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BUNDESINSTITUT FÜR RISIKOBEWERTUNG Formaldehyd - Exposition und offene Fragen Gerhard Heinemeyer Reinhild Scholz, Oliver Lindtner

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NG Formaldehyd -

Exposition und offene Fragen

Gerhard HeinemeyerReinhild Scholz, Oliver Lindtner

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 2

• Wie hoch ist die Belastung mit Formaldehydin deutschen Haushalten?

• Welche Quellen sind identifizier- undquantifizierbar?

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 3

Ziele der Expositionsschätzung und Methoden

Ziele Methodik

Darstellung der Verteilung vonFormaldehydmessungen inHaushalten undGegenüberstellung mitabgeleitetem Safe-Level

Gemessene Werte imInnenraum

Identifikation von möglichenQuellen für Formaldehyd-Konzentrationen imInnenraum

Modellierung ausgewählterSzenarien unter theoretischenAnnahmen

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 4

Wie häufig wird die abgeleitete sichere Konzentrationüberschritten?

• Lokaler inhalativer Wert: 0,1 ppm (= 124 µg/m³)

• Annahme:Die Messwerte in Innenräumen können als aggregierte Exposition allerQuellen des inhalativen Pfades interpretiert werden

• Risikoüberlegung:Liegen diese Werte unterhalb des abgeleiteten Wertes, so sind weitereÜberlegungen zur Exposition, insbesondere über Expositionsquellenunnötig, andernfalls müssen die wichtigsten Quellen identifiziert werden

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 5

Übersicht über vorhandene Studien mit Messungen imInnenraum

Repräsentativ für deutsche Haushalte• Umwelt-Survey (1985-86, n=329)

(als wichtige Quelle u.a. Pressspanplatten identifiziert)

Verdachtsstichproben• AGÖF* (1993-1998, in Wohn., Kitas, Wohnwagen, n=1.050)• ARGUK Umweltlabor Oberursel (1993-2004, n=1.139)

Fall-Kontroll-Studien• Uni-Jena (1996-98, n=311)• Ullrich et.al. (1997-1998, n=72)

Arbeitsplatzdaten:• BGIA (2001-2004; Büroinnenräume, n=419)

*) AGÖF: Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 6

Studien zur Formaldehyd-Konzentration in der Innenraumluft

Formaldehyd-Konzentrationen [µg/m³] (Kurven generiert als Lognormal-Verteilungen ausPerzentilwerten, ARGUK: Generierung der Verteilung aus Einzelmesswerten)

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Formaldehyd im Innenraum [µg/m³]

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Umwelt-Survey

AGÖF

ARGUK

Uni-Jena

Ullrich et.al.

Abgeleiteter Grenzwert 0,1ppm

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 7

Studie zur Formaldehyd-Konzentration am Büroarbeitsplatz

Formaldehyd-Konzentrationen am Arbeitsplatz [µg/m³] (Kurven generiert als Lognormal-Verteilungen, angepaßt aus den veröffentlichten Percentilen)

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Formaldehyd im Innenraum [µg/m³]

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BGIA*Abgeleiteter Grenzwert 0,1ppm

• Arbeitsplatzdaten nicht systematisch recherchiert, da nicht übertragbar auf Verbraucher!

*) BGIA: BerufsGenossenschaftlichesInstitut für Arbeitsmedizin

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 8

Gegenüberstellung der Perzentile

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40

60

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160

Form

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µg/k

g

50. Perzentil 95-tes Perzentil

Umwelt-SurveyAGÖFARGUKUniversität JenaUllrich et.al.

• ARGUK: empirische Werte aus Einzeldaten

• Andere Studien: aus angepasster Lognormal-Verteilung abgeleitete Perzentile

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 9

Unsicherheitsanalyse

• Zeitraum der Exposition nicht standardisiert (akut, chronisch)Es wird eine chronische Exposition angenommen

• Repräsentativität: Nur Umwelt-Survey

• Aktualität der Daten: Nur ARGUK (Erhebung bis 2004)

• Arbeitsplatz-Daten (ebenfalls bis 2004: nicht übertragbar aufWohnungen)

• Fall-Kontroll-Design nicht für repräsentative Auswertungengeeignet

• ARGUK: Wahrscheinlich leichte Überschätzung, da Messungnur bei Verdacht

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 10

Teil 2 - Quellen

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 11

Inhalative Exposition

Orale Exposition

Dermale Exposition

Expositionsquellen für Formaldehyd

Innenraumluft

TabakrauchTextilienKonservierungs-mittel in

Kosmetika

Reinigungs- u.Desinfektions-

mittel

LebensmittelKosmetika Textilien/Kleid.

Außenluft

KfZ-Abgase Abgase aus Feu-erungsanlagen

Industrieab-wässer u. abfälle

NagelhärterNagellack

Kochen (z.B von Fisch) Baumaterial/

Wohnungseinrichtung

Tapeten u. Teppichböden

Möbel/Paneele aus Pressspan

Harnstoff-Formalde-hyd-Isolierschaum

SäurehärtendeLacke u. Disp.-F.

Glaswolle/Glasfasern

aus Atmosphere durch Oxidation von natürlich

vorkommenden Alkenen

Papier-produkte

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 12

Dermale und orale Exposition sind für die weiterenBetrachtungen vernachlässigbar

Betrachteter Effekt:

• Lokal während der Inhalation von kontaminierter Luft

• Keine systemischen Wirkungen, da schnelle Metabolisierung imIntermediärstoffwechsel

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 13

Methodik

Modellierung der Raumluftkonzentration nach Emission aus verschiedenenQuellen

• Szenarienbasierte Modellierung

• Nutzung von konservativen realistischen Annahme

• Experimentell ermittelte Emissionsdaten

• Nutzung von Angaben nach TGD-Dokumenten (SCCNFP)

• Zeitliche Entwicklung der Raumluftkonzentration

• Berücksichtigung von Ventilation

• Vergleichbarkeit mit Messdaten der Innenraumluftaufgrund konservativer und theoretischer Annahmennicht gegeben

• Aber: Vergleich der Bedeutung der Quellen untereinan-der aufgrund gleicher Modellbetrachtung möglich

Beachte

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 14

Ergebnisse von Emissionsmessungen aus verschiedenenMaterialien und daraus geschätzte Raumluftkonzentrationen

1 Messungen von Kelly et. al. (1999) in Prüfkammern * Konzentration am Ende der Messung nach 15,5 h2 Schätzungen des BfR mit CONSEXPO (source and ventilation) ** Konzentration in der Initialphase

4,00,0025178000**Nagelhärter („user“)

13668

4020

4040

27*9

Tapete

1,520400,6Papierprodukte

2320408Nicht-beschichteter Press-span aufBasis Phenol-Formaldehyd –Harz

61204032Glasfaserprodukte

38204014Laminat

3015

11

2020

107 ungewaschen)42 ( 1x gewaschen)

Hemden

1635545

3020

2040

215215

Knitterfreie Dekostoffe

116037

2040 460 (max) 16 (mittl. Wert)

Pressspan auf Basis Harnstoff-Formaldehyd-Harz (beschichtet)

3900432

20401580 (max) 170 (mittl. Wert)

Pressspan auf Basis Harnstoff-Formaldehyd-Harz (nicht-beschichtet)

µg/m³m²m³(µg/m²/h)

„Mean Event“Concentration

EmissionsflächeRaumvolumenEmissionsrateMaterial

Schätzung der Raumluftkonzentration2Emissionsdaten1

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 15

Verlauf der Formaldehydkonzentration nach Anwendung von Reibeputz inder Abluft aus der Prüfkammer über einen Zeitraum von 150 Tagen

Lit.: Zbl. Arbeitsmed (52, 2002)FU/Institut für Arbeitsmedizinvon Untersuchungen von Lüthu.a.

Simulationsbasis:- Raumvolumen: 40 m3- Wandemissionsfläche: 36,5 m2

- verwendete Reibeputzmenge: 2,452 kg/m2 mit 0,026 % F.- Ventilationsrate: max. 0,3- Temperatur: 23 +/- 0,5 °C

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 16

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Deko

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Aggregierte Exposition von Formaldehyd ausverschiedenen Quellen (nach Kelly et al., modelliert)

Unsicherheit: gleichzeitige Exposition gegenüber allen Quellen wenig wahrscheinlich

*) PS HFH: Pressspan, Harnstoff-Formaldehy Harz**) PS PFH: Pressspan, Phenol-Formaldehyd-Harz

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 17

Zeitliche Aspekte der Exposition

Betrachteter Effekt:• eher Langzeit- als Kurzzeit- Exposition

= häufige Anwendung von Zubereitungen= Daueremission von Erzeugnissen

• Wie lange kann Formaldehyd emittiert werden?= Langfristige Emission nach einmaliger Anwendung

möglich

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 18

Biozid-Emissionen aus Dispersionsfarben

Vom Umweltbundesamt veröffentlichte Ergebnisse zeigen

- „.......dass während der Malerarbeiten, bei denen Formaldehydoder Formaldehyd-Depotstoffe eingesetzt werden, in einemanschließenden Zeitraum von etwa 1 bis 2 Wochen mitFormaldehydkonzentrationen in der Raumluft gerechnet werdenmuss, die zu Schleimhautreizungen besonders an den Augenführen können.“

- „Daraus folgt, dass während und in den Tagen nachRenovierungsarbeiten eine geeignete Lüftung zwingendnotwendig ist, damit der Orientierungswert von 0,1 ppmschnellstmöglich wieder erreicht und unterschritten wird.“

Lit.: WaBoLu-Hefte 2/02

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 19

Exposition mit Formaldehyd

Folgerungen• Die Konzentration von 0,1 ppm wird in einer Größenordnung von

etwa 5 bis 10 Prozent in deutschen Haushalten überschritten• Wichtigste Quellen:

• Pressspan auf Harnstoff-Formaldehyd Basis• knitterfreie Dekostoffe• Baumaterialien (?)• Tapeten• Kosmetika eher unbedeutend

• Risikominderung durch Vermeidung von Hauptquellen möglichFragen• Sind wichtige Quellen übersehen worden?• Wurden die Quellen quantitativ richtig identifiziert?

G. Heinemeyer, 29.05.2006, Expertengespräch Formaldehyd Seite 20

Risikominderungsoptionen?

• Formaldehydfreie Verfahren für knitterfreie Textilien?

• Vermeidung von Harnstoff - Formaldehyd Harzbasierten Pressspan?(Belastung in Büros)

• Beschíchtung von Pressspan?

• Formaldehyd freie Putze im Bau?

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NG DANKE FÜR IHRE

AUFMERKSAMKEIT

Gerhard Heinemeyer, ReinhildScholz, Oliver LindtnerBundesinstitut für RisikobewertungThielallee 88-92 � D-14195 BerlinTel. 0 30 - 84 12 - 0 � Fax 0 30 - 84 12 - 47 [email protected] � www.bfr.bund.de