50
1 Weinbauliches Gutachten Untersuchungen hinsichtlich der weinbaulichen Eignung von Flächen in Schleswig-Holstein Insel Sylt, Gemeinde Keitum (Ress) Prof. Dr. Otmar Löhnertz Fachbereich Geisenheim Forschungsanstalt Geisenheim April 2009

Gutachten Sylt-ress end · Sylt 745,3 mm; Neubrandenburg 548 ... Wasserversorgung auszugehen. Die erhöhten Niederschläge während der Reifephase sind insbesondere im Pflanzenschutz

Embed Size (px)

Citation preview

1

Weinbauliches Gutachten

Untersuchungen hinsichtlich der weinbaulichen Eignung von Flächen in Schleswig-Holstein

Insel Sylt, Gemeinde Keitum (Ress)

Prof. Dr. Otmar Löhnertz

Fachbereich Geisenheim

Forschungsanstalt Geisenheim

April 2009

2

Weinbauliches Gutachten

Untersuchungen hinsichtlich der weinbaulichen Eignung

von Flächen in Schleswig-Holstein

Insel Sylt, Gemeinde Keitum

(Ress)

Auftraggeber: Weingut Balthasar Ress KG

Rheinallee 7

65347 Hattenheim

Bearbeitung: Prof. Dr. Otmar Löhnertz

Fachbereich Geisenheim

Forschungsanstalt Geisenheim

v. Lade Str. 1

65366 Geisenheim

Geisenheim, April 2009

Prof. Dr. Otmar Löhnertz

3

1. Einleitung

2. Beschreibung und Lage der Fläche

3. Anbaueignung

3.1 Allgemeine Phänologie

3.2 Klima- und Witterungsfaktoren

3.3 Phänologie Reben

4. Weinbauliche Betreuung

5. Sortenwahl

5.1 Anforderungen

5.2 Anbau interspezifischer Sorten

5.3 Weißwein

5.4 Rotwein

6. Änderungen in den nächsten Jahren (Klimaveränderung) und zu erwartende

Qualität

7. Umsetzung

8. Schlussfolgerungen

1. Einleitung Der Standort Keitum auf der Insel Sylt ist mit einem Rebstandort in den traditionellen

deutschen oder europäischen Weinbaugebieten nicht zu vergleichen. Dies gilt

sowohl hinsichtlich der zu erzielenden Qualitäten und Prädikate als auch bezüglich

der Auswahl traditioneller, teilweise spätreifender Rebsorten, wie Riesling oder auch

Spätburgunder. In noch stärkerem Maße hat dies für internationale Sorten wie

Cabernet Sauvignon, Merlot oder Shiraz Gültigkeit. Ohnehin ist das Erzielen

nachhaltig wirtschaftlicher Erträge ausschließlich auf der Basis einer sorgfältigen

Weinbergspflege möglich. Nur durch eine konsequente Ertragsregulierung können

die erforderlichen Qualitäten hervorgebracht werden.

Bei der Beschreibung der potentiell zu erreichenden Qualität bzw. bei der Prognose

der Anbaueignung ist ein Vergleich mit vorhandenen, vergleichbaren Rebflächen

nicht möglich.

Seit August 2000 ist Dänemark als EU Weinland mit einer Rebfläche von 99 Hektar

anerkannt. Aktuell werden allerdings nur 23 ha angepflanzt (nach: Wein-Plus). Die

4

Rebflächen verteilen sich in den Regionen Jütland, Fünen und Seeland (DIE ZEIT

Nr. 31, 24.07.2008 s. Anhang). Im Anhang befinden sich weitere aktuelle

Informationen über den Weinbau in Dänemark.

Die nördlichen Anbauflächen in Mecklenburg-Vorpommern können nur bedingt als

Vergleichsgröße herangezogen werden. Dies gilt auch für Flächen in der Gemeinde

Grebin, die vom Gutachter in Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin des Deutschen

Wetterdienstes, Außenstelle Geisenheim, im letzten Jahr bewertet wurde.

2. Beschreibung und Lage der Fläche Die zu bewertende Fläche in der Gemarkung Keitum auf der Insel Sylt ist eine ebene

Fläche und daher bezüglich Neigung und Exposition einheitlich.

Es handelt sich um die Fläche:

Gemarkung Keitum auf Sylt

Flur 3

Flurstück 25/7

Gesamtgröße: 8996 m2

Geplante Rebanlage: 3000 – 4000 m2

Lage des Grundstücks: 54 Grad 53´ 59“ nördlicher Breite

8 Grad 21´ 54“ östlicher Länge

Höhe über NN: ca. 10 m

Grundstückseigentümer: Hans-Bunde Boysen

Am Mühlenhof 3

25980 Keitum

Auftraggeber: Weingut Balthasar Ress KG

Rheinallee 7

65347 Hattenheim

Die Lage der Fläche ist aus der Abbildung 1 (Katasterauszug) ersichtlich. Die

geplante Rebanlage befindet sich am Ortsrand der Gemeinde Keitum in unmittel-

barer Nähe der Bebauung. Von der knapp 9000 m2 großen Fläche ist die Anlage in

dem mit einem roten Pfeil markierten Teilfläche vorgesehen. Diese Teilfläche ist auf

drei Seiten durch einen Bewuchs umgeben, der einen optimalen Windschutz

5

gewährleistet. Nach Westen ist die Fläche windoffen und muss durch entsprechende

Windschutzmaßnahmen verbessert werden.

Abb. 1: Lage der geplanten Rebfläche in der Gemeinde Keitum

6

7

Abb. 2 a und b: Lage der Fläche in der Gemarkung Keitum

8

Abb. 3: Ansicht des zur Rebanlage vorgesehenen Grundstücks

oben: Gesamtsicht aus Westen

unten: Teilansicht der vorgesehenen Fläche von Norden

9

Bodenverhältnisse

Die Bodenart entspricht einem lehmigen Sand mit einem relativ hohen Humusgehalt.

Der Standort wird nicht durch das Grundwasser beeinflusst, so dass Staunässe nicht

zu erwarten ist. Die Bodenstruktur ist positiv zu bewerten, da im Falle eines lehmigen

Sandes keine Verdichtungen auftreten werden. In Verbindung mit den zu

erwartenden Niederschlägen und dem vorhandenen Humusgehalt ist eine

ausreichende Wasserversorgung gegeben. Der Boden ist für den Anbau von Reben

grundsätzlich als geeignet anzusehen.

Der Boden eignet sich für den Anbau von Reben und es sind keine besonderen Maßnahmen zur Verbesserung des Standortes erforderlich.

3. Anbaueignung

Phänologische

Jahreszeit

Leitphase

Ersatzphase

Vorfrühling Hasel (Blüte) Schneeglöckchen (Blüte)

Erstfrühling Forsythie (Blüte) Stachelbeere

(Blattentfaltung)

Vollfrühling Apfel (Blüte) Stiel-Eiche (Blattentfaltung)

Frühsommer Schwarzer Holunder (Blüte) Robinie (Blüte)

Hochsommer Sommer-Linde (Blüte) Rote Johannisbeere

(Früchte)

Spätsommer Apfel, frühreifend (Früchte) Eberesche (Früchte)

Frühherbst Schwarzer Holunder

(Früchte) Kornelkirsche (Früchte)

Vollherbst Stiel-Eiche (Früchte) Rosskastanie (Früchte)

Spätherbst Stiel-Eiche (Blattverfärbung) Eberesche (Blattfall)

Winter Stiel-Eiche (Blattfall)

1. Apfel, spätreifend

(Blattfall)

2. Europ. Lärche (Nadelfall)

Auf der Basis phänologischer Daten anderer Kulturen kann die Fläche mit

vorhandenen Anbaugebieten verglichen werden. Als markante phänologische

10

Stadien sind der „Vegetationsbeginn“ (Austrieb), die „Blüte“ und der „Reifeverlauf“ zu

nennen.

Da keine Vergleichswerte für den Vegetationsverlauf bei Reben für die Insel Sylt

vorliegen, wird auf andere phänologische Beobachtungen zurückgegriffen. Als

Orientierung werden die phänologischen Daten der Region Trier herangezogen.

Hierfür wurden frei im Internet verfügbare Daten des Deutschen Wetterdienstes

benutzt.

11

Phänologische Jahreszeiten für die Station 10020 List auf Sylt

Informationen über die Station

Normalwerte der Periode 1961 - 1990

für den Naturraum 680 Nordfriesische Geestinseln

Station 10020 List/Sylt

Phänologische Jahreszeiten für die Station 10020 List auf Sylt

phänologische Jahreszeit

Beginn Ende Dauer Tage

phänologische Leitphase

Vorfrühling 16. Mrz

14. Apr

30 Hasel Beginn der Blüte

Erstfrühling 15. Apr 17. Mai

33 Forsythie Beginn der Blüte

Vollfrühling 18. Mai 13. Jun

27 Apfel Beginn der Blüte

Frühsommer 14. Jun

7. Jul

24 Schwarzer Holunder

Beginn der Blüte

Hochsommer 8. Jul 17. Aug

41 Sommer-Linde Beginn der Blüte

Spätsommer 18. Aug

12. Sep

26 Apfel, frühreifend

Beginn der Pflückreife

Frühherbst 13. Sep

21. Sep

09 Schwarzer Holunder

erste reife Früchte

Vollherbst 22. Sep

30. Sep

09 Rosskastanie erste reife Früchte

Spätherbst 1. Okt 6. Okt

06 Rosskastanie Blattverfärbung

Winter 7. Okt 15. Mrz

160 Winterweizen Auflaufen

http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_umwelt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Content%2FOeffentlichkeit%2FKU%2FKU2%2FKU21%2Fklimadaten%2Fgerman%2Fdownload%2Fphaenojahreszeiten%2F10020__phaeno.html

12

Phänologische Jahreszeiten für die Station 10609 Trier-Petrisberg

Informationen über die Station

Normalwerte der Periode 1961 - 1990

für den Naturraum 250 Mittleres Moseltal

Station 10609 Trier-Petrisberg

Phänologische Jahreszeiten für die Station 10609 Trier-Petrisberg

phänologische Jahreszeit

Beginn

Ende

Dauer Tage

phänologische Leitphase

Vorfrühling 15. Feb

23. Mrz

37 Hasel Beginn der Blüte

Erstfrühling 24. Mrz

26. Apr

34 Forsythie Beginn der Blüte

Vollfrühling 27. Apr

26. Mai

30 Apfel Beginn der Blüte

Frühsommer 27. Mai

18. Jun

23 Schwarzer Holunder

Beginn der Blüte

Hochsommer 19. Jun

1. Aug

44 Sommer-Linde

Beginn der Blüte

Spätsommer 2. Aug 16. Aug

15 Apfel, frühreifend

Beginn der Pflückreife

Frühherbst 17. Aug

19. Sep

34 Schwarzer Holunder

erste reife Früchte

Vollherbst 20. Sep

13. Okt

24 Stiel-Eiche erste reife Früchte

Spätherbst 14. Okt

20. Okt

7 Stiel-Eiche Blattverfärbung

Winter 21. Okt

14. Feb

117 Winterweizen

Auflaufen

http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_um

welt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Content%2FOeffentlichkeit%2FKU%2FKU2%2FKU21

%2Fklimadaten%2Fgerman%2Fdownload%2Fphaenojahreszeiten%2F10609__phaeno.html

13

Abb. 4: Beginn der Blüte Schwarzer Holunder = Phase Frühsommer

Die beginnende Blüte des Schwarzen Holunders wird nach dieser phänologischen

Einteilung als Frühsommer definiert. Der Standort List auf Sylt weist dabei eine

Verzögerung von etwa 18 Tagen auf. Allerdings ist auch eine Überlappung der

Zeiträume festzuhalten, d.h. in einigen Jahren wird der Beginn des Frühsommers auf

Sylt dem Beginn des Frühsommers in anderen Jahren an der Mosel entsprechen.

14

Während im Rheingau vor dem 147. Tag des Jahres mit einer Blüte zu rechnen ist,

tritt die Blüte vom Schwarzem Holunder auf Sylt zwischen dem 162. und 168. Tag

des Jahres ein.

Abb. 5: Beginn der Phase Vollherbst mit den ersten reifen Früchten der Rosskastanie

Gegenüber einer klassischen Weinbauregion vergrößert sich der Vegetationsrück-

stand auf der Insel Sylt im Verlauf der Vegetation nach dieser phänologischen

15

Betrachtung nicht. Auch zum Termin Herbst muss von einer Verzögerung von ca. 2

Wochen ausgegangen werden. Während im Rheingau diese Phase zwischen dem

260. und dem 266. Tag erfolgt, beginnt diese phänologische Phase auf Sylt zwischen

dem 267. und dem 273. Tag.

3.2 Klima- und Witterungsfaktoren a. Temperatur

Um die Witterungsverläufe für den Standort Sylt und deren Bedeutung für die -

Anbaueignung bewerten zu können, werden Daten des Deutschen Wetterdienstes

von den Stationen Geisenheim und Neubrandenburg als Vergleich herangezogen:

- Geisenheim als eine klassische Anbauregion im Rheingau,

- Neubrandenburg als neu ausgewiesenes Landweingebiet in Mecklenburg-

Vorpommern.

Die Lage über N.N. und die geographische Lage ist aus der folgenden Tabelle

ersichtlich.

GEISENHEIM (AMBF) 118 49°59' 07°57' NEUBRANDENBURG 17 53°34' 13°16' LIST AUF SYLT (WEWA) 26 55°00' 08°24'

Abb. 6: Temperaturwerte (Monatsmittel) Zeitraum 1961 – 1990 in Grad Celsius

Jahresmitteltemperatur Sylt 8,4 Grad C; Neubrandenburg 7,9 Grad C; Geisenheim

Grad 9,9 C Nach:http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_umwelt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadatenzentren%2FNKDZ%2Fkldaten__akt%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue

16

Mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 8,4 Grad Celsius liegt der Wert der

Station List auf Sylt um 1,5 Grad Celsius tiefer als im Rheingau, aber um 0,5 Grad

Celsius höher als in Neubrandenburg. Auffallend ist die deutlich höhere Temperatur

im Rheingau in der ersten Jahreshälfte. In den Reifemonaten September und

Oktober ist dagegen eine Angleichung der Temperatur festzustellen.

In den letzten Jahren ist eine merkliche Erhöhung der Temperaturen zu beobachten

(s. Änderungen in den nächsten Jahren (Klimaveränderung) und zu erwartende

Qualität)

b. Sonnenscheindauer

Abb. 7: Mittelwerte der Sonnenscheindauer für den Zeitraum 1961-1990

Jahressonnenscheinstunden: Sylt 1714; Neubrandenburg 1648; Geisenheim 1587 http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=dwdwww_start&T320003

9671164966383319gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadatenzentren

%2FNKDZ%2Fkldaten__akt%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue

Die Anzahl an Sonnenscheinstunden ist auf Sylt mit 1714 Stunden deutlich erhöht

gegenüber dem Standort Geisenheim mit 1587 Stunden im Jahr. Der Faktor

Sonnenscheinstunden dürfte demnach kein begrenzender Faktor für die

Anbaueignung darstellen.

17

c. Niederschlagsverhältnisse

Abb. 8 Mittelwerte des Niederschlags für den Zeitraum 1961-1990 Jahresniederschlag. Sylt 745,3 mm; Neubrandenburg 548,1 mm; Geisenheim 536,1 http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=dwdwww_start&T3200039671164966383319gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadatenzentren%2FNKDZ%2Fkldaten__akt%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue

Die Niederschlagsverhältnisse auf Sylt sind durch erhöhte Niederschläge im

September und Oktober mit > 80 mm Niederschlag (gegenüber den

Vergleichsstationen) gekennzeichnet. Auf der Basis einer

Jahresniederschlagssumme von 745 mm ist von einer ausreichenden

Wasserversorgung auszugehen. Die erhöhten Niederschläge während der

Reifephase sind insbesondere im Pflanzenschutz zu beachten, da ein erhöhter

Botrytis-Befall zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund sind die relativ hohen Niederschläge in der Reifephase als problematisch zu bewerten. Hierbei ist

insbesondere die erhöhte Botrytis-Gefahr (Sauerfäule, Stielfäule, Grauschimmel) in

dieser Phase zu beachten. Es ist unbedingt notwendig, alle Maßnahmen zu

ergreifen, die den Befall mit Botrytis reduzieren. Neben der Sortenwahl

(Lockerbeerigkeit), der Laubwandgestaltung und Laubarbeiten (Entblätterung der

Traubenzone) ist der Einsatz von Spezialbotrytiziden (und Bioregulatoren?)

unbedingt anzuraten. Starker Botrytis-Befall - bedingt durch die erhöhten

Niederschläge während der Reifephase - ist sowohl bei der Weißwein- als auch bei

der Rotweinproduktion sehr problematisch.

Aufgrund der ständigen Windbelastung verringert sich die Problematik durch eine

gute Durchlüftung der Anlage. Bei der Gestaltung des Windschutzes ist auf die

18

Verhältnisse im Herbst zu achten. Gegebenenfalls ist ein mobiler Windschutz zu

installieren, der während der Reifephase leicht entfernt oder winddurchlässig

gemacht werden kann.

Da das Auftreten von Botrytis bei vergleichsweise niedrigen Reifegraden zu erwarten ist, muss mit erheblichen Qualitätsproblemen und Ernteverlusten gerechnet werden. Bei Rotweintrauben sind zusätzlich starke Verluste in der

Farbausbeute zu befürchten. Mit Botrytis befallenes Traubenmaterial eignet sich

nicht zur Rotweinbereitung und könnte lediglich zur Herstellung eines Roséweines

genutzt werden.

Gegenüber Botrytis stark anfällige Sorten wie Kerner oder Sauvignon blanc scheiden

aus diesen Gründen bei der Sortenwahl aus.

3. 3 Phänologie Reben Austrieb

Das Auftreten von Frost nach dem Austrieb (Spätfrostgefahr) führt bei Reben zu

größeren Schäden bis hin zum Totalausfall. Von daher sind Regionen mit regelmäßig

oder gehäuft auftretenden Frostereignissen zum Zeitpunkt Ende April oder Anfang

Mai (Spätfrost) für den Weinbau ungeeignet oder erfordern aufwendige Frostschutz-

maßnahmen.

Aufgrund der verzögerten Erwärmung im Frühjahr ist mit einem Austrieb nicht vor Mitte Mai zu rechnen. Da Daten über den Verlauf der Phänologie bei Reben für den

zu bewertenden Standort fehlen, wird hierbei der phänologische Ablauf anderer

Pflanzengattungen als Maßstab zurückgegriffen.. Auf der Basis dieser Daten wird die

Spätfrostgefahr als nicht besonders hoch eingestuft und damit als vernachlässigbar

angesehen. Gegenüber dem Rheingau ist mit einer Verzögerung des Austriebs um

zwei bis drei Wochen zu rechnen. Das ohnehin geringe Risiko von Schäden durch

Spätfröste auf dem Bewertungsstandort Sylt durch den vergleichsweise späten

Austriebstermin noch geringer.

Ein Spätfrostschaden ist daher nicht zu befürchten, so dass die Spätfrost-gefahr nicht als begrenzender Anbaufaktor anzusehen ist.

Diese Aussage gilt auch für die Gefahr von Frühfrösten, also von Minustemperaturen

während der Reifezeit, die zu einer Verkürzung der Vegetationszeit führen könnten.

Es kann also von einer ausreichend langen Vegetationszeit und einer potentiell

19

späten Lese ausgegangen werden. Eine Zeitspanne von über 200 Tagen ohne Frost

entspricht den Bedingungen des Rheingaues. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien steht eine ausreichend lange Vegetationszeit zur Verfügung. Es wird allerdings betont, dass dieser Parameter keine Aussage über die Ausnutzung der

Vegetationszeit für die Qualitätsbildung ist. Die für das Wachstum der Reben und die

Reife der Trauben zur Verfügung stehenden Vegetationszeit ist unter Umständen

genauso lang wie in den traditionellen deutschen Weinbaugebieten; allerdings liegt

die Vegetationsphase um zwei bis drei Wochen später, was insbesondere im Herbst

hinsichtlich der Ausreifung der Beeren und des bereits angesprochenen Pilzbefalls

problematisch sein kann.

Blüte

Die zu erreichende Qualität, insbesondere das zu erzielende Mostgewicht, hängt

entscheidend vom Blütetermin und der damit zur Verfügung stehenden Reifezeit ab.

Unter Berücksichtigung der phänologischen Daten anderer Pflanzengattungen

scheint die Blüteperiode und damit der Fruchtansatz unter den auf Sylt herrschenden Bedingungen eine problematische Phase zu sein. Neben dem um

zwei bis drei Wochen später stattfindenden Blühbeginn kann die Temperatur

während und nach der Blüte problematisch sein. Temperaturen unter 15 Grad

Celsius führen zu einer verzögerten Blüte und einem höheren Verrieselungsgrad,

also einem geringeren Ertrag. Um das Risiko starker Ertragsverluste zu reduzieren,

ist der Anbau von Sorten mit geringer Verrieselungsneigung zu empfehlen, d.h. der Anbau von Sorten mit hoher Blühfestigkeit (geringe Verrieselungsanfälligkeit) wird nachdrücklich empfohlen. Da die Temperatur auf dem Standort in Keitum

durch den Wind beeinflusst wird, ist die Schaffung eines optimalen Bestandesklimas

durch Windschutzmaßnahmen erforderlich. Dennoch muss mit beträchtlichen

Ertragsschwankungen gerechnet werden, die auch durch Sortenwahl und

weinbauliche Maßnahmen nicht vollständig ausgeglichen werden können. Im

langjährigen Mittel muss mit einem gegenüber den Erträgen in den traditionellen

Anbaugebieten deutlich reduzierten Ertrag gerechnet werden. Realistisch sind

Erträge von ca. 40 - 50 hl/ha mit größeren Ertragsschwankungen. In Jahren mit

besserem Fruchtansatz sollte allerdings kein sehr hoher Ertrag angestrebt werden,

da dies zu erniedrigten oder extrem niedrigen Reifegraden führen würde. In solchen

Jahren ist eine Ertragsreduzierung dringend geboten. In Jahren mit ungünstigen

20

Temperaturverhältnissen im Zeitraum der Blüte muss auch mit stark verminderten

Befruchtungsraten und damit sehr geringen Erträgen gerechnet werden.

Reife

Im Mittel ist mit einer Sonnenscheindauer von ca. 1.700 Stunden zu rechnen. Damit

ist die Sonnenscheindauer als nicht kritisch einzuordnen.

Die Temperatursumme in der Vegetationsperiode ist mit einem Standort in Neubrandenburg vergleichbar, gegenüber Rieslingstandorten im Rheingau

(Geisenheim) allerdings deutlich reduziert.

Von Vorteil ist die fehlende Kaltluftgefährdung des Standortes, was positive

Auswirkungen auf das zu erwartende Bestandesklima hat.

Reife und Zuckergehalt

Es kann von einer um zwei bis drei Wochen verzögerten Reife bei dem zu bewer

tenden Standort ausgegangen werden. Diese Reifeverzögerung bedingt die Ernte

von Trauben mit einem geringeren Mostgewicht. Dieser Standortnachteil kann

teilweise durch die Sortenwahl und durch den zu erwartenden geringeren Ertrag bzw.

durch eine konsequente Ertragskontrolle ausgeglichen werden.

4 Weinbauliche Betreuung Bedingt durch die isolierte Lage ist ein effektiver Schutz gegen Wildverbiss erforder-

lich. Die Fläche ist unbedingt mit einem entsprechenden Zaun zu schützen. Dieser

Schutz ist sowohl gegen Kaninchen als auch Reh- und Schwarzwild erforderlich.

Zusätzlich empfiehlt sich ein Schutz gegen Vogelfraß.

Als Bodenpflegesystem kann eine Begrünung der Flächen vorgenommen werden.

Um den Befall mit Pilzkrankheiten zu minimieren, ist eine regelmäßige Bearbeitung

(Mulchen) notwendig. Die Begrünung darf auf keinen Fall zu einer Erhöhung der

Luftfeuchte in der Anlage führen. Dies gilt insbesondere in der zweiten Hälfte der

Vegetationsperiode, um für den Botrytis-Pilz ungünstige Entwicklungsbedingungen

zu schaffen..

21

Als Erziehungssystem bietet sich die Spaliererziehung an. Eine Zeilenbreite von 2,00

m bis 2,20 m erfordert spezielle Maschinen, die eine Bearbeitung erlauben. Dies gilt

sowohl für den Schlepper als auch für Bodenbearbeitungs- und Pflanzenschutz-

geräte. Bei der Wahl des Erziehungssystems ist unbedingt ein Verfahren zu

bevorzugen, welches eine gute Durchlüftung der Traubenzone gewährleistet. Dies

gilt auch für die durchzuführenden Laubarbeiten während der Vegetationszeit. Die

Pflanzdichte sollte mit ca. 4.500 bis 5.000 Reben/ha ausgelegt werden.

Pflanzenschutz

Der Pflanzenschutz - insbesondere gegen pilzliche Schaderreger - ist bei diesem

Standort von besonderer Bedeutung.

Grundsätzlich sollte größter Wert auf nachhaltige Pflanzengesundheit gelegt werden,

was i.d.R. einen vielschichtigen Rebschutz erforderlich macht. Dies gilt in erster Linie

für die Bekämpfung des Erregers des Falschen Mehltaus (Plasmopara viticola,

Rebenperonospora), während der Befall mit Echtem Mehltau (Uncinula necator,

Oidium) als eher unproblematisch gesehen werden kann.

Werden so genannte interspezifische Kreuzungen angebaut, kann die Gefahr eines

erhöhten Befalls mit Falschem Mehltau minimiert werden, da diese Sorten weniger

anfällig für bestimmte Pilzkrankheiten sind.. Erfahrungen bei der Bewirtschaftung

interspezifischer Rebsorten liegen in Deutschland insbesondere im Bereich des

ökologischen Weinbaus vor. Die Gefahr des verstärkten Auftretens von Pilzkrank-

heiten ist also bei der Auswahl der Rebsorten ein wichtiges Entscheidungskriterium.

Allerdings können über den auf Sylt herrschenden Infektionsdruck durch Vermeh-

rungseinheiten des Falschen Mehltaus keine Aussagen gemacht werden. In den

ersten Jahren der Bewirtschaftung wird sich die Befallssituation ggf. schwach dar-

stellen, da die Primärinfektion aufgrund des oosporen-freien Standortes nicht vom

Boden ausgehen wird. Es ist aber damit zu rechnen, dass sich diese Situation mit

fortschreitender Bewirtschaftungsdauer ändern wird. Das bodenbürtige

Inokulumpotential und der Infektionsdruck werden sich stetig erhöhen. Allerdings wird

sich der Standort aufgrund der isolierten Insellage in Bezug auf rebenspezifische

Pilzkrankheiten (z.B. Falscher Mehltau, Echter Mehltau, Schwarzfäule) nie mit den

Bedingungen in den traditionellen deutschen Anbaugebieten vergleichen lassen.

22

Dies gilt nicht für den ubiquitär vorkommenden Schadpilz Botrytis cinerea, der auch

andere Pflanzengattungen befällt. Hinzu kommt, dass bei der Sortenwahl die

Toleranz bzw. Resistenz gegenüber den Erregern des Echten und des Falschen

Mehltaus genutzt werden kann, was im Falle von Botrytis nicht möglich ist. Daher

sind Sorten mit einer gewissen „Botrytis-Festigkeit“ (Lockerbbeerigkeit, dickere

Beerenhaut) besonders in Betracht zu ziehen.

Durch die erhöhten Niederschläge in der Reifephase ist die indirekte und direkte

Bekämpfung von Botrytis von besonderer Bedeutung (vgl. Kapitel 3.2).

Neben einer entsprechenden Sortenwahl ist die intensive Vorbeugung gegen Botrytis

(durch geeignete Erziehungssysteme) und die direkte Bekämpfung (durch den

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln) zu empfehlen . Maßnahmen der Fäulnis-

prävention und der Kulturhygiene müssen also ihren festen Platz im Katalog der

anzuwendenden Verfahren des Pflanzenbaus haben. Als Rebschutzmaßnahme ist

aber der Einsatz von Spezialbotrytiziden unbedingt geraten. Über den Einsatz von

Bioregulatoren muss situationsbedingt entschieden werden, weil derzeit zum

Auftreten von Verrieselung keine Aussage gemacht werden kann, was ggf. gegen die

Applikation von Bioregulatoren im Rahmen der Fäulnisprävention sprechen könnte.

5 Sortenwahl 5.1 Anforderungen Folgende Anforderungen an die Sortenwahl müssen erfüllt sein:

frühe oder mittelfrühe Reife

Blühfestigkeit

Lockerbeerigkeit (geringe Botrytis-Anfälligkeit)

Als erstes wichtiges Kriterium ist der Reifezeitpunkt der Sorte zu nennen. Im

agrarmeteorologischen Teil der Ausführungen wird stets die Sorte Riesling als

Vergleichssorte herangezogen.

Für den Standort erscheinen „klassische“ spätreifende Sorten, wie z.B. Riesling

oder Sorten mit einem vergleichbaren Anspruch an die Qualität der Lage als nicht bzw. bedingt geeignet. Dagegen kommen Sorten mit einem frühen Reifezeitpunkt in Frage. Nur auf der Basis dieser Auswahl - in Verbindung mit moderaten Erträgen -

ist eine zufrieden stellende Ausreife zu erwarten. Der Anbau von mittelspät oder

23

sogar spät reifenden Sorten ist nicht möglich. Demzufolge scheiden auch alle so

genannten internationalen Rotweinsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder

Shiraz aus.

Da keine besondere Frostgefahr besteht, können auch weniger winterfrostanfällige

Sorten wie Müller-Thurgau, Ortega oder Huxel angebaut werden. Die Bedeutung der

Sortenwahl hängt in besonderem Maße von der späteren Verwendung des Sorten-

namens ab. Wenn realistischerweise lediglich Tafel- oder Landwein als Produktions-

ziel angestrebt wird, spielt die Sortenbezeichnung keine Rolle.

Der Anbau von Rotwein wird durch die erhöhte Botrytis-Anfälligkeit und die Reifever-

zögerung als kritisch eingestuft. Wenn ein Rotweinanbau vorgenommen wird,

sollte auf den Aspekt Pilztoleranz unbedingt geachtet werden.

5.2 Anbau interspezifischer Sorten Interspezifische Sorten weisen eine gewisse Toleranz gegen Pilzkrankheiten auf.

Dabei steht der verminderte Befall durch den Echten und den Falschen Mehltau im

Vordergrund. Durch die Auswahl dieser Sorten könnte der chemische Pflanzenschutz

deutlich reduziert werden. Da nicht mit einem gehäuften Auftreten von Heu- und

Sauerwurm (Traubenwickler) in dieser isolierten Lage zu rechnen ist, kann der

Pflanzenschutz reduziert und auf Maßnahmen zur Unterstützung der Widerstands-

fähigkeit gegen Echten und Falschen Mehltau und der Fäulnisprävention (vor allem

gegen Botrytis) beschränkt werden. Es sei nochmals betont, dass keine Toleranz

oder Resistenz gegen Botrytis bei diesen Sorten vorliegt. Durch geeignete

weinbauliche Maßnahmen, wie eine gezielte Entblätterung, kann in Jahren mit

geringen Niederschlägen in der Reifephase der Pflanzenschutz auf ein Minimum

reduziert werden. Zum kombinierten Einsatz von Laubarbeiten, Bioregulatoren und

Spezialbotrytiziden liegen in Geisenheim mehrjährige Versuchsergebnisse vor.

Die in den traditionellen Weinbaugebieten auftretenden Anbauprobleme im Bereich

Rebschutz würden sich auf dem zu bewertenden Standort durch die Sortenwahl

deutlich reduzieren lassen. In diesem Zusammenhang ist in Betracht zu ziehen, den

Erreger des Falschen Mehltaus mit Verfahren und Strategien des ökologischen

Weinbaus zu regulieren.

24

Inwieweit diese Aspekte bei der Vermarktung eine Rolle spielen könnten und

bewusst deklariert werden sollten, wäre zu prüfen.

Darüber hinaus weisen interspezifische Sorten in der Regel eine geringe Anfällig-keit für Verrieselung auf. Vor diesem Hintergrund ist mit höheren und gleich-

mäßigeren Erträgen zu rechnen, da bei diesen Sorten geringere Ertragsschwan-

kungen zu befürchten sind. Die möglichen, in Kapitel 3.3 angesprochenen Probleme

einer mangelnden Verblührate aufgrund von wechselhaftem Wetter zum Zeitpunkt

der Blüte und damit einhergehenden ungleichmäßigen oder niedrigen Erträgen

wären somit reduziert.

5.3 Weißwein Beispiele Sortenwahl (Interspezifische Sorten)

Als Übersicht (Weißwein) kann die Zusammenstellung des Staatlichen

Weinbauinstitutes Freiburg dienen.

Nach dieser Liste erscheint die Sorte Solaris, die fruchtige Weine ergibt, besonders

geeignet. Neben einer frühen Reife ist die Anfälligkeit gegen Verrieselung und gegen

Stiellähme zu nennen.

Als zweite Weißweinsorte mit vergleichbaren Eigenschaften ist die Sorte Merzling zu

nennen. Der Reifezeitpunkt dieser Sorte ist mit der Sorte Müller-Thurgau vergleich-

bar, so dass sie aus diesem Grunde für den Standort als geeignet erscheint.

Die nachfolgenden, ausführliche Beschreibungen der Sorten wurden vom Staatlichen

Weinbauinstitut Freiburg übernommen.

25

26

Solaris

Die weiße Rebsorte (auch FR 240-75) ist eine Neuzüchtung zwischen Merzling x GM

6493. Die Kreuzung erfolgte im Jahre 1975 am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg

(Baden-Württemberg). Die früh reifende Sorte ist sehr gut gegen beide Mehltau-Pilze

resistent und nur gering anfällig für Verrieselung. Sie wird im deutschen Anbaugebiet

Baden (Markgräflerland) und in den zwei Schweizer Kantonen Zürich (Winterthur)

und Thurgau kultiviert. Die Sorte erbringt kräftige Weißweine mit eingebundener

Säure und ausgeprägter Fruchtigkeit. Sie war Kreuzungspartner bei den

Neuzüchtungen Galanth und Muscaris.

Merzling

Die weiße Rebsorte ist eine Neuzüchtung zwischen Seyve-Villard 5-276 x (Riesling x

Ruländer). Die Kreuzung erfolgte im Jahre 1960 durch Dr. Johannes Zimmermann

(1907-1998) am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (Baden-Württemberg). Der

Name leitet sich vom Stadtteil Merzhausen in Freiburg ab, in dem das Institut (das in

der Merzhauserstraße ansässig ist) mehrere Rebflächen besitzt. Die früh reifende

27

Rebe ist ertragreich, pilzresistent und widerstandsfähig gegen Frühfröste. Der

grünlich-gelbe Wein hat ein fruchtiges Bouquet und ähnelt dem Müller-Thurgau.

5.4 Rotwein Als Vergleichssorte wurde bei der Zusammenstellung von Rotweinsorten die Sorte

Spätburgunder (Pinot noir) herangezogen. Es ist unbedingt eine Sorte auszuwählen,

die früher als Spätburgunder geerntet werden kann. Von den in der Übersicht

gelisteten Sorten kommen Cabernet Carol und Cabernet Cantor in Frage. In dieser

Liste ist der vergleichsweise extrem späte Reifezeitpunkt von Cabernet Sauvignon zu

erkennen.

Neben den beiden genannten interspezifischen Sorten Cabernet Carol und Cabernet

Cantor soll die positive Bewertung der Sorte Regent im Weinbau in Mecklenburg

angeführt werden. Dort wird diese Sorte nach einer Versuchsphase ausschließlich

angebaut.

28

Die Sorte Rondo mit einer frühen Reife und einer besonders intensiven Farbe stellt

eine weitere Alternative dar. Diese Sorte wird u.a. auch in Dänemark angebaut.

Weiterhin käme auch die Sorte Bolero (Gm 8221-3) in Frage. Die Sorte zeichnet sich

durch eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Oidium und eine gute bis mittlere

Plasmopara-Toleranz aus. Aufgrund der lockeren Traubenstruktur und der festen

Traubenstiele ist die Botrytis-Anfälligkeit gering. Bis auf Extremjahre konnte unter

den Bedingungen in den traditionellen Weinbaugebieten auf den Einsatz von

Fungiziden verzichtet werden.

(Herkunft: Kreuzung aus dem Jahr 1982 mit den Elternsorten Gm 6427-5 (Rotberger

x Reichensteiner) x Chancellor (Seibel 7053). Gm 6427-5 ist eine frühreife, reich-

tragende Weißweinsorte. Chancellor ist eine besonders winterharte und Oidium-

Resistente französische Sorte.)

29

30

Regent Die rote Rebsorte (auch Geilweilerhof 67-198-3) ist eine Neuzüchtung zwischen

Diana (Silvaner x Müller-Thurgau) x Chambourcin, also ein Ergebnis zwischen

weißen und roten Sorten. Die Kreuzung erfolgte im Jahre 1967 durch Dr. Gerhardt

Alleweldt (1927-2005) am Institut Geilweilerhof in Siebeldingen (Pfalz). Die mittel-früh reifende Sorte ist sehr frostresistent und gilt als die gegen beide Mehltau-

Krankheiten widerstandsfähigste Neuzüchtung Deutschlands. Der Sortenschutz

wurde 1994, die Zulassung im Jahre 1995 erteilt. In der Zwischenzeit ist sie in allen

deutschen Anbaugebieten zugelassen.In Deutschland betrug die Gesamtrebfläche

im Jahr 2004 über 2.000 Hektar, die Tendenz ist stark steigend. Weitere Anbau-

flächen gibt es in der Schweiz und in den Niederlanden. Der tiefrote, farbkräftige und

tanninbetonte Wein erinnert an südländische Weine. Wegen dieser Sorte entbrannte

ein Streit zwischen der EU und Deutschland, denn auf Grund der Vatersorte

Chambourcin mit amerikanischen Genen war sie ursprünglich gemäß EU-

Verordnung nicht als Qualitätswein-Rebsorte klassifiziert. In der Zwischenzeit wurde

die Sorte als der Spezies Vitis vinifera zugehörig anerkannt (siehe dazu ausführlich

unter Hybriden).

Rondo Die rote Rebsorte (auch Geisenheim 6494-5, GM 6494-5) ist eine Neuzüchtung

zwischen Zarya Severa (mit Genen von Vitis amurensis) x St. Laurent. Die Kreuzung

erfolgte im Jahre 1964 durch Professor Kraus in der damaligen CSSR. Er bot Dr.

Helmut Becker (1927-1990) in Geisenheim einige der Rebkerne an, der die

Bedeutung dieses Zuchtmaterials erkannte. Die früh reifende Sorte besitzt eine

hohe Resistenz gegen Winterfrost und Falschen Mehltau (jedoch nur schwache

gegen den Echten Mehltau). Sie erbringt einen rubinroten Wein, der sich als

Teinturier (Farbverstärker) auch sehr gut zu Verschnitten eignet. Die Sorte wird in Rheinhessen sowie in Dänemark, England und in den Niederlanden angebaut.

31

32

6. Änderungen in den nächsten Jahren (Klimaveränderung) und zu erwartende Qualität Viele jüngere Studien belegen eine potentielle Verschiebung der Weinbaugrenze

nach Norden. Mit Hilfe des Huglin-Indexes kann die Sorteneignung für jede Fläche

errechnet werden. In Abb. 9 wird die mögliche Veränderung der Sorteneignung

aufgezeigt. So werden für den Standort Potsdam seit Mitte der 90er Jahre Werte

erzielt, die bis in die 70er Jahre den Bedingungen des Rheingaus entsprochen

haben. In zehn Jahren werden Bedingungen prognostiziert, die als deutlich besser zu

beurteilen sind, als die Anbaubedingungen im Rheingau in den 70er Jahren. Es ist zu

erwarten, dass diese klimatischen Veränderungen auch weiter im Norden liegende

Standorte begünstigen werden.

Am Standort Johannisberg wird die Verschiebung der Vegetationszeit mit dem

Erntetermin dokumentiert (Abb. 10). Die um bis zu vier Wochen frühere Ernte

bedeutet für einen Standort mit einer verzögerten Reife eine längere Reifezeit.

Die zu erwartende Klimaveränderung wird demnach die Anbaubedingungen auf dem

bewerteten Standort verbessern; das Risiko, die erforderlichen Mindestmostgewichte

für Tafelwein oder Landwein nicht zu erreichen, wird in den nächsten Jahren bzw.

Jahrzehnten sinken.

33

Abb.9 1

Abb. 102

Die Veränderungen der klimatischen Bedingungen wird aus Abbildung 11 ersichtlich.

Abb. 11: Mittlere Temperatur im Juni (1), Juli (2) und August (3) in verschiedenen

Beobachtungszeiträumen (Quelle: verschiedene Quellen DWD)

1 Manfred Stock et al. Weinbau und Klima – eine Beziehung wechselseitiger Variabilität, Terra Nostra 2003/6: 6.

Deutscher Klimatag, http://www.pik-potsdam.de/~stock/paper/weinbau&klima_dkt2003.pdf 2 Manfred Stock et al. Weinbau und Klima – eine Beziehung wechselseitiger Variabilität, Terra Nostra 2003/6: 6.

Deutscher Klimatag, http://www.pik-potsdam.de/~stock/paper/weinbau&klima_dkt2003.pdf

34

In den letzten Jahren ist ein Anstieg der mittleren Tagestemperatur im Sommer zu

beobachten. Während für den Zeitraum 1961 bis 1999 eine mittlere Temperatur von

14,2 Grad Celsius ermittelt wurde, beträgt im letzten gezeigten Zeitraum (1999 –

2007) die Temperatur 14,7 Grad Celsius. Im Jahre 2007 wurden sogar 16,8 Grad

Celsius erreicht.

Eine solche Veränderung ist auch für Juli und August zu beobachten. So stiegen die

Werte von 16,2 Grad Celsius (1961 – 1999) auf 17,4 Grad Celsius (1999 – 2007) an.

Im Jahre 2002 wurden sogar 19,9 Grad Celsius erreicht. Die zu beobachtende

Klimaveränderung führt bei den betrachteten Flächen zu einer Verringerung des

Anbaurisikos.

Produktionsziel Erzeugung Tafelwein

Im deutschen Weingesetz wird mit der Bezeichnung Tafelwein die unterste

Qualitätskategorie bezeichnet, die allerdings keiner besonderen Qualitätsprüfung

unterliegt. Deutscher Tafelwein der Weinbauzone A muss ausschließlich von

zugelassenen Rebsorten stammen und einen natürlichen Mindestalkoholgehalt von 5

Vol.-% aufweisen. Das entspricht einem sogenannten Mindestmostgewicht von 44

Grad Oechsle.

Unter den vorhandenen Bedingungen dürfte dieses Mindestmostgewicht auf den betrachteten Flächen erreicht werden. Dies gilt besonders unter den in den

beiden letzten Dekaden herrschenden Bedingungen und den weiter zu erwartenden

Veränderungen. Witterungsabläufe wie 1972, 1974, 1980 oder 1984, die auch in

traditionellen Anbaugebieten zu vergleichsweise niedrigen Mostgewichten führten,

sind unter den Bedingungen der Klimaveränderung kaum zu erwarten.

Tafelwein muss nach Anreicherung einen Alkoholgehalt von mindestens 8,5 Vol.-%

aufweisen. Deutsche Tafelweine dürfen keine Lagennamen, keine Gemeinde oder

Ortsteilnamen und keine Namen von bestimmten Anbaugebieten tragen. Diese

Bezeichnungen sind ausschließlich den Qualitätsweinen vorbehalten.

Landwein ist weinrechtlich gesehen ein gehobener Tafelwein. Deutscher Landwein

bezeichnet demnach Wein der zweitniedrigsten Qualitätsstufe nach dem Tafelwein.

35

Die Mindestmostgewichte liegen daher um mindestens 0,5 Vol-% Alkohol, das

entspricht 3 Grad Oechsle höher. Seit 1982 gibt es die Bezeichnung Landwein als

Qualitätsstufe für einen gebietstypischen trockenen oder halbtrockenen Tafelwein.

Deutscher Landwein darf ausschließlich aus Trauben der Region gekeltert werden,

aus welcher der Wein stammt.

Aus den oben genannten Gründen dürfte auch das Mindestmostgewicht von 48 Grad Oechsle keine andere Hürde als das Mindestmostgewicht für Tafelwein darstellen. Beide Bezeichnungen wären demnach möglich.

Es wird als durchaus realistisch eingeschätzt, Weine mit diesen Bezeichnungen zu

produzieren. Die Genehmigung der hier begutachteten Flächen als anerkannte

Rebflächen ist unter den aktuellen weinrechtlichen Bestimmungen in beiden Fällen

erforderlich. Die Vorgehensweise in Mecklenburg-Vorpommern mit der Ausweisung

eines sog. Landweingebietes kann dabei als Beispiel herangezogen werden.

7. Umsetzung Der Anbau von Reben auf den beantragten 4000 m2 erscheint möglich und ist mit

einem tragbaren Risiko verbunden. Da es sich beim Weingut Ress um ein etabliertes

Weingut mit einem ausgewiesenen hohen Qualitätsstandard handelt, ist von einer

optimalen Betreuung der Rebflächen auszugehen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des

Pflanzenschutzes, der Schaffung eines optimalen Bestandesklimas, der konse-

quenten Begrenzung der Erträge und der allgemeinen Weinbergspflege. Es kann von

einer nachhaltigen Produktion ausgegangen werden. Wenn bei der Sortenwahl von

dem Vorschlag der Pflanzung einer frühreifen Sorte abgewichen wird, sollte eine

entsprechende Zusammenarbeit mit einem Beratungs- und Forschungsinstitut

angestrebt werden. Die Forschungsanstalt Geisenheim hat großes Interesse an einer

Auswertung solcher Versuche.

Die Investitionskosten für die beantragte Fläche sind überschaubar.

36

8. Schlussfolgerungen Auf einem Teil der begutachteten Fläche in Sylt – Gemarkung Keitum - könnte -

vergleichbar mit der vom Gutachter bewerteten Fläche in Grebin oder dem Weinbau

in Mecklenburg-Vorpommern (Stargart, Schloss Rattay) - Weinbau betrieben werden.

Die Produktion von Tafel- oder Landwein ist grundsätzlich möglich.

Der Anbau von frühreifen interspezifischen Rebsorten wird empfohlen. In diesem

Zusammenhang ist vor allem auf die Botrytis-Festigkeit und eine geringe Neigung zur

Verrieselung (Blühfestigkeit) zu achten.

Durch weinbauliche Maßnahmen wie Sortenwahl und Ertragsbegrenzungen, falls

erforderlich, kann ein Mindeststandard erreicht werden. Dabei sind diese

weinbaulichen Maßnahmen unter den eingeschränkten klimatischen Rahmen-

bedingungen besonders wichtig. Um das Risiko zu minimieren, sollte daher auch

eine eingeschränkte Sortenwahl vorgenommen werden.

Die Optimierung des Bestandsklimas ist von besonderer Bedeutung und muss durch

Windschutzmaßnahmen verbessert werden. Insbesondere hinsichtlich des Wind-

schutzes sind besondere Maßnahmen notwendig. Die Schaffung eines künstlichen

Windschutzes, besonders in der ersten Phase, ist zu prüfen.

Als Erziehungssystem wird eine Drahtrahmenerziehung empfohlen. Es muss mit erheblichen Ertragsschwankungen aufgrund der niedrigen Temperaturen zur Zeit der Blüte gerechnet werden. Alle Prognosen deuten allerdings auf eine

Verschiebung der Weinbaugrenze nach Norden hin.

37

Dänemark 

Aus bester Randlage

Von Rainer Schäfer | © DIE ZEIT, 24.07.2008 Nr. 31

• Schlagworte:

• Klima

• Klimawandel

Der Klimawandel macht’s möglich: In Dänemark keltern Liebhaber Wein, der teuer ist, aber

erstaunlich gut schmeckt

Am Dansk VinCenter in Kopenhagen wird erforscht, welche Rebsorten das nordische Wetter

am besten vertragen

© Dansk VinCenter

Kein Zweifel, es sind Rebstöcke, keine zehn Kilometer vom Rathausplatz Kopenhagens

entfernt. Alles würde man hier erwarten, aber nicht diese Reben, die sich etwas verloren an

Stahldraht festklammern zwischen funktionalen Wohnblocks und Industrieanlagen der

Vorstadt. Es regnet in Strömen, sehr zur Freude von Lars Juhl Olesen, dem Direktor des

Dansk VinCenter. In den letzten Wochen war es trocken, »das ist nicht normal für

Dänemark«. Aber was ist schon normal für ein Land, dessen Weine selbst Kennern bis jetzt

38

kaum bekannt sind? Das statt Riesling und Spätburgunder Rebsorten mit zweifelhaften

Namen wie Rondo oder Bolero kultiviert?

Olesen, Jahrgang 1957, ist erst seit Januar Direktor. Die elf Jahre davor hat er als

Weinhändler in Spanien verbracht. Ist es nicht verrückt, eins der besten Weinländer der Welt

zu verlassen, um in einem dänischen Gewerbegebiet Trauben zu pflanzen? Olesen zieht das

entspannte Lächeln auf, das viele Dänen beherrschen. Gelassenheit – das ist seine Antwort.

Jene Gelassenheit, der man im ganzen Land begegnet. Selbst auf den Autobahnen wird

meditatives Fahren eingeübt, verbunden mit möglichst wenig Aufregung für alle.

Das Dansk VinCenter gilt als Schrittmacher im dänischen Weinbau. Sieben Jahre lang, von

1992 bis 1999, wurden hier 200 Rebsorten darauf getestet, ob sie dem nordischen Klima

standhalten. Inzwischen wachsen auf drei Hektar Rondo, Leon Millot, Castel und Regent,

alles Rotweinsorten. »Am Anfang«, erzählt Olesen, »waren sie hier froh, dass überhaupt

etwas gewachsen ist. Inzwischen haben wir unseren eigenen Stil gefunden.« Seit August 2000

ist Dänemark von der EU als Weinland anerkannt, mit 99 Hektar Anbaufläche, verteilt auf die

Regionen Fünen, Jütland, Seeland und Bornholm. Das Anbaugebiet Bornholm besteht aus

einem einzigen Winzer, für den ein eigener Verwaltungsbeamter zuständig ist – einmalig in

Europa.

»Jetzt müssen wir endlich probieren.« Olesen kann es kaum erwarten, seinen Nordlund

vorzuführen, den Prestigewein des VinCenter. Auf dem Etikett prangt das Wikingersymbol

wie ein Hosenknopf, das Design der Flasche wurde auf Grau und Weiß reduziert, »Farben,

kalt wie Dänemark«. Olesen zieht die Flasche auf, es ist tatsächlich Wein drin, er riecht nach

Waldbeeren und einer Spur Eukalyptus. Der Nordlund ist kein Kraftprotz, er ist von mittlerer

Struktur und hat eine leichte Holznote von einigen Monaten Lagerung in ungarischen

Eichenfässern. Er erinnert an norditalienischen Wein aus einem mittelmäßigen Jahrgang. Dem

international gefragten üppigen Stil entspricht er nicht.

Aber er widerlegt ein ehernes Gesetz der Weinwelt. Der 52. Breitengrad galt stets als die

Nordgrenze; dort stehen in Neubrandenburg Deutschlands nördlichste Weinberge. Die

Klimaerwärmung aber befördert den Weinbau immer weiter. Der Nordlund ist dem 55.

Breitengrad abgerungen. »In den letzten 100 Jahren ist es hier um zwei Grad wärmer

geworden«, sagt Olesen, »diese Tendenz hält an.« Noch wäre es einfacher, hier Weißwein

anzubauen als rote Rebsorten, die noch mehr Sonne brauchen. »Aber Dänen lieben Rotwein«,

sagt Olesen. Trotz seines stolzen Preises von 40 Euro ist der Nordlund begehrt, er wird auch

39

in den feinen Restaurants Kopenhagens ausgeschenkt. Dänemark wird mehr und mehr ein

Land von Weintrinkern. Ob es auch ein respektiertes Land von Weinerzeugern wird? Olesen

glaubt daran: »Der Wein wird jedes Jahr besser.« Im vergangenen Oktober wurden die

Trauben bei 20 Grad gelesen, sie waren so reif wie noch nie.

Lars Hagerman spricht mit seinen Reben, als wären sie seine Kinder

Von Kopenhagen führt die Küstenstraße nach Helsingør in Nordseeland. Nordseeland gilt als

die Boomregion des dänischen Weines. In die vielen Schlösser der Öresund-Küste, auch

dänische Riviera genannt, zogen sich früher die Könige zurück. In Helsingør erhebt sich die

mächtige Festung Kronborg wie ein Schutzwall, hier ließ Shakespeare seinen Hamlet spielen.

Direkt gegenüber liegt das schwedische Helsingborg, nur durch den schmalen Öresund von

der dänischen Küste getrennt. Die Kanonen von Kronborg sind nicht auf Schweden, sondern

auf die Einfahrt der Meeresenge gerichtet, wo die großen Containerschiffe am Horizont

erscheinen.

Aber morgens ist die See noch unberührt, bis der erste Kutter fährt; wie ein Schneepflug im

Neuschnee hinterlässt er seine Spuren. Der Himmel ist ruhelos, entwirft ein spektakuläres

Wolkenbild nach dem anderen und ist trotzdem nie lange damit zufrieden. Das Morgenlicht

ist so fordernd, dass sogar Langschläfer zu Frühaufstehern werden.

In Ålsgårde geht Lars Hagerman in seinem eingezäunten Weinberg sorgenvoll die Rebreihen

ab. Er war einige Tage mit der Familie in der Toskana, aber es fällt ihm jedes Mal schwer,

sein »kleines Paradies« allein zu lassen. Denn wenn er nicht ständig daran arbeitet, verwildert

das Paradies. In den wenigen Tagen, die er weg war, ist das Unkraut zwischen den Rebzeilen

hochgeschossen, was Hagerman peinlich ist. Keine Fotos, bitte! »Wie geht es euch denn? War

alles in Ordnung hier?« Der Winzer spricht mit seinen Reben, als wären sie seine Kinder,

auch wenn er sich dabei »ein klein wenig idiotisch vorkommt«. Schaden kann es ja nicht.

Das Meer ist keinen Kilometer entfernt, man kann bis Schweden sehen. Hagerman musste mit

seinem Fahrrad weit herumfahren, bis er endlich den idealen Hügel für seine Reben fand. Er

ist nach Süden ausgerichtet und geschützt gegen die rauen Ostwinde. Mit ein wenig

Wohlwollen kann man ihn als Steillage durchgehen lassen. Der Boden setzt sich aus Löß und

etwas Lehm zusammen, weiter unten befindet sich Kalkstein. Von Jahr zu Jahr dringen die

Wurzeln der Rebstöcke weiter in die Tiefe, in den Kalkstein, vor. »Dadurch werden die

Weine komplexer und mineralischer«, erklärt Hagerman. Im nahen Wald stehen Buchen und

Birken, Fischreiher zetern um die Wette. Sie nisten dort, hin und wieder kommen sie

40

Hagerman besuchen. »Wir verstehen uns, sie wissen, dass ich hinter dem Zaun bin.« Es riecht

nach Schafgarbe und Flieder und vermutlich auch nach nordischer Weite.

Hagerman ist Schwede, hat aber die meisten seiner Jahre in Dänemark verbracht, vierzig

davon als Meeresbiologe. Diese Erfahrung kommt ihm als Winzer zugute: Er weiß, was in der

Natur und im Keller vorgeht. Jetzt ist er pensioniert und 66, »leider«, sagt er etwas wehmütig.

Wenn er noch einmal wählen könnte, wäre er gleich Winzer geworden. Wie die meisten

Winzer in Dänemark wird Hagerman von einem deutschen Mentor beraten, bei ihm ist es

Gerhard Roth aus Franken. Roth war in den siebziger Jahren einer der Ersten, die sich zum

ökologischen Weinbau bekannten. Aus Franken bezieht Hagerman auch seine Reben. Anders

als in der Vorstadt Kopenhagens stehen sie hier, als gehörten sie von jeher in diese

Landschaft.

Das maritime Klima Nordseelands ist relativ mild, es eignet sich für die Erzeugung von

Weißwein. Zumindest aus Sorten wie Ortega, Kerner und Siegerrebe, die in Deutschland als

früh reifend gelten. Hier brauchen sie meist bis Oktober. Es ist verblüffend, was Hagerman in

seiner Domain Aalsgaard erzeugt, jenseits von 56 Grad Nord. Ihm gelingen die besten

Weißweine Dänemarks, trocken, leicht im Alkohol, mit strahlender nördlicher Frische. So

können nur Cool-Climate-Weine vom Öresund schmecken. Hagerman empfiehlt sie zu

Garnelen und Krebsen, am besten mit einer fruchtigen Soße aus Mango oder Holunderblüten.

Hagerman könnte zufrieden sein, aber das Weinland Dänemark ist noch in der

Findungsphase. »Dänische Weine sind zu teuer«, sagt er. Er selbst nimmt 20 Euro für eine

Halbliterflasche von dem, was er mühsam der Natur abringt. Langsam spricht sich herum,

dass es lohnt, die Domain Aalsgaard zu besuchen, die sich mit drei anderen Weingütern

Nordseelands zusammengetan hat zur vermutlich kleinsten Weinstraße Europas. Umso größer

schreibt man dort die Gastfreundschaft. An allen vier Stationen werden neben der Verkostung

Führungen durch das Weingut und die Weinberge angeboten. Im Herbst sind Erntehelfer

willkommen.

An der Weinstraße liegt auch Frederiksborg Vin, eine Kooperative mit 320 Mitgliedern. Eines

davon ist Prinz Henrik von Dänemark, der Ehemann von Königin Margrethe II. Der Prinz

füllt auch etwas Wein aus eigenem Anbau ab, die Reben stehen direkt neben dem berühmten

Schloss Frederiksborg in Hillerød. Die Königin lässt es sich nicht nehmen, die Etiketten

persönlich zu gestalten. Unweit des Schlosses liegt der Arresø, mit 41 Quadratkilometern der

größte See Dänemarks. Er soll entstanden sein, als ein böser Troll die Stadt Farum begraben

41

wollte und dafür einen riesigen Sack mit Erde volllud. Das entstandene Loch füllte sich mit

Wasser.

Über dem Fjord hängen Wolken wie Sofakissen

Es gibt keinen Grund, an der Sage zu zweifeln. Schließlich wachsen hier auch Weinreben –

bis vor Kurzem völlig undenkbar –, da wird es für einen Troll ein Leichtes gewesen sein, den

Arresø zu gestalten. In Helsinge am Arresø macht auch die Weinstraße beim Annisse Vingård

halt, bevor sie am Roskilde Fjord endet. Es lohnt sich, ihr bis zum Endpunkt zu folgen, zum

Weingut Degnemosegaard im Fjordland. Das Ehepaar Poulsen ist hier ansässig geworden,

beide haben gut bezahlte Berufe aufgegeben, um vom Weinbau zu leben. Gorm Poulsen, 62,

arbeitete als Steuerberater in Kopenhagen, die Zahnärztin Kirsten, 61, betrieb eine eigene

Praxis.

Sie wirken etwas bedrückt, als sie ihre Weinberge zeigen. Einzelne Rebreihen sind

verkümmert und werden dieses Jahr keine Trauben liefern, ein Frost hat die Austriebe

vernichtet. »Manchmal«, sagt Gorm Poulsen, »zweifelt man schon daran, ob es nicht zu

mühsam ist, hier Wein anzubauen.« Er zögert lange, bis er sagt: »Es ist ein Experiment, aber

ein gutes.« So einig scheinen sich die Poulsens da nicht mehr zu sein; sie würde gerne

zurückkehren in die Stadt, um die halbe Woche als Zahnärztin zu arbeiten. Vom Weinbau

allein könnten sie nicht leben, aber Gorm Poulsen will auf keinen Fall aufgeben. Im

vergangenen Jahr wurden sie für den besten dänischen Rosé ausgezeichnet, aus Rondo und

Regent. Auch die Weißweine zeigen von Jahr zu Jahr mehr Format.

In Deutschland würde man solche Betriebe wohl rationalisieren oder gleich schließen. Aber

das ist Dänemark: Winzer wie Gorm Poulsen haben sich ganz dem Weinbau verschrieben,

ohne dabei wie Unternehmer zu rechnen. Sie glauben daran, dass man mit Spaß hohe und

bezahlbare Qualität erzeugen kann, auch wenn es im Moment nicht danach aussieht, dass all

das zugleich möglich ist. Aber anscheinend sind Rückschläge leichter zu ertragen im

Fjordland, wo sich alles ballt, was man von einer schönen Landschaft erhofft: Wasser, grüne

Hügel, flach gepresste Anwesen einer charmanten Bonsaiarchitektur. Über dem Fjord hängen

Wolken wie Sofakissen, darunter warten gemütliche Gasthäuser. Vor manchem steht ein

Holzpflock im Wasser, an dem eine Dose hängt. Mit kleinen Steinen werfen die Dänen

darauf, danach trinken sie ein Glas Bier oder Wein. Vor allem Wein.

42

: Dänischer Wein

Die Weingüter der Weinstraße Nordseeland:

Domain Aalsgaard, Lars Hagerman, Ålsgårde Stationsvej 13, DK-3140 Ålsgårde, Tel.

0045/49708010, www.domainaalsgaard.dk

Frederiksborg Vin, Präsident Poul Korsholm, Harløsevej 164, DK-3400 Hillerød, Tel.

0045/70236939, www.frederiksborg-vin.dk

Annisse Vingård, Niels Frees, Præstevej 89, Annisse, DK-3200 Helsinge, Tel.

0045/48285804, www.annisse-vingaard.dk

Degnemosegaard, Kirsten und Gorm Poulsen, Degnemosevej 6, Ferslev, DK-4050 Skibby,

Tel. 0045/47512600, www.degnemosegaard.dk

http://www.zeit.de/2008/31/Daenemark-Wein?page=4

43

44

Dienstag, 07. August 2007

Dänischer Wein: Exot im Glas

Einer der prominentesten dänischen Weinliebhaber war König Christian IV. (1577–

1648). Für seine prunkvollen Feste ließ er fassweise Riesling- Weine vom Mittelrhein

importieren. Heute könnte der lebensfrohe Herrscher seinen Gästen genussreiche

Tropfen aus seinem eigenen Königsreich kredenzen.

Dänemark ist als Weinanbaugebiet bislang wenig bekannt.

Quelle: vdk / Niclas Jessen

Seit 1. August 2000 ist Dänemark von der EU als Weinbaugebiet anerkannt – und darf damit

dänischen Wein zu kommerziellen Zwecken anbauen und verkaufen. Die von der EU genehmigte

Höchstanbaufläche beträgt bislang 99 Hektar; beliebteste Rebsorte ist die rote Rondo-Traube, die

1964 in der damaligen CSSR aus Kreuzungen klimarobuster Sorten mit kurzen Vegetationszeiten

entstand. Im Geschmack dem Blauburgunder ähnlich, ist sie äußerst wettertolerant und nimmt

auch einen verregneten Sommer zwischendurch nicht übel. Kaum eine andere Rebsorte bildet so

rasch nach dem Blütenaustrieb ihre Trauben und ist in den Erträgen so konstant wie die Rondo. So

bildet sie die Basis fast aller dänischen Rotweine, die dann als Cuvée mit Léon Millot, Bianca,

Schuyler, Don Muscat, Bolero oder Vanessa verschnitten werden. Zu den beliebtesten weißen

Reben gehören die Sorten Reform, Bianca, Zalas Perle, Kerner und Himrod.

In Dons bei Kolding fing alles an

Als erster staatlich anerkannter Weinproduzent des Königreichs gilt das zwei Hektar große Weingut

Skærsøgaard Vin, das der Winzer Sven Moesgaard vor sieben Jahren in Dons bei Kolding in

Südost-Jütland gegründet hat. Der Erfolg seiner Rot-, Rosé-, Weiß- und Schaumweine rief rasch

Nachahmer auf den Plan. Auf der Sonneninsel Bornholm keltern und verkaufen Torsten Cilleborg

und Thor Kristoffersen auf ihrem Weingut Lille Gadegaard in Aakirkeby jährlich mehr als tausend

Liter Rotwein. Ist draußen eine dänische Flagge – anstelle des traditionellen Straußes –

aufgesteckt, kann der schmackhafte Rote zu einem deftigen Wurstteller im Café genossen werden.

Und auch auf Møn produziert Jørgen Teik Hansen vom Hjelm Vingård bei Stege Tropfen, die

aufhorchen lassen.

45

In der Nähe von Kolding hat alles angefangen...

Quelle: vdk / John Sommer

Seeland, bald das dänische Rheinland?

Doch die Boomregion der dänischen Winzer heißt Seeland. Boden und Klima liefern hier so gute

Bedingungen, dass bei Blindverkostungen von dort stammende dänische Weine von renommierten

Sommeliers als edle Tropfen aus Norditalien eingestuft wurden. Zu den ältesten Weingütern der

Region gehört die kleine, aber feine Domain Aalsgaard von Lars Hagerman in Nordseeland. 1975

pflanzte der vollbärtige Winzer hier auf 0,7 Hektar die ersten der insgesamt 2.000 Weinstöcke an.

Ihre Tropfen lassen heute Kenner schwärmen. Ein anerkannter Ökowinzer ist Bjarne Thougaard

Kristensen. Auf seinem Weingut Vinperlen stellt er den Rotwein „Bjarnanett Rouge“ aus Trauben

her, ferner einen leichten Weißwein aus Holunderblüten, einen süßen Erdbeerwein sowie Met, den

Honig-Wein der Wikinger. Verkostungen und Weingutführungen bietet auch Frederiksborg Vin an,

das in der Nähe des weltberühmten gleichnamigen Schlosses seit dem Jahr 2000 Rot- und

Weißweine von 1.000 Rebstöcken keltert. Als jüngstes Weingut im guten Dutzend der dänischen

Winzer kam im Jahr 2006 das Weingut Skovgård in der Nähe von Slagelse hinzu.

Sie alle profitieren von den Erfahrungen und dem Erfolg eines Pioniers, dessen Name bis heute den

hohen Anspruch verrät: vom Dansk VinCenter. Keine zehn Kilometer vom Rathausplatz von

Kopenhagen entfernt, bindet Jørgen Hinsch (53) junge Weintriebe am längst gespannten

Stahldraht fest. „Wir experimentieren hier mit Rondo am Hochspalier“, erzählt der Winzer, der seit

einem Jahr für das größte und professionellste Weingut Dänemarks arbeitet. Bereits 1999 hatte

Jens Michael Gundersen, Dänemarks aktivster Wein-Lobbyist, hier in Avedøre sein Dansk VinCenter

gegründet. Mittlerweile führt sein Mitbegründer und einstiger Partner Torben Andreasen allein den

Betrieb – Gundersen baut inzwischen seit knapp drei Jahren ein neues Weingut auf der Ostsee-

Insel Fejø auf.

46

Ob es in der Region Seeland in einigen Jahren durch Wein"berge" statt durch Rapsfelder geht?

Quelle: vdk / Cees van Roeden

"Rondo" dominiert das Geschehen

Auch das drei Hektar große Weingut des Dansk VinCenter in Avedøre ist Experimentieracker und

kommerzielles Weingut in einem. Auf 3,5 Hektar Land, auf dem noch vor acht Jahren eine

Gärtnerei Geranien und anderen Balkonblumen züchtete, wachsen heute 10.000 Weinstöcke. 66

Prozent des Areals dienen dem kommerziellen Trauben-Anbau, 33 Prozent der Fläche ist ein

Versuchsfeld: Sorten wie Ortega, Solaris, Castel und Regent werden hier auf Ertrag und Güte an

unterschiedlichen Spaliertypen getestet.

Am erfolgversprechendsten hat sich auch hier die Rebe „Rondo“ erwiesen – aus ihr kreiert

Kellermeisterin Anne Juel Christensen (31) die „Nordlund“-Weine. Als sie 2002 in 7.100

handsignierten Flaschen erstmals auf den Markt kamen, waren sie in wenigen Wochen

„ausgetrunken“, sprich vergriffen. Mittlerweile wurde der Cuvée aus vier Traubensorten mit hohem

Rondo-Anteil bei der alljährlichen Weinmesse im Kopenhagener Tivoli bereits zwei Mal mit Silber

und einmal mit Bronze ausgezeichnet. Bevor er auf Flaschen gezogen wird, ruht der rote Rebensaft

jedoch für längere Zeit im Barrique und nimmt das Aroma der 28 Eichenfässer auf.

Wuchtige Eichenfässer dominieren auch den Wintergarten, einen großen, langgestreckten Raum

mit rustikalen Biertisch-Garnituren, nostalgischen Kerzenleuchtern aus Messing und einigen dicken

Holzplanken als Büffet. Das lichte, offene Ambiente ist gefragt – denn längst hat das für dänische

Verhältnisse exotische Ambiente des Dansk Vincenter das Weingut zur beliebten Event-Location für

Firmenfeiern oder Familienfesten gemacht.

Quelle: vdk / Hilke Maunder

http://www.kwick.de/magazin/daenischer_wein_exot_im_glas.7072.html

47

Dänischer Wein: Exot im Glas

Einer der prominentesten dänischen Weinliebhaber war König Christian IV. (1577–

1648). Für seine prunkvollen Feste ließ er fassweise Riesling-Weine vom Mittelrhein

importieren. Heute könnte der lebensfrohe Herrscher seinen Gästen genussreiche

Tropfen aus seinem eigenen Königsreich kredenzen.

Seit 1. August 2000 ist Dänemark von der EU als Weinbaugebiet anerkannt – und darf damit

dänischen Wein zu kommerziellen Zwecken anbauen und verkaufen. Die von der EU genehmigte

Höchstanbaufläche beträgt bislang 99 Hektar; beliebteste Rebsorte ist die rote Rondo-Traube, die

1964 in der damaligen CSSR aus Kreuzungen klimarobuster Sorten mit kurzen Vegetationszeiten

entstand. Im Geschmack dem Blauburgunder ähnlich, ist sie äußerst wettertolerant und nimmt

auch einen verregneten Sommer zwischendurch nicht übel. Kaum eine andere Rebsorte bildet so

rasch nach dem Blütenaustrieb ihre Trauben und ist in den Erträgen so konstant wie die Rondo. So

bildet sie die Basis fast aller dänischen Rotweine, die dann als Cuvée mit Léon Millot, Bianca,

Schuyler, Don Muscat, Bolero oder Vanessa verschnitten werden. Zu den beliebtesten weißen

Reben gehören die Sorten Reform, Bianca, Zalas Perle, Kerner und Himrod.

Als erster staatlich anerkannter Weinproduzent des Königreichs gilt das zwei Hektar große Weingut

Skærsøgaard Vin, das der Winzer Sven Moesgaard vor sieben Jahren in Dons bei Kolding in Südost-

Jütland gegründet hat. Der Erfolg seiner Rot-, Rosé-, Weiß- und Schaumweine rief rasch

Nachahmer auf den Plan. Auf der Sonneninsel Bornholm keltern und verkaufen Torsten Cilleborg

und Thor Kristoffersen auf ihrem Weingut Lille Gadegaard in Aakirkeby jährlich mehr als tausend

Liter Rotwein. Ist draußen eine dänische Flagge – anstelle des traditionellen Straußes –

aufgesteckt, kann der schmackhafte Rote zu einem deftigen Wurstteller im Café genossen werden.

Und auch auf Møn produziert Jørgen Teik Hansen vom Hjelm Vingård bei Stege Tropfen, die

aufhorchen lassen.

48

Wer bisher Bornholm und Weinanbau in Verbindung bringen wollte, musste gewaltige Gedankensprünge durch die

Geschichte machen: Die Namen Borungia und Borgundarholmr, wie die dänische Ostseeinsel in Schriften aus dem 13.

Jahrhundert genannt wird, nähren die These, dass von dort jene Menschen stammen, die es zur

Völkerwanderungszeit ins heutige Burgund verschlug und die in ihrer neuen Heimat großartige Weinbauern wurden.

Bornholm und Weinanbau lassen sich seit dem 1. August 2003 jedoch einfacher verbinden: An diesem Tag verkauften

Jesper und Yvonne Poulsen im Hofladen ihres Lille Gadegård die ersten 1.000 Flaschen eines auf Bornholm

angebauten und verarbeiteten Rotweins. Drei Stunden später war der ›Rondo 2002‹ ausverkauft.

Doch die Boomregion der dänischen Winzer heißt Seeland. Boden und Klima liefern hier so gute

Bedingungen, dass bei Blindverkostungen von dort stammende dänische Weine von renommierten

Sommeliers als edle Tropfen aus Norditalien eingestuft wurden. Zu den ältesten Weingütern der

Region gehört die kleine, aber feine Domain Aalsgaard von Lars Hagerman in Nordseeland. 1975

pflanzte der vollbärtige Winzer hier auf 0,7 Hektar die ersten der insgesamt 2.000 Weinstöcke an.

Ihre Tropfen lassen heute Kenner schwärmen. Ein anerkannter Ökowinzer ist Bjarne Thougaard

Kristensen. Auf seinem Weingut Vinperlen stellt er den Rotwein „Bjarnanett Rouge“ aus Trauben

her, ferner einen leichten Weißwein aus Holunderblüten, einen süßen Erdbeerwein sowie Met, den

Honig-Wein der Wikinger. Verkostungen und Weingutführungen bietet auch Frederiksborg Vin an,

das in der Nähe des weltberühmten gleichnamigen Schlosses seit dem Jahr 2000 Rot- und

Weißweine von 1.000 Rebstöcken keltert. Als jüngstes Weingut im guten Dutzend der dänischen

Winzer kam im Jahr 2006 das Weingut Skovgård in der Nähe von Slagelse hinzu.

Sie alle profitieren von den Erfahrungen und dem Erfolg eines Pioniers, dessen Name bis heute den

hohen Anspruch verrät: vom Dansk VinCenter. Keine zehn Kilometer vom Rathausplatz von

Kopenhagen entfernt, bindet Jørgen Hinsch (53) junge Weintriebe am längst gespannten

49

Stahldraht fest. „Wir experimentieren hier mit Rondo am Hochspalier“, erzählt der Winzer, der seit

einem Jahr für das größte und professionellste Weingut Dänemarks arbeitet. Bereits 1999 hatte

Jens Michael Gundersen, Dänemarks aktivster Wein-Lobbyist, hier in Avedøre sein Dansk VinCenter

gegründet. Mittlerweile führt sein Mitbegründer und einstiger Partner Torben Andreasen allein den

Betrieb – Gundersen baut inzwischen seit knapp drei Jahren ein neues Weingut auf der Ostsee-

Insel Fejø auf.

Auch das drei Hektar große Weingut des Dansk VinCenter in Avedøre ist Experimentieracker und

kommerzielles Weingut in einem. Auf 3,5 Hektar Land, auf dem noch vor acht Jahren eine

Gärtnerei Geranien und anderen Balkonblumen züchtete, wachsen heute 10.000 Weinstöcke. 66

Prozent des Areals dienen dem kommerziellen Trauben-Anbau, 33 Prozent der Fläche ist ein

Versuchsfeld: Sorten wie Ortega, Solaris, Castel und Regent werden hier auf Ertrag und Güte an

unterschiedlichen Spaliertypen getestet.

Am erfolgversprechendsten hat sich auch hier die Rebe „Rondo“ erwiesen – aus ihr kreiert

Kellermeisterin Anne Juel Christensen (31) die „Nordlund“-Weine. Als sie 2002 in 7.100

handsignierten Flaschen erstmals auf den Markt kamen, waren sie in wenigen Wochen

„ausgetrunken“, sprich vergriffen. Mittlerweile wurde der Cuvée aus vier Traubensorten mit hohem

Rondo-Anteil bei der alljährlichen Weinmesse im Kopenhagener Tivoli bereits zwei Mal mit Silber

und einmal mit Bronze ausgezeichnet. Bevor er auf Flaschen gezogen wird, ruht der rote Rebensaft

jedoch für längere Zeit im Barrique und nimmt das Aroma der 28 Eichenfässer auf.

Wuchtige Eichenfässer dominieren auch den Wintergarten, einen großen, langgestreckten Raum

mit rustikalen Biertisch-Garnituren, nostalgischen Kerzenleuchtern aus Messing und einigen dicken

Holzplanken als Büffet. Das lichte, offene Ambiente ist gefragt – denn längst hat das für dänische

Verhältnisse exotische Ambiente des Dansk Vincenter das Weingut zur beliebten Event-Location für

Firmenfeiern oder Familienfesten gemacht.

Hilke Maunder

Degustationen, Kellertür-Verkauf und Führungen bieten u. a.:

Skærsøgaard Vin

Nørresøvej 12, Dons

A – 6051 Almind

Tel. +45 75 55 44 73

E-Mail: [email protected]

www.dansk-vin.dk

Lille Gadegård

Jesper Paulsen

Søndre Landevej 63

DK – 3720 Aakirkeby

Tel. +45 56 97 80 63

E-Mail: [email protected]

50

www.a7.dk

Hjelm Vingård

Baunehøjvej 32

DK – 4780 Stege

Dansk VinCenter

Byvej 55

Avedøre Landsby

DK – 2650 Hvidovre

Tel. +45 36 86 40 00

E-Mail: [email protected]

www.vincenter.dk

Vinperlen

Lundemarken 19

DK – 4532 Gislinge

Tel. +45 59 41 10 00

E-Mail: [email protected]

www.vinperlen.dk

Frederiksborg Vin

Harløsevej 164

DK – 3400 Hillerød

Tel. +45 70 23 69 39

E-Mail: [email protected]

www.frederiksborg-vin.dk

Domain Aalsgaard

Ålsgårde Stationsvej 13

DK – 3140 Ålsgårde

Tel. +45 49 70 80 10

E-Mail: [email protected]

www.domainaalsgaard.dk

http://www.herrenzimmer.de/216.html