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Ophthalmologe 2013 · 110:1026–1035 DOI 10.1007/s00347-012-2670-4 Online publiziert: 14. November 2013  © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 E.R. Tamm Institut für Anatomie, Universität Regensburg  Funktionelle Morphologie der  Abflusswege des Kammerwassers  und ihre Veränderungen beim  Offenwinkelglaukom Der Augeninnendruck entsteht durch den Widerstand gegen den Kammer- wasserabfluss in den trabekulären Abflusswegen, wo das Kammerwas- ser durch das Trabekelwerk in den Schlemm-Kanal fließt, um das Auge zu verlassen. Der Widerstand ist in der juxtakanalikulären Region der trabekulären Abflusswege lokalisiert und wird durch eine Kontraktion des Ziliarmuskels oder durch eine Relaxa- tion der kontraktilen Zellen in den trabekulären Abflusswegen gesenkt. Beim primären Offenwinkelglaukom ist der Widerstand erhöht, ein Effekt, der durch eine vermehrte Aktivität des Transforming-growth-factor-β (TGF-β)/Connective-tissue-growth- factor (CTGF)-Signalwegs hervorgeru- fen wird und insgesamt zu einer ver- mehrten Rigidität der trabekulären Abflusswege führt. Augeninnendruck und Kammerwasserabfluss Der Augeninnendruck, der entscheidende Risikofaktor für den Untergang von Axo- nen des Sehnervens beim primären Of- fenwinkelglaukom [3, 17, 20, 35], wird be- stimmt durch das Zirkulationssystem des Kammerwassers im vorderen Auge. Das Kammerwasser, das aktiv von den Zel- len des Ziliarepithels sezerniert wird [26], nimmt 2 unterschiedliche Wege, um im Kammerwinkel die Vorderkammer des Auges zu verlassen. Im konventionellen oder trabekulären Abflussweg passiert das Kammerwasser das Trabekelwerk (Trabe- culum corneosclerale), um dann über das juxtakanalikuläre Gewebe und das Endo- thel des Schlemm-Kanals in die sklera- len Sammelgefäße und von dort schließ- lich in die Kammerwasservenen und das episklerale Venensystem zu gelangen [28]. Der unkonventionelle oder uveos- klerale Abflussweg entsteht dadurch, dass die Kammerwinkelregion im Bereich des vorderen Ansatzes des Ziliarmuskels kei- ne epitheliale Bedeckung aufweist, sodass Kammerwasser an der Vorderseite des Zi- liarkörpers in seine interstitiellen Räume gelangen kann. Das Kammerwasser fließt dann zwischen den Muskelbündeln des Ziliarmuskels und tritt von dort in die Ka- pillaren des Ziliarkörpers über. Alternativ gelangt es nach Passage durch die supra- ziliären und suprachoroidalen Spalträume sowie durch die Sklera in die Lymphgefä- ße der Orbita [27]. In Abhängigkeit von den verwendeten Messmethoden schwan- ken die Angaben zum Umfang des uveos- kleralen Abflusses zwischen 10 und 25– 57% des gesamten Kammerwasserabflus- ses [32]. D Im Gegensatz zum trabekulären  Abflussweg ist der uveosklerale  Abfluss unabhängig von der  Höhe des Augeninnendrucks. Unter physiologischen Bedingungen ist daher nur der trabekuläre Abflussweg re- levant für den Aufbau und die Aufrecht- erhaltung des Augeninnendrucks [14]. So setzt der trabekuläre Abflussweg der Strömung des Kammerwassers einen Widerstand entgegen, der dazu führt, dass sich ein Augeninnendruck aufbaut bis zu einer Höhe, die schließlich die Pas- sage des Kammerwassers gegen den Wi- derstand über das Trabekelwerk und in den Schlemm-Kanal ermöglicht. Das Kammerwasser passiert daher die trabe- kulären Abflusswege als ein ausschließ- lich von einem Druckgradienten getrie- bener Flüssigkeitsstrom. Diffusionsvor- gänge spielen keine Rolle, genauso we- nig wie aktive Transportmechanismen, da weder metabolische Gifte noch Tem- peraturänderungen die Rate des Kam- merwasserabflusses über das Trabekel- werk beeinflussen [14]. Befindet sich der Augeninnendruck auf einem konstanten Niveau, ist die Flüssigkeit, die durch das Trabekelwerk über den trabekulären Ab- flusswiderstand fließt, gleich der Sekre- tionsrate des Ziliarepithels. Der Wider- stand gegen den Kammerwasserabfluss in den trabekulären Abflusswegen wird größer mit zunehmendem Alter, was in der Regel zu keiner Erhöhung des Au- geninnendrucks führt, da die Kammer- wassersekretion im Alter abnimmt. Pa- thologisch erhöht ist der trabekuläre Ab- flusswiderstand beim Offenwinkelglau- kom [14]. Trabekelwerk Die Gewebe, welche die trabekulären Ab- flusswege aufbauen, sind eingebettet in dem skleralen Sulcus, einem zirkulären Graben auf der Innenseite der Sklera im Bereich des korneoskleralen Limbus. Das Sulcus erstreckt sich von dem peripheren Ende der Descemet-Membran zum Skle- ralsporn, einem kantenartig nach innen vorspringenden zirkulären Ring, der von der inneren Sklera aus ins Auge hinein- ragt. Der Schlemm-Kanal, ein zirkuläres Gefäß, liegt an der Außenseite des skle- ralen Sulcus, während das Trabekelwerk 1026 | Der Ophthalmologe 11 · 2013 Leitthema

Funktionelle Morphologie der Abflusswege des Kammerwassers und ihre Veränderungen beim Offenwinkelglaukom

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Ophthalmologe 2013 · 110:1026–1035DOI 10.1007/s00347-012-2670-4Online publiziert: 14. November 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

E.R. TammInstitut für Anatomie, Universität Regensburg 

Funktionelle Morphologie der Abflusswege des Kammerwassers und ihre Veränderungen beim Offenwinkelglaukom

Der Augeninnendruck entsteht durch den Widerstand gegen den Kammer-wasserabfluss in den trabekulären Abflusswegen, wo das Kammerwas-ser durch das Trabekelwerk in den Schlemm-Kanal fließt, um das Auge zu verlassen. Der Widerstand ist in der juxtakanalikulären Region der trabekulären Abflusswege lokalisiert und wird durch eine Kontraktion des Ziliarmuskels oder durch eine Relaxa-tion der kontraktilen Zellen in den trabekulären Abflusswegen gesenkt. Beim primären Offenwinkelglaukom ist der Widerstand erhöht, ein Effekt, der durch eine vermehrte Aktivität des Transforming-growth-factor-β (TGF-β)/Connective-tissue-growth-factor (CTGF)-Signalwegs hervorgeru-fen wird und insgesamt zu einer ver-mehrten Rigidität der trabekulären Abflusswege führt.

Augeninnendruck und Kammerwasserabfluss

Der Augeninnendruck, der entscheidende Risikofaktor für den Untergang von Axo-nen des Sehnervens beim primären Of-fenwinkelglaukom [3, 17, 20, 35], wird be-stimmt durch das Zirkulationssystem des Kammerwassers im vorderen Auge. Das Kammerwasser, das aktiv von den Zel-len des Ziliarepithels sezerniert wird [26], nimmt 2 unterschiedliche Wege, um im Kammerwinkel die Vorderkammer des Auges zu verlassen. Im konventionellen oder trabekulären Abflussweg passiert das Kammerwasser das Trabekelwerk (Trabe-culum corneosclerale), um dann über das juxtakanalikuläre Gewebe und das Endo-

thel des Schlemm-Kanals in die sklera-len Sammelgefäße und von dort schließ-lich in die Kammerwasservenen und das epi sklerale Venensystem zu gelangen [28]. Der unkonventionelle oder uveos-klerale Abflussweg entsteht dadurch, dass die Kammerwinkelregion im Bereich des vorderen Ansatzes des Ziliarmuskels kei-ne epitheliale Bedeckung aufweist, sodass Kammerwasser an der Vorderseite des Zi-liarkörpers in seine interstitiellen Räume gelangen kann. Das Kammerwasser fließt dann zwischen den Muskelbündeln des Ziliarmuskels und tritt von dort in die Ka-pillaren des Ziliarkörpers über. Alternativ gelangt es nach Passage durch die supra-ziliären und suprachoroidalen Spalträume sowie durch die Sklera in die Lymphgefä-ße der Orbita [27]. In Abhängigkeit von den verwendeten Messmethoden schwan-ken die Angaben zum Umfang des uveos-kleralen Abflusses zwischen 10 und 25–57% des gesamten Kammerwasserabflus-ses [32].

D Im Gegensatz zum trabekulären Abflussweg ist der uveosklerale Abfluss unabhängig von der Höhe des Augeninnendrucks.

Unter physiologischen Bedingungen ist daher nur der trabekuläre Abflussweg re-levant für den Aufbau und die Aufrecht-erhaltung des Augeninnendrucks [14]. So setzt der trabekuläre Abflussweg der Strömung des Kammerwassers einen Widerstand entgegen, der dazu führt, dass sich ein Augeninnendruck aufbaut bis zu einer Höhe, die schließlich die Pas-sage des Kammerwassers gegen den Wi-derstand über das Trabekelwerk und in

den Schlemm-Kanal ermöglicht. Das Kammerwasser passiert daher die trabe-kulären Abflusswege als ein ausschließ-lich von einem Druckgradienten getrie-bener Flüssigkeitsstrom. Diffusionsvor-gänge spielen keine Rolle, genauso we-nig wie aktive Transportmechanismen, da weder metabolische Gifte noch Tem-peraturänderungen die Rate des Kam-merwasserabflusses über das Trabekel-werk beeinflussen [14]. Befindet sich der Augeninnendruck auf einem konstanten Niveau, ist die Flüssigkeit, die durch das Trabekelwerk über den trabekulären Ab-flusswiderstand fließt, gleich der Sekre-tionsrate des Ziliarepithels. Der Wider-stand gegen den Kammerwasserabfluss in den trabekulären Abflusswegen wird größer mit zunehmendem Alter, was in der Regel zu keiner Erhöhung des Au-geninnendrucks führt, da die Kammer-wassersekretion im Alter abnimmt. Pa-thologisch erhöht ist der trabekuläre Ab-flusswiderstand beim Offenwinkelglau-kom [14].

Trabekelwerk

Die Gewebe, welche die trabekulären Ab-flusswege aufbauen, sind eingebettet in dem skleralen Sulcus, einem zirkulären Graben auf der Innenseite der Sklera im Bereich des korneoskleralen Limbus. Das Sulcus erstreckt sich von dem peripheren Ende der Descemet-Membran zum Skle-ralsporn, einem kantenartig nach innen vorspringenden zirkulären Ring, der von der inneren Sklera aus ins Auge hinein-ragt. Der Schlemm-Kanal, ein zirkuläres Gefäß, liegt an der Außenseite des skle-ralen Sulcus, während das Trabekelwerk

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den größten Teil seiner Innenseite bean-sprucht. Das Trabekelwerk ist aufgebaut aus Bindegewebssträngen, den Lamellen, die aus einem Kern von kollagenen und elastischen Fasern bestehen. Die Lamel-len werden vollständig von den Trabekel-werkzellen bedeckt, die einer typischen Basallamina aufsitzen, die sie vom Kern der Lamellen trennt. Trabekelwerkszel-len sind phagozytotisch aktiv, eine Eigen-schaft, die vermutlich von Vorteil ist, um in einem Selbstreinigungsmechanismus das poröse Abflussgewebe offen zu hal-ten. So finden sich häufig Pigmentgra-nula in den Zellen des Trabekelwerks, die vermutlich aus Zellen der Iris freige-setzt wurden. Die Regionen des Trabekel-werks, die eine besonders hohe Anzahl an pigmentierten Zellen aufweisen, sind vermutlich solche Bereiche, die den skle-ralen Sammelkanälen gegenüber liegen und vorzugsweise als Abflusswege für das Kammerwasser dienen. Insgesamt zeigen die Trabekelwerkzellen einen epi thelialen Charakter, wobei sich allerdings – wohl aufgrund ihrer flachen Gestalt – in der Literatur häufig der Begriff „Trabe-kelwerkendothel“ findet. Allerdings wei-sen die Trabekelwerkzellen, genauso we-nig wie die Zellen des Hornhautendothels,

die zellbiologischen Charakteristika von Gefäßendothelien auf.

Die Lamellen des Trabekelwerks sind stellenweise über ihren Bindegewebs-kern, aber auch über zelluläre Fortsätze miteinander verbunden, wodurch insge-samt eine poröse schwammartige Struk-tur entsteht. Da der Schlemm-Kanal in seiner anterior-posterioren Ausdehnung kürzer ist als das Trabekelwerk, kann ein hinterer, filtrierender Teil des Trabekel-werks von einem vorderen, nicht filtrie-renden Teil unterschieden werden. Nach vorne geht das Bindegewebe der Lamel-len an der Schwalbe-Linie in das Stro-ma der Hornhaut und das Ende der De-scemet-Membran über, während es nach hinten zu mit dem Stroma von Ziliarkör-per und Iris (uveales Trabekelwerk) oder mit dem Skleralsporn (korneosklerales Trabekelwerk) verbunden ist (. Abb. 1). Das uveale Trabekelwerk besteht aus 1 bis 3 Lagen von Lamellen. Das korneosklera-le Trabekelwerk bildet 8 bis 15 Lamellen, die dicker sind als die des uvealen Trabe-kelwerks.

Zwischen den Lamellen des korneos-kleralen Trabekelwerks und dem Endo-thel des Schlemm-Kanals erstreckt sich das juxtakanalikuläre (cribriforme) Ge-

webe, der kleinste Teil des Trabekelwerks mit einer Tiefe von lediglich 2–20 μm (. Abb. 1). Das juxtakanalikuläre Ge-webe bildet keine Lamellen aus, son-dern stellt ein typisches lockeres Binde-gewebe dar mit 2 bis 5 Lagen von Zel-len, die keinen epithelialen Charakter zeigen, sondern eine typische sternför-mige, mesenchymale Morphologie, ähn-lich der von Fibroblasten. Die Zellen des juxtakanalikulären Gewebes sind einge-bettet in einer extrazellulären Matrix, be-stehend aus fibrillären Bestandteilen und einer amorphen Grundsubstanz aus Hya-luronan und Proteoglykanen [1]. Ein be-sonders charakteristisches Strukturele-ment des juxtakanalikulären Gewebes ist ein Netzwerk aus elastischen Fasern, der cribriforme Plexus, der sich tangential zum Endothel des Schlemm-Kanals er-streckt. Die elastischen Fasern des cribri-formen Plexus bestehen aus einem Kern, der das Molekül Elastin enthält, wodurch die elastischen Eigenschaften vermittelt werden, und einer Hülle aus gebänder-tem Material mit einer Periodik von et-wa 50 nm. Die genaue molekulare Natur dieses Hüllmaterials ist bis heute nicht ge-klärt, wobei es allerdings Hinweise gibt, dass es Kollagen Typ VI und Fibronek-tin enthält. Die Fasern des cribriformen Plexus sind verbunden mit dem Endo-thel des Schlemm-Kanals über feine Fi-brillen, die aus dem Hüllmaterial her-ausragen (. Abb. 2a). Diese Zell-Mat-rix-Verbindungen enthalten Fibronektin und sind anscheinend sehr wichtig für die Adhäsion des Endothels, das nur eine un-vollständige Basallamina ausbildet. Wer-den experimentell die Verbindungen ge-löst, kommt es durch den Strömungs-druck des Kammerwassers zur Ablösung des Endothels [23].

Schlemm-Kanal

Beim Schlemm-Kanal handelt es sich um ein modifiziertes kapilläres Blutgefäß, das die Besonderheit aufweist, dass der Flüs-sigkeitsstrom von außen nach innen er-folgt [6]. Um den Übertritt des Kammer-wassers in den Schlemm-Kanal zu er-möglichen, erreicht das Endothel an der Innenwand des Schlemm-Kanals eine hydraulische Konduktivität, welche die höchste im Organismus gemessene ist

Abb. 1 9 Lichtmikros-kopische Aufnahme  eines Meridional-schnitts durch Tra-bekelwerk (TM) und Schlemm-Kanal (SC; aus [28], mit freundl. Genehmigung von El-sevier). An dieser Stel-le ist das Lumen des Kanals durch ein Sep-tum geteilt. SS Skleral-sporn, CM Ziliarmuskel, AC Vorderkammer, JCT juxtakanalikuläres Gewebe, CTM korneo-sklerales Trabekelwerk, UTM uveales Trabekel-werk. Die Pfeile in b zeigen „giant vacuoles“,  die vom Endothel der Innenwand des Kanals gebildet werden. Ab-bildungsmaßstab:  a 20 μm, b 5 μm

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und somit deutlich höher ist als die der Kapillaren der Nierenglomeruli oder der Sinusoide in der Leber [14].

»  Das Endothel an der Innen     wand des Schlemm-Kanals erreicht die höchste im Organismus gemessene hydraulische Konduktivität

Ähnlich wie in diesen beiden Organen bildet das Endothel an der Innenwand des Schlemm-Kanals inter- und intrazel-luläre Poren aus (. Abb. 2b), die aller-dings einen ungewöhnlich großen Durch-messer von bis zu 1 μm erreichen können [27]. Um den Fluss des Kammerwassers nicht zu behindern, ist zudem die Basal-lamina des Endothels unvollständig, was dazu führt, dass Endothelzellen durch den Strömungsdruck des Kammerwas-sers teilweise von der Unterlage abgeho-ben werden und sich dann in das Lumen des Schlemm-Kanals hineinwölben (sog. „giant vacuoles“; . Abb. 1, 2b). Wie be-reits erwähnt, verhindert dann nur die Verbindung mit den Fasern des cribrifor-men Plexus ein vollständiges Ablösen der Endothelzellen. Die Poren des Schlemm-Kanals entstehen aus 60 nm großen Mi-niporen, die von einem Diaphragma be-deckt sind, das aus dem Molekül Plas-malemma-Vesicle-Associated-Protein (PLVAP) besteht [12].

Trabekulärer Abflusswiderstand

Es gilt heute als weitgehend unumstritten, dass der Abflusswiderstand für das Kam-merwasser in der juxtakanalikulären Re-gion (bestehend aus dem juxtakanaliku-lären Gewebe und der Innenwand des Schlemm-Kanals) der trabekulären Ab-flusswege lokalisiert ist. Tatsächlich sind die Poren im uvealen und korneoskleralen Trabekelwerk viel zu groß, um dem Kam-merwasserfluss einen Widerstand ent-gegenzustellen [14]. Für die Entstehung des Abflusswiderstands in der juxtakana-likulären Region werden prinzipiell 3 Me-chanismen diskutiert:1. Der Widerstand ist in den extrazel-

lulären Räumen des juxtakanalikulä-ren Gewebes lokalisiert und wird her-vorgerufen durch die Qualität und

Quantität der dortigen extrazellulären Matrix.

2. Der Widerstand ist im Endothel des Schlemm-Kanals lokalisiert.

3. Der Widerstand entsteht durch ein funktionelles synergistisches Zusam-menspiel zwischen den extrazellu-lären Abflusswegen des juxtakanali-

kulären Gewebes und den Poren des Schlemm-Kanals.

Gegen eine Lokalisation des Abflusswi-derstands in den extrazellulären Räu-men des juxtakanalikulären Gewebes sprechen Untersuchungen, die Daten von transmissionselektronenmikroskopi-

Zusammenfassung · Abstract

Ophthalmologe 2013 · 110:1026–1035   DOI 10.1007/s00347-012-2670-4© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

E.R. Tamm

Funktionelle Morphologie der Abflusswege des Kammerwassers und ihre Veränderungen beim Offenwinkelglaukom

ZusammenfassungDas Kammerwasser strömt aus dem Auge über die trabekulären und die uveoskleralen Abflusswege. Unter physiologischen Bedin-gungen sind für die Höhe des Augeninnen-drucks nur die trabekulären Abflusswege re-levant, wo das Kammerwasser über das Tra-bekelwerk und den Schlemm-Kanal das Au-ge verlässt. Der Augeninnendruck entsteht durch den Widerstand gegen den Kammer-wasserabfluss in der juxtakanalikulären Re-gion der trabekulären Abflusswege, die aus dem juxtakanalikulären Gewebe des Trabe-kelwerks und dem unmittelbar benachbar-ten Endothel des Schlemm-Kanals besteht. Der Widerstand wird beeinflusst durch 2 an-tagonistische kontraktile Systeme, den Zi-liarmuskel und den kontraktilen Myofibro-blasten in den trabekulären Abflusswe-gen. Durch eine Kontraktion des Ziliarmus-kels oder durch eine Relaxation der kontrakti-len Zellen in den trabekulären Abflusswegen 

wird der Widerstand gesenkt. Beim primären Offenwinkelglaukom ist der Widerstand in den trabekulären Abflusswegen erhöht. Die-ser Effekt wird durch eine vermehrte Aktivität des Transforming-Growth-Factor-β/Connecti-ve-Tissue-Growth-Factor-Signalwegs hervor-gerufen. Die Zellen des Trabekelwerks wer-den dadurch stimuliert, ein stärkeres Aktin-zytoskelett zu bilden und eine vermehrte ex-trazelluläre Matrix, die mit den Zellen über Zell-Matrix-Kontakte verbunden ist. Insge-samt kommt es so zu einem erhöhten Tonus der Zellen in den trabekulären Abflusswegen, was zur vermehrten Rigidität und Erhöhung des Abflusswiderstands führt.

SchlüsselwörterTransforming growth factor-β · Connective tissue growth factor · Myofibroblast ·  Aktinzytoskelett · Augeninnendruck

Functional morphology of the outflow pathways of aqueous humor and their changes in open angle glaucoma

AbstractAqueous humor exits the eye through the trabecular and uveoscleral outflow path-ways. Under normal conditions intraocu-lar pressure is maintained in the trabecular outflow pathways in which aqueous humor  passes through the trabecular meshwork into  Schlemm’s canal. Intraocular pressure is gen-erated through an outflow resistance in the juxtacanalicular region which consists of jux-tacanalicular tissue and the inner wall endo-thelium of Schlemm’s canal. The resistance of this region is under the influence of two contractile systems, the anterior longitudi-nal portion of the ciliary muscle and the con-tractile myofibroblast-like cells in the trabec-ular outflow pathways. Resistance is lowered through contraction of the ciliary muscle or relaxation of the contractile cells in the tra-becular outflow pathways. In primary open 

angle glaucoma, resistance in the juxtacan-alicular region is abnormally high. The cause of the increase is related to an increased ac-tivity in transforming growth factor beta and connective tissue growth factor signaling. The cells of the trabecular meshwork outflow pathways are stimulated to form a stronger contractile phenotype involving both an in-crease in the actin cytoskeleton and the sur-rounding fibrillar extracellular matrix. As a re-sult there is an increase in cellular tone in the trabecular outflow pathways leading to an in-crease in rigidity and outflow resistance.

KeywordsTransforming growth factor beta · Connective tissue growth factor · Myofibroblasts · Actin cytoskeleton · Intraocular pressure

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schen Aufnahmen quantitativ auswerte-ten [14]. Nach diesen Berechnungen sind die freien, nicht von extrazellulärer Ma-trix besetzen Abflusswege des Kammer-wassers viel zu groß, um in dieser Region einen Widerstand hervorzurufen. Ge-gen diese Befunde wird als Argument ins Feld geführt, das mit Transmissionselek-tronenmikroskopie nur bestimmte Tei-le der extrazellulären Matrix dargestellt werden können, während z. B. Hyaluro-nan und Proteoglykane der Darstellung weitgehend entgehen. Tatsächlich zeigen alternative Verfahren, dass dies auch für das juxtakanalikuläre Gewebe der Fall ist [10]. Gegen das Endothel als Ort des Wi-derstandes sprechen quantitative Auswer-tungen der Anzahl seiner Poren, die mit-hilfe von Rasterelektronenmikroskopie (REM) ermittelt wurden [5]. So ist die An-zahl an mit dieser Methode nachgewiese-nen Poren so hoch, dass im Endothel le-diglich 10% des Widerstands lokalisiert

sein könnte. Gegen diese Beobachtungen sprechen allerdings neuere Untersuchun-gen, die zeigen, dass bei REM die Anzahl der Poren im Endothel des Schlemm-Ka-nals von der Dauer der chemischen Fi-xation beeinflusst wird, wodurch die tat-sächliche Anzahl an Poren vermutlich un-gleich geringer ist als bislang angenom-men [15]. Die dritte Möglichkeit geht von der Hypothese aus, dass die extrazellulä-re Matrix des juxtakanalikulären Gewe-bes trichterförmige Abflusswege vorgibt, die das Kammerwasser zu den Poren des Endothels leiten („funnel hypothesis“; [14, 22]). Hierdurch kommt es zur Einschrän-kung des Kammerwasserstroms und zur Ausbildung des Widerstands. Der Wi-derstand kann allerdings deutlich ge-senkt werden, wenn sich die Anzahl an Poren erhöht oder wenn die extrazellulä-ren Räume insgesamt offener werden, so-dass die trichterförmige Einschränkung aufgehoben wird und das Kammerwas-

ser frei zum Endothel des Schlemm-Ka-nals strömen kann. Momentan spricht für die Funnel-Hypothese, dass sie nahezu al-le experimentellen Beobachtungen erklä-ren kann.

Uveoskleraler Abfluss und Augeninnendruck

Auch wenn der uveosklerale Abfluss unter physiologischen Bedingungen kei-ne wesentliche Bedeutung für die Entste-hung des Augeninnendrucks hat, kann er pharmakologisch sehr effektiv modifi-ziert werden, um eine deutliche Senkung des Augeninnendrucks zu erreichen. So kommt es nach Gabe von Prostaglandin-derivaten zu einer vermehrten Aktivität von Metalloproteinasen [2]. Dabei han-delt es sich um Enzyme, die extrazelluläre Matrix abbauen, ein Effekt, der zur Erwei-terung der interstitiellen Spalträume im Ziliarmuskel führt, wodurch mehr Kam-merwasser über diesen Weg das Auge ver-lassen kann [21]. Befunde an perfundier-ten Organkulturen vorderer Augenseg-mente des Menschen legen zudem nahe, dass Prostaglandinderivate darüber hin-aus auch einen direkten senkenden Effekt auf den Abflusswiderstand der trabekulä-ren Abflusswege haben [4].

Kontraktile Mechanismen in den trabekulären Abflusswegen

Zwei kontraktile Systeme beeinflussen die Geometrie der trabekulären Abfluss-wege und den Abflusswiderstand in der juxtakanalikulären Region. Dabei han-delt es sich zum einen um den Ziliarmus-kel, dessen vordere, meridional verlau-fende Muskelbündel über kollagene und elastische Sehnen am Skleralsporn anset-zen ([31], . Abb. 3). Da die elastischen Fasern des cribriformen Plexus im Skle-ralsporn verankert sind, kommt es nach einer Kontraktion des Ziliarmuskels zu einer Veränderung der Geometrie der Kammerwasserabflusswege in der juxta-kanalikulären Region, ein Effekt der ins-gesamt zu einer Senkung des Abflusswi-derstands führt. Teilweise strahlen die Sehnen des Ziliarmuskels auch in die La-mellen des Trabekelwerks ein (. Abb. 3). Der Ziliarmuskel ist eines der am dichtes-ten cholinerg innervierten Gewebe des

Abb. 2 9 Elektronen-mikroskopische Auf-nahme der juxtakana-likulären Region (aus [28], mit freundl. Ge-nehmigung von Else-vier). a Fasern („con-necting fibrils“, CF), die aus dem cribriformen elastischen Plexus ent-springen, sind mit dem Endothel des Schlemm-Kanals (SC) verbunden. Die Verbin-dung erfolgt über das gebänderte Hüllma-terial der Fasern oder über feine Fibrillen, die daraus hervorge-hen (Pfeile). b Eine „gi-ant vacuole“ (GV) des Endothels der Innen-wand des SC bildet ei-ne typische intrazellu-läre Pore (Pfeil). Abbil-dungsmaßstab: 1 μm

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Organismus [31], und seine Verbindung zu Skleralsporn und Trabekelwerk stellt die Grundlage für die augeninnendruck-senkende Wirkung von Cholinergika dar. Experimentelle Befunde am Primatenau-ge zeigen, dass eine Disinsertion des Zi-liarmuskels von seinem vorderen Ansatz

die augeninnendrucksenkende Wirkung von Cholinergika aufhebt [18].

Das zweite kontraktile System wird von den Zellen des Trabekelwerks und des juxtakanalikulären Gewebes gebildet, die teilweise Eigenschaften von kontraktilen Myofibroblasten aufweisen [13]. Dies ist

besonders ausgeprägt am hinteren Ansatz der Gewebe im Bereich des Skleralsporns ([25], . Abb. 4). Die Zellen in dieser Re-gion enthalten große Mengen der für glat-te Muskelzellen typischen Aktin-Isoform α-Smooth-Muscle-Actin, bilden aber im Gegensatz zu den glatten Muskelzellen des Ziliarmuskels nicht das für glatte Muskel-zellen typische Intermediärfilament Des-min (. Abb. 4). Ultrastrukturelle Unter-suchungen zeigen, dass die Zellen im Skleralsporn alle strukturellen Merkma-le von Myofibroblasten aufweisen wie ein Zytoplasma, das zahlreiche Myofilamente enthält oder die Ausbildung von zellulä-ren Fortsätzen, die sehnige Verbindungen mit den benachbarten elastischen Fasern eingehen (. Abb. 5). Einen wesentlichen Unterschied zu den Zellen des benachbar-ten Ziliarmuskels stellt die Tatsache dar, dass die myofibroblastären Zellen der tra-bekulären Abflusswege zirkumferenziell bzw. äquatorial angeordnet sind, also ge-nau senkrecht zu den longitudinal oder meridional orientierten Bündeln des Zi-liarmuskels (. Abb. 4, 6). Zwischen bei-den kontraktilen Systemen finden sich im Skleralsporn zahlreiche Nervenendigun-gen, welche die strukturellen Charakte-ristika von Mechanosensoren aufweisen und sehr wahrscheinlich Teil einer pro-prozeptiven Steuerung sind, über die der Tonus beider kontraktilen Systeme ge-steuert wird [29]. Die kontraktilen Myo-fibroblasten sind parasympathisch inner-viert mit Nervenendigungen, die Immun-reaktivität für neuronale Stickoxidsyntha-se (nNOS) sowie für vasoaktives intesti-nales Peptid (VIP) und Neuropeptid Y (NPY) zeigen [30]. Hinweise für eine adrenerge Innervation konnten nicht ge-funden werden. Experimentelle Daten, die am Trabekelwerk des Rinderauges erhoben wurden, bei dem allerdings die kontraktilen Systeme ungleich stärker ausgebildet sind als beim menschlichen Auge [7], zeigen, dass muscarinerge und α-adrenerge Agonisten sowie Endothelin zu einer Kontraktion führen, während β-adrenerge Agonisten und Stickoxid die Zellen relaxieren [37].

Insgesamt führt eine Erhöhung des To-nus der Zellen der trabekulären Abfluss-wege zu einer Erhöhung des trabekulä-ren Abflusswiderstands, während es bei einer Relaxation zu einer Senkung des

Abb. 3 8 a, b Licht- und c elektronenmikroskopische Aufnahmen der vorderen Sehnen des Ziliar-muskels (aus [27], mit freundl. Genehmigung von Elsevier). a, b Die Muskelbündel der retikulären Por-tion (RCM) des Muskels (a) und die inneren Bündel seiner longitudinalen Portion (LCM; b) bilden Seh-nen an ihrem vorderen Ansatz (Pfeile), die übergehen in die extrazellulären Fasern des Kerns der La-mellen des Trabekelwerks. CCM zirkuläre Portion des Ziliarmuskels. Während die Sehnen der retiku-lären Portion in das uveale Trabekelwerk (UTM) übergehen, passieren die Sehnen der longitudinalen Portion die Innenseite des Skleralsporns (SS), um in das korneosklerale Trabekelwerk (CTM) einzustrah-len. c Das mit einer Periodik von 50 nm gebänderte Material der vorderen Sehnen des Ziliarmuskels (schwarze Pfeile) kontaktiert direkt die Zellmembran der Muskelzelle (MC), die elektronendichte Mem-branverdickungen („dense bands“) an ihrer zytoplasmatischen Seite ausbildet (offene Pfeile). Im Kon-taktbereich mit der Sehne bildet die Muskelzelle tiefe Einsenkungen, die mit dem gebänderten Mate-rial ausgefüllt sind. Abbildungsmaßstab: a, b 10 μm, c 500 nm

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Abflusswiderstands kommt [36, 37]. Of-fenbar funktionieren beide kontraktile Systeme, Ziliarmuskel und die kontrakti-len Zellen der trabekulären Abflusswege, als funktionelle Antagonisten bezüglich der Modulation des Abflusswiderstands

[37]. Dieses Phänomen kann dadurch er-klärt werden, dass die kontraktilen Zel-len beider Systeme eine unterschiedli-che, um 90° versetzte Anordnung aufwei-sen und somit bei Kontraktion die Geo-metrie der juxtakanalikulären Abfluss-

wege unterschiedlich und antagonistisch beeinflussen (. Abb. 6). Experimente an gentechnisch veränderten Mäusen zeigen, dass unter physiologischen Bedingungen das Enzym endotheliale Stickoxidsyntha-se (eNOS), das zur Freisetzung von Stick-oxid (NO) in den trabekulären Abfluss-wegen führt, eine kritische autoregulati-ve Rolle für den Tonus der dortigen Zel-len spielt. So kommt es als Teil eines me-chanoregulativen Systems zur vermehrten Freisetzung von Stickoxid bei Dehnung des Trabekelwerks, z. B. durch Erhöhung des Augeninnendrucks. Dies führt wie-derum – sehr wahrscheinlich durch eine über Stickoxid hervorgerufene Relaxa-tion der Zellen der trabekulären Abfluss-wege – zur Erniedrigung des Abflusswi-derstands und zur Senkung des Augenin-nendrucks [24].

Trabekuläre Abflusswege beim Offenwinkelglaukom

Beim primären Offenwinkelglaukom kommt es zu charakteristischen morpho-logischen Veränderungen im Bereich der juxtakanalikulären Region der trabekulä-ren Abflusswege. So wird eine Vermeh-rung an fibrillärer extrazellulärer Matrix beobachtet, die hauptsächlich das Hüll-material der elastischen Fasern des cri-briformen Plexus, das ursprünglich als „sheath-derived plaques“ beschrieben wurde, betrifft [34]. Beim steroidindu-zierten Offenwinkelglaukom wurde eben-falls eine Vermehrung von extrazellulärer Matrix in dieser Region gefunden, aller-dings ist hier hauptsächlich Basallamina-ähnliches Material betroffen. Auch wenn diese Veränderungen typisch sind für die jeweilige Form des Offenwinkelglaukoms, kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht unmittelbare Ursache des erhöh-ten Abflusswiderstands in den trabekulä-ren Abflusswegen sind. So konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß der Vermeh-rung an extrazellulärer Matrix in Augen mit einem primären Offenwinkelglau-kom nicht korreliert mit der Höhe des in-traokulären Drucks [11]. Die quantitativen Veränderungen der extrazellulären Mat-rix sind deshalb vermutlich nicht Ursache, sondern ein Symptom des Krankheitspro-zesses. Sehr wahrscheinlich wird die Zu-nahme an extrazellulärer Matrix hervor-

Abb. 4 8 Immunhistochemische Färbungen der Kammerwinkelregion eines 65-jährigen Menschen (aus [25], mit freundl. Genehmigung von Elsevier). a, b Meridionalschnitte, c, d Schnitte mit einer Orientierung tangential zur Sklera. CM Ziliarmuskel, SC Schlemm-Kanal, TM Trabekelwerk, SS Skle-ralsporn. a Ziliarmuskelzellen und Gefäßmuskelzellen färben sich positiv mit Antikörpern gegen α-Smooth-Muscle-Aktin. Die Pfeile markieren den Skleralsporn, in dem sich ebenfalls alle Skleralsporn-zellen positiv anfärben. b Mit Antikörpern gegen Desmin färben sich nur die Zellen des Ziliarmuskels positiv an, während der Skleralsporn ungefärbt bleibt (Pfeile). c Im Tangentialschnitt findet sich im gesamten Skleralsporn eine dichte Population von zirkumferenziell (äquatorial) orientierten, für  α-Smooth-Muscle-Aktin positiv gefärbte Skleralspornzellen, die senkrecht zu den meridional orien-tierten Muskelbündeln des Ziliarmuskels verlaufen. d Im Tangentialschnitt färben sich nur die Muskel-zellen des Ziliarmuskels für Desmin, nicht jedoch Zellen im Skleralsporn. Abbildungsmaßstab: 30 μm

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Leitthema

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gerufen durch eine vermehrte Konzen-tration des Signalmoleküls TGF-β2 im Kammerwasser von Patienten mit einem primären Offenwinkelglaukom, die von zahlreichen Arbeitsgruppen beobachtet wurde [9]. Die Wirkung von TGF-β2 ist normalerweise eingebettet in ein kom-plexes homöostatisches Signalsystem von Molekülen, die seine Aktivität in den tra-bekulären Abflusswegen fördern oder hemmen, wobei die unmittelbare Wir-kung auf die Zellen des Trabekelwerks durch CTGF vermittelt wird [8]. Trabekel-werkzellen reagieren in vitro auf eine ver-mehrte Stimulation durch TGF-β2 oder CTGF mit einer vermehrten Produktion von extrazellulärer Matrix und einer ver-mehrten Ausbildung ihres Aktinzytoske-letts einschließlich einer verstärkten Syn-these von α-Smooth-Muscle-Actin ([9], . Abb. 7). Diese Koppelung macht bio-logisch durchaus Sinn, da eine vermehrte

kontraktile Eigenschaft einhergehen muss mit einer Verstärkung der extrazellulären Bindegewebsfasern, die über auf Integrine basierenden Zell-Matrix-Kontakten mit der Zellmembran verbunden sind. In die gleichen Kontakte strahlen von der Innen-seite der Zelle die Filamente des Aktinzy-toskeletts ein, wodurch es zu einer direk-ten Kraftübertragung kommt. Tatsächlich zeigen von uns erhobene Befunde an gen-technisch veränderten Mäusen, die ver-stärkt CTGF ins Kammerwasser sezernie-ren, dass der gleiche Mechanismus in vivo zu einem Offenwinkelglaukom mit einer Erhöhung des Augeninnendrucks führt [16, 33]. Bei diesen Tieren kann die Erhö-hung des Augeninnendrucks durch Gabe eines Rho-Kinase-Inhibitors, der das Ak-tinzytoskelett destabilisiert, in wenigen Stunden rückgängig gemacht werden, was deutlich darauf hinweist, dass die Erhö-hung des Augeninnendrucks durch einen

verstärkten Tonus der Trabekelwerkzellen hervorgerufen wird. Durch den erhöhten zellulären Tonus und die Vermehrung an extrazellulärer Matrix wird das Trabekel-werk insgesamt steifer und kann nicht mehr auf endogene relaxierende Signale reagieren, die es entspannen und damit den Abflusswiderstand senken würden (. Abb. 7). Im Einklang mit diesem Kon-zept sind Befunde, die an menschlichen Augen mithilfe von „atomic force micro-scopy“ erhoben wurden und zeigen, dass das Trabekelwerk von Patienten mit pri-märem Offenwinkelglaukom deutlich ri-gider und steifer ist als das von normalen Menschen [19].

Ein analoger Mechanismus könn-te durchaus auch die Ursache für die Er-höhung des Augeninnendrucks und die Entstehung eines Glaukoms bei Patienten mit Pseudoexfoliationssyndrom (PEX) sein. Bei diesen Patienten wird vermehrt

Abb. 5 9 Elektronenmikroskopische Aufnahmen von myofibroblastären Skleralspornzellen (SSC; aus [25], mit freundl. Genehmigung von Elsevier). a Tangentialschnitt einer SSC (Orientierung analog zu Abb. 4c, d). Das Zy-toplasma der Zelle enthält zahlreiche 6–8 nm dicke Aktinfilamente (Pfeile), die parallel zur Längsachse der Zelle verlaufen. Die Zellmembran zeigt viele Caveolae (offene Pfeile) und ist eng assoziiert mit dem in einer Periodik von 50 nm gebänderten Hüllmaterial der elastischen Fasern (Sterne). b Meridio-nalschnitt einer SSC (gleiche Region und gleiches Präparat wie a). Die SSC haben lange Fortsätze, die zahlreiche quergeschnittene Myofilamente ent-halten und Kontakte mit den elastischen Fasern im Skleralsporn bilden. Im Kontaktbereich bilden sie an der Zellmembran „dense bands“ aus (Pfeile). c Die SSC sind über „gap junctions“ gekoppelt (Pfeil). Abbildungsmaßstab: a, b 1 μm; c 125 nm

Abb. 6 8 Schematische Zeichnung (analog zu Abb. 4c) zur Darstellung der unterschiedlichen Orientierung der kontraktilen Zellen, die den trabekulä-ren Abfluss beeinflussen. Die am Skleralsporn ansetzenden Zellen der lon-gitudinalen (meridional verlaufenden) Portion des Ziliarmuskels sind senk-recht orientiert zu den zirkumferenziell (äquatorial) verlaufenden Skleral-spornzellen (grün). Die Pfeile zeigen die jeweiligen Bewegungen bei Kon-traktion/Relaxation. (Mit freundl. Genehmigung von Antje Zenker)

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TGF-β1 im Kammerwasser nachgewie-sen, eine TGF-β-Isoform, die eine ho-he Konzen tration im Blut aufweist und bei PEX sehr wahrscheinlich über die da-mit typischerweise einhergehende un-dichte Blut-Kammerwasser-Schranke ins Kammerwasser gelangt [9]. TGF-β1 ist eine der 3 beim Menschen vorkommen-den Isoformen von TGF-β und benützt die gleichen Signalwege wie TGF-β2, das beim primären Offenwinkelglaukom er-höht ist. TGF-β1 kann deshalb ebenfalls – bei einem Nachlassen der physiologischen Kontrollmechanismen – eine Verstärkung des kontraktilen Phänotyps bei Trabekel-werkzellen hervorrufen, der – zusammen mit einer Akkumulation von PEX-Materi-al – zur Erhöhung des Abflusswiderstands und, damit verbunden, des intraokulären Drucks führt.

Fazit für die Praxis

F  Das Kammerwasser verlässt das Au-ge über die konventionellen, trabe-kulären und die unkonventionellen, uveoskleralen Abflusswege.

F  Der Augeninnendruck entsteht durch den Widerstand gegen den Kam-merwasserabfluss in den trabeku-lären Abflusswegen. Dieser ist loka-lisiert in der juxtakanalikulären Re-gion der trabekulären Abflusswege, die aus dem juxtakanalikulären Ge-webe des Trabekelwerks und dem un-mittelbar benachbarten Endothel des Schlemm-Kanals besteht.

F  Der Widerstand wird beeinflusst durch 2 antagonistische kontraktile Systeme, dem Ziliarmuskel und den kontraktilen Myofibroblasten in den trabekulären Abflusswegen. Durch eine Kontraktion des Ziliarmuskels oder durch eine Relaxation der kon-

traktilen Zellen in den trabekulären Abflusswegen wird der Widerstand gesenkt.

F  Beim primären Offenwinkelglaukom ist der Widerstand in den trabekulä-ren Abflusswegen erhöht.

F  Die Erhöhung des Widerstands wird durch eine vermehrte Aktivität des TGF-β-Signalwegs hervorgerufen, die zu einer Vermehrung an extrazel-lulärer Matrix und zu einem erhöh-ten Tonus der Zellen in den trabeku-lären Abflusswegen führt. Insgesamt kommt es dadurch zu einer vermehr-ten Rigidität der trabekulären Ab-flusswege.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. E.R. TammInstitut für Anatomie, Universität RegensburgUniversitätsstr. 31, 93053 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  E.R. Tamm gibt an, dass kein In-teressenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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Abb. 7 8 Schematische Zeichnung zur Darstellung der zellbiologischen Veränderungen von Zellen des juxtakanalikulären Gewebes bei Aktivierung des Connective-tissue-growth-factor (CTGF)/Trans-forming-growth-factor (TGF)-β-Signalwegs und beim Offenwinkelglaukom. Unter normalen Bedin-gungen hat die Zelle ein Zytoskelett aus Aktinfilamenten (rot), die über membranständige Zell-Matrix-Kontakte (gelb) mit den Fasern der extrazellulären Matrix verbunden sind. Unter dem Einfluss von CTGF/TGF-β verstärkt sich das Aktinzytoskelett gleichzeitig mit einer Vermehrung und Verdickung der extrazellulären Fasern. Insgesamt wird dadurch das Gewebe rigider, wodurch der Abflusswiderstand steigt. (Mit freundl. Genehmigung von Antje Zenker)

Mehr Informationen zum Thema

Eine umfangreichere Liste der verwendeten Literatur kann beim Verfasser angefordert werden.

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Leitthema

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B. Hartmann, W. GoertzArbeitsplatz AugenpraxisWissen für medizinische  FachangestellteHeidelberg: Springer 2013, 1. Aufl.,  169 S., (ISBN 9783642352584), Soft Cover, 29.99 EUR

Ein Buch für Medizini-sche Fachangestellte in der Augenarztpraxis hat bisher gefehlt. Das Buch schließt diese Lücke, und das ist den Autoren hoch anzurechnen. Die An-forderungen an die Mit-

arbeiter in der Augenarztpraxis steigen aufgrund der rasanten Entwicklung neuer Therapie- und Diagnostikmöglichkeiten an. Die Mitarbeiter müssen deshalb über fun-diertes Fachwissen im Bereich der Augen-heilkunde verfügen, da sie im ambulanten Versorgungsprozess wichtige Funktionen wahrnehmen.Das Buch vermittelt interessierten Medizi-nischen Fachangestellten in sehr verständ-lich geschriebener Form und mit Bildern illustriert nicht nur Basiswissen der Augen-heilkunde, sondern detailliertes Wissen über die wichtigsten Krankheitsbilder, Me-dikamente, Notfälle und Untersuchungs-methoden. Einige Themen werden doppelt aufgeführt, manche Zuordnungen erschei-nen etwas irreführend, aber insgesamt ist das Buch ein wirklicher Gewinn.Ebenfalls gelungen: Im Kapitel „Das Ge-spräch“ finden sich gute Praxisbeispiele und Formulierungshilfen. Ein zusätzliches Kapitel, in dem nicht-me-dizinische Angebote für sehbehinderte Pa-tienten, wie z.B. geeignete Schulungsmaß-nahmen, oder Selbsthilfeorganisationen vorgestellt werden, wäre hilfreich; medi-zinische Fachangestellte sind dafür häufig erste Ansprechpartner und brauchen dazu die notwendige Fachkenntnis. Die beiden Arbeitsfelder Kommunikation und Büroorganisation nehmen sehr wenig Raum ein. Büroorganisation wird als „Büro-kram“ abgestuft. Gerade in großen Praxen – aber nicht nur da – entwickelt sich dieser Bereich jedoch rapide weiter. Ein Über-sichtsbuch mit Fokus auf die medizinischen Aspekte kann sicher nicht auf alle Details eingehen, aber ein kleiner Ausflug in die zunehmende Vielgestaltigkeit des Arbeits-platzes Augenheilkunde würde auch dazu beitragen, die Attraktivität des Berufsbildes und berufliche Weiterentwicklungspers-pektiven erkennbar werden zu lassen.

U. Hahn (Düsseldorf),

A. Schömann (Görlitz)

Buchbesprechungen

1035Der Ophthalmologe 11 · 2013  |