8
Goldsolreaktion im Liquor eerebrospinalis. Von Richard Jaeger und Manfred Goldsteln, Assistenzgrzte der Klinik. (Aus der Universiti~tsklinik fiir Nerven- und Geis~eskrankheRen zu Halle a. S. [Direktor: Geheimrat Prof. Dr. G. Anton].) Mit 4 Textfiguren. (Eingegangen am 3. April 1913.) Im Anfang des Jahres 1912 demonstrierte Lange in der Hufelandi- sehen Gesellschaft eine neue Methode zur Untersuehung des Liquor cere- brospinalis, der dann VerSffentliehungen in der Zeitsehrift ftir Chemo- therapie 1) und in der Berliner klinischen Woehenschrift 2) folgten. Da die Phase I meist auf Globuline und Nucleoalbumie bezogen wird, hat er den Versuch gemacht, eine der feinsten neueren EiweiBuntersuchungs- methoden, die Bestimmung der ,,Goldzahl" naeh Zsigmondy im Li- quor anzuwenden. Diese Zahl deutet die Milligramme EiweiBk6rper an, welehe geniigen, um 5 cem colloidalen Goldes vor der Ausfloekung durch 0,5 cem 10 proz. Kochsalzl6sung zu sehiitzen. Mit Hilfe dieser Goldzahl kann man noeh Unterschiede zwischen verschiedenen gel6sten Eiweif~- mengen zur Anschauung bringen, die nur ganz geringe Bruehteile eines Milligrammes ausmachen. Es ist ferner das Verdienst yon Z sig mond y, darauf hingewiesen zu haben, dal~ eine gentigende Mengo von Eiweii~k6rpern imstande ist, bei Elektrolytzusatz die Ausflockung dieser kolloidalen Goldl6sungen zu ver: hindern. Weiterhin hat sieh herausgestellt, da$ dieser Goldsehutz ftir die einzelnen EiweiBkSrper quantitativ verschieden ist und demnaeh jeder EiweiBkSrper eine bestimmte fiir ihn charakteristische Goldzahl hat. Lange hat nun durch Versuche feststellen wollen, ob mit der Gold- methode Untersehiede zwisehen luetischem und normalem Blutserum zu konstatieren sind. Mit Wasser zur Feststellung der Goldzahl verdiinnte Blutsera ergeben Goldschutz, zeigen aber keine in ein Gesetz zu bringende Unterschiede. Verdiinnt man die Seren dagegen mit einer 0,4proz. KochsalzlSsung, die die Globuline gerade noch in L6sung hMt, so zeigt 1) 1912 Erster Band, Heft 1. I. Teih Originale. 2) 1912 Nr. 19, Seite 897.

Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

Goldsolreaktion im Liquor eerebrospinalis. Von

Richard Jaeger und Manfred Goldsteln, Assistenzgrzte der Klinik.

(Aus der Universiti~tsklinik fiir Nerven- und Geis~eskrankheRen zu Halle a. S. [Direktor: Geheimrat Prof. Dr. G. Anton].)

Mit 4 Textfiguren.

(Eingegangen am 3. April 1913.)

Im Anfang des Jahres 1912 demonstrierte L a n g e in der Hufelandi- sehen Gesellschaft eine neue Methode zur Untersuehung des Liquor cere- brospinalis, der dann VerSffentliehungen in der Zeitsehrift ftir Chemo- therapie 1) und in der Berliner klinischen Woehenschrift 2) folgten. Da die Phase I meist auf Globuline und Nucleoalbumie bezogen wird, hat er den Versuch gemacht, eine der feinsten neueren EiweiBuntersuchungs- methoden, die Bestimmung der ,,Goldzahl" naeh Z s i g m o n d y im Li- quor anzuwenden. Diese Zahl deutet die Milligramme EiweiBk6rper an, welehe geniigen, um 5 cem colloidalen Goldes vor der Ausfloekung durch 0,5 cem 10 proz. Kochsalzl6sung zu sehiitzen. Mit Hilfe dieser Goldzahl kann man noeh Unterschiede zwischen verschiedenen gel6sten Eiweif~- mengen zur Anschauung bringen, die nur ganz geringe Bruehteile eines Milligrammes ausmachen.

Es ist ferner das Verdienst yon Z sig mond y, darauf hingewiesen zu haben, dal~ eine gentigende Mengo von Eiweii~k6rpern imstande ist, bei Elektrolytzusatz die Ausflockung dieser kolloidalen Goldl6sungen zu ver: hindern. Weiterhin hat sieh herausgestellt, da$ dieser Goldsehutz ftir die einzelnen EiweiBkSrper quantitativ verschieden ist und demnaeh jeder EiweiBkSrper eine bestimmte fiir ihn charakteristische Goldzahl hat.

Lange hat nun durch Versuche feststellen wollen, ob mit der Gold- methode Untersehiede zwisehen luetischem und normalem Blutserum zu konstatieren sind. Mit Wasser zur Feststellung der Goldzahl verdiinnte Blutsera ergeben Goldschutz, zeigen aber keine in ein Gesetz zu bringende Unterschiede. Verdiinnt man die Seren dagegen mit einer 0,4proz. KochsalzlSsung, die die Globuline gerade noch in L6sung hMt, so zeigt

1) 1912 Erster Band, Heft 1. I. Teih Originale. 2) 1912 Nr. 19, Seite 897.

Page 2: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

220 R. Jaeger und M. Goldstein:

sich, dab derartig verdfinnte Sera das Goldsol allein ausfloeken, und zwar bei einem Verdfinnungsoptimum, das um 1/1500 herum liegt.

Wenn sich bisher mit Serum auch noeh keine brauchbaren Resultate ergeben haben, so h~lt sie L a n g e doch noch fiir m6glich.

Ubertr~gt man nun die Versuche auf den Liquor eerebrospinalis, so finder man welt betr~ehtliehere Unterschiede. Die Untersuchungen wur- den zun~chst derart angestellt, dal~ die L~mbalflilssigkeiten zur Bestim- mung des Goldschutzes mit destilliertem Wasser verdfinnt worden. Die Resultate waren aber auch ffir klinische Zwecke nicht brauchbar, da sie keine Gesetzm~iBigkeit in der Unterseheidung zwischen luetischen und normalen Lumbalflfissigkeiten erkennen lieBen.

Anders liegen die Verh~ltnisse, wenn man zur Verdtinnung des Li- quors Kochsalzl6sungen w~hlt, da bei der Verdfinnung mit destilliertem Wasser die hierbei ausfallenden EiweiBk6rper keine Wirkung auf das Goldsol ausiiben kSnnen. Es ist auch hierbei erforderlich, eine 0,4proz. Kochsalzl6sung, die schw~ichste Konzentration, in der sich Globuline sicher noch geI6s~ halten, zu w~hlen, um eben auf die Globuline und Nueleoproteide Riicksieht nehmen zu k6nnen. Derartige Verdfinnungen von normalen Lumbalflfissigkeiten sollen also das Goldsol unver~indert lassen, w~hrend es bei pathologischen versehiedene Grade der Ausflok- kung zeigt. Diese Ausf~llung des Goldsols dureh Kochsalz verdtinnten Liquor ist natfirlich ein ganz anderer Vorgang als der Goldschutz bei Verdfinnung mit Wasser. Etwas Genaueres fiber das Wesen der Reaktion zu sagen, ist bei dem heutigen Stande der EiweiB- und Colloidchemie noch nicht m6glich.

Das Goldsol ist eine hochrote L6sung, in der das Gold in ganz feinen Partikelchen verteilt ist. Die Goldsolreaktion ist keine chemische, son- dern es finder eine Vereinigung der ~uBerst kleinen roten Goldteilchen zu gr6Beren, violett bis blau gefitrbten, start, die in den st~irkeren Graden zu Boden fallen, so daB die Flfissigkeit wasserklar wird.

Die Herstellung des Goldsols erfolgt nach L a n g e so, dab man zu 1000 ecm ganz frisch doppelt destillierten Wassers 10 ccm 1 proz. Gold- chlorid und 10 cem 2proz. Pottasche zugibt, und nach Aufkoehen und Ausl6schen der Flamme unter starkem Umsehfitteln 10 ccm 1 proz. For- reel (1 ecm der k~ufliehen konzentrierten FormaldehydlSsung auf 100 H~O) schnell, aber portionsweise zuflieBen l~iBt. Zun~ichst nimmt die Fltissigkeit eine schwach rosa Fhrbung an, die dann bei weiterem Um schfitteln bald dunkler wird. Das Goldsol muB einen satten purpurroten Ton haben, auch im auffallenden Lichte klar und durchsichtig sein, sowie bei l~ngerem Stehen frei yon Sedimenten bleiben. Es ist einige Male bei uns vorgekommen, dab die L6sung zun~ichst rosa blieb, es genfigte dann abet der Zusatz yon einigen wenigen Tropfen der 1 proz. Formoll6sung, um die gewfinschte Farbe zu erzielen. Bl~uliche L6sungen k6nnen nicht

Page 3: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis. 221

zur Verwendung kommen, manche haben auch in dickeren Schichten einen rauehigen Oberfl~chenschimmer, der daher r'fihrt, dab die Gold- partikelchen weniger rein verteilt sind, kSnnen dana aber noch benutz~ werden, wenn nur der Farbenton ein sattroter, eher noch mit einem Stich ins Gelbliche ist.

Um eine gute GoldsollSsung zu bekommen, mu$ man mit peinlichster Sauberkeit arbeiten. KKuflich destilliertes Wasser ist vollkommen un- brauehbar. Wir haben gewShnlich das destillierte Wasser unseres Labo- ratoriums noeh ein- bis zweimal unter Verwendung eines gewShnlichen Glaskiihlers ohne Korken, sondern mit Glasschliffen verwendet. Dio GlasgerKte werden nach L a nge am besten mit einer Mischung yon roher Sehwefels~ure und KaliumbichromatlSsung tiiehtig ausgewaschen, um das Alkali zu entfernen. Am empfehlenswertesten sind Jenenser Becher- glKser. Auch den Chemikalien ist die nStige Beobachtung zu schenken, da bei der Feinheit der Methode sich die geringsten Verunreinigungea stSrend bemerkbar machen kSnnen. Ferner sind bei der Entnahme des Liquors einige VorsichtsmaSregeln unerl~$1ieh. Am besten werden trok- ken sterilisierte Nadeln verwandt, die frei yon Rost sind, Blutbeimen- gungen wirken auch stSrend.

Die Versuehsanordnung war nun einfach so, dal~ eine Verdiinnungs- reihe des Liquors mit 0,4% KochsalzlSsung in tadellos sauberen Reagenz- gl~sern hergestellt wurde und zwar yon 1 : 1 0 beginnend, immer um 100~ st~igend, also 1 : 20, 40, 80, bis 1 : 100 000, yon jeder Verdiinnung 1 ccm. Derartig hohe Verdfinnungen wurden manehmal noch ver~ndert. Wir haben uns 15 Reagensgl~ser in einem Stativ nebeneinander aufge- stellt, in das erste 1,8 ccm 0,4% KoehsalzlSsung getan, in jedes weitere 1 ccm. Danu haben wir dem ersten 0,2 cem des zu untersuehenden Li- quors zugefiigt, also eine Verdiinnung 1 : 1 0 hergestellt, und davon 1 ccm in das zweite RShrchen gegeben, davon dann 1 ccm in das dritte RShrehen und so fort. EnthMt nun jedes der RShrchen 1 eem des fort- laufead verdi]nnten Liquors, so werden raseh 5 ecru Goldsol zugegossem Die Reaktion kann nach einigen Stundeu abgelesen werden und wird am besten nach L a n g e in eine Tabelle eingezeichnet, auf deren Abszisse man die Verdiinnungen und auf deren Ordinate man am besten vier ~ r b u n - gen, z. B. rot, violett, blau, wei$ eintr~gt. Zur Kontrolle setzt man ein RShrchen mit reiner 0,4 proz. KochsalzlSsung und 5 eem Goldsol an, das na- tiirlieh seine Farbe behalten mu$, wenn die LSsung verwendbar sein soll.

Bei luetischen Erkrankungen des Zentralnervensystems wird nun d e r m i t KoehsalzlSsung verdtinnte Liquor in einer Kurve ausgefloekt, deren Maximum man bei den sehwachen Verdiinnungen findet. Die St~rke der Reaktion wird dann ausgedriiekt dureh den Grad der Ver- f~rbung (Maximum = farblos) und der Ausdehnuag der mehr oder weniger starken Ausflockung.

Page 4: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

222 R. Jaeger und M. Goldstein:

W/ihrend normaler Liquor fiberhaupt nicht ausflocken soll, werden die sts Grade der Ausfloekung bei progressiver Paralyse gefunden. Bei anderen Erkrankungen, z. B. Meningitis purulenta, sieht man das Maximum nach L a n g e in grSBeren Verdfinnungen, z. B. 1 : 6000. Es liegt dies wahrseheinlich, wie wir mit L a n g e glauben, an qualitativen Untersehieden in der Mischung der verschiedenen Eiweil3k6rper. Mit dieser Versehiebung des Ausfloekungsmaximums in der Verdfinnungs- reihe glaubt L a n g e differentialdiagnostische Schliisse ziehen zu k6nnen, besonders schien es ihm aber m6glich zu sein, die geringsten Anfiinge einer Affektion des Zentralnervensystems feststellen zu k6nnen. Die Sts der Reaktion soll bei luetischen Erkrankungen des Hirns oder des Rfickenmarks der Lymphocytose ungef~hr parallel gehen, quantitativ aber feiner als die Globulinreaktion und die Was s e r m a n n sehe Reak- tion sein.

Da es bei der Beks der Erkrankungen des Zentralnerven- systems auf luetischer Basis darauf ankommt, die frfihesten Anfangs- stadien zu erkennen, und da wir zur Unterseheidung der verschiedenen Krankheitsformen in ihrem Beginn noch I-Iilfsmittel gebrauehen k6nnen, ist die Goldsolreaktion sehon der Nachprfifung wert gewesen.

Wir haben zuerst unter anderem Versuche fiber die Haltbarkeit des Liquors gemaeht und gefunden, dab der Liquor, auch wenn er 1--2 Tage im Eisschrank gestanden hat, dieselbe Goldsolkurve gibt wie bei frisehem Ansetzen.

L a n g e meint, dal] die Kurve bei Paralyse, wenn die Koehsalzl6sung st/~rker verdfinnt wird, eine schw~ichere Ausfloekung~kurve gibt, deren Maximum bei etwa 1 : 80 liegt. Wir haben dies versucht und das Koch- salz yon 0,4~/o auf 0,2% verdfinnt, haben abet fast genau dieselbe starke Reaktion erhalten wie bei der gewShnliehen Versuchsanordnung.

Uber die der Methode anhaftenden Nachtefle soll am Schlu$ gespro- ehen werden. Wir wollen jetzt das Resultat unserer Untersuchungen an der Hand nebenstehender Tabelle berichten.

Unsere 33 Fi~lle yon p rogress ive r P a r a l y s e zeigen durchweg eine sehr starke Goldsolreaktion, d. h. Entfs yon der ersten Verdfinnung an, die sich fiber mehrere Verdfinnungen erstreckt, in der Regel in den ersten 5--10 GNisern; daran schliel]en sieh zuerst Blau-, dann Violett- f/irbungen; die unveriinderte Goldsoll6sung findet man meist erst in Verdfinnungen yon 1 : 20 000, ja in seltenen Fs erst in Verdfinnungen yon 1 : 1 000 000 oder dort noch nicht, ws die mit KochsalzlSsung angesetzte Kontrolle vSllig unverandert geblieben ist; man ersieht dar- aus die grol]e Feinheit der Reaktion. Aueh L a n g e hat in allen seinen 18 Paralysefiillen positive Reaktionen gefunden. Wassermann ist in 31 der F/ille in Blur und Liquor positiv, in einigen der Liquores aller- dings erst bei Auswertung; in 2 F/illen, von denen der eine ein Tabo-

Page 5: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis. 223

Diagnose

Paralyse u. Taboparalyse Lues cerebrospinalis . . . Tabes dorsalis . . . . . . Meningitis tuberculosa.. Meningitis epidemica . . Hirnabscel~ . . . . . . . . Himtumor . . . . . . . . Ubrigen organ. Affekt. d.

Zentral-Nervensystems Epilepsie . . . . . . . . . t~eurasthenie . . . . . . .

Goldsol

Psychosen, funktionelle . Keratitis parenchymatosa 1%uritis . . . . . . . . . . 1%uralgie . . . . . . . . . Muskelatrophie . . . . . . _

33 33 6 6

12 6 1 1 1 l 1 4

16 6 1

10 - -

6 - -

1

L

1 3 - -

4 I _ _

6 - -

2 - -

I - -

Reaktionen

~ L

--

- - - - 2 9 - -

- - 7 1

r I

l I - - - -

103 - -

ii ~ 2 2 4 - - 4 - - 1 - - 1 - - 1 - - 2 - -

- - 10 - - 9

- - 2

- - 3

- - 1

- - 2

para ly t iker mi t zeitweise geh~uften Anfal len ist, ist Wasse rmann ne-

gativ. I n 2 anderen Fa l len fehlt die Lymphocytose , w~hrend die N o n n e -

A p e l t s c h e Phase I in al len 33 Fa l len posi t iv ist.

Wir ersehen daraus die groBe Einhei t l ichkei t der Goldsolreaktion bei progressiver Paralyse.

Vr.P~l:IO 20 ~ $0 160 320 aqo 12~ J~O0 oooo 100o0 ~oo~ ~0oo0 800oor r o $

/

Fig. 1. Goldsolreaktion bei progressiver Paralyse, ebenso bei Lues cerebrospinalis.

Die L u e s c e r e b r o s p i n a l i s g ib t in ihren 6 Fs dasselbe Resul ta t .

Die Reak t ion ist durchweg ebenso s tark wie bei Paralyse, unterscheidet

sich aber dadurch, dab sie n ieh t wie bei der Paralyse sofort, sondern erst

nach einigen S tunden auf t r i t t . Wasse rmann ist bei 4 Fa l len im Blur und

Liquor negativ, in den anderen 2 Fal len sind alle 4 Reakt ionen posit iv.

L a n g e s 17 Falle yon Lues cerebrospinalis weisen ebenfalls durchweg starke Reakt ionen auf.

Page 6: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

224 R. Jaeger und M. Goldstein:

Anders sind die Resultate bei Tabes dorsa l i s : yon den 12 Reaktio- nen sind 6 stark positiv, 6 schwach positiv. Unter den letzteren sind 3 F~lle, in denen Wassermann in Blur und Liquor negativist. Die schwaeh positiven Kurven sind ganz uncharakteristisch. L a n g e be- merkt bei seinen 19 (von 20) positiven Tabesreaktionen leider nicht, ob sie stark oder schwach sind; er hat 1 negativen Fall, bei dem auch die 4 Reaktionen negativ sind.

Ein H i r n a b s c e ~ nach SchuI~verletzung des Gehirns gab die gleiche starke Reaktion wie bei der Paralyse, aber auch erst nach einiger Zeit auftretend, ebenso der einzige Fall yon Meningitis tuberculosa, fiber den wir verffigt haben, doch beginnt die v511ige Ausflockung erst in der Ver- dfinnung von 1 : 40, w~hrend bei der Paralyse bereits die erste Verdfin- hung farblos ist. Eine Verschiebung des Ausflockungsmaximums nach oben konnten wir nicht beobachten.

Bei einer Meningitis cerebrospinalis epidemica ist nur eine schwache Reaktion (Violettf~rbung in 5 Verdfinnungen) aufgetreten. Interessant ist in diesem Falle, dai~ wir von der 4. Lumbalpunktion, nachdem dreimal in den Lumbalsack Meningokokkenserum injiziert war, so dal~ der Liquor hellgelb gef~rbt war, fast die gleiche Kurve erhielten wie beim ersten Punktat, nur schlol] sich an die Violettf~rbungen wie im ersten Liquor noch in 2 weiteren Verdfinnungen eine st~irkere Blauverf~rbung an (siehe die Kurven).

V~'~. ! 10 ~0 #O 80 160 J20 6r 1Z80 2500 5000 10000 ZOOO0 ~0000 80000 160000 JZO000

v~-- ~

b / o ~

Fig. 2. Goldsolreaktion bei Meningitis cerebrospinalis epidemica.

Y ~ f.'$O 20 qO 80 ?60 320 $~0 1280 2500 5~0 /0000 20000 q00O0 80~3 ~000 350000

b / o ~ I ! . . . . . . . . . . I

Ng. 8. Dieselbe Meningiti~, sp~.tere Puuktlon, bei Anwesenheit yon Meningokokkenserum im Liquor cerebrospinalis.

Wenn auch dieses Meningitis-Material gering ist, so zeigt es doch in beiden Fhllen nicht die von L a n g e als charakteristisch ftir M e n i n g i t i s bezeichnete Verschiebung des Ausflockungsmaximums nach oben.

Page 7: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis. 225

Dagegen zeigten yon 4 H i r n t u m o r e n 2 eine Versehiebung des Maximums nach oben.

Die f ibr igen o r g a n i s c h e n A f f e k t i o n e n des Zentralnerven- systems (20 F~lle) einzeln zu besprechen, wfirde zu weit ffihren, sic er- gaben zum grSSten Teil schwache Reaktionen (z. B. Multiple Sklerose) oder auch negative (Chorea Huntington, Hydrocephalus usw.).

Ve~. 1:10 ~0 r 80 760 J00 6~0 12~ Z.~00 5000 10000 **0000 '10000 80000 ~0000 3~0000 r o t

t ~

we i6 i

Fig. 4. Goldsolrcaktion bei multipler Sklerose.

Die 6 E pile p s ie n zeigen meist schwache Reaktion, 1 war starker, 1 negativ.

10 F~lle yon N e u r a s t h e n i e waren negativ oder fast negativ (1--3 minimale Verf~rbungen).

Ein ~hnliches Verhalten wie die organischen Nervenkrankheiten boten die 9 Psychosen: 3 waren negativ, 5 schwach positiv, 1 starker positiv.

Die 2 F~lle yon Keratitis parenchymatosa, fiber die wir verffigten, gaben ein negatives Resultat; auch die 4 Reaktionen waren negativ.

Die tibrigen diversen Erkrankungen (Neuritis, Neuralgie, Muskcl- atrophie usw. 7 F~lle) gaben mehr oder weniger schwi~chere oder auch negative Reaktionen.

In dem Ausfalt der schwach positiven Ausflockungen konnte irgend eine Gesetzm~l~igkeit nicht nachgewiesen werden.

Erw~hnen mfissen wir auch, dai~ mehrfach ganz paradoxe Kurven zustande kamen, die meist wohl auf Unreinlichkeiten in der LSsung oder den Gl~isern zurfickzuffihren waren; bier fand sich in der Regel eine starke Verfi~rbung der Kontrolle, so da$ die Kurven nicht zu gebrauchen waren. Die Reaktion mu6te dann noch einmal unter grSl~eren Kautelen ange- setzt werden.

Wir wollen anschliel~end fiber die Nachteile berichten, die uns bei der Reaktion begegnet sind. Abgeschen yon kleinen Nachli~ssigkeiten in der Reinlichkeit der Reagensgl~ser ist es uns 5fter, auffallenderweise mit zunehmender Erfahrung, passiert, daI~ wir vSllig unbrauchbare LSsungen erzielten, mitunter mehrere hintereinander, so da~ wit tage- lang ohne gute GoldsollSsung waren. Wir haben dann unser Wasser noch ein drittes Mal destilliert, weil das Hallenser Wasser sehr hart ist, und haben damit auch bessere LSsungen erzielt. Immerhin war der Aufwand an Zeit und Material oft ein betr~chtlicher. Ganz tadellose klare Gold-

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. O. XVI. 15

Page 8: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis

226 R. Jaeger und M. Goldstein: Goldsolreaktion im Liquor cerebrospinalis.

15su~gen erzielten wir nur in don Seltensten F~llen; meist zeigten sic einen leichten rauchigen Oberfliichenschimmer. Doch bewies uns die Unveri~nderlichkeit der Kontrollprobe (5 ccm Goldsol, 1 ccm 0,4proz. KochsalzlSsung), dal~ die LSsungen gut brauchbar waren.

Zu der Goldsolbereitung bezogen wir zuletzt das yon Merc k, Darm- stadt, in Ampullen eingeschmolzene, pulverisierte Goldchlorid ~ 1,0 gr.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Fassen wir unsere Resultate nochmal kurz zusammen, so lii~t sich folgendes daraus schliel~en:

Die Goldsolreaktion gibt bei progressiver Paralyse und Lues cerebro- spinalis in 100 ~ eine starke, charakteristische Ausflockung; dieselbe starke Reaktion wird auch bei einem Tei! der Fi~lle yon Tabes dorsalis erzielt.

Diese starke Ausflockungskurve finder sich unter den anderen Er- kr~nkungen nur einm~l, bei einem Hirn~bsce~ nuch Schi~delschu[~.

In den fibrigen organischen oder funktionellen Erkrankungen des Zentralnervensystems gibt uns die Goldsolreaktion keine differential- diagnostischen Unterschiede; speziell kSnnen wir die als charakteristisch angegebene Verschiebung des Ausflockungsmaximums nach oben bei bestimmten organischen Erkrankungen nicht best~tigen.

Es bleibt uns somit (lie Reaktion nut bei den metaluetischen Erkran- kungen wertvoll.

Trotz au~erordentlicher Sorgfiiltigkeit in der Herstellung der LS- sung ist das Miitlingen der LSsung hi~ufig, so da[t die Reaktion ftir den klinischen Gebrauch weniger geeignet ist.

Ein Vorteil in der Methode ist sicherlich (lie geringe Menge Liquor (0,2 ccm), die man zur Anstelluug (ler ganzen Reaktion nOtig hat.

Inwieweit es mSglich ist, die ersten Anf~inge der luetischen Affektion des Zentr~lnervensystems mit der Goldsolre~ktion festzustelten, m6chten wir dahin gestellt sein lassen. L a n g e s F~i, lle yon Lues :I, Lues II und latenter Lues weisen iiberwiegend positive Reaktionen auf; diese er- kranken aber doch nicht alle luetisch oder metaluetisch im Zentralnerven- system. Die positive Reaktion scheint uns jedenfalls erst beweisend, wenn sie so stark wie bei der Paralyse oder Lues cerebrospinalis auftritt .

L a n g e hhlt es ffil' mSglich, nach dem Ausfall der Goldsolreaktion zu bestimmen, in welchen Mengen Liquors die Wassermannsche Re- aktion anzusetzen ist. Wir kSlmen das nach unseren Resultaten nicht best~tigen; mehrere Paralysen, in denen Wassermann-Reaktion bei 0,2 oder auch noch bei 0,4 negativ war, gaben extrem starke Ausflockungen, wi~hrend bei weniger starken Ausflockungen, d .h . Entf~irbung fiber ca. 4--5 Verdtinnungen, der Wassermann schon bei 0,2 + + + + war. Ein Parallelismus in der St~rke dieser beiden Reaktionen ist also darin nicht zu erblicken.