13
Der Urologe [A] 6·99 | 617 Weiterbildung Gentherapie c Maligne Tumorerkrankung c Proliferation c Replikationskaskade c Apoptosefähigkeit Die bisher bekannten Gendefekte in der Pathogenese maligner Tumoren sind sehr komplex. Morphologische Phänomene: - Proliferationsaktivität - Tumorblutversorgung - Tumorinvasion - Metastasierung. c Gentherapeutische Maßnahmen c Urologische Neoplasien V. Rohde · H.-P. Sattler · B.Wullich · Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar Gentherapie Grundlagen und vorläufige Therapiekonzepte zur Behandlung bösartiger Erkrankungen des Urogenitalsystems Die Aussicht, von einer c malignen Tumorerkrankung geheilt zu werden, ist heute nur real, wenn die Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose auf das Organ begrenzt ist. In Fällen eines organüberschreitenden Tumorwachstums oder nachgewiesener Metastasierung schließt sich nach der chirurgischen Sanierung je nach betroffenem Organ und Tumorstadium eine Strahlen- oder Chemotherapie an. Grundprinzip dieser Therapien ist es, die im Körper verbliebenen Tumorzellen wegen ihrer außer Kontrolle geratenen c Proliferation auszuschalten. Unglücklicherweise haben diese Therapieansätze trotz vieler Modifikationen gezeigt, daß eben nicht nur der Metabolismus und die c Replikationskaskade der Tumorzelle zerstört werden, son- dern auch Zellen nicht neoplastischer Gewebe mit hoher physiologischer Zelltei- lungsrate, wie den Schleimhäuten des Darms, den Haarfollikeln und dem Knochen- mark. Neben den zum Teil erheblichen Nebenwirkungen ist der erhoffte therapeuti- sche Effekt, gemessen an den Remissionsraten und den Überlebensraten, zudem gering. Bei Neoplasien mit geringer Proliferation aber reduzierter c Apoptosefähig- keit, eine Situation wie sie beispielsweise beim Prostatakarzinom besteht, ist diese Therapieform noch weniger erfolgversprechend. Hieraus ergibt sich die Forderung nach alternativen Tumortherapiekonzepten. Durch die breite Anwendung molekularbiologischer Techniken ist das Wissen über die molekularen Grundlagen vieler angeborener und erworbener Krankheiten stetig angewachsen. Während jedoch bei der Mucoviszidose und dem ADH-Mangel klar definierte, singuläre genetische Defekte Ansätze für gentherapeutische Maß- nahmen bieten, sind die bisher bekannten Gendefekte in der Pathogenese maligner Tumoren um ein vielfaches komplexer. Nach tumorpathogenetischen Kriterien lassen sich den bereits bekannten morphologischen Phänomenen (a) der veränderten Proliferationsaktivität, (b) der Tumorblutversorgung, (c) der Tumorinvasion und (d) der Metastasierung zunehmend auch genetische Veränderungen auf molekularer Ebene zuordnen. Neben Mutatio- nen in den bekannten Onkogenen und Tumorsuppressorgenen werden Veränderun- gen in zellzyklusregulierenden Genen sowie in Angioneogenese, Zelladhäsion oder die Immunreaktivität steuernden Genen für die Tumorpathogenese verantwortlich gemacht. Hieraus ergeben sich Ansätze für c gentherapeutische Maßnahmen, mit dem Ziel, die Proliferation von Tumorzellen selektiv zu hemmen. Trotz der Komplexität der molekularen Pathogenese malignen Wachstums sind auch bei c urologischen Neoplasien tumorspezifische genetische Veränderungen beschrieben, die Ansätze für eine Gentherapie bieten. Urologe [A] 1999 · 38: 617–629 © Springer-Verlag 1999 Dr. V. Rohde Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universität des Saarlandes, D-66421 Homburg/Saar Redaktion M. Ziegler, Homburg/Saar in Zusammenarbeit mit J.W.Thüroff, Mainz, Vorsitzender der Fort- und Weiterbildungskommission der Deutschen Urologen Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung“ sollen dem Wissensstand der Facharztprüfung für den Urologen entsprechen und zugleich dem Facharzt als Repetitorium dienen. Die Rubrik beschränkt sich auf gesicherte Aussagen zum Thema.

Gentherapie Grundlagen und vorläufige Therapiekonzepte zur Behandlung bösartiger Erkrankungen des Urogenitalsystems

  • Upload
    v-rohde

  • View
    214

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Der Urologe [A] 6·99 | 617

Wei

terb

ildun

gGe

nthe

rapi

e

c Maligne Tumorerkrankung

c Proliferation

c Replikationskaskade

c Apoptosefähigkeit

Die bisher bekannten Gendefekte in der Pathogenese maligner Tumoren sind sehrkomplex.

Morphologische Phänomene:- Proliferationsaktivität- Tumorblutversorgung- Tumorinvasion- Metastasierung.

c Gentherapeutische Maßnahmen

c Urologische Neoplasien

V. Rohde · H.-P. Sattler · B.Wullich · Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie,Universität des Saarlandes, Homburg/Saar

GentherapieGrundlagen und vorläufige Therapiekonzepte zur Behandlung bösartiger Erkrankungen des Urogenitalsystems

Die Aussicht, von einer c malignen Tumorerkrankung geheilt zu werden, ist heute nurreal, wenn die Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose auf das Organ begrenzt ist.In Fällen eines organüberschreitenden Tumorwachstums oder nachgewiesener Metastasierung schließt sich nach der chirurgischen Sanierung je nach betroffenemOrgan und Tumorstadium eine Strahlen- oder Chemotherapie an. Grundprinzip dieser Therapien ist es, die im Körper verbliebenen Tumorzellen wegen ihrer außerKontrolle geratenen c Proliferation auszuschalten. Unglücklicherweise haben diese Therapieansätze trotz vieler Modifikationen gezeigt, daß eben nicht nur der Metabolismus und die c Replikationskaskade der Tumorzelle zerstört werden, son-dern auch Zellen nicht neoplastischer Gewebe mit hoher physiologischer Zelltei-lungsrate, wie den Schleimhäuten des Darms, den Haarfollikeln und dem Knochen-mark. Neben den zum Teil erheblichen Nebenwirkungen ist der erhoffte therapeuti-sche Effekt, gemessen an den Remissionsraten und den Überlebensraten, zudem gering. Bei Neoplasien mit geringer Proliferation aber reduzierter c Apoptosefähig-keit, eine Situation wie sie beispielsweise beim Prostatakarzinom besteht, ist dieseTherapieform noch weniger erfolgversprechend. Hieraus ergibt sich die Forderungnach alternativen Tumortherapiekonzepten.

Durch die breite Anwendung molekularbiologischer Techniken ist das Wissenüber die molekularen Grundlagen vieler angeborener und erworbener Krankheitenstetig angewachsen. Während jedoch bei der Mucoviszidose und dem ADH-Mangelklar definierte, singuläre genetische Defekte Ansätze für gentherapeutische Maß-nahmen bieten, sind die bisher bekannten Gendefekte in der Pathogenese malignerTumoren um ein vielfaches komplexer.

Nach tumorpathogenetischen Kriterien lassen sich den bereits bekannten morphologischen Phänomenen (a) der veränderten Proliferationsaktivität, (b) derTumorblutversorgung, (c) der Tumorinvasion und (d) der Metastasierung zunehmendauch genetische Veränderungen auf molekularer Ebene zuordnen. Neben Mutatio-nen in den bekannten Onkogenen und Tumorsuppressorgenen werden Veränderun-gen in zellzyklusregulierenden Genen sowie in Angioneogenese, Zelladhäsion oderdie Immunreaktivität steuernden Genen für die Tumorpathogenese verantwortlichgemacht. Hieraus ergeben sich Ansätze für c gentherapeutische Maßnahmen, mit demZiel, die Proliferation von Tumorzellen selektiv zu hemmen.

Trotz der Komplexität der molekularen Pathogenese malignen Wachstums sindauch bei c urologischen Neoplasien tumorspezifische genetische Veränderungen beschrieben, die Ansätze für eine Gentherapie bieten.

Urologe [A]1999 · 38: 617–629 © Springer-Verlag 1999

Dr.V. RohdeKlinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universität des Saarlandes, D-66421 Homburg/Saar

RedaktionM. Ziegler, Homburg/Saar

in Zusammenarbeit mit J.W.Thüroff, Mainz,Vorsitzender der Fort- undWeiterbildungskommission der DeutschenUrologen

Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung“ sollen demWissensstand der Facharztprüfung für denUrologen entsprechen und zugleich dem Facharztals Repetitorium dienen. Die Rubrik beschränkt sichauf gesicherte Aussagen zum Thema.

| Der Urologe [A] 6·99618

Bei der Gentherapie handelt es sich um eine Übertragung von neuem genetischenMaterial auf die Zellen eines Menschen mittherapeutischem oder präventivem Effekt.

c Gene-Replacement

c Antisense-Oligonukleotid-Strategie

c Suicide-Gentherapiec Somatische transgene Vakzination

Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daßbeim Menschen zur Zeit ausschließlich soma-tische Therapiekonzepte zur Behandlungvon Stoffwechsel- und Tumorerkrankungenin Erprobung sind.

Manipulationen an Keimbahnzellen sind verboten.

c Embryonenschutzgesetz von 1990

c Transgene Tiermodelle

c Humaner Blutgerinnungsfaktor 9

c Pharming

c Zellkerntransfer (nuclear transfer)

Definition der Gentherapie

Bei der Gentherapie handelt es sich um eine Übertragung von neuem genetischenMaterial auf die Zellen eines Menschen mit therapeutischem oder präventivem Ef-fekt. Therapeutisch werden zur Zeit je nach dem zugrunde liegenden genetischenDefekt wesentlich vier Strategien validiert. Bei monogenetischen Defekten wirddurch die Substitution eines intakten Wildtyp-Gens eine physiologische Expres-sion des Genproduktes wiederhergestellt (Gen-Substitution bzw. c Gene-Replace-ment). Bei Erkrankungen, die wesentlich durch eine Überexpression des Gens ver-ursacht werden, werden durch unterschiedliche Verfahren die Transkription oderTranslation inhibiert (Riboenzyme-, c Antisense-Oligonukleotid-Strategie u.a.).

Bei komplexen genetischen Erkrankungen versucht man über eine lokale Ex-pression eines Genproduktes zuvor verabreichte inaktive Therapeutika zu aktivie-ren, um so effektiv die Zielzellen erreichen zu können (Gen-Augmentation bzw.c Suicide-Gentherapie). Ein neuer Ansatz stellt die c somatische transgeneVakzination dar. Hierbei soll nach intramuskulärer Applikation eines Expressions-vektors eine langanhaltende zelluläre oder humorale Immunität ausgelöst oderverstärkt werden [2].

Bei der Gentherapie verabreicht man im Gegensatz zur konventionellen medi-kamentösen Therapie den therapeutischen Wirkstoff nicht mehr in direkter Form.Statt dessen wird der Zielzelle eine DNA-Sequenz eingeschleust, quasi ein Bau-stein, der durch nachfolgende biologische Modifikationen zu einem Wirkstoff um-funktioniert wird. Die Zelle produziert das Therapeutikum selbst.Als Vorteile ver-spricht man sich eine entweder systemische oder lokale Regulierbarkeit der Genex-pression mit nur geringen oder gar fehlenden Nebenwirkungen [12].

Somatische Gentherapie und Keimbahntherapie

Grundsätzlich unterscheidet man die somatische Gentherapie und die Keimbahn-therapie. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß beim Menschen zur Zeitausschließlich somatische Therapiekonzepte zur Behandlung von Stoffwechsel-und Tumorerkrankungen in Erprobung sind. Da es sich bei den gentechnisch ver-änderten Zellen um Körperzellen von unterschiedlicher, aber begrenzter Lebens-spanne handelt, müssen auch bei dieser Behandlungsform Therapien für einendauerhaften Erfolg wiederholt werden.

Manipulationen an Keimbahnzellen (Spermien oder weibliche Eizellen), beidenen die genetischen Veränderungen in die nächste Generation vererbt werden,sind an menschlichen Zellen gesetzlich nach dem c Embryonenschutzgesetz von1990 unter der Androhung von Haftstrafen verboten. Bei Tieren werden allerdingsEingriffe an Zellen der Keimbahn schon länger vorgenommen. Hierbei werden zurSchaffung c transgener Tiermodelle definierte Gene aus menschlichen Zellenentnommen und in Ratten-, Mäuse- oder Schafszellen überführt, wo es anschlie-ßend zur Bildung funktionsfähiger Genprodukte kommt.

Bei der Herstellung des c humanen Blutgerinnungsfaktors 9 wird seit kur-zem in Schafszellen das humane Faktor-9-Gen sowie gekoppelt ein Antibiotika-Resistenz-Gen eingeschleust. Die in Zellkultur gebrachten genmanipuliertenSchafszellen werden anschließend mit einem Antibiotikum (Neomycin) behan-delt. Es überleben nur die Zellen, in denen tatsächlich beide Gene integriert sindund auch biologisch wirksame Proteine exprimieren. Nach Fusion mit einer Eizel-le wird die entwickelte Zygote in einen hormonell stimulierten Schafsuterus im-plantiert. Aus der Milch dieser Nachkommen konnte 1997 erstmals der humaneGerinnungsfaktor 9 isoliert werden. Die Produktion humaner Proteine aus transge-nen Tieren wird als c Pharming bezeichnet [21].

Biotechnologie

Die Biotechnologie, die die Schaffung transgener Tiere ermöglicht, ist der c Zell-kerntransfer (nuclear transfer). Für den Zellkerntransfer benötigt man eine Spen-der- und eine Empfängerzelle. Die Empfängerzelle ist meist eine normale, nicht

Der Urologe [A] 6·99 | 619

Der Zellkerntransfer findet an ruhenden Zellen statt.

c Klonierung des Schafes Dolly

Nur etwa 1% der transgenen Tiere exprimie-ren das transfizierte Gen und translatierendas gewünschte Protein.

c Physikalische Verfahren

Als Vektoren werden all die Substanzen bezeichnet, die als biologische Träger einGen in die Zielzelle schleusen.

c Ex vivo-Transfektionc In vivo-Transfektion

fertilisierte Eizelle, die dem Tier unmittelbar nach der Ovulation entnommenwird. Die Spenderzelle ist diejenige, die kopiert werden soll. Unter dem Mikroskopwird der Empfängerzelle der Zellkern entfernt. Anschließend werden Spender-und Empfängerzelle über elektrische Schockwellen fusioniert. Der Zellkerntransferfindet an ruhenden Zellen statt, d.h. eine RNA-Synthese oder DNA-Replikation fin-det nicht statt. Dies entspricht auch dem physiologischen Zustand einer Befruch-tung, da erst 3 Tage nach der Fertilisation die RNA-Synthese wieder einsetzt.

Weltweite Beachtung hat dieses Verfahren gefunden, als 1997 von derc Klonierung des Schafes Dolly berichtet wurde [3]. Neu war, daß erstmals ein ge-netisch identisches Säugetier aus einer voll differenzierten adulten Spenderzelle(Euterzelle eines dreieinhalb Monate schwangeren Schafes) entstanden ist. DieSchaffung genetisch identischer Lebewesen nennt man Klonieren.

Einschränkend muß hinzugefügt werden, daß sich bei der Herstellung transge-ner Tiere die eingebrachte DNA nicht vorhersagefähig, also zufällig ins Genom derWirtszelle integriert. Nur etwa 1% der transgenen Tiere exprimieren das transfi-zierte Gen und translatieren das gewünschte Protein, nur solche können dann fürdie Weiterzucht verwendet werden [21].

Aber auch zur Erforschung von Stoffwechsel- und malignen Erkrankungenwerden Tiere gezielt genmanipuliert, um ein der menschlichen Erkrankung ange-nähertes Krankheitsbild als Modell zum besseren Verständnis der zugrunde lie-genden Pathomechanismen bearbeiten zu können. Techniken des Zellkerntrans-fers kommen in der ausschließlich praktizierten somatischen Gentherapie nichtzum Einsatz.

Techniken des Gentransfers

Für das Einbringen definierter DNA-Sequenzen in die Zielzellen stehen eine ganzeReihe von physikalischen, chemischen und viralen Verfahren zur Verfügung. DieEffektivität des Gentranfers ist für den Erfolg der Gentherapie von entscheidenderBedeutung. Die c physikalischen Verfahren der Elektroporation und der Mikroin-jektion sind der ex vivo-Gentherapie vorbehalten. Sie spielen z.Zt. nur eine unter-geordnete Rolle, da pro Zeiteinheit nur sehr wenig Zellen behandelt werden könnenund diese nach erfolgreicher Reinjektion in das zu behandelnde Organ kaum einelänger anhaltende Genexpression zeigen. Bei den über 200 Gentherapie-Protokol-len der klinischen Phase I, die weltweit durchgeführt werden, werden zu 80% vira-le Vektoren eingesetzt. Bei den übrigen 20% kommen nicht-virale Vektoren wie Li-posomen und DNA-Protein-Komplexe zum Einsatz. Als Vektoren werden all dieSubstanzen bezeichnet, die als biologische Träger ein Gen in die Zielzelle schleu-sen. An einen Vektor werden folgende Forderungen gestellt [1]:◗ Die zum Einschleusen der Transfergene in die Zielzelle eingesetzten Vektoren

dürfen sich in der behandelten Zelle weder horizontal (von Mensch zu Mensch)noch vertikal, d.h. über die Keimbahn, weiter vermehren.

◗ Die injizierten Vektoren müssen im Körper bei einer intravenösen Applikationden Weg zum spezifischen, behandlungsbedürftigen Gewebe selbst finden.

◗ Ein Genvektor sollte an einem sicheren Lokus im Chromosom eingebaut wer-den, oder durch homologe Rekombination ein defektes Gen ersetzen können.

Beim Einsatz viraler Vektoren nutzt man die natürliche Eigenschaft des Virus, umdie physiologischen Schutzbarrieren der Zelle zu umgehen. So transportiert dasVirus seine virale DNA in den Nukleus der Wirtszelle, ohne daß diese durch lyso-somale Prozesse degradiert wird.

Bei den zum Einsatz kommenden Techniken des Gentransfers unterscheidetman die c ex vivo- und die c in vivo-Transfektion. Bei der ex vivo-Transfektionwerden dem Patienten aus dem zu therapierenden Organ Zellen entnommen, inZellkultur genommen, und unter definierten Bedingungen mit dem Vektor trans-fiziert. In der exponentiellen Wachstumsphase werden diese transfizierten, d.h.genmanipulierten Zellen dem Patienten einige Tage später entweder intravenösoder direkt in das erkrankte Organ reinjiziert. Zuvor werden diese Zellen noch be-strahlt, um das maligne Potential zu reduzieren.

Wei

terb

ildun

gGe

nthe

rapi

e

Retroviren sind RNA-Viren und produzierendas Enzym Reverse Transkriptase.

c Spezifische Oberflächenrezeptorenc Moloney Murine Leukemia Virus

(MoMuLV)c Amphotropisches Virus

c Insertgröße c Markergene

| Der Urologe [A] 6·99620

Das direkte Einbringen des Vektors in ein Organ wird als in vivo-Transfektionbezeichnet. Dies kann in vielfältiger Weise bei Lungenerkrankungen bronchosko-pisch, bei Gehirntumoren stereotaktisch oder beim Prostatakarzinom über eineultraschallgesteuerte Prostatainjektion geschehen. Eine intravenöse Injektion istwünschenswert, existiert aber bei mangelnder Organselektivität mit den bisherkonstruierten Vektoren noch nicht.

Das Retrovirus als Vektor (Abb. 1)

Retroviren sind RNA-Viren und produzieren das Enzym Reverse Transkriptase,das den RNA-Einzelstrang in einen DNA-Doppelstrang umschreibt und somit eineIntegration des Virusgenoms in das Wirtsgenom ermöglicht.Als infektiöses Agenssind Retroviren beim Menschen bei der Entstehung von Lymphomen und beiAIDS ursächlich beteiligt. Das Einschleusen eines Retrovirus in eine Wirtszellewird über Glykoproteine der Virushülle eingeleitet, die mit c spezifischen Ober-flächenrezeptoren der Wirtszellen interagieren. Das c Moloney Murine LeukemiaVirus (MoMuLV) besitzt die Fähigkeit, sowohl an Rezeptoren von Mäusezellen alsauch an viele humane Zellrezeptoren zu binden c (amphotropisches Virus). Da-mit wurde das MoMuL-Virus zum ersten viralen Vektorsystem für eine klinischeAnwendung der Gentherapie. Entscheidend für die Entwicklung eines rekombi-nanten Virus ist einerseits, die spezifischen Sequenzen zur rein viralen Replikationzu entfernen, um so einen unkontrollierten potenzierten Übertritt von Zelle zuZelle zu verhindern.Auf der anderen Seite soll aber die Fähigkeit zur genomischenIntegration erhalten bleiben.

Technisch können beim retroviral vermittelten Gentransfer DNA-Sequenzenbis zu einer c Insertgröße von 7–8 kb transportiert werden.Vielfach werden nebeneinem Gen zur therapeutischen Intervention zusätzlich sogenannte c Markergeneeingeführt. Wird ein Neomycinresistenz vermittelndes Gen als Markergen einge-

Abb.1 a-f Der Vermehrungsmechanismus eines Retrovirus. (a) Die virale RNA ist von Capsid- und Matrix-Proteinen umschlossen. In einem retroviralen Vektor sind virale Gene durch das Transgen

ersetzt. In die umhüllende Membran sind in der Matrix verankerte Hüllproteine eingelagert. (b)Über diese Hüllproteine wird die Bindung an die Rezeptoren der Zielzelle vermittelt. (c) Nach dieser

Bindung wird der Vektorpartikel als Endosom internalisiert und (d) die virale Membran fusioniertmit der endosomalen Membran, so daß der Kernpartikel in das Zytoplasma freigegeben wird. (e)

Im Kernpartikel wird die RNA von viralen Enzymen über Reverse Transkription in cDNA umgeschrie-ben. Die virale cDNA wird in den Zellkern überführt, wo sie in ein Chromosom integriert und

transkribiert wird. (f) Da die viralen Gene durch ein Transgen ersetzt wurden, wird lediglich diesesTransgen translatiert (modifiziert nach Anderson, 1998)

c

Der Urologe [A] 6·99 | 621

Die Effektivität des retroviral vermitteltenGentransfers ist stark von der Zellart selbstaber auch von der Zellzyklusphase abhängig.

Grundsätzlich ist hierbei eine Rekombina-tion aus replikationscodierender DNA derWirtszelle und dem zuvor replikationsun-fähigen retroviralen Vektor möglich.

Eine weitere potentielle Gefahr ergibt sichaus der zufälligen und nicht vorhersehbarenIntegration des Vektors in das Genom derWirtszelle.c Tumorsuppressorgenec Proto-Onkogene

c Insertionalen Mutagenese

Adenoviren sind doppelsträngige DNA-Viren.

Im Gegensatz zu den Retroviren werden die Adenoviren nach der Internalisation inden Zellkern nicht ins Genom integriert.cExtrachromosomale Lokalisation

bracht, ist es möglich, sowohl die Menge an retroviralem Vektor zu titrieren alsauch eine Selektion von transfizierten und nicht transfizierten Zellen vorzuneh-men. Leider ist die Effektivität des retroviral vermittelten Gentransfers stark vonder Zellart selbst aber auch von der Zellzyklusphase abhängig. Transfizierte Genekönnen nur dann eine deutlich verlängerte Genexpressionszeit zeigen, wenn siechromosomal integriert worden sind. Dies setzt voraus, daß sich die behandelteZelle zum Zeitpunkt der Transfektion in Zellteilung befindet. Somit ist die Technikdes retroviral vermittelten Gentransfers limitiert und bei sich nur gering teilendenoder gar nicht teilenden Zellen kaum anwendbar. Neben Targetzellen des hämato-poetischen Systems trifft dies auch für Prostatazellen zu, da diese sich nur sehrunregelmäßig teilen [13].

Sicherheit des retroviral vermittelten Gentransfers

Um retrovirale Vektorgene in genügend großer Zahl für therapeutische Anwen-dungen zur Verfügung zu haben, müssen sie in definierten Zelllinien vermehrtwerden. Hierzu wird das replikationsunfähige, aber das Therapiegen tragende Re-trovirus in die Zellen dieser Zellline eingebaut. Grundsätzlich ist hierbei eine Re-kombination aus replikationscodierender DNA der Wirtszelle und dem zuvor re-plikationsunfähigen retroviralen Vektor möglich. Nach einer abgelaufenen Re-kombination wären dann wieder replikationsfähige und damit potentiell infektiö-se Retroviren vorhanden. Diese Gefahr ist in den Anfängen der Konstruktion derVektoren experimentell nachgewiesen worden [18], durch die Weiterentwicklungder Vektoren jedoch mittlerweile weiter erschwert worden. Auszuschließen ist die-se Gefahr bis dato nicht.

Eine weitere potentielle Gefahr ergibt sich aus der zufälligen und nicht vor-hersehbaren Integration des Vektors in das Genom der Wirtszelle. Möglich ist diechromosomale Integration in einer Region, in der die Expression von c Tumor-suppressorgenen oder c Proto-Onkogenen gesteuert wird. Somit ist die Inaktivie-rung eines Tumorsuppessorgens oder die Aktivierung des Proto-Onkogens zumOnkogen möglich. Diese Form der nicht vorhersehbaren Integration wird als c insertionale Mutagenese bezeichnet. Ob im Folgenden dann tatsächlich ein ma-lignes Wachstum ausgelöst wird, hängt davon ab, wieviele Zellen transfiziert sind,wieviele Proto-Onkogene und Suppressorgene betroffen sind und schließlich wiesehr die Insertion die Funktion dieser Gene beeinträchtigt [8].

Der Mechanismus der insertionalen Mutagenese hat für den Einsatz der Re-troviren als Vektoren zur Therapie bei nicht neoplastischen Erkrankungen einenwesentlich höheren Stellenwert als bei malignen Tumorerkrankungen [21].

Schließlich bleibt offen, ob es bei der Anwendung retroviraler Vektoren ein er-höhtes Risiko für die Entstehung eines Zweitkarzinoms gibt, wie dies für Patientennach Chemo-, Strahlen- oder Immuntherapie beschrieben ist [18]. Dieses Risikogilt es aber für alle eingesetzten viralen Vektoren in Zukunft abzuschätzen.

Das Adenovirus als Vektor

Adenoviren sind doppelsträngige DNA-Viren. Beim Menschen ist ein Zusammen-hang zwischen der Infektion mit Adenoviren und dem Auftreten der Keratokon-junktivitis beschrieben. Von den bisher bekannten 47 Serotypen ist kein Zusam-menhang zur Entstehung von humanen Malignomen bekannt, wenngleich der hu-mane Serotyp 12 bei Nagetieren eine Tumorentstehung induzieren kann [19]. Fürden Einsatz als Vektoren haben sich insbesondere die Serotypen 2 und 5 als geeig-net erwiesen; sie lösen auch tierexperimentell kein neoplastisches Wachstum aus.

Im Gegensatz zu den Retroviren werden die Adenoviren nach der Internalisa-tion in den Zellkern nicht ins Genom integriert. Die Adenoviren werden gewebeun-spezifisch von ganz unterschiedlichen Zellarten rezeptorvermittelt aufgenommen.Durch ihre cextrachromosomale Lokalisation werden die Transgene nur vor-übergehend exprimiert. Sie bleiben bei einer Injektion in die Blutbahn stabil undzeigen in vivo eine bis zu 100%ige Effizienz [1]. Wie bei anderen viralen Vektorenauch, werden die für die virale Replikation notwendigen kodierenden Gene ent-fernt, so daß im viralen Genom Platz für die zu transportierenden Transfergene

Wei

terb

ildun

gGe

nthe

rapi

e

| Der Urologe [A] 6·99622

Am Adenovirus läßt sich zeigen, daß es nichtimmer sinnvoll ist, beliebig viele Gene zu deletieren.

c Immunreaktion der Wirtszellen

c Interferon gammac Interleukin 12

c Prodrug-Therapien

Das Adeno-assoziierte Virus (AAV) ist ein einzelsträngiges DNA-Virus aus der Familieder Parvoviren.Zur Zeit sind beim Menschen keine Erkran-kungen bekannt, die mit dem Vorliegen einer AAV-Infektion assoziiert sind.

Unfähig, sich selbst replizieren zu können,baut das Virus sein Genom bevorzugt aufdem langen Arm von Chromosom 19 ein.

c Primatenmodell

Die direkte Injektion von DNA in Plasmid-form wird in der Therapie von Erkrankungenauch in Zukunft beim Menschen keine wesentliche Rolle spielen.c Rezeptorgen CAT

geschaffen wird.Für diese Inserts steht eine große Kapazität von bis zu 10 kb zur Ver-fügung. Am Adenovirus läßt sich zeigen, daß es nicht immer sinnvoll ist, beliebigviele Gene zu deletieren. Die E3-Region des Adenovirus kodiert beispielsweise einProtein, welches das Virus und entsprechend den konstruierten Vektor vor der Im-munreaktion der Wirtszelle schützt.

Trotzdem stellt die c Immunreaktion der Wirtszellen ein noch nicht gelöstesProblem dar, wenn die adenoviral vermittelte Gentherapie wiederholt eingesetztwerden soll. Nach einer einmaligen Anwendung werden adenovirale Antikörpervom IgA-Typ vom Empfänger gebildet, die von den T-Helferzellen der humoralenImmunität (Th2) induziert werden. Diese IgA-Antiköper inhibieren dann bei einerZweitanwendung dieses Vektortyps den Gentransfer komplett. Immunmodulie-rende Maßnahmen, wie die gleichtzeitige Gabe von c Interferon gamma und c Interleukin 12 sind in der Lage, die humorale Immunität deutlich zu reduzieren[22]. Inwieweit eine gezielte Immunsuppression beim adenoviral vermitteltenGentransfer bei chronischen Erkrankungen sinnvoll ist, die wiederholte Therapiennotwendig machen, muß abgewartet werden. Grundsätzlich ist zu berücksichti-gen, daß die Befunde zur Immunreaktion nur auf tierexperimentellen Daten beru-hen. Erst kürzlich sind Phase-1 Studien an gesunden Probanden begonnen wor-den, welche die immunologischen Antworten auf adenovirale Vektoren beim Men-schen erfassen [1]. Häufig wird der Adenovirus-Vektor in den sogenannten c Prodrug-Therapien angewendet. Hierbei wird das in seiner inaktiven Proform indie Zielzelle eingebrachte Medikament durch ein Transfergen aktiviert. Dieseswandelt die Proform in seine aktive Form um, welche dann zum Zelltod führt (s. Kap. Suizidgene).

Das Adeno-assoziierte Virus als Vektor

Das Adeno-assoziierte Virus (AAV) ist ein einzelsträngiges DNA-Virus aus der Fa-milie der Parvoviren, von denen bisher fünf humane Serotypen bekannt sind. ZurZeit sind beim Menschen keine Erkrankungen bekannt, die mit dem Vorliegen ei-ner AAV-Infektion assoziiert sind. Untersuchungen an Zellkulturen haben sogargezeigt, daß die Infektion neoplastischer Zellen mit AAV einen tumorsupprimie-renden Effekt besitzt [15].Wie bei den anderen bisher besprochenen Virusvektorengliedert sich das AAV-Genom in regulatorische und strukturelle Gene. Im Unter-schied zu anderen viralen Vektoren ist AAV im Status einer latenten Infektion aller-dings nicht replikationsfähig. Zur Replikation benötigt AAV Helferviren, um inden Status einer lytischen Infektion übergehen zu können. Dazu dienen Herpes-,Adeno- und Papillomaviren.

Für die Anwendung in der Gentherapie ist der Status der latenten Infektion in-teressant. Unfähig, sich selbst replizieren zu können, baut das Virus sein Genombevorzugt auf dem langen Arm von Chromosom 19 ein [8]. Durch diese kontrol-lierte genomische Integration ist die Gefahr einer insertionellen Mutagenese we-sentlich reduziert, die Möglichkeit einer Rekombination aber nicht auszuschlie-ßen. Diese Charakteristika erlauben es AAV, sich sowohl in differenzierte als auchin undifferenzierte Zellen zu integrieren.

Nach Entfernung der die viralen Strukturproteine kodierenden Gene, stehtein Raum von 5 kb für Transfergene zur Verfügung. Dies ist deutlich weniger alsbeim Retro- oder Adenovirus. Im c Primatenmodell ist schließlich nachgewiesen,daß auch nach intramuskulärer Injektion des Vektors keine zelluläre oder humora-le Immunität ausgelöst wird.

Nicht virale Vektoren

Die direkte DNA-Freisetzung

Die direkte Injektion von DNA in Plasmidform wird in der Therapie von Erkran-kungen auch in Zukunft beim Menschen vorraussichtlich keine wesentliche Rollespielen. Zwar konnte nach dem Einbringen des c Rezeptorgens CAT (Chloram-phenicol-Acethyl-Transferase) in den Muskel das Protein im Tierversuch nachge-wiesen werden, doch ist einerseits die Effektivität schlecht, andererseits findet kei-

Der Urologe [A] 6·99 | 623

c DNA-Vakzine

c Anionische Liposomec Kationische Liposome

Weiterhin lassen sich große DNA-Sequenzenbis zu 50 kb in diesem System transfizieren.

c Applikationsform

c Antineoplastische Immunantwort

Tumorzellen sind in den meisten Fällenüberwiegend nicht immunogen.

c Internalisation von Zytokinen

c Klonale Expression zytotoxischer T-Lymphozyten (TIL)

Grundsätzlich kann dieses Verfahren sowohlin „in vivo-“ als auch in „ex vivo“-Technikenangewendet werden.

ne genomische Integration statt. Die ubiquitär vorhandenen Nukleasen, die dietransfizierte DNA vorzeitig funktionsunfähig machen, stellen die physiologischeGrenze dieses Verfahrens dar.

Ein Anwendungsbereich zeichnet sich aber möglicherweise als c DNA-Vakzineab. Während virale Proteine eine humorale Immunantwort induzieren, konnte fürdie Injektion von DNA-Vaccinen tierexperimentell eine zellvermittelte Immunant-wort nachgewiesen werden [20].

Liposomen

Die in der Gentherapie zum Einsatz kommenden Liposomen bestehen im wesent-lichen aus Phospholipiden und Fettsäuren.Als Vektoren kommen anionische mit ei-ner negativen bis neutralen Oberflächenladung, sowie kationische Liposomen miteiner positiven Oberflächenladung zum Einsatz. Die Aufnahme in die Zellen er-folgt bei c anionischen Liposomen rezeptorvermittelt, bei der Internalisation c kationischer Liposomen sind ionische Interaktionen beschrieben, ohne daß derexakte Mechanismus aufgeklärt ist. Die kationische Form hat eine vergleichsweisehöhere Kapazität und wird gegenwärtig bevorzugt eingesetzt.Aktuelle Modifikatio-nen haben zum Ziel, die Liposomen wirksamer vor der Ingestation durch das reti-kuloendotheliale System zu schützen, um somit die Effizienz steigern zu können[13].

Das liposomale Vektorsystem wird nach den Retroviren am zweithäufigsteneingesetzt.Entscheidend hierfür ist,dass es keine nennenswerten Immunreaktioneninduziert und damit auch für wiederholte Anwendungen nutzbar ist. Weiterhinlassen sich große DNA-Sequenzen bis zu 50 kb in diesem System transfizieren. Lei-der werden die liposomal transfizierten Gene nur auf einem geringen Level expri-miert. Da eine genomische Integration nicht möglich ist, ist eine Expression auchnur von kurzer Dauer.

Ein wichtiger Gesichtspunkt zu Beurteilung der Effizienz eines Vektorsystemsist die c Applikationsform. Bei der intravenösen Injektion von Liposomen wer-den bis zu 60% der verabreichten Dosis in der Leber primär elimiert, ohne daß dasLiposom an der Zielzelle angekommen ist. Somit sind zur Umgehung der hepati-schen Elimination intratumorale (oder z.B. transbronchiale bei der zystischen Fibro-se) Applikationen nötig [9].

Strategien der Genmodulation

Transfektion immunmodulierender Gene

Bei den immunmodulierenden Verfahren versucht man eine c antineoplastischeImmunantwort des tumortragenden Körpers zu stimulieren, indem man Tumorzel-len oder immunkompetente Zellen durch die Transfektion immunregulierenderGene verändert.

Tumorzellen sind in den meisten Fällen überwiegend nicht immunogen, dasie im Verlauf ihrer spezifisch neoplastischen Veränderungen die Anzahl vonOberflächenantigenen erheblich herunterregulieren, so daß das Immunsytem die-se neoplastischen Zellen nicht als fremd erkennt. Cytokine sind in der Lage, die Ex-pression von Oberflächenantigenen zu stimulieren.

Gelingt eine c Internalisation von Zytokinen, z.B. von GM-CSF oder Interleu-kin 2, als Transfergene in die Tumorzellen, bewirkt dies eine erhöhte Expressionvon Oberflächenantigenen, wie das humane Leukozytenantigen HLA B7. Somitwerden diese Zellen vom Immunsystem wieder als fremd erkannt. Theoretischkann über dieses Verfahren eine c klonale Expression zytotoxischer T-Lympho-zyten (TIL) induziert werden, die nicht nur lokal, sondern auch im gesamten Kör-per Tumorzellen neutralisieren. Tierexperimentell konnten Tumorregressionen,verlängerte Überlebenszeiten sowie eine gesteigerte Immunreaktion gegenüberdem nicht behandelten Kollektiv beobachtet werden. Grundsätzlich kann diesesVerfahren sowohl in „in vivo-“ als auch in „ex vivo“-Techniken angewendet wer-den. Beim ex vivo-Verfahren ist zu berücksichtigen, daß die Gewebeentnahme, dasAnlegen von Zellkulturen, die extrakorporale Transfektion, das Bestrahlen der

Wei

terb

ildun

gGe

nthe

rapi

e

| Der Urologe [A] 6·99624

Einen interessanten Ansatz zur Immunmo-dulation bietet der Einsatz von Antigen präsentierenden Zellen.

Einen eleganten Ansatz in der Krebstherapiestellt der Transfer des Thymidinkinase Gensdes Herpes simplex Virus (HSVtk) in die Tumorzelle dar.

By-Stander-Effekt:Benachbarte Zellen nehmen über inter-zelluläre Transportmechanismen toxischeSubstanzen auf und werden abgetötet.

Die Expression wird auf das Zielorgan lokalisiert.c PSA Promotor- und Enhancer-

Sequenzen

Ziel dieses Ansatzes ist die Wiederherstel-lung des normalen Expressions-Niveaus.

manipulierten Zellen und das Wiedereinbringen der manipulierten Zellen auf-wendige und störanfällige Schritte beinhalten, so daß die in vivo-Technik vielfachbevorzugt wird.

Einen interessanten Ansatz zur Immunmodulation bietet der Einsatz von An-tigen präsentierenden Zellen, den sogenannten dendritischen Zellen. Sie sindkompetent in der Präsentation von antigenen Proteinen gegenüber T-Helferzellen.Nach der Isolation aus peripherem Blut werden die dendritischen Zellen mit denProstata spezifischen Antigenen, wie dem PSA oder PSMA, transfiziert. Die so mo-difizierten Zellen präsentieren nach einer Reinjektion alle PSA- oder PSMA-expri-mierenden Zellen als fremd gegenüber den T-Helferzellen. Ziel ist dabei auch, me-tastasierte PSA oder PSMA exprimierende Zellen systemisch zu neutralisieren.Aktuell läuft hierzu eine Phase 1 Studie [11].

Expression cytotoxischer Fremdgene in Tumorzellen (Suizidgene)

Einen eleganten Ansatz in der Krebstherapie stellt der Transfer des Thymidinkina-se Gens des Herpes simplex Virus (HSVtk) in die Tumorzelle dar. Voraussetzungfür dieses Therapieprinzip ist es, zuvor das Medikament Ganciclovir als inaktiveProform in die Zellen einzubringen. Wird die HSV-Thyminkinase nun im vorbe-handelten Gewebe exprimiert, wandelt dieses Enzym Ganciclovir in Ganciclovir-Monophosphat um, das wiederum von endogenen Kinasen zu Ganciclovir-Tri-phosphat umgewandelt und damit aktiviert wird. Durch diese aktive Form wirddie DNA fragmentiert und der Zelltod wird induziert. Interessanterweise wird beidiesem Ansatz ein sogenannter By-Stander-Effekt beobachtet, bei dem auch primärnicht das Enzym exprimierende benachbarte Zellen das zytotoxische Ganciclovir-Triphosphat durch interzelluläre Transportmechnismen aufnehmen und anschlie-ßend selbst abgetötet werden.Wünschenswert ist dieser By-Stander-Effekt auch des-halb, weil mit den jetzigen Vektorsystemen bei weitem keine 100%ige Effizienz er-reicht wird. In präklinischen Studien an Tieren wurden Tumorregressionen und ver-längerte Überlebenszeiten beschrieben, ohne daß dieses Verfahren kurativ war.

Promotor-gesteuerte Gentherapie

Will man beispielsweise den zytotoxischen Effekt von Suizidgenen hochselektivauf das tumortragende Organ einschränken, benötigt man ein System, bei demnur im Zielorgan die Expression des Transfergens induziert wird. Hierbei ist maninsbesondere beim Prostatakarzinom durch den Einsatz der c PSA Promotor-und Enhancer-Sequenzen einen großen Schritt vorangekommen.

An den Promotor des PSA-Gens bindet eine Vielzahl gewebsspezifischer Tran-skriptionsfaktoren, welche die Transkription des PSA-Gens regulieren. Der En-hancer verstärkt diesen Effekt. Da dieser Steuerungsmechanismus fast ausschließ-lich in Prostatazellen funktioniert, bringt man ein an den PSA-Promotor gekoppel-tes Transfergen (HSVtk) mit einem Vektor in die Zielzellen. In diesem Zellverbandwird durch das Anbinden der gewebespezifischen Transkriptionsfaktoren an diePSA-Promotorregion auch das Transfergen selektiv exprimiert. Durch die Wahlunterschiedlicher Promotorsequenzen ist es experimentell gelungen, neben an-drogenabhängigen auch androgenunabhängige PSA-sezernierende Prostatakarzi-nomzellen durch ein exprimiertes Transfergen absterben zu lassen [6]. Ob diesesVerfahren auch geeignet ist, nicht PSA exprimierende Metastasen zu therapieren,kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden.Verbesserungs-bedürftig ist auch die derzeit noch variable oder nicht ausreichende Genexpression.

Transfektion von Wildtyp-Tumorsuppressor-Transgenen (Gene Replacement)

Mutierte und inaktivierte Tumorsuppressorgene sind in den letzten Jahren auch inden urologischen Tumoren identifiziert worden, die für eine Gene ReplacementTherapie in Frage kommen. Ziel dieses Ansatzes ist es, daß nach einer Transfektioneines Wildtypgens das nachfolgend wieder ursprünglich exprimierte Protein diephysiologische Funktion im neoplastischen Gewebe wieder ausreichend über-nimmt. So wurde in die Tsa-pr-1 Prostatakarzinomzelllinie, die mutiertes p53 ex-

Der Urologe [A] 6·99 | 625

Die „Gene-Replacement“ Therapie, also dieKorrektur eines einzelnen Gendefektes,scheint im Kontext eines multifaktoriellenGeschehens weitgehend ineffektiv zu sein.

Antisense Oligonukleotide sind 10–50 Nukleotide lange Sequenzen, die komple-mentär zur Ziel-DNA oder abgeschriebenenZiel-RNA synthetisiert werden.

Nachdem eine grundsätzliche Wirkung dervorgestellten gentherapeutischen Ansätzein Zellkulturen oder im Tierversuch gezeigtwerden konnte, sind mittlerweile weltweitPhase 1 und 2 Studien bei Menschen ange-laufen.

c Gene-Replacement Prinzip

primiert, eine p53-Wildtyp-Variante transfiziert. Die anschließende Expressionführte zur Apoptose dieser androgenunabhängig wachsenden Prostatakarzinom-zelllinie. p53 ist ein Zellzykus-regulierendes Protein, das den Übergang von der G1-zur S Phase kontrolliert, und bei schweren DNA-Veränderungen den program-mierten Zelltod einleitet.

Da p53-Mutanten nur in bis zu 25% der fortgeschrittenen Prostatakarzinome zufinden sind, würden von diesem Ansatz nur relativ wenig Patienten profitieren.

Wie es beispielhaft für das Kolonkarzinom herausgearbeitet worden ist, ist da-von auszugehen, daß entsprechend des Mehrschrittmechanimus der Karzinogene-se in den allermeisten Fällen mehrere Mutationen sukzessive in ein und derselbenZelle eintreten müssen, um zum Vollbild des malignen Phänotyps zu gelangen. Daaber weder der zeitliche Ablauf, noch die Bedeutung jeder einzelnen bisher be-kannten genetischen Veränderung klar ist, scheint zumindest zum jetzigen Zeit-punkt die „Gene-Replacement“ Therapie, also die Korrektur eines einzelnen Gende-fektes, im Kontext eines multifaktoriellen Geschehens weitgehend ineffektiv zu sein.

Antisense Oligonukleotid-Therapie

Antisense Oligonukleotide sind 10–50 Nukleotide lange Sequenzen, die komple-mentär zur Ziel-DNA oder abgeschriebenen Ziel-RNA synthetisiert werden. Siesind relativ leicht in Zellen internalisierbar. Durch das spezifische Binden der An-tisense-Oligosequenz an die exprimierte Ziel-RNA kann die Translation einzelnerGene selektiv inhibiert werden oder der Abbau des Hybrids durch RNase H getrig-gert werden [17].

Klinische Studien laufen mit Antisense Oligonukleotiden gegen c-myc, einemOnkogen, das die Proliferation unterhält. Es wird als intraprostatische Injektions-therapie beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom eingesetzt (s. Tabelle 3). Dasbcl-2 Transkript, dessen Protein als Inhibitor der Apoptose fungiert und die Ex-pression von p53 herunterreguliert, konnte bei androgen-refraktär wachsendenProstatakarzinomzelllinien durch Antisense Oligonukleotide blockiert werden undApoptose induzieren.

Klinische Prüfung gentherapeutischer Ansätze

Nachdem eine grundsätzliche Wirkung der vorgestellten gentherapeutischen Ansät-ze in Zellkulturen oder im Tierversuch gezeigt werden konnte, sind mittlerweileweltweit Phase 1 und 2 Studien bei Menschen angelaufen. Bei diesen klinischenPrüfungen am Menschen werden die Substanzen an Patienten getestet, da ein Effektdieser Therapien nicht bei gesunden Probanden erwartet werden kann, bzw. dieAnwendung für jene zu gefährlich ist. Die Wirkung der Substanz wird analysiert, in-dem definierte Parameter vor und nach Applikation untersucht werden, d.h. jederPatient dient zugleich auch als Kontrolle. Humanpharmakologisch werden in klini-schen Studien der Phase 1 Verträglichkeit, Wirkung, sowie Pharmakokinetik beiunterschiedlichen Dosierungen ermittelt.Vor Eintritt in die Phase 2 werden noch dieErgebnisse der Versuche zur Langzeittoxizität aus Tierversuchsreihen abgewartet.

Gentherapeutische Ansätze in der klinischen Prüfung (Phase 1) beim Harnblasenkarzinom

Grundsätzlich sind neue Therapieformen für das Harnblasenkarzinom attraktiv,weil das Organ leicht zugänglich ist und die intravesikale Instillation sowie die in-tratumorale Injektion einfache Applikationsverfahren darstellen. Die Kontrolledes therapeutischen Effektes durch die Urinzytologie und Urethrozystoskopie istdabei sehr aussagekräftig.

Gegenwärtig laufen mehrere über das National Institute of Health (NIH) regi-strierte Phase 1 Studien am Harnblasenkarzinom. Bei diesen Studien werden dieGentherapeutika sowohl intravesikal als auch intratumoral appliziert (Tabelle 1).

Überwiegend kommt das c Gene-Replacement Prinzip zur Anwendung.Über das Einbringen des Wildtyps von p53, dessen Mutation in der Tumorpathoge-nese des Harnblasenkarzinoms als frühes Ereignis angesehen wird, oder über das

Wei

terb

ildun

gGe

nthe

rapi

e

| Der Urologe [A] 6·99626

c Antisense-Therapie gegen c-myc-Gen

c „Multidrug Resistence“-Gen

Das Hodengewebe ist Keimzellgewebe,womit jeder gentherapeutische Ansatz eineManipulation an der Keimbahn bedeutet.

Die Zytokin-Gentherapie mit genmodifizier-ten Tumorvakzinen (GMTV) scheint der amweitesten entwickelte Ansatz zu sein.

Einbringen des Wildtyps des Retinoblastrom (Rb)-Gens, dessen Veränderungenals spätes Ereignis eingestuft wird, liegen Ergebnisse bisher noch nicht vor. Daman unabhänigig vom gewählten Vektorsystem bei weitem nicht alle Tumorzellengenetisch verändern kann, erscheinen vorerst Ansätze interessant, bewährte, in derKlinik eingesetzte Chemotherapie-Regime mit gentherapeutischen Ansätzen zukombinieren. Nach einer c Antisense-Therapie gegen Transkripte des c c-myc-Gens, dessen Überexpression mit der Progression des Harnblasenkarzinoms korre-liert, konnte die Ansprechrate auf Cisplatin in Zellkulturen von Harnblasenkarzino-men deutlich erhöht werden [10]. Phase 1 Studien fehlen bisher hierzu.

Gentherapeutische Ansätze in der klinischen Prüfung (Phase 1) bei Hodentumoren

In lediglich einer Studie werden gentherapeutische Ansätze bei Hodentumorenuntersucht (Tabelle 1). Durch das Einbringen des c „Multidrug Resistence“-Gensin hämatopoetische Stammzellen erhofft man sich eine verbesserte Protektion deshämatopoetischen Systems im Verlauf einer Hochdosis-Chemotherapie. Die weite-ren Nebenwirkungen ebenfalls betroffener Organssysteme bleiben hierdurch je-doch unberührt. Weitere Ansätze fehlen aus zwei Gründen: Zum einen werden mitden aktuellen Therapiestrategien bei den malignen Keimzelltumoren stadienab-hängig gute Ergebnisse erreicht. Zum anderen ist das Hodengewebe Keimzellge-webe, womit jeder gentherapeutische Ansatz eine Manipulation an der Keimbahnbedeutet. Solche Therapieansätze sind derzeit gesetzlich verboten.

Gentherapeutische Ansätze in der klinischen Prüfung (Phase 1) beim Nierenzellkarzinom

Die Zytokin-Gentherapie mit genmodifizierten Tumorvakzinen (GMTV) scheintder vergleichsweise am weitesten entwickelte Ansatz im Spektrum gentherapeuti-scher Anwendungen zu sein. In den vergangenen Jahren führte die systemischeGabe von rekombinantem Interleukin-2 und Interferon γ zu nachweisbarer Tu-morregression. Die Grenzen dieser systemischen Therapie liegen in der physiolo-gisch kurzen Halbwertszeit der Interleukine im peripheren Blut und in den nicht un-erheblichen Nebenwirkungen. Durch den genmodifizierenden Ansatz hofft manden maximalen therapeutischen Effekt auf das Organ begrenzen können undgleichzeitig die Nebenwirkungen einschränken zu können. Nach der chirurgi-schen Tumorgewebeentnahme erfolgt der Gentranfer im ex vivo-Verfahren (s. Kap. Techniken des Gentransfers). Abschließend werden die behandelten Tu-morzellen bestrahlt und als Tumorvakzine dem Patienten intratumoral reinjiziert.

In den Phase 1 Studien werden verschiedene Gene zur Immunmodulation ein-gesetzt (Tabelle 2). Vorläufige Daten unterschiedlicher Arbeitsgruppen beschrei-ben keine wesentlichen toxischen Nebenwirkungen. Bezüglich der Wirksamkeitdieses Ansatzes sind die ersten Daten eher ernüchternd und enttäuschend. In Ein-zelfällen werden lediglich partielle Remissionen berichtet [5]. Denkbare Gene-Re-placement-Ansätze mit dem Wildtyp des von Hippel-Lindau (VHL)-Gens, dessenmutierte Form in der molekularen Genese des Nierenzellkarzinoms weitgehendverstanden ist, gibt es derzeit nicht.

Tabelle 1Aktuelle klinische Studien der Phase I und II beim Blasen- und Hodenkarzinom

Gentherapeutisches Prinzip Organ Klinik Vektor Therapeutisches Genprodukt

Tumor Suppressorgen Blase University of California, San Francisco Adenovirus Retinoblastom GenBlase MD Anderson Cancer Center, Houston Adenovirus p53

Chemoprotektion Hoden Indiana University, Indianapolis Retrovirus MDR1 Gen

1MDR=Multiple drug resistence

Der Urologe [A] 6·99 | 627

Beim Prostatakarzinom hingegen ermög-licht die organspezifische Expression desPSA die Entwicklung organspezifischer Strategien.

Gentherapeutische Ansätze in der klinischen Prüfung (Phase 1) beim Prostatakarzinom

Die fehlende Organspezifität der bisher eingesetzten Vektorsysteme ist ein limitie-render Faktor für die klinische Anwendung der Gentherapie. Beim Prostatakarzi-nom hingegen ermöglicht die organspezifische Expression des PSA die Entwick-lung organspezifischer Strategien. Trotz der nachgewiesenen Organspezifität derPSA-Promotor gesteuerten Therapiekonzepte (s. Kap. Strategien therapeutischerGenmodulation), sind die bisherigen PSA-Promotoren im Vergleich zu viralenVektoren deutlich geringer effizient. Gesteigert werden kann die Effizienz durchdie Kombination mit einem PSA-spezifischen Enhancer. In der überwiegenden

Mehrzahl der Phase 1 Studien werden die genmodulierenden Therapeutika intra-prostatisch appliziert. Vorläufige Daten sowohl von immunmodulierenden alsauch von Suizidgen-Ansätzen zeigen laborchemisch einen vorrübergehendenPSA-Abfall. Hinweise für systemisch-toxische oder lokale Nebenwirkungen fan-den sich ebenfalls nicht (Tabelle 3).

Detailierte histologische Charakterisierungen der prä- und posttherapeutischentnommenen Prostatabiopsien sowie Daten zum klinischen Verlauf der beidenPatientengruppen fehlen derzeit noch [12].

Wei

terb

ildun

gGe

nthe

rapi

e

Tabelle 2Aktuelle klinische Studien der Phase I und II beim Nierenzellkarzinom

Gentherapeutisches Prinzip Klinik Vektor Therapeutisches Genprodukt

Immunmodulation National Institutes of Health, USA Retrovirus Tumor Nekrosis FaktorNational Institutes of Health, USA Retrovirus IL-2University of California, Los Angeles Retrovirus Neomycin PhosphotransferaseMemorial Sloan Kettering Center, New York Retrovirus IL-2University of Pittsburgh, USA Retrovirus IL-4Jonhs Hopkins University, Baltimore Retrovirus GM-CSFUniversity of California, Los Angeles Liposome HLA-B7University of California, Los Angeles Liposome IL-2University of South Florida,Tampa Adenovirus B7.1 (CD80)

IL-2=Interleukin 2; IL-4=Interleukin 4; GM-CSF=Granulocyte-macrophage colony-stimulating factor; HLA-B7=Human Leukocyte Antigen

Tabelle 3Aktuelle klinische Studien der Phase I und II beim Prostatakarzinom

Gentherapeutisches Prinzip Klinik Vektor Therapeutisches Genprodukt

Immunmodulation Memorial Sloan Kettering Center, New York Retrovirus IL-2ex vivo Johns Hopkins Oncology Center, Baltimore Retrovirus GM-CSF

Duke University Medical Center, NC, USA Liposome IL-2Immunmodulation National Naval Medical Center, USA Vaccinie PSA Promotorin vivo Dana-Faber Cancer Institute, MA, USA Vaccinie PSA Promotor

University of Michigan, Ann Arbo Vaccinie PSA PromotorJohns Hopkins Oncology Center, Baltimore Adenovirus PSA PromotorUniversity of California, Los Angeles Liposome IL-2University of California, Los Angeles Vaccinie IL-2

Suizid Gen Baylor College of Medicine, USA Adenovirus HSV-tkBaylor College of Medicine, USA Adenovirus HSV-tkMount Sinai School of Medicine, New York Adenovirus HSV-tk

Tumor Suppressorgen University of California, Los Angeles Adenovirus p53MD Anderson Cancer Center, Houston Adenovirus p53

Anti-Onkogen Vanderbilt University Medical Center, USA Retrovirus Myc Antisense

IL-2=Interleukin 2; GM-CSF=Granulocyte-macrophage colony-stimulating factor; HSV-tk=Herpes simplex Virus Thymidin Kinase

| Der Urologe [A] 6·99628

Die Gentherapie ist als Ergänzung konven-tioneller Therapiekonzepte vorstellbar.

1. Was versteht man unter einer Gentherapie?

2. Wird eine Keimbahnmanipulation als therapeutischer Ansatz verfolgt?

3. Was sind die Vorteile des liposomalen Vektorsystems?

4. Was sind die bisher nicht gelösten Pro-bleme des viral vermittelten Gentransfers?

5. Weshlb wird beim Prostatakarzinom derAnsatz der Promotor-gesteuerten Genthera-pie als am ehesten erfolgsversprechend ein-gestuft?

Grenzen der Gentherapie

Die Gentherapie ist ein potentiell ausbaufähiger technischer Ansatz, der nach bis-heriger Datenlage noch einige Jahre benötigen wird, um in der Behandlung vonneoplastischen Erkrankungen des Menschen einen Nutzen zu haben. Im Vergleichzu etablierten Therapien sind sensationelle Erfolge vorerst nicht zu erwarten. Mit-telfristig ist sie als Ergänzung konventioneller Therapiekonzepte vorstellbar.

Die Grenzen der Gentherapie sollen in den wesentlichen Punkten kurz darge-stellt werden:◗ Virale und nicht virale Vektorsysteme sind bisher nicht effizient genug, um eine

ausreichend große Zahl von Zielzellen infizieren zu können.◗ Grundlagenorientierte Forschung in der Zellbiologie,Virologie und Immunolo-

gie sind die Vorrausetzungen für die Konstruktion deutlich verbesserter Vektoren.◗ Auch nach erfolgreichem Einschleusen des Vektors in die Zielzelle ist die Ex-

pressionsrate des Transfergens noch zu gering.◗ Ein universeller Vektor ist sehr unwahrscheinlich. Die Konstruktion organspezi-

fischer Vektoren wird vorangetrieben.◗ Wenn auch überwiegend geringe Nebenwirkungen in Phase 1 Studien berichtet

werden, sind keine Daten zur Gefahr einer insertionalen Mutagenese durch denzufälligen Einbau des Transfergens in das Genom bekannt (betrifft Retroviren).

◗ Die wiederholten Anwendungen induzieren immunologische Reaktionen undkönnen derzeit noch nicht effizient supprimiert werden.

◗ Das Risiko von Zweiterkrankungen mit einer zeitlichen Latenz ist nicht ab-schätzbar.

◗ Die selektive Therapie der Tumorzellen mit tumorspezifischen Genpromotor-Sequenzen ist bisher nur beim Prostatakarzinom erfolgversprechend.

◗ In Neoplasien werden zunehmend mehr molekulare Defekte beschrieben. Trotz-dem ist aus diesen Einzelbefunden kein übergeordnetes Prinzip oder eine Abfol-ge von Veränderungen im Sinne einer molekularen, tumorspezifischen Pathoge-nese ableitbar. Daher bleibt es fraglich, ob durch Ausschaltung oder Einbringeneinzelner Genprodukte Tumorwachstum und Progression der Tumorerkran-kung effektiv beeinflußt werden können.

◗ Die Weiterentwicklung der Gentherapie zu einer effizienten Behandlungsstrate-gie ist nur dann erfolgsversprechend, wenn parallel zur Verbesserung der Vek-torsysteme auch zellbiologische Kenntnisse zur molekularen Pathogenese er-weitert werden.

Fragen und Antworten zur Erfolgskontrolle

Bei der Gentherapie handelt es sich um eine Übertragung von neuem genetischemMaterial auf die Zellen mit therapeutischem oder präventivem Effekt.

Manipulationen an Keimbahnzellen, bei denen genetische Veränderungen in dienächste Generation vererbt werden, sind nach dem Embryonenschutzgesetz von1990 verboten.

Zum einen gibt es keine nennenswerten Immunreaktionen, zum anderen könnengroße DNA-Sequenzen bis zu 50 kb in diesem System transfiziert werden.

Virale Vektorsysteme sind nicht effizient genug, eine ausreichend große Zahl vonZielzellen zu infizieren; die Expressionsrate des Transfergens ist zu gering; immu-nologische Reaktionen bei wiederholten Anwendungen können derzeit noch nichteffizient supprimiert werden; das Risiko von Zweiterkrankungen mit einer zeitli-chen Latenz ist nicht abschätzbar.

Durch die organspezifische Expression des PSA besteht die Möglichkeit organspe-zifische Therapiestrategien zu entwickeln.

Der Urologe [A] 6·99 | 629

Literatur1. Anderson WF (1998) Human gene therapy.

Nature 392 [Suppl]: 25–302. Blum HE,Wieland S, von Weizäcker F (1997) Gene

therapy: basic concepts and applications ingastrointestinal diseases. Digestion 58: 87–97

3. Campell KHS, McWhir J, Ritchi WA,Wilmut I (1997)Cloned by nuclear transfer from cultured celllinie. Nature 385: 810–813

4. Ficazzola MA,Taneja SS (1998) Prospects for gene therapy in human prostate cancer.Mol Med Today 11: 494–504

5. Gitlitz BJ, Belldegrun A, Figlin RA (1996) Immunotherapy and gene therapy. Sem UrolOncol 14: 237–243

6. Gotoh A, Song-Chu K, Shirakawa T, Cheon J, Kao C,Miyamoto T, Gardner TA, Ho LY, Cleutjens CBJ,Trapman J, Graham FL, Chung LWK (1998) Deve-lopment of prostate-spezific antigen promo-tor. Based gene therapy for androgen-inde-pendent human prostate cancer. J Urol 160:220–229

7. Hermann JR, Scardino PT, Aquilar-Cordova E,Woo SLC, Hall SJ,Timme TL,Thompson TC (1997)Phase 1 clinical trial of in situ gene therapyin men with locally recurrent prostate cancerafter radiation. J Urol 157: 1294A

8. Kotin RM, Siniscalco R, Samulski RJ (1990) Sitespezific integration by adeno-associated virus. Proc Natl Acad Sci USA 87: 2211–2215

9. Mahato RI, Kawabata K, Nomura T,Takakura M,Hashida M (1995) Physiochemical and phar-macologic characteristics of plasmid DNA/cationic loposome complexes. J Pharm Sci 84: 1267–1271

10. Muzutani Y, Fukymoto M, Bonavida B,Yoshida O(1994) Enhancement of sensitivity of bladdertumor cells to cisplatin by c-myc anti-senseologonucleotide. Cancer 74: 2546–2554

11. Murphy G,Tjoa B, Ragde H, Kenny G, Boynton A(1996) A phase 1 trial: T-cell therapy for pro-state cancer using autologous dendritic cellspulsed with HLA-A0201 spezific peptidesfrom prostate spezific membrane antigen.Prostate 29: 371–380

12. Naitoh J,Tso CL, Kaboo R, Stiles A, Figlin R, Belle-gun A (1998) Intraprostatatic interleukin-2((IL-2) gene therapy: preminalary results of a phase 1 clinical trial for the treatment of locally advanced prostate cancer. J Urol 159:973A

13. Nelson A,Wilson JM (1998) Methods of genedelivery. Hem Clin North Am 12: 483–501

14. Nikol S, Höfling B (1996) Aktueller Stand derGentherapie: Konzepte klinische Studienund Zukunftsperspektiven. Deutsches Ärzte-blatt 41: A-2620

15. Rabreau M, Schlehofer J (1995) Antagonism of two virus infections in the development of cervical cancer? Oncology Reports 2: 95–97

16. Recombinant DNA Advisory Committee (RAC) reports via the National Institute of Health homepage (www.nih. gov)

17. Sikora K, Pandha H (1997) Gene therapy for prostate cancer. Br J Urol 79 [Suppl 2]: 64–68

18. Tolstoshev P, Anderson F (1995) Gene therapy.In: Mendelson J, Howley P, Israel M, Liotta L (eds)The molecular basis of cancer. Saunders, Philade-phia, pp 539–540

19. Trentin JJ,Yabe Y,Taylor G (1962) The quest forhuman cancer viruses. Science 137: 835–838

20. Ulmer BJ, Donnerlly JJ, Parker SE (1993) Hetero-logous protection against influenza by injec-tion of DNA encoding a viral protein. Science259: 1745–1749

21. Wilmut I (1998) Cloning for medicine. Sci Am12: 30–35

22. Yang Y,Trinchieri G,Wilson JM (1995) Recombi-nant IL-12 prevents formation of blocking IgA antibodies to recombinant adenovirus andallows repeated gene therapy to mouselung. Nat Med 1: 890

Neue Bücher

Deutsche Gesellschaft für ChirurgieBilanz zur JahrtausendwendeStuttgart, New York: Thieme, 1999. Kurzreferatezum 116. Kongreß der Deutschen Gesellschaft fürChirurgie in München, vom 06.-10.04.1999.(ISBN 3-13-118231-8/694), DM 30,–

M. LeuwerCheckliste InterdisziplinäreIntensivmedizinStuttgart, New York: Thieme, 1999. 778 S.,80 Abb., 123 Tab., (ISBN 3-13-116911-7/696),Kunststoff, DM 69,80

W. Hinkelbein, K. Miller, T. WiegelProstatakarzinomBerlin, Heidelberg, New York: Springer, 1999.220 S., 64 Abb., (ISBN 3-540-65331-7), geb.,DM 149,–

H. Rimpler, E. Eich, U. FörstermannBiogene Arzneistoffe2., neu bearb. Aufl.; Stuttgart: Dtsch. Apoth.-Vlg.,1999. 704 S., 224 Abb., 28 Tab., 293 Formelbilder,(ISBN 3-7692-2413-2), geb., DM 146,–

In den vergangenen Wochenerreichten uns die untenaufgeführten Neuankündigungen.Ausgewählte Titel werden innächster Zeit besprochen.