40
Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Gesundheitsökonomie I(Klinische Ökonomik)

Prof. Dr. Franz Porzsolt

Klinische Ökonomik

Universitätsklinikum Ulm

Page 2: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Klinische Ökonomik (Einführung)

Definition der Klinischen Ökonomik Unterschied zur Gesundheitsökonomie Bedarf an Klinischer Ökonomik Praktische Anwendung der Klinischen Ökonomik Zusammenfassung

Page 3: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Definition

Bewertung von Gesundheitsleistungen (GL) aus der Sicht des Patienten Quantifizierung der erreichbaren Ziele /

Konsequenzen (Vorstellung: GL verlängert/verbessert

Leben): EFFEKTIVITÄT der GL Benennung der tangiblen / intangiblen

Kosten, die aufgebracht werden müssen Abwägung von Kosten und Konsequenzen

(= Kosten-Effektivität): EFFIZIENZ der GL

Page 4: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Definition EFFEKTIVITÄT und EFFIZIENZ von GLs*

Unterschied Efficacy / Effectiveness Efficacy: Wirkung einer GL unter den kontrollierten

Bedingungen einer Studie Effectiveness: Wirksamkeit einer GL unter Alltags-

Bedingungen Unterschied zwischen Effectiveness [Wirksamkeit]

und Efficiency [ ökonomische Effizienz] und Value to Patients [Patienten-Nutzen]

Wirksamkeit [eindimensionl] kann aus er Sicht verschie-dener Perspektiven bewertet werden. Die Dimension ist abhängig vom verwendeten Messsystem

Effizienz und Patienten-Nutzen [beide zweidimensional weil Aufwand und Ertrag berücksichtigt werden]

Effizienz wird aus der Sicht der Ökonomie, Nutzen aus der Sicht des Patienten beurteilt. Nutzen wird in den Dimensio-nen der Lebenslänge und Lebensqualität gemessen * GLs: Gesundheitsleistungen

Page 5: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Perspectives of Clinical Practice (Patients’ perspectives)

Outputs Outcomes

Clinical Epi-demio-logy

Validity &Efficacy

Validity &Effective-ness

Health Eco-nomics  

Validity &Efficiency

Insurance, reimburse-ment, and payment

Philo-sophy, Ethics, and Psycho-logy

Value to patients (VTP)P

ersp

ecti

ves

of

Sci

enti

fic

Dis

cip

lines

A Concept to Generate Value To Patients (VTP)

© Franz Porzsolt Robert M. Kaplan

Page 6: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Perspectives of Clinical Practice (Patients’ perspectives)

Outputs Outcomes

Clinical Epi-demio-logy

Validity &Efficacy

Effects detected by laboratory tests or imaging procedures in clinical trials

Effects on quantity and/or quality of life demonstrated in clinical trials (referred to as “utility” if described in Quality-Adjusted Life Years [QALYs])

Validity &Effective-ness

Effects detected by laboratory tests or imaging procedures in daily clinical practice

Effects on quantity and/or quality of life demonstrated in daily clinical practice

Health Eco-nomics  

Validity &Efficiency

Ratio of monetary cost and conse-quences. Results of laboratory tests or imaging procedures, mostly assessed in clinical trials (“cost-effectiveness analysis”)

Ratio of monetary cost and consequences. Effects on quantity and/or quality of life, mostly assessed in clinical trials (“cost-utility analysis”)

Insurance, reimburse-ment, and payment

Insurance and reimbursements mostly cover only outputs. Patients have little or no interest in payment for only outputs. “Bridging principles” support the necessary decisions.

Insurance and reimbursements almost never covers outcomes. Patients have an interest in payment for outcomes, but are rarely willing to pay for health care services out of pocket.

Philo-sophy, Ethics, and Psycho-logy

Value to patients (VTP)

Ratio of intangible and tangible costs and consequences associ-ated with surrogate parameters for quantity and/or quality of life

Ratio of intangible and tangible costs and consequences associated with patients’ preferences/expectations about the quantity and/or quality of life

“Bridging principles” addressing the importance of a clear definition of the goal of health care services and providing the necessary rules when output data can replace missing outcomes data for valuation of health care services.

Per

spec

tive

s o

f S

cien

tifi

c D

isci

plin

es

A Concept to Generate Value To Patients (VTP)

© Franz Porzsolt, Robert M Kaplan

Page 7: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien Wissenschaftstheoretische Kriterien zur Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte

Bedarf Daten zu outcomes von Gesundheits-

leistungen liegen nur selten vor. Um den Ersatz von outcome Daten durch

output Daten nicht willkürlich vorzunehmen sondern transparent zu gestalten, ist die Definition von Kriterien sinnvoll

Diese Kriterien werden in den Brücken-prinzipen genannt (Hans Albert. Treatise on Critical Reason, Princeton University Press 1985)

Page 8: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien Wissenschaftstheoretische Kriterien zur Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte

Aussagen Es ist zu unterscheiden zwischen

explikativen und normativen Aussagen. Explikative Aussagen sind wahrheitsfähig,

normative nicht. Normative Aussagen dagegen sind gültig

oder nicht gültig. Aus explikativen Aussagen werden häufig

unzulässigerweise normative Aussagen abgeleitet.

Page 9: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien Wissenschaftstheoretische Kriterien zur Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte

Beispiel Durch körperliche Aktivität kann ein

erhöhter Blutzuckerwert bei diabetischer Stoffwechsellage gesenkt werden (explikative Aussage).

Daraus wird fälschlicherweise häufig abgeleitet, dass Diabetiker Sport treiben sollten (normative Aussage).

Diese Folgerung ist unzulässig, weil aus explikativen Aussagen keine normativen Aussagen abgleitet werden können.

Page 10: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien Wissenschaftstheoretische Kriterien zur Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte

Erklärung Um diese Aussage zu rechtfertigen, fehlt bisher

die Bennennung einer Zielsetzung. Wenn vorher festgelegt wurde, dass bei einem

Diabetiker erhöhte Blutzuckerwerte gesenkt werden sollen (um Spätfolgen des Diabetes zu vermeiden), wird die Ableitung der Handlungsan-weisung legitimiert.

In der Medizin ist der geschilderte Sachverhalt häufig zu beobachten. Aus explikativen Aussagen werden häufig Normen abgeleitet, die sinnvoll (Beispiel Sport bei Diabetes) oder wenig sinnvoll sein können (Beispiel CEA Bestimmung)

Page 11: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien Wissenschaftstheoretische Kriterien zur Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte

Beispiel CEA-Bestimmung CEA ist bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen

erhöht. Daraus wurde (früher[1]) die Norm abgleitet, CEA in verschiedene diagnostische Programme z.B. bei Erstdiagnose oder bei Verlaufskontrollen aufzunehmen, ohne vorher jedoch definiert zu haben, mit welchem Ziel die CEA-Bestimmung in jedem dieser Programme durchgeführt wurde.

[1] Aktuelle Beispiele für Entscheidungen, die als unzutreffend akzeptiert werden, sind kaum zu finden. Entscheidung, die als unzutreffend erkannt werden, sind nicht mehr aktuell und werden revidiert. Aktuell ist dann die revidierte Entscheidung.

Page 12: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien Wissenschaftstheoretische Kriterien zur Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte

Lösung des Problems Dieses häufig auftretende Problem, nämlich die

unzulässige Ableitung normativer Aussagen aus explikativen Aussagen, kann durch zwei Schritte vermieden werden.

Zum einen ist das Ziel zu definieren, welches durch die normative Aussage erreicht werden soll (Verlängerung oder Verbesserung des Lebens).

Zweitens ist das formulierte Ziel hinsichtlich seiner normativen Qualität zu beurteilen. Mit anderen Worten: kann durch die geplante Maßnahme das angestrebte Ziel tatsächlich erreicht werden?

Page 13: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien Wissenschaftstheoretische Kriterien zur Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte

Vier dieser Brückenprinzipien betreffen das Praktikabilitätsprinzip

(„Sollen“ impliziert „Können“), das Verknüpfungsprinzip (nur hinsichtlich ihrer

Implikationen erkannte und akzeptierte Normen sollen angewandt werden),

das Prinzip der komparativen Beurteilung (Normen und die durch sie ausgezeichneten Tatbestände sind im Lichte von Alternativen zu beurteilen) und

das Kongruenzpostulat (Normen sind zu kritisieren, wenn sie auf falschen Tatsachen beruhen).

Page 14: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Brückenprinzipien

Brücken-prinzipien

Tod HbA1C QOL*

Sollen - Können Zu teuer, zu lang Möglich Möglich

Kongruenz Ja Unsicher Ja

Verknüpfung Per definitionem Wird diskutiert Per definitionem

Komparative Beurteilung

Zu einseitig (Erblin-dung, Dialyse, Am-putation)

Unsicher (Häufige Kontrollen des BZ oder BMI besser?)

Akzeptiert

Können die angestrebten Ziele durch Messung dergenannten Endpunkte tatsächlich erreicht werden?

* Beachten Sie die Problematik der Quantifizierung von Lebensqualität!

Page 15: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Unterschied Gesundheitsökonomie / Klinische Ökonomik

Gesundheitsökonomie Klinische Ökonomik

Ziel Primäre Zielparameter Erforderliche Ausbildung Arbeitsfeld Methoden

Vergleich von Kosten und Konsequenzen alternat. Handlungsmöglichkeiten Monetäre Kosten (Ökonomie) Wirtschaftswissenschaft in Theorie oder Praxis Hypothetisches Modell (i.d.R. nicht falsifizierbar) CMA, CEA, CUA, (CBA)

Darstellung des erzielten Wertes für den Patienten u. die Solidargemeinschaft Quantität und Qualität des Lebens (Medizin) Klinische Epidemiologie u. Facharzt für Teilgebiet Klinische Studie (mit falsifi-zierbarer Hypothese) NNT, LR, HRQL, QWB

Page 16: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Es ist wenig sinnvoll, über Kosten von GL zu diskutieren, ohne deren Werte zu kennen.

Der asymmetrischen Verteilung der Information über Kosten und Werte ist entgegenzuwirken

Die Kosten der angebotenen GL übersteigen immer die öffentlich finanzierbaren GL

Page 17: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Informationsasymmetrien Patienten kennen in der Regel weder die

Kosten noch den Wert von Gesundheits-leistungen

Ärzte kennen die Wirksamkeit, häufig die Kosten, aber selten den Wert von GL

Manager/Ökonomen kennen zwar immer die Kosten, selten aber den Wert von GL

Entscheidungsträger sind vom Wissen ihrer Berater abhängig

Page 18: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“ Beispiele Informationsasymmetrien

BeispieI I:Pharmakologische und andere Effekte der Arzneimittelbehandlung

Beispiel II:Mehrwert durch PSA-Bestimmung

Beispiel III:Brustkrebs-Screening

Page 19: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“ Informationsasymmetrie Beispiel I:

Influence of adherence to treatment and response of cholesterol on mortality in the coronary drug project

Placebo Clofibrate

Compliance with medication

# of

Patient

5 year mortality

# of patients

5 year mortality

RRR ARR NNT

All patients

Took => 80%

Took < 80%

2789

~2/3

~1/3

20.9%

15.1%

28.3%

1103

~2/3

~1/3

20.0%

15.0%

24.6%

4% 0.9% 111

0% 0.1% 1000

13% 3.7% 27

RRR

ARR

NNT

46.6%

13.2%

8

39.0%

9.6%

10

NEJM 1980;303(18):1038-1042

Page 20: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“ Informationsasymmetrie Beispiel I:

Influence of adherence to treatment and response of cholesterol on mortality in the coronary drug project

Erklärung der Abkürzungen:

ARR (Absolute Risiko Reduktion) = Differenz der Risiken in derexperimentellen Gruppe und Kontroll-Gruppe.RRR (Relative Risiko Reduktion) = Verhältnis zwischen ARR undRisiko in der Kontrollgruppe.NNT (Number needed to treat) = Anzahl der Patienten, die mit der experimentellen Therapie behandelt werden müssen, um mit dieser Therapie ein unerwünschtes Ereignis [hier Todesfall] mehr als in der Kontroll-Gruppe zu vermeiden.

Page 21: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Informationsasymmetrie Beispiel II: Früherkennung des Prostatakarzinoms Zusammenfassung und Aktualisierung der vorhandenen

Daten, AussagenTore Scherstén1, M. Angeles Baile2 , José Asua2, Egon Jonsson1

1Schwedischer Rat für die Bewertung von Technologien für die Gesundheitsversorgung (SBU), Schweden2Baskisches Amt für die Bewertung von Gesundheitstechnologien (OSTEBA), Abteilung Gesundheit, Baskische Regierung, Spanien Januar 1999

© Copyright Baskisches Amt für die Bewertung von Gesundheitstechnologien (OSTEBA), Abteilung Gesundheit, Baskische Regierung. 1999

Page 22: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Früherkennung des Prostatakarzinoms Ziel: Zusammenfassung der wissenschaftlichen Daten zur

Wirksamkeit und zur Kosten-Effektivität der generell angewandten Früherkennung des Prostatakarzinoms.

Methoden: Zusammenfassung der wissenschaftlichen Daten zur Früherkennung des Prostatakarzinoms aus acht systematischen Übersichtsarbeiten, die von Agenturen zur Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment, HTA) als Mitlieder der Internationalen Netzwerk Assoziation für HTA (INAHTA) angefertigt wurden und anderer bedeutender systematischer Übersichtsarbeiten. Qualitativ hochwertige primäre Studien wurden berücksichtigt, um die Information auf den aktuellen Stand zu bringen.

Page 23: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“ Ergebnisse: Das Prostatakarzinom ist ein bedeutendes

Gesundheitsproblem mit einer erheblichen Belastung für die Betroffenen und hohen Kosten für die Gesellschaft. Die Inzidenz des Prostatakarzinoms scheint in den meisten Ländern zuzunehmen. Gründe hierfür sind die bessere und häufiger angewandte Diagnostik, speziell die Bestimmung des Prostata-Spezifischen Antigens (PSA), das zunehmende Durchschnittsalter der Bevölkerung, und wahrscheinlich auch ein tatsächlicher Anstieg der Häufigkeit der Erkrankung. Das Prostatakarzinom wächst gewöhnlich langsam; viel Männer, die daran erkrankt sind, werden damit nie ein Problem haben, weil sie die klinische Manifestation der Erkrankung nicht erleben.

Page 24: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“ Ergebnisse:

Es gibt bisher keine Methode, um in frühen Stadien lang-sam wachsende benigne Karzinome von aggressiven, le-bensbedrohlichen Karzinomen zu unterscheiden. Für die Behandlung des lokalen Prostatakarzinoms gibt es drei bedeutende Strategien: Die radikale Prostatektomie, die Strahlentherapie und die Beobachtung. Die aktiven Strate-gien, die radikale Prostatektomie und die Strahlentherapie sind mit nennenswerten Nebenwirkungen verbunden. Es gibt bisher keine Daten, die zeigen, dass durch die Früh-erkennung des Prostatakarzinoms das Überleben verlän-gert werden kann.Berichte über eine Lebensverlängerung bei Männern in frü-hen Krankheitsstadien können eher durch einen systemati-schen Fehler (length bias) oder andere statistische Arte-fakte als durch einen tatsächlichen klinischen Fortschritt und ein besseres Behandlungsergebnis erklärt werden.

Page 25: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“ Schlussfolgerung: Die allgemeine Früherkennung wird für das

Prostatakarzinom nicht empfohlen, weil es keine Hin-weise für deren Nutzen gibt, die Behandlung aber deutliche Risiken unerwünschter Effekte beinhaltet.

Die Übersetzung ins Deutsche mit Genehmigung durch die SBU (Prof. Egon Jonsson).

Anmerkung: Als angemessene Reaktion auf diese Erkenntnisse, die in den letzten Jahren gewonnen wurden, sollte die Diskussion induziert werden, wie jene Subgruppen identifiziert werden kön-nen, deren Nutzen einer Früherkennung mit therapeutischer Intervention nachgewiesen werden kann.Eine Einstellung der Früherkennung, speziell der PSA-Bestim-mung, würde – unter Berücksichtigung aller bedeutenden Aspek-te – mehr Schaden als Nutzen induzieren zumal durch die Fort-führung der Früherkennung der notwendige Informationsgewinn für die Patienten erzielt werden kann, wenn dieser dabei den Anforderungen der zuständigen Ethikkommission entspricht.    

Page 26: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Ökonomische Analyse:Vergleich von Kosten und Konsequenzen

alternativer Handlungsmöglichkeiten

Beispiel Brustkrebs- ScreeningKosten: NachteileKonsequenzen: VorteileAlternative Aktionen: +/- Mammogr.

Page 27: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Breast cancer confirmed

No breast cancer confirmed

Total

Detected by mammography

23 219 242

Not detected by mammography

10 748 758

Total with mammography

33 967 1000

Total without mammography

20 13 cases less!

980 1000

Page 28: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Von 1000Frauen mit

Mammographienehmen 33Brustkrebs

wahr

Von 1000Frauen ohne

Mammographienehmen 20Brustkrebs

wahr

23 werden durchMammographieund 10 durchKlinische Unter-Suchung entdeckt

Alle 20 werden durch Klinische Untersuchung entdeckt

Page 29: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Ergebnisse IKosten (Nachteile) bei alternativen Handlungsmöglichkeiten

219 vs. 0 falsch positive Ergebnisse 10 vs. 0 falsch negative Ergebnisse 13 vs. 0 Fälle von Pseudodisease

Page 30: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“Mammographie Screening senkt das Risiko, an Brustkrebs zu sterben um 21%. Wird jede 5. Frau gerettet oder nur jede 5. risikobehaftete Frau oder jede 5. Frau die am Screening teilnimmt?

Page 31: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“Wenn alle Frauen bei der Berechnung berücksichtigt werden, die in ein Screening Programm eingeschlossen wurden, wird 1 von 100 Frauen gerettet (5% sterben an Brustkrebs und 20% profitieren von der Behandlung; 5% x 20% = 1%).

Page 32: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Wenn zusätzlich das Risiko der tatsächlich untersuchten Subgruppe berücksichtigt wird, kann einer von tausend Frauen geholfen werden.

Page 33: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Ergebnisse II Kosten (Nachteile) bei alternativen

Handlungsmöglichkeiten 219 vs. 0 falsch positive Ergebnisse 10 vs. 0 falsch negative Ergebnisse 13 vs. 0 Fälle von Pseudodisease

Konsequenzen (Vorteile) bei alternativen Handlungsmöglichkeiten

1 vs. 0 Überlebensvorteil

Page 34: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Mit Anderen redenAnderen zuhörenVon Anderen lernen

Beispiel:Ständiger Austausch mit der Lufthansa Schwimmwesten im Flugzeug„Gefühlte Sicherheit“

Page 35: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

The model of breast cancer screeningBreast cancer confirmed

No breast cancer confirmed

Total

Detected by mammography

23 219 242

Not detected by mammography

10 748 758

Total with mammography

33 967 1000

Total without mammography

20 13 cases less!

980 1000

Barratt et al, BMJ 2005

Page 36: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Breast cancer confirmed

No breast cancer confirmed

Total

Detected by mammography

23 219 242

Not detected by mammography

10 748 758

Total with mammography

33 967 1000

Total without mammography

20 13 cases less!

980 1000

Page 37: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Bedarf an „Klinischer Ökonomik“

Ergebnisse IV Kosten (Nachteile) bei alternativen

Handlungsmöglichkeiten 219 vs. 0 falsch positive Ergebnisse 10 vs. 0 falsch negative Ergebnisse 13 vs. 0 Fälle von Pseudodisease

Konsequenzen (Vorteile) bei alternativen Handlungsmöglichkeiten

1 vs. 0 Überlebensvorteil 758*vs. 0 Fälle mit gefühlter Sicherheit 967 vs. 980 Fälle mit realer Sicherheit

* Plus 219 Fälle nach Revision der falsch-positiven Befunde

Page 38: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Praktische Anwendung der „Klinischen Ökonomik“Beschreibung des „Intangiblen Nutzens (Mehrwerts)“ von Gesundheitsleistungen

• Bewertung der ARR mit einem Punktwert [Max 10 Punkte, Min 5 Punkte] • Bewertung der Validität mit einem Faktor [Max 1.0, Min 0.1]• Bewertung der Leistungskategorie (Tod/ Befindlichkeit) mit einem Faktor [Max 10.0; Min 1.0]

Page 39: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Zusammenfassung I

Die Klinische Ökonomik quantifiziert den Nutzen von Gesundheitsleitung aus Sicht der Patienten.

Kosten lassen sich nur sinnvoll kalku-lieren, wenn der Wert/Nutzen einer Leistung bekannt ist.

Zur Beschreibung des Nutzens von GL ist die Informationsasymmetrie zu beseitigen (Validität klären!)

Page 40: Gesundheitsökonomie I (Klinische Ökonomik) Prof. Dr. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik Universitätsklinikum Ulm

Zusammenfassung II Gefühlte Sicherheit scheint ein

bedeutendes Kriterium für politische Entscheidungen im Gesundheitssystem zu sein

Die Quantifizierung kann durch wissen-schaftliche Methoden unterstützt, aber nicht entschieden werden.

Ein Planspiel zur Nutzenbewertung von Gesundheits-leistungen wird im Seminar Gesundheitsökonomie angeboten SS 2006: Fr 23.Juni 06, 17:00-19:00 Uhr und Sa 24. Juni 06, 9:00-16:00 Uhr; Helmholtzstr. 22, Raum E19, 89081 Ulm