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EXPERIENTIA Vol. XVII - Fasc. 3 Pag. 97-144 15. III. 1961 Fortschritte und Ergebnisse der Zellkulturmethodik Yon R. SCHINDLER* Die Methode der Zfichtung von Warmblfitlerzellen in vitro ist heute beinahe 50 Jahre alt: 1912 konnte CARREL zeigen, dass es bei Verwendung einer geeigne- ten N~hrl6sung und deren regelm~siger Elmeuerung m6glich ist, Kulturen von Bindegewebe aus Htihner- embryonen beliebig lange im Zustand aktiver Prolife- ration und Zellvermehrung zu erhalten I. Die von CARREL bentitzte Technik ist wiihrend nahezu 40 Jah- ren ziemlich unvefiindert beibehalten worden. Erst um das Jahr 1950 ist es dann, vor allem dank den Anstren- gungen yon EARLESArbeitsgruppe, gelungen, die expe- rimentellen M6glichkeiten so weit zu vervollkommnen, dass die bisher vorwiegend qualitativen Methoden der Zellkultur auch ffir quantitative Untersuchungen Ver- wendung finden konnten. Damit hat nun in den letzten 10 Jahren eine eindrucksvolle Entwicklung auf diesem Gebiet eingesetzt, sowohl in der Erweiterung der me- thodischen Grundlagen als auch in deren Anwendung auf eine ganze Reihe yon Disziplinen der Medizin und Biologie, wie der Biochemie, Pharmakologie, Virologie, Genetik und Radiobiologie, welche zusammen mit den gegenw~tigen Entx~cklungen und Bestrebungen den Gegenstand dieser 0bersicht bilden soll. Bereits CARRELS Arbeiten haben gezeigt, dass bei fortgesetzter Kultur in vitro der ffir den Gesamtorga- nismus typische Charakter der Gewebe und Organe als organisierte Zellverb~h-lde vertoren geht und dass die Zelle unter diesen Bedingungen gewissermassen zum selbstfindigen Mikroorganismus mit unbeschriinkter exponentieller Zellvermehrung ohne Alterserscheinun- gen wird z. Wie I~¢[URRAY in ihrer sch6nen l~bersicht im vofletzten Jahrgang dieser Zeitschrift 3 dargestellt hat, haben jedoch auch die relativ kurzfristigen Kulturen von differenzierten Geweben ihre grosse Bedeutung ffir das Verstttndnis und die Analyse der Wechselwirkun- gen zwischen gleich- und verschiedenartigen Zellen. Das vorliegende Referat soll sich indessen beschrtinken auf die eigentlichen Zellkulturen, in welchen im allge- meinen eine zeittich unbegrenzte exponentielle Zell- vermehrung und eine m6glichst einheitliche Zellpopu- lation angestrebt wird, und welche dadurch in hervor- ragender Weise ffir das Studium der Zelle als eines bio- logischen Individuums geeignet sind. Im weiteren soll sich diese ~3bersicht auf Kulturen von S~ugetierzellen (bzw. Warmblfiterzellen) beschrXnken; denn obschon auch die Kultur yon pflanzlichen Zellen und Geweben sehr eingehend bearbeitet worden ist, haben sich die beiden Methoden weitgehend unabh~tngig voneinander entwickelt. Zellkulturen yon niederen Tieren und In- sekten haben anderseits naturgemass geringeres Inter- esse gefunden als solche yon Warmbltitern. Schliess- lich ist zu sagen, dass dieses kurze Referat keinen An- spruch auf Vollst/indigkeit erheben kann, in Erg/inzung zur kiirzlichen Besprechung einzelner Aspekte durch MOSER 4 jedoch eine m6glichst umfassende ~3bersicht besonders auch ftir Leser ohne eigene Erfahrung auf diesem Gebiet geben m6chte. Ftir ausfiihrliche Dar- stellungen sei im tibrigen auf die Monographie yon PAUL 5 und die Literaturiibersicht von MURRAY s ver- wiesen. CARREL 1 stellte seine Kulturen durch Einbettung eines kleinen Gewebsstiickes in ein Gel aus Blutplasma und Embryoextrakt her. Dartiber wurde Ms NXhr- 16sung eine Mischung yon Serum, Embryoextrakt und physiologischer Salzl6sung gegeben und in regetm~.ssi- gen Zeitabst~nden erneuert. Aus dem Gewebsstiick wanderten dann Zellen in das umgebende Gel aus, und die Kultur konnte nach einiger Zeit durch Einbettung eines Tells des durch Zellenvermehrung und -auswan- derung gr6sser gewordenen Gewebsstiickes in ein neues Plasma-Gel fiberpflanzt werden. Die Nachteile solcher Kulturen liegen auf der Hand und sind auch bereits von EARLES Gruppe formuliert wordenT: die Herstel- lung des Plasma-Gels ist technisch schwierig; dazu wird h/iufig das Gel trtibe oder verfltissigt sich im Laufe der Inkubation; die quantitative Erfassung des Wachs- tums der Kultur sowie die Unterscheidung zwischen * Pharmakologisches Institut der Universit~t Bern. I A. CARREL, J. exp, Med. 15, 516 (1912). A. H. EBELING,J, exp, IVied, 36, 755 (1922). a M. R. MURRAY, Exper. 15, ~89 (1969). 4 H. MOS~R, Exper. 16, 385 (1960). s j. PAUL, Cell and Tissue Culture (E. and S. Livingstone Ltd., Edinburgh and London 1959). s M. R. MURRAY und G. KOPECH, A Bibliography of the Research in Tissue Culture (AcademicPress, New York 1958). V. J. EVANS und W. R. EARLE, J. nat. Cancer Inst. s, 103 (1947).

Fortschritte und Ergebnisse der Zellkulturmethodik

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EXPERIENTIA Vol. XVII - Fasc. 3 Pag. 97-144 15. III . 1961

Fortschritte und Ergebnisse der Zellkulturmethodik Yon R. SCHINDLER*

Die Methode der Zfichtung von Warmblfitlerzellen i n vitro ist heute beinahe 50 Jahre alt: 1912 konnte CARREL zeigen, dass es bei Verwendung einer geeigne- ten N~hrl6sung und deren regelm~siger Elmeuerung m6glich ist, Kulturen von Bindegewebe aus Htihner- embryonen beliebig lange im Zustand aktiver Prolife- ration und Zellvermehrung zu erhalten I. Die von CARREL bentitzte Technik ist wiihrend nahezu 40 Jah- ren ziemlich unvefiindert beibehalten worden. Erst um das Jahr 1950 ist es dann, vor allem dank den Anstren- gungen yon EARLES Arbeitsgruppe, gelungen, die expe- rimentellen M6glichkeiten so weit zu vervollkommnen, dass die bisher vorwiegend qualitativen Methoden der Zellkultur auch ffir quantitative Untersuchungen Ver- wendung finden konnten. Damit hat nun in den letzten 10 Jahren eine eindrucksvolle Entwicklung auf diesem Gebiet eingesetzt, sowohl in der Erweiterung der me- thodischen Grundlagen als auch in deren Anwendung auf eine ganze Reihe yon Disziplinen der Medizin und Biologie, wie der Biochemie, Pharmakologie, Virologie, Genetik und Radiobiologie, welche zusammen mit den gegenw~tigen Entx~cklungen und Bestrebungen den Gegenstand dieser 0bersicht bilden soll.

Bereits CARRELS Arbeiten haben gezeigt, dass bei fortgesetzter Kultur in vitro der ffir den Gesamtorga- nismus typische Charakter der Gewebe und Organe als organisierte Zellverb~h-lde vertoren geht und dass die Zelle unter diesen Bedingungen gewissermassen zum selbstfindigen Mikroorganismus mit unbeschriinkter exponentieller Zellvermehrung ohne Alterserscheinun- gen wird z. Wie I~¢[URRAY in ihrer sch6nen l~bersicht im vofletzten Jahrgang dieser Zeitschrift 3 dargestellt hat, haben jedoch auch die relativ kurzfristigen Kulturen von differenzierten Geweben ihre grosse Bedeutung ffir das Verstttndnis und die Analyse der Wechselwirkun- gen zwischen gleich- und verschiedenartigen Zellen. Das vorliegende Referat soll sich indessen beschrtinken auf die eigentlichen Zellkulturen, in welchen im allge- meinen eine zeittich unbegrenzte exponentielle Zell- vermehrung und eine m6glichst einheitliche Zellpopu- lation angestrebt wird, und welche dadurch in hervor- ragender Weise ffir das Studium der Zelle als eines bio- logischen Individuums geeignet sind. Im weiteren soll

sich diese ~3bersicht auf Kulturen von S~ugetierzellen (bzw. Warmblfiterzellen) beschrXnken; denn obschon auch die Kultur yon pflanzlichen Zellen und Geweben sehr eingehend bearbeitet worden ist, haben sich die beiden Methoden weitgehend unabh~tngig voneinander entwickelt. Zellkulturen yon niederen Tieren und In- sekten haben anderseits naturgemass geringeres Inter- esse gefunden als solche yon Warmbltitern. Schliess- lich ist zu sagen, dass dieses kurze Referat keinen An- spruch auf Vollst/indigkeit erheben kann, in Erg/inzung zur kiirzlichen Besprechung einzelner Aspekte durch MOSER 4 jedoch eine m6glichst umfassende ~3bersicht besonders auch ftir Leser ohne eigene Erfahrung auf diesem Gebiet geben m6chte. Ftir ausfiihrliche Dar- stellungen sei im tibrigen auf die Monographie yon PAUL 5 und die Literaturiibersicht von MURRAY s ver- wiesen.

CARREL 1 stellte seine Kulturen durch Einbettung eines kleinen Gewebsstiickes in ein Gel aus Blutplasma und Embryoextrakt her. Dartiber wurde Ms NXhr- 16sung eine Mischung yon Serum, Embryoextrakt und physiologischer Salzl6sung gegeben und in regetm~.ssi- gen Zeitabst~nden erneuert. Aus dem Gewebsstiick wanderten dann Zellen in das umgebende Gel aus, und die Kultur konnte nach einiger Zeit durch Einbettung eines Tells des durch Zellenvermehrung und -auswan- derung gr6sser gewordenen Gewebsstiickes in ein neues Plasma-Gel fiberpflanzt werden. Die Nachteile solcher Kulturen liegen auf der Hand und sind auch bereits von EARLES Gruppe formuliert wordenT: die Herstel- lung des Plasma-Gels ist technisch schwierig; dazu wird h/iufig das Gel trtibe oder verfltissigt sich im Laufe der Inkubation; die quantitative Erfassung des Wachs- tums der Kultur sowie die Unterscheidung zwischen

* Pharmakologisches Institut der Universit~t Bern. I A. CARREL, J. exp, Med. 15, 516 (1912).

A. H. EBELING, J, exp, IVied, 36, 755 (1922). a M. R. MURRAY, Exper. 15, ~89 (1969). 4 H. MOS~R, Exper. 16, 385 (1960). s j. PAUL, Cell and Tissue Culture (E. and S. Livingstone Ltd.,

Edinburgh and London 1959). s M. R. MURRAY und G. KOPECH, A Bibliography of the Research

in Tissue Culture (Academic Press, New York 1958). V. J. EVANS und W. R. EARLE, J. nat. Cancer Inst. s, 103 (1947).

98 Articles gGn~raux - ~bersichtsreferate EXPER~EN~IA XVII/3

Zellvermehrung und Zellwanderung ist nur bedingt m6glich; ausserdem k6nnen die Zellen von dem halb- festen Kulturmedium nicht abgetrennt werden, und da dieses Kulturinedium chemisch v611ig undefiniert ist, ist die Brauchbarkeit der Kulturen fiirbiochemische und pharmakologische Versuche ausserordentlich ein- geschr~inkt. Anderseits ist anzuerkennen, dass diese Methodik ffir viele wertvolle morphologische Arbeiten Verwendung gefunden hat, und dass auf diese Weise eine ganze Anzahl von Zellst/immen geztichtet worden ist, welche sich seither in vielen Untersuchungen als ntitzlich erwiesen haben und auch heute noch in sehr vielen Laboratorien verwendet werden: so EARLES L- stamm s, hervorgegangen aus Bindegewebe der Maus, und der HeLa-Zellstamm, entstanden aus einem menschtichen Cervical-Carcinom ~-n.

Die Grundlage flit die Ausarbeitung quantitativer Methoden ist mit der Einfiihrung fltissiger Kultur- medien dutch EARLE getegt worden. Zuerst gelang esi mit Hilfe einer Cellophan-Matrix Kulturen herzustel- len, in welchen sich die Zellen am Cellophan und an der Glasoberfl/iche des Kulturgef/isses ausbreiteten und sich dabei in direktem Kontakt mit der flfissigen N~ihr- 16sung befandenL Bald darauf zeigte es sich dann, dass bei Verwendung yon Suspensionen yon Einzelzellen als Inoculum keine Cellophanmatrix n6tig ist ~*. Auf diese Weise entstanden die sogenannten <~Monolayer~-Kultu- ten, in welchen s~imtliche ZeUen, iiberdeckt vonder N~hrlSsung, an der Glasoberfi/iche des Kulturgef/~sses haften und sich durch Vermehrung auf der verfiigbaren Fl~iche bis zur Bildung einer zusammenh~ngenden Zell- schicht ausbreiten. Die Herstellung yon Zellsuspensio- nen aus solchen Kulturen flit die l~bertragung in neue Kulturgef/isse geschah zuerst durch mechanisches Ab- 16sen, doch wurde dafiir bald die Verwendung yon Trypsin eingefiihrt, welches sich auch bei der Herstel- lung yon Zellsuspensionen aus Geweben und 0rganen ftir Prim~rkulturen sehr gut bew/~hrt hat ~a,14

Line weitere methodische Vereinfachung ergab sich durch die Entwicklung von Suspensionskulturen. Sol- che kommen dadurch zustande, class das Kutturme- dinm entweder durch Rotation der Kulturgliiser ~,~ oder durch eine Riihreinrichtung ~-~o dauernd in Be- wegung gehalten wird. Daneben sind einige Zellst/imme beschrieben worden, deren Zellen selbst in station~iren Kulturen nicht an der Glasoberfl/iche festhaften ~-~4. Suspensionskulturen bieten die M6glichkeit, die Zell- vermehrung d~arch Entnahme yon Proben aus ein und derselben Kultur laufend zu verfolgen, und ausserdem 1/isst sich bei der Ubertragung in neue Kulturgef/isse die Verwendung yon Trypsin mit der damit verbunde- nen Zellsch/~digung vermeiden. Schliesslich ist die Ent- wicklung yon Vorrichtungen zu nennen, welche die Kultur yon S/iugetierzellen unter (~steady state~>-Be- dingungen erin6glichen. Dies ist beispielsweise dadurch erreicht worden, dass sieh die Kultur als Zellsuspension innerhalb eines por6sen Gefiisses befindet, welches mit

frischer N/ihflbsung durchstr6mt wird .6,*~. Dabei kSn- hen recht hohe Zelldichten erhalten werden, jedoch ist die Dauer der Kultur nicht unbeschriinkt, da die ZelI- dichte ~t/indig ansteigt. Ein anderes Prinzip beruht da- rauf, dass zur Knltur kontinuierlich frische N~hrlSsung zufliesst, so dass die Zellvermehrung durch die dauernde Verdtinnung eben kompensiert wird; durch regelm/is- sige Entnahmen yon Proben der Zellsuspensionen oder dutch einen l~berlauf wird ausserdem das Volumen der Kultur konstant gehalten. Auf diese Weise werden be- sonders giinstige Kulturbedingungen und dadurch eine sehr rasche Zellvermehrung, mit Generationszeiten von nur 10 bis 12 h erreicht ~7'~s.

Die Verwendung fliissiger Kulturmedien und die damit verbundene M6glichkeit der Herstellung homo- gener Zellsuspensionen hat rasch zum Ausbau yon Methoden zur quantitativen Bestimmung der Zellver- mehrung geffihrt. Mittels Zellsuspensionen ist es ohne weiteres mbglich, fiir vergleichende Versuche beliebig vide Kulturen mit identischem Inoculum anzusetzen *~. Die Zellvermehrung kann bei Suspensionskulturen be- sonders einfach gemessen werden dutch Ausz~ihlen der Zellen in einer der ffir Leukocytenz~ihlungen gebr/iuch- lichen Z~ihlkammern.

Fiir ((Monolayer))-Kulturen kommt eine entspre- chefide Ziihlung der mit Hilfe von Zitronens~iure in Suspension gebrachten Zellkerne a° oder die Z~hlung der Zellen nach Behandlung mit Trypsin in Frage. Daneben ist eine ganze Reihe einfacher chemischer Be-

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J. E. SHANNON, J. nat. Cancer Inst. 11, 773 (1951).

15. I I I . 1961 Artieoli riassuntivi - Surveys 99

stimmungsmethoden beschrieben worden, vor atlem ffir Zettprotein ~x, ftir Desoxyribonukleins~ure (DNS) ~e, ~ fiir DNS-Phosphor ~l und flit Zell-Pufine und -Pyrimi- dine s~. In all diesen F~illen besteht eine beffiedigende Proportionalitiit zwisehen Zellzahl und Gehalt einer Kul tur an diesen Zellkomponenten; fiir Kulturen in verschiedenen Wachstumsphasen ist diese Proportio- nali.t~t allerdings nicht mehr streng erftillt ~,~. Schliesslich ergibt sich eine M6glichkeit zur quantita- riven Erfassung ausschliesslich der vermehrungsfAhi- gen Zellen dadurch, dass nach entsprechender Verdfin- nung einer Zellsuspension die Zahl der Kolonien be- stimmt wird, welche sich aus den einzelnen, am Glas haftenden Zellen entwickeln. Diese Methode ist wohl die zuverllissigste, was die Unterscheidung zwischen debendem> und ~toten~> Zellen anbetrifft, und beson- ders wertvoll ftir die Analyse kurzfristiger cytotoxi- scher Effekte wie zum Beispiel der R6ntgenstrahlen.

Die Ztichtung yon reinen Zellst~immen, das heisst von Zellpopulationen, welche yon einer einzelnen Zelle abstammen, ist nun im Gegensatz zu der bakteriologi- schen Methodik bei S~ugerzellkulturen nicht ohne wei- teres m6glich, indem isolierte Zellen ohne Anwendung besonderer Kunstgriffe im allgemeinen nicht zur Ver- mehrung befiihigt sind. Der Grund ftir dieses Verhalten scheint darin zu liegen, dass S~ugerzellen gewisse Meta- bolite in das umgebende Milieu abgeben und dadurch an diesen Stoffwechselprodukten verarmen, falls das Volumen des Kulturmediums im Vergleich zum Zell- volumen unverhiiltnismiissig gross ist. Damit wird es verstltndlich, dass eine kritische minimale Populations- dichte eine Voraussetzung fiir eine fortgesetzte Zell- vermehrung bildet as. Es besteht hier offenbar ein we- sentlicher Unterschied zu den meisten Mikroorganis- men, deren Zellmembranen eine bedeutend geringere Permeabilit~t beziehungsweise eine viel ausgepr~gtere Bef~ihigung zu aktiven Transportleistungen aufweisen dfirften.

Eine erste M6glichkeit zur Ztichtung isolierter Zellen ergab sich durch deren Kultur innerhalb einer Glas- kapillare, wodurch das Volumen des umgebenden Me- diums hinreichend klein gehalten wird~L Eine neuere, yon P u c k entwickelte Methode besteht in der Verwen- dung eines sogenannten ,feeder layer, , das heisst einer Monolayer-Kultur yon Zellen, welche dutch R6ntgen- bestrahlung ihrer Vermehrungsfiitfigkeit beraubt, in ihren Stoffwechselfunktionen aber noch mehr oder we- niger intakt geblieben sind ~°. Solche bestrahlte deeder layers,> verm6gen nun die ben6tigten Metaboliten an das N~hrmedium abzugeben, so dass in diesem Milieu isolierte Zellen mit sehr guter Ausbeute zu Kolonien auswachsen. PucI~s Gruppe konnte fernerhin zeigen, dass unter Umst~nden auf die Verwendung des , feeder layer~ verzichtet werden kann: dazu ist eine besonders milde Trypsin-Behandlung bei der Herstellung der Zellsuspension erforderlich, und ein weiterer Kunst- griff besteht im Zusatz von Agar zur Niihrl6sung; da-

durch wird die Konvektion des Mediums verhindert und damit der Verlust yon Metaboliten aus den ZeUen herabgesetzt4L Bei einzetnen Zellst~immen konnten so aus 100% der Einzelzellen Kolonien erhalten werden. Die Kolonieausbeute httngt jedoch ausserdem sehr yon der Zusammensetzung der verwendeten Nt~hrlSsung ab4~, 43, was nicht verwunderlich ist, da ja ein Kultur- medium, in welchem die betreffenden, aus den Zellen austretenden Metabolite bereits vorhanden sind, einer Verarmung der Zellen an diesen Substanzen entgegen- wirken muss. Auf die Natur dieser Stoffe wird bei der Besprechung der Ntihrbedfirfnisse von Zellkulturen noch n~iher eingegangen werden.

Ein wertvoller methodischer Fortschrit t ist dutch die Technik der Aufbewahrung von Zellstttmmen im tief- gefrorenen Zustand geschaffen worden. Da sich Zell- st~imme bei fortgesetzter Kul tur in v~tro httufig lang- sam in ihren Charakteristiken ver'dndern - das gleiche gilt tibrigens auch bei fortgesetzter Transplantierung yon Tumoren ~n vivo - , ist es wtinschbar, auf eingefro- rene Zellpopulationen zuriickgreifen zu kSnnen, wel- che einer solchen allmtihlich stattfindenden Vertinde- rung ihrer Eigenschaften nicht ausgesetzt sind. Es hat sich gezeigt, dass zwei Kunstgriffe far ein erfolgreiches Einfrieren wesentlich sind: einerseits der Zusatz yon 10 bis 15% Glycerin zur Zellsuspension und ander- seits ein sehr langsames Senken der Temperatur im Bereich von 0 ° bis --25 ° C. Auf diese Weise ist es ge- lungen, von 82 untersuchten Zellstttmmen ]eden ein- zelnen wtthrend ein bis zwei Jahren ohne Verlust der spezifischen Eigenschaften in gefrorenem Zustand lebensf~hig zu erhalten ~.

Schliesslich ist als bedeutende Neuerung der Zusatz yon Antibiotica zu den N~ihrl6sungen ~' ~" zu erwtihnen.

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100 Articles g*n6raux - l~bersichtsrefcrate EXPERIENTIA XVII/3

Dadurch ist die Gefahr und Hitufigkeit mikrobieller Infektionen in den Kulturen ausserordentlich herab- gesetzt worden, was die komplizierten, streng asepti- schen Vorkehrungen und Laboreinrichtungen frfihe- rer Zeiten fiberflfissig gemacht hat.

Die Einfiihrung flfissiger N~hrmedien und quantita- tiver Methoden zur Bestimmung der Zeltvermehrung hat die Grundlage geschaffen ffir Versuche, die aus Serum und Embryoextrakt bestehenden NAhrl6sungen durch chemisch definierte zu ersetzen und damit die N~hrbediirfnisse der Zellkulturen abzukliiren. Es zeigte sigh auf Grund von Dialyse-Versuchen, daBs Bur der niedermolekulare Anteil yon Embryoextrakt, ander- Belts bei Zusatz einer synthetischen Mischung von Wuchsstoffen a7 Bur der hochmolekulare Anteil von Serum fiir daB Wachstum der Kulturen notwendig ist 's,'~. EAGLE hat daraufhin eine N/ihrlSsung ent- wickelt, welche, abgesehen yon einer geringen Menge yon diatysiertem Serum, chemisch definiert ist, undes ist sein Verdienst, ftir jede einzelne niedermolekulare Komponente deren Unentbehrlichkeit ffir die Zellver- vermehrung nachgewiesen zu haben ~°.

~berraschend war dabei der Befund, daBs eine ganze Anzahl verschiedener Zellst/imme qualitativ iiberein- stimmende N/ihrbedfirfnisse aufweist. Diese Bind in der Tabelle zusammengestellt und sollen bier kurz disku- tiert werden. Bei den anorganischen Komponenten f/illt auf, dass ein Bedtirfnis ffir Eisen und andere Spuren- elemente bisher nicht aufgezeigt werden konnte; often- bar Bind diese Metallionen so lest an die Serumproteine gebunden, daBs sie bei der Dialyse nicht entfernt wer- den. Von den Aminos/iuren Bind nicht nut diejenigen, welche ffir den Gesamtorganismus als essentiell er- kannt wcrden Bind s°, ffir die ErnAhrung yon Zellkultu- ren unentbehrlich, sondern es kommen 5 weitere dazu, n~imlich Arginin, Cystin, Glutamin, Histidin und Tyro- sin. Die Grtinde ffir diese Diskrepanz Bind bisher nicht gekl/trt, man kann sich jedoch vorstellen, dabs im Ganztier eine Synthese dieser Substanzen zum Beispiel Bur in der Leber stattfindet. Bei den Vitaminen konn- ten bisher Biotin, Vitamin B~ Bowie die fettlSslichen Vitamine night als essentiell nachgewiesen werden. Dies dfirfte ebenfalls darauf zuriickzufiihren sein, daBs diese Vitamine so fest an die Serumproteine gebunden Bind, daBs sie durch die Dialyse night vollst~indig ent- fernt werden. Als energielieferndes Kohlehydrat dient im allgemeinen Glukose, welche aber auch durch Man- nose, Ga!aktose, Fruktose und teilweise durch andere Kohtehydrate und deren Abbauprodukte ersetzt wer- den kann ~9. ~berhaupt Bind in mehreren F/illen die aufgeffihrten Wuchsstoffe durch nahe verwandte Sub- stanzen ersetzbar, Tie etwa Pyridoxal durch Pyridoxin oder Pyridoxamin. ~

Die Funktion des diatysierten Serums im N~ihrme- dium ist heute noch niGht vollst~indig gekl~rt. Einer- Belts client es mit Sicherheit als Tr~ger fiir gewisse wei- tere, an die Serumproteine gebundene Wuchsstoffe.

Daflir spricht unter anderem die Beobachtung, daBs Zellkulturen in einem proteinfreien, chemisch definier- ten Medium gezfichtet werden k6nnen, falls dieses Me- dium fiber eine Dialysemembran in Kontakt mit einer L6sung steht, welche ihrerseits dialysiertes Serum Bowie ein proteolytisches Fermentpr/iparat enth/ilt e2. Anderseits konnte jedoch bisher mit Ausnahme weni- get Zellst/imme dab dialysierte Serum dutch noch so reichhaltige Mischungen niedermolekularer Wuchs- stoffe niGht ersetzt werden ~3. Fraktionierung der Se- rumproteine hat zu zwei aktiven Fraktionen geftihrt: einerseits dab Albumin, welches vermutlich auf Grund adsorbierter Wuchsstoffe seihe Wirkung ausiibt und welches in neueren Versuchen durch Katalase, Insulin und Versen teilweise ersetzt werden konnte64; ander- Belts ein ~-Globulin, dessen augenf/flligste Wirkung darin beruht, daBs es die Zellen veranlasst, sich an der Glasoberfl~iche auszubreiten und daran festzuhaften, und (lessen Konzentration in f6talem Serum besonders hoch ist ~. Ob es auch Itir die Zeltvermehrung in SuB-

Allgemeine NAhrbedfirfnisse yon SAuger-Zellkulturen

a) A norganische Sto//esx-53 c) Na" CI' K" H~PO 4"

Ca"

b) Aminos~iuren ~4,s5 Isoleucin Leucin Lys in Methionin Phenyla lan in Threonin T r y p t o p h a n Valin

Arginin Cyst in Glu tamin His t id in Tyros in

Vitamine 56-ss Cholin Fols/~ure Inos i t Nicot inamid Pantothensi~ure Pyr idoxal Ribof lavin Th iamin

d) Kohlehydrat 5~ Glukose

e) Dialysiertes Serum

4~ j . F. MORGAN~ N. J. MORTON und R. C. PARKER, Prec. See. exp. Biol. Med., N. Y. 73, 1 (1950).

48 K. K. SANFORD, H. K. ~VALTZ, J . E . SHANNON, W . R . EARLE und V. J. EVANS, J. nat. Cancer Inst. 13, 121 (1957).

49 K, I<. SANFORD, P. A, LEADBETTER, J.C. BRYANT, W. P. BRAKER, V. J. EvANs und W. R. EARLE, J. nat. Cancer Inst. 1t, 513 (1953).

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15. 111. 1961 Articoli riassuntivi - Surveys 101

pensionskulturen unentbehrlich ist, kann angesiehts ,,-on sich widersprechenden Befunden wohl noch nicht definitiv entsehieden werden. Reinigung dieses Faktors hat zur Auffassung geftihrt, dass es sich sehr wahr- scheinlich um ein Glyeoproteid handelt e6, 6~.

Wohl das erstaunlichste Ergebnis aus all diesen Untersuchungen ist der Befund, dass die N~ihrbedtirf- nisse einer grossen Zahl verschiedener Zellstfimme, her- stammend yon verschiedenen Species und sowohl nor- malen wie neoplastischen Ursprungs, im wesentlichen tibereinstimmen ~s. Damit ist auch die Hoffnung, auf dieser Basis einen Untersehied zwischen normalen Zellen und Krebszellen zu finden, entffiuscht worden. Es ergibt sich hier somit eine v611ig andere Situation als bei den Mikroorganismen, welehe bekanntlich in ihren Wuchsstoffbedtirfnissen in weitem Rahmen va- riieren, und wo oft noch innerhalb .einer Species eine ganze Ftille yon Mutanten bekannt geworden sind.

Anderseits sind nun doch ffir einige Zellst~imme such gewisse spezielte Wuchsstoffbedtirfnisse beschrieben worden. Bei diesen zus~ttzlichen Wuehsstoffen handelt es sich um die Aminosfiuren Asparagin, Serin und Glyko- koll. Ferner zeigen einige Zellst~mme einen stark er- hShten Bedarf ftir Fols~ture. Die se speziellen N/ihrbe- diirfnisse treten bei den verschiedenen Zellst~immen zum Teil einzeln, zum Teil in Kombination auf ~, ~s-~.

Eine spezielle Frage stelten die N~ihrbedtirfnisse iso- lierter Zellen dar; diese sind, wie bereits ausgeftihrt, gr6sser als diejenigen dichterer Zellpopulationen. Ob ein N~ihrmedium diesen weitergehenden Bedtirfnissen gentigt, l~isst sich daran erkennen, ob eine gute Kolo- nieausbeute (~cloning efficiency), erreicht wird, das heisst, ob ein hoher Prozentsatz der isolierten Zellen zu Kolonien auswltchst. Bei Verwendung yon dialysiertem Serum in der N~hrl6sung wurden so eine ganze Reihe

• zus~itzlicher Nutrienten als unentbehrlich ftir die Ver- mehrung isolierter Zellen erkannt: einmal weitere Aminos~iuren (zus~itzlich zu den 13 in der Tabelle auf- geftihrten), so vor allem Serin a,~, ferner Metaboliten des Zitronens~iure-Zyklus, wie Pyruvat , Oxalacetat oder a-KetoglutaraO, ~s, und ausserdem auch Ch01este- rin ~. Weiterhin haben sich Purine ats wachstumssti- mulierend far isolierte Zellen des Walker-Carcinoms el~viesen~.

Schliesstich ist noch zu erw~ihnen, dass es in mehre- ren, F~tllen gelungen ist, S~iuger-Zellst~imme an ein chemiseh definiertes N~hrmedium (ohne Zusatz yon Serum) zu adaptieren~n-s% In diesen Fallen liegen aller- dings gute Anhaltspunkte daftir vor, dass dabei eine intensive Selektion stattgefunden hat, und ausserdem ist bemerkenswert, dass die Zellvermehrung in solchen synthetischen N~hrmedien meist wesenttieh langsamer vor sich geht als bei Zusatz yon Serum.

Im folgenden soUen nun einige besonders interessante Anwendungen der Zellkulturen und deren Ergebnisse besprochen werden.

Biochemie. Untersuchungen mit markierten Amino- s~iuren haben gezeigt, dass die Zellproteine nicht stabil sind, sondern in recht intensivem Austausch mit den freien Aminos~iuren im Zellinnern (dem sogenannten Aminos/iure-~Poob>) stehen: selbst wenn keine Netto- synthese yon Protein vor sich geht, finder ein stiindiger Einbau von Aminos~iuren stat t in einem Ausraass, welches einer Neubildung yon etwa 1% des Zellpro- teins/h entspricht sl. Hinsichtlich der NUkleins~iuren tiegen ~ihnliche Untersuchungen vor. Die Stabilitiit yon mit p32 wie auch mit Formiat-C ~4 markierten Nu- kleins/iuren ist untersucht worden 82-s4. Ftir die Desoxy- ribonukleins/iure ist dabei eine bemerkenswerte, wenn auch offenbar nicht absolute Stabilitiit gefunden wor- den, indem deren spezifische Aktivit/it praktisch nur nach Massgabe der Zellvermehrung abnimmt. Im Gegensatz dazu ist die Ribonukleins~iure wesentlich weniger stabil, so dass hier die Verh~iltnisse den ftir die Proteine beschriebenen n/iher kommen.

Eine andere Anwendungsm5glichkeit ftir die Bio- chemie besteht in der Abklltrung der biochemischen Funktionen von Vitaminen. So kann zum Beispiel Pyridoxal aus der Ntihrl6sung weggelassen werden, wenn zus~itzlich zu den 13 essentiellen Aminos/iuren (Tabelle) weitere 8 ~michtessentielle, Aminosiiuren in das Medium einbezogen werden sS. Offenbar dient also unter diesen Bedingungen Pyridoxal nach Umwand- lung in Pyridoxalphosphat ausschliesslich als Coenzym fiir Transaminierungen. Ahnlich kann Fols~ture dutch die Kombination von Glykokoll, Thymidin und einem Purin ersetzt werden ae, so dass wir annehmen k6nnen, dass Folsiiure hier nach Umwandlung in Coenzym F

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102 Articles g~ndraux - ~bersichtsreferate EXPERIENTIA XVII/3

einzig den Einbau von Ein-Kohlenstoff-Fragmenten in die Purine und in Thymin sowie die Umwandlung Serin-Glykokoll katalysiert.

Schliesslich ist die Verwendung von Zellst~immen mit spezifischen biochemischen :Funktionen zu erw~ih- nen. So konnte an Kulturen eines M~iuse-Mastocytoms gezeigt werden, dass Serotonin ausschliesslich aus freiem Tr)Ttophan gebildet wird. Weiterhin erm6g- lichte die Zfichtung einer hinsichtlich dieser Synthese besonders teistungsf~ihigen Zellinie, die Umwandlung von Tryptophan in Serotonin auch in zellfreien Homo- genaten nachzuweisen s7.

Pharmakologie. Zellkulturen stellen naturgem~iss ein sehr ansprechendes Modellsystem Sir maligne Tumo- ren dar, und so sind sie auch ausgiebig Ifir das Studium der Wirkung yon krebshemmenden Stoffen verwendet worden. Sehr tiberraschend war dabei der Befund, dass Kulturen yon normalen ZeUen und von Krebszellen praktisch die gleiche Empiindlichkeit gegentiber Car- cinostatica aufweisen °s,sg. Eine befriedigende Erkl~t- rung dafiir konnte bis jetzt nicht gegeben werden; zu- dem ist es schwer, abzusch~tzen, ob in vitro eine gerin- gere Empfindlichkeit der Krebszellen oder eine erh6hte Empfindtichkeit normaler Zetlen vofliegt. Es wurde auch die Ansieht ge~iussert, dass sich normale Zellen in der Kultur mit der Zeit in Zellen mit neoplasfischen Eigenschaften umwandeln; anderseits liess sich jedoch zeigen, dass Kulturen normaler Zellen bereits in der ersten Generation in vitro sich in ihrer'Empfindlichkeit gegenfiber Carcinostatica yon Krebszellkulturen nicht mehr unterscheiden 9o.

Eine vieldiskutierte Frage ist die der Eignung von Zellkulturen als Testobjekt ffir die Priifung neuer po- tentieller Carcinostatic~ 91. Dies ist yon grosser prakti- scher Bedeutung, da die Priifung solcher Substanzen an transplantierbaren Tumoren einen ausserordentlich grossen zeitlichen und finanziellen Auflvand mit sich bringt. Im allgemeinen hat es sich gezeigt, dass Sub- stanzen mit carcinostatischer Wirkung in vivo auch an Zellkulturen eine hohe Toxizit~t aufweisen ss,so, 02. Je- doch besteht keinerlei quantitative Korrelation zwi- schen carcinostatischer Wirkung in vivo und Toxizit~it in vitro, mit Ausnahme eng begrenzter Stoffgruppen wie zum Beispiel der Fols~ureantagonisten ss. Da im- merhin die meisten krebshemmenden Stoffe eine reeht hohe Toxizit~tt an Zellkulturen aufweisen, ist nun argu- menfiert worden, dass man Zellkulturen ffir eine erste Priifung (~Primary screen)>) yon neuen Substanzen ver- wenden kSnnte, urn dann diejenigen mit guter Hemm- wirkung in vitro ether weiteren Priifung an transplan- tierbaren Tumoren in vivo zu unterziehen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob es auch Carcinostatica gibt, welche eine geringe oder gar keine Hemmwirkung auf Zellkulturen ausiiben und welche dann durch eine solche vorl~iufige Priifung nicht erfasst wfirden. In der Tat sind nun mehrere solche Stoffe bekannt geworden; als Beispiele seien 6-Azauracil 9a als Vertreter der Anti-

metaboliten und Endoxan 9a als Beispiel eines Radio- mimeticums erw~thnt. Zusammenfassend kann somit wohl gesagt werden, dass Zellkulturen fiir eine Prfifung potentieller Carcinostatica yon zweifelhaftem Wert sind, und tats~ichlich wird die routinem~issige Testung neuer Verbindungen immer noch sehr weitgehend an ±ransplantierbaren Tumoren in vivo durchgefiihrt.

Anderseits sind nun aber ZeUkulturen mit sehr gutem Erfolg zur Aufkl~irung des XVirkungsmechanismus von krebshemmenden Stoffen herangezogen worden. Eine wichtige M6glichkeit fiir solche Studien besteht in der Analyse yon Antagonismen zwischen Antimetaboliten und normalen Stoffwechselsubstanzen. Damit lassen sich oft sehr wertvolle Erkenntnisse fiber den bioche- mischen Angriffspunkt eines Hemmstoffes gewinnen. So wird zum Beispiel die Hemmwirkung yon 6-Azau- ridin durch Uridin 9~, diejenige von 5-Fluorouracil-des- oxyribosid dutch Thymidin ~5 aufgehoben. Die Hem- mung durch 6-Mercaptopurin wird dutch Hypoxanthin in kompetitiver Weise; durch Adenin dagegen in nicht kompetitiver Weise rfickg~ingig gemacht, was darauf hindeutet, class 6-Mercaptopurin die Umwandlung yon Hypoxanthin in Adenin blockiert ~s. Ein weiteres in- teressantes Beispiel ist die Aufhebung der Wirkung des Fols~ure-Antagonisten Amethopterin durch die Kom- bination yon Thymidin, Glykoko]l und einem Purin s~, ~7. Die Zugabe dieser drei Metaboliten, deren Synthese in der Zelle mit Hilfe von Coenzym F vor sich geht, macht den durch Amethopterin induzierten Mangel an Coen- zym F wirkungslos.

Schliesslich sind diejenigen F/ille yon besonderem Interesse, in welchen eine Substanz in vivo eine carci- nostatische Wirkung ausiibt, auf Zellkulturen dagegen keinerlei Hemmeffekt zeigt. Ein solcher Sachverhalt l~isst im allgemeinen darauf schliessen, dass die Ver- bindung zwar selber unwirksam ist, jedoch in vivo, zum Beispiel in der Leber, in ein Produkt mit carcinostati- scher Wirkung umgewandelt wird. Dies konnte ffir 6-Azauracil gezeigt werden; diese Verbindung ist in vitro unwirksam, wird aber in vivo teilweise in 6-Azau- racil-Ribosid verwandelt, welches fiir die krebshem- mende Wirkung verantwortlich ist und aueh an Zell- kulturen eine betr~ichtliche Toxizit~tt aufweist 9s,gs.

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(1958).

15. I I I . 1961 Articoli riassuntivi - Surveys 103

Virologic. Die Fortschritte in der Kultur von S~iu- gerzellen haben auf die Virusforschung ausserordent- tich befruchtend eingewirkt, und heute bildet die ZeU- kulturmethodik vielleicht deren wichtigste experimen- telle Grundlage und ist aus virologisehen Laboratorien kaum mehr wegzudenken. Die hervorragende Eignung yon Zellkulturen ffir virologische Untersuchungen wurde allgemein erkannt, als es gelang, das Poliomye- litis-Virus in Kulturen yon extraneuralem Gewebe zu ztichten 99 Als besonders geeignetes Substrat fiir dieses Virus haben sich darauf Kulturen von Affennieren- zellen erwiesen, in welchen eine bis 10fache Zunahme des Virustiters erreieht wird 1°°. Dies er6lfnete gegen- fiber dem Tierversuch ganz neue M6glichkeiten ftir das Studium der Virusproduktion und zur Gewinnung von Virusmaterial in gr6sseren Mengen und hat sehliess- lich unter anderem zu der von SALK entwickelten Polio- myelitis-Vaccine geftihrt. Ein wesentlicher Schritt in der Richtung auf quantitative Methoden wurde geleistet, als es gelang, an Monolayer-Kulturen die Viruspartikel so- zusagen zu zithlen, indem jedes einzelne Virus, ih einer gentigend verdfinnten L6sung auf die Kultur gebraeht, zu einer makroskopisch siehtbaren Zone abgestorbener Zelten, einer sogenannten ~ Plaque ,), ftihrt 1~,1°°. Da die Viren innerhalb einer Plaque alle yon einem einzelnen Viruspartikel abstammen, ist es auf diese Weise zudem m6glieh, genetiseh einheitlicheVirusst~imme zu ziichten.

Mit Hitfe von Zellkulturen ist unter anderem auch der Frage nach den Wuchsstoffbediirfnissen ftir die Virussynthese nachgegangen worden, und es hat sich gezeigt, dass diese weniger umfangreich sind als dieje- nigen fiir die Zellvermehrung. So genfigen im allgemei- nen die tiblichen Mineralien, Glukose rind Glutamin a01, wRhrend in sehr verdtinnten Zellpopulationen noch die tibrigen, neben Glutamin flit die Zellen essentiellen Aminos~uren sowie Serumalbumin dazukommen 1°2. Ahnlich wie im Falle des Tabakmosaikvirus konnte auch ffir das Poliovirus nachgewiesen werden, dass die Virus-Ribonukleins~iure nach Abtrennung des Virus- proteins unter entspreehenden Bedingungen ihre Infek- tivitRt beibeh~ilt 103. Der Proteinanteil scheint neben der Austibung einer Sehutzfunktion vor allem ffir die Wirtsspezifit~tt des Virus verantwortllch zu sein, indem die freie Virus-Ribonukleins~ure imstande ist, auch in solche Zellen einzudringen und darin die Virussynthese auszul6sen, welehe gegeniiber dem Gesamtvirus resi- stent sind 1°4,1°5.

Viele Untersuchungen haben sich auch mit den im Zusammenhang mit der Virusinfektion und -synthese in der Zelle ablaufenden biochemischen Vorg~tngen be- fasst. Sowc, hl die morphologischen wie die biochemi- sehen Effekte hiingen dabei sehr vonder ,Art des Virus ab: Poliovirus zum Beispiel bewirkt viel tiefergreifen- de Veritnderungen als etwa Herpes- oder Influenza- Virus ~°~. Wolff die ausfiihrlichsten Untersuchungen liegen heute fiber die Wirkungen der Poliovirus-Infek- tion auf Zellkulturen vor. Was die frtihen Ver~nderun-

gen im Stoffwechsel der Proteine, Ribonukleins~ure und Desoxyribonukleinsliure nach Infektion mit diesem Virus anbetrifft, ist allerdings gegenw~irtig die Situa- tion noch recht verworren, indem durch Anwendung verschiedener Methoden zum Teil ziemlich wider- spruchsvolle Resultate erhalten worden sindX°6-~°L Immerhin ist der zeitliche Ablauf der Virusproduktion nach Infektion der Zellen gut bekannt, und auch fiber die Herkunft bestimmter chemischer Bestandteile der Viren liegt ein klares Bild vor. So konnte gezeigt wer- den, dass das Virus-Protein aus dem Aminostture- <~Pool,> der Zelle aufgebaut wird und nicht durch Um- bau von Zellproteinen entsteht no Weiterhin ergab sich beim Desoxyribonukleinsiiure-haltigen Vaccinia-Virus- dass fiir den Aufbau der Virt~s-Desoxyribonuklein- stture Thymin neu synthetisiert werden muss m. In der zentralen Frage, auf welche Weise nttmlich die Gegen- wart des Virus den normalen Zellstoffwechsel in so tiefgreifender Weise umzugestalten vermag, k6nnen allerdings heute leider erst Vermutungen aufgestellt werden.

Radiobiologie. ~hnlich wie im Falle der carcinosta- tischen Hemmstoffe hat sich auch fiir die R6ntgen- strahlen gezeigt, dass die Empfindlichkeit gegentiber Bestrahlung ftir sehr viele Zellst~mme, gleichgtiltig ob normalen oder neoplastischen Ursprungs, und gleich- gfiltig ob mit diploider oder polyploider Chromosomen- struktur, nur in sehr engen Grenzen variiert, im Ver- gleich mit der Empfindlichkeit des Gesamtorganismus jedoeh ausserordentlich hoeh ist n*. Die gleiche Emp- findlichkeit findet sieh auch gegenttber weichen RSnt- genstrahlen n3. Die Sch~idigung der Zellen bei niedriger Strahlendosierung iiussert sich in erster Linie im Ver- lust der Ftthigkeit zu fortgesetzter Vermehrung, unter Ausbildung yon Riesenzellformen, wobei jedoch meist noch einige Zellteilungen stattfinden k6nnen; die Ana- lyse der Dosiswirkungskurve deutet dabei darauf hin,

99 J. F. ENDERS, T. H. WELLER und F. C. ROBBINS, Science 109, 85 (1949).

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104 Articles g6n6raux - 0bersichtsreferate ]~XPERIENTIA XVII/3

dass zwei Treffer pro Zelle fiir eine solche irreversible Schiidigung erforderlich sind n4. Der prim~re Schaden, welcher in den Zellen durch die Bestrahlung gesetzt wird, seheint dabei offenbar im genetischen Apparat zu liegen: eine Bestrahlung mit der mittleren letalen Dosis yon etwa 50 r bewirkt im Durchschnitt ebenfalls eine morphologisch erkennbare Chromosomensch/idi- gung pro Zetle. Durch solche Chromosomensch~iden wird eine normale Mitose in l~rage gestellt und auf diese Weise die fortgesetzte Vermehrung der Zellen verun- m6glicht m. Nach Bestrahlung mit hohen Dosen treten im weiteren in den wenigen fiberlebenden Zellen auch relativ h~ufig Mutationen, erkennbar an Anderungen der Morphologie, Chromosomenstruktur oder der Vc~uchsstoffbedtirfnisse, auf n~.

Genetik. Die M6glichkeiten der Zellkulturtechnik liegen hier vor allem in Beitr~gen an die Genetik der somatischen Zellen, ein Gebiet, in welchem heute noch sehr wenig bekannt ist, welches aber in Zukunft wesent- liches zu den Fragen der embryologischen Differen- zierung und der Carcinogenese beitragen d/irfte. Bisher ist in e'rster Linie die Entwicklung yon resistenten Zell- st/immen untersucht worden. Ahnlich wie bei Mikro- organismen hat es sich gezeigt, dass je nach der Art des verwendeten Hemmstoffes die Resistenz durch eine einzelne Mutation, wie im Falle von 8-Azaguanin ~16, nT, oder aber durch eine Serie aufeinanderfolgender Muta- tionen, wie zum Beispiel unter dem Einfluss yon Ame- thopterin ns zustande kommt.

Von grossem Interesse ist auch die Beobachtung, dass sich in Zellkulturen keine n9, beziehungsweise nur eine geringe 12° Resistenz gegenfiber der Einwirkung ionisierender Strahlen entwickeln 1/isst.

Von hoher Aktualit/it ist schliesslich die Frage, ob es m6glich ist, mittels Desoxyribgnukleins~iure geneti- sche Merkmale auf eine Situgerzelle zu iibertragen, wie dies ffir Mikroorganismen mehrfach nachgewiesen wor- den ist. Dieses Problem ist fiir die gesamte Genetik so- matischer Zellen, insbesondere auch im Hinblick auf den Mechanismus der virusbedingten Carcinogenese, yon gr6sster Bedeutung. Desoxyribonukleins/tureindu- zierte, genetische Transformationen an S/iugerzellen sind jfingst beschrieben worden m,12~.

Was ist heute an neueren Arbeitsrichtungen auf dem Gebiet der Zellkulturen zu erkennen ? Da erscheinen vor allem zweierlei Bestrebungen zu einer Erweiterung der bisherigen experimentellen MSgliehkeiten erw~ih- nenswert.

Die eine dieser neuen Entwicklungen betrifff das Studium des Zellteilungszyklus vor~ S~iugerzellen. Die im vorhergehenden beschriebenen Methoden gestatten zwar, durch Untersuchung des Wachstums grosser

• Zellpopulationen in mancher Hinsicht gute Rtick- schlfisse in bezug auf die Vermehrung der Einzelzelle zu ziehen; fiber den zeitlichen Ablauf der Prozesse in der einzelnen Zelle yon Mitose zu Mitose vermSgen sic

jedoch keine Auskunft zu geben. Hier setzt nun die Frage nach den M6glichkeiten einer Synchronisierung von Zellkulturen ein, wie sie ftir Kulturen von Bakte- rien und Protozoen bereits mehrfach beschrieben wor- den sind; denn in einer synchronisierten Kultur lassen sich Ver~.nderungen im Laufe des Zellteilungszyklus an der gesamten Zellpopulation verfolgen, ffir welche bei- spielsweise eine biochemische Analyse viel leichter durchgefiihrt werden kann als fiir eine Einzelzelle. Eine recht befriedigende Synchronisierung yon ZeUkulturen ist bisher durch vortibergehende Senkung der Inkuba- tionstemperatur 1~3,1.1, eine partielle Synchronisierung ausserdem dutch die Verwendung yon Hemmstoffen ftir die Thymin-Biosynthese und nachfolgende Zugabe yon Thymidin 1~5, t2, erreicht worden. Bis heute liegen jedoch aus der Anwendung solcher synchronisierter Zcltkulturen ftir das biochemische oder pharmakologi- sche Studium des Zellteilungszyklus noch sehr wenige Ergebnisse vor.

Die zweite der erw/ihnten neueren Arbeitsrichtungen /iussert sich im Bestreben, die Kulturbedingungen so zu vervollkommnen, dass sich mit der Zeit s~imtliche der im Gesamtorganismus vorkommenden Zelltypen, soweit sic zur Zellteilung tiberhaupt bef/ihigt sind, in Kultur ziichten lassen. Davon sind wit heute noch weit ent- fernt, und so besteht gegenw/irtig eine erste, bescheide- nere Zielsetzung in der Kultur von Zellpopulationen, welche die ex rive entnommene Zellpopulation mSg- lichst repfitsentieren. Auch dies ist bisher nur in weni- gen Fitllen gelungen, und eine ganze Reihe von Anhalts- punkten spricht dafiir, dass im aUgemeinen unter den Bedingungen in vitro nut ein geringer Teil der Zellen imstande ist, sich fortgesetzt zu vermehren, und dass deshalb yon Anfang an eine intensive Selektion start- finder 4. Dies /iussert sich einerseits darin, dass das exponentielle Wachstum erst nach Ablauf einer oft recht langen Latenzperiode nach Inkubation der Pri- mArkultur einsetzt, wie beispielsweise im Falle des M/iuse-Sarkoms-1801~. Anderseits fiihrt die Selektion oft zu einer/~nderung der Eigenschaften der Zellpopu- lation mit fortschreitender Kultur: so ist bei der Kultur eines Zellstammes mit neoplastischen Eigenschaften eine allm~ihlich fortschreitende Abnahme der neopla-

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92, 347 (1956).

15. I I I . 1961 Articoli r iassuntivi - Surveys 105

stischen Infektivit/it beobachtet worden x~s. Daneben kommt es oft in Kulturen normaler ZeUen zum Auf- treten yon Zellen mit malignen Eigenschaften, welche sich dann in vivo wie Zellen eines transplantierbaren Tumors verhalten x~9;xa°. Dies deutet darauf hin, dass in der Kultur offenbar auch Mutationen ftir eine Anderung der Zelleharakteristiken verantwortlich zu machen sind. Besonders augenf~tllig /~ussert sich die- set Sachverhalt im Auftreten yon Zellen mit ver/inder- ter Chromosomenstruktur bei fortgesetzter Kultur in vitro, wie dies ftir viele Zellst/~mme beschrieben und zum Tell sehr eingehend untersueht worden ist ~2s. ls1-1a4.

Gegenw~rtig setzt sich nun mehr und mehr die An- sicht durch, dass solche Ver~tnderungen der Zellcha- rakteristiken nicht durch die Kultur in vitro an sich bedingt sind, sondern auf dem Fehlen optimaler Kul- turbedingungen ffir die betreffende Zellpopulation be- ruhen, wobei das Problem der optimalen Bedingungen in erster Linie die Zusammensetzung der Nfihrl6sung betrifft. So ist kfirzlich gezeigt worden, dass Fibrobla- stenkulturen fiber lange Zeit ihre Chromosomenstruk- tur unver~ndert beibehalten, wenn das N~hrmedium unter Zusatz yon Embryoextrakt oder f6talem Serum den Bedtirfnissen der Zellen ausreichend angepasst wird ~s-lss. Gleicherweise ist es in den letzten Jahren (lurch Anpassung der N~ihrl6sung an die speziellen Be- diirfnisse des betreffenden Zellstammes m6glich ge- worden, eine ganze Reihe yon transplantierbaren Tu- moren praktisch ohne Latenzzeit in vitro zu zfich- ten 21, 22,2a, 138

Einen Schritt welter in der Richtung der Kultur reprfisentativcr Zellpopulationen geht das Bestreben, Zellen mit spezifischen Funktionen in vitro zu zfichten, Da die morphologischen Eigenschaften unter den Kul- turbedingungen kaum als ausreichendes Kriterium ffir die Erhaltung von Zellfunktionen zu betrachten sind, kommen dafiir in erster Linie bioehemische Aktivit~ten in Frage. Die neoplastische Infektivit~it, welche zwar in vielen Fiilten unter den Kulturbedingungen erhalten bleibt, ist wohl nur mit Vorbehalten als (~Zetlfunktiom> aufzufassen. In Kulturen, welche aus normalen Gewe- ben hergestellt werden, wachsen nun ziemlich regel- mAssig Zellen mit epithelialer oder mit fibroblast~hn- licher Mol:phologie aus, wobei die spezifischen bioche- mischen Aktivit~ten, wie s ic beispielsweise a n der Leber besonders gut untersucht sind, bald nicht mehr nachgewiesen werden k6nnen. Ein solcher Zellstamm aus Leber wies zwar einen relativ hohen Glykogen- gehalt auf, hat te dagegen die wohl spezifischere FAhig- keit der Inaktivierung yon 0stradiol verloren xa°, und bei einem anderen, ebenfaJ/s aus Lebergewebe ent- standenden Zellstamm ~4~ waren mehrere fiir dieses Organ spezifische Enzyme in den Zellen in Kultur nicht mehr nachweisbar 142,x4~. An Kulturen yon Leber aus Hfihnerembryonen ist zudem gezeigt worden, dass das fiir Leber typische Bild des Kohlehydratstoff-

wechsels bereits wRhrend der ersten 24 h in vitro veflo- ten geht 144.

Es steltt sich die Frage, ob dieser Verlust spezifi- scher Zellfunktionen in vitro auf einer Entdifferenzie- rung der betreffenden Zellen beruht oder aber auf dem 13berwuchern anderer, unter den Bedingungen in vitro besser zur Vermehrung beflihigter Zelltypen, wie Bindegewebs- oder Epithelzellen. Ftir die zweite die- ser M6glichkeiten spricht nun die Tatsache, dass es in zwei F~illen gelungen ist, Zellen mit spezifischen bio- chemischen Funktionen in vitro zu ztiehten, ohne dass mit fortschreitender Zellvermehrung diese Zellfunk- tionen verloren gegangen w~iren. Dies betrifft einerseits Zellen eines M/iuse-Mastocytoms, deren Synthese von Histamin und Serotonin in der Kul tur quanti tat iv er- halten bleibt 24, und anderseits Zellen des Hypophysen- vorderlappens, welche ihre Produktion yon Hormonen in vitro ebenfalls fortfiihren 14s. In beiden F/illen besteht ein wesentlicher methodischer Kunstgriff in der Ab- trennung der funktionellen Zellen yon andersartigen, in der urspriinglichen Population mit vorhandenen Zelltypen, wie Fibroblasten oder Histiocyten. Ausser- dem ist ftir die Kultur der neoplastischen Mastzellen eine an deren besondere N~hrbediirfnisse angepasste N~hrl6sung erforderlich. Die Kultur anderer Zelltypen mit spezifischen Funktionen liegt somit offenbar durch- aus im Bereich der M6glichkeit, wenn diesen beiden Voraussetzungen, n~imlich der Abtrennung von Be- gleitzellen und der Verwendung eines N~hrmediums mit allen fiir die betreffende Zellart essentiellen Nutri- enten, Rechnung getragen wird. Wie welt dabei auch Hormone ftir die Erhaltung der Zellfunktion eine Rolle spielen, ist gegenw~rtig noch kaum vorauszusehen.

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und E. SHAPIRO, Proc. Soe. exp. Biol. Med., N. Y. 10~, 403 (1959).

106 Br~ves communications - Kurze Mitteilungen EXPERIENTIA XVII/3

Als noch wetter gestecktes Ziel ist schliesslich die Kultur yon beliebigen Einzelzellen, soweit sic fiber- haupt zur Vermehrung befiihigt sind, direkt anschlies- send an deren Isolierung aus Geweben des Gesamtorga- nismus zu nennen. Zur L6sung dieser Aufgabe reichen allerdings unsere gegenw~rtigen Kenntnisse fiber die Niihrbediirfnisse isolierter S~iugerzellen noch bet wet- tern nicht aus. Ein solches Kultursystem wird jedoch wiederum neue M6gliehkeiten er6ffnen ffir das Studium der Verwandtschaft und der Wechselwirkung zwischen verschiedenen Zelltypen some fiir die Bearbeitung yon Fragen der embryologischen Differenzierung.

W/ihrend sich somit die bisherige Entwicklung auf dem Gebiete der Zeltkulturen vor altem mit Fragen des \Vachstums und der Zellvermehrung befasst und dabei besonders die grosse /~hnlichkeit vieler verschiedener

Zelltypen in vitro hervorgehoben hat, scheinen die gegenw/irtigen Bestrebungen die Grundlagen zu legen ffir eine Analyse der Zellfunktion, der Zelldifferenzie- rung und vermutlich auch der neoplastischen Entar- tung, wobei neben dem Gemeinsamen wohl auch im- mer mehr die Unterschiede zwischen den einzelnen Zelltypen des Gesamtorganismus hervortreten werden.

Summary. In this brief review, the development of modern quantitative methods for the cultivation of mammalian cells in vitro is described, and present knowledge of their nutritional requirements is pre- sented. In addition, some applications of these tech- niques in biochemistry, pharmacology, virology, ge- netics, and radiobiology are discussed.

B r ~ v e s c o m m u n i c a t i o n s - K u r z e M i t t e i l u n g e n - B r e v i c o m u n i c a z i o n i - B r i e f R e p o r t s Les auteurs sont seuls responsabtes des opinions experim4es dans ces communications. - Ftir die kurzen Mitteilungen ist aussehliesslich der Autor verantwortlich. - Per le brevi eomunicazioni 6 responsabile solo t'autore. - The editors do not hold themselves responsible

for the opinions expressed by their correspondents.

V o a c a n g a - A l k a l o i d e IV 1. S t r u k t u r y o n V o a c r y p t i n und V o a c r i s t i n

Fiir das aus Stammrinden yon Voacanga a/ricana StapI isolierte Nebena lka lo id V o a c r y p t i n , C22H~sN20~, b a t t e n wi t auf G r u n d spek t r a l e r und ana ly t i sche r D a t e n die S t r u k t u r eines Oxovoacang ins v e r m u t e t 2. N a c h d e m fiir Voacr is t in , C22H,sN~O4, die K o n s t i t u t i o n eines H y d r o x y - voacang ins abge le i te t worden ist ~,s, lag es aus b iogene- t i schen Gr t inden nahe , fiir beide Stoffe die gleiche Stel lung des O-Atom s am Voaeanginger f i s t a n z u n e h m e n . Diese H y p o t h e s e konn t e d u r c h d i rek te Uber f t ih rung von Voa- c r y p t i n in Voacr i s t in expe r imen te l l ges icher t und ftir V o a c r y p t i n die S t r u k t u r (I) des 20-Oxovoacangins be- wiesen werden ; Voacr i s t in ist d e m n a e h 20 -Hydroxy- voacang in (II) L

M ~ O ~ N I R: =0

g g: H 2 [HSalt-COOM~) MBOOG

Voacryptin bes i t z t eine Ca rbony lg ruppe (5,83 t~ in CH2C12) ~, die d u r c h Dars t e l lung eines Oxims, Smp. 114 bis 116 °, chemisch ges icher t ist. Die Lage der Carbonyl - abso rp t ion 1/isst auf eine a l ipha t i sche oder al icyclische K e t o g r u p p e schliessen. E i n e n ind i rek ten Hinweis auI die Ste l lung dieser Oxofunk t ion l iefert die Chroms/ ture- O x y d a t i o n des V o a c r y p t i n s : u n t e r den d ra s t i s chen Be- d ingungen der t3est imrnung nach K u h n - R o t h k o n n t e eine C-Methy lgruppe nahezu q u a n t i t a t i v er fass t werden ~. Nach O x y d a t i o n u n t e r mi lderen Bed ingungen ~ k o n n t e papier - c h r o m a t o g r a p h i s c h nu r EssigsXure u n d keine P rop ionshure nachgewiesen werden , was gegen das Vorl iegen e ther C- Ae thy lg ruppe , n i ch t abe r gegen eine CH~CO-Sei tenket te ~ spr ich t . Die nach HUA~G-M:m.O~ s ausgef i ihr te \Vol f f - K i s h n e r - R e d u k t i o n l ieferte u n t e r gleiehzei t iger Decar - b o m e t h o x y l i e r u n g 9 d i r ek t Ibogain ( I I I ) ~ , wodurch die 20-Stel lung der K e t o g r u p p e sowie das den Isochinucl id in- a lkaloiden geme insame Grundger i i s t n fiir V o a c r y p t i n be- wiesen ist.

Die R e d u k t i o n des Voac ryp t in s mi t K a l i u m b o r h y d r i d ve r thuf t s ter isch n i c h t e inhei t l ich. Aus d e m Oemisch dia- s t e r eomere r D i h y d r o v o a c r y p t i n e k o n n t e nach Acetyl ie- rung ats H a u p t p r o d u k t ein in al len E i g e n s c h a f t e n m i t Voacristin-acetat ~,x~ ident i sches O -A ce t a t e rha l t en werden. In d e n Mut t e r l augen fand sich 20-epi-Voacrist in-O-acetat , Smp. ca. 180 °~ .

Summary. V o a c r y p t i n e is d e m o n s t r a t e d to be 20-oxo- voacangine . On reduct ion , i t furnishes voacr i s t ine (20- h y d ro x y v o acan g i n e ) and 20-epi-voacristine.

U. RENNI~R 13 und D. A. PRINS

Wissenschadtliche Laboratorien der J . R. Geigy AG., Basel, 74. Dezember 7960.

: 3. Mitt. U. RENNER und D. A. 1)RINS, Exper. 15, 456 (1959). 2 U. RE~NER, Expcr. 15, 185 (1959). a D. STAUFFACHER und E. SEEB~CK, Hclv. chim. Acta 41, 169 (1958).

Iboxygain ~ (= Decarbomethoxyvoacfistin 1 = Decarbomcthoxy- voaeangarin ~) ist somit "20-Hydroxyibogain. {Anmerkung bet der Korrektur, 16. Feb. 1961 ). Inzwischen ist die 20-Stellung der Hydro- xylgruppe auch auf anderm Wcge eindeutig gcsichert wordcn: K. BIEMANN und M. FRIEDMANN-SPITELLER, Tetrahedron Letters 2, 1961, im Druck.'Wir danken Herrn Frof. BXE.~IA~ ffir die freund- liche 0berlassung seines Manuskriptes.

5 R. GOUTAREL, F. PERCHERON und M. M. JANOT, C. R. Acad. Sci. Paris, 246, "279 {1958). H. B:CKEL, H. SCHMID und P. KARRER, Helv. chim. Acta 38, 649 0955).

7 Auch der positive Ausfall der qualitativen Jodoformprobe spricht ffir das Vorliegen ciner CH3CO-Gruppierung.

g HUANG-MINLON, J. Amer. chem. Soc. fig 2587 (1946), U. RENNER, D. A. PRINS und W. G. STOLL, Helv. ehim. Aeta 42, 1572 (1959).

10 Vergleiche mlt authentischcn Pr~paraten, Misch-Smp., IR-Spek- trum und spez. Drehung.

:1 M. F. BARa'LETT, D. F. DlCKEI. und W. 1. TAYLOR, J. Amer. chem. Soc. 80, 126 (1958).

12 Vermutlich noch nicht ganz rein. Misch-Smp. mit Voacristinacetat zeigt Depression yon rund 20 °. Im I R-Spektrum fehlen die Banden der MeCO-Gruppe.

~a Den HH. Dres. E. GIROD, H. WAG~ER und ihren Mitarbeitern danken wir ffir Spektren und Mikroanalysen.