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Dr . Thomas Korth Georg Dientzenhofer (1643 - 1689) I. Georg Dientzenhofer, den die Kunstgeschichte zu den großen Architekten des 17. Jahrhunderts in Deutschland zählt, war nach seinem Tod am 2. Februar 1689 schnell vergessen. Erst die Forschung des 19. Jahrhunderts ent- deckte ihn wieder, doch hat es die moderne Kunstwissen- schaft des 20. Jahrhunderts bis jetzt nicht vermocht, sein Werk einigermaßen vollständig zu erforschen und darzu- stellen. Die wegen ihres dreiblättrigen Grundrisses so bekannte und volkstümliche Wallfahrtskirche zur hll. Dreifaltigkeit, die Kappel bei Waldsassen in der Oberpfalz, war zwar schon 1837 durch Joseph Brenner als Werk Georgs be- kannt gemacht worden, doch gelang es erst Joseph Braun 1910 das eigentliche Hauptwerk, die ehemalige Je- suitenkirche Namen Jesu, die heutige Martinskirche in Bamberg, als Schöpfung des Meisters zu erkennen. Ein Jahr zuvor, 1909, hatte die Kunstdenkmälerinventarisa- tion der Oberpfalz, Georg als Baumeister von Teilen des Jesuitenkollegs in Amberg und als Verfasser unausge- führter und verschollener Pläne für die Pfarrkirche von Auerbach aufgespürt. Mit diesem bescheidenen Werk- verzeichnis, zwei Kirchenbauten, einer nicht überlieferten Kirchenplanung und einem Profanbauunternehmen er- schien Georg dann 1913 in Thieme und Beckers Künstler- lexikon. Seither hat sich unsere Kenntnis vom Schaffen dieses Architekten nicht mehr erweitert,sieht man von der zweifelhaften Zuschreibung zweier Grundrisse für das fürstbischöfliche Lustschloß Seehof bei Bamberg durch Margarete Kämpf 1956 ab. Ungeklärt ist in der Literatur bis heute der künstlerische Anteil Georgs am Bau des Klosters und der Kirche der Zi- sterzienser von Waldsassen, wo er - wie man seit Brenner weiß - als Polier und Maurermeister tätig war. Unerkannt auch seine Beteiligung an der Planung und an der Ausfüh- rung des Prämonstratenserklosters von Speinshart; der Benediktinerabtei von Weißennohe und an der liebfrau- enkirche in Arnberg, Tätigkeiten, von denen der Bauherr der Kappei, Pfarrer Paulus Eckardt 1684 in einem Brief an das bischöfliche Konsistorium in Regensburg berichtete. Gänzlich unbekannt als Werke Georgs blieben schließlich Teile des Benediktinerklosters Michelfeld und die 1905 abgebrochene Pfarrkirche von Falkenberg. Nicht erörtert wurde auch die Frage, ob Georg die Wallfahrtskirche von Trautmannshofen, deren Bau er - wie seit einer Untersu- chung von Walter Boll aus dem Jahre 1961 bekannt ist - 1686 von seinem jüngeren Bruder Leonhard übernahm, nicht doch selbst plante. Und schließlich untersuchte auch niemand, was im sogenannten Dientzenhofer-Skiz- zenbuch des Bayerischen Nationalmuseums München als Erfindung Georgs gelten könnte. Das schnelle Vergessen und das langsame Wiederent- decken des Werkes von Georg Dientzenhofer hängt un- mittelbar mit dem unglücklichen Schicksal des Künstlers selbst zusammen: Der begabte Baumeister wurde nur 45 Jahre alt und mußte der Nachwelt fast alles unvollendet hinterlassen. Doch nicht bloß der frühe Tod, auch die späte berufliche Karriere istschuld am bescheidenen Um- fang des Oeuvres. Denn erst ab dem 39. Lebensjahr war es Dientzenhofer vergönnt, aus der Anonymität eines Maurergesellen herauszutreten und als selbstständiger Meister eigene Werke in Angriff zu nehmen. Nur sieben Jahre standen ihm für sein Schaffen zur Verfügung - in Anbetracht der oft jahrzehntelangen Bauunternehmun- gen jener Zeit eine lächerlich kurze Zeitspanne. Auch daß Georg überwiegend in der Oberpfalz auf dem Lande tätig 63

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Dr . Thomas Korth

Georg Dientzenhofer (1643 - 1689)

I.Georg Dientzenhofer, den die Kunstgeschichte zu dengroßen Architekten des 17. Jahrhunderts in Deutschlandzählt, war nach seinem Tod am 2. Februar 1689 schnellvergessen. Erst die Forschung des 19. Jahrhunderts ent­deckte ihn wieder, doch hat es die moderne Kunstwissen­schaft des 20. Jahrhunderts bis jetzt nicht vermocht, seinWerk einigermaßen vollständig zu erforschen und darzu­stellen.Die wegen ihres dreiblättrigen Grundrisses so bekannteund volkstümliche Wallfahrtskirche zur hll. Dreifaltigkeit,die Kappel bei Waldsassen in der Oberpfalz, war zwarschon 1837 durch Joseph Brenner als Werk Georgs be­kannt gemacht worden, doch gelang es erst JosephBraun 1910 das eigentliche Hauptwerk, die ehemalige Je­suitenkirche Namen Jesu, die heutige Martinskirche inBamberg, als Schöpfung des Meisters zu erkennen. EinJahr zuvor, 1909, hatte die Kunstdenkmälerinventarisa­tion der Oberpfalz, Georg als Baumeister von Teilen desJesuitenkollegs in Amberg und als Verfasser unausge­führter und verschollener Pläne für die Pfarrkirche vonAuerbach aufgespürt. Mit diesem bescheidenen Werk­verzeichnis, zwei Kirchenbauten, einer nicht überliefertenKirchenplanung und einem Profanbauunternehmen er­schien Georg dann 1913 in Thieme und Beckers Künstler­lexikon. Seither hat sich unsere Kenntnis vom Schaffendieses Architekten nicht mehr erweitert, sieht man von derzweifelhaften Zuschreibung zweier Grundrisse für dasfürstbischöfliche Lustschloß Seehof bei Bamberg durchMargarete Kämpf 1956 ab.Ungeklärt ist in der Literatur bis heute der künstlerischeAnteil Georgs am Bau des Klosters und der Kirche der Zi­sterzienser von Waldsassen, wo er - wie man seit Brenner

weiß - als Polier und Maurermeister tätig war. Unerkanntauch seine Beteiligung an der Planung und an der Ausfüh­rung des Prämonstratenserklosters von Speinshart; derBenediktinerabtei von Weißennohe und an der liebfrau­enkirche in Arnberg, Tätigkeiten, von denen der Bauherrder Kappei, Pfarrer Paulus Eckardt 1684 in einem Brief andas bischöfliche Konsistorium in Regensburg berichtete.Gänzlich unbekannt als Werke Georgs blieben schließlichTeile des Benediktinerklosters Michelfeld und die 1905abgebrochene Pfarrkirche von Falkenberg. Nicht erörtertwurde auch die Frage, ob Georg die Wallfahrtskirche vonTrautmannshofen, deren Bau er - wie seit einer Untersu­chung von Walter Boll aus dem Jahre 1961 bekannt ist ­1686 von seinem jüngeren Bruder Leonhard übernahm,nicht doch selbst plante. Und schließlich untersuchteauch niemand, was im sogenannten Dientzenhofer-Skiz­zenbuch des Bayerischen Nationalmuseums Münchenals Erfindung Georgs gelten könnte.Das schnelle Vergessen und das langsame Wiederent­decken des Werkes von Georg Dientzenhofer hängt un­mittelbar mit dem unglücklichen Schicksal des Künstlersselbst zusammen: Der begabte Baumeister wurde nur 45Jahre alt und mußte der Nachwelt fast alles unvollendethinterlassen. Doch nicht bloß der frühe Tod, auch diespäte berufliche Karriere ist schuld am bescheidenen Um­fang des Oeuvres. Denn erst ab dem 39. Lebensjahr wares Dientzenhofer vergönnt, aus der Anonymität einesMaurergesellen herauszutreten und als selbstständigerMeister eigene Werke in Angriff zu nehmen. Nur siebenJahre standen ihm für sein Schaffen zur Verfügung - inAnbetracht der oft jahrzehntelangen Bauunternehmun­gen jener Zeit eine lächerlich kurze Zeitspanne. Auch daßGeorg überwiegend in der Oberpfalz auf dem Lande tätig

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war, wirkte sich nachteilig aus, wurde doch dort sein gro­ßes Talent kaum wirklich gefordert. Die Bamberger Jesui­tenkirche zeigt eindrucksvoll, zu welchen Leistungen derMeister in einer künstlerisch anspruchsvolleren Atmo­sphäre fähig war, wo er sich Konkurrenten wie dem Würz­burger Hofbaumeister Antonio Petrini zu stellen hatte.Ursache des schnellen Vergessens ist schließlich aberauch Georgs "altertümliche" Kunst. Der Architekt hat sichvon der rückwärtsgewandten, von Vorbildern des späten16. Jahrhunderts abhängigen Baukunst seiner Lehrer inPrag noch nicht lösen können. Zwar nahm er bemerkens­wert früh Elemente der modernen Kunst Borrominis inRom auf, doch überwiegt der spätmanieristische Einflußoberitalienischer Provenienz. Immerhin aber zeigt die ge­legentliche Bezugnahme auf Borromini , daß Georg gleichseinem jüngeren Bruder Christoph in Prag durch die An­wendung borrominesker Formen und die Rezeption derArchitektur Guarinis in Turin zu Neuem hätte vorstoßenkönnen. So aber deckte sich Georg Dientzenhofers Todmit dem Ende einer Epoche und es fiel ein desto tiefererSchatten auf sein Werk. Von Fischer von Erlach, dem Be­gründer des zentraleuropäischen Spätbarocks, der 1687in Wien antrat, hat Dientzenhofer gewiß nichts mehr ge­hört.

11.

Georg entstammte mit seinen vier jüngeren Baumeister­Brüdern Wolfgang, Christoph, Leonhard und Johann ei­ner bäuerlichen Familie aus der Gegend von Bad Aiblingim bayerischen Oberland. Der Vater bewirtschaftete denHof Oberulpoint bei Litzeldorf, in den er 1642 eingeheira­tet hatte. Ein Jahr später, am 11. August 1643 kam Georgzur Welt. Als der Knabe elf Jahre alt war übersiedelte dieFamilie auf den noch heute fast unverändert erhaltenenHof Gugg bei Flintsbach. Hier erblickten die jüngeren Ge­schwister das Licht der Welt, als letzter Johann, der Bau­meister des Domes zu Fulda, der Klosterkirche von Banzund des Schlosses Pommersfelden. Wahrscheinlichsollte Georg den Hof übernehmen, doch es kam anders:1665, Georg war inzwischen 22 Jahre alt, verkaufte derVater den Gugghof, wenngleich er ihn, vermutlich alsPächter, bis zu seinem Tod 1673 bewirtschaftete. Für dieSöhne bedeutete dies, daß es nichts zu erben und zuübernehmen gab. Spätestens jetzt müssen die älteren

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Brüder ihre Maurerlehre begonnen haben. Sie taten dies,wie später auch die jüngeren Brüder, in Prag und nicht inder bayerischen Heimat. In der böhmischen Hauptstadtist Georg allerdings erst im Jahre 1677 durch eine Paten­schaft urkundlich nachweisbar. Ein Jahr später, 1678, hei­ratete die älteste Schwester Anna in Prag Wolfgang Leuth­ner, einen Bruder des bekannten Prager Baumeisters Ab­raham Leuthner. Daß damals alle Brüder Hochzeitsgästegewesen seien, wie überall in der Literatur zu lesen steht,ist aber eine Legende, denn die Heiratsmatrikel nenntnicht einen einzigen von ihnen. Kurz nach Annas Heirat,1679, reiste Georg mit dem zweitältesten Bruder Wolf­gang in die Heimat. Die beiden ließen sich auf dem Land­gericht in Aibling Geburtsbriefe ausstellen, da sie sich alsBürger niederlassen wollten, Georg in Prag und Wolfgangin dem nordböhmischen Städtchen Arnau an der Eibe.Es ist nicht bekannt, bei welchem Meister Georg gelernthat. Wahrscheinlich war es einer der in Prag zahlreich ver­tretenen Italiener wie Carlo Lurago, dessen Baukunst spä­ter für die Waldsassener Klosterkirche vorbildlich wurde.Die Verschwägerung mit Abraham Leuthner und die Tat­sache, daß Georg seit 1682 als Konsorte Leuthners inWaldsassen tätig war, läßt eine Beschäftigung im Bauge­schäft dieses Großunternehmers so gut wie sicher er­scheinen. Als Lehrmeister kommt der nur drei Jahre ältereArchitekt aber wohl kaum in Frage. Freilich dürfte Leuth­ner Einiges zur architektonischen Bildung Georgs beige­tragen haben, denn der Prager hat, wie sein 1677 erschie­nenes Architekturbuch beweist, die Traktatliteratur, ins­besondere des italienischen Seicento gut gekannt. EineReise Leuthners nach Rom ist nachgewiesen - vielleichtging Georg mit ihm.In Waldsassen heiratete Dientzenhofer am 25. August1682 die Metzgerstochter Maria Elisabeth Hager. Die Ehehatte auch einen beruflichen Aspekt, denn sie war Voraus­setzung für die Meisterwürde, die Georg ebenfalls noch1682 in der oberpfälzischen Hauptstadt Amberg, derenBürgerrecht er zugleich erwarb, erlangte. Obgleich Am­berger Bürger und Meister in der dortigen Maurerzunft,behielt Georg zeitlebens seinen Wohnsitz in Waldsassenbei. Hier wurden ihm von seiner Frau drei Töchter und einSohn geboren. Zwei der Kinder, darunter der Sohn, star­ben früh. Nur vom dritten Kind, der Tochter Gertrud, gibtes noch ein späteres Lebenszeichen: sie verehelichte sich1709 in Bamberg.

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Kappei, Wallfahrtskirchezur HI. Dreifaltigkeit.Erbaut vonGeorg Dientzenhofer1685-1689

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Als ältester Sohn trug Georg Dientzenhofer nach dem frü­hen Tod des Vaters eine besondere Verantwortung für dieFamilie. Ähnlich den italienischen Bauleuten mit ihremausgeprägten Familiensinn begann Georg sogleich,nachdem er Meister geworden war, seine Brüder zu lan­cieren und jenen Dientzenhofer-Clan zu installieren, des­sen Einflußbereich schließlich von Böhmen über die Ober­pfalz bis nach Franken reichte und der das Baugeschehenin diesen Gebieten weitgehend beherrschte.Schon 1683 rief Georg seinen damals 23jährigen BruderLeonhard und setzte ihn als Polier beim Klosterbau inSpeinshart ein. Nach seiner Heirat mit einer weiteren Ha­ger-Tochter in Waldsassen wurde Leonhard ebenfallsAmberger Bürger und Meister in der dortigen Zunft. AlsGeorg den Auftrag für den Bau der Bamberger Jesuiten­kirche erhielt, berief er Leonhard von Speinshart ab undbeorderte ihn nach Bamberg, eine äußerst glückliche Ent­scheidung, denn dem tüchtigen Bruder gelang es sehrschnell, das Bauwesen in diesem fränkischen Hochstiftan sich zu ziehen. Schon ein Jahr nach Georgs Tod warLeonhard patentierter fürstbischöflicher Hofbaumeisterund bekleidete damit ein Amt, das über Johann und des­sen Sohn Justus Heinrich mehr als ein halbes Jahrhundertin der Familie Dientzenhofer blieb.Neben Leonhard protegierte Georg auch Christoph, demer 1683 die Polierstelle am Klosterbau in Waldsassen ver­schaffte. Christoph hatte freilich schon 1685 die Möglich­keit, eine Prager Baumeisterwitwe mit einem ansehnli­chen Betrieb zu heiraten, so daß er versorgt war. Auchdieser Bruder entwickelte sich schnell zu einem großenArchitekten, ja er darf als der bedeutendeste der fünf Brü­der gelten, wurde er doch in Prag und Böhmen mit sogroßartigen Werken wie der Niklaskirche auf der PragerKleinseite und der Klosterkirche von Bi'evnov der ersteHauptmeister des böhmischen Barocks des 18. Jahrhun­derts, eine Stellung, in der ihm sein nicht minder bedeu­tender Sohn Kilian Ignaz folgte, der in Georgs Todesjahrgeboren wurde.Für Wolfgang, den am wenigsten Begabten der Familie,sorgte der Ältere ebenfalls. Georg betraute ihn mit demAmt des Poliers beim Bau des Amberger Jesuitenkollegs- auch dies eine wichtige Entscheidung, fiel doch Wolf­gang nach dem Tode Georgs das oberpfälzische "Erbe" inden SchoB. Allerdings nicht ganz: Waldsassen behielt of­fenbar die Frau Georgs, die sich beim Weiterbau der Klo-

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sterkirche Christophs bediente. Als sich jedoch die Witwemit Bernhard Schießer vermählte, wurde dieser der neueStiftsbaumeister. SchieBer war durch die Heirat Mitglieddes Dientzenhofer-Clans geworden, wovon er nach demTode Leonhards profitierte, denn von dessen Bauunterneh­mungen "erbte" er den Kloster- und Kirchenbau der Zister­zienser von Schöntal a.d.Jagst. SchieBer war übrigens nichtder einzige Architektenschwager der Dientzenhofer. Zweiweitere Hager-Töchter aus Waldsassen heirateten eben­falls Maurer, die selbstverständlich als Dientzenhofer-Po­liere eingesetzt wurden und später Meister in der Bamber­ger Zunftwurden: BalthasarCaminata und Jakob Ströhlein.Überblickt man dies alles, dann wird deutlich, daß es Ge­org war, der durch seine konsequente Familienpolitik dieGrundlagen für das glänzende Fortkommen der Brüdergeschaffen und damit den Grundstein zum Ruhm derDientzenhofer gelegt hat. Es ist daher von besondererTragik, daß der Meister selbst nur so wenig vollbringenkonnte und die Erfolge seiner Brüder nicht mehr erlebte.

111.

Die herausragendsten Sakralbauten Georgs sind dieWallfahrtskirche Kappel und die Jesuitenkirche in Bam­berg, Bauten die kurz hintereinander, 1685 und 1686, be­gonnen wurden. Der Baumeister konnte diese Werke bis1689 fast vollenden. Für die Klosterkirche von WaIdsas­sen, einem der Bamberger Kirche an Größe sogar überle­genen Bau, fertigte Georg Pläne an, die aber nicht ausge­führt wurden. Am heutigen Kirchengebäude, das erstnach Georgs Tod begonnen wurde, ist der Meister auchplanerisch nicht mehr beteiligt gewesen. Allenfalls derlanggestreckte Mönchschor östlich der Vierung könnteauf seinen Plänen fußen. Anders ist die Situation in Mi­chelfeld. Hier wurde die Klosterkirche nach den PlänenGeorgs 1688 begonnen, doch sind gerade jene Teile, diedamals entstanden, nämlich Presbyterium und Chor,1717 wieder abgebrochen worden. Das Langhaus, erst1690 und 1691 errichtet, geht vielleicht noch auf GeorgsEntwürfe zurück. Kleinere Kirchenbauten, die einandersehr ähneln, stellen die 1905 abgebrochene Pfarrkirchevon Falkenberg aus den Jahren 1683 und 1684 sowie dieWallfahrtskirche Trautmannshofen dar, die von 1686 bis1689 entstand. Auffallend ist, daß alle diese Kirchen, ein­schließlich der Planung für die Klosterkirche von Wald-

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sassen, dem Typus der Wandpfeilerkirche mit Emporenuber den Seitenkapellen folgen.Unter den Klosterbauten ist derjenige zu Waldsassen Ge­orgs Meisterstück. Der Architekt erlebte 1687 die Vollen­dung der fünf Jahre zuvor begonnenen Trakte südlich derStiftskirche in ihren heutigen Ausmaßen. Daß diese Bauten,die durch verschiedene und eigentümlich gegliederte Putz­fassaden aber auch durch ungewöhnlich architektonischgestaltete Räume herausragen, Georg Dientzenhofer undnichtAbraham Leuthnerzuzuschreiben sind, beweist vor al­lem die stilistische Verwandtschaft zu den Klöstern Speins­hart und Michelfeld, wo Georg jeweils die Ost- und Südflü­gel errichtete. Zwar sind diese beiden Klöster wesentlichkleiner und anspruchsloser als Waldsassen, doch zeigt sichhinsichtlich der Fassaden- und Raumbildung, ja sogar be­züglich der Ausstattung mit Quadraturstuck die gleicheStilhaltung. Zu dieser Gruppe gehört stilistisch übrigensauch das Kloster Ebrach zwischen Bamberg und Würzburg ,das noch zu Lebzeiten Georgs von Leonhard begonnenwurde. Dagegen verzichtet der Nordflügel des AmbergerJesuitenkollegs als schlichter Nutzbau auf eine besondereFassadengliederung; aber die Betonung der Mitte durch ei­nen stark vorgezogenen Risalit, hinter dem sich übereinan­der die Säle des Refektoriums und des Rekreatoriums be­finden, ist für die Entstehungszeit bemerkenswert fort­schrittlich und fand noch Nachfolge bei Leonhards Nordflü­gel des Bamberger Benediktinerklosters St. Michael. Diebereits zitierte Nachricht von 1684, wonach Georg auch fürdas Benediktinerkloster Weißennohe gearbeitet habe, läßtsich nicht verifizieren. Es ist nicht ausgeschlossen, daß essich hierbei um eine Verwechslung mit der benachbartenBenediktinerabtei Michelfeld handelt.Im sogenannten Dientzenhofer-Skizzenbuch des Bayeri­schen Nationalmuseums München lassen sich außer demGrundriß der Kappel noch zwei weitere Kirchenprojektemit Georg in Verbindung bringen: Zum einen ein herzförmi­ger und zum anderen ein ovaler Kirchenbau. Hypothetischkann der herzförmige Grundriß auf die WallfahrtskircheTrautmannshofen bezogen werden, deren Marien-Gna­denbild seit alters in einem herzförmigen Schrein aufbe­wahrt wird. Im übrigen taucht das Herzmotiv mehrfach beider Altarausstattung dieser Kirche auf. Anders als bei

der Kappel hatte dieser symbolische Grundriß allerdingskeine Chance, ausgeführt zu werden. Raum- und Gewöl­bebildung hätten in dieser Form zu unlösbaren ästheti­schen und konstruktiven Problemen geführt. Der ovaleGrundriß stellt dagegen ein realisierbares Projekt dar, dasmöglicherweise für die Wallfahrtskirche Maria Hilf ober­halb Ambergs gedacht war. Sollte sich dies bewahrheiten,dann wäre vielleicht die Angabe des Kappel-Pfarrers Pau­lus Eckardt von 1684, nach derGeorg für die Kapelle Unse­rer Lieben Frau in Amberg tätig gewesen sei, auf den Ma­ria-Hilf-Berg und nicht auf die Frauenkapelle in der Stadtzu beziehen.Georg Dientzenhofers Oeuvre ist klein, doch erlauben esdie Hauptwerke, die Kappei, die Bamberger Jesuitenkir­che und die Klosterbauten von Waldsassen, sich einen Be­griff von der Kunst dieses Architekten zu machen. Sie ist,um es auf eine knappe Formel zu bringen, von außeror­dentlicher Originalität und Monumentalität. Originell istnicht nur die Grundrißbildung der Kappel. Erfindungskraftzeigt sich ebenso bei der Gestaltung der Kirchenfassadevon St. Martin in Bamberg und bei der Schöpfung von De­tailformen am Waldsassener Kloster. Monumental, aufdas Große gerichtet ist Georgs Kunst sowohl bei der Fas­saden- wie bei der Raumbildung. Das sprechendste Bei­spiel hierfür ist die Bamberger Jesuitenkirche, doch zeigtauch Waldsassen, insbesondere im inneren Konventhofund im Kreuzgang den gleichen, auf Monumentalität desÄußeren und des Inneren gerichteten Geist. Die Paarungdes Originellen mit dem Monumentalen birgt freilich auchGefahren: eine gewisse Einseitigkeit und Ungezügeltheit,deren Affront gegen die Konvention weniger irritiert als somanche Schwierigkeit im Aufbau und bei der Proportionie­rung. Elegant und flüssig, gewandt und routiniert ist Ge­orgs Kunst nicht; sie hat ihre Ecken und Kanten, aber siebesitzt das Wichtigste - Größe und Tiefe.

Nachwort.

Der vorstehende Beitrag stellt eine sehr knappe Zusammenfas­sung dreier Vorträge dar, die der Verfasser anläßlich der 300.Wiederkehr des Todesjahres von Georg Dientzenhofer am 29.April 1989 in Waldsassen, am 16. September 1989 in Ambergund am 3. Oktober 1989 in Bamberg gehalten hat.

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DomkapellmeisterTheobald Schrems