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Zusammenfassende Ergebnispräsentation aus dem Projekt: Geschlossene Unterbringung strafunmündiger Kinder- und Jugendlicher in Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe am Beispiel der Geschlossenen intensivtherapeutischen Wohn- gruppe für Kinder und Jugendliche in Trägerschaft des Caritas-Sozialwerks St. Elisabeth „Geschlossene Unterbringung in der Kinder- und Jugendhilfe“ Nina Oelkers, Nadine Feldhaus & Annika Gaßmöller VVSWF Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung

„Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

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Page 1: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

Zusammenfassende Ergebnispräsentation aus dem Projekt:

Geschlossene Unterbringung strafunmündiger Kinder- und Jugendlicher in Maßnahmen der

Kinder- und Jugendhilfe am Beispiel der Geschlossenen intensivtherapeutischen Wohn-

gruppe für Kinder und Jugendliche in Trägerschaft des Caritas-Sozialwerks St. Elisabeth

„Geschlossene Unterbringung in der Kinder- und Jugendhilfe“

Nina Oelkers, Nadine Feldhaus & Annika Gaßmöller

VVSWF Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung

Page 2: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

1 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Nina Oelkers, Nadine Feldhaus & Annika Gaßmöller

Zusammenfassende Ergebnispräsentation aus dem Projekt: Geschlossene Unterbringung strafunmündiger Kinder- und Jugendlicher in Maß-

nahmen der Kinder- und Jugendhilfe am Beispiel der Geschlossenen intensivthera-peutischen Wohngruppe für Kinder und Jugendliche in Trägerschaft des Caritas-

Sozialwerks St. Elisabeth

Vechta 2015

Page 3: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

2 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Nina Oelkers; Nadine Feldhaus & Annika Gaßmöller:

Zusammenfassende Ergebnispräsentation aus dem Projekt:

Geschlossene Unterbringung strafunmündiger Kinder- und Jugendlicher in Maßnahmen der Kin-

der- und Jugendhilfe am Beispiel der Geschlossenen intensivtherapeutischen Wohngruppe für

Kinder und Jugendliche in Trägerschaft des Caritas-Sozialwerks St. Elisabeth

Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung, 2015

ISBN: 978-3-937870-18-0

Alle Rechte vorbehalten.

2015 by VVSWF – Vechtaer Verlag für Studium, Wissenschaft und Forschung

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der schriftlichen Einwilligung des Verlages. Published in Germany, 2015

Gestaltung: Annika Gaßmöller

Umschlaggestaltung: Annika Gaßmöller

Titelbild: Karl-Heinz Laube; pixelio.de

Page 4: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

3 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort ........................................................................................................................................... 2

I Einleitung ..................................................................................................................................... 3

I.1 Geschlossene Unterbringung in der Kinder- und Jugendhilfe ................................................. 4

I.2 Kontrovers diskutiert ............................................................................................................... 4

II Hauptteil....................................................................................................................................... 6

II.1 Informationen zur Einrichtung ................................................................................................ 6

II.2 Forschungsdesign ................................................................................................................. 8

II.3 Darstellung ausgewählter Ergebnisse .................................................................................. 10

II.3.1 Ebene des Trägers: GITW Lohne ............................................................................. 10

II.3.2 Trägerübergreifende Ebene ...................................................................................... 13

II.3.3 Ebene der Mitarbeiter/innen ...................................................................................... 14

II.3.4 Ebene der Kinder und Jugendlichen: „Ich möchte ein ganz normales Leben führen“ 16

II.3.4.1 Erhebung der Daten ................................................................................... 16

II.3.4.2 Einzelfallbezogene Perspektive .................................................................. 19

II.3.4.2.1 Fallbeispiel Rafael ........................................................................ 19

II.3.4.2.2 Fallbeispiel Nils ............................................................................ 21

II.3.4.2.3 Fallbeispiel Tim ............................................................................ 23

II.3.4.2.4 Fallbeispiel Achmet ...................................................................... 25

II.3.4.2.5 Analyse der Fallbeispiele ............................................................. 27

II.3.4.3 Fallübergreifende Perspektive .................................................................... 29

II.3.5 Abschließende Gesamteinschätzung der GITW ....................................................... 35

III Ausblick ................................................................................................................................. 36

IV Literatur .................................................................................................................................... 38

Danksagung .................................................................................................................................. 40

Anhang

Page 5: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

2 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

VORWORT

Die Einrichtung von freiheitsentziehenden Maßnahmen bzw. sogenannten geschlossenen Unter-

bringungsmöglichkeiten innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe für Strafunmündige war und ist –

nicht nur in Niedersachsen – eine politische Entscheidung. In Niedersachsen wurden die Forde-

rungen nach einer solchen Einrichtung weder aus dem Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe

heraus, noch aus der Fachöffentlichkeit heraus formuliert. Lediglich von Seiten der Polizei gab es

eine Schätzung, dass in Niedersachsen mit einer gewissen (geringen) Anzahl problematischer Fäl-

le pro Jahr zu rechnen sei. In der Fachdiskussion sind freiheitsentziehende Maßnahmen für Straf-

unmündige hoch umstritten und die historischen (Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jah-

ren), wie auch aktuellen Erfahrungen (bspw. in den Einrichtungen der Haasenburg GmbH in Bran-

denburg) geben den Kritikern recht. Allerdings zeigt die Fachdiskussion auch, dass in der Kinder-

und Jugendhilfe einige junge Menschen aus unterschiedlichsten Gründen in den Regeleinrichtun-

gen nicht gehalten bzw. mit den üblichen Angeboten nicht erreicht werden können. Diese jungen

Menschen mussten oft schon mehrere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wieder verlas-

sen, lebten teilweise zeitweilig auf der Straße oder wurden (geschlossen) in Psychiatrien unterge-

bracht (auch völlig ungeeignet in Erwachsenenabteilungen). Diese Einzelfälle markieren einen Be-

darf an Unterstützungsformen, die bislang in der Jugendhilfelandschaft nicht angeboten werden

und weisen darauf hin, dass die Verantwortung für diese Fälle von der Kinder- und Jugendhilfe an

die Psychiatrie oder ab der Strafmündigkeit auch an die Jugendgerichte abgegeben wird. Frei-

heitsentziehende Maßnahmen sind hier sicherlich nicht die einzige und bestimmt auch nicht die

beste Möglichkeit, um besonders herausfordernde Kinder und Jugendliche sozialpädagogisch zu

erreichen, doch sie werden (trotz der hohen Kosten für einen Unterbringungsplatz) genutzt, wenn

die üblichen Angebote nicht (mehr) in Frage kommen. So muss mit Blick auf Niedersachsen betont

werden, dass auch vor der Einrichtung der Geschlossenen Intensivtherapeutischen Wohngruppe

(GITW) in Lohne durch das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth (CSW) junge Menschen aus Nieder-

sachsen in entsprechende Einrichtungen anderer Bundesländer ‚verschickt‘ wurden. Dies zeigt ei-

nen gewissen Bedarf auf, der weniger auf mögliche Sogeffekte der Einrichtung zurückzuführen ist,

sondern vielmehr auf die Grenzen der Angebotspalette in der Jugendhilfelandschaft verweist. Hier

scheint das Angebot der Geschlossenen Intensivtherapeutischen Wohngruppe (GITW) in Lohne

durch das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth (CSW) auf einen Bedarf zu stoßen, den es sicherlich

nicht vollständig decken kann – da auch diese Einrichtung nicht für alle der dort aufgenommenen

jungen Menschen passend ist – aber doch für einige neue Chancen und Möglichkeiten eröffnet.

In diesem Sinne möchten wir, als Forscherinnenteam, mit unseren Befunden einen Beitrag für eine

sachliche und fundierte Diskussion dieses Themas leisten.

Page 6: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

3 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

I EINLEITUNG

Die vorliegende Broschüre stellt ausgewählte Ergebnisse eines über 34 Monate laufenden For-

schungsprojekts dar, welches im Zusammenhang mit der Einrichtung der „Geschlossenen Inten-

sivtherapeutischen Wohngruppe (GITW) für dissoziale und/ oder hochdelinquente Kinder und Ju-

gendliche im Alter von 10-14 Jahren“ in Trägerschaft des Caritas-Sozialwerks St. Elisabeth (CSW)

am Standort Lohne steht. Die Mitte 2010 eröffnete Einrichtung ist als erste und einzige geschlos-

sene Unterbringung der Kinder- und Jugendhilfe Niedersachsens1 wissenschaftlich begleitet wor-

den.

Die Wohngruppe verfügt über sieben geschlossene stationäre Plätze und ist vorrangig für den Ein-

zugsbereich Niedersachsen vorgesehen. Voraussetzung für die Aufnahme in die GITW ist ein fa-

milienrichterlicher Beschluss zur geschlossenen Unterbringung gemäß §1631b BGB. Ziel der

Maßnahme ist die Abwendung von Selbst- und/ oder Fremdgefährdung, die beispielweise aus

problematischen Verhaltensweisen wie Delinquenz, Schulverweigerung, Alkohol- und Drogen-

missbrauch sowie Aggressionen abgeleitet wird. In der Einrichtung sollen freiheitsentziehende

Maßnahmen mit intensiver pädagogischer und therapeutischer Arbeit verbunden werden, um die

Gefährdungen zu unterbrechen bzw. abzuwenden.

Das Forschungsprojekt wurde vom niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und

Gleichstellung über die Universitätsgesellschaft Vechta e.V. gefördert. Das Erkenntnisinteresse

des Landes Niedersachsen richtete sich zum Zeitpunkt der Einrichtung des Forschungsprojektes in

erster Linie auf die Frage, ob der Ansatz der GITW im geschlossenen Rahmen mit intensiver Be-

treuung und zeitlicher Vorgabe (i. d. R. bis zu einem Jahr) bei der aufzunehmenden Zielgruppe

„hochdelinquenter Kinder“ positive Effekte zeigt. Die Zielgruppenerreichung, die Anfragesituation

sowie der Bedarf an Plätzen mit Möglichkeit der freiheitsentziehenden Betreuung bildeten beson-

dere Interessensschwerpunkte. Weiter sollten insbesondere der Prozess der Teambildung auf der

Ebene der Personalentwicklung in der Einrichtung begleitet sowie die Struktur- und Trägerperspek-

tive untersucht werden.

Der vorliegende Bericht gibt eine pointierte Zusammenfassung der Ergebnisse dieses For-

schungsprojekts. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Perspektive der Jungen und die unterschied-

lichen Fallverläufe gelegt. Eine besondere Herausforderung ist es die Anonymität der betroffenen

Jungen zu wahren, aber gleichzeitig die Diversität der Fallverläufe und die Lebensgeschichten der

jungen Menschen darzustellen. Die hier (Kapitel II.3.4.2) dargestellten Fallverläufe entsprechen

nicht realen Einzelfällen, sondern sind aus Gründen des Datenschutzes aus dem Material heraus

konstruiert worden. Die beschriebenen Ereignisse beruhen zwar auf Tatsachen, jedoch basieren

diese auf verschiedenen Einzelfällen.

1 Dies gilt für den Zeitraum seit der Heimkampagne in den 1970er Jahren und der weiteren Reduzierung geschlosse-

ner Heime in den 1980er und 1990er Jahren (vgl. Permien 2012). Davor war die (faktisch) geschlossene Unterbrin-gung in Heimeinrichtungen der Regelfall. Die damaligen inhumanen Zustände wurden im Rahmen der Heimrevolte angeprangert und heftig bekämpft.

Page 7: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

4 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

I.1 GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG IN DER KINDER- UND JUGENDHILFE

Geschlossene Unterbringung (GU) ist allgemein dadurch gekennzeichnet, „dass besondere Ein-

grenzungs- und Abschließungsvorrichtungen oder andere Sicherungsmaßnahmen vorhanden sind,

um ein Entweichen, also ein unerlaubtes Verlassen des abgeschlossenen oder gesicherten Be-

reichs zu erschweren oder zu verhindern und die Anwesenheit des Jugendlichen für die notwenige

pädagogisch-therapeutische Arbeit mit ihm sicherzustellen“ (Bundesarbeitsgemeinschaft, Anlage

zur Niederschrift der Sitzung der gemeinsamen Kommission vom 16./17.2.1982: 1, zit. nach von

Wolffersdorff/ Sprau-Kuhlen 1990: 22). Diese Maßnahmen werden in der Kinder- und Jugendhilfe

auch als freiheitsentziehende Maßnahmen (FM) bezeichnet. Die „besonderen Eingrenzungs- und

Abschließungsvorrichtungen“ sind dabei gleichzusetzen mit dem Entzug der persönlichen Freiheit

des Kindes oder Jugendlichen. Ein Freiheitsentzug ist immer dann gegeben, wenn (1) eine Person

gegen ihren Willen in der persönlichen Freiheit eingeschränkt wird; (2) Dauer und Stärke der Ge-

schlossenheit das Ausmaß altersgemäßer Beschränkung überschreiten; (3) Personen auf einem

bestimmten Raum festgehalten werden sowie (4) der Aufenthalt ständig überwacht und der Kon-

takt mit Personen außerhalb des Raumes verhindert wird (vgl. Lindenberg 2010: 557).

Es ist in diesem Zusammenhang auch zu betonen, dass „Geschlossenheit an sich […] kein päda-

gogisches Konzept [ist], sondern erst einmal eine bauliche Gegebenheit“ (Pankofer 1997: 53). In

solchen baulichen Gegebenheiten werden dabei sehr unterschiedliche Konzepte umgesetzt, so-

dass sich die jeweiligen Ausgestaltungen des Freiheitsentzugs als divers darstellen.2 Weiter ist an-

zunehmen, dass „[e]s […] an uns [liegt], ob die Unterbringung in einer physisch geschlossenen

Einrichtung die Form von Einschließen oder Wegschließen annimmt oder zu einer pädagogischen

Intensivmaßnahme wird, die – eingebunden in ein Verbundsystem unterschiedlicher Formen von

Fremdunterbringung – den Bedürfnissen der Jugendlichen gerecht wird“ (Weiss 1999: 889).

I.2 KONTROVERS DISKUTIERT

Mit der Wiedereinführung der geschlossenen Unterbringung in Niedersachsen im Jahr 2010 zeich-

net sich erneut eine kontroverse Diskussion um freiheitsentziehende Maßnahmen in der Kinder-

und Jugendhilfe ab. Nicht nur innerhalb Niedersachsens, sondern im gesamten Bundesgebiet, wird

die Eröffnung der Geschlossenen Intensivtherapeutischen Wohngruppe (GITW) in Lohne kritisch

betrachtet. Dies insbesondere, da die Wiedereinführung der geschlossenen Unterbringung in

Hamburg (2003-2008) scheiterte und auch die Einrichtungen der Haasenburg GmbH in Branden-

2 Während einige Einrichtungen mit individuellem oder tageszeitabhängigem Freiheitsentzug arbeiten, sehen andere

eine generelle Geschlossenheit der Gruppe für alle untergebrachten Kinder und Jugendlichen vor. Wieder andere Einrichtungen arbeiten mit einer individuellen, schrittweisen Öffnung bei angepasstem Verhalten. Gemeinsam ist den meisten Einrichtungen, dass sie sich durch ein intensives Beziehungsangebot und einen stark strukturierten Tages-ablauf einschließlich eines gesicherten Schulbesuchs auszeichnen. Da die Verhaltensmodifikation ein wesentliches Merkmal dieser Einrichtungsform darstellt, arbeiten beinahe alle geschlossenen Einrichtungen mit Stufenplänen, um Konsequenzen von Fehl- wie auch erwünschtem Verhalten sichtbar werden zu lassen (meist über den Gewinn bzw. Verlust von Privilegien). Weitere Elemente geschlossener Unterbringungen sind Sozialtrainings, erlebnispädagogi-sche Elemente oder auch Berufspraktika (vgl. Permien 2010: 9).

Page 8: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

5 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

burg 2013 nach scharfer Kritik geschlossen wurden. In beiden Einrichtungen wurden fachliche

Standards der Kinder- und Jugendhilfe massiv verletzt. Die zuletzt in der Haasenburg durch die

unabhängige Expertenkommission festgestellten Erziehungspraktiken seien zum Teil menschen-

unwürdig und hätten die Rechte der jungen Menschen verletzt. Die unabhängige Expertenkom-

mission spricht in ihrem Bericht von „gehäufte[n] pädagogischen[n] Katastrophen“ (Land Branden-

burg 2013: 121), die sie insbesondere auf eine kritikwürdige pädagogische Haltung und fehlende

Reflexion von Kommunikationsprozessen der Mitarbeiter/innen zurückführt (vgl. ebd.).

Geschlossene Unterbringung in der Kinder- und Jugendhilfe ist in Fachwelt und Öffentlichkeit stark

umstritten, da der freiheitsentziehende Charakter für viele nicht mit den Grundsätzen der heutigen

Pädagogik vereinbar scheint. Doch der teils hitzig geführten Diskussion steht eine längst existie-

rende Praxis gegenüber, die nicht ignoriert, sondern vielmehr einer kritischen Prüfung unterzogen

werden sollte. Eine aufgeklärte demokratische Gesellschaft, die über viele Jahrzehnte hinweg der-

art eingriffsintensive Maßnahmen wie die geschlossene Unterbringung in der Kinder- und Jugend-

hilfe durchführt, sollte über näheres Wissen zu diesen Maßnahmen verfügen.

Das hier dokumentierte Forschungsprojekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Einrichtung über

fast drei Jahre in den Blick zu nehmen und dabei auch mögliche Belastungen sowie mögliche posi-

tive Faktoren für die untergebrachten Jungen3 sowie die Mitarbeiter/innen zu fokussieren. Darüber

hinaus wurden Erhebungen auf Trägerebene sowie trägerübergreifend durchgeführt, um u.a. die

besonderen Herausforderungen der Kooperations- und Öffentlichkeitsarbeit einer derart umstritte-

nen Einrichtung zu betrachten.

Da geschlossene Settings in der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur medial und politisch, sondern

auch fachlich stark umstritten sind, leistet das Forschungsprojekt einen wichtigen Beitrag zur fach-

lichen und empirisch begründeten Einschätzung freiheitsentziehender Maßnahmen in der Kinder-

und Jugendhilfe und somit zur Diskussion um den Umgang mit ‚schwierigen‘ Kindern und Jugend-

lichen. Es bearbeitet damit ein erhebliches Forschungsdesiderat. Ausgewählte Ergebnisse der Un-

tersuchung sind in der vorliegenden Broschüre zusammenfassend dargestellt.

3 Interviews mit den Kindern und Jugendlichen selbst, den Bezugsbetreuer/innen sowie den Mitarbeiter/innen des Ju-

gendamts stellten sicher, dass verschiedene Perspektiven und Bewertungen zum Maßnahmenverlauf in die Erhe-bung einflossen.

Page 9: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

6 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

II HAUPTTEIL

II.1 INFORMATIONEN ZUR EINRICHTUNG

Die geschlossene Intensivtherapeutische Wohngruppe (GITW) des Caritas Sozialwerks St. Elisa-

beth in Lohne verfügt über sieben vollstationäre geschlossene Plätze für Jungen im Aufnahmealter

von 10 bis 14 Jahren. Die Einrichtung leistet Hilfe zur Erziehung auf der Grundlage des SGB VIII,

§§ 27 und 34 sowie Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder gemäß § 35a SBG VIII. Als

freiheitsentziehende Maßnahme nach § 1631b BGB erfordert die Unterbringung in der GITW die

Genehmigung eines Familiengerichts. Die Dauer der Unterbringung soll etwa ein Jahr betragen.

In der Leistungsbeschreibung der GITW werden als Zielgruppe der Einrichtung Jungen zwischen

10-14 Jahren definiert, die sich im Überschneidungsbereich von Justiz, Psychiatrie und Jugendhil-

fe befinden und durch herkömmliche Angebote nicht oder nicht mehr erreicht werden (vgl. Caritas

Sozialwerk St. Elisabeth 2012: 21). Diese jungen Menschen zeichnen sich nach Angabe des Trä-

gers durch schwierige und belastende Lebenssituationen aus, in denen sie dissoziale und/oder de-

linquente Verhaltensweisen zeigen (vgl. ebd.). Extreme Verhaltensauffälligkeiten, durch die die

Kinder und Jugendlichen sich und andere maßgeblich gefährden, seien weitere Charakteristika der

Zielgruppe, ebenso wie Schulabsentismus (vgl. ebd.).

Als Ziele einer Betreuung in der GITW werden in der Leistungsbeschreibung folgende Aspekte be-

nannt:

Unterbrechung einer gefährdenden Entwicklung des Kindes

Umsetzung, Akzeptanz klarer Regeln und notwendiger Grenzen

Vermittlung und Einübung sozial adäquater Verhaltensweisen und Wertstrukturen

Anbahnung von Verhaltens- und Einstellungsänderungen

Erlernen von Konfliktlösungsstrategien

Aufbau von Beziehungsfähigkeit

Aufbau von Beschulbarkeit/ Beschulungsfähigkeit

Aufbau von Selbstvertrauen und Entwicklung des Selbstwertgefühls

Förderung der Stärken des Kindes

Stärkung und Förderung der sozial-emotionalen Kompetenz

Aufbau von Perspektiven für soziale und schulische Integration (vgl. Caritas Sozialwerk St.

Elisabeth 2012: 22).

Zur Erreichung dieser Ziele verfügt die Einrichtung über einen eng strukturierten Tagesablauf mit

integrierter Beschulung der Jungen sowie über ein umfassendes Regelsystem und einen Stufen-

plan (siehe Anhang). Der Stufenplan beinhaltet sechs Stufen, in denen das Erreichen einer höhe-

ren Stufe mit zunehmenden Privilegien (in erster Linie Ausgängen und Heimfahrten) verbunden ist.

Page 10: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

7 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Auch die baulichen Merkmale der Einrichtung sind den besonderen Herausforderungen einer ge-

schlossenen Unterbringung angepasst. Neben verschlossenen (Außen)Türen und speziellen Fens-

tern4, die sich zwar öffnen lassen, jedoch ein Entweichen nicht möglich machen, verfügt der

Wohnbereich der Gruppe über zwei voneinander getrennte Bereiche, dem sogenannten roten und

dem gelben Bereich. Der rote Bereich kann im Bedarfsfall separat verschlossen werden, um die

Gruppe bei Eskalationen trennen zu können. Zudem verfügt der gelbe Bereich im Vergleich zum

roten Bereich über eine bessere Ausstattung: So können Möbel in den Zimmern des gelben Be-

reichs verstellt werden, die Schränke verfügen über Türen und insgesamt gibt es mehr Rückzugs-

möglichkeiten, da der gelbe Bereich vom Büro der Betreuer/innen weniger einsehbar ist. Weiterhin

verfügt die Einrichtung für den Umgang mit eskalierenden Situationen über einen sogenannten Ti-

me-Out Raum, der durch seine reizarme Gestaltung in Krisensituationen als Schutzraum dienen

soll.

Zur GITW gehört zudem ein 15 mal 17 Meter großer Innenhof, der durch eine Mauer umgeben ist.

Er bietet den Bewohnern die Möglichkeit zur Freizeitbeschäftigung innerhalb des geschlossenen

Rahmens und steht somit unabhängig vom Stufenerfolg der Jungen als Außengelände zur Verfü-

gung.

Neben dem Regelsystem und den baulichen Merkmalen der Geschlossenheit, liegt der konzeptio-

nelle Schwerpunkt der Einrichtung auf dem Beziehungsaufbau der Betreuer/innen zu den unterge-

brachten Jungen. Dazu verfügt die Einrichtung über ein Bezugsbetreuer/innensystem, bei dem je-

weils zwei Betreuer/innen für die Belange eines Jungen zuständig sind. Auch insgesamt betrachtet

weist die Einrichtung mit einem Verhältnis von etwa 1:4 einen für die stationäre Heimerziehung

vergleichsweise hohen Betreuungsschlüssel auf, der eine intensive und engmaschige Betreuung

der untergebrachten Jungen gewährleisten soll. Zusätzlich zu den Betreuer/innen stehen für die

therapeutische Begleitung der Jungen ein Psychologe mit halber Stelle sowie fakultativ ein Fach-

arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Verfügung.

Bestimmte Ereignisse in der Einrichtung unterliegen der Meldepflicht beim Landesamt für Soziales,

Jugend und Familie als zuständige Aufsichtsbehörde. Als solche meldepflichtigen besonderen

Vorkommnisse gelten unter anderem: Entweichen eines Kindes/ Jugendlichen5, Time-Out Maß-

nahmen, Übergriffe der Jungen auf Mitbewohner und/oder Betreuer/innen, Selbstverletzungen und

Suizidversuche.

4 Auf vergitterte Fenster wurde durch den Träger der Einrichtung bewusst verzichtet. Vielmehr handelt es sich hier um

spezielle Fensteranfertigungen, die sich zwar vollständig öffnen lassen, deren Flügel jedoch so schmal sind, dass ein Entweichen durch das geöffnete Fenster nicht möglich ist.

5 Seit dem 09.05.2011 wurde die Meldung von Entweichungen dahingehend spezifiziert, dass lediglich von Bewohnern gewaltsam erzwungene Entweichungen zu melden sind.

Page 11: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

8 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

II.2 FORSCHUNGSDESIGN

Von September 2010 bis Juni 2013 wurde die GITW in Lohne auf unterschiedlichen Ebenen und

unter Einbeziehung verschiedener Perspektiven durch die Autorinnen beforscht. Im Zentrum des

durchgeführten Forschungsprojekts standen dabei folgende zentrale Untersuchungsebenen:

trägerübergreifende Ebene,

Ebene des Trägers,

Ebene der Mitarbeiter/innen,

Ebene der Kinder und Jugendlichen.

Während des Untersuchungszeitraums waren insgesamt 20 Jungen in der GITW untergebracht.

Diese wurden dabei sowohl fallübergreifend als auch bezogen auf die jeweiligen Einzelfälle in den

Blick genommen. Abbildung 1 verdeutlicht dieses übergeordnete Forschungsdesign.

Abb. 1: Ebenen der Untersuchung

1.-11. Monat

12.-22. Monat

23.-34. Monat

Fallü

berg

reifend

e F

ors

chun

g

Etc.

Ein

ze

llfa

llbezoge

ne F

ors

chung

Grenzen des Forschungsdesigns: (1) Die Fallzahlen mit insgesamt 20 untersuchten Einzelfällen

sind sehr gering. (2) Die Betrachtungen im Forschungsprojekt beziehen sich auf einen kurzen Zeit-

raum in der Adoleszenz der Jungen. (3) Es ist keine Betrachtung einer Vergleichsgruppe möglich

(weder aus offenen noch geschlossenen Kontexten). Aufgrund dieser Faktoren können Effekte der

Maßnahme und Entwicklungsverläufe der jungen Menschen nur unzureichend erfasst werden. Zu-

dem sind sowohl die Vorgeschichten der Jungen als auch die Betreuungsverläufe in und nach der

GITW so divers, dass sich über die wenigen in die Forschung einbezogenen Jungen kaum Muster

Trägerübergreifende Ebene: z.B. Außendarstellung, Vernetzung, Kooperationen

Träger-Ebene: z.B. Auslastung, Nachfrage, Finanzierung

Team-Ebene: z.B. Teambildung, Qualifikationen, Fluktuation

Kind/ Jugendlicher 2

Kind/ Jugendlicher 3

Kind/ Jugendlicher 1 Kind/ Jugendlicher 4

Page 12: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

9 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

identifizieren lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Akten der Jungen insbesondere betref-

fend der Zeit vor der GITW oft unvollständig sind und nicht in allen Fällen der weitere Verlauf nach

der GITW verfolgt werden konnte (Zuständigkeitswechsel bei den Mitarbeiter/innen des Jugend-

amtes; Datenschutz etc.). Ein wichtiger Bestandteil der Erhebungen waren die Interviews mit den

Jungen in der GITW, in denen es um deren Wahrnehmungen und Einstellungen ging. So wichtig

die Perspektive der Jungen auch ist, darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass es zu An-

passungsprozessen (bspw. Kolonisierung) kommen kann und adaptive Präferenzen vorliegen

können, d.h. die in geschlossenen Einrichtungen untergebrachten Menschen entwickeln Zufrie-

denheit im Rahmen der gebotenen Möglichkeiten. Somit besteht beispielsweise die Gefahr, dass

die Jungen ihre Lebenssituation in der GITW unverhältnismäßig positiv bewertet haben, was be-

züglich der Befunde des Projekts berücksichtigt werden muss. Auch bei der Fokussierung von Zie-

len, Einstellungen und Wünschen von Individuen kann es dazu kommen, dass diese an vorhande-

ne Lebensbedingungen angepasst werden, jedoch in einem veränderten Kontext von diesen Per-

sonen vernünftigerweise nicht gutgeheißen worden wären.6 Die Forschung stößt hier an Grenzen,

da es äußerst schwierig zu messen ist, welches die wahren Bedürfnisse einer Person sind und

wann hingegen Präferenzen im negativen Sinne adaptiv bzw. aufgrund der Lebensbedingungen

deformiert sind und nicht den wahren Bedürfnissen der Person entsprechen. Dies gilt im Übrigen

nicht nur für die Aussagen der Jungen, denn auch die Sichtweisen der Betreuer/innen und Ju-

gendamtsmitarbeiter/innen können davon geprägt sein, der aktuellen Situation nach Möglichkeit

positiven Sinn beimessen zu wollen.

Zusammengenommen können auf der Grundlage der vorliegenden Daten keine generalisierbaren

Aussagen über die Wirkung geschlossener Unterbringung getroffen werden. Auch ist zu beachten,

dass die Sichtweisen der Jungen, Betreuer/innen und Jugendamtsmitarbeiter/innen einer einzigen

Einrichtung zwar zentral sind, aber keine befriedigende Datengrundlage für eine grundsätzliche

Beurteilung freiheitsentziehender Maßnahmen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dar-

stellen. Aufgrund des immensen Forschungsdesiderats in diesem Bereich ermöglichen die nach-

folgenden Ergebnisse aber einen ersten Blick auf unterschiedliche Perspektiven innerhalb einer

solchen Einrichtung. Sie dienen zum einen als Grundlage für eine fachlich begründete Weiterent-

wicklung des Konzepts der GITW, zum anderen bieten die vorliegenden wissenschaftlichen Er-

kenntnisse eine Basis für weitere – dringend notwendige – Forschungsvorhaben.

6 Mit Elster (1982) kann diesbezüglich von adaptiven Präferenzen gesprochen werden. Wenn zum Beispiel die eigene

Lebenssituation als unverhältnismäßig positiv bewertet wird oder unerreichbar erscheinende Ziele aus den Wün-schen ausgeschlossen werden, handelt es sich um deformierte Wünsche und Einstellungen (vgl. Steckmann 2010: 100 f.).

Page 13: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

10 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

II.3 DARSTELLUNG AUSGEWÄHLTER ERGEBNISSE

Im Folgenden werden ausgewählte Forschungsbefunde auf der Grundlage der vier Untersu-

chungsebenen – der Ebene des Trägers, der trägerübergreifenden Ebene, der Ebene der Mitarbei-

ter/innen sowie der Ebene der Jungen – zusammenfassend dargestellt.

II.3.1 EBENE DES TRÄGERS: GITW LOHNE

Auf der Trägerebene wurden Aspekte der Auslastung und Zielgruppenerreichung erhoben sowie

die konzeptionellen und räumlichen Rahmenbedingungen analysiert. Dies erfolgte zum einen auf

der Grundlage der einrichtungsinternen Daten, wie beispielsweise der Anfragen für einen Platz

durch Jugendämter, der Analyse der persönlichen Daten der letztendlich untergebrachten Jungen

oder auch der gemeldeten besonderen Vorkommnisse, sowie zum anderen anhand einer Analyse

der konzeptionellen und räumlichen Rahmenbedingungen, basierend auf den Interviews mit den

Jungen und den Mitarbeiter/innen der belegenden Jugendämter. Im Folgenden werden die auf

Trägerebene erhobenen Ergebnisse zu Anfragen und Belegung, Zielgruppenerreichung sowie zu

den besonderen Vorkommnissen im Untersuchungszeitraum und dem räumlichen Setting zusam-

menfassend dargestellt.

Anfragesituation/ Bedarf an Plätzen mit Möglichkeit der freiheitsentziehenden Betreuung: In der

Zeit von April 2010 bis März 2013 erfolgten insgesamt 156 Anfragen für eine Unterbringung in der

GITW, die die Zielgruppe der 10- bis 14-jährigen Jungen betrafen. Auffallend ist, dass für das erste

Jahr des Bestehens der Einrichtung insgesamt lediglich 32 Belegungsanfragen vorlagen (davon

entsprachen 27 Anfragen der Zielgruppe). Nach einem Jahr stabilisierte sich die Anfragesituation

für die Belegung der Einrichtung, sodass bei gleichzeitiger Vollbelegung der Einrichtung eine War-

teliste existierte. Freiwerdende Plätze konnten nun in der Regel direkt wieder neu belegt werden.

Bei der Betrachtung der Anfragen nach Bundesländern wird deutlich, dass mit 44 Anfragen die

meisten aus Nordrhein-Westfalen stammten, gefolgt von Niedersachen mit 32 Anfragen und Ham-

burg mit 21. Es folgten weitere Anfragen aus Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Berlin und

Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Hessen, Saarland, Thüringen, Mecklenburg-

Vorpommern und Österreich. Tatsächlich aufgenommen wurden hauptsächlich Jungen aus Nord-

rhein-Westfalen (acht Unterbringungen) und Niedersachen (sieben Unterbringungen). Zwei weitere

Jungen kamen aus Hamburg und jeweils ein Junge aus Thüringen, Bayern und Mecklenburg-

Vorpommern. Das vorab formulierte Ziel, hauptsächlich Jungen aus Niedersachsen aufzunehmen,

wurde daher nur teilweise erreicht. Nach einer Konsolidierungsphase scheint allerdings die Mög-

lichkeit der freiheitsentziehenden Betreuung in der GITW Lohne ein genutzter Bestandteil der Kin-

der- und Jugendhilfelandschaft - nicht nur in Niedersachsen, sondern auch bundesweit - geworden

zu sein.

Page 14: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

11 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Betreuungsdauer und Beendigung der Maßnahme: Im Untersuchungszeitraum (01.09.2010 –

30.06.2013) wurden 20 Jungen in der Einrichtung untergebracht. Bei 13 Jungen erfolgte im ge-

nannten Zeitraum eine Entlassung aus der Einrichtung, davon waren vier irregulär: Die 1. irregulä-

re Entlassung erfolgte nach sechswöchiger Betreuung. Als Grund wurden häufige Eskalationen

benannt. Es erfolgte eine Unterbringung des Jungen in einer anderen Einrichtung, die auf aggres-

sive Verhaltensmuster spezialisiert sei. Die 2. irreguläre Entlassung erfolgte nach viermonatiger

Betreuung (davon ein Monat Beurlaubung in die Psychiatrie). Auch dieser Junge sei aufgrund star-

ker aggressiver Durchbrüche in der Einrichtung nicht haltbar gewesen. Die 3. irreguläre Entlassung

erfolgte nach siebenmonatiger Betreuung infolge eines bewaffneten Übergriffs auf Betreuer/innen.

Die 4. irreguläre Entlassung erfolgte nach 18-monatiger Betreuung durch den Rückzug des An-

trags auf geschlossene Unterbringung durch die personensorgeberechtigte Mutter. Die regulär ent-

lassenen Jungen blieben zwischen sechs und 18 Monaten in der Einrichtung. Im Durchschnitt wa-

ren sie etwa 14,5 Monate dort untergebracht, was somit nur bedingt der Zielvorgabe des Landes

mit etwa einem Jahr entspricht. Besonders die irregulären Beendigungen der Maßnahme zeigen,

dass auch die GITW Lohne an ihre Grenzen stößt und einige junge Menschen aufgrund ihrer

schwierigen Verhaltensweisen nicht halten kann.

Zielgruppenerreichung/ Vorgeschichte der untergebrachten Jungen: Voraussetzung für die Auf-

nahme in die GITW ist ein familienrichterlicher Beschluss zur geschlossenen Unterbringung mit

dem Ziel, eine Selbst- und/oder Fremdgefährdung aufgrund problematischer Verhaltensweisen zu

unterbrechen. Die Auswertung der richterlichen Beschlüsse und/oder der psychiatrischen Gutach-

ten zur Vorgeschichte der in der GITW untergebrachten Jungen (16 Beschlüsse und 13 psychiatri-

sche Gutachten konnten ausgewertet werden) zeigt, dass die schon im Konzept der Einrichtung

als divers beschriebene Zielgruppe, erreicht wurde. Als Aspekte, die den Vorschlag der geschlos-

senen Unterbringung begründen, wurden folgende benannt: Störung des Sozialverhaltens (neun

Nennungen), Selbst- und Fremdgefährdung, familiäre Schwierigkeiten und Scheitern anderer Ju-

gendhilfemaßnahmen (jeweils acht Nennungen), Bindungsstörungen (sieben Nennungen), Ag-

gressivität, entzieht sich Situationen durch Weglaufen (jeweils sechs Nennungen), Selbstgefähr-

dung und Schulabstinenz (jeweils fünf Nennungen), Alkohol- und Drogenkonsum (jeweils vier

Nennungen), sexuelle Auffälligkeit (drei Nennungen) sowie fehlende alternative Maßnahmen (zwei

Nennungen). In den hier benannten Merkmalen sind häufig Mehrfachnennungen enthalten, da ei-

ne freiheitsentziehende Maßnahme in der Regel nicht aufgrund eines Aspekts beschlossen wird.

Die in den Interviews benannten Gründe für die Unterbringung in der GITW (Mitarbeiter/innen der

GITW, Vertreter/innen der Jugendämter und auch der Jungen selbst) waren vielfältig und wurden

entsprechend als heterogen beschrieben. Dennoch zeichneten sich einige Themenschwerpunkte

und Problemkonstellationen ab, die sich verdichten lassen auf delinquente Verhaltensweisen und

schulische Auffälligkeit, familiäre Belastungen sowie die bisherige Maßnahmegeschichte und häu-

figes Entweichen der Jungen. Bezüglich der Indikationsstellung zeigte sich in der Untersuchung,

dass es erhebliche Übereinstimmungen zwischen den vom Träger in der Leistungsbeschreibung

Page 15: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

12 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

definierten Indikationen und den Begründungen zur geschlossenen Unterbringung im richterlichen

Beschluss bzw. im psychiatrischen Gutachten gab. Deutlich wird jedoch auch, dass sich keine be-

stimmten Merkmale identifizieren ließen, die per se zu einer geschlossenen Unterbringung führen.

Es sind somit verschiedene Faktoren, die zusammenkommen müssen, um die beteiligten Perso-

nen zu veranlassen, über eine geschlossene Unterbringung als mögliche Intervention nachzuden-

ken. Bezogen auf das Alter (10 bis 14-jährige Jungen) der im Untersuchungszeitraum unterge-

brachten Jungen wurde die Zielgruppe anfangs nicht immer, aber später durchgehend erreicht: Die

untergebrachten Jungen waren bei Aufnahme in die Einrichtung zwischen 11 und 15 Jahre alt.

Dabei war die Mehrheit der Jungen 14 Jahre alt (N=7), fünf Jungen waren 13 Jahre alt, jeweils drei

Jungen waren 15 und 12 Jahre alt und zwei Jungen wurden bereits mit 11 Jahren aufgenommen.

Auffallend ist, dass zu Beginn hauptsächlich 14 und 15-Jährige aufgenommen wurden und erst et-

wa ein Jahr nach Eröffnung der Einrichtung auch 11 und 12-Jährige untergebracht wurden.

Besondere (meldepflichtige) Vorkommnisse: Bestimmte Ereignisse in der Einrichtung bzw. im Be-

treuungsverlauf im Untersuchungszeitraum eines Jungen müssen an das Landesamt für Soziales,

Jugend und Familie gemeldet werden. Als solche meldepflichtigen besonderen Vorkommnisse

wurden im Untersuchungszeitraum zunächst folgende definiert und später spezifiziert: Entweichen

eines Kindes/ Jugendlichen (zwölf Meldungen die sich auf sechs Jungen beziehen), Time-Out

Maßnahmen (zwölf Meldungen), Übergriffe der Jungen auf Mitarbeiter/innen (acht Meldungen),

Bedrohungen der Mitarbeiter/innen (fünf Meldungen), Sachbeschädigung (sechs Meldungen), Po-

lizeinotrufe (vier Meldungen), Beurlaubung in die Psychiatrie (drei Meldungen), Selbstverletzungen

(eine Meldung) sowie Suizid (keine Meldung).

Besondere Vorkommnisse waren über den gesamten Untersuchungszeitraum zu beobachten. Ob

diese in der geschlossenen Einrichtung häufiger vorkommen als in anderen Einrichtungen der sta-

tionären Kinder- und Jugendhilfe oder welchen Einfluss das geschlossene Setting darauf hatte,

lässt sich anhand dieses Erhebungsdesigns nicht beurteilen. Auf der Ebene des Einzelfalls zeigt

sich jedoch, dass insbesondere zu Beginn einer Betreuung vermehrt Abgängigkeiten und Time-

Out-Maßnahmen erfolgten und sich diese im weiteren Betreuungsverlauf reduzierten.

Klima und räumliches Setting: Geschlossenheit ist in erster Linie eine bauliche Gegebenheit. Die

Geschlossenheit der GITW zeigt sich an den Sicherungssystemen (Türen, Fenster, Mauer um den

Hof) und auch an dem Raum für Time-Out Maßnahmen. Allerdings ist auch festzuhalten, dass der

geschlossene Außenbereich vergleichsweise groß, die Fenster nicht vergittert und auch in den

Zimmern der Jungen eigenständig zu öffnen sind. Auch die Ausstattung (bspw. Toilettenbecken,

Waschbecken, Duschen) ist bewusst nicht gefängnisähnlich (aus Metall) gestaltet. Die Unterschie-

de in Bezug auf die Bewegungsfreiheit der Jungen (je nach erreichter Stufe) spiegeln sich räumlich

in der Gestaltung des sogenannten gelben und roten Bereichs. Der rote Bereich kann gesondert

verschlossen werden. Dort gibt es beispielsweise weniger Privatsphäre (keinerlei Schranktüren)

und kaum Gestaltungsmöglichkeiten (festgeschraubte Möbel). Im gelben Bereich können dagegen

die Möbel umgestellt und verschoben, Poster aufgehängt oder Pflanzen aufgestellt werden, was

Page 16: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

13 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

den Jungen durchaus wichtig war. Die räumliche Gestaltung der Einrichtung und Aspekte, wie

Verbesserungen am Schließ- und Sicherheitssystem, neue Türen, weniger Glaswände, fertige So-

zialräume sowie allgemein mehr Ausstattung bzw. Inventar (mehr Wohnlichkeit) waren aber auch

wiederkehrende Themen in den Befragungen der Mitarbeiter/innen. Kritisiert wurden hier insbe-

sondere die Arbeits- und Freizeitangebote für die Jungen, die durch den Ausbau der räumlichen

Möglichkeiten verbessert werden könnten. Der geschlossene Charakter der Einrichtung und die

räumliche Begrenzung waren in den Schilderungen der Jungen überaus präsent. Ein Junge fühlte

sich „wie ein Tier im Käfig“7 und beschrieb damit die Konfrontation mit der Mauer und der fehlen-

den Bewegungsfreiheit. Ihre Veränderungswünsche richteten sich unter anderem auch auf die Ge-

staltung der Räumlichkeiten bzw. bauliche Veränderungen (größerer Hof, größere Fenster etc.)

oder sogar auf das Abreißen der Mauer und mehr offene Räume. Das Klima in der Einrichtung

wird von außenstehenden Fachkräften unterschiedlich bewertet: Das Bewertungsspektrum reicht

von durchaus angenehm und architektonisch freundlich (insbesondere im Vergleich mit anderen

geschlossenen Einrichtungen), bis hin zu steril und gefängnisartig.

II.3.2 TRÄGERÜBERGREIFENDE EBENE

Auf der trägerübergreifenden Ebene ging es sowohl um die Darstellung und Wahrnehmung von

Einrichtung und Träger in der Öffentlichkeit, als auch um Austausch und Kooperationen mit ande-

ren Institutionen (Jugendhilfe, Justiz, Behörden etc.), beispielsweise in Form einer Vernetzung in

regionalen und überregionalen Arbeitskreisen.8 Dazu wurden die Öffentlichkeitsarbeit des Trägers

umfassend analysiert und die Beteiligten des ‚Runden Tisches zur GITW‘9 zu Aspekten der Koope-

ration und Kommunikation befragt. Weitere Rückschlüsse auf die Zusammenarbeit mit der GITW

ließen sich auch aus den Interviews mit den Mitarbeiter/innen der belegenden Jugendämter zie-

hen.

Folgend sind die zentralen Ergebnisse zur Öffentlichkeitsarbeit, Kooperation und Kommunikation

zusammenfassend dargestellt.

Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz: Die Einrichtung hat sich von Beginn an um eine transparen-

te Außendarstellung und einen offensiven Umgang mit der Öffentlichkeit bzw. den Medien bemüht.

Auch um die Anfrage- und Belegsituation zu verbessern, wurden Informationen zur GITW auf der

eigenen Homepage (http://www.caritas-sozialwerk.de/70963.html) veröffentlicht. Die Vorstellung

der Einrichtung, die Leistungsbeschreibung samt Anlagen sowie einige weitere Dokumente werden

7 Alle im Bericht verwendeten Zitate wurden leser/innenfreundlich geglättet: Satzzeichen sowie Groß- und Kleinschrei-

bung wurden eingefügt, Verschleifungen, Füllwörter, Pausen, Wortwiederholungen etc. wurden entfernt sowie Grammatik und Sprache leicht korrigiert. Zusätzlich wurden (auch zur besseren Gewährleistung von Anonymität) Dia-lekte ans Hochdeutsche angepasst.

8 Hier geht die Untersuchung über den Rahmen der DJI-Studie „Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen von Kinder- und Jugendhilfe, Psychiatrie und Justiz – Indikationen, Verfahren und Alternativen“ hinaus, in der das Zu-sammenwirken zwischen Jugendämtern, freien Trägern und Familiengerichten nur am Rande berücksichtigt wurde (vgl. Hoops/ Permien 2006: 42).

9 Der „Runde Tisch zur GITW“ beinhaltet ein zweimal jährlich stattfindendes Treffen von Kooperationspartner/innen und anderen in der GITW involvierten Personen zum Austausch und zur Diskussion aktueller Themen.

Page 17: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

14 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

frei zugänglich als Download angeboten. Zudem ist zur Vorstellung der Einrichtung eigens ein kur-

zer Film gedreht worden. Dieser knapp acht-minütige Film war zeitweilig ebenfalls auf der Home-

page zugänglich. Etwa ein Jahr nach Eröffnung der GITW veranstaltete das Caritas-Sozialwerk St.

Elisabeth einen Fachinfo-Tag unter dem Titel „Wo stehen wir nach einem Jahr GITW?“. Im Sep-

tember 2014 fand eine weitere Veranstaltung für die interessierte Fachöffentlichkeit statt, auf der

die Ergebnisse des Forschungsprojekts vorgestellt wurden. In Kooperation mit dem Arbeitskreis

GU 14+ wurde zudem im Mai 2015 eine weitere Veranstaltung zur geschlossenen Unterbringung

mit dem Titel „Herausforderungen und Kompetenzen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in

der GU/FEM (freiheitsentziehende Maßnahmen) und/oder in offenen Settings mit Zwangskontex-

ten“ durchgeführt.

Kooperation und Kommunikation: Für einen regelmäßigen Austausch mit Kooperations-

partner/innen sowie weiteren Beteiligten an der Arbeit und dem Prozess der geschlossenen Unter-

bringung initiierte die GITW einen sogenannten ‚Runden Tisch‘. Zu den Teilnehmer/innen gehörten

im Untersuchungszeitraum Vertreter/innen des Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie,

des Jugendamtes Vechta, aus dem medizinisch-therapeutischen Bereich (Kinder- und Jugendpsy-

chiater, Arzt), der Polizei, des Sicherheits- und Wachdienstes, des Familiengerichtes sowie der

Stadt Lohne. Zusammenfassend zeigten die Befragungen der Teilnehmer/innen am ‚Runden

Tisch‘, dass das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth in vielen Fällen schon frühzeitig den Kontakt be-

züglich des Aufbaus der GITW gesucht und die Kommunikation häufig in beratender Weise ge-

nutzt hatte. Das Kommunikationsklima wurde häufig in wechselseitiger Perspektive als gut, aber z.

T. auch als noch optimierbar wahrgenommen. Die telefonischen Leitfaden-Interviews mit belegen-

den Jugendämtern zeigten durchweg positive Beschreibungen der Kooperation mit der GITW. Ne-

ben einer guten Erreichbarkeit und Gesprächsbereitschaft vonseiten der GITW, durch die sich die

Jugendamtsmitarbeiter/innen in der Regel gut informiert gefühlt hätten, habe es auch einen regel-

mäßigen Austausch in Form von genauen Absprachen über das weitere Vorgehen sowie ausführ-

liche Berichte gegeben.

II.3.3 EBENE DER MITARBEITER/INNEN

Die Betrachtung der Mitarbeiter/innen-Ebene erfolgte unter besonderer Berücksichtigung der er-

höhten Anforderungen, die das Arbeitsfeld einer geschlossenen Unterbringung an die Mitarbei-

ter/innen stellen kann. In den Blick genommen wurden beispielsweise der Auswahlprozess und die

Personalfluktuation. Den spezifischen Anforderungen und Belastungen im Rahmen der GITW wur-

de im Forschungsprojekt insbesondere Rechnung getragen, indem die Mitarbeiter/innen regelmä-

ßig per Fragebogen zu ihrem Befinden, ihren Einschätzungen etc. befragt wurden. Zudem wurden

ehemalige Mitarbeiter/innen beispielsweise zu den Gründen ihres Ausscheidens aus der GITW in-

terviewt.

Page 18: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

15 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Schließlich fanden zu drei Zeitpunkten Hospitationen in der wöchentlichen Team-Sitzung statt: im

Dezember 2010, April 2011 und Juni 2012. Diese Hospitationen dienten insbesondere dem vertief-

teren Verständnis von Teamstrukturen, Abläufen sowie Entscheidungsprozessen und unterstützten

somit die Auswertungen der Daten im Projekt. Die zentralen Ergebnisse aus der Befragung der

Mitarbeiter/innen zur Arbeitsbelastung sind im Folgenden zusammenfassend dargestellt.

Teambildung und Anforderungen an Mitarbeiter/innen der GITW: Insgesamt betrachtet, lässt sich

im Untersuchungszeitraum ein deutlicher Personalwechsel feststellen. Von den aufwändig vor Be-

legung der Gruppe ausgewählten Mitarbeiter/innen waren im Juni 2013 noch eine Mitarbeiterin und

ein Mitarbeiter im Gruppendienst der Einrichtung beschäftigt. Von Seiten des Trägers wurde dies

mit den besonderen Belastungen im Arbeitsfeld und insbesondere mit der zu Beginn nur ‚theoreti-

schen‘ Auswahl der Mitarbeiter/innen ohne die Möglichkeit einer Hospitation in der Einrichtung be-

gründet. Deutlich wird aber auch, dass sich die Personalsituation ein Jahr nach Bestehen der Ein-

richtung zunehmend stabilisiert hatte. Erst mit dem Wechsel der Gruppenleitung ging wiederum ein

vermehrter Personalwechsel einher. Die Anzahl der Kündigungen war in den ersten zwölf Monaten

seit April 2010 mit sechs (von elf im gesamten Untersuchungszeitraum) jedoch besonders hoch.

Auf die Frage an die Mitarbeiter/innen, welche Anforderungen die Arbeit in der GITW an sie stelle

(Eigenschaften und Fähigkeiten), wurden über die drei Befragungszeiträume (und zahlreiche Per-

sonalwechsel) hinweg insbesondere Beobachtungsfähigkeit und Teamfähigkeit, Einsatzbereit-

schaft, Belastbarkeit, Einfühlungsvermögen, Durchsetzungsvermögen, Geduld sowie die Fähigkeit,

gut mit Menschen umgehen zu können benannt.

Arbeitsbelastung der Mitarbeiter/innen der GITW: Es zeigt sich in der Untersuchung, dass insbe-

sondere die fremdbestimmten Arbeitsbedingungen als Belastung wahrgenommen wurden, wohin-

gegen die direkte (pädagogische) Arbeit mit den Jungen im Vergleich als erkennbar weniger belas-

tend berichtet wurde. Als besonders belastend wurden personelle Engpässe, Überstunden und

Wochenenddienste eingeschätzt. Selbst Aggressionen der Jungen (ob untereinander oder gegen-

über den Betreuer/innen) wurden im Vergleich zu diesen fremdbestimmten Arbeitsbedingungen als

weniger belastend geschildert. Und dies obwohl von negativen Erfahrungen im Umgang mit den

Jungen in Form von Beschimpfungen, Beleidigungen und verbalen Drohungen teilweise häufig und

in hoher Frequenz berichtet wurde. In der Befragung wurden die Faktoren „zu viel zu tun“ und sich

„nicht richtig darum kümmern können“ als besonders negativ für die eigene Arbeit genannt. Im

Hinblick auf die Kündigungen von Mitarbeiter/innen schienen insbesondere Ermüdung bzw. ‚Aus-

gebrannt-Sein‘ wesentliche Faktoren und Resultate der herausfordernden Arbeit zu bilden.

Anerkennung der Arbeit in der GITW: Als positiv zu werten ist die durchschnittliche Empfindung

der Mitarbeiter/innen, von den Jungen durchaus Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen. Dem

gegenüber steht die Wahrnehmung fehlender Anerkennung durch die Öffentlichkeit sowie beson-

ders durch Politiker/innen und Medien.

Page 19: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

16 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Sicherheit in der GITW: Als bedeutungsvollste Einflussfaktoren für das Gefühl der Sicherheit in der

Einrichtung wurden von den Mitarbeiter/innen die anwesenden Kolleg/innen sowie die eigenen Fä-

higkeiten angegeben. Im Vergleich am wenigsten Bedeutung wurde der baulichen Sicherung, der

Feuerwehr sowie dem Sicherheitsdienst zugesprochen. Somit wurde deutlich, dass die höchste

Bedeutung dem Personal sowie dessen Ressourcen beigemessen wurde.

II.3.4 EBENE DER KINDER UND JUGENDLICHEN: „ICH MÖCHTE EIN NORMALES LEBEN FÜHREN“

Die Ebene der untergebrachten Kinder und Jugendlichen bildete das Kernstück der Forschung.

Hier erfolgten eine dezidierte Betrachtung der Einzelfälle, mit ihren diversen Fallverläufen sowie

die fallübergreifende Betrachtung von beispielsweise konzeptionellen Bedingungen, der Bewertung

der Maßnahmen oder weiteren (Lebens)Perspektiven. Im Fokus der Forschung standen bei beiden

Perspektiven vor allem die Gründe für die Unterbringung sowie der Verlauf der Betreuung und die

weiteren Perspektiven der Jungen nach Verlassen der Einrichtung.

II.3.4.1 ERHEBUNG DER DATEN

Für die Analyse der Begründungen für eine geschlossene Unterbringung wurden insbesondere die

Indikationen laut psychiatrischer Gutachten und richterlicher Beschlüsse betrachtet. Dies sollte ers-

te Hinweise auf die Zielgruppe der Einrichtung geben. Für die aufgenommenen Jungen wurden

(soweit möglich) die Vorgeschichte sowie die bisher durchlaufenen Maßnahmen anhand der vor-

liegenden Informationen aus den Akten rekonstruiert.

Um den Betreuungsverlauf sowie die Fortschritte bei der Zielverwirklichung und die Entwicklung

weiterer Perspektiven zu betrachten, wurden unterschiedliche Daten herangezogen, deren Kern-

stück die Interviews von Jungen, Bezugsbetreuer/innen und Jugendamtsmitarbeiter/innen bildeten.

Die Befragungen der Jungen fanden ab Juni 2011 statt. Zum Zeitpunkt des jeweiligen Interviews

befanden sich die Jungen seit zwei bis 14 Monaten in der Einrichtung und waren zwischen 12 und

16 Jahre alt. Die Interviews mit den Jungen wurden nach Möglichkeit im fortgeschrittenen Verlauf

bzw. gegen Ende der Maßnahme durchgeführt, um die Einschätzung eventueller eigener Entwick-

lungen erheben zu können. Insgesamt konnten 12 Jungen befragt werden, drei Jungen hatten die

Einrichtung bereits wieder verlassen, bevor sie befragt werden konnten. Ein Junge lehnte die An-

frage für ein Interview ab. Zusammengenommen schienen die Jungen in den Interviews durchaus

bewusst zu entscheiden, was sie wie erzählen wollten und was nicht – und benannten dies auch

teilweise ganz explizit: „Na ja, möchte ich eigentlich nicht drüber reden“. Vielfach schienen sie zu-

dem im Verlauf des Interviews das Interesse der Forscherinnen zunehmend zu schätzen („Mir hat

das jetzt eigentlich Spaß gemacht“).

Die Befragung der Betreuer/innen erfolgte jeweils nach Beendigung der Maßnahme des jeweiligen

Jungen. Hier ging es insbesondere um die Einschätzung der Entwicklung des Jungen aus der Per-

Page 20: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

17 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

spektive der Betreuer/innen. In der Regel wurde eine/r der zwei besonders involvierten Bezugsbe-

treuer/innen des Jungen um ein Interview gebeten. Dies war jedoch aufgrund der Personalfluktua-

tion nicht in allen Fällen möglich, sodass zum Teil auch weitere am Betreuungsprozess beteiligte

Betreuer/innen in die Befragung miteinbezogen wurden. Insgesamt konnten neun Betreuer/innen

befragt werden.

Ab Mai 2011 wurden vor allem zur Indikation, zur Einschätzung des Betreuungsverlaufs, zum Ver-

bleib der Jungen nach der GITW sowie zu ihrer aktuellen Lebenssituation telefonische Leitfaden-

Interviews mit den für sie zuständigen Jugendamtsmitarbeiter/innen geführt.

Von da an wurde jeweils ab drei Monate nach Entlassung der Jungen aus der GITW versucht,

Kontakt zu den für sie zuständigen Mitarbeiter/innen im Jugendamt aufzunehmen und diese für die

Befragung zu gewinnen. Dieses Vorgehen wurde dann im Abstand von etwa acht Monaten wie-

derholt, wenn dazu grundsätzlich Bereitschaft bestand. Wechselnde Zuständigkeiten erschwerten

jedoch sowohl die Kontaktaufnahme als auch die Befragung.

Die mit den Beteiligten geführten Befragungen wurden in Form leitfadengestützter Interviews mit

erzählgenerierenden Fragen durchgeführt. Thematisch fokussierte der Leitfaden für die Interviews

mit den Jungen beispielsweise die Vorgeschichte der Jungen, verschiedene Aspekte der ge-

schlossenen Unterbringung, Gedanken zum Verlassen der Einrichtung und der nahen Zukunft so-

wie Wünsche und Vorstellungen zum künftigen Leben und zur eigenen Zufriedenheit. In den Inter-

views mit den Fachkräften der Jugendämter wurde insbesondere die ‚institutionelle Karriere‘ bzw.

der Lebensverlauf der Jungen aus dieser spezifischen Perspektive fokussiert. Die Perspektive der

Bezugsbetreuer/innen konnte gleichsam als Vermittlung zwischen bzw. Verbindung von professio-

neller und lebensweltlicher Sichtweise gesehen werden und ließ sich verorten zwischen der indivi-

duell-subjektiven Perspektive der Jungen und der eher administrativ-distanzierten Sichtweise der

Jugendämter. Die professionellen Perspektiven der Jugendämter waren dabei tendenziell auf ei-

nen längeren Zeitraum bezogen, die der (Bezugs-) Betreuer/innen dagegen ‚dicht dran‘ und auf die

Situation vor Ort fokussiert. Somit konnten sich die beiden professionellen Perspektiven komple-

mentär ergänzen und ein reichhaltigeres Bild ergeben.

Zusammenfassend ist zu beachten, dass nicht zu allen Jungen (vollständige) Interviewdaten vor-

liegen: Teilweise wurden durch die Mitarbeiter/innen der Jugendämter nur einige wenige Informati-

onen in einem Gespräch mitgeteilt oder die Teilnahme an der Befragung wurde teilweise auch in

Gänze abgelehnt (insbesondere aus Sorge um den Datenschutz). Zudem konnten nach manchen

Zuständigkeitswechseln die entsprechenden Mitarbeiter/innen im Jugendamt nicht ausfindig ge-

macht werden.

Begleitend zu den Interviews wurden Hospitationen in der Einrichtung durchgeführt. Diese dienten

zum einen dazu, einem Einblick in die täglichen Strukturen und Prozesse sowie in die Atmosphäre

und den Umgang zwischen den Betreuer/innen und den Jungen zu erhalten. Zum anderen dienten

die Hospitationen der Pflege von Kontakten zu den Jungen und Mitarbeiter/innen sowie dem Auf-

Page 21: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

18 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

bau von Vertrauen. Vertrauensbildung ist generell und gerade in einem so sensiblen Feld wie der

geschlossenen Unterbringung eine unabdingbare Voraussetzung für das Führen von Interviews

(vgl. auch Trautmann 2010:90).

In der folgenden Abbildung werden die einzelnen Forschungsschritte auf der Ebene der Kinder und

Jugendlichen im Überblick dargestellt.

Abb. 2: Fallbezogene Forschung zum Verlauf der Maßnahme

Wenngleich die vorliegende Untersuchung aufgrund der begrenzten Anzahl an Fällen (20 Jungen

waren untergebracht, 13 Entlassungen), des begrenzten Untersuchungszeitraums (34 Monate),

des geringen Alters der Jungen bei Ende der Untersuchung (maximal 18 Jahre) und aufgrund ei-

ner fehlenden Vergleichsgruppe keine verlässlichen Aussagen über die nachhaltige Wirkung der

Maßnahme treffen kann, so sind doch Hinweise auf die Effekte der Maßnahme sowie die Perspek-

tive der verschiedenen Beteiligten erhoben und ausgewertet worden. Das Projekt ermöglicht damit

Einblicke in die Effekte dieser speziellen Einrichtung, die sich beispielsweise auf die räumliche Ge-

schlossenheit oder auch auf die Beziehungen zwischen den jungen Menschen und den Betreu-

er/innen beziehen und die diversen Fallverläufe der dort betreuten jungen Menschen widerspie-

geln.

Die Ergebnisse der Forschungsebene der Kinder und Jugendlichen werden im Folgenden in zwei

Schritten dargestellt. Um die Diversität der Einzelfälle zu verdeutlichen, werden zunächst exempla-

rische Fallbeispiele vorgestellt. Im zweiten Schritt erfolgt dann die zusammenfassende Darstellung

übergeordneter Sichtweisen der befragten jungen Menschen, ihrer Bezugsbetreuer/innen und den

zuständigen Mitarbeiter/innen des Jugendamtes bezüglich wesentlicher konzeptioneller Merkmale

der Einrichtung, des Betreuungsverlaufs und der weiteren Perspektiven der Jungen.

Page 22: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

19 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

II.3.4.2 EINZELFALLBEZOGENE PERSPEKTIVE

Mittels der vier exemplarischen Fallverläufe von Rafael, Nils, Tim und Achmet werden die Diversi-

tät der Betreuungsverläufe aber auch die sehr unterschiedlichen Vorgeschichten und Erfahrungen

der Jungen mit anderen Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe verdeutlicht. Die hier dargestell-

ten Fallverläufe entsprechen nicht realen Einzelfällen, sondern sind aus Gründen des Daten-

schutzes aus dem Material heraus konstruiert worden. Die beschriebenen Ereignisse beruhen auf

Tatsachen, jedoch basieren sie auf verschiedenen Einzelfällen. Die Fallverläufe strukturieren sich

durch den Anfangs- und Endpunkt sowie den Verlauf der Maßnahme. Die Fallebene korrespon-

diert mit den anderen Ebenen, da z.B. Kooperationen mit anderen Einrichtungen oder die konzep-

tionellen Inhalte einen strukturierenden Einfluss auf die Ausgestaltung des Betreuungsprozesses

haben. Zudem verdeutlichen die Fallversläufe die verschiedenen Reaktionen auf konzeptionelle

Merkmale der Einrichtung wie beispielsweise die Geschlossenheit, den Stufenplan oder auch das

Beziehungsangebot.

An die Darstellung der Fallverläufe anschließend erfolgt eine Zusammenfassung zentraler Er-

kenntnisse, die sich aus diesen Fallgeschichten für geschlossene Unterbringungen im Rahmen der

Kinder- und Jugendhilfe und deren konzeptionelle Ausgestaltung folgern lassen.

II.3.4.2.1. FALLBEISPIEL RAFAEL

Vorgeschichte: Rafaels Eltern leben seit seinem fünften Lebensjahr in Scheidung in zwei verschie-

denen, weit voneinander entfernten Städten. Nach der Scheidung lebte Rafael vorerst bei seiner

Mutter, die jedoch an starken Depressionen litt. Da seine Mutter die Versorgung von Rafael nicht

mehr leisten konnte, zog er zunächst zu seinem Vater. Somit änderte sich Rafaels soziales und

räumliches Umfeld nachhaltig, insbesondere in Bezug auf seine sozialen Kontakte und den Schul-

besuch. Im weiteren Verlauf stellte sich jedoch heraus, dass auch der Vater aufgrund eigener

Problemlagen nicht in der Lage war, seinen Sohn ausreichend zu versorgen. Rafael nahm keine

regelmäßigen Mahlzeiten zu sich, ging selten zur Schule, verbrachte viel Zeit alleine und wenn er

Kontakte zu Gleichaltrigen hatte, waren diese aufgrund seiner Impulsivität sehr konflikthaft. Seine

emotionale und geistige Entwicklung erschien somit nachhaltig gefährdet. Aufgrund der vorliegen-

den Gefährdung entschied das Jugendamt, Rafael in Obhut zu nehmen. Im Anschluss erhielt das

zuständige Jugendamt durch richterliche Anordnung die Vormundschaft für den Jungen.

Ein psychiatrisches Gutachten verwies auf Rafaels defizitäre Entwicklung im emotionalen, sozialen

und kognitiven Bereich und empfahl eine stationäre Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe mit in-

tensivtherapeutischer Betreuung. In den folgenden Jahren wurde Rafael in unterschiedlichen Ein-

richtungen untergebracht. Eine dauerhafte Perspektive konnte jedoch, insbesondere aufgrund der

impulsiv-aggressiven Durchbrüche des Jungen, nicht entwickelt werden. Eine weitere Betreuung

erschien den Einrichtungen nach einiger Zeit nicht mehr möglich, insbesondere da er sich den

Maßnahmen entzog (häufig mit dem Wunsch zu seiner Mutter zurückzukehren) und Straftaten –

Page 23: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

20 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

überwiegend Körperverletzungen – beging. Auch gelang es den Fachkräften nicht, eine tragfähige

Beziehung zu Rafael aufzubauen oder Probleme – wie die Verweigerung des Schulbesuchs –

nachhaltig zu bearbeiten. Rafael, inzwischen 14 Jahre alt, geriet immer häufiger mit dem Gesetz in

Konflikt. Aufgrund der zunehmenden Problematiken entschied das Jugendamt daher einen Antrag

auf geschlossene Unterbringung zu stellen, der vom Gericht positiv beschieden wurde. Die Unter-

bringung wurde zunächst auf ein Jahr festgelegt, um die gefährdende Entwicklung zu unterbre-

chen und eine Verhaltensänderung anzubahnen.

Entwicklung in der GITW: Rafael erzählt im Interview, dass es ihm zu Beginn der Maßnahme

„schlecht“ ging, weil er „nicht Zuhause war und nicht nach draußen durfte“ und die äußere Er-

scheinung der Einrichtung aufgrund der Mauer abschreckend auf ihn gewirkt habe. Jedoch sei die

GITW nicht so „schlimm“ gewesen, wie er sie sich vorgestellt habe: „Wenn man hier drin ist, ist es

eigentlich ganz in Ordnung“. Die Eingewöhnungsphase verlief seinen Aussagen nach gut und war

schneller abgeschlossen als von ihm vermutet, da er seine Mitbewohner und auch die Betreu-

er/innen schnell kennen gelernt und Beziehungen zu ihnen aufgebaut habe. Der/die Betreuer/in

berichtet, dass, nachdem sich Rafael eingewöhnt hatte, er aufgrund seines positiven Verhaltens

schnell das Vertrauen der Betreuer/innen gewonnen habe und ab diesem Zeitpunkt viele Fort-

schritte gemacht habe. Im Verhalten des Jungen sei den Betreuer/innen seine Empathiefähigkeit

aufgefallen, beispielsweise wenn er Mitbewohner in eskalierenden Situationen zu beruhigen wuss-

te.

Der/die Bezugsbetreuer/in erinnert sich, dass die Familie eine große Problematik in Rafaels Leben

darstellte, da weder seine Mutter noch sein Vater in der Lage gewesen seien, sich adäquat um ihn

zu kümmern. Im Laufe der Zeit habe Rafael jedoch eine Lebensperspektive entwickelt - „ohne sei-

ne Familie, seine trümmerhafte Familie“. Dies sei zwar „ein schwieriger Weg für ihn [gewesen],

aber es hat einen guten Abschluss gefunden“.

Schulisch war Rafael nach Meinung des/der Bezugsbetreuers/in sehr erfolgreich, denn „er konnte

sich anfangs eine halbe bis eine Stunde konzentrieren und zum Ende hin war es schon so, dass er

viel viel motivierter war am Unterricht teilzunehmen und konnte sich dann auch wirklich […] über

die Zeit konzentrieren. Es ging sogar so weit, dass er für gute Noten dann auch in seiner Freizeit

noch mit einem weiteren Bewohner […] Referate ausarbeitete, um einfach einen guten Abschluss

zu haben“. Rafael selbst berichtet im Interview ebenfalls davon, dass die Schule nun gut laufe, er

sich derzeit in der neunten Klasse befinde und seinen Hauptschulabschluss anstrebe.

Abschließend resümieren sowohl Rafael als auch sein/seine Bezugsbetreuer/in, dass er viele Fort-

schritte während seines Aufenthalts in der GITW gemacht habe. Rafael nennt dazu im Interview

einige Beispiele: „[Ich kann jetzt] so ‚nein‘ sagen eigentlich, also wenn Freunde Hilfe brauchten,

egal ob es Scheiße bauen war oder nicht, hab ich [früher] immer geholfen“; „zu meine[n Eltern] ist

jetzt besser der Kontakt so als früher“; „[ich kann] Verantwortung für mich und andere [überneh-

men]“. Sein/e Bezugsbetreuer/in schien derzeit sehr stolz auf Rafael zu sein, denn er/sie beginnt

Page 24: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

21 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

mit einer Aufzählung von über zehn positiven Entwicklungen, die dem Jungen gelungen seien. Als

wichtige Punkte benannt werden seine Selbständigkeit und Verlässlichkeit, und dass man ihm nun

vertrauen könne. Während seines Aufenthaltes kam es zudem lediglich zu einer Time-Out-

Maßnahme wegen einer Auseinandersetzung mit einem Mitbewohner. Sonstige meldepflichtige

Ereignisse ereigneten sich nicht. Rafael wurde nach insgesamt 16 Monaten - bei positiv beurteil-

tem Verlauf der Maßnahme - aus der GITW entlassen. Der erste familienrichterliche Beschluss für

die geschlossene Unterbringung war auf seinen Wunsch hin um vier Monate verlängert worden.

Um den Übergang von der geschlossenen Maßnahme in eine Anschlussmaßnahme so gut wie

möglich zu gestalten, wechselte Rafael zunächst trägerintern in eine Wohngruppe und anschlie-

ßend in eine Verselbständigungswohnung. Bezugsbetreuer/innen und Mitarbeiter/in des Jugend-

amtes nehmen an, dass er mit Vollendung seines 18. Lebensjahres ohne weitere Unterstützung

des Jugendamtes für sich sorgen kann.

II.3.4.2.2 FALLBEISPIEL NILS

Vorgeschichte: Nils lebte mit seinen Eltern in einem benachteiligten Stadtteil einer Großstadt. Er

war Mitglied in einer größeren Peergroup, mit der er sich täglich an öffentlichen Plätzen traf. Bei

den Treffen wurde oft Alkohol getrunken und geraucht. Als 12-Jähriger wurde ihm dann von einem

Freund zum ersten Mal Marihuana angeboten. Zusammen mit seinen Freunden begann er regel-

mäßig Marihuana zu rauchen und später auch andere illegale Drogen zu konsumieren. Er entwi-

ckelte ein zunehmendes Drogenproblem und geriet in Abhängigkeit. Da Nils sich von seinem mo-

natlichen Taschengeld keine für ihn ‚ausreichende‘ Menge mehr kaufen konnte, nutzte er den Wei-

terverkauf von Drogen zur Finanzierung seines eigenen Bedarfs. Zudem beging er Diebstähle und

Einbrüche. Seine Eltern standen dieser Entwicklung machtlos gegenüber und konnten trotz bera-

tender Unterstützung des Jugendamtes nicht positiv auf Nils einwirken.

Da sein stetiger und übermäßiger Konsum zu schwerwiegenderen Problemen, beispielsweise in

gesundheitlichen und schulischen Bereichen führte, wurde Nils in eine Kinder- und Jugendpsychi-

atrie eingewiesen, in der eine Entzugsbehandlung durchgeführt wurde. Diese war zunächst erfolg-

reich, jedoch verfiel er nach seiner Entlassung schnell wieder in alte Muster. Das Jugendamt ver-

suchte diese durch verschiedene zunächst ambulante, dann auch stationäre Jugendhilfemaßnah-

men zu durchbrechen. Nils wechselte mehrfach die stationären Jugendhilfeeinrichtungen und wur-

de in dieser Zeit wiederholt auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt. Für die jeweili-

gen Jugendhilfeeinrichtungen war Nils allerdings weder erreichbar noch tragbar. Denn durch den

offenen Rahmen der Maßnahmen war es für ihn stets möglich, sich zu entziehen. Somit war Nils

die meiste Zeit seiner Unterbringung abgängig. Sein wiederum zunehmendes Drogenproblem er-

schien insbesondere auch für die anderen Betreuten der Einrichtungen problematisch, da Nils die-

se ebenfalls zum Drogenkonsum animierte. Nachdem eine weitere stationäre Maßnahme mit In-

tensivbetreuung in der Jugendhilfe aufgrund seines Drogenproblems scheiterte, wurde Nils zu-

Page 25: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

22 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

nächst in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Hier sollten eine weite-

re Abklärung des Hilfebedarfs sowie eine weiterführende Perspektiventwicklung erfolgen. In der

Folge dieser Unterbringung beantragten Nils` Eltern - die mit seinem Verhalten und seiner destruk-

tiven Entwicklung überfordert waren - auf Rat des Jugendamtes und gegen den ausdrücklichen

Willen ihres Sohnes, die Unterbringung des Jungen in einer geschlossenen Einrichtung der Kinder-

und Jugendhilfe. Diesem Antrag wurde durch richterlichen Beschluss stattgegeben. Die Dauer der

Unterbringung wurde auf ein Jahr festgelegt. Da Nils die Unterbringung in der GITW jedoch ver-

weigerte, musste er der Einrichtung durch die Polizei zugeführt werden. Bei Ankunft in der GITW

stand sein 15. Geburtstag unmittelbar bevor.

Entwicklung in der GITW: Die Anfangszeit in der GITW gestaltete sich für Nils relativ schwierig und

wechselhaft. Der/die Bezugsbetreuer/in beschreibt diese Zeit als „zähen Prozess“, da sie für Nils

aus Phasen des Unwohlseins und der Unzufriedenheit, aber auch aus Phasen des Wohlfühlens

und der Eingewöhnung bestand. Auch die Beziehungsarbeit und das gegenseitige Kennenlernen

folgte diesem Schema: Der erste Eindruck von Nils sei für die Betreuer/innen sehr positiv gewe-

sen, da er trotz aller Skepsis Bereitschaft zum Beziehungsaufbau zeigte sowie eine offene Haltung

gegenüber den Betreuer/innen, den Mitbewohnern und der Maßnahme im Allgemeinen einnahm.

Dieser erste Eindruck bestätigte sich für den/die Bezugsbetreuer/in jedoch im weiteren Verlauf der

Anfangszeit zunächst nicht, da Nils` Verhalten „respektlos“ gewesen sei, er Betreuer/innen ver-

ängstigte und versuchte, ein „Gangster“-Image zu vermitteln. So war es nach Aussagen des/der

Bezugsbetreuers/in „ganz mühsam“ ein Gespräch mit ihm anzufangen und etwas über sein Befin-

den zu erfahren.

Während der Betreuung entwich Nils mehrmals aus der Einrichtung und es wurden mehrere Time-

Out-Maßnahmen durchgeführt, da er aggressives Verhalten gegenüber den Betreuer/innen der

GITW zeigte. Diese meldepflichtigen Ereignisse fanden hauptsächlich zu Anfang bis Mitte seiner

Unterbringung statt. Auch der/die Bezugsbetreuer/in spricht im Interview über die auffälligen Ver-

haltensweisen am Anfang der Betreuung und thematisiert insbesondere die letzte Entweichung

von Nils, bei der er erstmalig freiwillig zur Einrichtung zurückkehrte: „Für uns stand da immer so im

Vordergrund vielleicht auch noch mal wegzulaufen, um anzukommen […] [nach der letzten Ent-

weichung] war er wie ausgewechselt […] und da hatte man wirklich das Gefühl, so jetzt kann er“.

Dieser Wandel schien auch für Nils präsent zu sein, da er Veränderungen in seinem Verhalten er-

kannte und eine deutlich positivere Haltung gegenüber der Einrichtung einzunehmen schien. Au-

ßerdem soll er sich mit einem Mitbewohner besonders angefreundet haben, der für ihn laut Be-

zugsbetreuer/in eine Art „Vorbildfunktion“ einnahm, da er ebenfalls ein „Hip-Hopper“ sei, seine Re-

bellion nach außen jedoch verberge, um ein gutes Bild von sich zu vermitteln. So konnte er nach

Meinung des/der Bezugsbetreuers/in die Aufmerksamkeit und Anerkennung von Nils gewinnen. In

der folgenden Zeit arbeiteten die beiden Jungen gemeinsam an den Aufgaben ihres Stufenplans

Page 26: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

23 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

und machten dort Fortschritte. Am Ende der Unterbringung erreichten beide schließlich die letzte

Stufe des Stufenplans.

Der/die Jugendamtsmitarbeiter/in resümiert, dass Nils während seiner geschlossenen Unterbrin-

gung die Grundlagen gelernt habe, um weiter über die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt werden

zu können, denn zuvor sei er „nicht mal einrichtungsfähig“ gewesen, wodurch andere Maßnahmen

zu keiner positiven Entwicklung von Nils führen konnten. Nach Aussage des/der Bezugsbetreu-

ers/in wurde ihm/ihr vom Jugendamt rückgemeldet, dass dort nicht mit dieser Veränderung und

Entwicklung gerechnet worden sei. Er/sie fasst noch zusammen, dass „der Verlauf [insgesamt] an-

strengend, aber erfolgreich [war]“ und die Unterbringung von Nils in der GITW die richtige Maß-

nahme gewesen sei. Die Chancen für seine Zukunft seien jedoch abhängig von seinem familiären

Umfeld: „Wenn die Familie stabil sein sollte (.) und er weiß wo er hingehört […] und akzeptiert ist

und auch in seinem Vater wirklich eine Vorbildfunktion sehen kann […] dann wird er seinen Weg

gehen […] er hat den Ehrgeiz“. Nils wurde nach 18-monatiger Unterbringung aus der GITW entlas-

sen. Er kehrte zu seiner Familie zurück und wird dort weiterhin engmaschig durch das Jugendamt

betreut.

II.3.4.2.3 FALLBEISPIEL TIM

Vorgeschichte: Tims Lebensgeschichte kann insgesamt als sehr schwierig charakterisiert werden.

So erlitt er bereits in seiner frühen Kindheit eine gravierende Traumatisierung, die seine weitere

Kindheit negativ prägte. Über die Geschehnisse wollte Tim mit niemandem sprechen und konnte

diese auch nicht verarbeiten. Die frühe und tiefgreifende Traumatisierung wird von den Fachkräf-

ten als Hauptgrund für seine problematischen Verhaltensweisen angesehen. So fiel bei Tim schon

früh ein problematischer Umgang mit Alkohol auf, er kaute an seinen Fingernägeln, zeigte zeitwei-

se impulsiv-aggressives Verhalten und war in der Folge eher ein Einzelgänger und Außenseiter in

der Schule. Die Schule rückte für ihn angesichts seiner Problemlagen immer mehr in den Hinter-

grund, bis er diese kaum noch besuchte. Seine Lehrer/innen und Mitschüler/innen waren mit sei-

nem aggressiv-impulsiven Verhalten überfordert, sodass er für die Schule auch nicht mehr tragbar

erschien. Später litt er an Suizidgedanken, die zu suizidalen Ankündigungen und auch Versuchen

führten, woraufhin er mehrmals in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeliefert wurde.

Tims alleinerziehende Mutter war mit der derzeitigen Situation und dem Verhalten ihres Sohnes

überfordert und suchte Hilfe beim zuständigen Jugendamt. Da die Überforderung der Mutter trotz

der ambulanten Hilfen nicht abgewendet werden konnte, entschloss sich das Jugendamt im Ein-

vernehmen mit der Mutter zu einer stationären Maßnahme für Tim. Doch auch die Wohngruppe

schien mit den Verhaltensweisen von Tim überfordert: Immer wieder musste er in eine Kinder- und

Jugendpsychiatrie gebracht werden, da es zu selbstverletzenden Handlungen und Kontrollverlus-

ten mit Angriffen auf Betreuer/innen und Mitbewohner/innen kam. Er ritzte sich, versuchte sich von

Page 27: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

24 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Autos anfahren zu lassen und verletzte Mitmenschen. Aufgrund seines stark selbst- und fremdge-

fährdenden Verhaltens stellte Tims Mutter zunächst einen Antrag für eine geschlossene Unterbrin-

gung ihres Sohnes. Dieser Antrag wurde von ihr jedoch unvermittelt wieder zurückgezogen. Da

das Jugendamt und das Gericht diese Maßnahme weiterhin für geeignet und dringend notwendig

erachteten, wurde seiner Mutter das Erziehungs- und Aufenthaltsbestimmungsrecht für Tim entzo-

gen, sodass nun erneut die geschlossene Unterbringung beantragt werden konnte. Dem Antrag

wurde stattgegeben und die Unterbringung für die Dauer von einem Jahr festgelegt. Da sich Tim

auch nach dem Vorgespräch mit dem/der Mitarbeiter/in der GITW weigerte, freiwillig mitzukom-

men, wurde er durch die Polizei der GITW zwangszugeführt. Bei seiner Ankunft in der GITW war

Tim 12 Jahre alt.

Entwicklung in der GITW: Als Tim in die GITW kam, schien es für ihn schwierig, sich in die Gruppe

zu integrieren und Kontakt zu den anderen Jungen aufzunehmen, da seine impulsiven Durchbrü-

che auch bei den anderen Bewohnern zu Ablehnung führten. Von Seiten der Betreuer/innen wurde

in dieser Zeit von intensiven Bemühungen um einen Beziehungsaufbau berichtet, der sich jedoch

zunächst ebenfalls schwierig gestaltete, insbesondere da Tim sich weiterhin sehr ablehnend ge-

genüber der Einrichtung und auch den Betreuer/innen verhielt.

Nach einer ersten Eingewöhnung schien die Maßnahme jedoch besser zu verlaufen: Tim habe ein

wenig Vertrauen in die Betreuer/innen und insbesondere in seine/n Bezugsbetreuer/in fassen kön-

nen und habe insgesamt weniger verschlossen gewirkt. Tim berichtet in dieser Zeit von ersten Er-

folgen, beispielsweise in der Schule, die schon deshalb zustande kämen, weil er sie vor der ge-

schlossenen Unterbringung einfach nicht besucht habe. Ihm gefalle die Schule in der GITW auch

„besser“ als seine frühere Schule. Weiterhin benennt er erfolgreiche Verhaltensänderungen, bei-

spielsweise dass er seine Mutter nicht mehr anschreie oder beleidige, keinen Alkohol mehr trinke,

allgemein ruhiger geworden sei und besser mit seiner Wut umgehen könne. Tims Beschreibungen

unterscheiden sich jedoch deutlich von denen seines/seiner Bezugsbetreuers/in: Er/Sie erzählt im

Interview, dass Tim Fortschritte bezüglich seiner schulischen Entwicklung mache, jedoch vermut-

lich lediglich aufgrund der Geschlossenheit der Einrichtung kaum die Möglichkeit habe, Alkohol zu

konsumieren (es also nicht unbedingt eine freiwillige Entscheidung sein müsse, keinen Alkohol

mehr zu konsumieren). In den anderen Bereichen würden jedoch kaum positive Entwicklungen

deutlich. Auch Tims weiterhin sehr ablehnende Haltung gegenüber der Einrichtung und den damit

verbundenen Personen erschwere die Arbeit mit ihm.

Nach vier Monaten kam es zu mehreren erzwungenen Time-Out-Maßnahmen aufgrund von Kon-

trollverlusten und Wutausbrüchen, die zwar immer nur kurz, jedoch sehr massiv gewesen seien.

Aufgrund seiner wiederholten massiven Übergriffe lag eine Selbst- und Fremdgefährdung vor, der

auch in der GITW nicht mehr begegnet werden konnte. Daher wurde Tim vorübergehend in der

Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht und von der GITW beurlaubt. Die Beurlaubung wurde

Page 28: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

25 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

mit einem Übergriff auf eine/n diensthabende/n Betreuer/in der GITW begründet. Tim schildert die

Situation im Interview folgendermaßen:

„Da bin ich halt ziemlich sauer gewesen und [ein/e Betreuer/in] wollte mich nicht rauslassen

und dann bin ich irgendwie total abgedreht. Dann hat [er/sie] mich noch in den roten Bereich

eingesperrt, da fühlte ich mich erst recht wie im ‚Knast‘ […]. Also konnte ich nicht raus. Da habe

ich meinen Stuhl genommen, habe den überall gegen gehauen bis ich so ein Stuhlbein hatte,

habe mich mit voller Kraft gegen die Tür geworfen…ging halt auf einmal auf, na und dann habe

ich bei […] [dem/der Betreuer/in] zugeschlagen, weil ich war halt so in Rage, ich habe das gar

nicht mehr ‚gepeilt‘, was ich überhaupt mache“.

Nach einer Woche kehrte Tim mit veränderter Medikation aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie

zurück. Zunächst schien sich nach Meinung des/der Bezugsbetreuer/in die psychische Verfassung

des Jungen leicht stabilisiert zu haben, auch seine aggressiven Übergriffe seien in dieser Zeit

deutlich seltener gewesen. Kurze Zeit später eskalierte eine Diskussion mit einem/r Betreuer/in je-

doch erneut, sodass es zu einer erneuten Aufnahme in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Kri-

senintervention kam. Aufgrund dieser Entwicklungen wurde nach Gesprächen mit Tim, seiner Mut-

ter, dem Jugendamt, den einrichtungsinternen Therapeut/innen und Lehrer/innen beschlossen,

dass der Bedarf von Tim in der GITW nicht gedeckt werden könnte und die Maßnahme nach fünf

Monaten vorzeitig beendet werden müsste. Dazu resümiert ein/e Betreuer/in: „Wir werden hier kein

Kind halten […], was hier nicht sein will“. Tim blieb zunächst in der Kinder- und Jugendpsychiatrie,

aber auch hier konnte keine weitere Perspektive entwickelt werden, sodass Tim zu seiner Mutter

zurückkehrte. Durch das Jugendamt wurde weiterhin versucht, Tim durch eine Erziehungsbei-

standschaft zu erreichen. Dies blieb jedoch ohne Erfolg.

II.3.4.2.4 FALLBEISPIEL ACHMET

Vorgeschichte: Achmet lebt mit seinen Eltern und seinen drei jüngeren Schwestern in einer mittel-

großen Stadt in Nordrhein-Westfalen. Seine Eltern stammen aus der Türkei und immigrierten be-

reits lange vor Achmets Geburt nach Deutschland. Auch sein Onkel kam vor einigen Jahren nach

Deutschland und lebt in der Nachbarschaft von Achmets Eltern.

Seit seinem neunten Lebensjahr beging Achmet Straftaten. Er stahl, beging räuberische Erpres-

sung und wurde im Bereich der Eigentumsdelikte aktenkundig. Zunächst beging er die Straftaten

gemeinsam mit seinem Onkel, nach einiger Zeit jedoch auch eigenständig. Die Anzeigen, die ge-

gen ihn erstattet wurden, führten zu keiner positiven Verhaltensänderung. Durch seine Eltern wur-

den ihm kaum Grenzen gesetzt. Des Rückhaltes durch seine Familie konnte er sich laut eigener

Aussagen jedoch immer sicher sein. Er gibt an, dass die Familie für ihn das Wichtigste sei und es

einen starken Zusammenhalt untereinander gebe, was insbesondere die Loyalität der Familienmit-

glieder untereinander beträfe. Achmet selbst beschreibt, dass er als einziger Sohn mehr Rechte

Page 29: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

26 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

und weniger Pflichten als seine Schwestern habe und stellte dies mit der Aussage, Zuhause sei er

„King of Currywurst“, heraus. Ihm fehle laut Aussage der/s Jugendamtsmitarbeiters/in eine konse-

quente Erziehung mit festen Strukturen und Regeln.

Zur Schule ging Achmet nur selten. Er erzählt, dass er keine Lust habe zur Schule zu gehen, weil

ihm diese zu langweilig sei. Es kam wiederholt zu weiteren größeren, aber auch kleineren Geset-

zesüberschreitungen. Beispielsweise fuhr er häufig ohne Fahrkarte mit öffentlichen Verkehrsmit-

teln, entwendete einen Roller, den er ohne Helm oder eine Fahrerlaubnis fuhr und wurde mehrfach

wegen Körperverletzung angezeigt. Für die zuständigen Mitarbeiter/innen des Jugendamtes kam

nach dem erfolglosen Einsatz ambulanter Hilfen eine geschlossene Unterbringung „ziemlich

schnell“ in Betracht, da es die starke Fixierung auf sein Zuhause offenen Einrichtungen kaum mög-

lich gemacht hätte, auf ihn einzuwirken. Achmet selbst habe dies durch seine wiederholten Aussa-

gen, er werde in keiner stationären Jugendhilfemaßnahme bleiben, bestätigt. Unter Androhung des

Sorgerechtsentzugs erklärten sich die Eltern bereit, den Antrag für eine geschlossene Unterbrin-

gung zu stellen. Achmet erzählt im Interview, dass er bei dem Gerichtstermin den Richter fragte,

was passieren würde, wenn er sich der geschlossenen Unterbringung entziehen würde. Daraufhin

habe der Richter zu ihm gesagt, dass seinen Eltern dann das Sorgerecht für ihn entzogen werden

würde. Achmet habe deshalb dem Beschluss zugestimmt, der für ein Jahr festgesetzt wurde.

Entwicklung in der GITW: Vor Achmets Einzug bekam er Zuhause Besuch von einem/einer Mitar-

beiter/in der GITW, bei dem er über die Einrichtung und die Regeln informiert wurde. Achmet be-

richtet, dass er daraufhin „einfach freiwillig mitgefahren“ sei. Er beschreibt, dass er eigentlich abso-

lut gegen die Maßnahme gewesen sei und aus dem Grund überlegt habe wegzulaufen. Ihm sei

dann jedoch bewusst geworden, dass Weglaufen „sowieso keinen Sinn“ mache und entschied sich

daraufhin freiwillig mitzukommen. Zunächst sei es ihm schwer gefallen, mit dieser ungewohnten

Situation umzugehen, da er seine Familie nicht mehr habe sehen können und nur kurz telefonisch

Bescheid geben durfte, dass er angekommen sei.

Die Anfangszeit in der GITW sei für ihn „nicht so gut“ gewesen, da er seine Familie vermisse und

er das Gefühl gehabt habe, dass er „hier nicht hingehöre“. Dies sei der Grund gewesen, warum er

seine Emotionen („innerlich war ich richtig sauer“) in der Anfangszeit nicht offen zeigen wollte. Je-

doch konnte Achmet sich nach einiger Zeit eingewöhnen und Kontakt zu seinen Betreuer/innen

und Mitbewohnern aufbauen. Dies jedoch auch anscheinend immer mit dem sicheren Wissen,

dass seine Zeit in der GITW begrenzt sei und er nach seinem dortigen Aufenthalt zu seiner Familie

zurückkehren werde („also ich vertraue auch darauf, das ich ein Jahr hier bin“). Es gehe daher für

ihn in erster Linie darum, seine Zeit in der GITW mit möglichst vielen Vergünstigungen erfolgreich

abzusitzen.

Seine generellen Aufgaben und Ziele während seines Aufenthalts in der GITW seien vor allem ei-

ne Verhaltensänderung bzw. –verbesserung und die Einhaltung von Regeln und Gesetzen gewe-

Page 30: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

27 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

sen. Von diesen Aufgaben habe er seiner Meinung nach schon einiges umsetzen können. Achmet

begründet dies mit der Aussage, dass er sich zur Zeit des Interviews in der fünften Stufe befände

und auch freundlicher mit Mitmenschen umgehe. Er erzählt jedoch auch, dass er von den Aufga-

ben, die er für das Erreichen der fünften Stufe erfüllen sollte, kaum etwas wirklich erreicht habe. Er

berichtet, dass er sich jeweils genau überlege, was er tun müsse, um die nächste Stufe zu errei-

chen bzw. wann er aufpassen müsse, um nicht wieder runtergestuft zu werden. Erst nach circa

sieben Monaten (also kurz vor dem Interview) soll eine kleine Wendung eingetreten sein, denn er

erzählt an einer Stelle: „Jetzt langsam fängt das so richtig [mit der] Zusammenarbeit an“. Allerdings

blieben die Betreuer/innen skeptisch, ob es sich bei den Erfolgen von Achmet um eine wirkliche

Einstellungsänderung oder lediglich um eine oberflächliche Anpassungsleistung an das System

der GITW gehandelt habe.

Schulisch gesehen gab es für Achmet einige Fortschritte, da er in dieser Zeit in der GITW seinen

Hauptschulabschluss erreichen konnte und nun versuche, die Realschule erfolgreich abzuschlie-

ßen. Außerdem kam es während seines einjährigen Aufenthaltes zu keiner Time-Out-Maßnahme

oder Entweichung, was Achmet mit der Aussage kommentiert, dass er sich von Anfang bis Ende

der geschlossenen Unterbringung „gut verhalten“ habe. Achmet resümierte, dass die Hilfe, die er

derzeit in der GITW bekomme, wichtig sei für seinen weiteren Lebensweg: „Damit ich nicht straffäl-

lig werde, nicht in den Knast muss oder so“. Nach Ablauf des Beschlusszeitraumes von einem

Jahr wurde Achmet aus der GITW entlassen und kehrte zu seiner Familie zurück.

II.3.4.2.5. ANALYSE DER FALLBEISPIELE

Mit den vier konstruierten Fallbeispielen lassen sich Verhaltenstendenzen und Situations- bezie-

hungsweise Verlaufsmerkmale aufzeigen, die tatsächlich in den erhobenen Fallverläufen der un-

tersuchten Gruppe auftraten. Im Fallbeispiel von Rafael zeigen sich Voraussetzungen, wie eine

hohe Eigenmotivation des Jungen, klare Zukunftsperspektiven im Hinblick auf das Wissen, dass

eine Rückführung in die Herkunftsfamilie nicht angestrebt wird sowie klar strukturierte Übergänge

in Bezug auf den Ein- und Auszug in und aus der GITW, auf. Die Zeit in der GITW war geprägt von

einem gelungenen Beziehungsaufbau zwischen dem Jungen und den Betreuer/innen sowie einer

weiterhin hohen Eigenmotivation des Jungen sowohl in schulischer Hinsicht als auch in Bezug auf

eine allgemeine Verhaltensänderung. Im zweiten Fallbeispiel von Nils stellte sich der Betreuungs-

verlauf als insgesamt durchwachsen und schwierig dar, obwohl auch hier erste Erfolge sichtbar

wurden. Jedoch scheinen die Voraussetzungen für die Maßnahme sehr schwierig, da die Zu-

kunftsperspektive und die Übergänge vor und nach der GITW für den Jungen extrem unsicher und

wenig stabil waren. So sei die nachhaltige Verbesserung des Verhaltens und beispielsweise der

schulischen Situation des Jungen laut Bezugsbetreuer/innen von äußeren Faktoren wie der (not-

wendigen) Unterstützung durch die Familie abhängig. Im Fallbeispiel Tim wird hingegen deutlich,

Page 31: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

28 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

dass es auf Seiten der Jungen zumindest einer geringen Akzeptanz der Maßnahme bedarf, um ei-

ne erfolgreiche Arbeit in der Einrichtung zu ermöglichen. Die gänzliche Ablehnung der Einrichtung

durch Tim verhindert den Beziehungsaufbau zu den Betreuer/innen und verhindert damit auch die

Arbeit in der Einrichtung fast vollständig. Die Fallgeschichte von Tim verdeutlicht daher die Gren-

zen von geschlossenen Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe, die zwar als ‚ultima ratio‘ ange-

sehen werden und doch nicht bei allen Kindern und Jugendlichen greifen können. Insbesondere im

Hinblick auf seine frühe und gravierende Traumatisierung bleibt fraglich, ob die geschlossene Un-

terbringung nicht eine weitere traumatische Erfahrung in seinem Leben darstellte. Im vierten Fall-

beispiel von Achmet lässt sich eine starke Anpassungsleistung sowie eine fragwürdige Motivation

des Jungen erkennen. Diese sind in einem engen Zusammenhang mit der von Anfang an geplan-

ten Rückführung in die Herkunftsfamilie zu verstehen. Die Unterbringung in der geschlossenen

Einrichtung dient hier lediglich einer kurzfristigen Unterbrechung gefährdender Verhaltensweisen,

nicht aber der Entwicklung von neuen Perspektiven. Die Interventionsmöglichkeiten der Einrich-

tung erscheinen hier deutlich eingeschränkter und der nachhaltige Nutzen der Maßnahme bleibt

offen.

Zusammenfassend lassen sich aus den exemplarischen Fallverläufen der Jungen folgende

Schlussfolgerungen ableiten:

Die Vorgeschichten der Jungen und damit auch die Gründe für eine geschlossene Unter-

bringung sind äußerst divers. Aus diesem Grund lassen sich kaum generalisierbare Aussa-

gen treffen und die einzelfallbezogene fachliche Entscheidung erhält ein besonderes Ge-

wicht.

Für den Erfolg der Betreuung scheint zumindest eine geringe Akzeptanz der Maßnahme

durch die Jungen vorliegen zu müssen. Umso mehr Eigenmotivation vorliegt, desto stärker

scheinen die Jungen von der Maßnahme profitieren zu können.

Der Aufbau einer Beziehung zwischen den Jungen und den Betreuer/innen scheint das

zentrale Moment eines gelingenden Verlaufs darzustellen.

Klar und frühzeitig strukturierte Übergänge von der GITW in andere Maßnahmen der Kin-

der- und Jugendhilfe scheinen insbesondere für einen nachhaltigen Erfolg der Maßnahme

relevant zu sein. Hingegen scheint eine lediglich kurze Unterbrechung von problematischen

Verhaltensweisen durch die geschlossene Unterbringung eher fragwürdig im Hinblick auf

längerfristige Erfolge.

Kurze Beschlüsse scheinen eine kurzfristige Anpassung an die Bedingungen der Einrich-

tung – insbesondere an den Stufenplan – zu unterstützen (Durchhaltetaktik). Hier entsteht

ein besonderes Dilemma, da einerseits freiheitsentziehende Maßnahmen einen besonde-

ren Eingriff in die Rechte der jungen Menschen darstellen und folglich möglichst kurz sein

sollten, andererseits kurze bzw. mehrere kurze Beschlüsse in Folge die pädagogische Ar-

beit erschweren.

Page 32: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

29 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Auch wenn die hier skizzierten Fallbeispiele erste Hinweise auf die Rahmenbedingungen einer ge-

lingenden Hilfe in einer geschlossenen Jugendhilfemaßnahme geben, sei darauf hingewiesen,

dass aufgrund des Forschungsdesigns noch keine Aussagen zur Nachhaltigkeit dieser Effekte

gemacht werden können. Um dieses Forschungsdesiderat zu schließen, bedarf es längerfristiger

Forschungen zum weiteren Lebensweg ehemals geschlossen untergebrachter Menschen.

II.3.4.3 FALLÜBERGREIFENDE PERSPEKTIVE

In der fallübergreifenden Perspektive erfolgt eine zusammenfassende Betrachtung ausgewählter

Aspekte zur Betreuung in der GITW und konzeptioneller Elemente insbesondere durch die Jungen

selbst, sowie ergänzend durch die Perspektiven der Betreuer/innen und Mitarbeiter/innen des zu-

ständigen Jugendamtes.

Sicht auf Gründe der geschlossenen Unterbringung: Befragt nach den Gründen für die Unterbrin-

gung in der geschlossenen Einrichtung berichteten alle Jungen von zurückliegendem delinquenten

Verhalten, beispielsweise Alkohol- und Drogenkonsum, Gewalt, z.T. mehrfachen Eigentumsdelik-

ten oder anderen strafrechtlich relevanten Handlungsweisen (Fahren ohne Führerschein, Beförde-

rungserschleichung etc.). Auch auffälliges Verhalten im schulischen Umfeld (Konflikte mit Mitschü-

ler/innen etc.) und Schulabsentismus spielten eine zentrale Rolle, wobei diese Problematik dann

auch einherging mit dem Fehlen einer geregelten Tagesstruktur oder familiären Belastungslagen.

Neun der hier erfassten zwölf Jungen berichteten über z. T. umfassende Erfahrungen mit Einrich-

tungen der Kinder- und Jugendhilfe und/oder Unterbringungen in psychiatrischen Kliniken oder Ab-

teilungen (ein Junge blickte nach eigenen Angaben auf etwa dreißig von ihm besuchte Einrichtun-

gen zurück). Die Entwicklung bis zur Einweisung in die geschlossene Einrichtung wurde häufig als

eine Art ‚Aufschaukelungsprozess‘ aufgefasst, d.h. die Situation wurde als sich sukzessive ver-

schlechternd beschrieben. In diesem Zusammenhang war die geschlossene Unterbringung dann

der vorläufige Endpunkt einer sich negativ verhärtenden Entwicklung. Insbesondere im Hinblick auf

die Maßnahmegeschichte der Jungen zeichnete sich dieser Prozess ab. In der Zusammenschau

zeigte sich, dass – wie in den Telefoninterviews mit den Fachkräften der Jugendämter – auch in

der Wahrnehmung der Jungen selbst stets eine Reihe verschiedener Faktoren für die Unterbrin-

gung in der GITW verantwortlich gemacht wurde, die sich zwischen dem individuellen Verhalten

der Jungen und vorliegenden Belastungslagen aufspannten. Vornehmlich wurden jedoch die Per-

son des Jungen selbst bzw. die durch ihn verursachten Schwierigkeiten als ursächlich erfasst, was

auf eine Individualisierung der Problemzusammenhänge durch die Jungen hindeutet.

Geschlossenheit aus der Sicht der Jungen: Der geschlossene Charakter der Einrichtung war in

den Schilderungen der Jungen und der Auseinandersetzung mit der eigenen Situation überaus

präsent. Insbesondere in der ersten Zeit würden die räumliche Begrenzung und die damit einher-

gehenden eingeschränkten sozialen Kontakte als ungewohnt und belastend empfunden (acht Jun-

Page 33: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

30 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

gen). Die Ankunft in der Wohngruppe wurde von den Jungen beispielsweise. als „komisch“, die

Durchsuchung bei der Ankunft als „voll heftig“ und die Geschlossenheit als „ungewohnt“ sowie die

Anfangszeit allgemeinhin überwiegend als „scheiße“ empfunden. Belastend konnten auch die an-

deren Jungen sein (Provokationen) bzw. die „unbekannten Leute“. Andererseits wurden ebenso

schnell Freundschaften mit anderen Jungen geschlossen, was sich scheinbar auch positiv auf die

Eingewöhnung auswirkte. Heimweh und die Sehnsucht nach geliebten Menschen (Freund/innen,

Familie) spielten beim überwiegenden Teil der hier befragten Jungen vor allem zu Beginn der Un-

terbringung eine wesentliche Rolle. Allerdings lassen sich in einigen Fällen Hinweise darauf finden,

dass die Geschlossenheit zugleich auch als Schutzraum wahrgenommen wurde. Viele Jungen

machten sich zudem am Ende ihrer Unterbringung große Sorgen, ob sie die positiven Entwicklun-

gen außerhalb der GITW erhalten und fortsetzen könnten.

Bewertung des Stufenplans: Die Bewertung des Stufenplans aus Sicht der Jungen fiel zunächst

eher verhalten aus: Die Beschreibungen reichten hier von „gut“ über „geht so“ bis hin zu „blöde“,

„ziemlich dumm“ und „scheiße“ oder sogar „lustig“, da die Zusammenstellung der zu erreichenden

Ziele sowie der dadurch zu erlangenden Privilegien einfallsreich sei. Kritik an den individuellen Stu-

fenplänen und Regeln richtete sich vornehmlich auf die je gewährten Ausgangsprivilegien, welche

in der Einschätzung der Jungen im Vordergrund standen. In den Schilderungen der Jungen wurde

darüber hinausgehend deutlich, dass auch ein Abgleich der eigenen Anforderungssituation mit der

der Mitbewohner vorgenommen wurde: „Und das ist unfair. Bei manchen Leuten steht drauf: ‚glei-

che Socken anziehen‘. Und bei mir steht drauf: ‚Nein akzeptieren‘. […] Da denkt man sich wahr-

scheinlich: ‚Hätte ich mal am Anfang meine Socken verkehrt herum angezogen‘. [lacht]“.

Beschwerdemöglichkeiten und Mitsprache der Jungen: Als direkte Ansprechpersonen bei alltägli-

chen Belangen wurden in den Schilderungen der Jungen zumeist die Betreuer/innen und beson-

ders die eigenen Bezugsbetreuer/innen benannt. Konkrete Anliegen könnten in Form eines An-

trags formuliert werden und dieser würde schließlich im Kreis der Betreuer/innen thematisiert. Be-

schwerden richteten die Befragten schließlich auch an das psychologische Personal oder die Lei-

tungsebene. Die Wahl eines Gruppensprechers ermögliche es überdies, sich bei etwaigen Anlie-

gen auch an einen so spezifizierten Bewohner zu wenden. Eher Uneinigkeit schien in diesem Zu-

sammenhang jedoch im Hinblick auf die Erfolgsaussichten möglicher Beschwerden zu herrschen.

Möglichkeiten der Mitbestimmung sahen die Jungen insbesondere mit Blick auf die regelmäßig

stattfindenden Gruppen- und Freizeitaktivitäten. Hierüber wurde meist innerhalb der Gruppe abge-

stimmt. Die Einigung unter den Bewohnern war allerdings die Voraussetzung, ansonsten fände,

den Schilderungen eines Jungen zufolge, keine gemeinsame Aktivität statt. Als weitere Beispiele

für Beteiligungsmöglichkeiten wurden die Bereiche Hygiene, Küchendienst, Kochen, Tagesstruk-

tur, Ausnahmen im Regelsystem und vor allem auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Zimmer im

gelben Bereich genannt. Sieben von zwölf der befragten Jungen gaben an, eine/n Verfahrenspfle-

ger/in zu haben. Die Kontakte zur/ zum Verfahrenspfleger/in wurden überwiegend in positiver Art

und Weise beschrieben. Zu den Hilfeplangesprächen wurden von den Jungen überaus heterogene

Page 34: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

31 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Eindrücke geschildert. Das Spektrum reicht von der Wahrnehmung der Möglichkeit, die eigene

Perspektive einzubringen bis zur Erfahrung mangelnder Beteiligung.

Rückzug und Ruhe: Befragt nach etwaigen Strategien der Jungen, wenn der Wunsch nach Ruhe

innerhalb der Einrichtung aufkomme, benannten die Befragten nahezu einhellig den Rückzug ins

eigene Zimmer: „Ich schließe dann das Zimmer ab, schmeiß mich auf ein Bett, nehme mir ein

Buch und lese“. Nur die Betreuer/innen hätten nach Angabe der Jungen die Möglichkeit, das Zim-

mer von außen aufzuschließen. Hiervon würden sie jedoch in der Regel kaum Gebrauch machen.

Vor einem etwaigen Eintritt ins Zimmer würden die Betreuer/innen in der Regel anklopfen.

Zentrale Aspekte der Arbeit mit den Jungen: In der konkreten pädagogischen Arbeit mit den Jun-

gen standen die Aufarbeitung familiärer Probleme (im Rahmen von Elternarbeit) sowie die Verhal-

tensregulierung regelmäßig im Fokus. Nach Angabe der befragten Betreuer/innen in der GITW

ging es insbesondere um eine schrittweise Verhaltensüberprüfung, die Anregung zu Veränderung

und die mitunter als notwendig erachtete Begrenzung. Darüber hinaus sollten den Jungen anhand

der Stufenpläne konkrete Kontrollmechanismen vermittelt werden, um so eine verbesserte Selbst-

kontrolle und -steuerung zu ermöglichen. In der alltäglichen Arbeit ginge es zuvorderst um die Er-

möglichung eines Verhaltenstrainings und das Schaffen von Erfolgserlebnissen für die Jungen.

Nach den befragten Jugendamtsmitarbeiter/innen bezogen sich übergeordnete Ziele und Perspek-

tiven insbesondere auf die Erlangung eines Schulabschlusses, den erfolgreichen Abschluss einer

Berufsausbildung und die allgemeine Distanzierung von „negativen familiären Beispielen“. Mitunter

wurde auch eine langfristig angelegte therapeutische Hilfe als stabilisierend und zielführend erach-

tet. Besonders präsent in den Befragungen der Betreuer/innen war der insgesamt wertschätzende

Umgang in der Arbeit mit den geschlossen untergebrachten Jungen. Auch in schwierigen Situatio-

nen sei eine wertschätzende und empathische Haltung wichtig, um ein Verstehen erst zu ermögli-

chen und damit letztlich deeskalierend wirken zu können. Als wichtige pädagogische Grundlagen

für eine positive Entwicklung der Jungen wurden verlässliche Beziehungen, Wohlwollen, Empathie

und Verständnis sowie das Gefühl von Sicherheit, die Erfahrung von Halt, das Erleben deutlicher

Grenzen und positive Kritik benannt. Die befragten Betreuer/innen in der GITW beurteilten die ge-

schlossene Maßnahme im Rückblick überwiegend als die für den jeweiligen Jungen richtige und

passende Interventionsform, sodass die Bewertung der Maßnahme sogar teilweise „sehr positiv“

ausfiel: Von Belang seien in diesem Zusammenhang etwa schulische Erfolge (Hauptschulab-

schluss) und die Erfahrung verlässlicher Beziehungen gewesen, Pflege und Aufbau von familiären

Kontakten, die Förderung von Empathie und respektvollem Verhalten oder die Verbesserung der

Konfliktfähigkeit, Verhaltenskontrolle oder Anpassungsfähigkeit.

Abbruch der Maßnahme: Einige Beispiele zeigen auch, dass die Maßnahme nicht für alle dort un-

tergebrachten Jungen geeignet war, da ihr pädagogischer Bedarf von den Mitarbeiter/innen der

GITW nicht habe gedeckt werden können oder das Konzept nicht gegriffen habe. Wenn das Kon-

zept nicht greife, würde die Maßnahme auch beendet: „Wir werden hier kein Kind halten […], was

Page 35: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

32 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

hier nicht sein will“. Ein/e Jugendamtsmitarbeiter/in benennt aber auch deutlich die Problematik

des Abbruchs der Maßnahme: „Wenn die geschlossene Unterbringung das letzte Mittel ist […], ist

das schon bitter, dass das auch beendet werden muss“.

Erfolge und positive Entwicklungen: Bei der Frage nach den von den Jungen wahrgenommenen

Erfolgen in der Maßnahme ist besonders auf das Phänomen der adaptiven Präferenzen hinzuwei-

sen, das die Reichweite der Aussagen begrenzen könnte. Trotzdem ist erstaunlich, dass sich hin-

sichtlich des zu beurteilenden bzw. zu prognostizierenden Erfolges der Maßnahme fast alle Jun-

gen in positiver Art und Weise äußerten. Festmachen ließ sich dies insbesondere an der von ihnen

wahrgenommenen persönlichen Entwicklung seit Maßnahmebeginn: Zwei Jungen hätten dabei be-

reits nach relativ kurzer Zeit Verhaltensänderungen festgestellt. Im Fokus stand wiederum die

Selbstkontrolle, d.h. der Umgang mit Wut, Aggressionen und Provokationen, der Verzicht auf Ei-

gentumsdelinquenz oder Entweichungen und ein insgesamt überlegteres Handeln (je ein Junge)

sowie die Einschränkung des Alkohol- und Drogenkonsums. Einige der Befragten waren der An-

sicht, dass sich der allgemeine Umgang mit Anderen verbessert habe (Respekt, Freundlichkeit

etc.) und auch familiäre Kontakte geklärt und verbessert hätten. Ein Junge stellte rückblickend

heraus, dass die GITW ihm dabei geholfen habe „so überhaupt hier irgendwas wieder auf die Rei-

he zu kriegen“. Einige Mitarbeiter/innen des Jugendamts äußerten sich, befragt nach dem Nutzen

der Unterbringungsmaßnahme für die Jungen sowie nach der Bedeutung für die intendierte positi-

ve Entwicklung, sogar sehr zuversichtlich. In anderen Fällen fielen die Äußerungen dagegen über-

aus skeptisch aus, hinsichtlich eines möglichen Zugewinns für den betreffenden Jungen. Die von

Seiten des Jugendamtes benannten positiven Erfahrungen für die Jungen bezogen sich beispiels-

weise auf das Erleben schulischer Erfolge oder das Entdecken von Stärken im musischen oder

sportlichen Bereich. Weitere benannte positive Aspekte waren die positiven männlichen Rollenvor-

bilder in der GITW, die Möglichkeit, über Gefühle oder spezifische persönliche Belange zu spre-

chen sowie Zugewinne in den Bereichen Selbstreflexion, Impulssteuerung und Perspektiventwick-

lung. Auch die Erfahrung der Jungen, dass sich innerhalb der GITW Menschen um sie bemüht hät-

ten, wurde als positiver Aspekt benannt. Die Betreuungsarbeit wurde allgemeinhin als „sehr posi-

tiv“ und intensiv gewertet. Weiter gibt es vorsichtige Hinweise, dass die abschreckende Wirkung

der freiheitsentziehenden Maßnahme und somit der Freiheitsentzug und die Begrenzung möglich-

erweise als eine Art negative Motivation dienten, die mit einer offene Maßnahme nicht zu erreichen

gewesen wäre.

Schönes und Schlimmes: Befragt nach bisherigen schönen Erlebnissen in der GITW, nahmen die

befragten Jungen beispielsweise Bezug auf die regelmäßig stattfindenden Gruppenaktivitäten,

Ausflüge sowie sportlichen Ereignisse innerhalb der Einrichtung (Fußballturnier, Segeltour, Nord-

seeausflug, Kart fahren etc.). Auch das gemeinsame Feiern und Tanzen an Weihnachten und Sil-

vester ist ein Beispiel für positive Erinnerungen. Schöne Erlebnisse verbanden die Jungen insbe-

sondere mit dem ersten Ausgang ohne Begleitung sowie Heimfahrten oder Besuchen der Mutter.

Ein Junge beschrieb die erlebte Wertschätzung durch die Betreuer/innen und deren Einsatz als

Page 36: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

33 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

schöne Erfahrung. Der Kontakt zu den jeweiligen Bezugsbetreuer/innen wurde von den Jungen

durchweg als positiv beschrieben. Hervorgehoben wurden beispielsweise das vertrauensvolle Ver-

hältnis zu ihnen sowie die Ansprechbarkeit bei Anliegen oder Problemen. Gegenseitiges Verste-

hen und das Gefühl, als Akteur ernst genommen zu werden, erschienen hier als bedeutende Stell-

variablen einer von den Jungen insgesamt als wertvoll und haltgebend beschriebenen pädagogi-

schen Beziehung. Die überwiegende Zahl der befragten Jungen äußerte sich in positiver Art und

Weise über das Schulangebot in der GITW. Insbesondere im Vergleich zu früher konnten die Jun-

gen mitunter drastische Verbesserungen ihrer schulischen Situation feststellen.

Für viele der befragten Jungen sei es dagegen ein unschöner Moment oder sogar Schock gewe-

sen, als sie von der geplanten Unterbringung in der geschlossenen Einrichtung erfuhren. Die An-

fangszeit in der Einrichtung wurde folglich auch eher als negativ erlebt, besonders die Geschlos-

senheit sowie das Fehlen von Ausgängen und Kontakten nach Hause. Auf die Frage hin, was er

innerhalb der Einrichtung am meisten vermisse, antwortete ein Junge: „offene Räume“. Ein ande-

rer fühle sich „wie ein Tier im Käfig“ und beschrieb die Konfrontation mit der Mauer und die fehlen-

de Bewegungsfreiheit – ähnlich wie auch ein weiterer Junge – als schlimme Erfahrung. Schlimme

Erlebnisse seien für einen Jungen aber auch das Beobachten und Miterleben von akuten Krisen in

der Wohngruppe, Gewalt oder sogenannte Ausraster der Jungen, die unter Umständen zum Ein-

sperren in den Time-Out Raum führten. Zwangsmaßnahmen wie die Time-Out Maßnahme werden

beispielsweise als „voll dumm“, „scheiße“ oder „langweilig“ beschrieben und Beobachtungen zufol-

ge eher als eskalierend mit Blick auf Konflikte empfunden.

Belastung durch die öffentliche und mediale Debatte: Die Hälfte der hier erfassten zwölf Jungen

verfolgte die öffentliche und mediale Debatte über die GITW zumindest in Teilen. Es scheint, als

sei die Öffentlichkeit den Jungen insbesondere in der Aufbauphase der Einrichtung sehr präsent

gewesen und dies meist in sehr negativer und belastender Art. Bestimmte Vorurteile aus der Be-

völkerung wurden beispielsweise durch Gleichaltrige aus dem Ort an die Jungen herangetragen:

„Die Leute, die draußen sind, denken immer... so das ist hier so eine richtige Klapse“. Etwaige Zei-

tungsartikel o.ä. sind den Jungen ihrer Angabe nach auch durch die Betreuer/innen zugänglich

gemacht worden. Als wirkmächtiges Label fungierte scheinbar die Bezeichnung „Kinderknast“.

Dieses im medialen Diskurs oftmals verwandte griffige Label wurde von den Jungen jedoch eher

als ungerechtfertigter Vergleich aufgefasst. Nicht zuletzt die medial gezeichneten Bilder der Jun-

gen selbst („Hochkriminelle“, „die Schlimmsten“) wurden von den geschlossen Untergebrachten

durchaus wahrgenommen und teilweise empört zurückgewiesen. Ein Junge stellte dagegen, dass

sie als Betroffene doch nicht nur Probleme machten, sondern im Rahmen der Unterbringung auch

nachweislich mitarbeiten und ihre Ziele erreichen würden. Deutlich wurde überdies, dass die Jun-

gen vor allem ihre Privatsphäre geschützt wissen wollten und sich von Presserummel und etwai-

gen Stigmatisierungen mitunter drastisch abgrenzten: „Wir sind keine Zootiere, die man zur Schau

stellt“.

Page 37: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

34 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Zukunftsperspektiven der Jungen: Zitate wie „Ich möchte ein normales Leben führen“ oder „Ich will

eigentlich nur ein stinknormales Leben“ verweisen auf den Wunsch der Jungen nach Normalität,

Integration und Anerkennung. Befragt nach den Hoffnungen der Jungen für die spätere Lebensge-

staltung und die anvisierten Zukunftsperspektiven orientierten sich diese zumeist an einem als

bürgerlich zu bezeichnenden Modell der Lebensführung: Im Mittelpunkt standen Ausbildung und

Arbeit, die eigene Wohnung und die eigene Familie. Einige Jungen hofften die GITW mit erreichten

Schulabschlüssen und/ oder der Perspektive eines späteren Regelschulbesuchs zu verlassen.

Demgegenüber stehen beispielsweise Einschätzungen der befragten Jugendamtsmitarbei-

ter/innen, die einige der Jungen nach wie vor als sehr gefährdet betrachten. Die Befürchtungen

richten sich beispielsweise auf einen fortwährenden Unterstützungsbedarf (um sich in der Gesell-

schaft zurechtzufinden), fehlende Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie geringe Frustrationstole-

ranz und damit einhergehende Gefahren, (weitere) Körperverletzungen zu begehen. Es steht zu

befürchten, dass einige der Jungen immer „ein Stückchen am Rande der Gesellschaft stehen“

würden und sich damit die Hoffnung der Jungen auf ein normales Leben nicht erfüllen würden.

Das Problem der Anschlussmaßnahme: Die Problematik einer „nahtlose[n] Anschlussmaßnahme“

und die so fast zwangsläufig entstehende „Lücke in der Betreuungsdichte“ wurde gehäuft geäu-

ßert. Es gebe keine passende Maßnahme für einen guten Übergang zwischen geschlossener und

offener stationärer Unterbringung. Als mögliche geeignete Anschlussmaßnahmen wurden von den

Betreuer/innen aus der GITW beispielsweise offene Einrichtungen mit z.T. intensivpädagogischem

Konzept, hohen praktischen Anteilen (z.B. Bauernhof) und einem hohen Personalschlüssel be-

nannt. Befragte Jugendamtsmitarbeiter/innen präferierten eine direkte Anschlussmaßnahme durch

den gleichen Träger, um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten. Zusammengenommen

scheint eine offene intensivpädagogische Betreuung mit hohem Betreuungsschlüssel und ähnli-

chen Konzepten (interne Beschulung, Kleingruppen, Bezugsbetreuersystem, wenig Außenreize)

für die meisten aus der GITW entlassenen Jungen fachlich angemessen.

Page 38: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

35 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

II.3.5 ABSCHLIEßENDE GESAMTEINSCHÄTZUNG DER GITW

Voraussetzung für das Erreichen von Verhaltensänderungen durch die freiheitsentziehende Maß-

nahme ist, dass das Freiheitsbedürfnis z.B. im Gegensatz zum Sicherheits- und Schutzbedürfnis

der Jungen vorhanden bzw. besonders groß ist. Daraus ließe sich als erste vorsichtige These ab-

leiten, dass, wenn Kinder stark traumatisiert oder durch lange Maßnahmekarrieren hospitalisiert

wurden, andere Bedürfnisse wie beispielsweise das Schutzbedürfnis im Vordergrund stehen könn-

ten. Nur wenn der eigenen Freiheit ein großer Wert beigemessen wird, kann Freiheitsentzug ein

vorübergehender Motivator sein, um (1) Verhaltensänderungen (bspw. über Stufenpläne und Privi-

legiensysteme) anzuregen und somit (2) ein Vehikel schaffen, um Zugänglichkeit für (sozi-

al)pädagogisches Einwirken zu erreichen. Wenn dieser Zugang für den Aufbau einer pädagogi-

schen Beziehung (die durch Empathie, Wertschätzung und positive Verstärkung geprägt ist) ge-

nutzt wird und gelingt, kann – zumindest für den Zeitraum der Unterbringung – eine Basis für posi-

tive Entwicklungen der Jungen geschaffen werden, so die vorsichtige Einschätzung der Befunde.

Ob diese positiven Entwicklungen nachhaltig sind, also auch nach Beenden der Maßnahme fortge-

führt werden können oder es sich in erster Linie um eine kurzfristige Anpassungsleistung an die

Einrichtung handelt, konnte im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht geklärt werden. Deutlich

wird jedenfalls, dass hinter der Zielgruppe sogenannter „hochdelinquenter Kinder“ junge Menschen

stehen, die sich Normalität, Anerkennung und Erfolg wünschen, was ihnen aber aus unterschied-

lichsten Gründen erschwert wird. Oft haben sie den Rahmen anderer Maßnahmen und Einrichtun-

gen der Jugendhilfelandschaft oder anderer Unterstützungssysteme gesprengt, pendelten im

Überschneidungsbereich von Justiz, Psychiatrie und Jugendhilfe hin und her und waren durch her-

kömmliche Angebote nicht oder nicht mehr zu erreichen. Die familialen und gesellschaftlichen

Rahmenbedingungen (auch die Struktur der Kinder- und Jugendhilfe) scheinen hier eine große

Rolle zu spielen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch auf die weitergehenden Stig-

matisierungsprozesse hinzuweisen, die für die jungen Menschen mit einer Unterbringung in einer

geschlossenen Einrichtung verbunden sind. So berichteten die Mitarbeiter/innen der Jugendämter

mehrfach von den Schwierigkeiten, eine geeignete Anschlussmaßnahme nach der GITW zu fin-

den. Dies sei insbesondere dadurch erschwert, dass Einrichtungen einer Aufnahme von ehemals

geschlossen untergebrachten jungen Menschen eher skeptisch gegenüber stünden. Diese Prob-

lematik werde insbesondere nach einem Abbruch der Betreuung in der GITW verstärkt. Die Frage

einer nahtlosen und im Einzelfall passenden Anschlussmaßnahme nach der GITW scheint hier ein

zentrales Moment darzustellen, an der sich auch die Nachhaltigkeit der Maßnahme entscheidet.

Insgesamt kann auf der Grundlage dieser Forschung für die Einrichtung festgestellt werden, dass

es in den meisten Fällen gelang, eine tragfähige Beziehung zu den jungen Menschen aufzubauen

und damit die gefährdende Entwicklung zumindest für eine Zeit lang zu unterbrechen. Ob dies

durch das Merkmal der Geschlossenheit erreicht wird oder ob es die Beziehung zu – auch in

schwierigen Situationen – verlässlichen Erwachsenen ist, bleibt offen.

Page 39: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

36 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

III AUSBLICK

Diskussionsbedarf: Es muss von fachlicher Seite immer wieder darauf hingewiesen werden, dass

es sich bei den besonders herausfordernden jungen Menschen vor allem um Kinder und Jugendli-

che aus (z.T. extrem) schwierigen Verhältnissen handelt. Infolge von erlebten Widersprüchen, Un-

zuverlässigkeiten, Überforderungen etc. bilden sie Strategien aus, die auch als Überlebensstrate-

gien zu interpretieren sind. Diese Strategien werden von der Öffentlichkeit zunehmend als auffällig

bzw. dissozial wahrgenommen und negativ bewertet (vgl. Schrapper 2001: 7). Die bewertende All-

tagsdeutung ist damit meist vorgezeichnet: Die Schwierigkeit wird allein den jungen Menschen in-

dividualisiert zugeschrieben. Die geschlossene Unterbringung von diesen besonders belasteten

(oder belastenden) Kindern und Jugendlichen mit ihren individuellen Schicksalen– und dies ist im-

mer wieder zu betonen – ist kein Sachzwang, sondern eine gesellschaftliche und insbesondere po-

litische Entscheidung. Bessere Personalschlüssel und qualifizierte Fachkräfte könnten es anderen

stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ermöglichen, junge Menschen auch in

mehrfach herausfordernden Situationen in der Maßnahme halten zu können. Trotzdem mag es ei-

ne kleine Anzahl junger Menschen geben, die äußerst herausfordernd ist und den Rahmen regulä-

rer Maßnahmen sprengt. Deshalb sollte zukünftig weiter über den Nutzen, aber auch die Nachteile

und Grenzen freiheitsentziehender Maßnahmen, sowie auch deren Alternativen diskutiert werden.

Darüber hinaus muss auch betont werden, dass es keine Besonderheit der ‚geschlossenen Unter-

bringung’ ist, die Freiheiten junger Menschen zu beschränken. Denn vielerorts beinhalten Interven-

tionen in der Kinder- und Jugendhilfe auch Handlungen, die gegen den Willen ihrer Adressat/innen

gerichtet sind. An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch ohne offizielle Ge-

schlossenheit in der öffentlichen Erziehung durchaus Zwang und Einschließung in verschiedenen

Formen zum Einsatz kommen, so beispielsweise im Fall von Time-out Räumen, die in der stationä-

ren Heimerziehung unter verschiedenen Bezeichnungen vorzufinden sind. Die Diskussion über

den Umgang mit besonders herausfordernden jungen Menschen greift also zu kurz, wenn sie sich

nur auf die ‚geschlossenen Unterbringungen‘ richtet.

Forschungsbedarf: Aus forscherischer und fachlicher Perspektive ist es äußerst bedenklich, dass,

trotz des großen finanziellen und pädagogischen Aufwands und der damit verbundenen hohen Er-

wartungen an den Erfolg freiheitsentziehender Maßnahmen, nach wie vor kaum follow-up Studien

existieren, die Auskunft über die (positiven und/ oder negativen) Effekte geben könnten. Dieser

Umstand ist umso bedenklicher, da es hier einerseits um einen massiven Eingriff in die Freiheits-

rechte junger Menschen und andererseits um den staatlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe

geht, alle Kinder und Jugendlichen in ihrer positiven Entwicklung zu unterstützen. Forschungen zur

geschlossenen Unterbringung finden oft in Form von kleinen, vereinzelten und unzureichend finan-

zierten Begleitstudien statt, deren Aussagekraft und Reichweite zwangsläufig begrenzt sind. Folg-

lich liegen bislang nur punktuell Daten vor, die Annahmen über den Zusammenhang der bisheri-

gen Lebens- und Maßnahmeverläufe der jungen Menschen mit dem Verlauf in und nach der frei-

Page 40: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

37 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

heitsentziehenden Maßnahme – und somit über die Passung der Maßnahme ‚geschlossene Un-

terbringung‘ – erlauben. Deshalb bleiben fachliche Begründungen für oder gegen freiheitsentzie-

hende Maßnahmen im Einzelfall divers und Entscheidungen fast schon willkürlich. Ganz allgemein

muss festgestellt werden, dass es bisher nicht nur wenig Forschung zu geschlossener Unterbrin-

gung an sich gibt, sondern auch insbesondere wenig Forschung zu den weiteren Fallverläufen. Die

Schwierigkeit der Beurteilung geschlossener Maßnahmen wird durch fehlende Vergleichsgruppen

zusätzlich erhöht. Aussagen über die Wirkung geschlossener Unterbringung können daher bei

Weitem nicht getroffen werden.

Weitere Forschungen: Die längerfristigen Effekte geschlossener Unterbringung am Beispiel der

GITW Lohne werden allerdings in einem weiteren anschließenden Forschungsprojekt untersucht.

Das Projekt „Modellprojekt mit Zukunft? Lebens- und Entwicklungsverläufe von Jugendlichen aus

der geschlossenen Unterbringung in Niedersachsen“ (MoriZ) (Förderprogramm

PRO*Niedersachsen, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur Referat 11 –

Forschungsförderung) hat am 01.10.2013 begonnen. Ziel des Projektes ist, einen weiteren Beitrag

zur fachlichen und empirisch begründeten Einschätzung freiheitsentziehender Maßnahmen in der

Kinder- und Jugendhilfe zu leisten. Anhand einer qualitativen Studie werden die Lebensverläufe

der ehemals in der GITW Lohne untergebrachten Jugendlichen über den Untersuchungszeitraum

von drei Jahren aus unterschiedlicher Perspektive auf potenziell erweiterte Autonomieräume aus-

gewertet. Es geht um die Entwicklung einer mehrdimensionalen, soziogenetischen Typik, die Auf-

schluss über den Zusammenhang der bisherigen Lebens- und Maßnahmeverläufe der Jungen mit

dem Verlauf in und nach der freiheitsentziehenden Maßnahme – und somit über die Passung der

Maßnahme ‚geschlossene Unterbringung‘ sowie in diesem Zusammenhang über ihre mögliche

fachliche Begründbarkeit geben kann.

Page 41: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

38 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

IV LITERATUR

Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth (2012): Leistungsbeschreibung der Geschlossenen Intensivthera-

peutischen Wohngruppe (GITW). Online unter: http://www.caritas-sozialwerk.de/70963.html

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Elster, Jon (1982): Sour Grapes: Utilitarianism and the Genesis of Wants. In: Sen, Amartya/ Wil-

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S. 219-238.

Hoops, Sabrina/ Permien, Hanna (2006): „Mildere Maßnahmen sind nicht möglich!“ – Freiheitsent-

ziehende Maßnahmen nach §1631b BGB in Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie. München: Deut-

sches Jugendinstitut. Online unter: http://www.dji.de/freiheitsentzug/forschung_0906_1_FM

_bericht.pdf [Stand 20.03.2015].

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chung der Einrichtungen der Haasenburg GmbH . Online unter: http://www.mbjs.branden-

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Lindenberg, Michael (2010): Geschlossene Unterbringung in der Kinder- und Jugendhilfe. Darstel-

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Handbuch Jugendkriminalität. Kriminologie und Sozialpädagogik im Dialog. Wiesbaden: VS Verlag

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Pankofer, Sabine (1997): Freiheit hinter Mauern. Mädchen in geschlossenen Heimen. Weinheim

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Permien, Hanna (2010): Erziehung zur Freiheit durch Freiheitsentzug? Zentrale Ergebnisse der

DJI-Studie „Effekte freiheitsentziehender Maßnahmen in der Jugendhilfe. Deutsches Jugendinsti-

tut: DJI. Verfügbar unter: http://www.dji.de/freiheitsentzug/forschung_0510_Permien_2010.pdf

[Stand 14.11.2013].

Permien, Hanna (2012): Geschlossene Unterbringung – Wieder im Kommen?. Fachvortrag zur

Geschlossenen Unterbringung auf der Fachtagung: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder-

und Jugendhilfe - Befunde und Forschungsperspektiven zu einem strittigen Modell am Beispiel der

GITW Lohne“ am 23.03.2012 an der Universität Vechta. Unter: http://www.uni-

vechta.de/fileadmin/user_upload/documents/ISBS/Soziale_Arbeit/Dokumente/Fachvortrag_Permie

n_23.03.2012.pdf [Stand 14.11.2013].

Schrapper, Christian (2001): „Was tun mit den „Schwierigen“? Erklärungs- und Handlungsansätze

der Kinder- und Jugendhilfe im Umgang mit „schwierigen“ Kindern und Jugendlichen, Schriftliche

Fassung des Festvortrags in Heidehaus vom 17.08.2001.

Steckmann, Ulrich (2010): Autonomie, Adaptivität und das Paternalismusproblem – Perspektiven

des Capability Approach. In: Otto, Hans-Uwe/ Ziegler, Holger (Hrsg.): Capabilities – Handlungsbe-

fähigung und Verwirklichungschancen in der Erziehungswissenschaft. 2. Auflage. Wiesbaden: VS

Verlag für Sozialwissenschaften, S. 90-115.

Trautmann, Thomas (2010): Interviews mit Kindern. Grundlagen, Techniken, Besonderheiten, Bei-

spiele. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Verfügbar unter: http://kola.opus.hbz-

nrw.de/frontdoor.php?source_opus=683&la=de [Stand 14.11.2013].

Page 42: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

39 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

von Wolffersdorff, Christian/ Sprau-Kuhlen, Vera (1990): Geschlossene Unterbringung in Heimen.

Kapitulation der Jugendhilfe? 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. München: DJI Verlag Deut-

sches Jugendinstitut.

Weiss, K. (1999): Einschließen. Erziehen. Strafen. In: Colla, Herbert/ Gabriel, Thomas/ Millham,

Spencer/ Müller-Teusler, Stefan/ Winkler, Michael (Hrsg.), Handbuch Heimerziehung und Pflege-

kinderwesen in Europa. München, S. 887-891.

Page 43: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

40 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

DANKSAGUNG

An facettenreichen Projekten, wie auch diesem, sind immer viele Menschen in sehr unterschiedli-

cher Weise beteiligt. Nicht alle werden als Herausgeber/innen eines Berichts sichtbar. Daher

möchte wir, das Projektteam, hier die Gelegenheit nutzen, allen zu danken, die mit ihrem Wissen

und Engagement zum Gelingen des Projekts beigetragen haben.

Im Besonderen geht unser Dank an die Studierenden, die das Projekt mit viel Engagement und

Ausdauer in vielfältiger Weise unterstützt haben und insbesondere bei der Erstellung dieses Be-

richts maßgeblich mitgewirkt haben. Dies sind im Einzelnen: Anna-Lina Anger, Leonie Graute,

Christine Paul, Andra Richter, Laura Rüther, Christina Sollmann, Imke Sundermann und Kathrin

Wessendorf.

Besonders hervorheben möchten wir hier Hanna Brockhaus, Franziska Dietrich, Gesa Ledebur

und Pia Monse, die dieses Projekt über lange Zeit mit viel persönlichem Einsatz begleitet haben.

Darüber hinaus geht unser Dank an alle Interviewpartner/innen und hier insbesondere an die Jun-

gen der GITW Lohne, denn ohne ihre Unterstützung hätten unsere Forschungsideen und -ansätze

nicht verwirklicht werden können!

Ihnen und Euch allen vielen Dank!

Das Projektteam:

Prof.‘in Dr. Nina Oelkers,

Nadine Feldhaus &

Annika Gaßmöller

Page 44: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

41 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

ANHANG

Page 45: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

42 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

ANHANGSVERZEICHNIS

1. Regeln in der GITW………...……………………………………………...…………………….43 2. Stufenplan der GITW……………………………………………………………………………..46

Page 46: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

43 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

1. REGELN IN DER GITW

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44 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

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45 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

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46 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

2. STUFENPLAN DER GITW

Page 50: „Geschlossene Unterbringung in der Kinder und Jugendhilfe“

47 Ergebnisse des Forschungsprojekts zur GITW Lohne

Autorinnenangaben: Dr. Nina Oelkers ist Professorin für Soziale Arbeit an der Universität Vechta.

Arbeitsschwerpunkte: Wohlfahrt und Wohlergehen, Punitivität und Devianzkontrolle, Transformati-

onsprozesse Sozialer Arbeit.

Kontakt: [email protected]

Dipl. Päd. Nadine Feldhaus ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Vechta.

Arbeitsschwerpunkte: Fragen der Legitimation (in) Sozialer Arbeit; sozialphilosophische, gerechtig-

keitstheoretische und ethische Perspektiven auf Soziale Arbeit und ihre Themenfelder; Normalität

und Abweichung als zentrales Konstrukt in der Sozialen Arbeit; Soziale Arbeit im Umgang mit De-

vianz, Delinquenz und Kriminalität; empirische Sozialforschung.

Kontakt: [email protected]

Dipl. Päd. Annika Gaßmöller ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Vechta.

Arbeitsschwerpunkte: Capabilitiesforschung, Abweichendes Verhalten im Kindes- und Jugendalter;

Heimerziehungsforschung; Soziale Arbeit in Zwangskontexten; Professionelle Haltung in sozialpä-

dagogischen Kontexten.

Kontakt: [email protected]