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Einleitung Das Risiko für einen Intensivpatienten, eine Muskel- dysfunktion zu entwickeln, ist hoch. Einfluss auf die Entwicklung einer Muskelschwäche bei Intensiv- patienten nehmen verschiedene Faktoren, darunter Inaktivität, entzündliche Prozesse und Medikamente wie Kortikosteroide, Muskelrelaxanzien oder Antibio- tika. Bei 25 33 % der beatmeten Patienten kann bereits nach 4 7 Tagen klinisch eine Schwäche der peripheren Muskulatur nachgewiesen werden; bei Patienten mit ARDS sind es sogar 60 %. 35 76 % der septischen Patienten zeigen einen Verlust der Muskelkraft, wel- cher sogar mit einem Anstieg der Letalität in Verbin- dung gebracht werden kann [1]. Aus diesem Grund ist eine an den Zustand des Patienten angepasste Mobili- sierung für den Genesungsprozess und die Wiederher- stellung des funktionellen Status von großer Bedeu- tung. Pathophysiologie Das Auftreten einer generalisierten Muskelschwäche und der damit einhergehenden Funktionseinschrän- kungen ist ein essenzielles Problem von Intensiv- patienten. Um den Folgen der Intensivliegezeit thera- peutisch und präventiv entgegenzuwirken und einen schnellen Heilungsprozess zu fördern, rückt die Früh- mobilisierung zunehmend in das Interesse der Inten- sivtherapie. Allerdings ist der pathophysiologische Hintergrund noch nicht ausreichend erforscht. Die Pathogenese der Critical-illness-Myopathie und Criti- cal-illness-Polyneuropathie ist komplex und beinhaltet metabolische, inflammatorische und bioenergetische Veränderungen (Infobox 1). Definition der Critical-illness-Polyneuropathie. Diese Form der Polyneuropathie ist eine häufige Erkrankung bei Intensivpatienten, verursacht durch akute und pri- märe Schädigung meist motorischer, aber auch senso- rischer Axone. Elektroneurografisch findet man eine Reduktion der Amplitude der Nervenaktionspoten- ziale. Diese Veränderung kann sensorische und moto- rische Neuronen betreffen. Hiervon unterscheiden Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten Sebastian Weiterer, Birgit Trierweiler-Hauke, Andreas Hecker, Gabor Szalay, Martin Heinrich, Konstantin Mayer, Markus A. Weigand Die Mobilisierung von Intensivpatienten ist schwierig dabei unterstützt eine möglichst frühe Mobilisierung den Heilungsprozess und senkt die Komplikationsrate. Was gibt es für Möglichkeiten und wo sind die Grenzen der Frühmobilisierung? Intensivmedizin up2date 8 ê 2012 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1309875 ê VNR 2760512012137992726 Infobox 1 Risikofaktoren für Critical-illness-Myopathie und Critical-illness-Polyneuropathie Sepsis Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) Multiorganversagen weibliches Geschlecht schweres Asthma Therapie mit Kortikosteroiden unphysiologische Elektrolytwerte Immobilisierung Malnutrition Operative Intensivmedizin 165 Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.

Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten · Form der Polyneuropathie ist einehäufige Erkrankung bei Intensivpatienten, verursacht durch akute und pri- märe Schädigung

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Page 1: Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten · Form der Polyneuropathie ist einehäufige Erkrankung bei Intensivpatienten, verursacht durch akute und pri- märe Schädigung

Einleitung

Das Risiko für einen Intensivpatienten, eine Muskel-dysfunktion zu entwickeln, ist hoch. Einfluss auf dieEntwicklung einer Muskelschwäche bei Intensiv-patienten nehmen verschiedene Faktoren, darunterInaktivität, entzündliche Prozesse und Medikamentewie Kortikosteroide, Muskelrelaxanzien oder Antibio-tika. Bei 25–33% der beatmeten Patienten kann bereitsnach 4–7 Tagen klinisch eine Schwäche der peripherenMuskulatur nachgewiesen werden; bei Patienten mitARDS sind es sogar 60%. 35–76% der septischenPatienten zeigen einen Verlust der Muskelkraft, wel-cher sogar mit einem Anstieg der Letalität in Verbin-dung gebracht werden kann [1]. Aus diesem Grund isteine an den Zustand des Patienten angepasste Mobili-sierung für den Genesungsprozess und die Wiederher-stellung des funktionellen Status von großer Bedeu-tung.

Pathophysiologie

Das Auftreten einer generalisierten Muskelschwächeund der damit einhergehenden Funktionseinschrän-kungen ist ein essenzielles Problem von Intensiv-patienten. Um den Folgen der Intensivliegezeit thera-peutisch und präventiv entgegenzuwirken und einenschnellen Heilungsprozess zu fördern, rückt die Früh-mobilisierung zunehmend in das Interesse der Inten-

sivtherapie. Allerdings ist der pathophysiologischeHintergrund noch nicht ausreichend erforscht. DiePathogenese der Critical-illness-Myopathie und Criti-cal-illness-Polyneuropathie ist komplex und beinhaltetmetabolische, inflammatorische und bioenergetischeVeränderungen (Infobox 1).

Definition der Critical-illness-Polyneuropathie. DieseForm der Polyneuropathie ist eine häufige Erkrankungbei Intensivpatienten, verursacht durch akute und pri-märe Schädigung meist motorischer, aber auch senso-rischer Axone. Elektroneurografisch findet man eineReduktion der Amplitude der Nervenaktionspoten-ziale. Diese Veränderung kann sensorische und moto-rische Neuronen betreffen. Hiervon unterscheiden

Frühmobilisierung des chirurgischenIntensivpatientenSebastian Weiterer, Birgit Trierweiler-Hauke, Andreas Hecker,Gabor Szalay, Martin Heinrich, Konstantin Mayer, Markus A. Weigand

Die Mobilisierung von Intensivpatienten ist schwierig – dabei unterstützt eine möglichstfrühe Mobilisierung den Heilungsprozess und senkt die Komplikationsrate. Was gibt es fürMöglichkeiten und wo sind die Grenzen der Frühmobilisierung?

Intensivmedizin up2date 8 ê2012 êDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1309875 êVNR 2760512012137992726

Infobox 1

Risikofaktoren für Critical-illness-Myopathie und

Critical-illness-Polyneuropathie

█ Sepsis█ Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)█ Multiorganversagen█ weibliches Geschlecht█ schweres Asthma█ Therapie mit Kortikosteroiden█ unphysiologische Elektrolytwerte█ Immobilisierung█ Malnutrition

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muss man das Guillain-Barré-Syndrom, eine demyeli-nisierende Polyradikuloneuritis, bei der es zu einerVerminderung der Nervenleitgeschwindigkeit beigleichbleibender Amplitude kommt (Abb.1, Infobox 2).

Definition der Critical-illness-Myopathie. Der Ausdruck„Critical-illness-Myopathie“ bezeichnet eine akuteund primäre Muskelerkrankung bei Intensivpatienten,die zu einer Muskelschwäche und zu Paralysen führt.Die Critical-illness-Myopathie ist nicht die Folge einerCritical-illness-Polyneuropathie aufgrund einer nerva-

len Minderstimulation mit sekundärer Myopathie,sondern ein eigenes Krankheitsbild.

Pathophysiologie der Critical-illness-Polyneuropathie.

Lange Zeit wurde eine Störung der Mikrozirkulationaufgrund einer ausgeprägten Vasodilatation und dieAktivierung von Adhäsionsmolekülen für die Schädi-gung peripherer Nerven verantwortlich gemacht. Eszeigte sich aber, dass intrazelluläre Mechanismeneinen zusätzlichen direkten Einfluss auf die Entstehungeiner Critical-illness-Polyneuropathie haben.

Durch inflammatorische Prozesse kommt es bei septi-schen Patienten im Endothel der die Nerven versor-genden Gefäße zu einer vermehrten Expression vonE-Selectin. Dieses ist ein Marker für die Endothelzell-aktivität und wird normalerweise in peripherenMikrogefäßen nicht exprimiert. Entzündungsmediato-ren wie TNF-α und IL-1 induzieren eine verstärkteFreisetzung von E-Selectin. Die Folge ist eine Leuko-zytenaktivierung im endoneuralen Zwischenraum undeine gewebeschädigende lokale Zytokinproduktion.Außerdem führt der Anstieg der Zytokinkonzentrationzu einer erhöhten Gefäßpermeabilität und damit zueiner Passageerhöhung neurotoxischer Substanzen indas Endoneurium.

Wahrscheinlich ist das Zusammenspiel aus vaskulärenund zellulären Ereignissen für die Reduktion des Ner-venaktionspotenzials verantwortlich. Anfänglichefunktionale Schwächen führen dann später zu bleiben-den Schäden auf zellulärer Ebene [3,4,5].

Pathophysiologie der Critical-illness-Myopathie. Es gibtverschiedene Theorien über die Ursache der Unerreg-barkeit der Muskulatur trotz erhaltener Muskelstruk-tur. Vermutet wird neben einer unvollständigen Mus-kelentspannung durch Denervierung eine mangelhafteHerunterregulation des Membranpotenzials für Chlo-rid, eine Veränderung der spannungsabhängigenNatriumkanäle und eine mitochondriale Dysfunktion.

Bei einer Sepsis kommt es in der Skelettmuskulatur zueiner mitochondrialen Dysfunktionmit einer Abnahmedes intrazellulären Glutathions und zu einem Anstiegder NO-Produktion. Damit vermindert sich die Aktivi-tät des Komplexes 1 der Atmungskette und somit auchdie ATP-Gewinnung. Gleichzeitig sinkt die Freisetzungvon Kalzium aus dem sarkoplasmatischen Retikulum [6].

Die sepsisbedingt freigesetzten proinflammatorischenZytokine und das gleichzeitige Ungleichgewicht desHormonhaushalts sind Hinweise auf einen übergeord-

Nervenaktionspotenzial

▪ normale Amplitude▪ normale Nervenleit- geschwindigkeit

▪ reduzierte Amplitude▪ normale Nervenleit- geschwindigkeit

▪ normale Amplitude▪ verlangsamte Nervenleit- geschwindigkeit

Normaler Nerv Neuropathischer Nerv(Critical-illness-

Polyneuropathie)

Demyelinisierter Nerv(Guillain-Barré-Syndrom)

Abb.1 Elektroneurografische Veränderungen bei Critical-illness-Polyneuropathie undGuillain-Barré-Syndrom (nach [3]).

Infobox 2

Guillain-Barré-Syndrom

Definition. Demyelinisierende

Polyradikuloneuritis

Inzidenz. 1–2 pro 1 Mio. zuvor

gesunder Menschen

Pathogenese. Wahrscheinlich ver-

ursacht von Autoantikörpern

gegen Ganglioside oder Myelin

Ätiologie. In zwei Dritteln der Fälle

vorausgegangene Infektion mit

Diarrhö, meist Campylobacter jeju-

ni, Epstein-Barr-Virus, Zytomegalie,

Varizella-zoster-Virus oder in Folge

einer Sepsis [2]

Verlauf:█ nach 4 Wochen progressive

motorische Schwäche und sen-

sorische Missempfindung█ nach weiteren 2–3 maximal

4 Wochen Stagnation der

Symptome mit anschließender

Rückbildung über Monate bis

Jahre█ Prognose meist gut█ in 30% der Fälle Beteiligung des

neuromuskulären Respirations-

systems mit Intubations- und

Beatmungspflichtigkeit

Diagnostik:█ zytoalbuminäre Dissoziation im

Liquor (normale Zellzahl mit

erhöhter Albuminkonzentration)█ verlangsamte Nervenleit-

geschwindigkeit bei normaler

Amplitude im EMG (Abb.1)█ Antikörpernachweis: GM1

(GQ1b Miller-Fisher-Syndrom)

Therapie. Physiotherapie, Immun-

globuline, Plasmapherese.

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neten Effekt, der sich letztlich auch auf die Muskelleis-tung auswirkt. Die verminderte relative Konzentrationanaboler Hormone wie Insulin und „Insulin-like-growth“-Faktor 1 bei gleichzeitigem Anstieg der kata-bolen Gegenspieler (Kortisol, Katecholamine undGlucagon) führt zu einem verstärkten proteolytischenEffekt. Die Aktivierung der intrazellulären proteoly-tischen Systeme wie Ubiquitin-Proteasom und lyso-somaler und nichtlysosomaler Systeme hat einenAbbau der Muskulaturproteine und damit einen Ver-lust der „Muskelmasse“ zur Folge [7,8].

Muskeltraining und Inflammation. Zwischen körper-licher Aktivität, Inflammation und dem Immunsystembesteht eine enge Verbindung. Es ist bekannt, dasskörperliche Belastung zu einem Anstieg von Adrenalin,Kortisol, Wachstumshormonen, Prolaktin und anderenFaktoren führt, die einen immunmodulierenden Effekthaben. Auf der anderen Seite führt körperliche Aktivitätzu einer verminderten Expression von „Toll-like“-Re-zeptoren auf der Oberfläche von Monozyten, wodurchein Einfluss auf die systemische Inflammation möglichist.

Eine moderate körperliche Belastung hat einen protek-tiven Effekt und dämpft eine chronische Inflammation.Dagegen fördert ein sehr intensives Training über einenlangen Zeitraum ohne adäquate Erholungspausen einesystemische Inflammation.

Ein Grund für diese immunmodulierenden Effekte kör-perlicher Belastung ist die Ausschüttung von Myoki-nen. Dabei handelt es sich um Zytokine, die von Mus-kelzellen produziert und ausgeschüttet werden, sodassbei extremer Anstrengung die Blutkonzentration vonIL-6, IL-10 und TNF-α steigt. Zwar hat dieser Anstiegakut einen positiven Effekt, z.B. eine erhöhte hepati-sche Glukoneogenese – eine chronische Erhöhung vonIL-6 und TNF-α führt jedoch zu einer Muskelatrophieund einer Hemmung der Muskelregeneration [3, 9].

Eine gezielte und maßvolle körperliche Belastung

ist zur Behandlung und Prävention verschiedener

Krankheiten sinnvoll. So hat Ausdauertraining bei-

spielsweise einen kardioprotektiven Effekt und

Krafttraining reduziert eine Sarkopenie.

Genexpression. Eine häufige Stimulation des Motoneu-rons führt zu einer Anpassung des Skelettmuskels andie Belastung. Krafttraining führt zu einer intermittie-renden, starken Freisetzung von Kalzium aus dem sar-koplasmatischen Retikulum. Folge ist eine Genexpres-sion und damit eine spezifische Antwort der Typ-IIB-

Muskelfibrillen, die eine Hypertrophie der Muskel-fibrillen nach sich zieht. Im Gegensatz dazu stimuliertAusdauertraining Muskelfibrillen vom Typ I und IIAbereits durch kleine Mengen Kalzium (Infobox 3).Auch hierbei kommt es zu einer Genexpression und zueiner Synthese von Muskelfibrillen. Das Training akti-viert durch die Kalziumfreisetzung katalytische Unter-einheiten der Proteinphosphatase Calcineurin undProteinkinasen, die von Kalzium/Calmodulin abhängigsind. Folge ist eine Phosphorylierung zahlreicherTranskriptionsfaktoren und ihrer Cofaktoren („cyclicAMP responsive element binding protein“ [GREB],„myocyte enhancer factor 2C“ [MEF2C] und MEF2D)sowie von Mitgliedern der Familie aktivierter T-Zellen(NFAT). Diese Faktoren beeinflussen die Expressionder belastungsregulierten Muskelgene.

PGC-1α. Der Einfluss von PGC-1α („peroxisome prolife-rator-activated receptor γ-Coaktivator-1α“) scheint beidiesen Prozessen von großer Bedeutung zu sein. In ver-schiedenen Studien hat sich gezeigt, dass der PGC-1αeinen Protein- und Muskelabbau verhindert [10,11,12]. Vermutlich vermindert PGC-1α die Entstehung vonEntzündungsmediatoren und Myokinen in der Mus-kelzelle. Die Menge an vorhandenem PGC-1α scheintvon der Höhe der körperlichen Belastung abhängig zusein. Gleichzeitig kontrolliert die Menge an PGC-1α dieAnpassung der Muskelfibrillen an die körperlicheBelastung. Letztlich vermindert sich die systemischeInflammation bei regelmäßiger körperlicher Belastung.Im Gegensatz dazu führt Inaktivität zu einer Abnahme

Infobox 3

Muskelphysiologie

Die Muskulatur besteht aus verschiedenen Muskel-

fasertypen:█ langsame Fasern: Diese myoglobinreichen Muskel-

fasern (rote Muskulatur, „Slow-twitch“-Fasern)

arbeiten oxidativ und sind ermüdungsresistent.

Diese Typ-I-Fasern sind reich an Mitochondrien und

für konstante Belastungen und Ausdauerleistungen

ausgelegt.█ schnelle Muskelfasern: Diese myoglobinarmen

Muskelfasern (weiße Muskulatur, „Fast-twitch“-

Fasern) arbeiten glykolytisch und sind für kurze

Belastungen und eine hohe Kraftentfaltung aus-

gelegt und schnell ermüdbar. Sie bestehen aus

Typ-IIB-Fasern und besitzen im Vergleich zum Typ I

weniger Mitochondrien.█ Zwischentyp: Diese Muskelfasern (Typ IIA) haben

sowohl Kraft- als auch Ausdauereigenschaften.

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von PGC-1α im Skelettmuskel, wodurch proinflamma-torische Faktoren ein Übergewicht erlangen und einechronische Inflammation verstärkt werden kann. WiePGC-1α und die inflammatorische Genexpression imMuskel auf molekularer Ebene genau zusammenhän-gen, ist allerdings noch unklar. Man vermutet eineKontrolle durch Sauerstoffradikale, da oxidativer Stressund Inflammation bei vielen Skelettmuskelerkrankun-gen in Zusammenhang stehen. Ob der Effekt von PGC-1α therapeutisch nutzbar gemacht werden kann, z.B.durch eine Modifikation oder Erhöhung der Konzen-tration, bleibt offen.

PGC-1α scheint allerdings ein großes Potenzial bei derBehandlung von Patienten mit Sarkopenie und demVerlust von Muskelmasse zu haben [13]. Tierexperi-mentelle Studien zeigten, dass die Induktion von PGC-1α in der Skelettmuskulatur zu einer Steigerung derAngiogenese und Reperfusion von bereits ischämi-schem Gewebe führt. Darüber hinaus beendet es diedurch Denervierung getriggerte Atrophie und verbes-sert den von einer Duchenne-Dystrophie verursachtenMuskelschaden [14]. PGC-1α scheint außerdem dieInsulinresistenz im menschlichen diabetischen Mus-kelgewebe zu verbessern, ohne eine Hyperglykämie inder Leber herbeizuführen [15].

Beurteilung des funktionellenStatus

Die Entstehung einer Muskelschwäche bei Intensivpa-tienten ist ein schleichender Prozess, der leicht überse-hen werden kann. Bei Diagnosestellung sind daher dieklinischen Zeichen und geeignete Tests wichtig undhilfreich.

Befallsmuster. Eine auf der Intensivstation erworbeneMuskelschwäche spart normalerweise die faziale Mus-kulatur aus. Eine währendWachphasen schwache oderfehlende Reizantwort der Extremitätenmuskulatur aufeinen nozizeptiven Stimulus in Verbindung mit einernormalen Antwort der Gesichtsmuskulatur ist folglichein nützliches Warnsignal. Der Patient blinzelt, bewegtaber weder Arme noch die Beine. Dabei kann die mus-kuläre Störung beidseitig und annährend symmetrischausgeprägt sein.

Handgriffstärke. Um eine Muskelschwäche frühzeitigerkennen und therapieren zu können, ist deren sichereErkennung erforderlich. Zwar ist eine Elektromyografierelativ einfach durchzuführen, aber deren Interpreta-

tion bedarf auch gewisser Erfahrung. Im Gegensatzdazu ist die klinische Beurteilung am Krankenbettleicht durchführbar, allerdings ist hierfür die Aufmerk-samkeit und Vigilanz des Patienten notwendig. Eineinfacheres, objektives Mittel zur Messung der Muskel-kraft ist die Handgriff-Dynamometrie, welche sich zurBestimmung der globalen Stärke bei neuromuskulärenErkrankungen etabliert hat.

In einer multizentrischen Studie an beatmeten Inten-sivpatientenwar die auf der Intensivstation erworbeneMuskelschwächemit einer erhöhten Krankenhaus-sterblichkeit verbunden. Bei dieser Studie hat sich diePrüfung der Handgriffstärke als günstig zurMessungderMuskelkraft und zur Identifizierung einer auf der

Tabelle 1

MRC-Score zur Beurteilung der Muskelkraft.

Muskeltest

obere Extremität:

█ Armabduktion

█ Ellenbogenflexion

█ Handgelenksextension

untere Extremität:

█ Hüftflexion

█ Knieextension

█ Sprunggelenksextension

Befund Punkte

█ keine sichtbare Kontraktion 0

█ sichtbare Kontraktion ohne Bewegung 1

█ aktive Bewegung, aber nicht gegen dieSchwerkraft

2

█ aktive Bewegung gegen die Schwerkraft 3

█ aktive Bewegung gegen Widerstand 4

█ normale Kraft 5

Jede Extremität wird mit einer Punktzahl von 0–15 bewertetDie Gesamtwertung umfasst 0 Punkte (Tetraplegie) bis60 Punkte (normale Muskelkraft)

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Intensivstation erworbenenMuskelschwäche erwiesen[16].

MRC-Score. Zur Diagnosesicherung und Verlaufsbeob-achtung kann der MRC-Score (Medical Research Coun-cil Score) einen Überblick über den Zustand der Extre-mitätenmuskulatur geben. Dazu prüft man die Mus-kelkraft je Extremität an 3 Gelenken und bewertet siein jeweils 6 Stufen (Tab.1).

Frühmobilisierung auf derIntensivstation

Das Risiko einer Muskeldysfunktion ist bei Intensivpa-tienten hoch. Entscheidende Faktoren sind Inaktivität,entzündliche Prozesse und verschiedene Medikamente(Kortikosteroide, Muskelrelaxanzien, Antibiotika).Bei 25–33% der beatmeten Patienten ist bereits nach4–7 Tagen eine Schwäche der peripheren Muskulaturnachzuweisen–bei ARDS-Patienten sind es sogar60%. Auch 35–76% der septischen Patienten zeigeneinen Verlust der Muskelkraft, der sogar mit einemAnstieg der Letalität in Verbindung gebracht werdenkann [1].

Ein verlängerter Intensivaufenthalt beeinträchtigt denfunktionellen Status und die Lebensqualität einesPatienten oft bis zu mehreren Jahren über den eigent-lichen Krankenhausaufenthalt hinaus. Die Muskelkraftund nicht die Leistungsfähigkeit der Lungen ist dasentscheidende Element für die Wiederherstellung derLeistungsfähigkeit [1]. Der Verlust von Muskelmasse istin den ersten 2–3 Wochen am höchsten. Deshalb istauch bei kritisch kranken Intensivpatienten bereits inder Frühphase eine aktive und passive physiothera-peutische Intervention sinnvoll. Eine Bettlägerigkeitmuss nicht zwangsläufig eine Inaktivität und Passivitätbedeuten. Durch aktive Elemente wie das Bettfahrradoder ein flexibles Übungsband können Patienten mitschwerer COPD oder während der Hämodialyse trotz-dem aktiv sein. Ein individuell auf den Patienten undseine Möglichkeiten zugeschnittenes Trainingsschemakann sowohl die funktionelle Trainingskapazität alsauch die gemessene Kraft (z.B. M. quadriceps) bei Ent-lassung aus dem Krankenhaus und somit den funktio-nellen Status des Patienten mit den entsprechendenNachwirkungen über den Krankenhausaufenthalthinaus verbessern [17].

Eine frühe Aktivität und Mobilisierung ist auch für

beatmete Patienten eine sichere und gut durch-

führbare Hilfe, um neuromuskulären Komplikatio-

nen bereits in der kritischen Krankheitsphase vor-

zubeugen [18].

Zwerchfellatrophie. Die künstliche Beatmung führtdurch die Inaktivität des Zwerchfells bereits nach einerBeatmungszeit von 18–69h zu einer deutlichen Atro-phie der Muskelfasern vom Typ I und IIB [19]. Um dieSchwäche der Atemmuskulatur möglichst gering zuhalten, ist eine frühestmögliche Entwöhnung von derBeatmung und deren konsequente Durchführungwichtig. Während der Entwöhnungsphase sollte manauf eine muskuläre Schwäche achten (Infobox 4) [20].

Langzeitbeatmete Patienten sind auch nach der Verle-gung auf eine Normalstation körperlich noch erheblichgeschwächt. Für den gesundheitlichen Verlauf ist dieEntwicklung der Atemmuskulatur von entscheidenderBedeutung. Die Patienten können aber häufig aucheinfache Dinge wie Sitzen, Stehen und Tätigkeiten destäglichen Lebens nicht eigenständig durchführen. Esbedarf daher einer physiotherapeutischen Versorgungüber Wochen, bei der nicht nur die Atemmuskulatur,sondern der gesamte Körper trainiert und Kraft undAusdauer wiederhergestellt werden [21].

ARDS. Eine Critical-illness-Polyneuropathie und -Myo-pathie sind bei ARDS-Patienten eine häufige Kompli-kation. Neben der klinischen Beurteilung sind zumEinschätzen der Erkrankungsschwere auch elektro-physiologische Tests relevant. Eine retrospektive Studiezeigte bei 93% der ARDS-Patienten elektrophysiologi-sche Veränderungenmit einer Abnahme der Amplitudedes Nervenaktionspotenzials [22]. Die Entwöhnungbeatmeter ARDS-Patienten kann aufgrund einer anhal-tenden Schwäche der Atemmuskulatur problematischsein. Spontanatmungsversuche, die in ihrer Häufigkeitund Dauer nicht an den Zustand des Patienten ange-passt sind, können zu einer Überlastung führen, was

Infobox 4

Hinweise auf eine Atrophie der Atemmuskulatur

█ fehlendes Heben der Bauchdecke bei der Inspiration█ paradoxe Atmung█ beim Atmen im Liegen größere Schwierigkeiten als

in sitzender Position█ geschwächter oder fehlender Hustenstoß█ notwendig: Ausschluss medikamentöser Ursachen

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zu einem zusätzlichen Muskelschaden führen kann[22, 23]. Daher ist eine individuelle Anpassung derFrühmobilisierung und Entwöhnung von besondererBedeutung, um einer Überforderung des Patientenvorzubeugen.

Sepsis. Eine Sepsis kann nicht nur zum Versagenparenchymatöser Organe, sondern auch zu einer Schä-digung peripherer Nerven und Muskeln führen. Dieunphysiologischen Veränderungen haben auf vielfälti-ge Weise Einfluss auf die subzellulären Mechanismenin der Kontraktionsphase der Muskulatur. Beschriebenwurden eine Verminderung der Membranerregbarkeit,eine Verletzung der Sakrolemm-Membran und eineStörung der Kalziumhomöostase. Die während einerSepsis entstandene Muskelschwäche entsteht infolgeder sepsisinduzierten Critical-illness-Polyneuropathieund -Myopathie.

Die septische Störung der Mikrozirkulation führt zueiner neuromuskulären Schädigung und ist eine ernstzu nehmende Komplikation der Sepsis [24]. Im Ratten-modell induzieren eine Inflammation und eine Immo-bilisierung unabhängig voneinander eine Muskel-schwäche [25]. Nachfolgende degenerative Prozessesind nicht auf die Extremitätenmuskulatur beschränkt.Die Abnahme der Kraft des Zwerchfells beginnt sogar,bevor ein Rückgang der Muskelmasse messbar ist[9,26].

Die Entwöhnung und Mobilisierung muss man in derakuten Phase der Sepsis bei bestehender Critical-ill-ness-Polyneuropathie und -Myopathie individuellanpassen. Ein individuelles Stufenschema unterBerücksichtigung des individuellen Fortschritts ist fürdie Frühmobilisierung unabdingbar.

Eine sorgfältige Lagerung der Extremitäten in gelenks-schonender Position und eine regelmäßige passiveBewegungstherapie kann weitere nervale Schäden ver-meiden. Muskelrelaxanzien, Kortikosteroide und ande-re Medikamente mit Auswirkungen auf die neuromus-kuläre Übertragung sollte man zurückhaltend einset-zen, um eine zusätzliche Schwächung der Muskulaturin der Trainingsphase zu vermeiden [24,27].

Pflegerische und physio-therapeutische Maßnahmen

Die Mobilisierung ist nach der Lageveränderung vonPatienten die zweithäufigste Pflegehandlung und dientder Förderung und Erhaltung der Bewegungsfähigkeit.Dies beinhaltet jede Bewegung, jede Lageveränderungund jeden Transfer. Jede Lageveränderung, jede Ganz-körperwäsche kann man als Mobilisierung verstehen.Dagegen kann man den regungslos im Stuhl sitzendenPatient nicht als mobilisiert ansehen. Bewegung ein-schließlich der Bewegungsvorbereitung und -nachbe-reitung im Sinne von Aufwärmen und Entspannengewinnt im Rahmen der Frühmobilisierung an Bedeu-tung.

Um pflegerische und physiotherapeutische Maßnah-men der Mobilisierung auf einer Intensivstation nach-haltig zu etablieren, sind eine ausreichende personelleAusstattung, gute Fachkenntnisse, eine kooperierende,berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit und eingemeinsam festgelegtes Mobilisierungskonzept erfor-derlich.

Notwendigkeit und Nutzen der Frühmobilisierung.

Pflegekräften und Physiotherapeuten auf der Intensiv-station ist der positive Effekt mobilisierender Maßnah-men bekannt (Infobox 5). 90% der Intensivpflegendenunterstützen regelmäßige, zweistündliche Lageverän-derungen. Gleichzeitig gibt die Hälfte des Personals an,dass der Standard nur zu 50% erreicht wird [28].Unterbleibt eine Mobilisierung, erhöht sich das Risikofür beatmungsbedingte Pneumonien, Sekretverhalt,verzögerte Entwöhnung, Dekubitalulzera, Muskelab-bau, Kontrakturen, Bewegungseinschränkungen,Müdigkeit und eine Abnahme der geistigen Leistungs-fähigkeit [29,1].

Infobox 5

Definition der Mobilisierung

Mobilisierung ist:█ jede aktive Bewegung█ jede aktive Bewegung, die partiell unterstützt wird█ jede passive Bewegung, die aktivierend angeleitet

wird█ das Werkzeug jeglicher pflegerischen Tätigkeit und

unterstützt alle Aktivitäten des täglichen Lebens█ Ziel der Mobilisierung ist es, die Mobilisierungsstufe

0 und die Transferklasse 1 (Tab.2 und Tab.3) zu

erreichen, sofern dies aufgrund der Erkrankung und

der Ausgangssituation des Patienten möglich ist.

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Voraussetzungen für die Frühmobilisierung. Die Früh-mobilisierung ist nicht nur Aufgabe der Physiotherapie,sondern muss als wichtiger Bestandteil in die Arbeitder Pflege integriert sein. Um dies zu erreichen, könnenPflegende z.B. einen Kinästhetikkurs absolvieren, umdie Patienten bei der Ganzkörperwäsche oder beimDrehen gezielt zu Bewegungen anzuregen. Damit dieFrühmobilisierung konsequent durchgeführt werdenkann, benötigen alle Beteiligten neben einer gutenAusbildung auch ausreichend Zeit und Raum zumgemeinsamen Lernen, Handeln und Reflektieren. Aberjede Station benötigt ihre eigene Philosophie und jedeStation hat ihre eigenen Erfahrungen. Im Alltag müssensich alle Akteure immer wieder sorgfältig überprüfenund hinterfragen, warum nicht oder nicht ausreichendmobilisiert wurde (Infobox 6).

Gründe für mangelnde Frühmobilisierung. Typischepatientenbedingte Gründe sind Schmerzen, hämo-dynamische Instabilität oder Angst, die sich in Anspan-nung, Abwehr, Tachykardie oder Hypertonie äußernkann. Aber auch Scham, ungenügende Wahrung derIntimsphäre, Stuhl- oder Harndrang, Unwohlsein odereine eingeschränkte Beweglichkeit können Hindernissesein.

Eine Frühmobilisierung ist nur möglich, wenn auch diepersonellen und materiellen Voraussetzungen erfülltsind. Eine höhere Personalausstattung geht zudemeinher mit einer reduzierten Sterblichkeit der Patien-ten [1]. Geeignete Materialien wie Mobilisierungs-stühle, Schuhe oder Trainingmaterialien verbesserndie Mobilisierungsrate. Mangelnde Kenntnisse oder einnicht bekannter Patientennutzen der Maßnahmenkönnen durch eine falsch verstandene Aufgabenteilungentstehen. So geben Pflegende oft an, dass Atemthera-pie und Mobilisierung alleinige Themen der Physio-therapeuten seien.

Um alle Akteure auf die Alltagsanforderungen vorzu-bereiten, bedarf es gemeinsamer Schulungen. Kurse,die von Physiotherapeuten und Pflegenden besuchtwerden und entsprechende Bewegungskonzepteunterrichten, fördern und entwickeln die Kompetenz.

Tabelle 2

Transferklassen. Als Transfers werden Positions-

oder Ortswechsel bezeichnet.

Klasse Transfer

1 Der Patient macht eigene Anstrengungen, umsich von einem Ort an den anderen zu bewegen,ggf. mit Anleitung eines Pflegenden (Gewichtbleibt beim Patienten)

2 Der Pflegende übernimmt einen Teil der Anstren-gung, um den Patienten von einem Ort an denanderen zu bewegen (Gewicht bleibt beimPatienten)

3 Einen Teil des Gewichts des Patienten übernimmtder Pflegende, wobei die Anstrengung von bei-den übernommen werden kann

Infobox 6

Mobilisierungsbedingungen

Wann kann mobilisiert werden:█ PEEP <10mmHg█ FiO2< 0,6█ stabile Hämodynamik█ ausreichende Analgesie

Voraussetzungen zur

Mobilisierung:█ Schmerzfreiheit unter Mobilisie-

rung█ Sicherung von essenziellen

Zugängen/Beatmung█ Motivation zur Mobilisierung,

z. B. Essen, Fernsehen, Besuch,

Atemtherapie, Wahrnehmung

fördern█ für Sicherheit sorgen, z. B.

Schuhe, Zähne, Brille, Hörgerät,

ATS, Inkontinenzschutz

█ Umgebungsanpassung, z. B. Ver-

änderung des Betts im Raum

Gründe für eine mangelhafte

Mobilisierung:█ patientenbedingte Gründe█ Voraussetzungen nicht vorhan-

den (Personal, Material)█ mangelnde Kenntnisse, direkter

Nutzen nicht bekannt█ Zuständigkeiten nicht geklärt█ Mangel an Können oder Technik█ Gefahr von Sturz, Dekonnektion

von Beatmung oder Kathetern█ „Es wird immer schwerer“ (über-

gewichtige Patienten, Leistungs-

verdichtung)Tabelle 3

Mobilisierungsstufen.

Stufen Mobilisierung

4 Patient ist im Bett mobil oder kann im Bettmobilisiert werden, z. B. Lagerung

3 Patient ist bis Pilotsitz und/oder Bettkante mobil

2 Patient kann bis in den Stuhl mobilisiert werden,kann/lernt einige Schritte zu gehen

1 Patient kann bis auf den Stuhl mobilisiert werden,geht einige Schritte

0 Patient geht selbstständig

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Mobilisierungskonzept. Eine berufsgruppenübergrei-fende Verständigung, was für welchen Patienten zuwelchem Zeitpunkt notwendig ist, ist dringend erfor-derlich. Neben einer täglichen Übergabe und Zielbe-sprechung ist ein „Mobilisierungsstandard“ notwendig,der festlegt, was unter Bewegung, Mobilisierung undTransfer verstanden wird. Ein solcher Mobilisierungs-standard gibt im Alltag Orientierung und bietet auchgezielte Dokumentationshilfen an. Der Hinweis, dass

jede Bewegung mobilisierend, orientierungsförderndund kräftigend sein kann, fördert therapeutisches undpflegerisches Handeln.

Eine der wichtigsten Schulungsmaßnahmen derKinästhetik ist z.B. die bewusste Verlangsamung desPflegealltags während jeder Bewegungsarbeit. Jedeschnell durchgeführte Bewegung führt beim Patientenzu einer Erhöhung der Körperspannung. Dies führt oftzu einer erschwerten Bewegungsarbeit, da ein ange-spannter Patient wesentlich mehr Kraft vom Bewegen-den fordert. Nicht selten benötigen zu schnell bewegtePatienten mehr Analgosedierung.

Eine zweite sehr wichtige Maßnahme ist das gezielteBewegungshandeln während der Ganzkörper-waschung. Jedem Patienten soll die Fußsohle auf dieUnterstützungsfläche aufgestellt werden, der Drucksoll – ohne Schmerz auszulösen – dreimal konzentriertwiederholt werden. Die so angestellten Beine werdenjeweils dreimal leicht parallel nach vorne untengedehnt und dreimal leicht nach innen diagonalgedehnt (cave: Einschränkungen in der Hüfte). DieHände werden ähnlich intensiv durchbewegt. Wäh-rend der Maßnahmen wird der Patient intensiv beob-achtet, Reaktionen seinerseits, die sich oft in nur klei-nen Bewegungsäußerungen zeigen, werden erkanntund dokumentiert. Diese vorbereitenden Bewegungenerleichtern den Aufbau und die Planung weitererBewegungen.

Dieses Bewegungshandeln wird in der ersten Mobili-sierungsstufe – also der Stufe 4 – schon konsequentdurchgeführt (Tab.3). Stufe 3 strebt den Pilotsitz oderden Sitz an die Bettkante an. Sitzt der Patient im Pilot-sitz, dann ist es wichtig zu beobachten, ob er diesePosition ohne seitliche Unterstützung halten kann.Günstig ist es, wenn der Patient – sofern er keine neu-rologische Problematik hat – für diese Position Schuheangezogen bekommt, damit er sein Körperende besserwahrnehmen kann. Deutlich mehr Vorbereitung undKraft benötigt die Durchführung des Sitzens einesIntensivpatienten an der Bettkante. Da kinästhetischesBewegen das Heben und Tragen von Patienten vermei-det, wird der Patient nicht an die Bettkante gehoben,sondern über eine spiralige Bewegung über seine eige-nen Knochen an die Bettkante geführt. Sitzt der Patient,dann wird die Stabilisierung des Rumpfes nicht vomKopf her aufgebaut, sondern vielmehr erst das Beckenund dann der Rumpf stabilisiert. Damit es nicht zuunkontrollierten Kopfbewegungen kommt, sollte derKopf in Stufe 4 während des Waschens sowohl gedrehtals auch gebeugt und gestreckt werden.

Tabelle 4

Geräteübungen.

Gerät Ziel

Kamm █ gezieltes Training der Handgriffstärke█ intensives Training der Schulter-Arm-Partie –(anfangs vorsichtig führen – Patient benötigt vielZeit – Übung kann stark frustrieren)

Zahnbürste █ gezieltes Training der Handgriffstärke█ intensives Training der Schulter-Arm-Partie –(anfangs vorsichtig führen – Patient benötigt vielZeit – Übung kann stark frustrieren)

Igelball █ Wahrnehmungsförderung – kann auch sehr gut vonAngehörigen angewendet werden

█ gezieltes Training der Handgriffstärke (kleine Bälleverwenden)

█ gezieltes Training des Fußdrucks (kleine Bälle)█ durchblutungsfördernd

Knautschball █ gezieltes Training der Handgriffstärke (kleine Bälleverwenden)

█ gezieltes Training des Fußdrucks█ durchblutungsfördernd

Flexibles Übungsband(unterschiedliche Stufen)

█ gezieltes Training der Handgriffstärke, Halten derBänder

█ gezieltes Training der Muskulatur durch Dehnungdes Bandes, Wiederholungen planen

Bettfahrrad passiv(motorbetrieben)

█ Durchbewegen der Gelenke zur Erhaltung derGelenkbeweglichkeit

█ Lockerung der Muskulatur█ durchblutungsfördernd

Bettfahrrad passiv + aktiv(motorunterstützt)

█ geringe, auch nur impulsartige Aktivität der Beineoder Arme wird durch die Funktion „Servo-Treten“erkannt und verstärkt

█ Durchbewegen der Gelenke zur Erhaltung derGelenkbeweglichkeit

█ Lockerung der Muskulatur█ durchblutungsfördernd█ Kräftigung der Muskulatur

Bettfahrrad aktiv –mit eigener Muskelkraft

█ aktive Bewegung gegen 20 fein dosierbareBremswiderstände – von ganz leicht bis schwer

█ Kräftigung der Muskulatur

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Die beste Voraussetzung, die nächste Stufe einnehmenzu können, ist, dass der Patient ohne Unterstützungsitzen kann. Auch ohne diese Voraussetzung kann manden Patienten für 30–60min in den Stuhl setzen.Wenn dies noch über seine eigenen Knochenstruktu-ren geschieht, also ohne ihn zu heben, sondern nach-vollziehbar jeden Schritt mit ihm vorbereitet und ihndann Schritt für Schritt von der Bettkante über einenOberschenkeldrucktransfer auf den Stuhl bewegt, danngewinnt der Patient in doppelter Hinsicht. Erstens weildie Schritte bei dieser Vorgehensweise nachvollziehbarsind und ihm Orientierung geben. Zweitens, weil erdiese Körperarbeit wahrnimmt, dies als Erfolg wertetund seine Zufriedenheit steigt. Neben dem stufenori-entierten Mobilisierungsplan werden auch noch mus-kelkräftigende, taktil fördernde und motivierendeBewegungselemente eingeplant (Tab.4).

Die Übung mit dem Bettfahrrad in allen möglichenStufen ist ein wesentlicher Baustein im Bewegungs-lernen des Patienten. Neben der Verbesserung derBeweglichkeit sehen wir ein intensiveres mimischesSpiel der Patienten, was wir mit einer erhöhten kogni-tiven Regung assoziieren. Zudemwird das Bettfahrradvon Angehörigen sehr geschätzt. Mit dem Fahrrad wirdVorwärtskommen verbunden. Die Gespräche derAngehörigen nach Beendigung der Therapie gegenüberdem Patienten sind sehr motivierend, lobend, begeis-ternd und hoffnungsvoll. Stellt doch ein einfachesFahrrad, auch wenn es als Bettfahrrad fungiert, dochetwas sehr Vertrautes dar.

Nicht nur die Mobilisierung, sondern auch die Lage-rung des Patienten ist für den Erhalt bzw. die Wieder-herstellung des funktionellen Status von Bedeutung(z.B. Spitzfußprophylaxe). An dieser Stelle soll aberauch auf Indikationen zum „minimal handling“ hinge-wiesen werden, bei denen (z.B. bei einer Subarachnoi-dalblutung) eine frühe Mobilisierung nicht indiziert ist.

Studien. In einer randomisierten Studie hat die Früh-mobilisierung einen positiven Einfluss auf den gesam-ten Heilungsprozess [30]. Bei 104 langzeitbeatmetenPatienten wurde in einer Sedierungspause entwedereine „Standardphysiotherapie“ durchgeführt oderfrühmobilisiert mit einer physiotherapeutischen undergotherapeutischen Therapie mit aktiver Bewegung.Bei Patienten, die nicht auf Ansprache reagierten,bewegte man jeden Morgen alle Extremitäten passiv.Sobald ein Patient eine Reaktion zeigte, ging man zuaktiven manuellen und unabhängigen Bewegungenüber. Die Therapie wurde je nach Toleranz um eine

aktive Mobilisierung und funktionelle Tätigkeitenerweitert.

Der primäre Endpunkt war definiert als unabhängigerfunktioneller Status bei Entlassung aus dem Kranken-haus. Dies wurde definiert als die Fähigkeit, 6 ver-schiedene Aktivitäten des täglichen Lebens zu erfüllenund eigenständig gehen zu können.

In dieser Studie konnten 59% der frühmobilisiertenPatienten einen unabhängigen funktionellen Statuserreichen, während dies in der Kontrollgruppe nur bei35% der Patienten der Fall war. Zusätzlich hattenPatienten der Interventionsgruppe eine kürzere Delir-phase und mehr beatmungsfreie Tage. Darüber hinaushaben weitere Studien gezeigt, dass Intensivpatientenvon einer angepassten, intensivierten Mobilisierungunter Berücksichtigung der funktionellen Fähigkeitenprofitieren [18,17].

Frühmobilisierung in derAllgemeinchirurgie

Der viszeralchirurgische Intensivpatient stellt bezüg-lich der Mobilisation in vielerlei Hinsicht eine Heraus-forderung dar: Eine bauchchirurgische Operation führtzu einem erhöhten Risiko von Thromboembolien,pulmonalen Komplikationen und eines postoperativenIleus. Eine Frühmobilisierung kann diesen Risikeneffektiv begegnen. Eine frühe Mobilisierung geradeintensivmedizinischer Patienten schlägt sich in einerverbesserten pulmonalen Situation, einer verringertenMorbidität und einem geringeren Katabolismus nieder[31]. Studien zur Frühmobilisierung im Rahmen derErforschung moderner Fast-track-Konzepte zeigtenjedoch, dass – bei allen Vorteilen der Mobilisierung –

auch sonst gesunde chirurgische Patienten postopera-tiv eine Phase der orthostatischen Intoleranz durch-laufen [32]. Diese tritt nur nach großen abdominalenEingriffen auf [33] und wird mit einer Störung desBarorezeptor-Reflexes und einer autonomen sympa-thisch-parasympathischen Dysregulation erklärt [34].

Atemtherapie. Durch eine intensive Mobilisierungkönnen postoperative pulmonale Komplikationen nachOberbaucheingriffen erwiesenermaßen vermiedenwerden [35]. Besonders nach Oberbaucheingriffenmuss man wachen Patienten einen Atem-Coach alsminimale Form der Atemtherapie geben. Wir lassenunseren viszeralchirurgischen Intensivpatienten

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bereits am ersten postoperativen Tag eine intensiveAtemtherapie durch Physiotherapeuten zukommen.

Darmparalyse. Eine weitere Besonderheit des viszeral-chirurgischen Intensivpatienten ist die postoperativeDarmparalyse, die im Gegensatz zum Patienten aufeiner peripheren Station oft durch Opioide, parenteraleErnährung und einliegende Sonden verstärkt wird.Neben einer Reduzierung der Opioiddosis und ggf.deren Ersatz durch andere Methoden (Periduralkathe-ter, lokale Wundinfiltration) sowie einem frühen Kost-aufbau kann vermutlich auch die Frühmobilisierungeine postoperative Darmparalyse vermindern [36].Dieser positive Effekt war jedoch in der einzigen bisherverfügbaren Studie von Waldhausen et al. aus den1990er Jahren nicht nachzuweisen [36,37]. Ob dieFrühmobilisierung moderner Fast-track-Konzepte inder Viszeralchirurgie einen postoperativen Ileus ver-hindern kann, wurde bisher nicht untersucht [36].

Sekundärer Bauchdeckenverschluss. Bei viszeralchirur-gischen Patienten mit sekundärer (z.B. nach Hohl-organperforation) oder postoperativer Peritonitissowie nach schwerstem Abdominaltrauma ist ein pri-märer Verschluss der Bauchhöhle oft unmöglich. Dankmoderner Verfahren wie der Vakuumversiegelungkönnen (und müssen) auch diese Patienten frühreha-bilitativen Maßnahmen zugeführt werden, um einenMuskelabbau durch Immobilisierung zu vermeiden[38].

Einschränkungen. Abgesehen von intensivmedizini-schen Kontraindikationen (z.B. Beatmung, Kreislauf-instabilität) können viszeralchirurgische Intensivpa-tienten postoperativ rasch und frühestmöglich mobili-siert werden. In der Regel bestehen keinerlei Kontrain-dikationen seitens des Viszeralchirurgen, die eineMobilisierung am ersten postoperativen Tag verbieten.

Ein Sonderfall sind traumatische Einblutungen in dasParenchym von Leber und Milz, da zweizeitige Ruptu-ren auch im Rahmen einer Mobilisierung auftretenkönnen. Hierbei kann sich – je nach Ausmaß des bild-gebenden Befundes – eine Mobilisierung verbieten undabsolute Bettruhe indiziert sein.

Im Gegensatz zu anderen, nicht viszeralchirurgischenOperationen muss der behandelnde Intensivmedizinerbei Eingriffen an Oberbauchorganen mit einem „sym-pathischen“ Pleuraerguss rechnen, seinen Patientenregelmäßig diesbezüglich untersuchen (körperlicheUntersuchung, Sonografie) und ggf. drainieren.

Frühmobilisierung in derUnfallchirurgie

Die Mobilisierung unfallchirurgischer Patienten hängtnaturgemäß von Art und Ausmaß der Verletzungenund von der durch eine Osteosynthese erreichten bio-mechanischen Stabilität ab. Einfluss haben aberzusätzlich die individuellen Möglichkeiten des Patien-ten, an einer differenzierten Mobilisierung teilzuneh-men, außerdem Begleiterkrankungen, der allgemeinePatientenzustand und auch etwaige Einschränkungendurch Begleitverletzungen. All diese Faktoren mussman im Team aller Mitbehandler beurteilen und einindividuelles, gemeinsames Mobilisierungskonzepterstellen.

Konservative Frakturbehandlung. Bei der konservati-ven Frakturbehandlung wird die betroffene Extremitätin der Regel im Gipsverband oder in einer Schieneruhiggestellt [39,40]. Für die Dauer der Ruhigstellungist eine Beübung oder Belastung des verletzten Extre-mitätenabschnitts nicht möglich. Nach Beendigung derRuhigstellung kann eine Beübung und schrittweiseBelastungssteigerung begonnen werden, wobei einevolle Belastungsstabilität meist nach 8–12 Wochenerreicht ist.

Bei nicht dislozierten, eingestauchten und übungs-

stabilen Frakturen kann man bei entsprechender

Analgesie nach Maßgabe der Beschwerden ohne

primäre Ruhigstellung direkt mit einer funktionel-

len Übungsbehandlung beginnen.

Beispiele solcher Fälle sind die nicht dislozierte Radi-usköpfchenfraktur, die einfache Wirbelkörperkom-pressionsfraktur ohne signifikante Höhenminderungund ohne neurologische Ausfallerscheinungen sowieeine vordere Beckenringfraktur [39].

Belastung nach operativer Frakturbehandlung.Hat eineoperative Frakturstabilisierung stattgefunden, legt derOperateur die Stabilität des postoperativen Ergebnissesin 3 Kategorien fest: lagerungs-, übungs- oder belas-tungsstabil. Je höher die Belastungsstabilität, destobesser ist eine Mobilisierung des Patienten möglich.

Gelenkkontrakturen und Muskelatrophien, aber

auch Komplikationen einer Ruhigstellung wie Lage-

rungsschäden, Thrombosen und Pneumonien tre-

ten umso seltener auf, je früher und umfangreicher

der Patient mobilisiert werden kann.

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Fixateur externe. Als Faustregel kann gelten, dass eineFrakturversorgung an Extremitäten mit einem Fixateurexterne zumindest als lagerungsstabil gilt. Bei mono-lateralen, ventralen Fixateur-externe-Osteosynthesenvon Tibiafrakturen treten unter einer Teilbelastung vonca. 300 N (30kg) interfragmentäre Bewegungen von1 ± 3mm auf. Muskelaktivitäten im Bett erzeugen ver-gleichbare Belastungen und damit auch ähnliche inter-fragmentäre Bewegungen. Somit sollte eine Teilbelas-tung einer mit Fixateur externe versorgten Femur-

schaftfraktur mit 20kg vertretbar sein (Infobox 7)[41,42].

Platten- und Schraubenosteosynthese. Nach einer Plat-ten- und Schraubenosteosynthese ist die Extremitätmeist übungsstabil und in geringem Umfang auchbelastungsstabil. Bei einer mit Plattenosteosyntheseversorgten Femurfraktur ist z.B. eine Belastung von20kg möglich. Nach 4–6 Wochen und radiologischnachgewiesener beginnender knöcherner Konsolidie-rung kann man die Belastung schrittweise bis zurVollbelastung steigern (Infobox 7) [41].

Radiusfraktur. Radiusfrakturen versorgt man heuteüberwiegend mit einer palmaren, winkelstabilen Plat-tenosteosynthese, die postoperativ ebenfalls alsübungsstabil anzusehen ist. Lediglich bis zur gesicher-ten Wundheilung und zur initialen Schmerztherapienach der Osteosynthese belässt man eine palmareSchiene (kein zirkulärer Gips!). Aus dieser heraus istfrühzeitig eine physiotherapeutische Beübung ohneBelastung möglich [40,43].

Beckenfrakturen. Beckenfrakturen werden nach derAO-Klassifikation in die Typen A, B und C unterschie-den. Beim Typ A ist der Beckenring intakt, sodass dieseVerletzungen als stabil zu werten sind. Beim Typ B ist

der vordere Beckenring teilweise durchbrochen unddaher partiell instabil. Die Typ-C-Verletzungen weiseneinen durchbrochenen vorderen und hinteren Becken-ring auf und gelten daher als dreidimensional instabil.

Bei Beckenverletzungen vom Typ A besteht nur imAusnahmefall die Indikation zur operativen Stabilisie-rung. Bei konservativer Therapie ist nach kurzzeitigerImmobilisierung eine schmerzadaptierte Vollbelastungmöglich. Stabile, undislozierte Typ-B-Verletzungenwerden ebenfalls konservativ behandelt. In den ersten6 Wochen ist eine Teilbelastung erlaubt, die innerhalbweiterer 6 Wochen schrittweise bis zur Vollbelastunggesteigert wird.

Eine dislozierte Typ-B-Fraktur stabilisiert man operativmit einer ventralen Fixation. Eine zwingende Indikati-on zur operativen Stabilisierung besteht außerdem beimultidirektional instabilen Typ-C-Verletzungen desBeckenrings. Patienten mit operativ versorgterBeckenringfraktur können postoperativ unter Teilbe-lastungmobilisiert werden. Die schrittweise Aufnahmeder Vollbelastung ist in der Regel nach 8–12 WochenTeilbelastung möglich.

Eine Mobilisierung bei instabiler Beckenverletzung

vor der operativen Versorgung ist kontraindiziert.

Patienten mit operativ versorgter Azetabulumfraktur

können ab dem 1. postoperativen Tag mit einer Hüft-bewegungsschiene (z.B. CPM-Schiene) mit Beugung biszur Schmerzgrenze behandelt werden. Nach Entfer-nung der Redon-Drainagen ist eine aktive kranken-gymnastische Übungsbehandlung möglich. Dabeibegrenzt man auf der verletzten Seite die Belastung für6–8 Wochen auf 15kg [44, 45, 46].

Wirbelkörperfrakturen.Wirbelkörperfrakturen derBWS und LWS behandelt man konservativ, sofern einestabile Fraktur ohne größere Deformität vorliegt. Indiesen Fällen ist nach einer kurzen Ruhephase undunter adäquater Schmerztherapie eine frühe Mobili-sierung unter krankengymnastischer Anleitung mög-lich. Radiologische Verlaufskontrollen sind aber zumAusschluss einer sekundären Nachsinterung erforder-lich. Prinzipiell sollte man tiefes Sitzen und Beugenvermeiden. Eine Kräftigung der autochthonen Rücken-muskulatur erhöht die Stabilität der Wirbelsäule.

Häufig ergänzt man die funktionelle Therapie miteinem Korsett (3–oder 4-Punkt-Stützkorsett). Da eskeine evidenzbasierten Empfehlungen zugunsten eineräußeren Ruhigstellung mit Mieder oder Korsett gibt,

Infobox 7

Grobe Richtwerte für die Belastbarkeit nach

Osteosynthese bei Femurfrakturen

Fixateur externe:█ zumindest lagerungsstabil█ meist Teilbelastung mit 20–30kg möglich

Platten- und Schraubenosteosynthese:█ meist übungsstabil█ meist Teilbelastung mit 20 kg möglich█ nach 4–6 Wochen schrittweise Steigerung bis zur

Vollbelastung

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sind diese Hilfsmittel mehr als „Gedankenstütze“ fürden Patienten anzusehen, um z.B. tiefes Bücken zu ver-meiden.

Die Mobilisierung operativ versorgter Wirbelkörper-frakturen ist frühfunktionell bereits ab dem 1.–2.postoperativen Tag nach Drainageentfernung möglich.Eine intra- oder postoperative radiologische Kontrollesollte jedoch den korrekten Sitz des Osteosynthese-materials dokumentieren. Ein postoperativ angelegtes3-Punkt-Stützkorsett dient auch hierbei lediglich alsErinnerung–wir verwenden bei der Nachbehandlungkeine Korsetts. Übermäßiges Beugen und tiefes Sitzensollte der Patient in der frühen postoperativen Phasevermeiden [47, 48, 49].

Eine Mobilisierung von Patienten mit instabiler,

noch nicht operativ versorgter Fraktur der BWS

oder LWS ist nicht möglich.

Proximale Femurfrakturen. Bei den hüftgelenksnahenFrakturen ist einekonservative Behandlung nur seltenindiziert. Dabei handelt es sichumnicht dislozierte, ein-gestauchte SchenkelhalsfrakturenvomTypGarden 1,wobei jedoch das Risiko einer sekundären Dislokationbesteht [50]. In diesen Fällen kann man die Mobilisie-rung – soweit schmerzbedingt möglich – unter Voll-belastung und Röntgenverlaufskontrollen sofort begin-nen.

Nach der kopferhaltenden Versorgung einer medialenSchenkelhalsfraktur mit kanülierter Schraubenosteo-synthese oder dynamischer Hüftschraube beginnt dieMobilisierung in der frühen postoperativen Phasezunächst unter physiotherapeutischer Anleitung, spä-ter alleine an 2 Unterarmgehstützen. Bei entsprechen-der Knochenqualität, korrekter Lage und gutem Haltder Implantate ist grundsätzlich die Vollbelastung vonBeginn an erlaubt. Überwiegend wird allerdings einevorsichtige Mobilisierung mit Teilbelastung über 6–8Wochen empfohlen [43].

Zur Reduktion des Risikos einer sekundären Hüftkopf-nekrose insbesondere beim jungen Menschen und zurVermeidung einer sekundären Dislokation empfehlenwir die Teilbelastung mit 20kg für 6Wochen mit darananschließendem Belastungsaufbau.

Nach prothetischer Versorgung hüftgelenksnaher Frak-turen ist eine Mobilisierung direkt postoperativ mög-lich. Bei zementierten Prothesen ist die schmerzadap-tierte Vollbelastung am Rollator oder an Unterarmgeh-stützen möglich. Uneinheitlich in der Literatur ist die

Empfehlung zur Belastung nicht zementierter Prothe-sen. Neben einer 6-wöchigen Teilbelastung wird voneinigen Autoren auch eine sofortige, schmerzadaptierteVollbelastung empfohlen [51, 43]. Bei uns gilt eineschmerzadaptierte Vollbelastung sowohl bei unze-mentierter wie zementierter Prothesenversorgung.

Aufgrund der Vielzahl an Herstellern und Prothesenty-pen (z.B. konventionelle Schaftprothese, Kurzschaft-prothese, Oberflächenersatz, Kappenprothese) sollteder Operateur die Belastbarkeit und das Vorgehen beider Mobilisierung festlegen.

Schaftfrakturen der unteren Extremität. Die intrame-

dulläre Osteosynthese der unteren Extremität erreichtüberwiegend eine voll belastbare Stabilität. Ausge-nommen hiervon sind instabile Frakturen (z.B. Trüm-merfrakturen) oder eine ausgeprägte Osteoporose. Inden Ausnahmefällen kann zumindest eine Teilbelas-tung während der Mobilisierungsphase durchgeführtwerden. Die Belastungssteigerung legt dann der Ope-rateur unter radiologischen Verlaufskontrollen indivi-duell fest.

Nach Plattenosteosynthesen der unteren Extremitätenmobilisiert manmit 20kg Teilbelastung. Ein drohendesKompartmentsyndrom ist jedoch eine absoluteKontraindikation gegen eine frühe Mobilisierung [41,52,53,43].

Medikamentöse Therapie beilangfristiger Immobilisierung

Eine medikamentöse Therapie zur Minderung undTherapie der Folgen einer längerfristigen Immobilisie-rung bedarf stets einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung. Je nach Patientensituation und alternativenTherapiemöglichkeiten ist eine ergänzende Therapiezu erwägen.

Testosteron. Sportler setzen zur Förderung der Trai-ningsergebnisse häufig leistungssteigernde Medika-mente ein. Eine Steigerung der Muskelkraft und eineerhöhte Regenerationsfähigkeit machen die Athletenleistungsfähiger.

Trotz möglicher Risiken– speziell bei unkontrollier-

ter Applikation – scheinen einige Substanzen eine

Verbesserung der Behandlung von Intensivpatien-

ten zu bewirken.

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Es ist bekannt, dass bei Patienten, die starke Verbren-nungen erlitten haben, der Testosteronspiegel auchüber den Krankenhausaufenthalt hinaus niedrig bleibt.Durch die Substitution des synthetisch hergestelltenTestosteron-Analogons Oxandrolon kann neben einerSteigerung der hepatischen Proteinsynthese und einerverbesserten Körperkonstitution auch eine Verkürzungder Krankenhausverweildauer erreicht werden. Oxan-drolon zeigt im Vergleich zu Testosteron wenigerNebenwirkungen. Bei längerfristiger Anwendungkommt es zu einem Transaminasenanstieg, doch eineEinschränkung der Leberfunktion oder eine Leber-vergrößerung tritt nicht auf [54].

Aufgrund der Studienlage ist es denkbar, dass Intensiv-patienten – auch wenn keine verbrennungsbedingteSIRS vorgelegen hat – von einer Testosterontherapieprofitieren. Allerdings scheint eine Substitution erst inder Erholungsphase, also nach dem Abklingen der Ent-zündungsparameter sinnvoll zu sein [55]. Grund hier-für ist die immunmodulierende Komponente der ana-bolen Substanzen. Bei unkontrollierter Applikationkann dieser Mechanismus schwere Konsequenzennach sich ziehen. In einem Fallbericht von 2002 wirdvon einem 30-jährigen Bodybuilder berichtet, derinfolge eines glutealen Spritzenabszesses einen septi-schen Schock mit fulminantem ARDS entwickelte–wahrscheinlich durch die immunmodulierende Wir-kung der intramuskulär injizierten anabolen Steroide[56]. Der Fallbericht zeigt die Notwendigkeit einerstreng kontrollierten Therapie und die Beachtungmöglichen Risiken. Dennoch ist ein therapeutischerEffekt anaboler Substanzen bei der Intensivtherapienicht auszuschließen und kann zur Regeneration in derErholungsphase nach schweren Verläufen unterstüt-zend wirken.

Wachstumshormone. Als Folge der katabolen Situationist bei kritisch kranken Intensivpatienten der Protein-abbau erhöht und die Stickstoffbilanz negativ. Diesführt zu Struktur- und Funktionsveränderungen spe-ziell der Skelettmuskulatur mit der Folge einer Schwä-che der Atemmuskulatur, einer verlängerten Beat-mungsdauer und einer verzögerten Mobilisierung. Dienegative Stickstoffbilanz bei kritisch kranken Intensiv-patienten ist zumindest teilweise auf eine Resistenzgegenüber Wachstumshormonen und einen Abfall derProduktion und Wirkung des „Insulin-like-growth“-Faktor zurückzuführen. Dementsprechend war in ver-schiedenen Studien unter hochdosierter Wachstums-hormongabe die Stickstoffbilanz verbessert. Allerdingswaren gleichzeitig die Beatmungszeit und die Kran-

kenhausverweildauer verlängert und die Sterblichkeiterhöht [57].

Verzweigtkettige Aminosäuren. Verzweigtkettige Ami-nosäuren haben einen stimulierenden Effekt auf dieMuskelproteinsynthese und wirken positiv auf einevermehrte Phosphorylierung der Schlüsselenzyme derTranslation. Der Effekt scheint sowohl präventiv alsauch therapeutisch zur Unterstützung des Muskelauf-baus wirksam zu sein. Eine spezielle Rolle nimmtoffenbar die Aminosäure Leucin ein. In Versuchen mitRatten induzierten Proteine mit höherem Leucingehaltdas höchste Muskelwachstum [58]. Tatsächlich profi-tierten septische Patienten von höheren Dosen ver-zweigtkettiger Aminosäuren –wahrscheinlich durcheinen erhöhten Plasmaspiegel von Arginin, Valin, Leu-cin und Isoleucin [59]. Das Muskelwachstum ist aller-dings dann am effektivsten, wenn der Körper durchkörperliche Stimulation gefordert wird [55].

Verzweigtkettige Aminosäuren sind folglich nur

effektiv, wenn eine angepasste Mobilisierung

gewährleistet ist.

Kreatin. Kreatin führt zu einer Verschiebung des Phos-phatangebots vom Zytosol in die Mitochondrien.Dadurch steigt die intrazelluläre Kreatin- und Phos-phokreatinkonzentration. Phosphokreatin ist notwen-dig, um die Phosphorylierung von ADP zu ATP zugewährleisten. Das Ansprechverhalten von Kreatinvariiert wahrscheinlich mit der Konzentration desNaCl-abhängigen Kreatintransporters [60]. Bei Sport-lern, die ihre Muskulatur regelmäßig trainieren,bewirkt Kreatin sowohl eine Zunahme der Muskel-masse als auch der Kraft. 40% des Effekts auf die Kraftist laut Studien aber unabhängig vom körperlichenTraining [61].

Kreatin könnte also bei Intensivpatienten den Auf-

bau der Muskelkraft unterstützen, die bestätigen-

den Studien stehen allerdings noch aus.

Cannabis. Neben der antiemetischen Eigenschaft vonTetrahydrocannabinol (THC) wird bei kachektischenAIDS-Patienten auch dessen appetitanregende Wir-kung therapeutisch genutzt. THC wirkt über das Endo-cannabinoid-System durch eine Verbesserung derpositiven Energiebilanz, was einerseits eine Verbesse-rung der Energiezufuhr an sich bedeutet, aber gleich-zeitig auch das Körpergewicht erhöht und somit Ener-giereserven sichert [62,63].

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Intensivierte Insulintherapie. Um eine frühe Mobilisie-rung ermöglichen zu können, ist ein schneller Gene-sungsverlauf und eine strukturierte Intensivbehand-lung unabdingbar. Frühe Interventionen und nachhal-tige Therapiestrategien verbessern die Möglichkeitender zügigen Beübung. Ein angepasstes Ernährungs-management ist ein wichtiges Element zum Ausgleichder steigenden Belastung bei wachsender Aktivität imRahmen der Mobilisation. Eine entsprechend ange-passte Insulintherapie hilft, die Folgen einer kritischenErkrankung zu kontrollieren.

Die Kontroverse um die intensivierte Insulintherapiemit dem Ziel eines Glukosespiegels zwischen 4,4 und6,6mmol/l (80–120mg/dl) haben in der Vergangenheitfür viele Diskussionen und Studien gesorgt. Eine Studievon 2001 fand eine Reduktion der Morbidität undMortalität bei einem Glukosespiegel unter 6,6mmol/l(120mg/dl) [64]. Diese Aussage wurde 2006 von einerweiteren Studie relativiert. Zwar senkte hierbei eineintensivierte Insulintherapie bei allen Intensivpatien-ten die Morbidität, aber nur bei Patienten mit einemAufenthalt auf der Intensivstation von über 3 Tagenwardie Sterblichkeit vermindert [65]. Beide Studien warenSingle-Center-Studien und nicht strikt verblindet, wasdas Durchführen weiterer Multi-Center-Untersuchun-gen erforderte [66].

Ein eindeutiger Vorteil einer intensivierten Insulin-

therapie war also nicht zu belegen.

Die geringere Toleranz gegenüber etwas erhöhten Glu-kosewerten und das strikte Einhalten eines sehrschmalen Konzentrationsbereichs birgt das Risikohypoglykämer Krisen–was mitunter sogar zu Studien-abbrüchen geführt hat [67]. Die 2009 veröffentlichteinternationale NICE-SUGAR-Studie kam zu demSchluss, dass das Risiko der Hypoglykämie einen mög-lichen Vorteil der intensivierten Insulintherapie über-wiegt. Ein Zielblutglukosespiegel unter 9,9mmol/l (180mg/dl) führte zu einer niedrigeren Letalität als einZielwert zwischen 4,5 und 6mmol/l (81–108mg/dl),zusätzlich war aber die Zahl hypoglykämer Ereignissedeutlich geringer [68, 69].

In einer retrospektiven Single-Center Studie ergab

sich, dass Intensivpatienten mit einer begleitenden

Critical-illness-Polyneuropathie oder -Myopathie

eher zu einem hyperglykämen Blutzuckerspiegel

neigen [22].

Besonders bei der Frühmobilisierung muss man Hypo-glykämien und starke Schwankungen des Glukosespie-gels vermeiden. Eine konstante Energiebilanzierungund eine ausgeglichene Ernährung – angepasst an dietägliche Belastung der mobilisierten Patienten – sindfür den Erfolg der Frühmobilisierung notwendig.

Elektrische Muskelstimulation

Die Frühmobilisierung von Intensivpatienten hat einenimmer höheren Stellenwert erlangt. Im Zuge dessenwerden neue Therapiekonzepte entwickelt, ausgebautoder aus anderen Bereichen integriert. Beispielsweisewurde die elektrische Muskelstimulation (EMS)ursprünglich entwickelt, um die Muskelkraft gesunderMenschen zu stärken. Prinzipiell ist diese Technikjedoch auch in der Intensivtherapie möglich.

Beinmuskulatur. In einer Studie mit 20 gesunden Pro-banden wurde der M. quadriceps über 8 Wochen mitder EMS beübt. Das Training bestand aus 4 Terminenpro Woche, insgesamt 32-mal 18 Minuten. Jeder Trai-ningstermin bestand aus wiederholten, 6,25s langen,mit der EMS erzeugten isometrischen Kontraktionen in60° Knieflexion, getrennt durch Pausen von 20s Dauer.Als Aufwärmphase wurde vor jeder Trainingseinheitüber 5min eine submaximale Stimulation verabreicht.

Abschließend ergab sich eine Steigerung der Muskelak-tivität. Sonografischwaren signifikante Veränderungender Muskelfaserstruktur nachweisbar. Ein Trainingsef-fekt war insbesondere am M. vastus medialis und late-ralis erkennbar. Ein Einfluss auf den M. rectus femoriswar allerdings nicht nachzuweisen.

An dieser Untersuchung nahmen zwar nur gesundeProbanden teil, aber dennoch ist der Trainingsfort-schritt auf immobilisierte Patienten übertragbar. DieStimulation führte zu einem Trainingseffekt über dasMaß der normalen Aktivität hinaus, obwohl die Pro-banden schon eine durchschnittlich trainierte Musku-latur vorweisen konnten [70].

Bauchmuskulatur. Eine Fallbeschreibung von 2007betrifft einen Patienten mit einer hohen Tetraplegie(inkomplette C4-Tetraplegie, klassifiziert nach derAmerican Spinal Injury Association. C=motorischeFunktion unterhalb des neurologischen Niveaus isterhalten, mehr als die Hälfte der Kennmuskeln unter-halb des neurologischen Niveaus haben einen Muskel-kraftgrad unter 3). Dieser Patient hatte aufgrund man-gelnder Atemarbeit und zu schwacher Hustenstöße

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rezidivierende Pneumonien. Dies verhinderte die Ent-fernung der Trachealkanüle und die Einleitung einerRehabilitation. Durch ein Training der Bauchmuskula-tur mit EMS über die Haut entwickelte er schließlicheinen effektiver Hustenstoß, sodass eine Dekanülie-rung möglich wurde [71].

Symptomatische Neuropathie. Die EMS scheint auchein effektives therapeutisches Mittel zur Behandlungeiner symptomatischen Neuropathie bei Typ-2-Diabe-tes zu sein, wobei Patienten mit besonders stark aus-geprägten Symptomen am stärksten profitieren [72].

Intensivpatienten. Die EMS ist auch bei Intensivpatien-ten eine Methode mit viel Potenzial. In einer Untersu-chung an Intensivpatienten (Apache II ≥ 13) führte einetägliche Stimulation über 8 Tage mit einer Stimula-tionszeit von je 55min nach jeweils 5min Aufwärm-phase zu einem signifikanten Ergebnis. Obwohl dersonografisch gemessene Querschnitt der untersuchtenMuskeln (M. rectus femoris undM. vastus intermedius)sowohl in der Kontrolle als auch in der stimuliertenGruppen abnahm, war der Muskelverlust in der EMSGruppe signifikant geringer. Die EMS-Therapie istdamit eine gut tolerierte Methode zur Prävention derMuskelatrophie bei Intensivpatienten [73,74,75].

Über die Autoren

Sebastian Weiterer

Dr. med. Jahrgang 1978. 2001–2007

Studium der Humanmedizin an der

Justus-Liebig Universität Gießen. Seit

2008 Assistenzarzt an der Klinik für

Anaesthesiologie, operative Intensiv-

medizin und Schmerztherapie;

UKGM, Standort Gießen. Seit 2009

Forschung im Bereich Sepsis in der

Klinik für Anaesthesiologie, operative

Intensivmedizin und Schmerztherapie; UKGM, Standort

Gießen. 2011–2012 Einsatz auf der operativen Intensiv-

station, Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensiv-

medizin und Schmerztherapie; UKGM, Standort Gießen.

Birgit Trierweiler-Hauke

Fachkrankenschwester für Intensiv-

und Anästhesiepflege. Jahrgang

1963. 1983 Abschluss an der Kran-

kenpflegeschule Wittlich. 1983–1991

Tätigkeit in verschiedenen Abteilun-

gen der Universitätsklinik Heidelberg.

1991–2003 stellvertretende Stations-

leitung der Anästhesiologischen

Intensivstation Heidelberg. Ab 1993

freiberufliche Dozententätigkeit. Ab 2003 Leitung einer

Viszeralchirurgischen Allgemeinstation. Seit 2004 Lei-

tung der Intermediate Care und Transplantationstation

der Chirurgischen Klinik Heidelberg. Seit 2007 zusätzlich

Kernaussagen

Die Entwicklung einer generalisierten

Muskelschwäche und die damit einherge-

henden Funktionseinschränkungen sind

ein essenzielles Problem von Intensiv-

patienten. Inaktivität, entzündliche Pro-

zesse (Sepsis, ARDS) und auch Medika-

mente sind die wichtigsten Ursachen

muskulärer Schwächen bei Intensivpatien-

ten. Die Entstehung der Critical-illness-

Myopathie und -Polyneuropathie ist kom-

plex und beinhaltet metabolische, inflam-

matorische und bioenergetische Verände-

rungen. Für den Genesungsprozess und

zur Wiederherstellung des funktionellen

Status ist eine an den Zustand des Patien-

ten angepasste Mobilisierung von großer

Bedeutung.

Zur frühzeitigen Erkennung einer Muskel-

schwäche eignet sich die Handgriff-Dyna-

mometrie als einfacheres objektives Mittel

zur Messung der Handgriffstärke, welche

Rückschlüsse auf die globale Kraft erlaubt.

Auch bei beatmeten Patienten kann die

Frühmobilisierung neuromuskulären Kom-

plikationen vorbeugen. Um bei beatmeten

Patienten die Belastung angepasst zu

dosieren, sind neurophysiologische Tests

wie die Elektromyografie und eine klini-

sche Verlaufsbeobachtung (MRD-Score)

hilfreich.

Bei Eingriffen an Oberbauchorganen muss

man mit einem sympathischen Pleura-

ergusses rechnen. Eine intensive Mobilisie-

rung erlaubt es, postoperative pulmonale

Komplikationen nach Oberbaucheingrif-

fen zu vermeiden. Die Möglichkeiten der

Mobilisierung unfallchirurgischer Intensiv-

patienten hängt von der Art und dem Aus-

maß der Verletzungen sowie der Stabilität

der Osteosynthesen ab. Doch auch die

individuellen Möglichkeiten des Patienten

und dessen Begleiterkrankungen nehmen

Einfluss auf seine Mobilisierung.

Der Einsatz von Medikamenten zur

Therapie der Folgen einer längerfristigen

Immobilisierung bedarf einer individuel-

len Nutzen-Risiko-Abwägung. Die elektri-

sche Muskelstimulation ist eine Methode

mit viel Potenzial und eine gut tolerierte

Methode zur Prävention der Muskelatro-

phie.

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Leitung des Akutschmerzdienstes der Anästhesiologi-

schen Klink und der Dialyseabteilung Innere I der Univer-

sitätsklinik.

Andreas Hecker

Dr. med. Jahrgang 1981. Assistenz-

arzt an der Klinik für Allgemein-, Vis-

zeral-, Thorax-, Kinder- und Transplan-

tationschirurgie des UKGM, Standort

Gießen. Forschungsschwerpunkte:

Transplantationsimmunologie,

Sepsis, Intensivmedizin.

Gabor Szalay

Jahrgang 1971. Studium der Human-

medizin in Budapest, Innsbruck und

Gießen. 1998–2006 Ausbildung zum

Facharzt für Chirurgie am akademi-

schen Lehrkrankenhaus in Lich. Seit

2006 an der Klinik und Poliklinik für

Unfallchirurgie des Universitätsklini-

kum Giessen und Marburg. 2008

Zusatzbezeichnung Handchirurgie.

2009 Zusatzbezeichnung Proktologie. 2012 Zusatzbe-

zeichnung spezielle Unfallchirurgie.

Martin Heinrich

Jahrgang 1978. 1999–2005 Studium

der Humanmedizin an der Universität

Regensburg und der Ruhruniversität

Bochum. 2005–2008 Assistenzarzt an

den Bundeswehrkrankenhäusern

Hamm und Koblenz. 2008 Ausbildung

zum Schiffs- und Taucherarzt bei der

Marine. Seit 2008 am Universitätskli-

nikum Gießen und Marburg GmbH.

Seit 2009 an der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie

am Standort Gießen.

Konstantin Mayer

Prof. Dr. med. Konstantin Mayer ist

Oberarzt der Medizinischen Klinik II

für Innere Medizin, Pneumologie und

Internistische Intensivmedizin am

Universitätsklinikum Gießen und

Marburg, Standort Gießen.

Markus A. Weigand

Prof. Dr. med. Jahrgang 1967.

Studium an der Universität Ulm und

der LMU-München. Seit 1994 wissen-

schaftlicher Mitarbeiter an der

Anaesthesiologischen Universitäts-

klinik Heidelberg. 1993 Promotion.

1994–1995 Arzt im Praktikum. 1995

Approbation. 2001 Facharzt für

Anaesthesiologie. 2002 Oberarzt.

2002 Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. 2003 Spezielle

Anästhesiologische Intensivmedizin. 2004 Habilitation.

2004 Anästhesiologischer Leiter der Intensivmedizin.

2005 Geschäftsführender Oberarzt. 2007 Leitender

Oberarzt und stellvertretender Ärztlicher Direktor der

Klinik für Anaesthesiologie der Universität Heidelberg.

2008 Außerplanmäßiger Professor, Universität Heidel-

berg. 1. 10. 2008 Berufung zum W3-Professor für Anaes-

thesiologie und Operative Intensivmedizin und Leiter der

Klinik für Anaesthesiologie, Operative Intensivmedizin

und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Gießen

und Marburg, Standort Gießen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Markus A. Weigand

Justus-Liebig-Universität Gießen

Klinik für Anaesthesiologie, Operative Intensivmedizin

und Schmerztherapie

Universitätsklinikum Gießen und Marburg,

Standort Gießen

Rudolf-Buchheim Straße 7

35392 Gießen

Tel. +49-641-985 44401

Fax: +49-641-985 44409

E-Mail: [email protected]

Die Literatur zu diesem Beitrag finden Sie unterhttp://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1309875.

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CME-Fragen

█1Welche Aussage zur Epidemiologieund Pathogenese der Muskelatro-phie unter einer Intensivtherapie istrichtig?

A Das Risiko, eine Muskeldysfunktion zu entwickeln, ist bei nicht beatmeten Intensivpatientenvernachlässigbar gering.

B Kortikosteroide und Antibiotika hemmen durch die Dämpfung proinflammatorischer Zytokine dieEntwicklung einer Muskelschwäche.

C Zu einem Verlust der Muskelkraft kommt es nur im Rahmen entzündlicher Prozesse.

D Eine klinisch nachweisbare Schwäche der peripheren Muskulatur findet man frühestens nach etwa10 Tagen bei nahezu einem Viertel der beatmeten ARDS-Patienten.

E Der Verlust der Muskelkraft bei septischen Patienten ist mit einem Anstieg der Letalität verbunden.

█2Welche Aussage zur Critical-illness-Myopathie ist richtig?

A Bei körperlicher Belastung sinkt der Plasmaspiegel von Adrenalin, Kortisol undWachstumshormonen.

B Myokine werden bei körperlicher Aktivität vermehrt ausgeschüttet und haben einenimmunmodulierenden Effekt.

C Die Critical-illness-Myopathie ist die Folge einer Critical-illness-Polyneuropathie.

D Die Critical-illness-Myopathie führt zu einer Muskelschwäche, im Gegensatz zur Critical-illness-Polyneuropathie aber nicht zu Paralysen.

E Eine chronische Erhöhung von Zytokinen wie IL-10 und TNF-α fördert den Muskelaufbau und dieMuskelregeneration.

█3Welche Antwort zur Muskelphysio-logie ist richtig?

A Langsame Muskelfasern (Typ I) enthalten wenige Mitochondrien.

B Schnelle Muskelfasern (Typ IIB) arbeiten glykolytisch.

C Schnelle Muskelfasern (Typ IIB) sind für Ausdauerleistungen ausgelegt.

D Langsame Muskelfasern (Typ I) bezeichnet man auch als „weiße Muskulatur“.

E Kraftvolle, schnelle Bewegungen basieren auf einem oxidativen Muskelstoffwechsel.

█4Welche Aussage zum medikamen-tösen Einfluss auf die immobilitäts-bedingte Muskelatrophie ist richtig?

A Anabole Substanzen bedürfen aufgrund gravierender Risiken einer strengen Indikationsstellung.

B Verzweigtkettige Aminosäuren wirken präventiv einem Muskelabbau entgegen, unterstützen abernicht den Muskelaufbau.

C Kreatin erhöht die Muskelkraft nur zusammen mit einem gleichzeitigen intensiven körperlichenTraining.

D Eine hochdosierte Gabe von Wachstumshormon verbessert die Stickstoffbilanz, verkürzt dieKlinikverweildauer und senkt die Sterblichkeit.

E Eine Testosterontherapie ist am effektivsten, wenn sie frühestmöglich in der inflammatorischenPhase beginnt.

█5Welcher Befund ist in der Entwöh-nungsphase nicht als Hinweis aufeine Atrophie der respiratorischenMuskulatur zu werten?

A fehlender Hustenstoß

B fehlendes inspiratorisches Heben der Bauchdecke

C im Sitzen größere Schwierigkeiten beim Atmen als im Liegen

D paradoxe Atmung

E mangelnde Muskelarbeit in Sedierungspause

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CME-Fragen Frühmobilisierung des chirurgischen Intensivpatienten

█6Welche Aussage zur Mobilisierungviszeralchirurgischer Patienten istrichtig?

A Eine Frühmobilisierung ist kontraindiziert bei Patienten, bei denen ein primärer Verschluss derBauchhöhle nicht möglich ist.

B Die signifikante Senkung der Rate eines postoperativen Ileus durch die Frühmobilisierung ist durchmehrere Muliticenter- Studien abgesichert.

C Eine intensive Atemtherapie nach großen abdominalchirurgischen Operationen kann dieWundheilung gefährden und sollte daher frühestens am 10. postoperativen Tag beginnen.

D Bei viszeralchirurgischen Intensivpatienten ist eine Mobilisierung frühestens ab dem3.–5. postoperativen Tag möglich.

E Bei der ersten Mobilisierung ist eine orthostatische Reaktion möglich.

█7Was gehört nicht zu den Risikofak-toren einer Critical-illness-Myopathieund -Polyneuropathie?

A Sepsis

B Multiorgandysfunktions-Syndrom

C schweres Asthma

D weibliches Geschlecht

E antibiotische Langzeittherapie

█8Welche Aussage zur Mobilisierungviszeralchirurgischer Intensivpatien-ten ist richtig?

A In der Regel verstärkt die Frühmobilisierung eine postoperative Darmparalyse.

B Die Frühmobilisierung vermindert den Katabolismus nach einer viszeralchirurgischen Operation.

C Nach einem stumpfen Bauchtrauma mit traumatischer Einblutung ins Parenchym ist einefrühzeitige intensivierte Mobilisierung zur Verhinderung einer Thromboembolie erforderlich.

D Eine Frühmobilisierung erhöht nach Darmeingriffen das Risiko einer Anastomoseninsuffizienz.

E Nach Oberbauchoperationen ist die Atmung durch eine Zwerchfellirritation abgeschwächt undmit atemtherapeutischen Maßnahmen nicht zu beeinflussen.

█9Nach welchem Eingriff ist nichtmit einem „sympathischen“ Pleura-erguss zu rechnen?

A Hemihepatektomie links

B erweiterte Hemikolektomie rechts

C partielle Duodenopankreatektomie

D Leistenherniotomie links nach Lichtenstein

E Splenektomie

█10Wann muss man von einereingeschränkten Übungsstabilitätausgehen?

A Stabilisierung einer Extremitätenfraktur mit Fixateur externe

B Stabilisierung einer Extremitätenfraktur mit Platten- oder Schraubenosteosynthese

C Radiusfraktur, versorgt mit palmarer, winkelstabiler Plattenosteosynthese

D Typ-A-Beckenverletzung

E Typ-C-Beckenverletzung

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