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44 bestbanking 208 • 2017 Firmenkundengeschäft auf neuen Wegen Das Firmenkundengeschäft ist heute und auf absehbare Zeit eines der wenigen ertragsstarken Geschäftsfelder der Banken. Beim Wiener Firmenkundenkongress wurden Ansätze präsentiert, mit denen sich bei Firmen- und Gewerbekunden Ertragspotenziale heben lassen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Digitalisierung auch im Firmenkundengeschäft Einzug gehalten hat. Anton Schmoll, der diesen Kongress gemeinsam mit Wolfgang Ronzal bereits zum zwölften Mal organisierte, fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. BANKING n Digital meets stationär Trends und Erfolgsfaktoren im Firmenkundengeschäft Welchen Stellenwert das Firmenkunden- geschäft hat, wurde durch die aktuellen zeb/-Analyse untermauert. „Mit einem Gesamtertragspotenzial von rund 3,6 Mrd. Euro ist dieses Marktsegment für die Ban- ken in Österreich eine attraktive Ertrags- quelle. Allerdings ergibt sich bis 2020 nur eine mäßige Steigerung um 2%. Ohne Gegenmaßnahmen droht daher auch im Firmenkundengeschäft ein Ergebnisrück- gang“, warnte Michaela Schneider, Ge- schäftsführerin von zeb/Österreich. Um im Verdrängungswettbewerb Erfolg zu haben muss man besser sein als der Wett- bewerb. Wichtige Handlungsfelder sind für Wolfgang Becher, Senior Manager bei zeb einerseits eine höhere Beratungsqualität und andererseits der konsequente Aufbau von Digitalkompetenz. „Durch eine quali- tativ hochwertige Beratung kann man sich erfolgreich von den übrigen Wettbewer- bern differenzieren“, ist Becher überzeugt, denn „die Beratungsqualität ist der zentrale Treiber der Kundenzufriedenheit“. Anhand von Beispielen gibt er Anregun- gen, wie der Beratungsprozess in den elementaren Phasen „Planung“, „Vorbe- reitung“, „Durchführung“, „Nachbearbei- tung“ sowie „After Sales“ optimiert werden kann. Ausgangspunkt bildet dabei die jähr- liche Aktivitätenplanung, bei der besonders potenzialreiche Kunden in den Fokus ge- rückt werden. Eine spürbare Effizienzsteigerung kann durch eine standardisierte Gesprächsvorbe- reitung erreicht werden. Die aus den Kun- dengesprächen gewonnenen Informationen sollten softwaregestützt im CRM-System konsequent verarbeitet und für weitere Betreuungsaktivitäten genutzt werden. Gleichsam nach dem Motto „nach dem Abschluss ist vor dem Abschluss“. Maß- nahmen des After Sales Managements wie z.B. Betriebsbesichtigungen oder Zufrie- denheitsabfragen festigen die Bindung des Kunden zum eigenen Institut Im Hinblick auf die Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts rät Becher, die Aktivitäten der Fintechs systematisch zu beobachten, denn „Ignorieren ist keine Option“. Über einen „Trendradard“ behält man relevante Entwicklungen bei ihren Aktivitäten im Blick und kann eine Ein- ordnung in „Beobachten“, „Kopieren“ oder “Kooperieren“ vornehmen. Digitalisierung im Firmenkundenvertrieb Einen guten Eindruck in die digitalen Sphäre des Bankings gab Gregor Deix, von der Erste Bank, Wien. So präsentier- te er das völlig neue Online Banking der österreichischen Sparkassengruppe mit der Bezeichnung „George“. Das System Von Anton Schmoll

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Firmenkundengeschäft auf neuen WegenDas Firmenkundengeschäft ist heute und auf absehbare Zeit eines der wenigen ertragsstarken Geschäftsfelder der Banken. Beim

Wiener Firmenkundenkongress wurden Ansätze präsentiert, mit denen sich bei Firmen- und Gewerbekunden Ertragspotenziale

heben lassen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Digitalisierung auch im Firmenkundengeschäft Einzug gehalten hat. Anton

Schmoll, der diesen Kongress gemeinsam mit Wolfgang Ronzal bereits zum zwölften Mal organisierte, fasst die wichtigsten

Erkenntnisse zusammen.

BANKING

n Digital meets stationär

Trends und Erfolgsfaktoren im Firmenkundengeschäft

Welchen Stellenwert das Firmenkunden-geschäft hat, wurde durch die aktuellen zeb/-Analyse untermauert. „Mit einem Gesamtertragspotenzial von rund 3,6 Mrd. Euro ist dieses Marktsegment für die Ban-ken in Österreich eine attraktive Ertrags-quelle. Allerdings ergibt sich bis 2020 nur eine mäßige Steigerung um 2%. Ohne Gegenmaßnahmen droht daher auch im Firmenkundengeschäft ein Ergebnisrück-gang“, warnte Michaela Schneider, Ge-schäftsführerin von zeb/Österreich.

Um im Verdrängungswettbewerb Erfolg zu haben muss man besser sein als der Wett-bewerb. Wichtige Handlungsfelder sind für Wolfgang Becher, Senior Manager bei zeb einerseits eine höhere Beratungsqualität und andererseits der konsequente Aufbau von Digitalkompetenz. „Durch eine quali-tativ hochwertige Beratung kann man sich

erfolgreich von den übrigen Wettbewer-bern differenzieren“, ist Becher überzeugt, denn „die Beratungsqualität ist der zentrale Treiber der Kundenzufriedenheit“.

Anhand von Beispielen gibt er Anregun-gen, wie der Beratungsprozess in den elementaren Phasen „Planung“, „Vorbe-reitung“, „Durchführung“, „Nachbearbei-tung“ sowie „After Sales“ optimiert werden kann. Ausgangspunkt bildet dabei die jähr-liche Aktivitätenplanung, bei der besonders potenzialreiche Kunden in den Fokus ge-rückt werden.

Eine spürbare Effizienzsteigerung kann durch eine standardisierte Gesprächsvorbe-reitung erreicht werden. Die aus den Kun-dengesprächen gewonnenen Informationen sollten softwaregestützt im CRM-System konsequent verarbeitet und für weitere Betreuungsaktivitäten genutzt werden. Gleichsam nach dem Motto „nach dem Abschluss ist vor dem Abschluss“. Maß-

nahmen des After Sales Managements wie z.B. Betriebsbesichtigungen oder Zufrie-denheitsabfragen festigen die Bindung des Kunden zum eigenen Institut

Im Hinblick auf die Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts rät Becher, die Aktivitäten der Fintechs systematisch zu beobachten, denn „Ignorieren ist keine Option“. Über einen „Trendradard“ behält man relevante Entwicklungen bei ihren Aktivitäten im Blick und kann eine Ein-ordnung in „Beobachten“, „Kopieren“ oder “Kooperieren“ vornehmen.

Digitalisierung im Firmenkundenvertrieb

Einen guten Eindruck in die digitalen Sphäre des Bankings gab Gregor Deix, von der Erste Bank, Wien. So präsentier-te er das völlig neue Online Banking der österreichischen Sparkassengruppe mit der Bezeichnung „George“. Das System

Von Anton Schmoll

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BANKING

greift moderne Web-Technologien und Interface-Konzepte auf, wie sie User im digitalen Zeitalter von Unternehmen wie Google und Facebook gewohnt sind. Dazu kommen jede Menge individueller Perso-nalisierungsmöglichkeiten und technolo-gische Innovationen, die die persönlichen Finanzen nicht nur erleichtern, sondern auch verbessern. Übersichtlichkeit, intuiti-ve Menüführung, Reduktion auf das Wich-tige, gleichzeitig aber auch individuelle Ge-staltungsmöglichkeiten und nicht zuletzt eine neue, ganz persönliche Ansprache stehen dabei im Vordergrund. Für Firmen-kunden wird dieses digitale Angebot noch im laufenden Jahr freigeschaltet.

Als weiteres Beispiel für digitale Innovatio-nen im Firmenkundengeschäft stellte Deix „Büro2go“ vor. Diese BusinessApp funkti-oniert wie ein mobiles Back-office, verwal-tet sämtliche Kundendaten, kann Angebote und Rechnungen von unterwegs erstellen und zeigt selbst die aktuelle Firmenliqui-dität auf Knopfdruck. Damit sich kleinere Unternehmen auf einfache Weise mit der allgemeinen Branchenentwicklung verglei-chen können, wurde der „Online Branchen Check“ entwickelt. Bei diesem Tool han-delt es sich um eine Webapplikation, mit der Unternehmer durch die Eingabe weni-ger Kennzahlen die wirtschaftliche Situa-tion ihres Betriebes mit den Mitbewerbern

ihrer Branche vergleichen können.

Nicht nur Produkte und Dienstleistun-gen, sondern auch die Interaktionen im geschäftlichen Umgang haben sich radikal verändert. „Mobile Endgeräte fördern heute die Immer-und-überall-und-sofort-Kom-munikation. Und damit hat sich auch die Kommunikation zwischen Firmenkunden und Bank grundlegend geändert“, betonte Deix. Um Kommunikation auf Augenhöhe zu erreichen, wurden die Firmenkunden-betreuer mit einem „Berater-iPad“ ausge-stattet. Neben dem mobilen Zugriff auf alle Anwendungen der Sparkassengruppe stehen dem Berater verschiedene vertriebs-relevante Funktionen zur Verfügung. So hat er beispielsweise ortsunabhängig ra-schen Zugriff auf E-Mails, Kalender und Kontakte. Für das Gespräch beim Kunden relevante Daten wie Umsätze, Finanzstatus oder Kreditengagement sind jederzeit ab-rufbar. Vielfältige Visualisierungsmöglich-keiten machen das Kundengespräch leben-diger und anschaulicher.

Derartige Technologien sowie völlig neue Prozesse führen bei den Mitarbeitern zu neuen Rollenbildern und bedeuten natur-gemäß einschneidende Veränderungen. „Digitale Transformation ist daher kei-neswegs nur ein IT-Projekt, sondern ein Changeprozess, der die ganze Bank be-

trifft“ stellte Deix abschließend fest.

Beispiel für FinTechs: Mittelstandsfinanzierung 2.0

Mit der Digitalisierung drängen auch bran-chenfremde Mitbewerber wie die sog. Fin-Techs auf den Markt für Finanzdienstleis-tungen. Sie profitieren insbesondere dort, wo sie bestehende Nischen besetzen, die Banken nicht anbieten können oder wol-len. Aktuelle Untersuchungen belegen ein-drucksvoll, wie sehr der digitale Kommu-nikationskanal in der Interaktion zwischen Firmenkunden und Banken sukzessiv an Bedeutung gewinnt: Rund die Hälfte aller Unternehmen kann sich bereits heute vor-stellen, einen Großteil ihrer Bankgeschäfte online abzuwickeln.

„Wir wollen daher die Digitalisierung im Banking vorantreiben und neue Maßstä-be setzen“ skizzierte Frank Wüller von COMPEON die Mission dieser Form der digitalen Intermediation. COMPEON versteht sich dabei als Full-Service-Anbie-ter bei der Finanzierung von Unternehmen. Unabhängig von der Unternehmensgröße, der Branche und dem Finanzierungsvor-haben unterstützt dieses Marktplatzmodell mittelständische Unternehmen bei ihrer Suche nach der passenden Finanzierung, dem optimalen Finanzierungspartner und

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den besten Konditionen.

Auf COMPEON können Unternehmen in Form einer Ausschreibung Anfragen für ihren Finanzierungs-, Leasing- oder Geldanlagebedarf kostenlos einstellen und Angebote von Finanzierungsgebern er-halten und vergleichen. Jede eingegangene Anfrage wird von einem erfahrenen Team aus Spezialisten gesichtet und bewertet. Danach werden die Anfragen strukturiert an das angeschlossene Finanzierungspart-ner-Netzwerk weitergeleitet.

Dabei greift COMPEON auf rund 200 Großbanken, Regionalbanken, Sparkas-sen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie Leasing- und Factoringgesellschaften zu. Passt eine Anfrage in das Präferenzprofil eines Kreditinstituts kann diese Bank die Anfrage einsehen und direkt im System ein Kundenangebot erfassen. Nicht nur in Bezug auf den Zinssatz, sondern auch in Bezug auf Sicherheiten, Auflagen und Bedingungen. Die abgegebenen Angebote können die Unternehmen online verglei-chen und auswählen.

Mit seinem produktübergreifenden An-gebot und seinem Omni-Kanalansatz re-duziert COMPEON die Suchkosten für Unternehmen nach dem passenden Ange-bot und schafft so maximale Transparenz. Durch die 24/7 Online-Verfügbarkeit können Unternehmen sich dann um ihre Finanzen kümmern, wenn sie Zeit ha-ben. Über 60% der Firmenkunden nutzen COMPEON beispielsweise außerhalb der klassischen Banköffnungszeiten (9 – 18 Uhr). „Insbesondere die Aspekte Verglei-chen, Einfachheit und Online Verfügbar-keit sind für mittelständische Unternehmen heute entscheidende Anforderungskrite-rien“ stellte Wüller zusammenfassend fest und ergänzte: „In Zukunft werden gar nicht so sehr die Produkte, sondern die Zu-gangswege zu Finanzdienstleistungen ganz anders sein als bisher“.

Crowdinvesting – Unternehmen gemeinsam finanzieren

„Einer für alle, alle für einen“ mit die-sem bekannten Ausspruch skizzierte Paul Pöltner von der Plattform CONDA den Grundgedanken von „Crowdinvesting“. Die Idee dieser alternativen Finanzierungs-form (im Deutschen auch als Schwarmfi-

nanzierung bezeichnet) ist relativ einfach: Viele einzelne Personen (zusammen „der Schwarm“ oder „die Crowd“) investieren relativ kleine Beträge in ein Projekt, das so durch die Masse finanziert werden kann. In diesem Zusammenhang gab es in den letz-ten Jahren wichtige Änderungen bei den gesetzlichen Grundlagen. So ist in Öster-reich seit September 2015 das Alternativ-finanzierungsgesetz in Kraft, das Platt-formen und emittierenden Unternehmen das Sammeln von Kapital über die Crowd erleichtern soll.

Anhand einiger Beispiele erläuterte Pöltner die Arbeitsweise von CONDA. Hauptauf-gabe dieser Plattform ist es, die Präsentati-on von Unternehmen zu ermöglichen. Die Plattform kümmert sich dabei um die Auf-bereitung sämtlicher Informationen, die für die rechtskonforme Darstellung der Unter-nehmen notwendig sind. Dies ermöglicht den Investoren einen Einblick in das Un-ternehmen zu bekommen.

Die Beteiligung des Investors am Unter-nehmen erfolgt direkt am Unternehmen ohne Zwischenschaltung der Plattform. Beim Conda-Modell erfolgt die Betei-ligung über ein partiarisches Nachrang-darlehen. Beträge sind ab € 100 bis € 5000 möglich und der Investor partizi-piert an Zinszahlungen und steigendem Unternehmenswert.

Die Vorteile für Unternehmen bestehen unter allem darin, dass sie neben einer ho-hen Reichweite viel Aufmerksamkeit für Ihr Produkt erhalten. Sie haben persönli-chen Kontakt zu Kunden und Interessenten und bekommen direktes Feedback von der Community. Mit den Investoren gewinnen die Firmen nicht nur loyale Kunden, son-dern gleichzeitig auch Markenbotschafter für Ihr Unternehmen.

Die Investoren profitieren von den jährli-chen Zinsen, die wesentlich höher sind als die derzeitigen Sparbuchzinsen. Sie wissen genau, wo ihr Geld hinfließt und partizi-pieren an der Wertsteigerung des Unter-nehmens. Vielfach bekommen sie auch spezielle Goodies von den Unternehmen.

Sichtlich zufrieden berichtete Pöltner, dass „seit März 2013 von CONDA bereits 70 Projekte erfolgreich finanziert werden konnten. Dabei wurden von über 7.000 Crowdinvestoren mehr als 15 Mio. Euro

in verschiedene Projekte investiert.“ In den letzten Jahren hat sich auch eine immer stärkere Annäherung zwischen Crowdin-vesting-Plattformen und Banken ergeben. Anhand eines Beispiels aus dem Touris-musbereich zeigt Pöltner exemplarisch, wie Crowdfunding sinnvoll in ein Finan-zierungs-Mix aus Eigenmittel, Bankkredit, Förderungen eingebunden werden kann.

Fintechs - Partner oder Konkur-renten?

Wie sollen nun Banken mit den aufstre-benden Fintechs umgehen? Dieser Frage ging Karin Brigitte Göbel, Vorstands-vorsitzende der Stadtsparkasse Düsseldorf, in ihrem Vortrag nach. „Die Fintechs sind dynamisch und schnell – aber die Banken haben den Kunden“, hob Göbel hervor. Sie gab einen Überblick über die vielfältige Fintech-Branche. Dabei sei auffällig, dass Fintechs meist Ein-Produkt-Unternehmen seien. „Ein umfassendes Angebot aus einer Hand ist für sie nicht darstellbar“, betonte Göbel. Weitere wichtige Aussagen finden Sie im nebenstehenden Interview.

Big Data – Willkommen im Daten-gefängnis

Mit „Herzlich Willkommen im Datenge-fängnis“ eröffnete Michael Ehlers, Kom-munikationsexperte und Bestsellerautor, seine Ausführungen rund um das Thema „Big Data“ Er beleuchtete anschaulich die Zukunft, in der wir schon heute le-ben, und entführte die Zuhörer in die spannende Welt der Daten, die uns mehr und mehr umgibt.

An Hand prägnanter Beispiele zeigte Eh-lers, wie rasant sich unsere Art zu leben, verändert hat und welche Gefahren das Big-Data-Zeitalter mit sich bringt. Von der Wiege bis zur Bahre – und darüber hin-aus – werden die Menschen elektronisch erfasst, verwaltet, analysiert und verfolgt. „Diese Revolution ist nicht mehr aufzuhal-ten. Aus dem Datengefängnis können wir nicht mehr fliehen. Dafür ist es zu spät!“ ist seine nüchterne Einschätzung.

Ehlers gab aber auch Anregungen, wie dieser „Gefängnisalltag“ so angenehm wie möglich gestaltet werden kann und zeigte wie man mit dem Rohstoff der Gegenwart profitieren kann. „Denn Big Data birgt nicht nur große Gefahren, sondern bringt

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auch große Chancen“

Schlummerndes Potenzial bei Geschäftskunden heben

Sowohl die deutsche als auch die österrei-chische Unternehmenslandschaft ist von zahlreichen Kleinst- und Kleinunterneh-men geprägt. Für Banken ergibt sich dar-aus naturgemäß ein interessantes Markt-potenzial. Trotzdem steht das Segment „Geschäftskunden“ meist nicht im Fokus einer aktiven Marktbearbeitung. Stefan Lindermeir von der Volksbank Pforzheim betonte daher, dass „Geschäftskunden kein Abfallprodukt sind“ und zeigte in seinen Ausführungen, wie es möglich ist, das schlummernde Potenzial in diesem Ge-schäftsfeld zu heben.

Eine eingehende Kundenstrukturanalyse in seinem Haus ergab, dass es sich bei diesem Segment um rd. 2.000 Kunden handelt, die bisher nicht gezielt betreut wurden. Knapp 80% dieser Kunden nutzten lediglich zwei Produkte bei der Volksbank. Vergleiche mit Benchmarkwerten ergab, dass bei den Ge-schäftskunden ein Mehrertrag von rd. 1,2 Mio Euro möglich wäre.

Um dieses Ertragspotenzial zu heben, wurde ein eigenes Marktbearbeitungskonzept ent-wickelt. Eine wichtige Entscheidung war für Lindermeir, dass zukünftig alle Geschäfts-kunden (bis 250 TEUR Umsatz) und alle Gewerbekunden (250 bis 500 TEUR) im

Firmenkundenbereich betreut werden. Da-durch kann ein entsprechender Know how Transfer sichergestellt werden. Für Ge-schäftskunden und Gewerbekunden gibt es nun eine eigene Betreuungskonzeption mit speziellen Beratern für jedes Segment.

Die Basis für eine ertragsorientierte Kun-denbetreuung bildet die potenzialorien-tierte Feinsegmentierung, wonach nun zwischen „Basiskunden“ und „Potenzi-alkunden“ unterschieden wird. Mit allen Potenzialkunden ist mindestens alle 1,5 Jahre ein ausführliches Unternehmerge-spräch zu führen. Dabei soll eine konkrete Betreuungsvereinbarung fixiert werden. Im Sinne einer ganzheitlichen Beratung ist der Geschäftskundenbetreuer sowohl für die betriebliche als auch für die private Sphäre des Kunden verantwortlich. Um alle Be-darfsfelder anzusprechen wird für das Kun-dengespräch eine strukturierte Beratungs-unterlage eingesetzt.

Als weitere wichtige Stellhebel zur Er-tragssteigerung bezeichnete Lindermeir ein schlankes Produktsortiment, standardi-sierte Prozesse sowie eine fallabschließen-de Bearbeitung am Markt. Daher wurden die Kreditprozesse für Geschäftskunden spürbar verschlankt. Durch die Nutzung des Firmenkundenschnellratings und einer vereinfachten Form der Berechnung der Kapitaldienstfähigkeit konnten beachtliche Vereinfachungen erreicht werden. Kredite bis 75 TEUR werden überwiegend blanko

vergeben. „Der Kunde erlebt uns heute ein-fach und unkompliziert“ zieht Lindermeir zufrieden sein Resume über die neue Ver-triebsstrategie für Geschäftskunden.

Digitale Beratung im Zahlungsver-kehr – der BankingGuide

Dass die Digitalisierung auch im kleintei-ligen Geschäft nicht Halt macht, zeigten die Ausführungen von Lars Runge von der Hannoverschen Volksbank. Als ein wich-tiges Handlungsfeld nannte Runge den Zahlungsverkehr, der eine wichtige Basi-sanforderung des Kunden darstellt. Daher ist es notwendig, Lösungen zu finden und Hilfsmittel bereitzustellen, die eine stan-dardisierte und eigenständige Zahlungs-verkehrsberatung ermöglicht.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein di-gitales Beratungstool mit der Bezeichnung „BankingGuide“ entwickelt, das alle The-menkomplexe des Bedarfsfeldes Zahlungs-verkehr verständlich darstellt. Gleichzeitig wird damit auch der Kundenberater in die Lage versetzt, alle relevanten Themen rund um den Zahlungsverkehr ohne zusätzliche Beratung durch einen Spezialisten zu be-sprechen.

Durch eine einfache und stringente Fra-gestellung sowie die dazugehörigen Ant-worten soll erreicht werden, dass, abhän-gig vom individuellen Kundenverhalten, der tatsächliche Kundenbedarf ermittelt

Paul Pöltner Stefan Lindermeir Lars Runge

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wird. In Abhängigkeit von den Antwor-ten des Kunden werden im Hintergrund entsprechende Fakten und Informationen gesammelt. Dies können zum Beispiel Ausschlusskriterien für einzelne Produkte sein. Wenn beispielsweise die individuelle Zahlungsverkehrsabwicklung des Kunden bestimmte Funktionalitäten in einer Soft-ware erfordert, dann wird als logische Kon-sequenz im weiteren Prozess auch nur das Produkt empfohlen, das die vom Kunden benötigten Funktionalitäten beinhaltet.

Auf diese Weise wird über die Fragen-technik eine Vorselektion vorgenommen und letztlich das genau auf den Kunden und seine Anforderungen zugeschnittene Produkt in den Empfehlungen aufgeführt, um dieses dann im Anschluss daran in den Warenkorb legen zu können.

Das Einbinden von Filmen, Bildern und Beschreibungen oder auch Verlinkungen zu den Internetseiten der Bankpartner las-sen den BankingGuide lebendig werden. „Diese Form der Interaktivität macht das Beratungsgespräch deutlich interessanter und spannender“ skizziert Runge die Win-Win-situation für Kunde und Bank.

Der BankingGuide ist aber nicht nur ein Instrument zur Prozessoptimierung und Kapazitätsentlastung für die Zahlungs-verkehrsberater, sondern steigert auch die Kundenbindung und erhöht die Cross Selling-Quoten. So konnten ausgehend vom Zahlungsverkehr im Schnitt 4,4 Ver-triebsansätze bei Gewerbekunden heraus-gearbeitet werden.

Wachstumsanreize durch Preis- und Produktdifferenzierung

„Kostensenkungsprogramme allein werden nicht ausreichen, um die Herausforderun-gen in einem völlig veränderten Mark-tumfeld zu bewältigen“ stellte Matthias Nisster, Direktor bei Simon-Kucher &

Partners, am Beginn seiner Ausführungen fest. Wirkungsvolle Chancen zur Ergeb-nisverbesserung im Firmenkundengeschäft (die oftmals nicht genützt werden) ergeben sich durch ein professionelles Preismanage-ment. Denn der Preis ist der Gewinntreiber Nummer eins.

An Hand von sehr anschaulichen Bei-spielen präsentierte Nisster „das Menü der Preisdifferenzierung“. Eine intelligente Preisdifferenzierung setzt dabei auf einer bedürfnisorientierten Segmentierung auf. Dabei kann die Segmentierung je nach Pro-duktkategorie entlang ganz unterschied-licher Bedürfnisdimensionen erfolgen. So kann es beispielsweise für unterschiedliche Teilsegmente im Firmenkundengeschäft segment-spezifische Produkte geben (z.B. eigenes Konto für Existenzgründer). Wei-terhin kann die Bank ihre Preise auch nach den unterschiedlichen Vertriebskanälen differenzieren (z.B. über ein vergünstigtes Online-Konto). Ziel der leistungsbezoge-nen Differenzierung ist es, die unterschied-lichen Zahlungsbereitschaften durch eine Variation des Leistungsumfanges besser abzuschöpfen. Für Nisster lautet die Parole daher: „Intelligente Produkt- und Preis-differenzierung im Firmenkundengeschäft statt Einheitspreise.“

Möglichkeiten und Ansatzpunkte in der Bankpraxis zeigte Heinrich Waldhutter von der VR Bank Oberbayern Südost. In Anlehnung an die Bahncard der Bundes-bahn erfolgt eine Differenzierung der Kon-tomodelle in „VR Firmenkonto 20“, „VR Firmenkonto 40“ bzw. „VR Firmenkonto 60“. Eine Reduktion der Wettbewerbsver-gleichbarkeit bei Online-Buchungen wird durch verschiedene Paketpreise erreicht, d.h. der Preis pro Buchung reduziert sich hier durch die Anzahl der Freiposten.

Als weiteres Beispiel für die Hebung von Ertragspotenzialen präsentierte Wald-hutter die Einführung einer Liquiditäts-pauschale bei Betriebsmittelkrediten. Die Bank habe das Problem gehabt, dass viele Kunden ihre Kontokorrent-Linie gar nicht oder nur selten genutzt hätten. Im alten Modell zahlte der Kunde nur bei der Inan-spruchnahme der Kreditlinie. „Neu ist nun, dass der Kunde eine so genannte Liquidi-tätspauschale in Höhe von 0,1 Prozent pro Monat auf den nicht genutzten Teil der Li-nie zahlt“, erklärte Waldhutter.

Die Produktdifferenzierung der Betriebs-mittelkredite erfolgt nach Engagement- und Linienhöhe. So wie bei den Karten der Vielfliegerprogramme „Miles & More“ wird durch eine entsprechende Farbkon-zeption für den Kunden ein bestimmter Status symbolisiert. Somit gibt es in der VR Bank Oberbayern Südost nun eine Dif-ferenzierung in „Basis-, Komfort- und Pre-mium-Betriebsmittelkredite“, die sich u.a. durch Art der Risikoadjustierung und die Höhe der Sonderkonditionenkompetenzen unterscheiden.

Qualitätsführerschaft: Zukunfts-orientierte Unternehmensanalyse

„Nur durch Qualitätsführerschaft können regional tätige Kreditinstitute erfolgreich am Firmenkundenmarkt bestehen.“ skiz-ziert Rainer Nussbaumer von der Volks-bank Oberösterreich die Strategie seines Hauses. Neben der Produkt- und Abwick-lungsqualität ist die Beratungsqualität ein entscheidender Erfolgsfaktor. Unter dem Motto „Margenführerschaft geht nur über Qualität“ präsentierte Stefan Pöhlmann (Financial Advisory Training) das Konzept der „Zukunftsorientierten Unternehmens-analyse“ von Korn & Korn, das von der Volksbank Vöcklabruck-Gmunden bereits seit 2012 erfolgreich umgesetzt und nun in der Volksbank Oberösterreich AG imple-mentiert wird.

Dieses Beratungskonzept bietet ein idea-les und praxisbewährtes Instrument zum Ausbau der eigenen Margen durch exzel-lente Beratung und Betreuung der eigenen (und künftigen!) Firmenkunden. In einem strukturierten Analyseprozess werden die wichtigsten betriebs- und finanzwirt-schaftlichen Bereiche von Unternehmen beleuchtet. Aus den Erkenntnissen der Vergangenheit werden Herausforderun-gen der Zukunft abgeleitet und mit dem Kunden diskutiert. Durch die Übersetzung klassischer Kennzahlen in eine „unterneh-merfreundliche“ Sprache werden Kunden-gespräche auf Augenhöhe geführt.

Im Zusammenhang mit der Finanzierung des Umlaufvermögens stellt Pöhlmann eine zentrale Frage: „Wissen wir eigentlich immer was wir mit unseren Krediten finanzieren? Wo lässt der Unternehmer Geld auf der Straße?“ Und schließt daran seinen Appell: „Kenne Deine Kunden! Versuchen wir, das Geschäfts-modell des Kunden wirklich zu verstehen.“

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Um zu verproben, was mit den Bankkre-diten tatsächlich finanziert wird, braucht man einen exakten Vergleichsmaßstab - den Finanzierungsbedarf für das Umlauf-vermögen (ohne Kasse), welchen sich das Unternehmen nicht über zinslose Quellen beschaffen kann. In diesem Zusammen-hang geht Pöhlmann näher auf die Kenn-zahl „Bereinigtes Netto-Umlaufvermögen“ ein und demonstriert an Hand praktischer Beispiele, wie sich der tatsächliche Be-triebsmittelbedarf berechnet und wie sich daraus die richtigen Finanzierungsstruktu-ren ableiten lassen.

Als weitere Themen, die mit der „zukunfts-orientierten Unternehmensanalyse“ abge-deckt werden können nennt Pöhlmann:• StrategischeFitness

WIE verdient unser Kunde in seinem Geschäftsmodell eigentlich Geld?

• EffizienzderAktivaWie wertschaffend setzt unser Kunde sein Anlage- und Umlaufvermögen ein?

• FinanzierungsstrukturWie hoch ist bei unserem Kunden der „Wohlfühl-Blankoanteil“ und reicht das vorhandene Eigenkapital tatsächlich aus?

• UnternehmenswertWelchen Beitrag zum Familienvermö-gen leistet das Unternehmen und wie lässt sich dieser Wert durch unsere Fi-nanzlösungen weiter steigern?

Derartige Tools sind für Nussbaumer der Beweis dafür, worauf es letztlich ankommt: „Wir verkaufen den Wert unserer Produkte – nicht deren Preis“. y

Im Rahmen des Wiener Firmenkunden-kongresses wurde auch der von Wolfgang Ronzal und Anton Schmoll herausge-geben Sammelband über „Bank 2015. Digital meets stationär“ präsentiert. Die

Bankenbranche ist im Umbruch. Die zunehmende Digitalisierung des Bankgeschäfts hat das Kundenverhalten und das Wettbewerbs-umfeld massiv verändert. Branchenfremde Konkurrenten und Fin-Techs greifen die Wertschöpfungskette der Banken an.

Es wird daher nicht reichen, bestehende Angebote und Vertriebskon-zepte zu überarbeiten und weiterzuentwickeln. Vielmehr ist ein völlig neuer Zugang zur Welt der Kunden gefragt. Das erfordert neue An-sätze, neue Perspektiven, neue Denkhaltungen. Die Banken benötigen vermehrt innovative Vertriebsstrategien, um sich in der digitalen Le-bens-wirklichkeit der User erfolgreich und dauerhaft zu positionieren.

Dieser Sammelband liefert den Entscheidungsträgern in den Ban-ken wertvolle Unterstützung, den Handlungsbedarf bei der Neuge-staltung der eigenen Vertriebs-konzeption zu erkennen, potenzielle Handlungsfelder zu identifizieren und gezielt Maßnahmen für die Realisierung von innovativen Geschäftsideen einzuleiten. 24 erfolg-reiche Experten aus Deutschland und Österreich zeigen innovative Vertriebsstrategien auf und behandeln vor allem das Spannungsfeld „Digital versus Stationär“.

Wie aktuell dieses Thema ist zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass dieses Werk neben dem MANZ-Verlag auch in Deutschland im Deutschen Genossenschaftsverlag sowie im Deutschen Sparkassen-verlag erschienen ist.

z Bank 2025Digital meets stationär

ISBN: 978-3-214-03939-4MANZ Verlag WienFester Einband, 242 Seiten,EUR 48,[email protected]