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Urologe 2010 · 49:812–821 DOI 10.1007/s00120-010-2333-5 Online publiziert: 19. Juni 2010 © Springer-Verlag 2010 A.S. Brandt · F.-C. von Rundstedt · D.A. Lazica · S. Roth Klinik für Urologie und Kinderurologie, HELIOS-Klinikum Wuppertal, Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke, Wuppertal Harnleiterrekonstruktion nach ureteroreno- skopischen Verletzungen Leitthema Iatrogene Verletzungen des Harnlei- ters im Rahmen einer Ureteroreno- skopie sind eine seltene Komplika- tion. Das Ausmaß der Verletzungen umfasst neben kleinen oberfläch- lichen Schleimhautverletzungen mit leichten Blutungen jedoch auch schwerwiegende Komplikationen bis hin zu einem kompletten Ureterab- riss. Die Therapie der Harnleiterver- letzung ist abhängig von der Lokali- sation und dem Ausmaß der Verlet- zung und reicht von der einfachen Harnleiterschienung bis zum kom- pletten Ureterersatz durch Darm. Harnleiterverletzungen Harnleiterverletzungen sind mit <5% der Verletzungen des Harntrakts insge- samt selten, sie können jedoch schwer- wiegende ipsilaterale Nierenfunktions- störungen zur Folge haben [9, 34]. Zir- ka 75% der Harnleiterverletzungen wer- den iatrogen verursacht. Dobrowolski et al. [10] konnten zeigen, dass von den ia- trogenen Verletzungen 73% im Rahmen gynäkologischer, 14% nach allgemein- chirurgischen und 14% durch urologische Operationen verursacht wurden. Von den urologischen Ursachen sind Verletzungen des Harnleiters im Rahmen eines uretero- renoskopischen Verfahrens am häufigsten beschrieben. Seit Beginn der Ureterorenoskopie (URS) als regelmäßig eingesetztes endo- urologisches Verfahren konnte die Kom- plikationsrate stetig reduziert werden. In den ersten Veröffentlichungen lagen die Komplikations- bzw. Perforationsraten des Ureters noch zwischen 17 und 21% [19]. Aktuell wird die Rate an Komplikatio- nen bei der URS insgesamt mit etwa 9– 11% angegeben, wobei die Perforationsrate bei ca. 1% liegt [17]. Das häufigste Verlet- zungsmuster stellt die Avulsion der Harn- leiterschleimhaut, bedingt durch ein Miss- verhältnis zwischen Ureterweite und In- strumentendicke, dar [17]. Schon früh konnte gezeigt werden, dass die Inzidenz von Harnleiterverlet- zungen während der Ureterorenoskopie stark von der Erfahrung des Operateurs und vom verwendeten Instrumentarium abhängt [39]. Durch die Verwendung von semirigiden oder flexiblen Instrumenten kann die Komplikationsrate weiter ge- senkt werden [12]. Die Komplikationsraten bei URS im Rahmen von Steinextraktionen liegen deutlich höher als bei der diagnostischen URS [12, 39]. Bei Steinbehandlung ist ins- besondere die Steinextraktion mit Körb- chensystemen (z. B. Dormiakörbchen) im oberen Harnleiterdrittel komplikati- onsanfällig [33]. Die häufigste Lokalisation von Verlet- zungen bei endourologischen Eingriffen ist mit 51–91% der distale Anteil. Seltener sind der mittlere (7–19%) und der proxi- male Ureter (2–30%) betroffen [10, 30]. Als Spätfolge nach Ureterverletzungen können in erster Linie Fisteln (3%) und Strikturen (7%) mit konsekutiver Hydro- nephrose auftreten. Nach URS ohne Ver- letzung des Harnleiters liegt die Striktur- rate bei unter 1% [17]. Je ausgeprägter die Harnleiterverletzung ist desto höher ist das Risiko einer Harnleiterstriktur. Klassifikation der Verletzungen Die Klassifikation der Ureterverletzungen erfolgt nach der AAST ([24]; Tab. 1). Nach ihr richten sich die allgemeinen Empfehlungen zur Therapie der Ureter- verletzung nach den EAU-Guidelines von 2009 [9]. Diagnostik Die frühe Diagnostik einer Harnleiterver- letzung ist in jedem Fall anzustreben, da eine verspätete Diagnostik zu einer deut- lichen Steigerung der Komplikationsrate von ca. 5% auf 40% führt [13]. Das Spek- trum der Komplikationen reicht dabei bis hin zur Sepsis und Verlust der Niere, wo- bei derart schwerwiegende Komplikatio- Tab. 1 Klassifikation der Ureterverlet- zungen nach der AAST [24] und EAU- Guidelines von 2009 [9] Grad Art der Verletzung I Hämatombildung II Durchtrennung <50% des Harnleiter- durchmessers III Durchtrennung >50% des Harnleiter- durchmessers IV Kompletter Abriss mit Devaskularisation <2 cm V Kompletter Abriss mit Devaskularisation >2 cm 812 |  Der Urologe 7 · 2010

Harnleiterrekonstruktion nach ureterorenoskopischen Verletzungen

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Page 1: Harnleiterrekonstruktion nach ureterorenoskopischen Verletzungen

Urologe 2010 · 49:812–821DOI 10.1007/s00120-010-2333-5Online publiziert: 19. Juni 2010© Springer-Verlag 2010

A.S. Brandt · F.-C. von Rundstedt · D.A. Lazica · S. RothKlinik für Urologie und Kinderurologie, HELIOS-Klinikum Wuppertal, Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke, Wuppertal

Harnleiterrekonstruktion nach ureteroreno-skopischen Verletzungen

Leitthema

Iatrogene Verletzungen des Harnlei-ters im Rahmen einer Ureteroreno-skopie sind eine seltene Komplika-tion. Das Ausmaß der Verletzungen umfasst neben kleinen oberfläch-lichen Schleimhautverletzungen mit leichten Blutungen jedoch auch schwerwiegende Komplikationen bis hin zu einem kompletten Ureterab-riss. Die Therapie der Harnleiterver-letzung ist abhängig von der Lokali-sation und dem Ausmaß der Verlet-zung und reicht von der einfachen Harnleiterschienung bis zum kom-pletten Ureterersatz durch Darm.

Harnleiterverletzungen

Harnleiterverletzungen sind mit <5% der Verletzungen des Harntrakts insge­samt selten, sie können jedoch schwer­wiegende ipsilaterale Nierenfunktions­störungen zur Folge haben [9, 34]. Zir­ka 75% der Harnleiterverletzungen wer­

den iatrogen verursacht. Dobrowolski et al. [10] konnten zeigen, dass von den ia­trogenen Verletzungen 73% im Rahmen gynäkologischer, 14% nach allgemein­chirurgischen und 14% durch urologische Operationen verursacht wurden. Von den urologischen Ursachen sind Verletzungen des Harnleiters im Rahmen eines uretero­renoskopischen Verfahrens am häufigsten beschrieben.

Seit Beginn der Ureterorenoskopie (URS) als regelmäßig eingesetztes endo­urologisches Verfahren konnte die Kom­plikationsrate stetig reduziert werden. In den ersten Veröffentlichungen lagen die Komplikations­ bzw. Perforationsraten des Ureters noch zwischen 17 und 21% [19]. Aktuell wird die Rate an Komplikatio­nen bei der URS insgesamt mit etwa 9–11% angegeben, wobei die Perforationsrate bei ca. 1% liegt [17]. Das häufigste Verlet­zungsmuster stellt die Avulsion der Harn­leiterschleimhaut, bedingt durch ein Miss­verhältnis zwischen Ureterweite und In­strumentendicke, dar [17].

Schon früh konnte gezeigt werden, dass die Inzidenz von Harnleiterverlet­zungen während der Ureterorenoskopie stark von der Erfahrung des Operateurs und vom verwendeten Instrumentarium abhängt [39]. Durch die Verwendung von semirigiden oder flexiblen Instrumenten kann die Komplikationsrate weiter ge­senkt werden [12].

Die Komplikationsraten bei URS im Rahmen von Steinextraktionen liegen deutlich höher als bei der diagnostischen URS [12, 39]. Bei Steinbehandlung ist ins­

besondere die Steinextraktion mit Körb­chensystemen (z. B. Dormiakörbchen) im oberen Harnleiterdrittel komplikati­onsanfällig [33].

Die häufigste Lokalisation von Verlet­zungen bei endourologischen Eingriffen ist mit 51–91% der distale Anteil. Seltener sind der mittlere (7–19%) und der proxi­male Ureter (2–30%) betroffen [10, 30].

Als Spätfolge nach Ureterverletzungen können in erster Linie Fisteln (3%) und Strikturen (7%) mit konsekutiver Hydro­nephrose auftreten. Nach URS ohne Ver­letzung des Harnleiters liegt die Striktur­rate bei unter 1% [17]. Je ausgeprägter die Harnleiterverletzung ist desto höher ist das Risiko einer Harnleiterstriktur.

Klassifikation der Verletzungen

Die Klassifikation der Ureterverletzungen erfolgt nach der AAST ([24]; . Tab. 1). Nach ihr richten sich die allgemeinen Empfehlungen zur Therapie der Ureter­verletzung nach den EAU­Guidelines von 2009 [9].

Diagnostik

Die frühe Diagnostik einer Harnleiterver­letzung ist in jedem Fall anzustreben, da eine verspätete Diagnostik zu einer deut­lichen Steigerung der Komplikationsrate von ca. 5% auf 40% führt [13]. Das Spek­trum der Komplikationen reicht dabei bis hin zur Sepsis und Verlust der Niere, wo­bei derart schwerwiegende Komplikatio­

Tab. 1  Klassifikation der Ureterverlet-zungen nach der AAST [24] und EAU- Guidelines von 2009 [9]

Grad Art der Verletzung

I Hämatombildung

II Durchtrennung <50% des Harnleiter-durchmessers

III Durchtrennung >50% des Harnleiter-durchmessers

IV Kompletter Abriss mit  Devaskularisation <2 cm

V Kompletter Abriss mit  Devaskularisation >2 cm

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nen bei rechtzeitiger Versorgung der Ver­letzung grundsätzlich selten sind.

Insgesamt werden bis zu 66% aller ia­trogen verursachter Harnleiterverlet­zungen nicht unmittelbar erkannt [33]. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Harn­leiterverletzung intraoperativ diagnosti­ziert wird, liegt bei urologischen Eingrif­fen mit 77% jedoch deutlich höher als bei nichturologischen Eingriffen (25–67%; [34]).

Bei Verletzung des Harnleiters wäh­rend einer URS sollte diese unmittelbar bemerkt und eine entsprechende Therapie eingeleitet werden. Durch eine retrograde Pyelographie kann die Lokalisation und der Grad der Verletzung radiographisch festgehalten werden ([13]; . Abb. 1).

Symptomatik

Sollte eine Harnleiterverletzung dennoch übersehen werden, so verläuft die frü­he postoperative Phase meist symptoma­rm. Die ersten Anzeichen treten erst nach mehreren Tagen auf und sind zudem oft unspezifisch. Zunehmender Druck­schmerz, Ileussymptomatik, Peritonis­mus sowie persistierend erhöhte Entzün­

dungs­ und Retentionsparameter sind Symptome, die nach einer URS Hinwei­se für eine unbemerkte Harnleiterverlet­zung darstellen können. Klassische Flan­kenschmerzen, die auf eine Urinombil­dung zurückzuführen sind, treten eben­falls meist erst nach Tagen auf. Durch postoperative Ultraschalluntersuchungen sollten große Urinome und Hämatome bereits frühzeitig erkannt werden, so dass tastbare Raumforderungen nach URS sel­ten sind [33].

Bildgebung

Die postoperative Ultraschalldiagnostik ist meist zu wenig sensitiv, um in der frü­hen Phase Ureterverletzungen nachweisen zu können. Erst zu einem späteren Zeit­punkt können Urinome und Hydroneph­rosen dargestellt werden. Bei persistie­renden Beschwerden nach URS sollte ei­ne erneute Kontrastmitteldarstellung des Harnleiters erfolgen. Das Ausscheidungs­urogramm (AUG) ist eine weit eingesetz­te Methode zur Darstellung von Harnlei­terverletzungen, zeigt jedoch in 33–50% der Fälle falsch­negative Ergebnisse [34]. Ein unauffälliges Urogramm schließt da­her eine Ureterverletzung nicht aus. Eine Computertomographie (CT) des Abdo­mens ist sinnvoll, um neben einer Harn­leiterläsion ebenfalls mögliche Verlet­zungen benachbarter Organe sowie Hä­matome und Urinome beurteilen zu kön­nen. Zur sicheren Beurteilung des Harn­leitertraumas sollte die späte renale Aus­scheidungsphase (20 min nach Kontrast­mittelgabe) abgewartet werden. Als best­mögliche Darstellung der Ureterverlet­zung gilt die retrograde Pyelographie. Mit ihr lassen sich Lokalisation und Grad der Verletzung meist genau bestimmen.

Management bei partiellen Harnleiterverletzungen

Bei partiellen Ureterverletzungen (AAST­Klassifikation Grad I und II) sollte zu­nächst versucht werden, den Defekt durch die Anlage einer Harnleiterschiene zu schützen. Ist eine retrograde Anlage der Harnleiterschiene nicht möglich, so kann alternativ, insbesondere bei verzöger­ter Diagnosestellung, eine perkutane Ne­phrostomie (PCN) eingelegt werden.

Eine alleinige Harnableitung mittels Nephrostomie kann zur primären Ver­sorgung der Harnleiterverletzung ausrei­chend sein, jedoch favorisieren die meis­ten Autoren die Anlage einer Harnleiter­schiene gegenüber der perkutanen Ab­leitung. Als Vorteil der Ureterschienung wird insbesondere eine Stabilisierung der Verletzung beschrieben. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass durch die allei­nige Einlage einer Nephrostomie der Urin­austritt aus dem verletzten Uretersegment nicht vollständig verhindert wird, und ein bestehendes Urinom weiter unterhalten werden kann [9].

Über eine Nephrostomie kann ent­weder im gleichen Eingriff oder im zeit­lichen Intervall von 2–7 Tagen eine an­tegrade Schienenanlage erfolgen. Die an­tegrade Versorgung wird oftmals als leich­ter durchführbar beschrieben und ermög­licht in vielen Fällen eine Harnleiterschie­nenanlage, in denen der retrograde An­satz versagt hat. Dies gilt insbesondere für höhergradige Verletzungen [33].

Zum Schutz vor einer refluxiven Para­vasation neben der inneren Schiene soll­te eine Niederdruckableitung mittels Bla­senverweilkatheter (BVK) oder suprapu­bischem Dauerkatheter (SPK) erfolgen. Diese sollte je nach Ausmaß der Verlet­zung für 2–7 Tage belassen werden. Bei größeren Verletzungen sollte gegebenen­falls vor Entfernung eine Kontrolle der Verletzung durch eine Kontrastmitteldar­stellung entweder per Fistelfüllung über eine einliegende Nephrostomie oder per Refluxzystogramm über den einliegenden Katheter erfolgen.

Die einliegende Harnleiterschiene sollte je nach Ausmaß der Verletzung für mindestens 14 [17] bzw. 21 Tage [33] be­lassen werden. Zur Dokumentation des Heilungsverlaufs sollte die DJ­Harnleiter­schienenentfernung entweder mit einer retrograden Pyelographie verbunden oder nach Entfernung ein Ausscheidungsuro­gramm angefertigt werden [34].

Endoskopische Rekonstruktion von komplexen Ureterverletzungen

Sollte bei einer partiellen Harnleiterverlet­zung eine rein retrograde oder antegrade Anlage einer Harnleiterschiene nicht

Abb. 1 8 Grad-III-Verletzung nach AAST bei  einer URS

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Leitthema

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möglich sein oder liegt eine komplexere Harnleiterverletzung vor, so kann eine en­doskopische Ureteroureterostomie mit ei­ner kombiniert antegrad­retrograden Re­kanalisierung des Ureters in ausgewähl­ten Fällen noch die Anlage einer Ureter­schiene als temporäre oder endgültige Therapieoption ermöglichen. Bei die­ser als Rendez­vous­Verfahren beschrie­benen Technik muss ein perkutaner Zu­gang zur Niere z. B. in Form einer Neph­rostomie vorhanden sein. Über diesen Zugang wird ein hydrophiler Gleitdraht in den proximalen Harnleiteranteil bis zur Verletzung vorgeschoben und simul­tan erfolgt eine URS. Mit dem Uretero­ renoskop wird dann der proximal ein­geführte Gleitdraht gefasst und über die Verletzung geführt. Im Anschluss erfolgt dann die Anlage eine Harnleiterschiene über den vorgelegten Draht. Nach erfolg­reicher Anlage sollten die Grundsätze der Therapie der partiellen Harnleiterverlet­zungen bezüglich Niederdruckableitung beachtet werden.

Diese Technik ist in der Literatur aus­führlich beschrieben und führt in 75–100% der Fälle zu einer erfolgreichen An­lage einer Ureterschiene [25, 35, 38]. Ei­ne Anwendung der Technik sollte haupt­sächlich bei kurzen Defekten <2 cm Län­ge erfolgen, obwohl auch erfolgreiche Ver­suche bei Defekten bis zu einer Länge von 10 cm beschrieben wurden [25].

Ein Auslass der DJ­Harnleiterschiene sollte frühestens nach 3 Monaten versucht werden. Eine Entfernung der Harnleiter­

Zusammenfassung · Abstract

Urologe 2010 · 49:812–821   DOI 10.1007/s00120-010-2333-5© Springer-Verlag 2010

A.S. Brandt · F.-C. von Rundstedt · D.A. Lazica · S. Roth

Harnleiterrekonstruktion nach ureterorenoskopischen Verletzungen

ZusammenfassungHarnleiterverletzungen werden in ca. 75% der Fälle iatrogen verursacht. Von den uro-logischen Verletzungsmustern wird am häu-figsten die Ureterorenoskopie (URS) beschrie-ben, wobei die Komplikationsrate der URS insgesamt gering ist. Nach der „American As-sociation for the Surgery of Trauma“ (AAST) werden Ureterverletzungen in 5 Schwere-grade eingeteilt. Grad I–II werden als partielle und Grad III–V als komplexe Verletzungen be-zeichnet. Zur Vermeidung von höheren Kom-plikationsraten sollte eine möglichst schnel-le Diagnosestellung und Therapieeinleitung erfolgen. Die Therapie richtet sich dabei nach Schweregrad der Verletzung.

Partielle Harnleiterverletzungen werden endoskopisch durch Harnleiterschienung für 14–21 Tage behandelt. Bei komplexen Harn-

leiterverletzungen kann eine endoskopische Ureteroureterostomie versucht werden. Die-se zeigt jedoch abhängig von der Länge der Diskontinuitätsverletzung schlechte Langzeit-ergebnisse.

Zur operativen Rekonstruktion des Harn-leiters werden Techniken mit und ohne Ver-wendung von Darmsegmenten beschrieben. Die Art der operativen Technik ist dabei ab-hängig von Lage und Ausmaß der Verletzung. Neben der Harnleiterrekonstruktion kann in Einzelfällen eine Autotransplantation der Nie-re notwendig sei.

SchlüsselwörterHarnleiter · Harnleiterverletzungen ·  Ureterorenoskopie · Komplikationen · Harn-leiterrekonstruktion

Ureteral reconstruction after ureterorenoscopic injuries

AbstractUreteral injuries are caused by iatrogenic rea-sons in about 75% of cases. Among urolog-ical procedures ureterorenoscopy (URS) is mainly described as the reason for ureter-al injury, although complication rates of URS are generally low. Injuries of the ureter are di-vided into five grades by the AAST. Grades I–II are referred to as partial and grades III–V as complex ureteral injuries. To avoid high-er complication rates there should be no de-lay in confirmation of diagnosis and initia-tion of therapy. Correct therapy depends on grade of injury.

Partial ureteral injuries are treated by en-doscopic inlay of a ureteral stent for approx-imately 14–21 days. In complex injuries en-

doscopic ureteroureterostomy could be at-tempted but leads to rather poor long-term results depending on the length of devascu-larization of the injured ureter.

Procedures with and without use of bow-el for ureteral reconstruction and replace-ment have been described. The type of oper-ative procedure should be selected based on location and degree of ureteral injury. Besides ureteral reconstruction, autotransplantation of the affected kidney can be required in in-dividual cases.

KeywordsUreter · Ureteral injuries · Ureterorenoscopy · Complications · Ureteral reconstruction

Tab. 2  Therapieoptionen nach Art und Lokalisation von komplexen Harnleiter-verletzungen. (Mod. aus den EAU-Guide-lines von 2009 [9])

Art der  Verletzung

Therapieoption

Proximaler Ureter

UreteroureterostomieTransureteroureterostomieUreterokalikostomie

Mittlerer Ureter UreteroureterostomieTransureteroureterostomieBoari-flap-Rekonstruktion

Distaler Ureter Direkte ReimplantationUreterozystoneostomie mit Boari-flap oder nach Psoas-hitch

Komplette  Ureter- verletzung

DarminterponatAutotransplantationNephrektomie

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schiene ist jedoch oftmals nicht erfolg­reich, da nach unterschiedlichen Zeitab­ständen Harnleiterstenosen auftreten. Die Erfolgsrate (0–75%) ist dabei in erster Li­nie abhängig von der Länge der Diskon­tinuitätsverletzung [25, 35, 38]. Bei frustra­nem Auslassversuch kann in einem Zwei­teingriff eine offen operative oder laparo­skopische Rekonstruktion erfolgen.

Operative Rekonstruktion von komplexen Ureterverletzungen

Bei komplexen Harnleiterverletzungen der AAST­Klassifikation Grad III–V, bei denen eine Harnleiterschienenanlage en­doskopisch nicht möglich ist, muss ei­ne unmittelbare operative Therapie oder bis zur endgültigen operativen Therapie eine Nephrostomieanlage erfolgen. Die Art der operativen Therapiemaßnahme ist dabei abhängig von der Lage und Län­ge der Ureterverletzung. . Tab. 2 gibt ei­ne Übersicht über Therapieoptionen nach Art der Harnleiterverletzung [9].

Rekonstruktion komplexer Ureterverletzungen ohne Darminterposition

Für die operative Versorgung von Ureter­verletzungen sollten folgende Grundsätze bei allen Formen der Rekonstruktion be­achtet werden [9]:F  Débridement der Ureterenden,F  Spatulation der Ureterenden,F  Harnleiterschienung,F  Wasserdichte und spannungsfreie

Anastomose mit resorbierbarem Nahtmaterial,

F  Einlage einer Robinson­Drainage,F  Schutz der Anastomose durch Perito­

neum oder Omentum.

Ureterokalikostomie

Die Ureterokalikostomie findet Anwen­dung bei Verletzungen des pyelourete­ralen Übergangs, bei denen eine Anasto­mose des proximalen Harnleiters und des Nierenbeckens nicht möglich ist. Hierzu muss der untere Nierenpol reseziert wer­den, um den unteren Nierenkelch freizu­legen. Im Anschluss erfolgt nach Spatula­tion des Harnleiterendes die Anastomo­sierung des Harnleiters mit dem unteren Nierenkelch über eine eingelegte Harn­leiterschiene mittels einer 4/0­ oder 5/0­Vicrylnaht (. Abb. 2). Wichtig ist eine ausreichende Resektion, da es andernfalls zu einer Kompression der Anastomo­se durch die nichtresezierten Unterpol­anteile kommen kann. Die Anlage einer Niederdruckableitung mittels Katheter für 2 Tage und einer Wunddrainage für 4 Ta­ge wird empfohlen. Die einliegende Harn­leiterschiene sollte mindestens für 6 Wo­chen belassen werden. Nach 3 Monaten sollte eine Kontrolle der Anastomose mit­tels AUG erfolgen.

Ureteroureterostomie

Bei kurzstreckigen Harnleiterverletzungen kann eine End­zu­End­Anastomose nach Spatulation der Ureterenden durchgeführt werden. Diese wird insbesondere bei Ver­letzungen oberhalb der Iliakalkreuzung empfohlen, kann jedoch auch bei dista­len Defekten sicher angewendet werden [27]. Entscheidend ist, dass die Anastomo­se spannungsfrei geknüpft werden kann.

Zum Schutz der Anastomose sollte ver­sucht werden, diese mit Omentum zu de­cken. Die Anastomosierung erfolgt auch hier mit resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 4/0 oder 5/0 nach Einlage ei­ner Harnleiterschiene. Postoperativ gilt das gleiche Vorgehen wie bei der Uretero­kalikostomie. Die Ureteroureterostomie ist heute bei ausgewählten Patienten so­wohl laparoskopisch als auch roboteras­sistiert mit ähnlichen Erfolgs­ und Kom­plikationsraten möglich [20].

Transureteroureterostomie

Bei dieser Technik wird das distale En­de des verletzten Ureters ligiert und der proximale Anteil durch ein Fenster im Mesokolon oberhalb des Abgangs der A. mesenterica inferior über die Mittelli­nie verlagert (. Abb. 3b). Dort erfolgt ei­ne End­zu­Seit­Anastomose mit dem ge­sunden Ureter der Gegenseite über eine eingelegte Harnleiterschiene, die mit dem proximalen Ende im Nierenbecken des verletzten Ureters liegt.

Diese Technik ist hilfreich bei Patien­ten mit Voroperationen im kleinen Be­cken, nach Bestrahlung oder wenn patho­logische Strukturen eine Mobilisation der Blase verhindern. Die Langzeitergebnisse zeigen eine Erfolgsrate von >95% [18], ob­wohl durch diese Technik auch eine po­tentielle Gefahr besteht, die gesunde Nie­re zu schädigen.

Kontraindiziert ist dieses Verfahren falls der Ureter der verletzten Seite zu kurz ist, um eine spannungsfreie Anastomose zu gewährleisten. Weitere Kontraindika­tionen sind rezidivierende Steinbildner und Patienten mit bekannten Urothelkar­zinomen, da ein späterer ureterorenosko­pischer Zugang zu der verletzten Seite nur sehr schwer möglich ist. Weitere Erkran­kungen der gesunden Seite wie rezidivie­rende Pyelonephritiden oder eine externe Kompression durch einen Tumor oder ei­ne retroperitoneale Fibrose sollten eben­falls ausgeschlossen sein [18].

Ureterozystoneostomie  in der Technik nach Psoas-hitch  oder mit Boari-flap

Bei distalen Harnleiterverletzungen gilt das Operationsverfahren in der Psoas­

Abb. 2 8 Ureterokalikostomie rechts

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Leitthema

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hitch­Technik als klassisches Verfahren zur distalen Ureterrekonstruktion. Mit diesem Verfahren können Ureterdefekte von 5–6 cm überbrückt werden. Präope­rativ sollte mittels Zystogramm eine klein­kapazitäre Blase ausgeschlossen werden, da eine ausreichende Mobilität und Kapa­zität erforderlich ist. Die operative Rekon­struktion des distalen Harnleiters in der Psoas­hitch­Technik sollte angewendet werden, wenn intraoperativ die Harnlei­terverletzung unmittelbar bemerkt wird. Besteht eine verspätete Diagnosestellung, so sollte mit der Rekonstruktion mindes­tens 6–8 Wochen gewartet werden [29].

Die operative Technik ist in der Litera­tur oftmals beschrieben worden [16] und soll hier nur kurz vorgestellt werden. Nach Mobilisation der Blase wird diese durch eine Querinzision eröffnet, durch eine Längsvernähung nach kranial ausgezogen und am Psoasmuskel fixiert. Zu beachten ist, dass bei der Fixation der N. genito­femoralis verletzt werden kann. Im An­schluss kann die Anastomose in der Tech­nik nach Leadbetter­Politano oder Lich­Gregoir spannungsfrei nach Einlage einer Harnleiterschiene genäht werden. Durch eine kurzstreckige intramurale Tunnelung kann dabei ein Refluxschutz erreicht wer­

den. Beim Verschluss der Blase sollte ein suprapubischer Katheter eingelegt wer­den. Drainage und transurethraler Dau­erkatheter können nach 2 Tagen, der su­prapubische Katheter nach Kontrolle mit­tels Zystogramm nach 2 Wochen entfernt werden. Die DJ­Harnleiterschiene sollte mindestens 6 Wochen belassen werden. Eine Kontrolle der Ureterozystoneosto­mie sollte 3 Monate nach Operation mit­tels AUG erfolgen.

Ob eine antirefluxive Implantation notwendig ist, wird kontrovers diskutiert. Ahn u. Loughlin [2] fanden in ihrer retro­spektiven Untersuchung an 24 Patienten, von denen lediglich in 3 Fällen eine anti­refluxive Implantation stattfand, keine er­höhte Komplikationsrate oder vermehr­te Langzeitschäden bei refluxiv implan­tierten Harnleitern. In weiteren Studien zeigen sich gute Langzeitergebnisse nach Rekonstruktion des distalen Harnleiters in antirefluxiver Technik [22]. In ausge­wählten Zentren ist eine laparoskopische oder roboterassistierte Rekonstruktion in der Psoas­hitch­Technik ebenfalls mög­lich [28].

Bei längeren distalen Harnleiterverlet­zungen, bei denen die Psoas­hitch­Tech­nik nicht ausreicht, um die Defektstrecke

zu überbrücken, kann eine Rekonstrukti­on mittels Boari­flap erfolgen. Bei dieser Technik wird ein vaskularisierter Detru­sorlappen aus der Blase mobilisiert, tu­bularisiert, nach kranial verlagert und mit dem Ureterende anastomosiert. Hier­durch können Ureterdefekte bis zu einer Länge von 15 cm rekonstruiert werden. Durch eine Mobilisation der Niere mit an­schließender Nephropexie kann die Stre­cke noch weiter verlängert werden. Post­operativ sollte die Entfernung des Drai­nagematerials wie bei der Rekonstruktion nach Psoas­hitch gemäß den EAU­Guide­lines von 2009 erfolgen. Diese Technik ist ebenfalls laparoskopisch durchführbar [11]. Zur Rekonstruktion längerer Defekt­strecken können bei ausreichender Bla­senkapazität im Einzelfall die Techniken mit Psoas­hitch und Boari­flap auch kom­biniert eingesetzt und damit im Einzelfall sogar der gesamte Ureter ersetzt werden [26].

Direkte Harnleiterblasen-reimplantation

Nur bei sehr distalen Harnleiterverletzun­gen, bei denen zur spannungsfreien Ana­stomose auf eine Blasenmobilisation ver­zichtet werden kann, sollte eine direkte Harnleiterblasenreimplantation erfolgen. Mit der Psoas­hitch­Technik steht eine si­chere und komplikationsarme Alternati­ve zur Verfügung, so dass eine direkte Re­implantation nur im Einzelfall erfolgen sollte.

Die Verwendung von Darmsegmenten zur Harnleiterrekonstruktion

Seit den Veröffentlichungen von Good­win et al. [15] aus den 1950er Jahren ist der Ureterersatz durch Darmsegmente ei­ne akzeptiertes Verfahren zur operativen Harnleiterrekonstruktion, bei der oben genannte Techniken aufgrund der Größe des Defekts nicht eingesetzt werden kön­nen. Relative Kontraindikationen für die Verwendung von Darmsegmenten stellen chronische Darmerkrankungen wie z. B. Morbus Crohn oder eine eingeschränkte Nierenfunktion dar.

Traditionell ist die Verwendung eines Ileumsegments als totaler Harnleiterersatz

Abb. 3 8 a Postoperative Kontrolle bei einem kompletten linksseitigen Harnleiterersatz durch Ileum. b Rekonstruktion mit Ileuminterponat rechts mit Transureteroureterostomie links

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Leitthema

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[4, 5, 7]. Hierfür wird ein Ileumsegment von 15–35 cm Länge mit einem Mindest­abstand von 15–20 cm Länge von der Ileo­zäkalklappe ausgeschaltet.

Nach Wiederherstellung der Darm­kontinuität wird das ausgeschaltete Seg­ment, ggf. nach Verschmälerung (tailo­ring), isoperistaltisch nach Einlage ei­ner Harnleiterschiene mit dem weit spa­tulierten Nierenbecken und der Blase je­weils End­zu­End anastomosiert. Das dis­tale Ende des Ileuminterponats kann so­wohl refluxiv als auch antirefluxiv in die Blase implantiert werden [37]. Intraope­rativ sollte neben einer Nephrostomie oder Gil­Vernet­Drainage zur Entlastung der proximalen Anastomose eine Nieder­druckableitung mittels Blasenverweilka­theter angelegt werden. Nach Kontrolle der Anastomose mittels Fistelfüllung über die einliegende Nephrostomie nach 14–21 Tagen kann diese bei fehlender Extra­vasation entfernt werden (. Abb. 3). Am nächsten Tag erfolgt gegebenenfalls nach erneuter Kontrolle der distalen Anasto­mose mittels Zystogramm die Entfernung des Blasenverweilkatheters und der Harn­leiterschiene. Nach 3 Monaten sollte ein AUG und ggf. eine Nierenfunktionsszinti­graphie zur Kontrolle der Abflussverhält­nisse durchgeführt werden. Die Sicherheit dieses Verfahrens konnte in mehreren Se­rien für die offen operative [4, 5, 7] und laparoskopische [32] Anwendung verifi­ziert werden. Alternativ kann der Harn­leiterersatz auch durch ein Koloninterpo­nat erfolgen (. Abb. 4), insbesondere bei beidseitigen Defekten, bei denen für eine Seite schon ein Ileuminterponat verwen­det wurde [5].

Der Nachteil der Verwendung von langen Darminterponaten besteht in der Mukusproduktion und einer Tendenz zur Elongation. Bei präoperativ bestehen der Niereninsuffizienz mit Kreatininwerten >1,5 mg/dl ist postoperativ eine progre­diente Niereninsuffizienz zu erwarten. Bei Kreatininwerterhöhungen >2 mg/dl steigt zudem die Gefahr einer hyper­chlorämischen metabolischen Azido­se mit Elektroytverschiebungen [31]. Aus diesem Grund muss postoperativ in re­gelmäßigen Abständen eine Kontrolle des Bikarbonats, des „base excess“ und des Chlorids erfolgen und ggf. eine Substitu­

tionstherapie mit Natriumbikarbonat ein­geleitet werden.

Um die Komplikationen, die durch die Länge des Darmsegments beim Harnlei­terersatz entstehen, zu minimieren, kann ein partieller oder kompletter Harnlei­terersatz ebenfalls durch rekonfigurier­te Darminterponate in der Technik nach Yang­Monti erfolgen [31]. Bei dieser Ope­

rationstechnik, die detailliert von Gho­neim u. Ali­el­Dein publiziert wurde [14], wird lediglich ein Darmsegment von 6–7 cm benötigt. Dieses wird ausgeschaltet und je nach benötigter Länge in 2–3 Teile weiter aufgeteilt. Die einzelnen Segmente werden longitudinal eröffnet und nach 90° Drehung mit 4/0­Naht miteinander verbunden, so dass eine längliche Platte

Abb. 5 8 Bei der Technik nach Yang-Monti wird das ausgeschaltete Segment (hier modifiziert als Kolonsegment) erneut aufgeteilt, eröffnet und anastomosiert, so dass eine längere Platte durch ein kürzeres Segment entstehen kann

Abb. 4 8 Partielle Harnleiterrekonstruktion durch tubulär rekonfiguriertes Koloninterponat

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von 16–18 cm Länge entsteht. Durch Tu­bularisierung der Darmplatte entsteht der Ureterersatz, der proximal mit Harnleiter oder Nierenbecken End­zu­End anasto­mosiert und distal refluxiv oder antireflu­xiv in die Blase implantiert oder mit dem distalen Ureter verbunden werden kann (. Abb. 5). Durch Kombination mit dem Psoas­hitch­Verfahren kann zusätzliche Länge gewonnen werden (. Abb. 6).

Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass die Darmoberfläche, die mit dem Urin in Verbindung kommt, mög­lichst klein gehalten wird und metabo­lische Entgleisungen aus diesem Grund vermieden werden können. Aus diesem Grund ist eine Anwendung auch bei prä­operativ höheren Kreatininwerten mög­lich, ohne dass eine weitere Verschlechte­rung der Nierenfunktion zu erwarten ist. Durch die Verwendung eines rekonfigu­rierten Kolonsegments kann die Rückre­sorption ggf. noch weiter vermindert wer­den [36]. Die Anwendung ist sowohl als

partieller als auch kompletter Ureterersatz möglich [3, 6, 31].

Als Nachteil dieses Verfahrens werden das Risiko einer unzureichenden Vasku­larisierung des Interponats, insbesondere im Bereich der proximalen und distalen Anastomose, sowie die höhere Anzahl an Anastomosen angesehen [31].

Als weitere Verwendung von Darman­teilen wird in der Literatur über Ureterre­konstruktionen durch Meckel­Divertikel [1] oder (insbesondere bei Kindern) durch die Appendix vermiformis berichtet [8]. Ein routinemäßiger Einsatz beider Ver­fahren bei der Versorgung von Harnlei­terverletzungen ist nicht möglich, da we­der die Struktur eines Meckel­Divertikels noch eine ausreichend lange oder mobi­le Appendix vermiformis permanent zur Verfügung stehen.

Weitere Verfahren zur Behandlung komplexer Harnleiterverletzungen

Autotransplantation

Bestehen Kontraindikationen gegen die Verwendung von Darmanteilen zur Ureter­rekonstruktion, so stellt die Autotrans­plantation der Niere ins ipsilaterale klei­ne Becken eine Möglichkeit der Versor­gung kompletter Harnleiterverletzungen dar. Die Entnahme der Niere kann dabei laparoskopisch erfolgen. Autotransplanta­tionen sollten jedoch nur in Zentren mit genügend Erfahrung in der Transplantati­onschirurgie durchgeführt werden [23].

Künstlicher subkutaner pyelovesikaler Bypass

Bestehen Kontraindikationen gegen einen größeren operativen Eingriff, so kann im Einzelfall die Anlage eines subkutanen pyelovesikalen Bypasses indiziert sein, um dem Patienten eine ständige Harnab­leitung mittels Nephrostomie zu ersparen. Die Anwendung der subkutanen pyelove­sikalen Bypässe aus alloplastischem Mate­rial ist bisher lediglich als palliative The­rapiemaßnahme bei Patienten mit einge­schränkter Lebenserwartung beschrieben worden. Über Langzeitergebnisse wurde bisher nicht berichtet. Einige Autoren hal­ten jedoch eine Anwendung des Systems

auch bei benignen Grunderkrankungen für möglich [21].

Nephrektomie

Eine Nephrektomie als Folge einer Harn­leiterverletzung sollte nach EAU­Guide­lines heute nur noch in den seltenen Fäl­len durchgeführt werden, in denen die Ureterverletzung die simultane adäquate Versorgung eines Bauchaortenaneurys­mas mittels Gefäßprothese verhindert [9].

Fazit für die Praxis

Zirka 75% aller Ureterverletzungen wer-den iatrogen verursacht. Von den uro-logischen Ursachen ist am häufigsten die Verletzung bei der Ureterorenosko-pie beschrieben. Nach der Einteilung der AAST in 5 Schweregrade werden partielle von komplexen Harnleiterverletzungen unterschieden. Die Diagnose einer Ure-terverletzung sollte zur Vermeidung von Komplikationen möglichst früh gestellt werden. Die Behandlung partieller Ver-letzungen erfolgt durch Anlage einer DJ-Harnleiterschiene. Bei komplexen Verlet-zungen kann eine endoskopische Urete-roureterostomie versucht werden. Die-se zeigt jedoch abhängig vom Ausmaß der Verletzung schlechte Langzeitergeb-nisse. Zur operativen Versorgung von komplexen Harnleiterverletzungen ste-hen Techniken mit oder ohne Verwen-dung von Darmsegmenten zur Verfü-gung. Die Art der operativen Versorgung ist dabei abhängig von der Lage und dem Ausmaß der Verletzung.

KorrespondenzadresseDr. A.S. BrandtKlinik für Urologie und Kinderurologie,  HELIOS-Klinikum Wuppertal,  Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke,Heusnerstraße 40, 42285 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Abb. 6 8 Distale Harnleiterrekonstruktion in der Technik nach Yang-Monti durch ein rekonfigu-riertes Koloninterponat in Kombination mit der Psoas-hitch-Technik

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Leitthema

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Klinisches Register „RaFTinG“ zur Optimierung der Flüssig-keits- und Volumentherapie auf deutschen Intensivstationen

Unter der Leitung von Prof. Hugo Van Aken 

(Universitätsklinikum Münster) und Prof. 

Bernhard Zwißler (Klinikum der Universität 

München) wird bis zum 28.2.2011 das pros-

pektive klinische Register RaFTinG (Rational 

Fluid Therapy in Germany, Trial Registration 

Number NCT01122277) zur Dokumentation 

der aktuellen infusionstherapeutischen Praxis 

auf deutschen Intensivstationen durchge-

führt. 90 Tage nach Entlassung werden durch 

ein Follow-up auch Daten in anonymisierter 

Form zum Langzeit-Outcome erhoben, 

welche von den teilnehmenden Kliniken zur 

internen Qualitätskontrolle genutzt werden 

können. Die Datenerfassung erfolgt internet-

basiert direkt auf Station. Zur Mitwirkung 

sind alle deutschen Kliniken mit Intensivstati-

on eingeladen.

Weitere Informationen erhalten Sie unter 

www.rafting-register.de.

Quelle: www.rafting-register.de

Fachnachrichten

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