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6 bleibender Nierenparenchymschäden. Zu den Langzeitfolgen zählen arterielle Hyperto- nie, Proteinurie, die Entwicklung einer chro- nischen Niereninsuffizienz oder Komplikatio- nen in der Schwangerschaft. Klinische Symptome / Diagnostik Je jünger die Kinder sind, umso schwieriger wird das Stellen der richtigen Verdachtsdia- gnose. Hauptsymptom der Pyelonephritis beim Säugling ist hohes Fieber, oft begleitet von unspezifischen Symptomen wie Erbrechen, Irritabilität, Durchfall oder Trinkschwäche. Ältere Kinder können zusätzlich über Bauch- schmerzen oder lokalisierte Flankenschmer- zen klagen. Bei der Zystitis zeigt sich selten erhöhte Tem- peratur; übliche Symptome sind (erneutes) Einnässen, häufiger Harndrang, Dysurie und Unterbauchschmerzen. Zur Unterscheidung Pyelonephritis/Zystitis dienen neben der klinischen Symptomatik die Mikroskopie (Leukozytenzylinder gelten als beweisend für eine Pyelonephritis) sowie als Goldstandard der DMSA-Scan, dessen Durchführung in der akuten Krankheitsphase nur bei speziellen Fragestellungen notwen- dig ist. Sowohl die Bestimmung der Entzündungspa- rameter als auch die Ultraschalluntersuchung der Nieren haben für die Unterscheidung Definition, Epidemiologie, klinische Bedeutung Als Harnwegsinfektion wird eine Entzün- dung des Harntrakts verursacht durch Keime bezeichnet. Je nach Lokalisation unterschei- det man die Zystitis mit oberflächlicher Ent- zündung der Blasenschleimhaut von der Pyelonephritis mit entzündlicher Nierenpar- enchymreaktion. Eine Sonderstellung nimmt die asymptomati- sche Bakteriurie ein, bei der es zu einer Keim- besiedelung ohne Entzündungsreaktion und klinische Symptomatik kommt. Die Harnwegsinfektion ist eine der häufigs- ten bakteriellen Erkrankungen im Kindes- alter. So erleiden ca. 8% der Mädchen und 2% der Buben bis zum Schulalter zumindest einen Harnwegsinfekt. Während in den ers- ten 4 Lebensmonaten Knaben öfters betrof- fen sind, erkranken nach dem 1. Lebensjahr Mädchen weitaus häufiger. Insgesamt findet sich bei ca. 7% aller fiebernden Kinder < 24 Monate ein Harnwegsinfekt als Ursache der Beschwerden. Bei Knaben reduziert sich durch Beschnei- dung das Risiko einer Harnwegsinfektion sig- nifikant. Mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen muss bei einem Drittel der betroffenen Kin- der gerechnet werden. Jede neuerliche Epi- sode einer Pyelonephritis erhöht das Risiko L I T E R A T U R Tab. 1: Sensitivität und Spezifität von Tests in der Urinanalyse, allein und in Kombination Test Sensitivität % Mittelwert (Bandbreite) Spezifität % Mittelwert (Bandbreite) Leukozytenesterase-Test 83 (67–94) 78 (64–92) Nitrit-Test 53 (15–82) 98 (90–100) Leukozytenesterase- oder Nitrit-Test positiv 93 (90–100) 72 (58–91) Leukozyten in der Mikroskopie 73 (32–100) 81 (45–98) Bakterien in der Mikroskopie 81 (16–99) 83 (11–100) Leukozytenesterase-Test, Nitrit-Test oder Mikroskopie positiv 99.8 (99–100) 70 (60–92) Pediatrics 2011 Sep;128(3):595-610, AAP Harnwegsinfektionen im Kindesalter Ass. Dr. MICHAEL SURBÖCK Kinder- und Jugendabteilung Landesklinikum Mistelbach/Gänserndorf Liechtensteinstr. 67, 2130 Mistelbach Tel.: +43(0)2572/9004-9407 Fax: +43(0)2571/9004-4076 [email protected] www.mistelbach.lknoe.at

Harnwegsinfektionen im Kindesalter - meindfp.at · 6 bleibender Nierenparenchymschäden. Zu den Langzeitfolgen zählen arterielle Hyperto - nie, Proteinurie, die Entwicklung einer

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bleibender Nierenparenchymschäden. Zu den Langzeitfolgen zählen arterielle Hyperto-nie, Proteinurie, die Entwicklung einer chro-nischen Niereninsuffizienz oder Komplikatio-nen in der Schwangerschaft.

Klinische Symptome / Diagnostik

Je jünger die Kinder sind, umso schwieriger wird das Stellen der richtigen Verdachtsdia-gnose. Hauptsymptom der Pyelonephritis beim Säugling ist hohes Fieber, oft begleitet von unspezifischen Symptomen wie Erbrechen, Irritabilität, Durchfall oder Trinkschwäche. Ältere Kinder können zusätzlich über Bauch-schmerzen oder lokalisierte Flankenschmer-zen klagen.Bei der Zystitis zeigt sich selten erhöhte Tem-peratur; übliche Symptome sind (erneutes) Einnässen, häufiger Harndrang, Dysurie und Unterbauchschmerzen.Zur Unterscheidung Pyelonephritis/Zystitis dienen neben der klinischen Symptomatik die Mikroskopie (Leukozytenzylinder gelten als beweisend für eine Pyelonephritis) sowie als Goldstandard der DMSA-Scan, dessen Durchführung in der akuten Krankheitsphase nur bei speziellen Fragestellungen notwen-dig ist. Sowohl die Bestimmung der Entzündungspa-rameter als auch die Ultraschalluntersuchung der Nieren haben für die Unterscheidung

Definition, Epidemiologie, klinische Bedeutung

Als Harnwegsinfektion wird eine Entzün-dung des Harntrakts verursacht durch Keime bezeichnet. Je nach Lokalisation unterschei-det man die Zystitis mit oberflächlicher Ent-zündung der Blasenschleimhaut von der Pyelonephritis mit entzündlicher Nierenpar-enchymreaktion.Eine Sonderstellung nimmt die asymptomati-sche Bakteriurie ein, bei der es zu einer Keim-besiedelung ohne Entzündungsreaktion und klinische Symptomatik kommt.Die Harnwegsinfektion ist eine der häufigs-ten bakteriellen Erkrankungen im Kindes-alter. So erleiden ca. 8% der Mädchen und 2% der Buben bis zum Schulalter zumindest einen Harnwegsinfekt. Während in den ers-ten 4 Lebensmonaten Knaben öfters betrof-fen sind, erkranken nach dem 1. Lebensjahr Mädchen weitaus häufiger. Insgesamt findet sich bei ca. 7% aller fiebernden Kinder < 24 Monate ein Harnwegsinfekt als Ursache der Beschwerden. Bei Knaben reduziert sich durch Beschnei-dung das Risiko einer Harnwegsinfektion sig-nifikant.

Mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen muss bei einem Drittel der betroffenen Kin-der gerechnet werden. Jede neuerliche Epi-sode einer Pyelonephritis erhöht das Risiko

L I T E R A T U R

Tab. 1: Sensitivität und Spezifität von Tests in der Urinanalyse,

allein und in Kombination

Test Sensitivität %Mittelwert (Bandbreite)

Spezifität % Mittelwert (Bandbreite)

Leukozytenesterase-Test 83 (67–94) 78 (64–92)

Nitrit-Test 53 (15–82) 98 (90–100)

Leukozytenesterase- oder Nitrit-Test positiv 93 (90–100) 72 (58–91)

Leukozyten in der Mikroskopie 73 (32–100) 81 (45–98)

Bakterien in der Mikroskopie 81 (16–99) 83 (11–100)

Leukozytenesterase-Test, Nitrit-Test oder Mikroskopie positiv 99.8 (99–100) 70 (60–92)

Pediatrics 2011 Sep;128(3):595-610, AAP

Harnwegsinfektionen im Kindesalter

Ass. Dr. MICHAEL SURBÖCK

Kinder- und JugendabteilungLandesklinikum Mistelbach/Gänserndorf Liechtensteinstr. 67, 2130 Mistelbach Tel.: +43(0)2572/9004-9407Fax: +43(0)2571/9004-4076michael.surboeck@mistelbach.lknoe.atwww.mistelbach.lknoe.at

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Inhalt

Keimspektrum: In bis zu 80% der Fälle finden sich uropatho-gene Escherichia coli-Stämme. Andere häufig gefundene Erreger beinhalten gramnegative Keime wie Klebsiella, Proteus, Enterobacter sowie grampositive Keime wie Enterokokken und Staphylococcus saprophyticus. Generell kommen Non-E.coli-Stämme deut-lich häufiger in der Neonatalphase vor. Vor allem bei zugrunde liegenden urogenitalen Fehlbildungen sowie nach wiederholter Anti-biotikatherapie oder unter Dauerprophylaxe erlangen auch Pseudomonas und Staphylo-kokkus aureus und epidermidis Bedeutung. Pilzinfektionen und virale Erreger sind dage-gen selten.

Zeigt sich eine Bakteriurie ohne Leukozytu-rie, spricht man von einer asymptomatischen Bakteriurie. Sie hat keinen Krankheitswert und bedarf keiner medikamentösen Behand-lung.

Zur Diagnose eines Harnwegsinfekts gehören das gleichzeitige Vorhandensein von klini-scher Symptomatik, Entzündungszeichen im Harn (Leukozyturie) und signifikantem Bakte-rienwachstum in der Urinkultur.Durch Klebebeutel gesammelter Urin darf nur zum Ausschluss eines Harnwegsinfekts verwendet werden - auffällige Befunde sollen durch Katheterisierung oder Blasenpunktion bestätigt werden; eine Harnkultur muss vor Therapiebeginn angelegt werden.

Leukozyten/µl bei Mädchen bzw. mehr als 10 Leukozyten/µl bei Buben älter 3 Jahre gefun-den werden.Ist die mikroskopische Untersuchung nicht verfügbar, kann der gesammelte Harn mittels Harnstreifen auf Leukozyten, Nitrit, Blut und Protein untersucht werden.Der Nachweis von Leukozytenesterase hat eine hohe Sensitivität, aber eine niedrige Spezifitiät (Vorsicht vor falsch positiven Dia-gnosen, vor allem bei Beutelurin). Zeigt sich im Harnstreifen ein negativer Test auf Leuko-zyten, kann ein Harnwegsinfekt mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden (Ausnahme: Pyonephrose mit hochgradiger Ureterobstruktion).Nitrit hat eine sehr hohe Spezifität, aber eine niedrige Sensitivität (für eine ausreichende Nitritbildung muss der Harn ca. 4 Stunden in der Blase verweilen, was bei Kleinkindern sel-ten der Fall ist). (Tab. 1)

Harnkultur: Harnproben sollten bei 4°C aufbewahrt und Kulturen optimalerweise innerhalb von 4 Stunden angesetzt werden. Als Alternative stehen Testkits zur Verfügung, bei denen ein Nährmediumträger sofort in den frisch gewonnen Urin getaucht wird (z.B. Uricult).Bei Mittelstrahlurin gilt ein Keimwachstum größer als 100.000 CFU/ml als signifikant, bei Katheterharn eine Keimzahl größer als 10.000 CFU/ml. Ein Wachstum mehrerer Stämme ist ein starker Hinweis für Kontamination.

Pyelonephritis-Zystitis eine niedrige Sensitivi-tät und/oder Spezifität.

Bei allen Säuglingen und Kleinkindern mit „unklarem Fieber“ (länger als 24 Stunden oder > 39°C) muss ein Harnwegsinfekt aus-geschlossen werden. Alle fieberhaften Harn-wegsinfekte in dieser Altersgruppe sollten bis zum Beweis des Gegenteils wie eine Pyelone-phritis behandelt werden.

Durch eine sorgfältige Diagnostik und einen raschen Therapiebeginn können sowohl akute Komplikationen als auch die Entste-hung von Nierenparenchymschäden verhin-dert werden.Andererseits müssen falsch positive Diag-nosen vermieden werden, um betroffenen Kindern unnötige Behandlungen und wei-terführende (teilweise auch invasive) Unter-suchungen zu ersparen.Zur korrekten Diagnosestellung ist insbeson-ders eine saubere Harngewinnung essentiell.

Uringewinnung: Bei Toiletten-trainierten Kindern ist die Sammlung des Mittelstrahlurins nach Reini-gung der Genitalregion wie bei Erwachsenen Methode der ersten Wahl.

Beim Säugling oder windeltragendem Kind kann die Uringewinnung durch Abwarten der Miktion bei entblößtem Genital („clean catch“) viel Zeit und Geduld benötigen, weshalb in der Praxis Harn meist durch das Anbringen eines selbstklebenden Urinbeu-tels gewonnen wird.Wichtig ist eine sorgfältige Reinigung des Genitalbereichs und die Inspektion auf limi-tierende Faktoren (Phimose, Labiensynechie, Vulvitis). Aufgrund der Häufigkeit falsch posi-tiver Befunde durch Kontamination (> 80%) ist diese Methode ausdrücklich nur zum Aus-schluss eines Harnwegsinfekts geeignet.Bei auffälligem Harnbefund nach Sammlung mittels Beutels ist daher beim fiebernden Säugling oder Kleinkind eine Bestätigung mittels Einmalkatheterisierung durchzufüh-ren.Als Alternative steht die Methode der supra-pubischen Blasenpunktion (am besten unter Ultraschallkontrolle) zur Verfügung.

Urinanalyse: Idealerweise erfolgt die Diagnose einer Leu-kozyturie (=Pyurie) durch die mikroskopische Untersuchung des Harns; hierfür müssen im unzentrifugierten Nativharn mehr als 20-50

Tab. 2: Gebräuchliche Antibiotika zur Behandlung von

Harnwegsinfekten im Kindesalter

Präparat Dosierung Anmerkung

Amoxicillin/Clavulansäurei.v. 100 mg/kg in 3 EDp.o. 45–75 mg/kg in 3 ED

Mittel der 1. WahlAmoxicillin alleine ist aufgrund hoher Resis-tenzraten obsolet.

Cephalosporine Mittel der 1. Wahl

Cefotaxim (3. Generation) i.v. 100−150 mg/kg in 2-3 ED

Ceftriaxon (3. Generation) i.v. 50 mg/kg in 1 ED

Cefixim (3. Generation) p.o. 8−12 mg/kg in 2 ED

Cefaclor (1. Generation) p.o. 30−50 mg/kg in 2-3 EDProphylaxe: 10 mg/kg abends

Trimethoprim p.o. 5−6 mg/kg in 2 EDProphylaxe: 1 (−2) mg/kg abends

Bei unkomplizierter Zystitis. Lokale Resistenzsituation von E.coli beachten! Nicht zugelassen < 6 Wochen

Ciprofloxacin i.v. 20−30 mg/kg in 3 EDp.o. 20−40 mg/kg in 2 ED

Reserveantibiotikum bei Pseudomonas oder multiresistenten KeimenOff-Label-Use bei Alter < 17 Jahre

Nitrofurantoin p.o. 3−5 mg/kg in 2 EDProphylaxe: 1−2mg/kg abends

Kontraindiziert bei Niereninsuffizienz.Nicht zugelassen < 3 Monate

Gentamicini.v. 5 mg/kg in 1 ED, bzw. je nach Gestationsalter und Spiegelbe-stimmung

Bei Neugeborenen oder komplizierten Verläu-fen in Kombination mit Amoxicillin/AmpicillinSpiegelbestimmung!

Arzt Kind

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geeignet. Aufgrund weit verbreiterter Prä-nataldiagnostik werden viele im Ultraschall sichtbare Pathologien schon intrauterin und nicht erst im Rahmen der Harnwegsinfektab-klärung entdeckt.

Refluxdiagnostik: Als Vesikoureteraler Reflux (VUR) wird der Rückfluss von Urin von der Blase in den obe-ren Harntrakt bezeichnet – er ist die häufigste urologische Anomalie im Kleinkindalter mit einer geschätzten Prävalenz von ca. 1(-3)% bei Neugeborenen und 30–45% bei Kindern, die durch einen fieberhaften Harnwegsinfekt auffallen.Höhergradiger VUR gilt als Risikofaktor für die Entstehung von Pyelonephritiden und Nie-rennarben; für viele ist er heutzutage aber vor allem auch ein Marker für eine gestörte Ent-wicklung der Nieren mit dem Vorhandensein kongenitaler Nierendysplasien („konnatale Refluxnephropathie“).Goldstandard für die Diagnose eines VUR ist die Miktionszystourographie (MCU), eine mit Strahlenbelastung verbundene invasive Untersuchung. Die Durchführung einer MCU im Rahmen der Basisabklärung nach einem fieberhaften Harnwegsinfekt im Kindesalter wird zunehmend kontrovers diskutiert. Nach den Empfehlungen der österreichi-schen Arbeitsgruppe für Nephrologie im Kin-desalter aus dem Jahr 2001 soll sie bei allen Kinder < 2 Jahren nach dem ersten fieberhaf-ten Harnwegsinfekt durchgeführt werden; ein ähnliches Vorgehen wird auch im Kon-sensusbericht der deutschen Arbeitsgemein-schaft für Pädiatrische Nephrologie aus dem Jahr 2007 empfohlen.Dagegen wurde die standardmäßige Durch-

Resistenzraten gegen andere Präparate (z.B. Trimethoprim) gerechtfertigt. Die bei Erwach-senen oft angewandte Therapie mittels Ein-maldosis wird bei Kindern nicht empfohlen.

Weiteres Management / Suche nach UrsachenEin fieberhafter Harnwegsinfekt im Kleinkin-dalter kann das erste klinische Zeichen von zugrunde liegenden Erkrankungen wie obst-ruktiven Harntransportstörungen, vesikoure-teralem Reflux, Blasenentleerungsstörungen oder Nephrolithiasis sein.Ziel ist es, jene Kinder ausfindig zu machen, bei denen eine hohe Gefährdung für rezidi-vierende Harnwegsinfekte verbunden mit Nierenparenchymschädigungen besteht, und diese einer weiteren Abklärung zuzufüh-ren.Dazu benötigt man eine genaue Anamnese mit Fragen nach etwaigen früheren Harn-wegsinfekten, fieberhaften Infekten unklarer Genese, Symptomen von Blasenentleerungs-störungen, Obstipatio, Auffälligkeiten in der Pränataldiagnostik oder positiver Familien-anamnese. Die körperliche Untersuchung beinhaltet eine genaue Inspektion der Sakral-region (Stigmata einer Myelodysplasie) und der Genitaleregion (Phimose, Labiensyne-chie, Vulvitis).

SonografieEine Ultraschalluntersuchung der Nieren und der ableitenden Harnwege wird bei allen betroffenen Kindern empfohlen. Sie sollte bei Säuglingen oder bei Verdacht auf komplizier-ten Verlauf möglichst früh (innerhalb von 2 Tagen) durchgeführt werden. Der Sonografiebefund soll Aussagen über Nierengröße, mögliche Harntransportstö-rungen (Hydronephrose, Hydroureter) sowie Restharnmengen enthalten. Für den Nach-weis eines Vesikorureteralen Refluxes (VUR) oder die genaue Beurteilung von Nierenpa-renchymschäden ist die Sonographie nicht

TherapieZiel ist die Beseitigung der Krankheitssymp-tome, die Verhinderung akuter Komplikati-onen (z.B. die Entwicklung einer Urosepsis) sowie die Vermeidung persistierender Nie-renparenchymschäden.Vor der antibiotischen Therapie ist Harn für die Keim- und Resistenzbestimmung zu gewinnen, der Therapiebeginn soll dadurch aber nicht verzögert werden. In Tabelle 2 sind gebräuchliche Antibiotika zur Behandelung von Harnwegsinfekten im Kindesalter ange-führt.

Therapie der Pyelonephritis: Eine Pyelonepehritis im Neugeborenenalter (<2 Monate) soll aufgrund hoher Inzidenzra-ten von Bakteriämie/Urosepsis grundsätzlich einer parenteralen Therapie zugeführt wer-den (Dauer 14 Tage, evtl. anfangs Kombina-tionstherapie bis zum Eintreffen der Kulturer-gebnisse).Bei unkomplizierter Pyelonephritis jenseits des frühen Säuglingsalters ist eine 3–4-tägige parenterale Monotherapie gefolgt von einer oralen Therapie (z.B. Cephalosporine der 3. Generation für insgesamt 10–14 Tage) einer alleinigen parenteralen Therapie gleichzuset-zen.In neueren Studien konnte gezeigt werden, dass auch eine alleinige orale Therapie ab einem Alter > 6 Monaten erwogen werden kann. Eine sorgfältige individuelle Risikoab-schätzung (Allgemeinzustand, Alter, Compli-ance, Kontrollmöglichkeiten und Entfernung zur Klinik) ist bei dieser Vorgangsweise ein-zufordern. Außerdem muss bedacht werden, dass Kinder mit bekannten Harntraktanoma-lien von erwähnten Studien ausgeschlossen wurden und weiterhin einer primär parente-ralen Therapie bedürfen. Für die Empfehlung einer optimalen Therapi-edauer fehlen Daten aus randomisierten kon-trollierten Studien. Abhängig vom klinischen Verlauf ist eine Antibiotikagabe über 10(-14) Tage üblich.In jedem Fall muss der Therapieerfolg eng-maschig kontrolliert werden: Mit einer Entfie-berung ist spätestens nach 2 Tagen zu rech-nen, der Harn sollte nach 24 Stunden steril sein. Leukozyten sollten nach 3-4 Tagen nicht mehr im Harn nachweisbar sein.

Therapie der Zystitis: Eine orale Antibiotikagabe für die Dauer von 3–5 Tagen ist ausreichend. Cephalosporine sollten wenn möglich der Behandlung von Pyelonephritiden vorbehalten werden, ihre Gabe ist aber bei entsprechenden lokalen

L I T E R A T U R

Zusammenfassung von Hochrisikofakto-ren, die im Rahmen der Basisabklärung eines fieberhaften Harnwegsinfekts auffal-len können und auf jeden Fall zur Vorstel-lung bei einem Spezialisten führen sollten

• rezidivierende fieberhafte Harnwegsinfekte

• Niereninsuffizienz• Einzelniere• art. Hypertonie• Urosepsis• relevante Fehlbildungen im Ultraschall-

befund (Vd. auf Nierennarben, verdickte Harnblasenwand, Trabekelblase, asymme-trische Nierengröße, Ureterocele, Diver-tikel, Urethralklappen, Abflussstauung, neurogene Blase, Nephrolithiasis)

(übernommen von der österreichischen Arbeitsgruppe für Nephrologie im Kindesalter)

Die Auswahl der antibiotischen Therapie sollte nach Erregerwahrscheinlichkeit und angepasst an lokale Resistenzsituationen erfolgen – häufig verwendete Präparate sind Cephalosporine der 3. Generation und Amoxicillin/Clavulansäure. Die Therapie ist gegebenenfalls dem Ergebnis der Harnkultur anzupassen. Bei fehlender klinischer Besserung innerhalb von 48 Stunden muss eine Reevaluierung unter stationären Bedingungen erfolgen.

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Inhalt

der 1./2. Generation, Nitrofurantoin oder Tri-methoprim (Dosierung und Altersbeschrän-kungen siehe Tabelle 2). Breitbandantibiotika wie z.B. Amoxicillin/Clavulansäure sollten zur Prophylaxe nicht verwendet werden.

Eine der Hauptindikationen für antibakteri-elle Prophylaxe ist vesikoureteraler Reflux. Wurde früher generell bei Vorhandensein eines VUR die Harnwegsinfektionsprophy-laxe empfohlen, wird ihre Notwendigkeit bei niedriggradigem VUR (Grad I und II) immer mehr in Frage gestellt. Bei höhergradigem VUR (Grad III-V) wird allerdings weiterhin eine medikamentöse Prophylaxe empfohlen. Wiederholte Harnwegsinfekte können auch ohne Refluxnachweis eine Prophylaxe not-wendig machen.Über die notwendige Dauer der antibioti-schen Prophylaxe existieren keine generellen Empfehlungen – dies bleibt eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Krankheitsverlaufs.Unabhängig davon bleibt das rechtzeitige Erkennen und Behandeln eines Harnwegsin-fekts die beste Vorbeugung vor bleibenden Schäden. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass bei Einsetzen einer suffizienten antibiotischen Therapie innerhalb von 48 Stunden nach Fieberbeginn kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Nierennarben besteht.

Nach der Diagnose eines Harnwegsinfekts sollten Eltern dazu angehalten werden, bei einem neuerlichen fieberhaften Infekt ihres Kindes möglichst bald (innerhalb von 48 Stunden) einen Arzt zu konsultieren und eine Harntestung zu veranlassen.

führung einer MCU z.B. aus den 2011 aktua-lisierten Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Pädiatrie gestrichen. Grund dafür ist die sich wandelnde Sichtweise bezüglich der Rolle des VUR bei Harnwegsin-fekten und die Unsicherheit bezüglich the-rapeutischer und klinischer Konsequenzen nach der Diagnose eines (meist niedriggradi-gen) VUR. Weitgehender Konsensus besteht für die Durchführung einer MCU bei rezidivieren-den (> = 2) fieberhaften Harnwegsinfekten, pathologischen Befunden in der Ultraschall-untersuchung sowie sonstigen komplizierten oder atypischen Krankheitsverläufen oder Begleitumständen.Die MCU-Untersuchung kann nach einem Harnwegsinfekt durchgeführt werden, sobald keine Leukozyturie mehr nachweisbar und die Harnkultur negativ ist (z.B. am Ende oder anschließend an die antibiotische Therapie).

DMSA-Scan: Die szintigraphische Untersuchung der Nieren mittels Dimercaptobernsteinsäure (DMSA) gilt als Goldstandard für den Nach-weis einer akuten Pyelonephritis oder von Nierenparenchymschäden. Für die Diagnose persistierender Nierendefekte muss ein zeit-licher Abstand von mindestens (4-)6 Mona-ten zur letzten Pyelonephritis eingehalten werden. Einige Experten propagieren zur weiteren Abklärung von Harnwegsinfektio-nen primär die Durchführung eines DMSA-Scans und die anschließende Durchführung einer MCU nur im Fall von in der Szinitigra-phie gefundenen Nierenparenchymdefekten („top-down approach“). Diese Vorgehens-weise scheint besonders bei älteren Kindern (> 2 Jahre) und Jugendlichen mit rezidivieren-den Harnwegsinfekten sinnvoll.

Bei Kindern mit fieberhaftem Harnwegsinfekt muss eine Sonografie der Nieren und ablei-tenden Harnwege durchgeführt werden. Abhängig von Ultraschallbefund, Alter oder Riskofaktoren können weitere Abklärungen notwendig sein.

Harnwegsinfektionsprophylaxe

Eine Prophylaxe mittels täglicher niedrigdo-sierter Antibiotikagabe kann zur Verhinde-rung rezidivierender Harnwegsinfekte sinn-voll sein. Die Effektivität dieses Vorgehens ist Gegenstand reger Diskussion und Forschung.

Geeignete Präparate sind Cephalosoporine

Literatur:[1] American Academy of Pediatrics. Urinary Tract Infection: Clinical Practice Guideline for the Diagnosis and Management of the Ini-tial UTI in Febrile Infants and Children 2 to 24 Months. Pediatrics Vol. 128; No. 3; September 1, 2011; pp. 595 -610http://pediatrics.aappublications.org/con-tent/early/2011/08/24/peds.2011-1330.full.pdf[2] American Academy of Pediatrics. Technical Report: Diagnosis and Management of an Ini-tial UTI in Febrile Infants and Young Children. Pediatrics 2011; 128:e749-e770 http://pediatrics.aappublications.org/con-tent/128/3/e749.full.pdf[3] National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE). CG54 Urinary tract infec-tion in children: full guideline, 22. August 2007http://www.nice.org.uk/CG054fullguideline [4] Arbeitsgruppe für Nephrologie im Kin-desalter der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Diagnose und Therapie des fieberhaften Harnwegsinfeks bei Säuglingen und Kleinkindern, 2001http://www.docs4you.at/Content.Node/Spe-zialbereiche/Nephrologie/diagnose_und_therapie_des_fieberhaften_harnwegsinfek-tes_bei.php[5] Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Nephrologie (APN), Akademie der Deutschen Urologen (ADU), Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG). Harnwegsinfektionen im Säuglings- und Kindesalter. Konsensus – Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und Prophylaxe, Chemother J 2006;15:163–71http://www.chemotherapie-journal.de/archiv/artikel/2006/06/151.html[6] Hodson EM, Willis NS, Craig JC. Antibiotics for acute pyelonephritis in children. Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 4. Art. No.: CD003772. DOI: 10.1002/14651858.CD003772.pub3.[7] Ellis D. Avner. Pediatric Nephrology, Sixth Edition: Urinary Tract Infections, Vesicourete-ral Reflux and Renal Scarring pp. 1299-1336

Arzt Kind

Ärztlicher Fortbildungsanbieter für diesen Fachartikel: Kinder- und JugendabteilungLandesklinikum Mistelbach/Gänserndorf Liechtensteinstr. 67, 2130 Mistelbach

Reviewer:• Dr. Dagmar Csaicsich (Med.-Uni. Wien)• Univ.-Prof. Dr. Ekkehard Ring (Med.-Uni. Graz)

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Escherichia coli(Haupterreger von Harnwegsinfekten)