eine gute Approximation zu erwarten.Übertragen auf die entsprechenden Zufallsvariablen ΔZ1,ΔZ2 ergibt sichmit d =

∂∂z

ΔV ≈ d1ΔZ1 + d2ΔZ2.

(ii) Vorüberlegung: Für X ∼ N(μ, σ2) gilt V@Rλ(X) = −μ−−1(λ)σ, wobei dieVerteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichnet. Genauer:

λ = P[X + V@Rλ(X) < 0]⇔ P[X ≤ −V@Rλ(X)] = λ⇔

−V@Rλ(X)−μσ

= λ

Hieraus folgt −1(λ) = −V@Rλ(X)−μσ und nach Umformung die obige Formel.

ΔV ist unter den gegebenen Voraussetzungen normalverteilt mit

E[ΔV] = h(d1μ1 + d2μ2), Vr[ΔV] = h(d21σ21 + d

22σ

22 + 2d1d2σ1,2).

Dementsprechend gilt

V@Rλ(ΔV) = −h(d1μ1 + d2μ2)− −1(λ)Æ

h(d21σ21 + d

22σ

22 + 2d1d2σ1,2).

Seite 18 von 25

Page 19: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 7. [Axiomatische Theorie der Risikomaße, Average Value at Risk, Tail Va-

lue at Risk, Expectiles] [17 Punkte]

(a) [4 Punkte] Definieren Sie das Risikomaß Average Value at Risk AV@R. Erläu-tern Sie, in welchem Sinn der Average Value at Risk ein Baustein für alle ver-teilungsinvarianten, konvexen Risikomaße ist.

(b) [9 Punkte] Betrachten Sie die zwei Finanzpositionen X1 und X2 mit wie folgtspezifizierten Wahrscheinlichkeitsverteilungen:

X1 =

500 mit W. 0,95−1.000 mit W. 0,04−5.000 mit W. 0,01

X2 =

500 mit W. 0,95−1.000 mit W. 0,04−5.000 mit W. 0,007−10.000 mit W. 0,003

(i) [3 Punkte] Geben Sie den Value at Risk für die beiden Verlustvariablen zumNiveau λ = 0,01 an. Nutzen Sie Ihre Ergebnisse, um einen entscheidendenNachteil des Risikomaßes Value at Risk zu beschreiben.

(ii) [6 Punkte] In der Praxis ist der Tail Value at Risk TV@R, für eine Finanzpo-sition X definiert durch

TV@Rλ(X) = E[−X| − X > V@Rλ(X)], λ ∈ (0,1),

eine gängige Alternative zum Value at Risk.

Berechnen Sie den Tail Value at Risk für die beiden Verlustvariablen zumNiveau λ = 0,01. Kommentieren Sie das Ergebnis !

Hinweis: Für eine diskrete Zufallsvariable X mit möglichen Realisationen1, . . . , n gilt

E[−X| − X > c] = 1P[−X>c]

n∑

=1,−>c−P[X = ]

wobei c eine Konstante ist und P[−X > c] > 0 vorausgesetzt wird.

(c) [4 Punkte] Die unteren und oberen Quantile q−X(λ) und q+

X(λ) zum Niveau

λ ∈ (0,1) einer Zufallsvariable X können durch die Minimierung einer asym-metrischen, stückweise linearen Verlustfunktion definiert werden:

[q−X(λ), q+

X(λ)] = rgmin∈R

λE[(X − )+] + (1− λ)E[(X − )−]

.

(i) [2 Punkte] Wie ist dieses Minimierungsproblem zu modifizieren, um Ex-pectiles zu definieren ?

(ii) [2 Punkte] Definieren Sie den Expectile Value at Risk zum Niveau λ ∈ (0,1)und geben Sie die zugehörige Akzeptanzmenge inklusive Interpretationan.

Seite 19 von 25

Page 20: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Lösungsskizze:

(a) Das Risikomaß Average Value at Risk ist definiert durch

AV@Rλ(X) :=1λ

∫ λ

0V@Rα(X)dα, λ ∈ (0,1).

Ist (Ω,F , P) ein atomloser Wahrscheinlichkeitsraum, so ist ein Risikomaß ρ :L∞(Ω,F , P)→ R genau dann konvex, verteilungsinvariant und stetig von oben,wenn

ρ(X) = spμ∈M1((0,1])

(0,1]AV@Rλ(X)μ(dλ)− βmin(μ)

mit

βmin(μ) = spX∈Aρ

(0,1]AV@Rλ(X)μ(dλ).

M1((0,1]) bezeichnet hierbei die Menge aller Wahrscheinlichkeitsmaße auf(0,1], versehen mit der Borel-σ-Algebra B((0,1]) auf dem Intervall (0,1].

(b) (i) Aus der Definition des Value at Risk lässt sich unmittelbar

V@R0,01(X1) = V@R0,01(X2) = 1.000

ablesen. Trotz identischem V@R ist die Finanzposition X2 offensichtlichgefährlicher als X1. Der Value at Risk berücksichtigt nur die Wahrschein-lichkeit des Eintretens von Verlusten über einer kritischen Grenze, nichtaber die potentiellen Höhen der Verluste, die diese kritische Grenze über-steigen.

(ii) Nach Hinweis gilt für k = 1,2

TV@R0,01(Xk) = E[−Xk | − Xk > V@R0,01(Xk)]

= 1P[−Xk>V@R0,01(Xk)]

n∑

=1,−>V@R0,01(Xk)−P[Xk = ]

mit den Realisierungen 1, 2, 3 = 500,−1.000,−5.000 für X1 sowiemit den Realisierungen 1, 2, 3, 4 = 500,−1.000,−5.000,−10.000für X2.

Für X1 erfüllt nur die Realisierung 3 = −5.000 die Bedingung −3 >

V@R0,01(X1), und entsprechend gilt

TV@R0,01(X1) =1

0,01 (5.000 · 0,01) = 5.000.

Für X2 sind 3 = −5.000 und 4 = −10.000 zu berücksichtigen, und esfolgt

TV@R0,01(X2) =1

0,01 (5.000 · 0,01+ 10.000 · 0,003) = 6.500.

Seite 20 von 25

Page 21: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Daher ergibt sich

5.000 = TV@R0,01(X1) < TV@R0,01(X2) = 6.500,

d. h. der gefährlicheren Finanzposition X2 wird auch das höhere Risiko zu-geordnet, da der TV@R - im Gegensatz zum V@R - auch die Verlusthöhenjenseits des V@R berücksichtigt.

(c) (i) Die Expectiles sind definiert als (eindeutige) Minimierer des asymmetri-schen quadratischen Verlustes:

Eλ(X) := rgmin∈R

λE[((X − )+)2] + (1− λ)E[((X − )−)2]

.

Bemerkung: Für λ = 1/2 gilt E1/2(X) = E[X]. Insofern können Expectiles alseine asymmetrische Verallgemeinerung des Erwartungswerts interpretiertwerden. Der Begriff „Expectiles“ vereint motiviert durch diese Zusammen-hänge die Begriffe „Expectation“ und „Quantile“.

(ii) Der Expectile Value at Risk ist definiert durch

EV@Rλ(X) := −Eλ(X)

und besitzt die Akzeptanzmenge

AEV@Rλ =¨

X

E[X+]

E[X−]≥1− λλ

«

.

EV@Rλ(X) ist als Kapitalanforderung, die zu X hinzugefügt werden sollte,sodass X eine vordefinierte Gewinn-Verlust-Quote besitzt, zu interpretie-ren.

Seite 21 von 25

Page 22: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 8. [Markowitz-Ansatz, varianzminimales Portfolio] [10 Punkte]

Gegeben seien im Markowitz-Basismodell zwei Aktien mit zugehörigen Einperioden-renditen R1 und R2. Es gelte −1 < ρ(R1, R2) < 1.

(a) [7 Punkte] Welches anteilige Investment 0 in Aktie 1 weist das (global)- vari-anzminimale Portfolio aus beiden Einzelaktien auf ?

(b) [3 Punkte] Welchen Wert muss die Kovarianz Cov(R1, R2) annehmen, damit0 = 1/3 gilt ?

Lösungsskizze:

(a) Es bezeichne R = R1+(1−)R2 die Rendite eines beliebigen Portfolios. Fernerseine σ2 = Vr(R), σ21 = Vr(R1) sowie σ22 = Vr(R2). Es gilt damit:

σ2 = σ2() = 2σ21 + (1− )2σ22 + 2(1− )Cov(R1, R2).

Aus der First-Order-Condition

0 = dσ2()d = 2σ21 − 2(1− )σ

22 + 2Cov(R1, R2)− 4Cov(R1, R2)

folgt2σ21 + 2σ

22 − 4Cov(R1, R2) = 2σ

22 − 2Cov(R1, R2)

und damit

0 =σ22 − Cov(R1, R2)

σ21 + σ22 − 2Cov(R1, R2)

=σ22 − ρ(R1, R2)σ1σ2

σ21 + σ22 − 2ρ(R1, R2)σ1σ2

.

(b) Aus der Vorgabe 0 = 1/3 resultiert hieraus

σ21 + σ22 − 2Cov(R1, R2) = 3σ

22 − 2Cov(R1, R2)

und damit Cov(R1, R2) = 2σ22 − σ21.

Seite 22 von 25

Page 23: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Aufgabe 9. [Gleichgewichtspreise auf Basis des CAPM] [22 Punkte]

(a) [10 Punkte] Gegeben sei ein sicherer Zins r0, zu dem beliebige Kapitalbeträgesowohl angelegt als auch aufgenommen werden können. Zur Bestimmung derSteigung der Tangentialgeraden μ = r0+ σ an den effizienten Rand der reinriskanten Portfolios gehen Sie von der Schnittpunktbedingung

r0 + σ = μMVP +Æ

h(σ2 − σ2MWP)

aus, wobei MVP das global varianzminimale Portfolio bezeichne. Diese Schnitt-punktbedingung führt auf die quadratische Gleichung

Aσ2 + Bσ + C = 0,

wobei A = 2 − h, B = −2(μMVP − r0) und C = (μMVP − r0)2 + hσ2MVP.

(i) [4 Punkte] Wie lauten die Koordinaten (σT , μT) des Tangentialportfolios ?

Hinweis: Argumentieren Sie direkt auf Basis der quadratischen Gleichung.Die Steigung der Tangentialgeraden ist hierfür nicht zu ermitteln.

(ii) [3 Punkte] Ermitteln Sie auf der Basis von (i) die Steigung der Tangenti-algeraden. Interpretieren Sie den Anstieg als risikoadjustiertes Performan-cemaß.

(iii) [3 Punkte] Ermitteln Sie nunmehr die (σ, μ)-Koordinaten des effizientenPortfolios mit einer erwarteten Rendite in Höhe von μ0.

(b) [12 Punkte] Im Rahmen der CAPM-Modellwelt seien für das Marktportfolio RMdie erwartete Rendite und die erwartete Varianz bekannt:

E[RM] = 0,1,Vr[RM] = 0,25.

Der Zins für die sichere Anlage wird mit r0 bezeichnet. Zusätzlich sei bekannt,dass das Portfolio R∗ mit E[R∗] = 0,12 und σ(R∗) = 0,7 optimal ist.

(i) [3 Punkte] Stellen Sie allgemein die Gleichung für die Kapitalmarktlinieauf. Interpretieren Sie diese Gleichung.

(ii) [3 Punkte] Berechnen Sie unter den vorstehenden Annahmen die Höhedes sicheren Zinses r0.

(iii) [3 Punkte] Bestimmen Sie im CAPM-Gleichgewicht die erwartete Renditeeines Wertpapierportfolios mit einem Betafaktor in Höhe von 2 ?

(iv) [3 Punkte] Berechnen Sie die Korrelation ρ(R∗, RM) zwischen den Renditendes optimalen Portfolios und des Marktportfolios. Wie ist dieses Ergebnisinhaltlich begründet ?

Seite 23 von 25

Page 24: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

Lösungsskizze:

(a) (i) Die quadratische Gleichung besitzt die Lösungen

σ1,2 =−B±

p

B2 − 4AC2A

.

Da eine Tangente vorliegt, muss B2 = 4AC gelten. Für das Tangentialport-folio gilt somit σT = −B/2A. Damit ergibt sich μT = r0 − (B/2A).

(ii) Es gilt μT = r0 + σT mit (μT , σT) aus (i). Hieraus folgt für den Anstieg

=μT − r0σT

.

Der Anstieg entspricht der Sharpe-Ratio des Tangentialportfolios.

(iii) Es seien (σ0, μ0) die gesuchten Koordinaten. μ0 ist vorgegeben. Für dieTangentialgerade gilt μ = r0 + σ mit aus (ii). Hieraus folgt

σ0 = (μ0 − r0)/.

(b) (i) Die Kapitalmarktlinie charakterisiert alle optimalen Portfolios im CAPM-Kontext:

E[R] = r0 +E[RM]− r0σ(RM)

σ(R). (8)

Im Kapitalmarkt-Gleichgewicht gilt für die optimalen Portfolios ein linearerZusammenhang: für einen höheren erwarteten (Exzess-)Ertrag muss einproportional höheres Risiko in Kauf genommen werden.

(ii) Erwartungswert und Standabweichung des Marktporfolios sowie eines op-timalen Porfolios R∗ sind gegeben. Umstellen von (8) nach r0 und einset-zen der Parameter liefert

r0 =E[R∗]σ(RM)− E[RM]− σ(R∗)

σ(RM)− σ(R∗)

=0,12 · 0,5− 0,1 · 0,7

0,5− 0,7= 0,05.

(iii) Im CAPM-Modell sind beliebige Portfolios R durch die Wertpapiermarktlinie

E[R] = r0 + βR(E[RM]− r0)

charakterisiert, wobei βR = Cov(R,RM)/Vr(RM) den Beta-Faktor bezeich-net. Für βR = 2 berechnet man im CAPM-Gleichgewicht die erwartete Ren-dite

E[R] = 0,05+ 2(0,1− 0,05) = 0,15.

Seite 24 von 25

Page 25: Finanzmathematik und Risikobewertung - aktuar.de · ... ,n, t0

Klausur GrundwissenFinanzmathematik und Risikobewertung

(iv) Aus der Wertpapiermarktlinie ergibt sich zunächst der Beta-Faktor von R∗:

βR∗ =E[R∗]− r0E[RM]− r0

=0,12− 0,050,1− 0,05

= 1,4.

Weiterhin folgt aus βR∗ = Cov(R∗, RM)/Vr(RM) = ρ(R∗, RM)σ(R∗)/σ(RM)

ρ(R∗, RM) =βR∗σ(RM)

σ(R∗)=1,4 · 0,50,7

= 1.

Dies resultiert aus der Tatsache, dass alle optimalen Portfolios im rein ris-kanten Teil identisch mit dem Marktportfolio sind.

Seite 25 von 25