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Zeitschrift fur angewandte Chemie. 1901. Heft 42. 11. Hauptversainnilung ain Donnerstag, den 30. IVlai 1901, in der Sula der Teclinisclien Hoch- schule. Der Vorsitzende, hledinalrath Dr. E. A. hl err k, eriiffnet die Versammlung, Vormittags 10 Uhr, mit folgender Ansprache: Kiinigliche Hoheiten ! Hochansehnliche Pestversamnilung! Znm ersten hIale, seit rnir die Ehre ward, den Vorsitz unseres Vereins zu fiihren, liegt niir die Pflicht ob, die holien Giinner , wohlwollenden Freuncle und licben 11 itglieder unseres Vereins in festlieher Ver- saniiiilung zu begrussen. In der gastlichen Haupt- und Residenz- stnclt des bliihenden Sachsenlandes, der alten tlrimath deutschen Gewerbefleisses, in der Stadt, die einst H e r d e r pries als das cleutsche Florenz, heute bliihender denn je, eine Metropole der Kunst und Wisscnschaft, eine tler ersten Industriestiidte Dcutschlands. tagt heute die Hauptoersamiiilung des Vereins deutscher Chemiker nnter den1 allergngdigsteii Kchutze Sr. Majestiit des KKnigs von Sachsen, unter der liuldvollen Theilnahme seines hohen Herrscherhxuses, geehrt und erfreut dnrcli clns wohlwollende Interesse , das ihru die Anwesenheit cler Vertreter einer hohen Staats- regierung, der staatlichen Hoclischule, der stiidtischcn Behiirden, befreundeter Vereine und zahlreicher Fachgenossen so sichtbar bezeugt. Es ist ineine erste Pflicht, Ihnen, meine verehrten Vercinsmitglieder, die Sie voii Nah and Fern zu ernster Arbeit in diesc schBne Stadt geeilt , ein herzliches Willbommen zu bieten und Sie aufzufordern, die unsere Versammlung ehrenden Theil- nehmer dankbar ZLI begriissen. Wir haben die hohe Ehre, in unserer & W e weilen zii sehen: Se. Konigliche Hoheit Prinz Georg von Sachsen, Se. Kiiinigliche IIoheit Prinz Fried- rich August yon Sachsen, die Herren Ministerialdirect:toren, Geheimen Rathe Dr. Vodel und Dr. Barchewitz, Cb. 1901. Hauptversammlung des Vereins deutscher Cheiniker in Dresden am 49. Ill[ai bis 1. Jan5 1901. als Vertreter deb Iiiiniglichen Staatsministe- riurns. Oberburgernieister: Geheimer Finaiizrath a. D. Beutler, als Vertreter dcr stiidtiscben Verwaltung, 8e. Magnificenz, Geheiiiier Bofratli Pro- fessor Dr. Mehrtens , als Vertretcar der Technischen Hoc,hschul?, Regierungsrath Dr. Iierp , :rls Vertreter cles Iiaiserliclien Gesundheitsxniles. Gelieimer Riedicinalrath Dr. E 1 1 e n - 11 erg e r , Geheimer Finsnzrath yon Tcirch- bach, Gelieinier Bergmth Piirster, (General- arzt Dr. K. e i c 11 e I , Geheimer Finanzr:i.t.h Dr. M‘nhle, Geheimratli Ur. IZoscher. Yon hefreundcten Vereinen haben wir die Freude, hier zu begrissen: den Vereiri deiit- scher Ingenieure, vert>reteii durch €Term 12au- rath Th. P e t er s , deli Verband selbst- stiincliger iiffentlicher Chemiker Detitsclilaiids, .r.ertreten durch Herrii Dr. Woy , deli Yerband anal>-tischer Chemiker des Kiinigrclichs $8 ,. AC .1 isen, vertreteii durch I-Ierrn Dr. Filsiiiger. Ilinen Allen dnnlie irli iincl fordere die Vereinsgenossen anf, sicli iiiit, luir %urn Zeichen des Dankes von ihren Sitzrn zu erheben . Meine verehrten Vereinsgenossrii , in Ihrem Kamen dnnke ich dem EhrenconiitQ fiir die Rereitwilliglreit, init der es dns Patronat unserer Versammlung ubernoinmen uncl Allen, die ilir lnterrsse fiir unsere VITissciischaft ruhinlichst LcthRtigt liabrn. Ich daiike den 1ierrc.n drs geschlfts- fulirenden ALLSSC~~USS~S fkr die fibernahme der nicht geringeii Last cler GeschHftsfiihriing, fur die Zusarnnienstellung des liocliintercssnnt,c.n Programmes der Besichtignngen, nicht zu ver- gessen des Vergniigungscoinites, das der Ge- selligkeit zu ilirem ltechte verhalf. Hochansehnliche Versamudung! Wahrlich eine heredte Pprache spriclit die Lnndsc11:ift~ durcli die wir liierher geeiIt sintl, niicl die Statte, an der mir weileii! Raucliende Schlott: sendeii weithin das Zeichen rastlosen Scliaffens zum lTinime,l, ciner Arbeit, an der die chemische Industrie iiicht geringen Antlicil s4

Hauptversammlung des Vereins deutscher Chemiker in Dresden am 29. Mai bis 1. Juni 1901

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Page 1: Hauptversammlung des Vereins deutscher Chemiker in Dresden am 29. Mai bis 1. Juni 1901

Zeitschrift fur angewandte Chemie. 1901. Heft 42.

11. Hauptversainnilung ain Donnerstag, den 30. IVlai 1901,

i n d e r S u l a d e r Tec l in i sc l ien H o c h - schule .

Der Vorsitzende, hledinalrath Dr. E. A. h l e r r k , eriiffnet die Versammlung, Vormittags 10 Uhr, mit folgender Ansprache:

Kiinigliche Hoheiten ! Hochansehnliche Pestversamnilung! Znm ersten hIale, seit rnir die Ehre ward, den Vorsitz unseres Vereins zu fiihren, liegt niir die Pflicht ob, die holien Giinner , wohlwollenden Freuncle und licben 11 itglieder unseres Vereins in festlieher Ver- saniiiilung zu begrussen.

In der gastlichen Haupt- und Residenz- stncl t des bliihenden Sachsenlandes, der alten tlrimath deutschen Gewerbefleisses, in der Stadt, die einst H e r d e r pries als das cleutsche Florenz, heute bliihender denn j e , eine Metropole der Kunst und Wisscnschaft, eine tler ersten Industriestiidte Dcutschlands. tagt heute die Hauptoersamiiilung des Vereins deutscher Chemiker nnter den1 allergngdigsteii Kchutze Sr. Majestiit des KKnigs von Sachsen, unter der liuldvollen Theilnahme seines hohen Herrscherhxuses, geehrt und erfreut dnrcli clns wohlwollende Interesse , das ihru die Anwesenheit cler Vertreter einer hohen Staats- regierung, der staatlichen Hoclischule, der stiidtischcn Behiirden, befreundeter Vereine und zahlreicher Fachgenossen so sichtbar bezeugt. Es ist ineine erste Pflicht, Ihnen, meine verehrten Vercinsmitglieder, die Sie voii Nah and Fern z u ernster Arbeit in diesc schBne Stadt geeilt , ein herzliches Willbommen zu bieten und Sie aufzufordern, die unsere Versammlung ehrenden Theil- nehmer dankbar ZLI begriissen.

Wir haben die hohe Ehre, in unserer & W e weilen zii sehen:

Se. K o n i g l i c h e H o h e i t Pr inz G e o r g v o n S a c h s e n ,

S e . Kiiinigliche I I o h e i t P r i n z F r i e d - r i c h A u g u s t yon S a c h s e n ,

die Herren Ministerialdirect:toren, Geheimen Rathe Dr. V o d e l u n d Dr. B a r c h e w i t z ,

Cb. 1901.

Hauptversammlung des Vereins deutscher Cheiniker in Dresden a m 49. Ill[ai bis 1. Jan5 1901.

als Vertreter deb Iiiiniglichen Staatsministe- riurns.

Oberburgernieister: Geheimer Finaiizrath a. D. B e u t l e r , als Vertreter dcr stiidtiscben Verwaltung,

8e. Magnificenz, Geheiiiier Bofratli Pro- fessor Dr. M e h r t e n s , als Vertretcar der Technischen Hoc,hschul?,

Regierungsrath Dr. I i e r p , :rls Vertreter cles Iiaiserliclien Gesundheitsxniles.

Gelieimer Riedicinalrath Dr. E 1 1 e n - 11 e r g e r , Geheimer Finsnzrath y o n Tcirch- b a c h , Gelieinier Bergmth P i i r s t e r , (General- arzt Dr. K. e i c 11 e I , Geheimer Finanzr:i.t.h Dr. M‘nhle, Geheimratli Ur. IZoscher.

Yon hefreundcten Vereinen haben wir die Freude, hier zu begrissen: den Vereiri deiit- scher Ingenieure, vert>reteii durch €Term 12au- rath T h . P e t e r s , deli Verband selbst- stiincliger iiffentlicher Chemiker Detitsclilaiids, .r.ertreten durch Herrii Dr. W o y , deli Yerband anal>-tischer Chemiker des Kiinigrclichs $ 8 ,. AC .1 isen, vertreteii durch I-Ierrn Dr. F i l s i i i ge r .

Ilinen Allen dnnlie irli i i n c l fordere die Vereinsgenossen anf, sicli iiiit, luir %urn Zeichen des Dankes von ihren Sitzrn zu erheben .

Meine verehrten Vereinsgenossrii , in Ihrem Kamen dnnke i c h dem EhrenconiitQ fiir die Rereitwilliglreit, init der es dns Patronat unserer Versammlung ubernoinmen uncl Allen, die ilir lnterrsse fiir unsere VITissciischaft ruhinlichst LcthRtigt liabrn.

Ich daiike den 1ierrc.n drs geschlfts- fulirenden A L L S S C ~ ~ U S S ~ S fkr die fibernahme der nicht geringeii Last cler GeschHftsfiihriing, fur die Zusarnnienstellung des liocliintercssnnt,c.n Programmes der Besichtignngen, nicht zu ver- gessen des Vergniigungscoinites, das der Ge- selligkeit zu ilirem ltechte verhalf.

Hochansehnliche Versamudung! Wahrlich eine heredte Pprache spriclit die Lnndsc11:ift~ durcli die wir liierher geeiIt sintl, niicl die Statte, an der mir weileii! Raucliende Schlott: sendeii weithin das Zeichen rastlosen Scliaffens zum lTinime,l, ciner Arbeit, an der die chemische Industrie iiicht geringen Antlicil

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hat. Wohin wir blicken im s%chsischen Laiide, legt die Gegenwart, Iegt die Gc- schichte Zeugniss ah fur die Griissc clcutsclier Wissenschaft, deiitscher Kunst uncl deiitscher Industrie, die Giiter iind Werthe sclinfft und SchSitze xufschliesst uber und unter der Ercle.

Schon vor einein halben Jahrtausend lelite und wirkte in Snchsen der Vater des niod~ruen Bergbaues, A g r i c o l a , und heutck sciitlet Frvi- berg, d i e :i,ltt: herulinite Schule tier Berg- wissenschaft, ihre Junger in allc Welt. Silber fancl man einst iin Erzgebirge, heute zioht die bliihende Industrie das Gold i n s Land; gleissendes Goltl suchte einst BiitIjger, :mf der Albrechtsburg zu Meissen, iinil f:iiid clas niitzliche I’orzellan, dns Sachsens Nariien iilller den ganzen Erdbnll trng; uncl was friihvre Jahrhund Prte hrgonnen hnben, d:ts ncuuzehiite setzte es fort, das zwanzigste win1 es zur volien l3liithe entfztlten. Vom PorztJllan 1)is ziir SalicylsLure, von dem Empirikrr 13 ii t t g e r bis zuin Syntlietiker K o l b e nnd d l en den lebendcn grossen Xiinnern unserer Zeit, die an den Hochschulen dieses Landes in Drcscl(sn, Leipzig, Freiberg virlccn, und i-on denen mir manchen hier in clieseiii Saale begrYissen diirfm. ist ein giiwaltiger Srhritt. Heute st,elit d i e hn- wentliing der chemischen Wissenscliaft uix’r- reieht da Tor den Augen der Fndigenossen, d i e xiisammengest,riimt sind aus alleu Theileu des deutschen Vatcrlandes, von iibci~~IIh(:r. wohin dt:r Vercin seine Zweige entsentlet.

JTerzlicli heisse ich Sie alle willkoniinen u n ~ l danke lhnen fur Ihr Erscheinrn. das bewcist. wie selir Ihnen die mannigfalt,igen wichtigen Frngen, die ant’ der Ta,gesnrdnung stehcn, am Herzen liegen. Nichts fiirdert melir als die Aiissirnclii! von hfniin ZII Maim, spielend leicht liisen sich die Gegensiitze uud gegenscitigc Anregnng zengt n e w lcleen ziim Wohle cles Ganzen.

Koch liegt mir oh, dankbaren Herzens eines Nanncs zii gedenkcn. der jahrelang niit grossem Gescliick und feiiieni Tact den Vorsitz iinseres \‘ereins gefuhrt hat, cler iuit seiner p n z e n bedeiitenden PersSnlichkeit, clie an sich schon ein Stiick Entwirtkelungs- geschichte der Chemie darstellt, eingetreten ist fiir clie Ziele des Vereins. Ic,h meine elen Hofrath Dr. Caro. Wir im Y-orst:mde wissen es, was r r dem Vereine war, iind Alle, die das Gliick hatten. an einer von ihin ge- leiteten Versainmlung Theil zu nehmen. stehen linter rlem Eindruck seines fascinirenden Wesens und wcrdcn mit mir eiiistimmtm, wenn icli sie bitte, mit mir irn Nanien tles Vereins ihm zu danken. Und menn ich heiite zum ersten Male als Nachfolger eines solc,lien Mannes den .Vorsitz fuhre, so werde icli

[ Zeitschrift Nr angewmdte Chemie. 1042 Hauptversammlung in Dresden.

rnir umsoiiielir der Schwierigkeiten der mir beschieelenen Aufgabe bewusst. Lassen Sie mich hoffen, dass inir Ihre freundliche Unter- stiitzung diese Aufgabe liisen helfe und die komincnden Verhandlungen, wie meine Amts- zeit, sich fur den Verein recht erspriesslic,h gestalten werden.

Ich eriiffne hierinit die Festsitzung der Hanptversammlung des Vereins deutscher Clieniiker mit den1 Wunsche, dass unsere Arbeiten sowohl in wissenschaftlicher wie in prnktischer Richtung fiir dns allgemeine wie fiir das Vereinsleben von volleni Erfolge beglcitet sein miigeu.

Geheimer Rath Vo d e l : Kiinigl. Hoheiten, liochverehrte Herren! Im Namen des Kiinigl. SLchsischen Ministerinms des Innern, dessen Vorstand, Staatsminister von Metzsch , leider verhindert ist, tier an ihn mitergangenen Ein- 1:tdung zu entsprechen und hier z a erscheinen, gevtatte ich mir, Sic herzlich zu begriissen.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, das Wesen nnd die Bedeutung der chernischrn Wissenschaft in clieser hochansehnlichen, meist ja ans Vrrtretern diescr ’Wissenschaft be- stehenden Versamnilung des Naheren darzu- legen und z a beleuchten; wohl aber darf ich hinweiscn auf den grossen und eminenten Erfolg, den sie auf den verschiedensten wissenschaftlichen und sauitliren Gebieten, in Sonderheit in orsterer Beziehung, im Inter- esse tler Industrie, dcs Gewerbes uiid cler Lxndwirthschaft ausgeubt hat, iind nuf die rcichen Segnimgen, die nicht bloss fiir Ein- zelne, sondern fur die Allgemeinheit von ihr gespendet worden sind. Wie mannigfnch die Aufgaben sind, die sie z u liiscn ha t , uncl die sicherlich auch werdcn gelSst merden, geht Beispielsweise aus der Tagesordnung hervor, die I hnen yorliegt. Das Ministerium des Innern wird den zii erwartenden Vortrlgen iind Verhandlungen mit dem griissten und lebhaftesten Interesse folgen, i d ich ver- bindc damit den Wunsch, dass clicse Ver- handlungen, wie die weiteren Bestrebungta des Yereins deutscher Chemiker, von bestem Erfolg begleitet sein miigen.

Oberbiirgerineistcr Geheimer Rat.h Dr. E c u t l e r : Kiinigl. Hoheiteu, hochgeehrte Her- ren! Im Namcn der Stadt Dresden und im Auftrage des Bathes der Stadt Dresden hcisse ich den Vcrein deutxher Cheinikcr bei seinen diesmaligen Verhandlungen in Dresden herzlich willkommen. Der Will- kommgruss gilt ebenso sehr der Wissen- schaft, deren glanzende Namen mir in der hlitgliedcrliste verzeichnet schen, w i e den Ilcrren aus tier Prasis und Indiistrie, deron Redeutung wir specie11 in Dresden und seiner Umgebung besonders zu murdigcn wissen.

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Hauptversammlung in Dtesden. 1043 XIV. Jahrgaog. Heft 42. 15. October 19Ol.l

hieine Herren, die Wissenschaft der Chemie ist zwar in besonderem Maasse eine internationale, in dem Grade, dass eine I+ findung und Anregung beinahe an deinselben Tage, wo sie veriiffentlicht wird, auch allen nnderen Culturnationen des Erdballes zu- ganglich ist; ich glaube aber, wir Deutsche brauchen uns nicht der Uberhebung zeihen zu lassen, wenn wir einen wesentlichen Theil der Erfolge der wissenschaftlichen Chemie rler letzteri 50 Jahre fiir das Wirken unserer Landsleute in Anspruch nehmen. Noch vie1 weniger wird die Bedeutung der praktischen Chemie, der chemischen Industrie in Deutsch- land bcstritten werden kljnnen, und alle die- jenigen, die auf der Pariser Weltausstellung gewesen sind, oder mit einigem Interesse die Ausfuhrziffern Deutschlands beobachten, wer- den mir Recht geben, wenn ich sage, dass die chemische Industrie einen ganz hervor- ragenden Antheil nicht nur an dem grossen Welthandel iiberhaupt, sondern anch im Ver- hgltniss zu der Gutererzeugung in unserem Vaterlande einnimmt. Diese Umstande, meine Herren, sichern Ihnen iiberall, wo Sie hin- kommen, gewiss einen sympathischen Em- pfang. Ganz besonders aber tretcn diese UmstHnde hervor in dem Verhiiltnissc der grossen Stiidte im Ileiche, und specie11 Dres- dens, zu der chemischen Wissenschaft und der chmkchen Praxis. Meine hochgeehrten Herren, Sie Alle wissen, dass heutzutage keinr Wasserleitung mehr gebaut wird, kein Canalsystem mehr geplant und ausgefiilirt wird, ohne dass zuvor ein chemisches Gut- achten gefordert und von hervorragenden Sachverstgndigen abgegeben wird. Sie alle wissen, welche hervorragende Stellung und Redeutung heutzutage ein Z-weig Ihrer Wissen- schaft, die Nahrungsmittelchemie, einnimmt, und melche Bedeutung dieser Zweig fur die Gesetzgebung und Verwaltung gewonnen hat. Ich erinnere weiter daran, dass in dem lucra- tivsten Gewerbe der grossen Stadte, der Gas- production, die Chemie eine hervorragende Rollc spielt: Ich erinnere weiter daran, dass das grosse Gebiet der Hygiene, welches Sie allerdings mit einer neuen Wissenschaft, wenn ich so sagen darf, niit der Wissenschaft von den kleinsten Lebewesen, der Uakteriologie, gemeinsam zu behandeln haben, dass dieses grosse Gebiet der Hygiene durch Chemiker und Bakteriologen alltaglich beinahe neue Anregungen empfangt, aber auch der Gesetz- gebung und Verwaltung taglich neue Auf- gaben stellt. Diese Beziehungen zwischen den grossen stiidtischen Verwaltungen und der Chemie haben es in Dresden auch herbei- gefiihrt, dass die Stadt selbst eine chemische Untersuchungsstelle errichtet hat, welche aller-

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dings im Wesentlichen forensischen Zwecken zu dienen bestimmt ist; aber wir schatzen uns besonclers gliicklich, dass wir zu den Burgern unserer Stadt die hervomtgendsten Vertreter Ihrer 'Wissenschaft ziihlen diirfen, die als Zierden unserer Hochschule thatig sind und tiiglich stets bereit sind, ihre Wissen- schaft in den Dienst des Gemeinwesens zu stellen. SO sind es denn wirklich keine leeren Worte, wenn ich Sie in Dresden herz- licli willlrommen heisse, sondern der Will- kommgruss beruht auf realen Thatsachen, auf den engen Beziehungen, die zwischen der Chemie und unserer stadtisehen Verwtrltung bestehen, Beziehungen, die ich wohl freund- schaftliche und geschzftliche gleichzeitig nennen darf. Deshalb nochmals herzliches Willkonimen in Dresden! Meinen Will- kommgruss fasse ich clahin zusammen, dass Ihre Verhandlungen der Wissenschaft sowohl wie der praktischen Thiitigkeit der Industrie zum Wohl und zur Fljrderung unseres Lan- des reichen Segen bringen miigen.

Geheimer Hofrath Prof. h l e h r t e n s , Rec- tor der Technischen Ho&sclnile: Kiinigl. IIoheiten, meine geehrten Herren! Als Ver- treter der hiesigen Kljnigl. Technischen Hochschule ist es mir eine Ehre nncl Freude, den Verein deutscher Chemiker bei seiner diesjahrigen Tagung, die fur Dresden ein bedeutsames und erfreuliches Ereigniss bil- det, in unserer Aula zu begrussen. Im Namen unserer Hochschule, meine hochge- ehrten Herren, heisse ich also Ihren Verein hier herzlich willkommen. Wie alle unsere Schwesteranstalten, so nimmt auch die Dres- dener Technische Hochschule den lebhaftesten Antheil an dem siclitbaren Bluhen und Ge- deihen Ihres Vereins , durch welchen clic Wissenschaft der Chemie mie die industrielle Chemie so hervorragend vertretea mird. Die chemische und technische Wissenschaft um- schlingt seit Jahrzehnten schon ein unzer- reissbares gemeinsames Band. Schon die altesten deutschen technischen Lehranstalten, aus denen die technischen Hochschulen niit ihren chemischen Abtheilungen hervorgegangen sind, haben in ihrem Studienplane der Chemie einen bevorzugten Platz eingergumt, und das mit vollem Recht. Denn es giebt in der That wohl kaum ein anderes Gebiet der Nat.urwissenschaften, das in seinen Wurzeln so tiefgriindig und in seinen Zweigen so weit reichend und innig mit Industrie und Tech- nik verwandt ist, als die Chemie. Zwischen Chemie und Technik haben sich im Laufe der Zeit tiefgreifende und fruchtbringende Wechselbeziehungen entwickelt. Auf der einen Seite wirken die wirthschaftlichen Erfolge der Industrie auf die wissenschaft'liche Forschung

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[ Zeitschrif? Air Hauptverslmmlung in Dresden. anpewandte Chemie. - -

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befruchtend zuruck ; andererseits :her auch eilt die Forschung den wirthschaftlichen Be- diirfnissen voraus , iiidem s i e neue ziindencle Gedanken verbreitet, zu deren pralrtischer Verwerthung erst die Technik den rechtcn Niihrboden vorzubereiten hat. Ich erinnere in dieser Beziehung heispielsweise nur an die vor z w e i Jahrzehnten erfolgte weltbewegencle Einfuhrung des basischen Verfahrens bei der Flusseisenerzeugung im Hiittenwesen. Die theoretischen Umrisse und Redingungen dieses Vcrfahrens wwen der Chemie 18ngst vorher belcannt; aber die praktische Ausgvstaltung scheiterte lange Zcit scheinbar niir an rinen Kleinigkeit, nLmlich an der Schwirrigkeit der Iferstellung eines geniigenden basischen Stein- futters zur Auskleidung der die fliissigen Eiwn- massen aufnehmenden Converter. So giebt es hunderte yon Beispielen ahnlic1it:r Art, in denen die folgenschweren culturellen Kinfliisse des Bundnisses zwischen Cliemie untl Tec,hnik offenbar werden, eines Biindnisses, chs zudcin in keinem auderen Lande wohl aiif SO iin-

antastbaren Grundlagen ruht, als in Deutsdi- land. DeiitscheWissenschnftliclikeit uncl Grund- lichkcit sind eben keine zufLlligcn Ilinge; s i e sind vielmehr ein Ausfluss einer aiigttboren(:n, durch Vererbung vertiefteii nationalen lie- gabung, die nicht etwa ein jedes l ~ n d , das darnach strebt, im Handumdrehcn sidi zii eigen machen kann. Den geraden Gegensatz dazu bildet die namentlich in Engl:+nd ails- gesprochen vorhandene Abneigung gegen alles Grundsatzmiissige, Kinheitliche, Planvolle und Weitnusschauende, also gerade gegen. nlles clas, was die dcutsche Cheinie bei ihrrn neiien Schiipfungen so gross gemacht h t .

Der Verein deutscher Cherniker cmchoint in erster Linie mitberufen, die berechtigt be- vorzugte Stellung Deutschlands kiinftig zu wahren, und dass er dabei bereits auf rjch- tigem Wege ist, das bemeiscn scine bishibri- gen schiiiien ErfoIge. lch wiinsdie vou 1.J er- Zen, dass auch die Rerathungen ~iitd wisaen- schaftlichen Arbeiten der diesjahrigm Tagung, die durch die Theilnahme Ihrer liiin igl. Hoheiten eine so aiisserordentlichc Auszeich- nung erfahren habrn. einen weitereu Schritt auf diesem Wege bedeutcn und dass auch d i e ubrigen Veranstaltungen Ihres Vereins in Dresden und Umgegend von bestein Erl'olg und schiinstem Wetter begleitet sein miichten. (Rr avo .)

Regierungsrath Dr. R e r p : Bgl. Hoheiten, hochansehnliche Versammlung, hochverehrter Herr Priisident! Gestatten Sie auch mir, Ihnen Dank zu sagen fur die liebenswiirtlige 12in- ladung, die Sie dem Kaiserlichen Gwundheits- amt haben zu Theil werden lassen, und die freundlichen Worte der Begrussung, mit wel-

:hen Sie dieses Anites gedacht haben, das ich iier zu vertreten die hohe Ehre habe. Wenn es neinein Chef nicht mijglich war, Ihrer liebens- viirdigen Aufforderung persiinlich zu ent- ;prechen, so wollen Sie dies giitigst mit dem Smstande entscliuldigen, dass seiner gerade n diesen Tagen eine Fulle yon Arbeiten zur Liisung harrt; Sie wollen aber ebenso uberzeugt ;(?in, dass er :mit dem regen Interessc, welches i a s Gesundheitsamt von jeher IhrenBestrebun- ;en entgegcngebraeht hat, den Verlauf Ihrer ieatigen Verhartdlungen verfolgt. Das Ge- mndheitsamt ist mit der chemischen Wissen- whaft und der chemischen Praxis in ihrer rielfaohen Gestaltung durch viele und mannig- ' d i e Fiiden verkniipft. Die Aufgaben, die tn uns herantreten, versetzen uns in die ;liickliche T q e , mit den hetheiligten Sach- verstiindigen uiid Fachgenossen in regen Ver- kehr uncl Meinungsaustausch zu trcten. So srinnern mir uris dankbar der gemeinsamen Arbeit, als es galt. cine Frage von grund- legender Bedeutung ihrer Liisung entgegen zu fiiliren, der Frage nach dcr Wcrthschiitzung chemischer Arbeit, der Frage nach einem cinlteitlichen deutschen Chemiker-Gebiihren- tarif; da hat der Verein drutscher Chemiker oiclit gezijgert, seine Erfahrangen bereitwillig in den Dienst der allgeineinen Interessen zu stellen. Di.ese Beziehungen zwischen che- uiischer Wissenschaft und chemischer Praxis im Allgeineineri und insbesondere zu dem Vcrein deutscher Chemiker in Zukiinft zu fiirdern, wird uns angelegentliche Anfgnlse sein. denp wir k6nnen Ihnen ja nur Gliick wiin- schen und unsere wjirmstc Sympathie init Bestrebungen aussprechen, die wie die Ihrigen darauf gerichtet sind, deutscher Schaffenslust und deutsclier Arbeitskraft in Anwendung der chemischen Forschung die Wege zu bahncn und zu erschliessen. Lassen Sie mich ;Inher meiner Freude Ausdruck geben, dass es mir vergijnnt i s t , heute in Ihrer Mitte zu meilen und :ins Ihren Berathungen Anregung iind Belehrung zu schiipfen und lassen Sie iiiich zugleich im Namen des Gesundheits- :tmtes und seines PrLsidenten den Wunsch anfugen, dass aus der diesmaligen Tagung der volle Erfolg erbluhen mijge, der Ihnen nach den interessanten Gegenstanden. die zur Berathung stehen, nach den festlichen Ver- nnstaltungen, die, unterstutzt durch die wunder- baren Reize dieser schiiiien Stadt, so gljinzend getroffen sind, in vollem Maasse gebiihrt. (Bravo.)

Baurath P e t e r s : E n i g l . Hoheiten, nieine sehr geehrten Herren! Namens des Vereins deutscher Ingenieure habe ich die Ehre, Sie zu begrussen, und mit Freude habe ich die durch Ihre gutige Einladung gebotene Gelegenheit er-

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griffen, urn fur die freundliche Begriissung, die uns Namens Ihres Vereins im vorigen Jahre durch IIerrn Dr. D u i s b e r g auf unserer Haupt- versammlung zu Kiiln zu Theil geworden ist, hier Namens des Vereins deutscher Ingenieure aufs herzlichste zu erwiedern. Tch gedenke der beredten Worte, mit denen Ihr IIerr Ver- treter die Gemeinsamkeit der Interessen und Bestrebungen schilderte, die zwischen unseren beiden Vereinen besteht, eine Gemeinsamkeit, die ja gewissermaassen in ihm selbst ver- kiirpert wurde, insofern er Ihr Mitglied und unser Mitglied ist. Gemeinsam ist es unseren beiden grossen Vereinen und unserrn beiden grossen Berufsstanden, dass wir die Natur zu erforschen suchen und die Ergebiiisse der Forschungen verwerthen zur Hebung der nienschlichen Cultur; und so innig ist diese Gemeinsamkeit nicht nur der Bestrebungen, sondern auch des Arbeitens geworden, class wir so z u sagen ohne einander gar nicht mehr leben kiinnen. Aber nicht nur auf dem Gebiete der Wissenschaft nach aussen sind wir gemeinsam, sondern wir sind es ganz besonders auch dadurch geworden, dass wir im Verein nnsere Thatigkcit starker und kr&ftiger hegrunclen. Wir sowohl wie Sie liaben von jeher damn festgehalten, dass durch den Austausch der Meinungen, wie der Herr Vorsitzende soeben in seincr An- trittsredc gescliildert hat, gefiirdert wird, was Jeder von uns im Einzelnen zu erstreben seine Lebensaufgabe nennt. Meine Herren, so kann es Sie denn wohl nicht Wunder nehmen, dass der Gruss, den ich Ihnen dar- bringe, ein ganz besonders herzlicher ist. Wir haben Ton Seiten des Vereins deutscher Ingenieure, als vor mehreren Jahren der Ver- ein deutscher Chemiker gegriindet wurde, mit Freuden in die dargebotene Bruderhand eingeschlagen, mit dem Bewusstsein, dass wir von nun an einen tiichtigen Bundesge- nossen auf dem Gebiete unserer Arbeit haben werdcn; und der herzliche Wunsch, den ich darzubringen habe, ist, dass wie bisher diese Bundesgenossenschaft eine treue und eine wirkungsreiche sein moge. Somit be- griisse ich die Hauptversammlung des Vereins deutscher Chemiker im Auftrage des Vereins deutscher Ingenieure. (Bravo.)

Dr. W O y : Der Verband selbstandiger iiffentlicher Chemiker hat mich beauftragt, fiir die Einladung zu Ihrer diesmaligen Hauptversammlung unseren besten Dank aus- zusprechen. I n Befolgung des alten strate- gischen Grundsatzes : getrennt marschiren, vereint schlagen, werden Sie unseren Ver- band immer an Ihrer Seite und in erster Linie kampfen sehen, wenn es gilt, den ge- meinsamen Nahrboden der angewandten Che-

mie zu bebauen, vor Allem aber in allen Standesfragen mit Ihnen gemeinsam zu wirken, nach dem Satz: Honestis honorem, fidelibns, fidem violentibus vim! Und so schliesse ich mit dem Wunsche des besten Gedeihens fiir Ihre diesjahrige Hauptver- sammhng.

Dr. F i l s i n g e r : Kiinigl. Hoheiten, Hoch- geehrte Herren! Im Auftrage des Vereins der analytischen Chemiker Sachsens habe ich die Ehre, fur die an uns ergangene Ein- ladung unseren Dank abzustatten. 1st unsere Vereinigung auch der Zahl nach die kleinste der Corporationen, welche der grosse und machtvolle Verein deutscher Chemiker um- fasst, so ist unser Streben doch von ver- wandtschaftlicher Gleichheit, und die auf die Fiirderung der chemischen Wissenschaft und ihrer Vertreter gerichteten Bestrebungen Ihres Vereins finden bei uns Sympathie und collegialen Widerhall. Ich mochte mir des- halb erlauben, dieser Sympathie dadurch Ausdruck zu verleihen, dass ich Ihren Ver- handlnngen in unserem schiinen, mai- geschrnuckten Dresden einen vollen wissen- schaftlichen, collcgialen und auch materiellen Erfolg wiinsche. (Bravo.)

Vors i t z en d e r : Verehrte Festversnmm- lung ! Aus den freundlichen Begriissnngsworten, die dem Verein deutscher Chemikcr von so hoher Stelle zu Theil geworden sind, darf der Verein den berechtigten Schluss ziehen, dass die Behiirden des Reiches, die hohe Kiinigl. Sachsische Regierung, die staatlichen Hochschulen und alle hier vertretenen Kreise seinen Bestrebungen und Zielen sympathisch gegeniiber stehen und dieselben im riclitigen Maasse zu schatzen wissen. I c h b i n gli ick- l i c h , a n d i e s e r S t e l l e d e n Gef i ih len d e r l e b h n f t e n G e n u g t h n u n g , d e r F r e u d e u n d d e s D a n k e s A u s d r u c k v e r l e i h e n zu d u r f e n f u r d e n h e r z l i c h e n W i l l - k o m m g r u s s , d e n d i e M i t g l i e d e r des V e r e i n s h i e r g e f u n d e n haben .

Unser Verein , hervorgegangen aus dem Zusammenschluss der Vertreter der reinen Wissenschaft und der chemischen Technik, zHhlt wohl die Mehrzahl der wissenschaftlich und industriell thatigen Chemiker zu seinen Rfitgliedern und weiss daher mit vollern Ver- stiindniss zu ermessen, welch machtige Fiir- derung der drutschen Wissenschaft und der deutschen chemischen Industrie yon den Be- hiirden der Bundesstaaten und des Reiches geworden ist. In richtiger Wiirdipng dieses starken Schutzes haben denn auch die Ver- treter der deutschen Chemie niemals ge- saumt, wenn an sie der Ruf erging, auch ihrerseits fiir des Deutschen Reiches Herrlich- keit einzutreten und den deutschen Namen

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Page 6: Hauptversammlung des Vereins deutscher Chemiker in Dresden am 29. Mai bis 1. Juni 1901

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in frcmden Landen zu E h e n zu bringcn. Ein lebendiger Beweis dafur war die nnge- theilte Anerkennung der deutschen cheuiischcn Industrie bei dem friedlichen Wettstreite, dcr sich im vergangenen Jahre an d e n Ufern der Seine abspielte, ein Erfolg, der nur durrh das einmiithige, geschlossene Zusammengetien der deutschen chemisehen Industrie erreiclit, werden konnte, welche selbstlos iiuf jedes Reclamemittel Verzicht leistete, das die Sonderinteressen der Aussteller zu fiirclern geeignet war. Niemals aber hatten sich die deutsche Wissenschaft und die deii1,sche In- dustrie emporzuschwingen vermocht zur heutigen weltbeherrschenden Hohe, wenn ihr nicht die verstandnissvolle Pflege erleitchteter Herrscher und einsichtiger Regierungen zu Hiilfe gekommen ware. Sie war fur die deutsche Chemie clas, was die sorgsmie Hand des Gartners fur das Samenkorn ist, wid wenn wir nun, verehrte Festgenossen, in1 Schatten des nunmehr mHctitig entxiclrelten Baumes zwar nicht raste,n und rosku , son- dern behencl, aber ohne zu grossc: Miihsrtl fortarbeiten kijnnen, so ist dies du.s Werk unserer erlauohten Fiirsten und ihrer Xatli- geber. Cerade hier im politischrn Mittel- punkt Sachsens, dem Sitz mannigfaltiger che- mischer gewerblicher Thatigkeit , rn i t einer Umgebung , deren Gewerbsfleiss so eng mit, unserer Wissenschaft verbunden ist, tritt uus dies noch mehr Tor Augen, als andwswo im Reich. - Und lassen wir unseren Blick uach Norden schweifen, zur politkchen Hauptstatlt All-Deutschlands , so erschauen a i r einm michtigen Kaisers Majestat, der von der IIijJte unserer modernen Culturentwickelun~ aus mit hellsehendem Blick die Bediirfnisst: unsercr Zeit ermisvt und fur Alles, was Deiitschland frommt, seinen starken Willen einsetzt, aiif dass unser Vaterland ruhmreich bestjehe im Wettstreit der Viilker und die grossen Ciiltnr- aufgabcn lose, die ihm gestellt siud. Und wo sich Deutsche zu ernster Srbeit zusani- menfinden, da wendet sich ihr erster dank- erfiillter Blick den Schirmherren ihrer Lantlc und des Deutschen Reiches zu. Diesen Ge- fuhlen Ausdruck zu verleihen, forderc ich S k nuf, verehrte Anwesende, sich voii Itirer Sitzen zu erheben und mit mir einzustimmvr in den Ruf:

Seine Majestat der Deutsche Raiser Wilhelm 11.

und Seine Majestit Iiiinig Albert von Sachsen

leben Hoch! Hoch! Hoch!

Ich gebe nun das Wort Herrn Geheim

[ Zeitschvift fir Hauptversammlung in Dresden. angewandte Chemie. _ _ _ ~

1046

Geheimrnth Professor Dr. 0. N. W i t t : U b e r d i e A u s b i l d u n g d e r C h e m i k e r iir d i e T e c h n i k " (s. d. 2. S. 633).

Hierauif folgt der Vortrag Dr. E d m u n d voii L ippmann ' s : ,,Che-

n ische H e n n t n i s s e vo r 1000 J a h r e n " s. d. Z. S. 640).

Die Versammlung Gbersandte an Se. Ma- estat den deutschen Kaiser und Se. MajestHt Len Konig von Sachsen gleichlautend das olgentle ITulcligungstelegramm:

,,Ew. Majestiit huldigt in Ehrfurcht und Liebe clie in der Technischen IIochschule zu Dresden tagende Hauptversanirnlung des. Vereins deutscber Chemiker.

Der Vorsitzende Medicinalratti Dr. E. A. Merck."

voraul' die folgenden Antworten eingingen : ,,ITauptversammlung des Yerein5

deutscher Chemiker, Dresden. Se. MajestLt der Kaiser und Kiinig

lassen fiir den Huldigungsgruss hestens danlten. Auf allerhijchsten Befehl

v. I d m i u s , Geh. Cabinetsrath. '* ,, Jledicinalratli Dr. Merck, Dresden, technische

Hochschule, Dresden. Ich danke dem Verein deutscher Che-

miker herzlich fiir den mir zugesandten freundlicheri Chuss. Albert. ''

Der Vorsitzende schliesst gegea 1 Uhr die Versammlung unter herzlichem Danke an die Vortragcnclen.

111. Geschaftliche Sitzung i n d r r A u l a d e r Techn i schen I I o c h -

s chu 1 e. Dcr Vorsitzende eriiffnet die Sitzung urn

3 Ulir Nachmittngs uncl constatirt, cixss die Binlndungen satzungsgeniass erfolgt sind. In dcr Vereinbzeitschrift vom 30. April sei die Tngesordnung veriiffcntlicht worden und schon seit dem 2 6 . Fcbruar d. J. halre fortlaufend die Ankiindigung der Hauptversanimlung in der Z eitsclirif t s t attgefunclen .

Znm Protocollfiihrer wird Herr Director 1; ii t y ernannt iinci zu Beurkundern der Ver- snmmlung werden die folgenden 7, den1 Vor- stande nicht angehorigen Mitglieder durch Zuruf erwiihlt,:

Director Dr. O t t o J o r d a n , Linden, Director A. S c h u m a n n , Nietleben, Dr. F. K o b b e, Salbke-Westerhiisen. H. H. Nieclelifiihr, Berlin, Dr. H. B u c h e r e r , Dresden, C. S c h i r t l e r , Friedrichsfeld, Dr. H. F len iming , Kalk.

rath Prof. Dr. 0. N. W i t t zu seinein Vvr- ~ Hierauf wircl in die Tagcsordnung einge- trage. treten (s. d. Z. 8. 157).

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Hauptversammlung in Dresden. 1047 XIV. Jahrgang. Heft 42. 15. October 1901.1

1. Gesch i i f t sbe r i ch t d e s Vors tandes . Der Geschiiftsbericht (d. Z. S. 962) liegt

in Druck vor und wird von der Versammlung .ohiie Debatte genehmigt.

2. J a h r e s r e c h n u n g fiir 1 9 0 0 , B e - r i c h t d c r R e c h nun g s p r ii f e r.

Director Liity: Die Bucher des Vereins sind in diesem Jahre durch die Herren M. E n g e l c k e und P. K o b e in Halle revidirt worden. Dns Protocol1 liegt im Original vor

Director J. Weineck: Ich beantrage, dem Geschlftsfiihrer und gleichzeitig fiir die Ge- schafts- und Bassenfiihrung im abgelaufenen .Jahre Decharge zu ertheilen.

Vors i t zende r : Hat Jemand zu diesem Antrage eine Bemerkung ZLI machen? Da es nicht geschieht, so ist die Entlastung fur den ,Geschaftsfiihrer und den Vorstand ausge- sprochen.

Id. z. s. 967).

3. H a u s h a l t u n g s p l a n f u r 1 9 0 2 (d. Z. S. 968).

Die Versammlung genehmigt den gedruckt vorliegenden Haushaltungsplan ohne Debatte.

4. W a h l e i n e s E h r e n m i t g l i e d e s . V o r s i t z e n d e r : Der Vorstand schligt vor,

Herrn Geheimrath Professor Dr. J. V o l h a r d zum Ehrenmitgliede zu ernennen in Anerken- nung seiner hervorragenden Verdienste um die Wissenschnft und in dankbarer Erinne- rung an die langjiihrige und erfolgreiche Mit- wirkung an der Leitung des Vereins. (Leb- haftes Bravo.)

Hat Jemand an dieseii Vorschlag eine Bemerkung anzukniipfen? Es ist nicht der Fall ; ich constatire, dass der Vorschlag ein- stimmig angenommen worden ist. Wir wer- den soinit IIerrn Geheimrath Vol h a r d von diesem Beschlusse durch folgendes Telegramm Kenntniss geben:

,,Es gereicht uns zu hoher Freude, unse- rem hochverehrten friiheren Vorstandscollegen, dessen Fernbleiben von unserer diesjahrigen Hauptversammlung allerseits schmerzlich be- dnuert wird, seine soeben einstimmig erfolgte Wahl zum Ehrenmitgliede des Vereins deut- scher Chemiker mittheilen und unsere herz- lichsten Gliickwiinsche beifiigen zu diirfen. "

Im Laufe des Nachmittags lief von Herrn Geheimrath Volli nrd die folgende Antwort ein :

,,Ihre Wahl zuin Ehrenmitglied ist die h6chste Ehre, die mir im Leben erwiesen wurde, mein Verdienst weit ubersteigend. Aufrichtigen Dank auch fiir den freundlichen Gruss des Vorstandes. Der Verein miige wachsen, bluhen und gedeihen. "

5. Vors t andsmah l . V o r s i t z e n d e r : Zu iinserem sllergrijssten

Bednuern hat Herr Hofrath C a r o nicht ein- gewilligt, sich wieder in den Torstand wdilen zu lasseii. Wir sind gestern in der Torstands- rathssitzung nochmals sehr in ihn gedrungen, Herr Hofrath C a r o hat aber entschieden ab- gelehnt. Der Vorstand und der T'orstands- rath macht Ihnen daher folgenden Vorschlag : An Stelle des Herrn Hofrath Caro Zuni ZweitenVorsitzenden Herrn Director Dr. D u i s - b e r g und als Beigeordneten Herrn Director Dr. H. K r e y zu wahlen. (Bravo.) Aus Ihrer Zustimmuiig darf ich schliessen, dass Sie mit einer Wahl durch Acclamation einverstanden sind. (Lebhafte Zustimmung.) Da sich gegen diesen Vorschlag kein Widerspruch erhebt, so constatire ich, dass die beiden Herren durch Acelamation einstimmig gewahlt sind und frage die Herren, ob sie die auf sie ge- fallene Wahl anzunehmen bereit sind.

Beide Herren erklaren, dass sie die Wnhl mit Dank annehmen.

6. Wahl Ton zwe i Rechnungspr i i f e rn (d. Z. S. 970).

Auf Vorschlag des Gesammtvorstaiides werden die Herren M a x E n g e l c k e und P. K o b e in Halle wiedergewahlt.

7. F e s t s t e l l u n g von O r t u n d Z e i t f u r d i e H a u p t v e r s a m m l u n g 1 9 0 2 (d. Z. S. 970).

Der Geschaftsfiihrer verliest das Einladungs- schreiben des Rheinisch-westfalischen Bezirks- vereins, die nachste Hauptversammlung .in Diisseldorf abzuhalten. Die Versammlung nimmt unter lebhaftem Beifall die Einladung an und beschliesst, die Hauptversammlung wie bisher in der Woche nach Pfingsten abzuhalten.

8. B e r i c h t e d e s V o r s t n n d e s (d. %.

a) E i n t r a g u n g i n d a s Ve r e i n s r e g i s t e r. Director Liity: Die Eintragung in das

Vereinsregister zu Halle ist so gut wie er- folgt, da nur noch ein Gutachten der Polizei- direction uber unsere Satzungen aussteht. Die Frage erscheint daher als erledigt.

b) V e r e i n s z e i t s c h r i f t (a. Z. S. 971). V o r s i t z e n d e r : Sie ersehen aus der Ab-

rechnung, dass die auf den Verein entfallende HBlfte des Reingewinnes 3792,77 If. be- tragt. Der Vorstand bittet die Vereinsmit- glieder, die Zeitschrift weiter nach Kraften zu unterstiitzen, sowohl durch Referate und Beitrage, als auch durch Annoncen. Der Vor- stand stellt den Antrag :

,,Der Verein miige beschliessen, seinen Gewinnnntheil aus der Vereinszeitschrift fur

S. 971).

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das Jahr 1900 im Betrage von 37!l2,77 RI. dem Zeitschriftreservefond zu iibermeisen. ''

Die Versammlung ist mit dem Antrage einverstanden.

c) B e r i c h t i iber d i e S t e l l e n v e r m i t - t e l u n g (d. 2. S. 976).

Der Bericht iiber die Stellenverinittelung hat den Mitgliedern des Vorstandsrathes vor- gelegen. Die Versammlung verzichtet auf die Verlesung des Berichtes.

d) Ge buh r eno rdnung . Dr. E. A. Merck: Die Gebuhrenfrage ist

zu einem vorlaufigen Abschluss gekommen. Am 4. Januar 1901 hat die Commission zur Berathung einheitlicher Gebuhrensatze in dem Kaiserlichen Gesuudheitsamt unter tlem Vor- sitz Ton Geheimrath Ki jh le r getagt. Dm Verein deutschrr Chemiker war bei diesor Sitzung durch den Vorsitzenden und Professor Dr. H i n t z (Wiesbaden) vertreten; der letz- tere war in Gemeinschaft mit Dr. P o p p an der Ausarbeitung der Gebiihren betheiligt. Im Grossen und Ganzen wurden die Vor- schlage der genannten Herren angenommen, w e i t e r d i e B e s c h l u s s e , d i e i n Kinssel von d e r Commiss ion g e f a s s t w o r d e n s ind .

Das 1Zaiserliche Gesundheitsamt wiinsclit, dass vorlaufig Mittheilnngen, die sich auf den Gebuhrentarif beziehen, nicht gemacht werden. Diesem Wunsche Rechnung tragentl, sehe ich von weiteren Mittheilungen :tb. Sie werden iriit mir der Meinung win, dass wir uns freuen diirfen, in der betreffenden An- gelegenheit zu einem gewissen Abschluss ge- langt zu sein.

e) B e r i c h t i iber d i e A n t w o r t e n d( . r p h i 1 o s 0 p h i s ch e n :tu f d i e E i n g a b e des Vere ins , d i e chemisc l ie T e c h n o l o g i e a l s Nebenfach i m R i g o - r o s Lim z u z ul as s en.

Dr. D u i s b e r g : In der vorjahrigen Haupt- versammlung zu Hannover ist auf Antr:Lg des Bezkksvereins fiir Mittel- und Nieder- schlesien und nach dem Referat des I-Ierrn Prof. A h r e n s die folgende Resolution ange- nommen worden :

,,Der Vorstand des Vereins deutscher Chemiker wird ersucht , dahin vorstrllig zu werden, dass in Zukunft chemische Techno- logie als Nebenfach beim Doctorexamen der Universitaten gepriift werden darf".

Dem ihm damals ertheilten Auftrage fol- gend, hat dann der Vorstand das iin Jahres- bericht abgedruckte Schreiben an die philo- sophischen resp. naturwissenschaftlichen Fa- cultaten der deutschen Universitiiten ge- richtet.

Von den 19 deutschen Universitaten haben 13 die Frenndlichkeit gehabt, zu antwortcsn,

F a cu l t 5 t e n

[ Zeitschrift fUr engewandte Chemie. Hauptversammlung in Dresden.

~~

1048

wahrend bis jetzt yon den iibrigen, namlich Y o n Bonn, Greifswald, Heidelberg, Rostock, Strassburg, Wiirzburg, Antworten nicht ein- gegangen sind uud wahrscheinlich auch nicht mehr eingehen werden.

Aus den Antwortschreiben ergiebt sich, dass bei nachstehenden Universitiiten, nam- lich bei Berlin, Miinchen, Leipzig, Tubingen, Freiburg , Jena, Erlangen, Extraordinariate fur technische Chemie bestehen, dass aber iiiir in Berlin und in Erlangen in technischer Chemie beim Doctorexamen sehon gepriift wird, resp. gepriift werden darf.

In B e r l i n specie11 ist auf Antrag des Herrn Geheimrath F i s c h e r durch Beschluss vom 4:. hfai 1899 bestimmt worden, dass, fiir den Fall die Cheniie das Hauptfach bildet, die chemische Technologie als das eine der beiden von der FacultLt geforderten Neben- facher zugelassen werden darf, aber nur unter der ausdrucklichen Bedingung, dass dann die Physik das andere Nebenfwh ist.

In E r l a n g e n gilt seit mehr als 30 Jahren die Bestimmung, dass bei den Promotionen der Chemiker neben dem Vertreter der reinen Chemie auch der Fachvertreter der ange- wandten Chemie pruft, und dass bei der Feststellung des Prufungsergebnisses beide Vertreter gleiche Stimmen besitzen.

Die philosophische Facultat der Akademie zu Mi ins te r hat auf unseren Antrag hin in ihrer Sitzung vom 33. April dieses Jahres beschlossen, die technische Chcniie als facul- tatives Nebenfach bei cier Priifung zuzu- lassen. Das ist also die einzige Facultat, bez. Akademie, die einen Beschluss im Sinne unseres Antmges gefasst hat.

Die Facultat der I i 6 n i g s b c r g e r Univer- sitat lehnt zwar die Aufnahme der technischen Chemie als obligatorisches Nebenfacli ab, stpllt nber in Aussicht, dam, wenn ihreni Gesuch uni Errichtung eines Extraordinariats fiir technische Cliemie von cler Staatsregierung eiitsprochen w i d , sie lvereit ist, dann auch die technischc Chemie als freiwilliges Neben- faah zuzulassen. Hierzu ist zu benierken, dnss wir die obligatorisehe Zulassung ja auch nicht gefordert haben.

Die naturwissenschaftliche Facultat zu Ti ib ingen erkrnnt mit Dank an, dass ihr von so berufener Seite Anregungen zur Ver- tiefung und Erweiterung der Keiintnisse der Studirenden, specie11 der Studirenden der Chemie, zukommen. Obgleich zur Zeit Spe- cialfaoher im. Doctorexamen ausgeschlossen und als Priifungsfacher uur die I-Iauptdis- ciplinen der N~ttur~~issenscliaften aufgenom- men sind, wobei es wohl wie iiberall deni Examinator unbenommen bleibt , auch am Specia1facher.u Frxgen zu stellen, wiirde die

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Hauptversammlung in Dreaden. 1049 XIV. Jahrgsng. Heft 42. 15. October 190l.l

FacnltBt doch im Princip nichts dagegen ein- zuwenden haben, die Chemiker im Doctor- examen in einem fur sie so wichtigen Ge- biete, wie die chemische Technologie ist, einer Specialpriifung zu unterwerfen, voraus- gesetzt, dass auch die Facultaten anderer Hochschulen dieselbe Einrichtung trafen. Bis jetzt hat sich der Vertreter der Chemie an der Facultat in Tubingen bereit erklart, in seinem Institut bekannt zu machen, dass es denjenigen Studirenden, welche die technische Laufbahn einschlagen wollen, event. von Nutzen sein wird, dass sie zur Verbands- prufung eine Erganzungsprufung in technischer Chemie vor dem Lehrer dieses Faches ab- legen. Die FacultSit hofft, dass Chemikern, welche die Priifung bestanden haben, dann auch von Seiten der Technik wohlwollend entgegengekommen wird.

Wie Sie wissen, hat der Verband der Laboratoriumsvorstande der deutschen Hoch- schulen in der vorigen oder vorvorigen Sitzung beschlossen, zuzulassen , dass in Ergiinzung der Verbandsprufung auch in anderen Fachern gepriift werden kann. 1st dies geschehen, so muss auch daruber ein Erklarungszeugniss ausgestellt werden.

Die K i e l e r Facultat halt es mit dem Ver- ein deutscher Chemiker fur erwunscht, dass der Universitatsuiiterricht in Chemie durch Vorlesungen uber chemische Technologie und diesbezugliche Ubungen erganzt werde. Aucb wurde sie damit einverstanden sein, dass der Vertreter des genannten Faches, nach- dem ein solcher als Ordinarius ernannt sein wird, an der Prufung uber Chemie im chemi- schen Doctorexamen theilnimmt. Hingegen ist die Facultat nicht in cler Lage, diese Priifung in technischer Chemie als Ersatz fur das zwcite naturwissenschaftliche Haupt- fach oder fur die Philosophie gelten zu lassen.

Die Facultat zu J e n a behalt sich vor, einen bestimmten Reschluss uber die obigen Fratgen erst dann zu fassen, wenn das fur die dortige Universitat geplante Extraordi- nariat fur die technische Chemie und das Laboratorium fur dieselbe Disciplin einge- richtet sind.

Die Facultat zu F r e i b u r g erkennt auch die grosse Bedeutuug der technischen Chemie an und theilt mit, dass dementsprechend bei jeder mundlichen Prufung des Chemikers einige Fragen nach dieser Richtung gestellt werden, da den Studenten durch Anstellung eines etatsmassigen ausserordentlichen Pro- fessors mit besonderem Lehrauftrag fiir tech- nische Chemie das Studium dieser Disciplin rrmiiglicht ist. Die technische Chemie als Nebenfach bei der Priifung zuzulassen, wurde aber im Widerspruch stehen mit dem in Frei-

burg maassgebenden Grundsatze, den Studi- renden eine ausreichende Ausbildnng auch in den ubrigen Zweigen der Naturwissen- schaft, z. B. in Physik, Mineralogk, zu ver- schaffen.

Der Munchene r Decan schreibt: ,,Die Aufnahme der technologischen Chemie als besonderes Prufungsfach in das Doctorexamen der Chemiker ist ohne L d e r u n g der Statuten nicht miiglich. Diese schreiben fur die ganze Universitat neben dem Hauptfach zwei Neben- facher vor, als welche von Chemikern fast ausnahmslos Mineralogie und Physik gewihlt werden. Eine Verminderung dieser Neben- facher kijnnen wir im Interesse der allge- meinen wissenschaftlichen Ausbildung nicht fur wiinschenswerth halten".

L e i p z i g lehnt in einem ausfuhrlich be- grundeten Schreiben die Zulassung der chemi- schen Technologie als eines der vollwichtigen Nebenfkher ab , da dies die unausbleibliche Folge haben wiirde, dass gerade die weniger Fleissigen und Begabten unter den Chemie Studirenden im Anfange ihrer Universitats- zeit noch mehr als bisher die ubrigen fur ihre Fachbildung doch nothwendigen Natur- wissenschaften vernachlassigen und sich ledig- lich auf die verschiedenen Theile der Chemie und die Exprrimentalphysik beschranken wur- den. Dies habe sich thatsachlich in Wurz- burg gezeigt, wo diese jetzt verlangte Ein- richtung schon bestand, spater aber wieder auf- gehoben worden ist. Die Facultat bittet uns aber, unsere Bernuhungen fur Befriedigung der Bedurfnisse und Wunsche der Industrie in der Weise geltend zu machen, dass in der Industrie nur solche Chemiker angestellt werden, welche vor dem Verbande der La- boratoriumsvorstande an den deutschen Hoch- schulen facultative Ergiinzungspriifungen in der technischen Chemie ablegten.

In Gi i t t i ngen werden von der philosophi- schen Facultat wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiete der chemischen Technologie als Vorbedingung fur die Zulassung zur Doctor- priifung angenommen und entsprechende Kenntnisse im mundlichen Examen nach Ge- buhr geschatzt. Die Facultat lehnt es aber ab, eine Anderung ihres Statuts in der von uns gewunschten Richtung im lnteresse eines einzelnen Faches vorzunehmen.

Die philosophische Facultiit in H a l l e ist zur einstimmigen Ablehnung des von dem Verein gestellten Antrages gelangt. Sie Gndet es nicht cier Bedeutung des philosophischen Doctorgrades entsprechend, die wissenschaft- liche Prufung der im diese Wurde sich be- werbenden jungeren Chemiker durch ver- starkte specialistische und verminderte son- stige Anforderungen noch mehr zu verein-

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seitigen. Vie1 wichtiger als der Besitz c,hemisch-technologischer Iienntnisse ersclieint ihr fiir den Bildungsgracl eines rh. phil. einestheils ein miiglichst griinclliche3 Wisscn i n cler theoretischeu Chemie als der Grund- lage aiich der angcwandten, anditrenthei 1s die Vertrautheit auch mit anderen natur- wissenschaftlichen Disciplinen , ins?)esondere mit der Physik.

Endlich lehnen die Facultaten zu Mar - b u r g und B r e s l a n eine Prufung in teclrnischer Chemie, und zwar erstere ohne Angahe wei- terer Griinde, die letztere mit eiiirm aus- Whrlichen Schreiben ab. Da das Schreihm der philosophischen Facnltat zu B r e s l a u im stricten Gegensatz z u denjenigen di:r Fac,iil- taten der anderen Universitaten sich nicht durch FTiif lichkeit und Entgegenkommen aus- zeichnet, sondern in den einleitenden Satzen geradezu unangenehm und der Wurde nnseres Vereins nicht entsprechend ist , so sei das- selbe durch wiirtliclie Wiedergabe nicht her- vorgehoben, sondern niedriger gehlitgt :

,,Wir sind dem Vorstande des Vereins deutscher Chemiker dankbar Kir die lehr- reichen Auseinandersetzuugen iiber die Be- deutung der technischen Chemie und den padagogischen Werth dieser Disc,iplin als Unterrichtsgegenstand, ltiinnen aber nicht um- hin, hervorzuheben, dass den nilchstbetheiligten Mitgliedern unserer Facultat diese Verhalt- nisse bekannt sind, wenn auch vielleicht iiiclit in Clem Maasse wie dem Verein deutscher Chemiker.

Immerhin niiissen wir es als einen Trr- thum bezeichnen, v a n Sie die Ansicht aus- sprechen, dass es Ihrem Wirken gelungen sei, die deutschen Regierungen zur Errichtung chemisch-technischer Lehrstuhle zii veran- lassen, da einige solcher Professureii nach- weislich vie1 langer bestehen, als Ilir Verein, uncl die Errichtung der chcmisch-technischen Professur uncl die Besetzung durch eini,n Chemilrer auf directe Anregung unserer FacnltBt erfolgt ist.

Auch in der Hauptfrage nach der Zweclr- massigkeit oder gar Nothwendigkeit der Auf- nahme der technischen Chcniie als selbst- stancliges Priifungsfach bei dem Doctorexamen der Chemiker weicht die Ansicht der Facultat wesentlich von der des Vereins ab. Zunachst heben mir hervor, dass nach unserer Ansicht der Charakter des Doctorexamens als eines missenschaftlichen Examens gewahrt bleiben soll, und es ist uns ganz klar, dass, menn dann neben cler Chemie als Hauptfach noch Zweige derselben als Nebenfach aufgeiionimen werden sollten, die physikalische Cahemie in erster Linie zu beriicksichtigen ware ; d a m erst ltiinnte an d ie technische Chemie gedac,lit

LnK::2E:hle. 1050 Hauptversammlung in Dresden.

werden. Ware man erst someit gekomnien, dies(. beiden Disciplinen als Nebenfiicher zu- zulassen, d a m kiinnte die Frage aufgeworfen mrrden, ob nicht auch analytische Chemie, pliysiologische Cliemie etc. ahnliche Anspriiche erhehen lriinnten. k-urz, es wur& dies bald dam fuhren, dass beirn Doctorexamen der Cliemiker nur Chemie und Zneige derselben a h Examensficher gewahlt werden miirden, wodurch der :zllgemeine wissenschaftlichr? Cliaraktcr des Examens vollstlndig verloren g i n p .

ALE diesen Griiiiden sieht sic,h die Facultiit veranlasst, den Antrag des Vorstandes deut- scher Chemiker abzulehnen.

gez. Dr. K a u f n i a n n , z. Z. Decan."

Wir kiinnten ja, wenn die philosophische Facultat zu Rreslnu unserem Verein und seinen Rcstrebungen so wenig Anerkennung zollt und uns so wenig ernst zu iiehmen fiir gut findet, wie dies in dem obigen Schreiben geschehen ist, den Chemie-Studirenclen, Tor Allem den Siihnen unserer Xitglieder, den Rath ertheilen, der philosophischen Facultat zu Breslau fern zu bleiben und sich die chemische Ausbildung an anderen Bildungs- stlitten zu verschaffen. Wir halten eine solche Maassuahme aber nicht der Wiirde unseres Vereins entsprechend und ziehen es lieber vor, die Breslauer Facultat in Fragen, welche die Fiirderung des Chemieunterrichts und die Ausbildung tier Chemiker betreffen, nicht mehr z i i bemiihen.

Aus diesen Antwortschreiben ergiebt sich also, wic damals in der Hauptversammlung Ton mir und einigen anderen Nitgliedern Zuni husdruck gebracht worden ist , dass sich bei den Facultaten die gewiinschte Zu- lassung der techiiischen Chemie als Examens- fach zur Zeit noch nicht durchfiihren lasst. Mit unserem Antrag murde aber auch, wie ich das besonders betont habe, hauptsgchlich der Zweck verfolgt, die Aufmerksamkeit der Akademiker auf die Bedeutung der tech- nischen Chemie fiir den technischen Chemiker hinzulenken. Dass nach dieser Richtung hin unsere Eemiiliungen nicht erfolglos ge- wesen sind, dnss die meisten Universitaten der technischen Chemie bereits vollrs Ver- standniss entgegenbringen, haben die oben erwahnten Antworten zur Geniige gezeigt.

Es muss jetzt erneut unsere Aufgabe sein, bei den Staatsregierungen clafur einzutreten, dnss sie die niithigen Mittel bereitstellen, uin Lehrstiihle fur die technische Chemir zit errichten. Wenn in der n.issenschaftlic1ieii Medicin heute jeder Zweig derselhen seinen hesonderen T'ertreter ha t , so kiinnen die Cheniilrer untl vor Allem die chemische In-

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1051 Hauptversammlung in Dresden. XIV. Jahrgang. Heft 48. 15.Oetober 1901.l

dustrie, die in erster Linie mit dazu beige- tragen hat, den Nationalwohlstand Deutsch- lands zu heben, verlangen, dass auch fiir Vertreter der verschiedenen chemischen Dis- ciplinen, also fiir die technische Chemie, ge- sorgt wird.

V o r s i t z e a d e r : Wiinscht noch Jemand das Wort zu diesem Gegenstand? Wenn es nicht der Fall ist, so verlassen wir diesen Gegenstand und wollen zunaehst die sieben Urkundenpersonen bitten, das Protocol1 fur die Vorstandswahl zu nnterschreiben. (Geschieht.)

Wir komnien nun zu f) Abwasse r f r age . V o r s i t z c a d e r : Da der urspriingliche Re-

ferent, Prof. Dr. F i s c h e r , wegen Erkrankung nicht konimen konnte, so war Herr Director R u s s i g so liebenswiirdig, das Referat zu ubernehmen.

Director Russ ig : Meine geehrten Herren, Sie haben schon nus dem Munde des Herrn Vorsitzenden gehiirt, dass nur die durch eine Erkrankung bedingte Abwesenheit des Herrn Professor F e r d . F i s c h e r die Veranlassung war, dass ieh von Seiten des Vorstandes gestern den Auftrag erliielt, Ilinen heute cias Referat iiber die Abwasserfrage zu halten. So ehrenvoll dieser Ruf fiir mich war und so gern ich ihm gefolgt bin, aus Interesse nu der wichtigen Sache, so werden Sie doch verzeihen, wenn ich in Folge der geschilderten Umstande niclit im Stande bin, Ihnen einen Uberblick iiber die ganze Abwasserfrage zu geben, und dass ich namentlich nicht iiber die game Gescliichte derselben sprechen kann, denn dazu wiirde die gesammte in Dresden zur Verfiigung stehende Zeit nicht ausreichen ; aher nicht einrnal uber die gesammte Thatig- keit des Vereins deutscher Chemiker in dieser Angelegenheit kann ich sprechen. Ich iiber- gehe deshalb jegliche Darlegung iiber die Entwickelung der Abwasserfrage, die eben SO

alt ist wie die Frage der Wasserversorgung, svi es fur hausliche, sei es fur gewerbhhe Zwecke. Ich ubergehe eine AufzLhlung der gesatzlichen Bestimmungen, melche in fremden Stanten, besondcrs in England, und den rin- zehen Bundesstaaten des deutsclien Reiches zur Regelung der Abwasserfrage schon seit lange erlassen worden sind, indem ich zur Beur- theilung der Sachlage nnr beispielsweise er- wahne, dass in dem grossten deutschenBundes- staat, in Preussen, heute noch 54 einzelne Gesetze in Frage kommcn, die zum Theil bis ins 18. Jabrhundert zuruck datiren. Ich mochte nur constatiren, dass trotz der vielen Gesetze oder gerade in Folge derselben in den inaassgebenden Kreisen eine bedenkliche Unsicherheit in der Beartheilung der Abwasser- frage herrscht, die sich besonders darin zeigt,

Cb. 1901.

-

dass man die in Folge der wirthschaftlichen Thatigkeit URCI in Folge des Zusammenlebens der IIenschen entstehenden AbwHsser der Stadte im lllgemeinen fur vie1 harmloser ansieht, als die Gosen Industriewasser.

Durch die vor 80 Jahren einsetzende machtige Entwickelung spitzten sich die Ver- haltnisse immer mehr ZLI und znr rechten Zeit erschien daher im Jahre 1883 das im vorigen Jahre wieder neu aufgelegte Werk von Professor J. Kiinig, ,,Die Verunreinigung der Gewasser" , welches eine kritische Zu- sammenstellung des gesammten bis dahin vorhandenen, aber iiberall zerstreuten und auch nicht allgemein bekannten Materials gab.

Das Erscheinen clieses Buches , welches mit dem Ehrenpreise Sr. Majestat des Kiinigs Albert von Sachsen gekront wurde, gab nun Anstoss zu einer Discussion und gab ferner Anstoss dazu, dass das Bgl. preussische Medicinalcollegium sich mit der Sache niiher befasste und eine Anzahl von hygienisclien Grundsatzen anfstellte, nach denen die Ver- waltungsbehiirden br i Ausiibung jener 54 Ge- setze sich richten sollen in der Reurtheilung der masserrechtlichen Fragen.

Aucli der Verein zur Wahrung der Inter- essen der chemischen Industrie Deutschlands nahm zu der Frage Stellung, und zwar ge- schah dies im Jahre 1889 in einer griisseren Veriiffentlichung in der Zeitschrift ,,Die chc- mische Industrie". Ferner nahm Stellung die deutsche Landwirthschaftsgesellschaft, iler Verband dentscher Architeltten und Ingenieure, und Andere gaben in den Jahren 1883 bis 1889 ihre Erfahrungen mid Wiinsche offent- lich bekannt.

Die erste Beriihrung, die unser Verein mit der Abwasserfrage hatte, dat'irt auch aus jener Zeit. In dem Jahrgang 1889 der ,, Zeitschrift fiir angewandte Chemie '' finden Sie von Prof. F e r d . F i s c h e r eiiie Kritik cler Vorschlage, welche der Verein zur Wahrung der Interessen dcr ehemischen Industrie in seiner Zeitschrift verRffentliclit hat, und gleich- zeitig eiiie Reilie von VorschlHgen, wie man die Sache auch wohl iiocli weitergehend nnd tiefer cingreifenti behnndcln ltiinntt..

Das Resnltat all dicser Beniiihungan war die Einberufung eiiier hlinisterialcomiriis- sion in Preussen, die nach vorhergehcndcr Erwiigung, ob die Regelung der Wasser- frage vielleicht eine reichsgesetzliche werden oder ob dieselbe so wie bisher der Landcs- gesetzgebung reservirt bleiben solle, zu der Ansicht gekommen ist, dass einer reichsgc- setzlichen Regelung dermalen noch weaept- liche juristkclie Bedenken entgegenstgnden, 30 dass nichts Anderes iibrig bliebe, um uberhaupt etwas in der Sache zu machen,

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als fiir die preussische Monarchie einen Ent- wurf eines preussischen Wasserrechtes zu ver- fassen. Dieser Entwurf ist ziemlich umfang- reich gewesen; cs sind 313 einzelne Para- gmphen aufgenonimen, und er war geratle wegen sei.nes Umfanges und \vvegen der vielm Paragraphen viclfach zu weit ins einzeliie gehend, so dass sich auch wiedcr cin selir lelihafter Widerspruch gegen die einzelnon Bcstimmungen dieses Gesetzentwurfes in der Industrie bei den Intcressenten zeigtc..

Der Vereiu zur Wahrung cler lnteresscn der chemischen Industrie kam des1i:ilh zu deiii Schluss, dass er diesem Entwurfe einm preussischen Wasserrechtes seine Zustimmung nicht geben kiinne, dass eine reichsgesetz- liclie Regclung der Frage vorzuziehen sei, odcr Tvcnn dies nicht niiiglich wiirc, wenig- steiis ciii Vertrag mit den iibrigen Buiides- staaten abgeschlossen werden kiinne, dainit nicht Prensscn allein unt,er dem Drnck dieses 1iciic:n Wasserrechtes zu leiden habe.

Es wurde wolil iiicht mit Uurecht Iiervor- gehoben, dass das Gesetz in seiner Wirkiing ziemlich fraglich sein wiirde, wenn nur Preus- sen, das am Unterlauf cler Striime liegt, diesc strenge Bcstimmung erhnlte, vhhrcnd die anderen Bundesstaaten an dem Oberlauf rrtliig weiter sundigen kiinnten, und cs wiirde als Folge davon hervorgebobcn, dass die Industrie sich diesen Bestimmungen durch Auswaiide- rung sns Preussen zu entziehcii mrsuchvn n-ercle.

Der TJmstaiid, dass die Entscheidung in allcn Frngen des Gesrtzentwurfs dtm Ober- prHsidentcn der Provinz zugedacht war, also niedere Iiistanzen ebenso \vie einc: hiihere fehlten, wurcle ausser von oben genanntem Vcrein auch vom Vercin ziir Bcfiirdwiing cies Gemerbefleisscs als eine gefalirliche Liiclie des Gesetzes bezeichnet.

Die preussische Regieruiig sali s i cli ihher in Folge des allseitigen Widerspruc,hes veraii- la&, clcn gnnzen Entwurf fallen zii lassen. Das war im Jahre 1894. Da d i e ganze Frage der Abwiisser dadurch natiiriicli nicltt aus der TVctlt geschafft war, so griff man don Gedanken einer reichsgesetzlichen Regeluug w i d e r auf, aber da dicser sicli iiicht SO

leicht and nicht so rasch verwirklichen liess, ging man vielfacli daran , eine R,egeluiig spcciell im Verordnungswege von Provinz zu Provinz zu versuchen, um zu sehcin, ob wenigstens im Grossen und Ganzen die Grnnd- ziige bei der Beurtheilung der Wasserfrage bci den einzelnen Begieruingen untl in dm einzelnen Proviiizen nnch deiiselben Priiicipicin befulgt werden kiinnten.

Hier setzt nun die Thiitigkeit cles Vereins clcutscher Cheiniker von Neuem ein.

Zeitschrift LXr rewirndte Chemia Hauptversammluog in Dresden.

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Zu Anfang des vorigen Jahres versandte, wie Sie missen, der Vorstxnd auf Anregung des Professors F e r d . F i s c h e r ein Rund- schreiben an sgmmtliche Bezirksvereine, dass diese in ihren Bezirken Stellnng nchmen soilten zu der geplanten provinziellen Rege- lung der Abwasserfrage. Die Bezirksvereine haben zum Theil in unserer Zeitschrift, zum Theil zu 1Ian.den des Vorstandes ihren Re- richt iiber ifire Thatigkeit abgelicfert uncl es ist interessant, dass diejenigen beideii Bezirksvereine, von denen der eine den nord- westlichen, cler andere den siidmestlichcn Tnclustriebezirk vertritt, wo die Industrie nn- scheinend unter gleicheii Bedingungen arbeitet, anch unabhiingig iron einander zu anniiherncl gleichen Resultaten in dieser Frage gekommen sin&

Im vorigeii J-ahre in Hannorer murdc die Angelegenheit von der Tngesordnung abge- setzt. Daher sind die Berichte Seitens der Bezirksvereine iiicht veriiffentlicht mwrclrn. und ich miiclite nur aus dcni Bcricht des obcrschlesischen Bezirksvereins hervorheben, dass wir durch die Liebenswiirdiglreit unseres htitgliedcs, Professor H u l w a, Breslau, in die Lage gekommen sind, in der Zeitschrift ZLI-

erst den Entwurf zu besprechen, welchen im Auftrage des deiitschen Fischereivereins Prof. I Iu l wa und ProfessorWeigelt verfasst haben, uncl welcher sls Grundlage fiir die provin- zielle Regclung der Abwasserfrage bestimmt und auch wenigstens in seinen Hnuptziigen nanmehr nngenommen worden ist. Diesrr TTielfach revidirte Entwurf des Rerrn Pro- fessor Hu1w:t ist in No. 46 der Zeitschrift. fur angewanclte Chemie im vorigen Jalire auszugsweise vcriiffentlicht worden.

Herr Professor Hnlma hatte uns di~mnls in Oberschlesien einen Vortrag gehalten, doc11 wir haben uns niit seinen Ausfuhrungen nicht einverstanden erkliiren kiinnen , da seine sammtlichen Ausfikungen nur bezogen maren auf gesunde Gewhsser, die noch fischfuhrend siiid. In eiiiem grossen Theile des Be- zirkcs giebt es aber zuni grosssen Theil derxrtige Gen-asser nicht mchr; das izatiir- liclie Qael1w:tsst:r versinld in die Gruben- baue, es wird von Puinpcn gehoben und cla es an den Sonntageii aufhiiren wiirde ZII

fliessen, wenii Sonntags die Wasserinaschinen nicht auch gehen niusst1en, so kann inan molil nicht verlnngen, dass man auf dime GRTV dicsclben I3estimmuiigen anwendet, die tier 1':ntwnrf vorgeseheii hat. Herr Professor H n l w a hat aucli damals erklkrt, dass er in Aiisehuiig dcr Umsthnde mit sich hnndeln lasscn wiirde iind class fur solche speciellr Gcbiete die Fordernngen gnnz wesentlich er- niiissigt werden kiinnten. Der damaligc Re-

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1053 Hauptversammlung in Dresden. X1V. Jahrgang. Heft 42. 15. October 190l.l

gierungsprasident von Oppeln ist bei dieser Sitzung zugegen gewesen und hat fur den oberschlesischen Iiidustriebezirk dicselbe Mei- nung zum Ausdruclr gebracht wie mir.

Es wiirde zu weit fuhren, auf Einzel- heiten hier einzugehen , jedenfalls ist aber der Entmurf bald nach seiner Veriiffentlichung (Entwurf zu einer Verordnung uber die Ab- fiihrung von Schmutzstoffen in die Gewiisser von Professor Dr. H. H u l w a und Prof. Dr. C. V e i g e l t , Allgemeine Fischcreizeitung 1898 und Vorschriften fur die Entnahme und Untersuchungen von Abwassern und Fisch- abwassern, Berlin, 1900, Vcrlag des deutschen Fischereivereins [W. Linkstrnsse 111, 18'/$ Bg.

5 Mark) in den Kreisen drr Fischerei- interessenten und in den Kreisen der Ab- geordneten zum preussischen Landtage (in der Sitzung vom 30. Januar d. J.) benutzt worden, um auf die Regierung einen Druck auszuiiben, damit endlich die Abwasserfrage iin Sinne der Fisc,hereiinteressenten gelijst werde.

Meine Herren! Seit dieser Zeit hat sich die Abwssserfrage in sehr raschem Tempo weiter entwickett.

In Erfiillung der in dieser Landtags- sitznng regierungsseitig gemachtcn Zusagen trat im preussischen Iinndwirthschafts-Ministe- riiiiri ini Februar eine aus Vertretern der einzelnm Landestheile zusammengesetzte Con- fereuz znsnmmen, und als d i s Resultat dieser Conferenz veraffentlichte der Rcichsanzeiger Anfangs Marz eine allgemeine Ministerial- verfugnng betreffend Fiirsorge fiir Reinhaltung der G r d s s e r .

Die Verfiigung bezweckt, auf Grund der bestelienden Gesetze - welche in einer An- lage zusammengestellt sind - nnter vor- liiufigem Verzicht anf landesgesetzliche Rege- lung den in der Monarchie sich zeigenden tbclstiinden nachdrucklich entgegenzutreten.

In einer weiteren Anlage sind die Grund- siitze fiir clie Einleitung von Abwassern in die Vorfluther aafgestellt.

Fur die fortlaufende Beobachtung uncl Terwtrrthnng der Fortschritte suf dem Ge- bietc cler Abmasserreinigung uncl IVasser- vcrsorgung ist ferner eine stantliclie Priifungs- uiid Untersiichung.sanstalt vom 1. April d. J. nn ins T,elien getreten, bei der skh die Be- hiirdeu sachknndigen Iiath in der Ausfiihrung einholen sollen.

Fur cliese wasserhygienische Versuchs- anstalt, welche in den Rauinen der fruheren Versuchsstation der Deutschen Landwirth- schaftsgesellschaft untergebracht ist und vor- laufig vom Gcheilnen Ober - Medicinalrath Dr. S c h m i d t m a n n voni Cultusniinisterium geleitet wird , sind iiii Staatshauslinltungs-

plan fur das Rechnungsjahr 1901 1 5 0 0 0 M. eingestellt. Da nun dieser Betrag von 45000 If. etwas zu gering erscheint, uni langandauernde Untersuchungen nnd grosse Versuche im grossen Maassstabe, insbesondere in vorhandenen Betrieben, auszufiihren, so hat die Regierung angeregt, dass die Inter- essenten zusammentreten und einen Verein griinden, der die fehlenden Mittel aufbringen mb;chte, und zwar wurden weitere 50000 M. jahrlich auf 5 Jahre hinaus verlangt.

Dieser Verein sol1 als Gegenleistung einen gewissen Einfluss auf die staatliche Versuchs- anstalt zugebilligt erhalten. Die griisseren Vereinc, der Verein zur Wahrung der Inter- essen der cheiiiischen Industrie, der Verein der Zuckerindustriellen, der Verein der Spiritusproducenten, der Gasfachmanner, der Architekten und der Landwirthe etc., ferner auch ca. 100 griissere Stadte sind aufge- fordert worden, dem Vwein beizutreten, und dieser letztere Umstand ist gerade deshalb beinerkenswerth, yeil hier zwischen den Zeilen ausgedruckt wird, dass man von der Ansicht beziiglich der stadtischen Abwasser jetzt wesentlich zuruckgekoinmen ist.

Ausser verschiedenen Stadten und anderen Vereinen hat der Verein zur Wahrung der Tnteressen der cheniischen Industrie in d er Vorstandssitzung T'OIII 27. April in Wicsbaden beschlossen, init diesein zu griindenden Ver- ein Fuhlung zu nehnien, wenn die Verhand- lungen in gewunschter Weise verlaufen, auf 5 Jahre hinaus jahrlich 30000 M. zu dieser Angelegenheit beizutragen und dafiir die fruher nach einem Beschlnss voiii vorigen Jahre beabsichtigt gewesene Grundung einer eigenen Versuchsstation fur clie Zwecke der Abwasserfrage fallen zu lassen.

Auch ini Verein deutsclier Chemiker ist bereits eine Retheiligung angeregt worden.

Haben mir nun hier gesehen, wie die preussische Regierung die schwierige Materie innerhalb des Bereiches der lionarchie z u meistern sucht, so hat uns der zu Ende gehende lfonat auch die Liisung dcr schwie- rigen Frage gebrncht, wie die verschiedenen die einzelnen Bnndesstaaten beriihrencten Interessen in Einklang initeinander gebrwlit iverden kiinnen.

Sc,hon 1899 war voni Reidistag (in einer Resolution vom 13. lfarz) an die verbuncleten R.egierungen das Ersnchen gerichtet worden? eine Reichscommission zur Bcaufsiclitigung ie r mehreren Bundesstaaten genieinsamen Wasserstrassen im sanitBren Interesse nnd n i t Riic,ksicht anf die Fischzacht einzusetzen. Wachdem nun durcli das R.eichsseuchengesetz rom 30. Juni 1900 der Reichsgesiindheitsrath ;eschaffen und mit Clem 20. hIiirz d. J . ins

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Leben getreten war, hat der Biindcsrath diesen beauftragt :

1. Auf Antrag eines der betlieiligten Bundesstaaten Gutachten in Abwasserfrsgen abzugeben und Verbesserungsvorsc,hliige z i i

vermitteln, ferner 2. bei Streitigkeiten unter den Regie-

rungen auf Grund vorgangiger diesbeziiglicher Vereinbarung derselben eineii Schietlsspruch abziigeben, und schliesslich ermiclitigt

dnrch Vermittelnng des Reichs kanzlers selbst Anregungen zur Verhiitung clrohencler oder Verbesserung vorhandener Missstand(: zu gcben.

Nun, ineine Herren, das ist ungefahr der heutige Stand der Abwasserfrage. D ic Sache ist in Flnss gekommen, die Sache gelit vor- wiirts, sic zicht auch schon weitere Kreise ; denn man glaubt jetzt nicht bei dcr Ver- unreinigung der Gewasser . stehen blciben zii sullen; es ist in diesem Friihjalir cine Yinisterialverordnung erschienen , d.ir sich schon mit der Verunreinigung der Luft be- fasst. Reide Verordnnngen, die erlasseu worden, sind besonders an die sta,ntlichen Gruben- iind Hiittenwerlre gerichtet, dass sit: Allrs auf bieten mochten, um den Klu,geri iiber die Wasserverunreinigang nnd die ILauchplage entgegentreten zu kiinnen. BJenn7 mie ich nicht zweife, die Grundung dieses inehrerwahnten Vereiiis z u Stande kommt, tler gerneinsam mit den staatlichen Instituteu arllciten wird, so ist in der niichsten Zeit (sine wesentliche Fiirderung der ganzen Ab- Tyasserangelegenheit zii erwarten. (JZrmo.)

Vors i t z encler: Icli dmke Herrn Director I l u s s i g fiir das eingchende Referat. Iclt lrniin niittheilen, dass gestern in cler Vor- standsratlissitzung ein Antrag des Herrn Dr. G o l d s c h m i d t , dahingehend, bis zii 1000 I f . jahrlich fur die nachsten C) Jahre ctcr Centrtllstelle fiir Abwiisser zur Verfiiguii;: zu stellen, nach lzngerer Debatte fiir riicht tlringlich crkliirt worden ist, so dass dieser ,iutrag heute nicht von dem Vorstandsrathc ~orgelegt werden konnte.

llr. G o l d s c h m i d t : Xfciiie Htlrrt~n, PS l int bereits der Herr Referent d:tr:rrif hin- gcwiesen, dass cler preussische Ptaat, siclt cmt>schlossen hat, eine Centralstelle zii priin- den fur die Fmge der Wnsserversorgun~ untl .lbwasserbeseitigung, uncl class fiir 1903 bis 1903 bereits cinige 40000 hf. dafiir ausgt3- worfen s h d . Tell gh ibe , dass mit diesc:iii Entscliluss der preussisehen Staatsregieriing die Fragt- drr Ab~~i.;lsserlr,eseitigung iind Ab- wasserreinigung in ein ganz neues Ktadiiini eingetreten ist. Es ist von Trornheroin nn- erkaiint morclen, dass eine Suinrnr on 40000 hl. auch nicht anniihernd geniigt, uni

3.

r Zeitschrift fir Lnniewzanate Cliwnie. Hauptversammlung in Dreiden.

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cin Institut zu griinden und aufrecht zu er- halten, das in einer so wichtigen Frage alle Details behantleln soll. Man hat siclt in Folge dessen an die Interessenten gemendet. Man hat die grossen wirthschaftlichen Ver- b i d e aufgefordert , das Fehlende zuzu- schiessen, zuniichst einmal jahrlich 50000 M., und da die Fragen, die hier z i n Eriirterung kommen, nicht in einem Jahre gelost werden konnen, diese Summe auf eine langere Reihe von Jahren festzulegen. Es hat sich nuch bereits eine grosse Anzahl griisserer wirth- schaftlicher Verbande entschlossen, erhebliche Summen beizutragen. Es ist schon gtsagt worden, dass der Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie beab- sichtigt, 20000 M. jiihrlich dieser Central- stelle zur Verfiigung zu stellen; der Verein dentscher Ingenieure beabsichtigt a@@@ hl. beiziitrsgen, das Kalisyndicat 6000 AI., und es ist kein Zweifel, dass die 50000 JI. in kurzer Zeit ziisammenkommeii werden. Die Idee dabei ist , dass die Geldgeber sich zu einem Verein zusammenschliesseu. und dass clieser Vtmin mit der Staatsregierung xusamntenarbeitet, urn von Fall z u Fall Gelcler f i r diesen Zweck z i i bcwilligen.

Die Zwecke sind sehr weitgehend: Xicht nur die Feststellung der Analysenmethoden, sondern auch die wissenscha,ftlich technische Priifung der best>chenden und neii nuf- tauchenden Verfahren, die Untersuchung voii Abwiissern, die Fe,ststellnng yon Einwirknngen verschiedenartiger Abwisser auf die Wasser- Iaufe, Uberwachung der Erfiillung der cr- lasseneu Verordnungen etc., alles das soll in den Bereich dieser Centralstelle gezogen werden. Es ist gestern im Vorstandsrath erwogeii worden. wie weit clas Interesse uuseres Vereiiis grhl, sich :tn einer tler- artigen Centrale zu bethoiligen. Es ist he- schlossen mxden, dic Prage niclit fiir dring- licli zu erachten, so dass wir sie event. in1 nkhsten Jahre wiedersehen wrden . I<s i h t zweifellos, dass tler Vorstiind seine Aufmerk- sitinlieit dieser Frage zuwenden w i d . Icli bchalte mir mr , in tinserer Zeitschrift iilm dies(? Centrale untl ihre writere Ansgestaltnng Xiniges z u verRffentlichen, icli rniichte jetlen- falls die hlitglietler bitten, in ihren KJzirks- vercirien dieser Frage die eingeheiidbte ;Iuf- inerks:tmkeit z u widmen. Es ist, n i e nucli schon bereits von dem IIerrn Vorretluer er- d i n t wurde, i n Folge eines Reiclistapslie- sc*hliisses w m Buridesrath beselllossen w o r d ~ n , ttinen I~eichsgesuiidheitsratli einzusetzcii, cler in erster Liuie Gutacliten abzugebcn hat h i Differenzen zwischen den Einzelstaaten ibrr die Frage der Wasscrreinigung, der ft3rner die Ihfugniss haben soll, den Iieich

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Hauptversammlung in Dresden. 1055 XIV. Jshrgang. Heft 48. 15. October 1901.1

anfnierksam zu machen auf besondere Schadi- gungen, und der drittens Schiedsspriiche ab- zugeben hahen soll; die einzelnen Bnndes- staaten 1i:tben sich dahin geeinigt, dass sie die einschlagcnden Frngen erst dann endgiiltig erledigen wollen, nachilem dieser Reichs- gesundheitsrath gehiirt ist. Bei der geographi- sc,hen Lage unseres deutschen Vaterlandes ist ja I'reussen bei all diesen Fragen in erster Linie betheiligt, und es ist in Folge dessen anzunehmen, dass diese von Preussen ein- gerichtete Centralstelle in erster Linie bei allen diesen Fragen mitsprechen wird. Ich eraclite es daher von ausserordentlicher Wich- tigkeit, die Arbeiten dieser Centralstelle zu verfolgen, resp. auf diesrlbe einen gewissen Einfluss auszuiihen.

Dr. W o y : Meine Herren, wer nur einiger- maassen mit Wasseranalysen und Abwasser- processen zu thun gehabt hat, wird mir zu- stimnien, dass es kaum eine Materie giebt, die so wenig eine Centralisirung vertragt, TTic die hier vorliegende. In Stadten, die .r.ielleicht nur zwei Meilen an demselben Strom nnseinander liegen, kiinnen die Ver- hiiltnisse so total verschieden scin, dass icli niclit wriss, wic uberhaupt eine Central- st>elle dnran denken kann, diese Naterie all- geinein fiir l)eutschland zu behandeln. Sie wiril eiiie S t d t herausgreifen kiinnen, die Ab- iz-isser dieser Stadt studiren, aher ich glaube niclit, dnss die Erfahrungen, die da gewonnen werden, anf andere Stadte iibertragen werden kiinnen. Ich glaube, es handelt sich uin ein todtgeborenes Kind, nnd ich kann es nur mit Genugthuung begriissen , dass unser Verein kein Geld ausgeben will, diese Todtgeburt zu unterstutzen.

Vor allen Dingen miichte ich darauf liin- weisen, class es mit dieser Angelegenheit mohl gehen wird, wie es bei den Versuchs- stationen immer gegangen ist: es werden aus diesen Versuchsstationen Untersuchungsstatio- lien! und es wird damit enden, dass Wasser- analysen gemacht werden, um die Unkosten miiglichst zu verringern; das wird von den grossen Gesichtspunkten ubrig bleiben. Wenn statt 40000 M. 400000 M. ausgeworfen waren, so kiiniite man vielleicht daran denken, dass etmas darans wird, aber bei den hlitteln, die hier vorgeseheii sind, ist nicht die ge- ringste Hoff'nung, dass etwas fur die Allge- meinheit Brauchbnres herauskommt.

Mit Freuden hegriisse ich es, dass unser Verein sein Geld nicht mit in diese Saclie hineinwirft, die mir aussichtslos er- sclieint, abgesehen Ton der eigenthiimlichen Art, wie private Kreise hier herangezogen werden, urn eine staatliche Untersuchungsstelle zu unterstiitzen.

Dr. G o l d s c h m i d t : Ich rniiclite den Herrn Vorreclner dnhin bcrichtigen, dass die Central- stelle keineswegs allgemeine Gesichtspiinkte nufstellen, sondern fur jeden einzelnen Fall feststellen soll, was gefordert werdcii kann, und dies ist festzustellen unter Zuziehung drr Interessenten ; das sol1 die Aufgalje der Centralstjellen sein. Die Idee ist nur, rlnss sie Eath geben soll an alle diejenigen, die Abwasser haben.

g) A n f r n g e d e r N o r m n l a i c h u n g s - commiss ion , b e t r e f f e n d d i e A i c h u n g von N o r m a1 sp i n d e In fiir s p e c i f i s c h e s G e w i c h t u n d n a c h Bk. -Graden .

Director Li i ty : Um die von der Kaiser- lichen Normnl-hichungsconiiiiission angeregten Fragen rrschiipfrnrl beantworten zu kiinnen, erscheint es erforderlich, einen 1rurzc.n Ubcr- blick iiber die jetzt bestehenden Verliiltiiisse bei der Werthbestimmung der Schwefelsaiire und verwandter Artiltel mittels Ariometer zu geben.

Wahrend man friiher , namentlicli in Deutschland, eine grosse Zahl von Araometern vorfand, deren Eintheilung auf den Angaben von Beck, Carticr und Tor allen Dingen BaurnB beruhte, finden wir zur Zeit, so weit wenigstens die cliemische lndustrie in Frage kommt, fast nur noch das Baum&ArBometer vertreten. Die Scala nach GerIacli ist wohl nur sehr wenig - wenn iiberhaupt - in Go- branch gekommen, wahrend die Scala nach Brix hauptsachlich in der Zuckerindustrie in Gebrauch ist.

Das Araometer nach BaumA findet sich auch durchgangig i n Belgien und Frankreicli in1 Gehranch, wahrend inan in England sicli des Twaddellsystcms bedicnt, dern einzig ratio- nellen unter den verschiedenen Volumetern. In Amerika ist eiri BaumB-Ariometer ein- gefuhrt, dessen Scala auf einer ganz anderrn Grundlage beruht und mit keiner einzigrn euro- paischen iibereinstimmt. 66 griidige Schwefel- saure des amerikanischen Araometers wiirde nach der rationellen Scala 65,7 Grad zeigen. Dieses Araometer hat den Vorthe,il, in Xord- amerika allgemein in Anmendung zu stehen.

Wahrend friilier die Eintheiluiig dtlr BaumB-Araometer aiif ziemlich willkiirlichcr Grundlage beruhtc, ist zur Zeit die durcli Ubereiukimft von Gelelirten und Technikern der verschiedensten Lander entstandcne ratio- nelle BaimBspindel am meisten im Gebrauch. Die rationellen Baum6spindcln setzen den Pinkt,, bis Z U welchem das Araometer ini Wasser von 15 Grad C. einsinkt, gleich h'ull, den, his zu welehem es in Schwefelsku-e vom specifischen Gewicht 1,848 eintaucht, gleich 66 Grad. Das Volumgewicht einer Flussig- keit von n Grad BaumB bereclrnet sich dann

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1056 [ Zeitschrift Rlr Hauptversammlung in Dresden. rmnewanrlte Chomir.

bei 1 5 Grad nach der folgenden Forniel: 144 3 d='- 144,3--n

Professor Dr. L u n g e in Zurich hat, unter principieller Billigung vieler hervorragender Fachgenossen, durch ausgedehnte Correspon- clenz, durch Aufsatze in Zeitschriften uncl durch seine Bucher seit vielen Jahren An- strengungen gemacht, zu einem rationcllereii Ariiometer zu gelangen, oder doch wenigstcns eine internationale Einigung iiber irgend eiii bestimmtes Ariiometer zu erzielen. Die reprl- sentirenden Kiirperschaften in Deutschland, England, Frankreich und Amerika haben die Frage zur iiffentlichen Discussion gestellt, doch war das erzielte Resultat ein verschwin- dendes. Die Englander dachten von vorn- herein nicht daran, das rationelle Twaddell- system zu verlassen, wahrend bei den Deut- schen und Franzosen nicht die niindeste Geneigtheit vorhanden war, von dem Baumk- Arlometer abzugehen. Ja cs war nic,lit ein- ma1 zu erreichen, dass sich die beiden letztgenannten Nationen uber die Bezeichnung der Baumkgrade in einheitlicher Weise ver- standigten.

In dem Laboratorium von Professor Dr. L u n g e ist eine grosse Anzahl yon Ar- beiten durchgefuhrt worden, welche sich mit den Volumgewichten der Sawen und anderer technischer Liisungen beschaftigten. Bei all diesen Untersuchungen wurde stets die ratio- nelle Baumbscala angewendet.

Durch die in den verschiedensten Werken eingefuhrten Tabellen uber die speoifischen Gewichte im Vergleiche niit den Graden des Haumt-Araometers, welche den oben erwlhnten tTnteruuchnngcn im L n n g e 'schen Laborato- rium ihre Entstehung verdanken, ist die rationelle Baumkscala thatsachlich zu der allein herrschenden fur die chemische Grossindustrie geworden, soweit sich dieselbe des Baumk- Araometers uberhaupt noch bedient. Nament- lich hat das Taschenbuch fur die Sod:r-, Pott- :tsche-und AmmoiiiakfabrikationvonG. Lunge . (Berlin bei Springer, ersteAuflage 1883, zweitc Auflage 1892, dritte Auflage 1900) bahn- brechend gemirkt. Man betrnchtet heutr als 60gradige Schwefelsaure eine solche von 1,530 specifischem Gewicht, als 52 gradige Saure eine solche T'on 1,563, als 60grkdig eine Saure von 1,710und endlich als 66gradig eine Skurc yon 1,839-1,842 specifischem Gewicht. Dadurch ist thatsachlich tlas spe- cifische Gewicht fur den Verkauf dcr gang- barsten Handelssorten Schwefelsiiure maass- gebend geworden, obgleich die Bezeichnung nicht im Zusammenhange mit den Zahlen des specifischen Gewichts steht. 15s l b s t sich iibrigens nicht leagnen, dass in eincr

griisseren Anzahl von rationell geleiteten Werken die BaumCspindeln vollkomnien aus- genierzt sind und durch solche, welche auf rationellerer Grundlage beruhen, ersetztwerden, z. B. durch das Fleischer'sche Densimeter. Selbst die Vertreter der Baumespindeln, welche letztere heute noch nicht aufgeben wollen, geben z u , dass die Spindel nach uncl nach verschwinden muss.

Wie schon erwahnt, bedient sich die che- inische Industrie in aasgedehntestem Maasse cler Baumtspindel zur Controle der Fabri- kation und des Verkaufes. Bei der Controle der Fabrikation kommt es nicht auf allzn- grosse Genauigkeit an, da die zu messenden Producte und Zwischenproducte haufig so weit durch fremde liiirper verunreinigt sind, dass der hierdurch niiigliche Fehler die Cngenauig- beit der Spindel ausgleicht. Fur die Leitung des Kammerprocesses erscheint es ziemlich gleichgiiltig, ob die Tropfsiiure ein specifisches Gewicht von l,5SO oder 1,600 hat, ebenso wie es dem Fabrikanten gleichgultig ist, ob die 60-gradige Saure, welche er abliefert, ein specifisches Gewicht von 1,710 oder 1,715 hat, da die Schwcfelsaure der niederen Grade zu billig im Preise steht.

Im Handel mit den niedrigereii Sorten Schwefelsaure ist das BaumB-Araometer das allein herrschende , und haben sich die Be- zcichnungen: ,, 50-gradige'&, ,,60 -grkdige" Schwefelsaure derartig eingefuhrt, dnss ihr Ersatz durch andere Bezeichnungen bo leicht nicht durchzufiihren sein wird. Es wird hier die BaLimGspintlel noch fiir langc Zeit stetig benutzt werden zur Controle cles Gehaltes der gelieferten Waare , besonders, 11 enn die Pabrilren nicht selbst einen Zwang anf ihre Abiiehmer ausuben dadurch , dass sie die Baumd-Bezeichnungin denverkaufsabschlu~sen durch eine andere Bezeichnung ersetzen. Aiich im Handel mit Schwefelsaure der niederen Grade kommt es fur gewiihnlich nicht auf absolutcl Genauigkeit an, da, wie schon er- wiihnt , der Fabrikant fur gewiihnlich reich- lich dasjenige liefert, was er zu liefern ver- pflichtet ist.

Die Untersuchungen von Lunge und I l s e r haben die Thatsache festgestellt, class man die Sauren, welche ein hiiheres speci- fisches Gcwicht als 1,83 haben, nicht nach deui Araometer verkaufen kann, da z. B. c>ine Saure von 1,8385 specifischeni Gewicht ellenso gut 94,60 Proc. Monohydrat wie auch 99,95 I'roc. enthalten kann.

Fur diese stiirkeren Schwefelsauresorten hat sich daher schon lange im Handel cler Gelnmoh eingefiihrt, dass sie nur nttch Pru- ceiiten Monohydrat gehandelt werden. Man kaiift daher 66 griidige Handelssaure mit

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Hauptversammlung in Dresden. 1057 XIV. Jahrgang. Ben 42. 15. October 1901.l

90-92 Proc. Monohydrat, 66 grPdige Saure niit 98 Proc. Monohydrat u. s. w. Die Be- stimmung des Gehaltes geschieht hier auf titrimetrischem Wege, indem man in einer IIandpipette ein bestimnites Quantum Siiure abwiegt und dasselbe direct mit Normal- Natronlauge titrirt. Diese Methode ist auch bei grasseren Abschlussen in mindergradiger SBure vielfach im Gcbrauch und wird erst rec,ht zur Nothwendigkeit, wenn es sich um Skure handelt, die Anhydrid enthalt.

Die technische Schwefelsaure enthalt stets griissere oder kleinere Mengen von Verun- reinigungen, wie Bleisulfat , Eisensulfat, Arsentrioxyd und dergl. m., welche im hohen Maasse das specifische Gewicht der Schwefel- saure beeinflussen, so dass sich Differenzen bis zu 1 Proc. und mehr ergeben. Arao- meter, deren Graduirung linter Verwendung von reiner Schwefelsaure resp. von Misc,hun- gen dieser Saure mit Wasser hergestellt wurde, siiid daher nicht verwendbar, um ohne Weiteres den Gehalt der technischen Schwefelsiiure an Monohydrat mit Genauigkeit zu bestimmen.

Um die Frage der Normal-Aichungs- commission beantworten z u kiinnen , wurde d:ts Schreiben der Commission vom 18. De- cember 1900 zunachst den siimmtlichen Be- zirksvereinen zur Kenntniss gebracht und dieselben am 22. Januar aufgefordert, in Ver- handlungen iiber die aufgestellten Fragen einzutreten und dariiber der Geschaftsstelle zu berichten. Von den 18 Bezirksvereinen haben bislang 12 geantwortet , wahrend die Antworten von 6 Bezirksvereinen z. Z. noch ansstehen. Die Bezirksvereine Belgien, Berlin, Hannover, Mittel- UndNiederschlesien sprechen sich fur Beibehaltung der BaumB-Arao- meter aus.

SO schreibt der Bezirksverein Belgien: ,,Der Bezirksverein erachtet es nach Be- rathung des Gegenstandes als wunschens- werth, dass die BaumQgrade, weil besonders in Belgien und Frankreich durchweg ge- brauchlich, als Ubergangsstadium beibehalten werden miichten, -zumal auch im Auslande die yon der Kaiserlichen Normal-Aichnngscom- mission controlirten Instrumente sich einer grossen Beliebtheit und allseitigen Vertrauens erfreuen".

Der Bezirksverein B e r l i n schreibt: ,,Die Einfuhrung der Beglaubigung von Araometern nach BaumQ ist fur Fabrikation und Handel selir crwiinscht".

Der Bezirksverein H a n n o v e r hat ein Rundschreiben a n die Mitglieder des Bezirks- vereins erlassen, welche Producenten und Grossconsumenten sind. Dieselben antworten >vie folgt : ,,Die Einfiihrung beglaubigter Arkometer nach BaumS. ist wunschenswerthL'.

Eine Commission, welche der Hannoversche Bezirksverein eingesetzt hat , kam dagegen zu dem Ergebniss, dass nach der Einfiihrung der Beglaubigung von Ariiomcbern niit Ein- theilung nach Procenten reiner Schwefelsaure und solcher mit Eintheilnng nach der Dichte entsprechender Mischungen die Beglaubigung 7;on Araometern nach BaumB nicht erforder- lich sei.

Der Bezirksverein M i t t e l - u n d N i e d e r - s ch le s i en theilt mit, dass sich von den Schwefelsaurefabrikanten bez. Interessenten sechs fur die Nothwendigkeit von geaichten Baunikspindeln ausgesprochen haben, wiih- rend zwei diese Aichung ablehnen.

Gegen die Beibehaltung der BanmCspin- deln und gegen die Aichung dcrselben sprechen sich die Bezirlisvereine : Frankfurt, 0 berrhein, Oberschlesien, Rheinlsnd, Sachsen- Anhalt, Sachsen-Thuringen, Wiirttemberg uncl Hamburg aus.

Der Bezirksverein F r a n k f u r t schreibt wie folgt: ,,Bei der Discussion der Ariiometer- frage hat sich ergeben, dass ein Interesse fur geaichte Ariionieter zur Bestimrnung der Schwefelsaure uberhaupt nicht existirt. Inner- halb der Fabrikationsbetriebe erfiillen die seither iiblichen Araomrter, in Anhetracht der genauen Tabellen im 1,unge'schen Taschenbuch der Sodafabrikanten vollstlndig ihren Zweclr und fur den Handel mit tech- nischer Scliwefelsaure, die bekanntlicli immer mehr oder weniger Verunreinigungen enthiilt, sind auf chemisch reine Schwefelsaure ange- passte Araometer viillig werthlos, da clie Verunreinigungen das specifische Ge,wicht der Sauren beeinflussen. Im Handel und ebenso in vielen chemischen Fabriken wird der Ge- halt der techiiischen SHnre an Monoliydrat fast allgemein durch Titriren bestimmt".

Der Bezirksverein O b e r r h e i n schreibt wic folgt: ,,Bei einer am 28. Januar abgehaltenen Versammlung wurde die Frage zur Sprache gebracht und wnren die Anwesenden ein- stimmig der Ansicht, dass Ariiometer nach Bsumk uberfliissig seien uncl dass bei dieser Gelegenheit der Anfang gemacht werden sollte , mit allen derartigen unwissenschaft- lichen Tabellen aufzuraumen".

Das gleiche Resultat hat die Runclfrage des Vereins ergeben.

Der Bezirksverein 0 b e r s c h l e s i e n hat seine Mitglieder ebenfalls befragt und haben drei Mitglieder sich fur Beibehaltung der Baumhpindeln ausgesprochen, wahrend neun die Aichung der BaumCspindeln ablehnen.

Der Bezirksverein R h e i n l a n d hat eben- falls eine Rundfrage veranstaltet., welche er- gab, dass die eingelaufenen Antworten sich fiir Beseitigung der Rauni6spindel ausspra-

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[ Zeitschrift fflr angewrndte Chemie. Hauptversammlung In Drerden.

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clien. Es erscheine nur angebrd i t , die Baumkspindel im Ubergange beizuhalten.

Auch der Bezirksverein S a c h s en - A n h a 1 t hat seine Mitglieder befragt und hat erreicht, dxss die Mehrheit sich fiir Reseitigung der Baum4spiudeln ausspricht.

Der Rezirksverein S a c h s en - T h iirin g e n schreibt: in Erwiderung des Rundschreibens voin 2 2 . Jan. gestattet man sicli, seine An- sicht clahin auszusprechen, dass es ni&t notli- wendig ersclieint, neben Araometern, xvelche den Gehalt an Schwefclsaure in I'rocentcn iiiicl nacli specifischem Gewicht angeben, nocli solclie nach Banm6graden zu beglaubi- gen. Es muss als ein Missstand augesehcn werden, dass zur Zei.t Araometer nach Rauin<:- graden noch in schr ausgedehnter Anwendung sind. EN ist mit den Araometern dieselbe Sache wie mit den Thermometern, wo neben den nach Celsiusgraden eingetheilten Tnstru- menten noch massenhaft Thermometer nach Rbaumur existiren. Nichtsdestoweniger wer- den nur Instrumente nach Celsius geaicht.

Die Kaiserliche Eormal -Aichimgscom- mission mird sich ein Verdienst ermerben, wenn sie SchwcfelsaurearHometer nur nach Proccntcn und specifischem Gewiclit aicht. Sir wird dadiirch erzieherisch wirlwn, damit in absehbarer Zeit eine unnathige untl viillig nutzlose Complication tvegfallt, die zur Zeit dadurch entsteht, dass neben den wisseii- schaftlichen AFiometern noch i m i n ~ r A r k - meter nach B a u d weiter benutzt werden".

Weiter schreibt der Vorsitzericie des Wiir t t e m b e r g i s c h en \vie folgt,: ,, Was meine persbnliche Ansicht anbe- trigt, so bin ich der hleinung, dass man mit den unwisscnschaftlichen Graden nach Banni8 oder Reek einmal aufraumen sollte und dass allgeniein specifische Gemichte an die Stelle trrten sollten, wie sich dies schon bei vicleti Proclueten im Iiandel und Verkehr cinge- biirgert Ii:ih".

Endlicli liat dcr Rezirksverein I I a n i b n r g in seiner Sitzuiig vom 21. Jannar in leb- hafter Discussion die Araometerfragc! behan- delt. Dio Meinimg der Nehrheit der An- wesenden ging daliin, die Abscliaffung rlcxr .Baumtscaln, weil auf anir.issenscJiaftliclier Grundlage berohend. zu empfelilen. hiderer- seits murde betoiit, dass aucli die neuen 111- strumente insofern fiir die Praxis unter Um- s t i n d en. un zur eich end s ein w ii r d en, 8.1 Y deren Aicliung sicli nuf chemiscli reine Ecliwrfel- &ire beziclit. Die .Versammlung k~xchloss niit allen gegen 2 Stimmen, die Abscliaffung der Eaumeariometer z u empfehlen, und na.lriii ferner pinen T7orsclilag an, bei tler X'ormal- Aic.liung.scoinmisvion anzuregen, Kir die Praxis Instruiiierite mit Angabe cles specifi-

Rezirksvereius

schen Gewichts. auf denen nus die beiden ersten Decimalen init Fortlassung der gnnzen Zahlen angefiihrt sind, zu beglaubigen (s. Heft 14, Ztschr. f. a. Ch., Jahrgang 1901).

Hervorgehobeii sol1 werden, dass der B e r l i n e r Bezirksverein den Wunsch aus- spricht, es sollen nur solche Ariiometer be- g1:tubigt werden , die entweder eine zweck- entsprechende Behandlung mit Schwefelsaure ohne Gewichtsveriinderung aushalten, oder nacliweisslich ans einer Glassorte gefertigt sind , die den Angriffen erfahrungsgemiiss widersteht.

Uer Frank f u r t e r Bezirksverein bittet, die Tabellen, welche die Normal-Aichungsconi- mission veriiffentlichen will, gleichzeitig mit den Unterlagen zu versehen, nach xelc,hen die Berechiiung der Tabellen erfolgt ist.

Weiter wurde das Schreiben der Nor- m:d Aichungs -Commission an 83 Vereinsmit- glieder gerichtet, von denen anzunehmen war. dass sie ein Interesse an dieser Frage nehmen wiirden. Es wurden hierzu gewahlt grosse und kleine Fabrikanten von Schwefelsaure, Consumenten aus den versehiedensten Indo- strien, Vorsteher von hervorragenden Unter- sucliimgsanstalt~en, Docenten und Ingenieure, welche fardernd und bestimmend in die Schwefelsaureindustrie eingegriffen haben, so- wie Verfertiger von Ariiometern. Im Ganzen sind auf diese Aiifrage 55 Antworten ein- gegangen.

Die Majoritat der Antworten liisst sich in diesein Falle sehr schwer feststellen, weil dic einzelnen Stimmen gewogen werclen iniissen nach der Redeutung der Befragten. Im Grossen und Ganzen lksst sich feststellen, dass die Fabrikanten der Ansicht zuneigen, aus Zweck- iniissiglreitsgrunden die ArLometer na,ch BxumC zu beglaubigen und beizuhalten. Man fiirchtet durch die Einfuhrung neuer Instrumente T-er- mirrung in der Fabrikation und Stiiruugcn iin Betriebe, wel(:he aber doch sicherlich niir sehr voriibergehender Natur sein kiinnten.

Die Professoren, Docenten uncl Ingenieure sprechen sich fiir Beseitigung der unrationelleii Baiumtspindeln ails und glauben eine Reschleu- nigung dieser 13eseitigung ciatiurch zii crzielen, dass die \-on cler Norrnal-Aic,liungsc,ommission vorgeschlagenen zmei Arten von Araometern in die Praxis eingcfiihrt werden. Professor Dr. L u n g e , der Vorkampfer eines einheit- lichen, rationellea Araometers, schreibt : ,, Es wart in der That schon vie1 gewonnen, venn durch ilas Vorgehen der IZaiserlichen Normal- Aichungscommission fiir die rationelle Baumk- scnla eine Art amtlicher Anerlrennung ge- scltaffen w\.iirde. Die jetzt, ganz xnarcliiscli vorgehenden einzelnen Fabrikanten miissten sich in Deutschland dem sehr bald anpassen

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und wenn die anderen Nationen d a m nicht mitkommen wollen, so ware doch die Sach- lage in internationaler Beziehung in keiner Weise verschlimrnert gegeniiber dem jetzigen Zustande. 17 abrend wenigstens in Deutschland Ordnung herrschen miirde. Nun kommt j a noch d i e Frage: Sol1 man uberhaupt irgend ein Raunid-Araometer anwenden und amtlich sanctioniren? Ich miichte dazu, obwohl nicht leichten I-Terzens, ,,Ja“ sagen. Mit den als Decimalbriiche geschriebenen specifischen Ge- wichten wird sich die Technilr nun und nim- merinehr befrennden. Die deutschen Fabri- kanten halten an dem Baumk-Araometer fest nnd man wird daher am besten thun, ihnen in clieser Beziehung nachzugeben, aber sic durch amtlicli geaichte Araometer zum Ge- branch eiiier einheitlichen Scala zu erziehen, womit doch ausserordentlich viel gewonnen ist“.

1. Nach genauer Abwagung der Mei- nungen, welche in den verschirdenen Zu- schriften zu Tage getreten sind, kann sich der Referent der Ansicht des Herrn Professors L u n g e iiicht anschliessen, halt im Gegentheil dafiir, dass es vollkommen genugend erscheint, Ariionieter mit Eintheilung nach Procenten des Gehalts an reiner Schwefelsaure und solche mit Eintheilung nach Dichte entspre- chender Mischnngen zu aichen. Die Baumd- spindel wird nach wie vor im Handel und in der Retriebscontrole gebraucht werden und geniigt in der Genauigkeit, wie sic jetzt iiblich ist. Es sei darauf hingewiesen, dass bereits die Grossherzogl. Sachsische Priifungsanstalt zu Jlnienau Araometer nach Baum6 pruft und mit einem Fehlerverzeichniss versieht. Diese Priifung geschieht in solchem Umfange, dass ca. 30 Proc. sammtlicher eingereichter Arao- metersorten dort gepriift werden. Die un- rationelle Baumdspinclel mird nach und nach in der Praxis verdrangt werden, besonders wenn lteine amtliche Aichung ihre Lebens- dauer verlangert.

In1 Falle dass rleniioch die Aichung der Baumk- Arlometcr ausgefiihrt werclen sollte, sprecheii sich sammtliche Angefragte dahin am, class nur die rationelle Scala zur An- wendung kommen kann.

Dr. L a n g e : Meine Herren, ich miichte mir erlauben, in einigen Worten meine gegen- tlieilige Stellang zii dem, was der Herr Re- ferent ausgrfuhrt hat , vorzutragen. Fs hat mir das Material, melclies zu dem Iteferat verarbeitet wordrn ist, nicht vorgelegen ; ieh kann also nur in der Weisr meine Ausfiih- rungen machen, \vie ich es irn Berliner Be- zirltsverein gethan habe. Aus eigener Er- fahrung wissen Sie ja alle, wie Herr Pro- fessor L u n g e sicli bemiiht hat, an Stelle

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des Bauind’schen Araometers das specifische Gewicht im Handel mit Schwefelsaure durch- zuffihren. Er hat es wahrlich nicht an K i h e fehlen lassen, er hat auch seine Tabellen wohl nicht, wie der Herr Referent gesagt ha t , fur das BaumP’sche Araometer ausge- arbeitet, sondern er hat sic im Gegentheil zusammengestellt nach dem specifischen Ge- wicht fur das Densimeter und sie nur dem Baum8’schen Araometer angepasst. Wenn es nun also den bei der IIerausgabe des Taschen- buchs fur die Sodaindustrie betheiligten fuh- renden Firmen nicht gelungcn ist, das Baumd- sche Araometer abzuschaffen, so sollte man meinen, dass es wohl auch nicht niiiglich sein wird, nur dadurch, dass es jetzt nicht geaicht wird, seine Abschaffung in der Praxis durchzusetzen. Ich glaube auch, die Frage ist nicht ganz im Sinne der Normal-Aichungs- commission aufgefasst worden, sonst miirde man nicht besonders davon gesprochen haben, dass das Banmd’sche Araometer fur unreine Schwefelsaure falsche Angaben liefert. Genau dasselbe gilt ja fiir das specifische Gewichts- araometer; genau dasselbe gilt fur das Procent- araometer, welche beide die Normal-Aichungs- commission einzufiihren entschlossen ist.

Ich meine, es handelt sich him lediglicli urn ZweckmBssigkeitsgriinde. Der Herr Re- ferent hat gesagt, im Handel sei es allgemein Gebrauch, niedrige Schwefelsaure nach Baum6- graden zu handeln, iind das wird sich auch nicht ausmerzen lassen. Wenn sich da.s zu- nachst nicht ausmerzen Iasst, so miissrn wir doch, meine ich, dankbar sein, wenn wir bei Differenzen, die sich bei diesem Handel her- ausstellen, auf ein geaichtes Araometer zu- ruckgreifen k6nnen.

Was die Controle der Fabrikation be- trifft, so wird man sich vermuthlich nach wie Tor der gewiihnlichen Baumk-Araometer bedienen. . Ich glaube nicht, dass man fur diesen Zweck geaichte Tnstrumente anwenden wird. Wohl aber wiirde es von Vorthcil sein, die taglich im Gebrauch hefindlichen Araometer ab und zu mit dem geaichten ver- gleichen ZLI kiinnen. Ich nehme an, dass die Aichung viel zii theuer sein wird, uni die vielen fiir den Betrieb niithigen Spindeln aichen zu lassen. Fur die Fabrikation uiid den Handel wird es sich darum handeln, ob man bei dem kurzen Ausdruck des Baum& grades bleiben will, oder ob man das spe- cifis che Gewi cht a1 1 g emein ein €<I hr en k ann . Fiihrt sich aber das spccifische Gewiclit immer iioch nicht ein und bleibt nian f<ir v ide Haiidelszwecke bei den BaumCgraden, so liegt cine Aichung im hteresse des Iian- dels. Es ist hier gesagt worden, dass be- reits cine solche Prufungscommission bestehe,

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und dass 30 Proc. der Ariiometer gepuf t keit an dem in Betracht kommenden Product werden, D a m hat sich schon jetzt die ' zum ilusdruck zu bringen und die nichts Nothwendigkeit einer Aichung her:tusgestellt besagenden Bannibgrade aufgeben. Wie er- und eine von der ReichsbehBrde ausgefiihrte , scliwert es auf Studienreisen, aus erhaltenen Aichung besitzt doch einen ganz anderen Jlittheilungen der Allgemeinheit nutzbringende Werth als die Prufungscommission ttiiiringer i (.:onsequenzeri zii zielien, wenn man z. R. beim Fabrikanten. Ich muss aber schliesslich nocli i Besuchen einer Schwefelsaurefabrik deren anf einen Puukt hinweisen. Es ist mir in ' Resultate als so und so viel Product von dem Bericht des Referenten aufgefallcn, dxss 1 63 Grad BaumP. mit einem so und so grossen so wenig auf die Veranderlichkeit des Ariio- Verbrauch von 35 gradiger Salpetersaure vor- meters hingewiesen morden ist, dass man so ~ gefiihrt erhiilt, miihrend vielleiclit in der wenig G e ~ ~ i c l i t da,rauf gelegt hat, class die nlchsten Stunde ein anderer Fabrikant seine Glassorten bei dauernder Benutzung so ausser- Production an Schwefelsaure als 64 gradige ordentlich leicht angegriffen wertlen. I ch i und seinen Snlpetersanreaiif~vancl auf 35" kann atis meiner Erfahrung sagen, class ein- ~ BaumB bezogen angiebt. zelnc aus thiiringischem Glas gefertigte 1 Dabei wird es zur Unmiiglichkeit, die ,\raometer schon nach 14 tlgigem dauerndcn Gebrauch einen Fehler von Bber 1 Grad Raumt anfwiesen. Wenn ein ArLoiiieter m s einem solchen Glase genicht iverclm wiirde, so wiirclen die griissteii Ungerechtiglrciten \Torkommen kijnnen. Man hatte ein Ariio- meter niit clem richtigen dichungsstempel dzirauf, und das Ariiometer taugte dooh niclits.

I3ei dem specifischen Gewichtsariiometer wiirde doch derselbe Fall eintreteii kiinneu. Wenn es aus demselben Glas gefertigt ist, wfirde es clenselben Fehler in sic-li tragm. Also es muss fur die dichung der Scliwefel- skurearaoineter besonderes Gewiclit dar:nif gelegt werden. dass clie Glassorte auch I'iir den Zwwk geeignet ist. Ich miichte den Gedanken nicht gerne aufkonimen lnsscn, dass ic,li etwa besonders fur das Baunic- Ariionieter schmlrnie, es ist aber , wie sich ails den friiheren Versuchen ergiebt. ni(:ht ohne Weiteres auszumerzen, und cleslialb ging der Vorschlag cles Berliner Bezirksvereins dahin, ein gewisscs Cbcrgangsstadiimi in tler Weise zu erreichen, dass man neben tler Baumb-Aichung zugleich das specihsclie Ge- wicht a d dem Ariiometer angiebt.

li. If. Niedenf t ih r : Ich knnn mieh init Clem I; an g e ' scheii Vorschlage, die Aicliiing der Bauniespindeln zu befurworten, nicht, einverstanden erklaren. Die Baunihspindel giebt uns keine concreten Ziffern an dic Hand, wohl aber das specifische Gewichts- araometer, clas uns, das Volunien der in Betracht kommenden Flussigkeit als vorlier gemessen vorausgesetzt, gleich den klaren Begriff der Gewichtsmenge, mit der wir zu rechnen . haben, gewahrt. Es wurde sich darum doch empfehlen, fur die Aichung der Arlonieter nach specifischem Gewicht einzu- treten.

Was die Verwendung der Ariiometer in industriellen Betrieben anbetrifft, so sollten letztere darauf hinarbeiten, mit iliren An- gnben immer den Procentgehalt eint,r Fliissig-

Materialien zu vergleichen nnd Schliisse uus denselben zu ziehen.

Die industriellen Betriebe wiirden sich einer verdie nstvollen A iifgab e unterz ieli en, wenn sie fur Fliissigkeiten durch ihrc An- gtben immer deren procentualen Product- gehalt zumAiisdruck bringen, also auch cliesem Zwecke entsprechende Betriebsaraometer, zn- gleich mit specifischcr Gemichtsangabe uncl Proc,entscala ~e r sehen , bei sich einfuhren wollten, fur deren Priihmg clas T-OU cler Aichungscommission bezogene specifische Gc- wichtsaraometer zu dienen hatte. (Bravo.)

Herr Director Ur. h feyer : Meine Herren, ich will nicht auf die Frage eingehen, wel- ches Arlometer rationell ist. Ich miichte eine Anregung geben; wenn cler Bericht des Herrn Director Li i ty an die Normnl-Aichungs- commission abgeht, so niiichte diese ersacht werden, die Spindeln , anstatt \vie vorge- sehen, auf Procente von H,SO, auf solcbe von SO, zu aichen. Dieser Vorschlag ist begriindet mit der Rucksicht auf die stetig sich vergrijssernde Production yon Oleum. Diese SBure lasst sich allerdings niclit durch die Spindel bestimmen, sondern man titrirt und clriickt den Gehalt in Proc. S(3, nus oder in:tn spricsht von einem Oleum mit so und so viel Proc. freiem oder abdestillir- bnreni S( )3 . Wiirde man bei rauchentler Slure die erstere Bezeichnung wahlen und auch die SBuren unter Jlonohydrat nicht nach Proc. II,SO,, sondern nach Proc. SO3 lianrleln, so wiirden mir zu einer einheit- lichen Bezeichnung der Schwefelslure jecler Concentration kommen : Anhydrid wiirde als 100 Iiroc. untl alle schwiicheren Sauren wiirden in Proc. ron SO, anszudriicken sein. Diese Anregung wollte ich hier nur geben.

h) P at en t c o inm i s s i o n

V o r s i t z e n d e r : Der in Aussicht genom- mene Bericht der Patentcommission ist im Kinverstiindnisse mit clem Vorstande uncl dem

B e r i c h t d e r (GI. z. s. 983).

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Vorstandsrathe von der Tagesordnung ab- gesetzt worden, da die Arbeit der Commission, namentlich rnit Rucksicht auf den Congress fiir gewerblichen Rechtschutz, noch nicht ge- niigend zum Abschluss gekommen ist.

9. A n t r a g d e s B e z i r k s v e r e i n s Ber - l i n (d. Z. S. 984).

Auf Vorschlag des Vorstandes und Vor- standsrathes wird der Antrag einstimmig ge- nehmigt.

10. A n t r a g d e s B e z i r k s v e r e i n s F r a n k f u r t .

Dr. D u i s b e r g : Meine Herren, Sie werden alle geh6rt und gelesen haben, dass auf der letzten Naturforscherversammlung zu Aachen eine Sitzung verschiedener Abtheilungen statt- fand, urn auf Antrag des Herrn Professor H i s in Berathungen uber arztliche Gutachten einzutreten. Auf Grund eines Referates des Herrn Professor H i s als Vertreter der Kli- niker, des Herrn Dr. E i c h e n g r u n als Ver- treter der pharmaceutischen Technik und des Herrn Prof. K o b e r t als Vertreter der Phar- makologie hat die Versammlung einmiithig eine Resolution angenommen, die Ihnen wohl im Allgemeinen bekannt ist und die dem Antrage und der Resolution des Frankfurter Bezirksvereins zu Grunde liegt.

Der Vorstand des Vereins hat dann in der gestrigen Vorstandssitzung beschlossen, dem .Vorstandsrath eine Abanderung dieser Resolution vorzuschlagen. Die persiinlichen Angelegenheiten der Arzte gehen uns nichts an; wollten wir die Resolution in der vor- geschlagenen Weise annehmen , so wurde man rnit Recht einwenden: Wie kommt ihr dazu, den Arzten die Abgabe van Gutachten zu untersagen? Wie kommt ihr dazu, den Arzten die Empfehlung neuer Mittel in der Laienpresse und in Reclameflugschriften zu verbieten? Was habt ihr damit zu thun, die Publicationen der Arzte in Fachzeitschriften gegen den Abdruck zu Reclamezwecken zu sc.hiitzen, oder die Hrztlichep Erfindcr fur die Form der Reclame verantwortlich zu machen? Das nlles sind Sachen, die 'die Xrzte und nicht die Cliemiker angehen. Sie werden daraus ersehen, dass es nothwendig war, der Besolution eine Fassung zu geben, die darin gipfelt , welchen Einfluss derartige Maassnahmen der Arzte auf die pharma- ceutisch-chemische Industrie und ihre Ver- treter ausiiben wiirden. Da nun noch geplant ist , der diesjahrigen Naturforscherversamm- lung vorzuschlagen, eine Commission zu er- nennen, welche jahrlich iiber alle neuen im Markt erscheinenden Heilmittel berichtet, so ist die Resolution durch Aufnahme eines

diesbeziiglichen Passus erganzt worden, um zu verhindern, dass nur Lhz te in die Com- mission gewahlt werden, und die Thatigkeit der Commission auf Referate z u beschranken.

Die vom Vorstandsrath genehmigte Re- solution liegt gedruckt vor: Wenn Sie diese Resolution vergleichen mit der des Frank- furter Vereins, so decken sich im ersten Theil beide im Grossen und Ganzen. Die pharmaceutische Industrie ist darauf ange- wiesen, Reclame zu machen. Sie muss da- rauf verzichten und wird darauf verzichten, an die Laienkreise zu gehen, aber sie muss in der Lage sein, ihre nen erfundenen Arznei- mittel den Hrzten zu Versuchen und zum Gebrauch unterbreiten zu k6nnen. Man kann von dem Arzte nicht verlangen, dass er alle Zeitschriften liest, in denen Orginalarbeiten ver6ffentlicht werden. In Folge dessen mussen die betheiligten Fabriken in der Lage sein, Abdrucke der Orginalartikel den Arzten zu- zusenden.

Was dann die Honorirung von Gutachten und Arbeiten uber Verwendung neuer Arznei- mittel bei Kranken anbetriEt, so haben wir es fiir richtig erachtet, uns in eine Discussion dieser Angelegenheit nicht einzulassen. Wir sind der hleinung, dass es von den :&ten auf der Naturforscherversammlung zu Aachen nicht richtig war, diese Honorirungsfrage so sehr aufzubauschen , denn thatslchlich IEsst sich der deutsche Arzt fur derartige Arbeiten nichts bezahlen. Die Vertreter dcr griisseren Fabriken haben einstimrnig erklart, dass sie fur diese Zwecke Geld iiicht ausgeben und nicht ausgegeben haben. Venn sich solche bezahlte Empfehlungen in der Laienpresse vorfinden, so hnndelt es sich meist um Ge- heimmittel, mit denen wir nichts zu t h n haben. Wir haben deshalb gesagt: Wir wollen diesen Passus, der sich in der Frankfurter Resolution findet, streichen. Ich will aber betonen, dass es unbcdingt gestattet sein muss, die Prufung neuer Arzneimittel an thierischem Material, also die pharmako- logischen, bakteriologischen, mikroskopischen und physiologischen Arbeiten , honoriren zu durfen, denn man kann von den Vertretern dieses Faches nicht verlangen, dass sie der- artige kostspielige, mit grossem hlaterial- verbrauch verbundene Arbeiten unentgeltlich besorgen.

Die Griindung einer pharmakologischen Centralstelle soll, so haben wir gehijrt, in den betheiligten Kreisen aufgegeben sein. Die Herren haben die Unmijglichkeit einge- sehen, eine ausreichende Vorkehrung fur die Anstellung solcher pharmakologischen Ar- beiten an einer Centralstelle einzarichten, und es durfte nicht nur an den grossen

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hierzu erforderlichen hlitteln fehlen, sontlerii eine derartige Stelle wiirde auc,h mit Material derart iiberlastet werden, dass es uicht moglich ware, diese Arbeiten mit der erforder- lichen Griindlichlreit auszufiihren. Die Ham- burger NaturforscherrersammlLuig wird daher walirscheinlich dnvon absehen , dieser An- regung weiter Folge zu geben, man will \-iel- mehr cine Commission einsetzen, die dar- iibcr wacheii soll, dass die angenommenen Griindsiitze zur Durchfiihrung ge1:tngen , und class iiber die neu erschicnenen Heilmittel jahrlich Bericht erstattet wird. T.:s wfirde grosse Bedenlien haben, menn dies in der Weisr, geschahe, dass man nicht nur d i e ein- zelnen Arzneimittel, die neu erscliienen sind, aiifziihlt, sondern auch Umfrage dariiber bei aflen Krankmhausern, Kliniken imtl tien be- theiligten hrzten halt , und cine Statistik dariiber anfstellt,, ob dieses oder jenes Mittel in dein oder jencni Falle gewirkt hat oder niclit, oh PS sich eingefuhrt hat oder nicht. Ein richtiges Rilcl wird dabei nicht zu ’I’age treten. Wir sind deshalb der hleiniing, tlass dieser zu ernennenden Commission :iusschliess- licli eine referirende Thatigkeit zugewicsen werden darf. Sie referire uber das, was er- schienrn ist. Um auch der chemisehen In- dustrie, hez. der chemischen Wissenschaft die ihr bei der Frage gebiihrende Stellung zii geben, sind wir der Meinung, dass die Coininission nicht iiur RUS Arzten bestchen darf, sontlern nuch nus C’hemibern. Die ph:trmac,eutische Industrie ist genau so wie die Irztliche Welt daran interessirt, tlass ihre Interessen gleichzeit,ig beriicltsichtigt werclen. Wir habeii deshnlb unserer Itcso- lution eine entsprechende Fassung gegebpn.

Dr. Fuc h s : Der Frankfurter Bezirlts- verein hat mich mit der Begriinclung und Vertretung seines Antrnge,s beauftragt, und miichte icli itus diesem Grunde auf d ie m n - mehr vorliegende, abgciinderte Resolution niit einigen Worten eingehen.

Wnch den Ausfiihrungen des Herrn Dr. D u i s b e r g uncl nachdem Herr Professor F r c u n t l sich bereits gestern in der Vor- standsrathssitzung der abgeiinderten Resolu- tion angeschlossen hat, habe auch ich etwas Grundsjitzliches gegcn die neue Fassung des Frankfurter Antrages nicht einzuwcnden und niiichte nur darauf hinmeisen, dass der erste Theil, cler die His’schen Thesen l)ehandclt, im Wesentlichen n i t dem detaillirtcn Antrag des Frankfurter Bezirksvereins iibercinstinimt. Die I-Iis’schen Thesen Bleibeii nuch nach der jetzt vorliegenden Resolution bestellen, und wenn der Frankfurter Bezirlisverein sich in scinem Antrage an diese hielt, so be- zweckte er dnrch seine Zusatze die H i s -

( Zeihohrift Nr angewnndte Chemie. Hauplversammlung in Dreiden.

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schen Thesen dergestalt einzuschranken, dass dnrch hnnahme dieser auch von iirztlicher Seitc: der Industrie und ihren Bedurfnissen lrein Schaden zugefiigt ~verclen mijchte.

Was nun den zweiten Theil des Antrages :tnbelttngt,, so hat der Frankfurter Bezirks- verein diesen Kob e r t ‘schen Vorschlagen gcgcniiber eine mehr ablehnende Haltung eingenommen. Indessen steht zu hoffen, dass durch den berechtigten Anspruch auf entslsrechende Vcrtretung der chemischen Teclinik iniicrhalb tier Cornmission die In- teressen derselben geiiiigend gewahrt werden, so dass aus der zukiinftigen Thatigkeit jener Commission der pharmaceutisch- chemischen lndiistrie kein Schaden erwachst. Im An- schlnss hieran miichte ich nur not:h meiner Verwundcrung Sariibcr Ausdruck g e b q dass aiif der Aachener Natiirforscherversammlung Beiner cler anwesenden &zte den schweren Vorwurfen l i o be r t ’ s entgegen getreten ist, indem dieser von Thierqualerci durch Ver- s i d e init neiien hlitteln an hfenschen gp- sprochen hat. Hiervon ist in der (jffent- lkhkeit nichts bekannt geworden, und es sollte in der heutigen Zeit doch wohl sehr schwer fallen, solche Vorkommnisse der &kntlichkeit vorzuenthalten. Es muss des- Iia,lb ein solcher Vorwurf als unberechtjgt betrachtet werden. Ebenso verhllt es sich mit dem Ausspruch Kober t ’ s , der %at musse dafiir sorgen, dass seine Burger nicht vergiftet wiirdon. Es ist nicht bekannt ge- worden, drtss bei Versnchen mit neuen Mitteln sich Todesfalle ereignet habcn. Todesfille sincl allemal erst dann beobachtet worden, wenn ein news Mittel allgemein Anwendung gefunden hat. Diese sind dann die Folge cines nicht erlianiiten organischen Fehlers oder einer specifischrn Ttliosynkrasie. Polche Falle werden, so traurig dieselben auch an mid fur sich sind, durch lreiiie Einrichtung, iveder durch Gesetz noeh durch eine nuch noch so sorgfaltig arbeitende Commission, vermieden werden kiinnen. Als Beweis fiir diese Behauptung erinnere ich nur an das Chloroform. Kein Arzt wird dasselbe in der Chirurgie missen miigen, und trotzdem merden sich, wie die Erfah- rung lehrt, immer wieder einzelne Todes- fdle bei der Chloroforninarkose einstellen.

Professor F r e u n d : Ich wollte mich der Reso1ut)ion in der neuen Fassung anschliessen, \vie jch das bereits in der Vorstandsraths- sitzung gethan habe. Ich mochte aber die Ge- legenheit nehmen, etwas zur Sprache zu brill- Ken, wns schonlIerrDr.Duisberg erwahnt lint. Kine der His’schen Thesen lautet, d w s die Forderung eines Honorars Seitens der Arzte Trerboten sein soll. Nun i s t es nicht einzu-

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1063 Hauptversammlung in Dresden. XlV. Jahrgang. Eleft 42. 15.October 1901]

sehen, was fur eine Schande es sein soll, ein Honorar anzunehmen fur eine Arbeit, die doch schliesslich gleich zu stellen ist mit einem Gutachten, das ein Chemiker abgiebt. Wenn man aber durchblicken liisst, dass iirztliche Gutachten abgegeben werden ohne die nijthige Sorgfalt und vielleicht gegen besseres Wissen, nur des Geldes wegen, so ist das allerdings einer der schlimmsten Vor- wiirfe , die gegen Jemand erhoben werden kiinnen, und ich glaube, wir mussen an dieser Stelle unsere Stimme erheben und sagen, dass die Verhaltnisse thatsachlich nieht so liegen, dass namentlich die Arzte fur kli- nisclie Arbeiten im Allgemeinen gar kein IIonorar verlangen, unsere deutschen Arzte wenigstens durchaus nicht. Am besten zu urtheilen ist derjenige in der Lage, der selbst niit Arzten iiber diesen Gegenstand verhan- delt hat. Ich habe auch seit ungefahr 10 Jahren vie1 mit Arzten correspondirt wegen der Ubernahme der klinischen Priifung neuer Mittel, aber nie ist es vorgekommen, dass einer geschrieben hatte: Ich will es thun, aber nur gegen Honorar. Als Vor- sitzendem der Commission zu Frankfurt ist mir von Seiten der Iudustriellen gleichfalls versichert worden, dass das nicht ublich sei.

In einer der letzten Nummern der ,,Clie- miker-Zeitung" wird dieser Gegenstand aueh zur Sprache gebracht und. erwahnt, dass manche Arzte, wohl nicht allein bestimmt durch ideale Griinde, Gutachten in dieser Beziehung abgegeben tiaben; also ein Hin- weis darauf, dass lediglich der Geldverdienst eine Rolle spielt. Dieser Artikel ist fast miirtlich von der Frankfurter Zeitung uber- nommen worden; es wird vie1 Staub aufge- wirbelt und die Arzte kiinnen sic11 mit Recht beleidigt ftihlen. Ich wollte daher die Ge- legenheit nicht versaumen, darauf hinzu- weisen, dass dieser Vorwurf ganz und gar unberechtigt ist und unsere deutschen Arzte ihrc Publicationen nicht fur Geld machen.

Professor Dr. K u n z - K r a n s e : In der wrliegendcn Discussion ist der Schwerpunkt :tuf die Abgabe Ton Gutachten gelegt worden. Ich kann dnhsr hier nicht auf einen weiteren Punkt eingehen, den ich aucli sehr gern zur Discussion gestellt sehen mijchte. Tc,li miichte ihii aher nur kurz streifen:

Es ist dies die Ubersendung voii Elustern, von Waarenproben neuer Arzneimittel direct an die Interessenten, an die Arzte. Ich gelie jedoch hier absichtlich nicht xuf diesen Punkt cin. Meine amtliche Stellung gestattet niir aber und macht es rnir zur Pflicht - und ich will hinzufugen, nicht als Beauftragter des einen oder des anderen Interessenten- kreises, sondern vollstiindig iinabh%ngig - Iiier

einen anderen Punkt zur Sprache zu bringen, der, wie mir scheint, in dieser Resolution nicht zum Ausdruck gebracht worden ist. Wenn es sic,h urn den Vertrieb, uin die Unterbringung unserer neuen und neuesten klinischen drzneimittel handelt, so ist natur- gemlss nicht der Verkehr vom Producenten, d. h. von unseren Grossindustriellen, direct zum Arzt der richtige Weg, sondern ledig- lich der unter Mitwirkung der Apotheker als desjenigen Standes, der den Vertrieb dem Publicum gegeniiber zu nehmen hat. Es hat mich nun gewundert, dass, nls vorhin von der Zusammensetzung der niederzusetzenden Commission und der Betheiligung der che- misch-pharmaceutischen Industrie an dieser gesprochen wurde, es da nur hiess, diese Commission soIle aus Chemikern und Medi- cinern zusammengesetzt sein. Ich glaube, und als Mitglied des Vereins deutscher Che- miker glaube ich das Recht zu haben, das auszusprechen, dass es nicht im Sinne und in den Absichten der deutschen Grossindustrie sein kann, direct von der Fabrik aus mit den Arzten und durch diese mit dem Publi- cum zu verkehren. Icli glaube, wir Alle sind dessen eingedenk, dass unsere deutsche cheniisclie Grossindustrie wesentlich durch die Pharmacie gross geworden ist unci (lass wir nach der Periode der Farbenindustrie in eine zweite pharmako-chemische Periode ein- getreten sind. Es wurde deshalb nijthig sein, dass auch die pharmaceutische Richtung in der Commission beriicksichtigt werde. Ich miichte deshalb yon mir aus, und ohne i n irgend welchem Auftrage zu handean, den -4ntrag stellen, dass in dieser Commission auch der deutsclie Apothekerstand beruck- sichtigt merden sollte. Neben dem Arzt haben wir noch den Apotheker als Mittels- person zwischen Fabrik und Consumenten, der in seinen Repositorien eine grosse Menge neuer Arzneimittel nach zwei- oder drei- maligem Versuch fiir langere Zeit, oft auch fiir immer begrabt. Ich mijchte deshalb be- antra>gen, dass in diescr event. zu begrun- denden Commission aucli der deutsche Apo- thelrerstand gebiihrend berticksichtigt mcrde. (Bravo.)

Dr. D u i s b e r g : Ich freue mich, dass meiii Herr Vorredner Gelegenheit genommen hat, fiir die Apotheker einzutreten, aber bei aller Hochachtuug, die wir und specie11 die Vertreter der pharmaceutisch-chemischen In- dustrie vor dieseni Stand haben, glaube ich doch sagen zu mniissen, dass hier nicht der richtige Platz ist , solche Wiinsche zu be- riicksichtigen. Es handelt sich darum, dass der Verein deutscher Clieniiker die Interessen der betheiligten pharmaceutisch-cliemischen

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Industrie vertritt. Sie wissen rtoch nicht, ob iiberhaupt nach der Richtung hin unser Antrag angenommen wird, auch wenn wir energisch in Hamburg dafiir eintreten. Ic,h wiirde mich sehr freuen, wenn audi Pharma- ceuten in die Commission hineingewahlt wiir- den, obgleich bei dem Ausprobiren ncuer pharmaceutischer Mittel bei dem clabei er- forderliclien Verkehr zwischen Arzt und Fa- brik der Apotheker noch nicht in Frage kommt. Uic pharmacentisch-chernische In- dustrie muss hier znerst in direckr Verbin- dung treten. Sie thut dies nicht z u dem Zweck , Geschiift z u machen, sondern zum Zweck der Priifung. Sobald d i e s e Priifimg abgeschlossen ist, sobald die llittel in den Handel gebracht werden , kommen die Apo- thelier an die Reihe. Sollen Pharmaceitten auch in dieser Commission sein, so miirti es am riclitigsten, wenii der deutsche -4pothelrer- verein sicli cler Sache annimrnt iincl einen diesheziiglichen Antrag stellt.

Dic Worte des IIerrn Professor K u n z -Kr xu s e , d ie gewisser- maassen rinen Vorwurf gegen den Verein deutscher Chemiker enthalten , sind viillig nnberechtigt, denn einerseits bezichcn sic sicli auf eine Angelegenheit, mit welcher der Verein deutscher Chemilier iiberh:tupt nichts zu thun hat, andererseits entsprcclien sie nicht den Thatsachen. Was den ersten Punkt anbetrifft, dass den Apothekern liiiiufg iiber neueingefiihrte Mittel nicht reclitzeitig Mit- theilung gemscht wurde, so ist hier nicht der Ort zur Behandlung einer dernrtigen in- t,erncn gesc,haftlichen Angelegenhvit, und dies uiii so weniger, als die Ansicht des Herrii I i u n z - l i r a u s e auf einem Irrthuni berulien diirfte , insofcrn es ganz selbstverstjndlich ist und in1 eigenen Tnteresse cler cheinischen Fabriken lie@, class sie die Apotheltcn, die iiaturlichen Verkaufsstellen ihrer Prodncte, iiber d iese anf deni Laufenden halten, da- gegen mag es inanchnial vorkornmen, tlass Arzte, die yon einern noch im Versuchs- stadium befindlichen Praparat Kenntniss er- halteii haben, solche irrtI~iimlicher\vc.ise diirch die oder in Glen Apotheken verlangcn. Cber derartigc Praparate letztere zii nnterrichten, ehe ilire EinfBhrnng beschlossen ist, lie@ :her fiir die chemisehen Fabriken kein Grunt1 vor.

Was den von Herrn K n n z - I i r n u s e :tus- gesprochencn Taclel anbelangt, class h i cler Bcliandlung der Frage uber die Priifmg ntmer Arzneimit,tel der Apothekerstancl n tisser A cht gelassen sei, SO muss ich d:trauf Iiinweisen, class vom ersten Augenblicke an hei der Ibis- cussion dieser Angelegenheit niclit iiur im Cheiniltervercin und den Bezirksvereiiien, soiirlern aucli sclion auf der Natiirforsclter-

Dr. E ichengr i in :

[ Zeitschrift fiir angewnndte Chemi? Hauptversammluag in Dresden. ~_ _____

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versammlung in Aachen nicht von der che- mischen Industrie, sondern von der che- misch-pharlaceutischen Industrie die Rede gewesen ist, und in dieser Industrie sind wenigsteiis die IElfte, wenii nicht ein gros- serer Bruchtheil aller in ihr beschaftigten Cheiniker , Directoren resp. Firmeninhaber Apotheker. Abgesehen davon ist bekannt- lich auf der Natnrforsc~erversammlung in Aaclien cine vorbereitende Commission ge- wahl t worden, welcher ein Professor der Medicin, einer der Pharmakologie nnd einer der Pharmacie, dagegen kein Chemiker an- gehort. Es diirfte dies ein Beweis sein, dass von einer IIintenansetzung der pharmaceu- tischcn Interessen keine Rede sein kann. Die Wahrung der Interessen der ansubenden Apotheker, soweit sie niit den Interessen cler diemischen Industrie nichts zu tliun hahen, ist dagegen lediglich Sache cles Dentschen Apothelrervereins, dessen Mitglieder dieHerren sind. Keineswegs liegt sie dern Verein deutscher C;hemilter ob , dessen Aufgabr statutengemiiss nur in der F6rderung rler Interessen seiner Mitglieder liegt.

In Folge desscn war auch meiner Ansiclit uach cler Ant.rag cles Frankfurter Bezirks- vereins in der Form, in welclier er urspriing- lich gestellt war, vorn Standpunkt des Ver- eins cleutscher Chemiker aus nicht zii billigen, da cr sich im Grosscii und Ganzen einer von Arzten f8r Arzte erlassenen Resolution angeschlossen hatte, ohne Priifung, ob diese Scliriften fur die chemische Industrie direct oder in zweiter uncl dritter Linie irgend Nachtheile in1 Gefolge haben kiinntcn. Diescs ist aber zweifellos der Pall und ist aucli vom Vorstariclc ;tus richtig gewiirdigt morden. Durc,h ihn ist, mie Sie aus drr vorliegenden Resolution ersehen, der Vorschlag des Frank- furter Bezirlisvereins einerseits nbgeschwiicht.. :Intlererseits und das ist d i e Hauptsachc, dahin erveitert worden, class der Verein deutschrr Chemilier wenigstens eine oder mehrcre Stimmen in der el-entuell zu bilden- den Comniission hnben musse, letztere aber Lianptskhlich einen referirenden Charakter besitzen miisse.

Ich niochte in der Andrrung cles Antrages noch etwns wuiter gehen iind den Vorstxnd bitten, in dt!r jetzigen Fassung der Resolution Alles weg ZLL l:tssen, was als eine Einmischung dcs Vereins clentscher Chemiker in eine rein iirztliclie Angelegenheit aufgefasst merdrn liiinnte, narnentlich den ersten Theil, welcher die hbgabe yon Brztlichen Gntachten an die Indnstriellen, tl. h. also an die eigenen 3Iit- glieder des Vereins, verbietet, daliin zu Lndern. class die Bmutzung iron sc.hriftlichen iirzt- lichen Gatachten durch d i e Industrielleu

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Hauptvexsamrnlung in Dresden. 1065 XIV. Jahrgang. Heft 41. 15. Oriober 1901]

untersagt werde und in dem Satz: ,,Em- pfehlung neuer Mittel durch Arzte in der Laienpresse", ,durch Arzte' gestrichen werde, denn die jetzige Fnssung betrifft eine Sache, die lecliglich die Arzte angeht, nicht uns. Abgese1ic.n davon haben wir nicht clas Recht, eine Resolution in der Weise abzufassen, dass gewissermaassen Vorscliriften fur Arzte darin enthalten sind, so lange mir selbst in dieser Beziehung nic,ht vorwurfsfrei dastehen. Tch \Till nicht behaupten, dass es sich um Mit- glicrler nnseres Vereins hanclelt, aber es ist zweifellos, dass Mitglieder resp. Pirmen der plinrmacrutisch-chemischen Industrie gerade in den letzten Jahren verschiedentlich An- lass z u Iilageu von Seiten cler Arzte gegeben haben. (lass sie ihre Mittel auch in Laien- kreisen durch Verijffentlichung arztlicher Gutachten oder von Referaten in Tages- zeitiingen zu verbreiten gesucht haben. Ein derartiges Vorgehen ist zweifellos zu miss- billigen und nimmt uiis in jedem Falle das Recht, unsererseits den jirzten in diesen Punkten Vorschriften zu machen. Ich mijchte dcshalb beantragen, dass die Resolution in der W e i s e geandert werde, dass der erstc Satz lieisst: ,,Der Verein deutscher Chemiker erachtet die Benutzung schriftlicher arztlicher Gutachten zum ZTyeclie geschaftlicher lirzt- licher Reclame, Empfehlung neuer l l i t tel in der Lnienpresse oder LL s. TV. fur nnzulassig". Es wiircle sich hierdurch die ganze Resoliltion Ietliglich als Vorschrift Kir die chemische Industrie charakterisiren und mit dem Ter- lialten und den Gepflogenheiten der Arzte selbst noch gar nichts zu thun haben.

Professor Dr. K u n z - K r n u s e : Zunlchst mijchte idi darauf hinweisen. dass es rnir niclit in den Sinn gelrommen ist, irgendwie St&it? in den Garten der deutschen Chemiker zu werfen. Ich selbst habe ja vorhin erklart, dnss ich Xtg l ied des Vereins deutscher Che- mikrr bin. Der Grund, warum ich mir diese Ausfiihrungen erlaubt hnbe, liegt lediglich auf praktischem Gebiet, um den Schwierig- keiten, die im taglichen Verlrehr der Apo- thcltcr mit den neuen hrzneimitteln sich ab- spielen, zu begegnen. Jlir war ha.upts6c:lilirh dmum zii thun, dass in den Fallen, wo den Arzten ein Medicament) in Form von Proben zur Verfiigiing gcstellt mircl, auch den Apo- thckern tlurch Zusendung von Proben I-niig- lich griiincht wird, sidi iibrr ein nrues Meclica- ment, zit urietitiren. Es lroniint vor, dass der Apotheker aufgefordert wird, irgend ein Arzneimittel abzugeben, ohne dass er weiss, wa.s es ist, woher er es zu nehmen hat. Derwtige Missstiinde mussen wir eriirtern, uiid es ist Pflicht, durch uuseren Verein auch diese Dinge zur Sprache z u bringen.

Professor F r e u n d : Ich mijchte in Er- widerung der Worte des Herrn Collegen E i c h e n g r i i n doch bitten, dass wir es bei der Fassung der Resolution, >vie sie jetzt vorliegt, belassen. Ich kann nicht einsehen, marum wir Alles so Ingstlich vermeiden sollcn, was uns etwa die Arzte iibel nehmen kiinnten. Ich mochte daher bitten, dass wir es bei der Fassung belassen, die wir vielfach im Vor- standsrathe durchgesprochen haben. E s sol1 j a diese Resolution den Arzten zu erkennen gebea. class wir bereit sind, init ihnen zu- sammen zu arbeiten, und dass wir die ver- schiedenen hlissstande anerkennen unrl an der Abhiilfe mitarbeiten wollen.

Dr. D u i s b e r g : Ich glaube, der Anregunq des Herrn Professor K u n z - I i r a u s e knnn in einzclnen Fallen entsproclien werden. Tcli muss allcrdings betonen, class die chernisch- pharmaceiitische Industrie sich bei neuen Arzneimitteln oft nicht sofort zur Einfiihrung entschliessen Itann, sondern zuerst nur in einem lcleinen Kreise vorgeht. Nachdem das Mittel durch einen hervorragenden Kliniker gepriift und fur gut befunden worden ist, wird es znerst einer griisseren Anzalil he- deutender Kliniken zngestcllt. Es wird d a m abgewwtet, wie die Resultate in letzteren ausfallen. Sind aie gunstig, so folgt dnnn erst die allgemeiiie Einf~hrung. Es kann also in solchen Fallen vorkommen, dass ein Arzt oder Assistent einer Klinilc ein solclies noch nicht allgemein eingefiihrtes Mittel ver- schreibt, von dem der Apotheker noch gar nichts gehiirt hat. Wir sind wiederholt in die Lage gekommen, nachdem widersprechende Gutachten iiber ein solches Mittel vorlagen, dasselhe nnchher zuriickzuziehen und niclit einzufiihren. Ich will gleich betonen, \\ir leisten Verzicht nicht allrin im Interesse der leidenden hIenschheit , mir verzichten auch darauf im Interesse unserer Porteinonnais. Ks ist nicht geniigenil bekannt, dnss die Ein- fiihrung eiaes neuen Arzneimittels sehr vie1 Geld kostet und in den ersten Jahren meist eine grosse Unterbilanz verursacht.

Dr. D i e t e r i c h : hfeine Herren, gestattcln Sie auch niir als einem Vertrrter der phar- maceutischen Industrie einige TVortr ZLI

sprechen. Ich mijchte mich den Auifithrungen i e s Hcrrii Professor F r e u n d anschliessen, insofern es mohl riclitiger ist , niiiglichst rvenig Staub nufzuwirbeln, 11111 nicht die be- iieiligten Iireiae, specie11 die Arzte, weitcir auf die Sache hinzuwpisen, umsoinehr , als nachgewiesen ist, dass Missstiincle wohl vor- handen sind, aber nicht in dem Maassc, wie YS geschildert wurcle. Ich miichte aber aucli anderntheils nicht, dnss pine Kiirzung statt- kndet, n i e sie Herr Dr. E ichcngr i in vor-

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1066 a- Zeitsehrift fiir !angewandte Chemie. Houprversammlung in Dresden.

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geschlagen hat, aus den1 einfaclien Gruncle, weil wir gerade als ,,angewandte" Chemiker doch entschieden selbst ein Urtheil cloruber haben miissen, ob die betreffende I' ' ra g e von dem medicinischen oder dem pharma,ceutisclien oder deni rein chcmischen Gesichtsprinkte be- urtheilt werden muss. Warum sollen wir in der Resolution nicht unsere Ansicht niecler- legen uber Fragen, die vielleicht aaf medi- cinischem Gebiete liegen? Was die Com- mission betrifft, so mijchte ich Clem nur bei- stimmen, dass Pharmaceuten hineingewghlt werden, ich glaube aber, dass nur cler Weg, den Herr Dr. D u i s b e r g vorschlug, der ge- eignete ist. Ich miichte darum kurz c?mpfehlen, clamit die Discussion, die j a bcrcits cinen grossen .Urnfang angenommen hat, zuni Stelien kommt, die erweiterte Resolution, \vie sie ge- druckt liier vorliegt, unverandert anzimehmen.

V o r s i t z e n d e r : Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Wer fur die Resolution ist, die der Vorstandsrath vorschllgt, wi)llr: sich erheben.

Das ist die grosse hlehrheit, d i e l t ~ s o - lutioii ist also in der Fassung angenommen, \vie sie der T'orstandsrnth rorgeschlagen hat.

11. A n t r a g des B e z i r k s v e r e i i i s I t h e i n l a n d (d. Z. S. 973).

Der Antrag liegt gedrnckt T o r in der Fassung. welche der Vorstandsrath ihm ge- geben hxt. Die Versammlung stiuimt dern Antrage ohiie Debatte zn.

12 . Ver sch iedene g e s c h a f t l i c h e Mit-

a) A n t r a g des Vere ins deu t sc l i e r

Naclidem der Geschaftsfuhrer iiber den Antrng des Vereins deutscher Bleifarbenfa1)ri- kanten eingehend berichtet hat, schliesst sich die Versaminlung dem Besclilusse cles Vor- stanclsrathes an.

b) t c c h ni s cli en L e x i c o n s.

T'orsitzendtxr: Ton dein Verein deutsclier Tngenieure ist an den Verein deutr,clier Che- iuikcr dns Ersuchen gegmgen, bei der Her- :tiisg;rbe eines t e c h . Lexicaons in tleutsclier, Iranzfisischcr und englischcr Spr:tche mitzu- wirken. Es ist gestern im Vorstandsrathe clarilbcr verliandclt worden und mail hat sich dort such syuipa.thisch der Sache ,qgeniil)cr ausgesprocl~en. Der Vorstndsratli war sich aber nicht klar, welchen Aufwa,nd clieses Project verursnchen und w i c es clurchgefuhrt werden solle. Herr Baurnth P e t e r s war so liebenswbrclig, fiir heute eincn I3ericht iiber cias Projec,t in hussicht zu stelleii; icli er- suche ihn hierzu das Wort zu nehnien.

t h e i l u n g e n (d. Z. S. 998).

1 e i fa. r k, e n fa. b r i k a n t e n.

€I e r nu s g nb e c i n e s

Baurath P e t e r s : Meine Herren, der Ver- :in deutscher Ingenieure hat es iibernommen, ?in technisches Wiirterbuch in deutsch, englisch m d franzasisch herzustellen. E r ist sich Sabei wohl bewusst gewesen, dass das ein kiihnes Unternehmen ist und dass die GrGsse ier Schwierigkeiten sich voraussichtlicli erst im Laufe dt:r Arbeit selber recht deutlich ierausstellen wird. So gering die Zeit s t , seitdem wir daran arbeiten, kann ich loch schon sagen: Diese Voraussicht hat sich d i o n bestatigt. Der Verein deutscher In- qenieure ist sich aber auch vom ersten Augenblick an bewusst gewesen, dass er clas aicht allein aus eigener &aft kann, sondern Icr Mitwirkuug bedarf nicht allein der vielen ieutschen Fa,chvereine, die verwandte Facher pflegen, sondern auch des Auslandes. Des- halb lint er zu Beginn seincr Arbeit an eiue 5rosse Zahl von Vereinen des In- und Aus- Lnndes die Bitte gerichtet, sie miichten sich bereit erklaren, mitzuarbeiten, und es ist 3ehr erfreulich, ich mikhte beinahe sagen, hberraschend, in welch reichern Mansse uns ron allen Seiten die Zustimmungen nus der qanzen Welt geworden sind. In gleicher Weise haben wir auch an den Verein deut- d i e r Chemiker die Bitte gerichtet, mitzu- wirken, und es wird nun zu ermiigen sein, in welcher Weise Sie uns Ihre Bfitwirliung gewahren kiinncn. Wir haben anderen Ter- einen gegeniiber, die in dieser Richtung an uns Anfragen stellten, uns dahin ausgesprochen, class der Verein uns Persanlichkeiten am dem Kreise sciner Mitglieder namliaft machen miichte, die nach ihrer ganzen Arbeitsrichtang und auch nach der Art ihres technischen Wirkens geeignet sein inachten, an einer solclien Arbcit mitznwirken. Es haben sich bereits iiber ROO Mitarbeiter aus allen Thrilcn der Ekde bei uns angemeldet, nnd wir hnben fiir deren Mitwirkung einen Arbeitsplan in deutscher, englischer und frnnziisischer Sprache niisgearbeitet und hinausgesandt.

Wie ist nun diese Mitarbeit gedacht? Sie ist so gedacht, dttss Jedcr, der es uiiter- nimmt, bei iins mitzuwirken, ans denijenigen Gebiete, clns er besonders bearbeitet uiid belierrscht, tliejenigen teclinischen Ausdriiclcc und Wendungen, die ihm vorkommen. in eirieni Mt:rklieft notirt, das er zu diesem Zwecke von uns bekommt. Das Merkheft ist fiir drei Sprachcn eingerichtet: deutscli, frnn- ziisisch und engliscli. Es ist so geclncht, dass der Mitarbeiter das Merkheft anf dem i\rbcitstisch liegen hat und jedcn Ausdruck, der ihni im. Briefwechsel oder in seinem eigmen Betricbe vorkonmit und den er fiir geeignet li%It, in das hlerkheft eintriigt, und zwnr nicht bloss in deiitscher Sprache, son-

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dern, wenn er dazu in der Lage ist , auch

streichen", also nicht bloss ,, Ziegel'( und nicht bloss .,streichen", wiirde er in das Heft ein- tragen, womiiglich mit den gleichbedeutenden Ausdriicken der beiden anderen Sprachen. Das ware die Arbeit, die er selbst leistet. E r wiircle ferner, wenn er dazu durch seine Lcbensstellung in der Lage ist, den ihm unter- gebenen jiingeren Leuten, den Betriebs- ingenieuren, technischen Correspondenten, Werknieistern u. s. w., solche Merkhefte aus- handigen und sagen: jetzt notirst du einmal jeden bcsonderen Gegenstand, der uberhaupt in deinem ganzen Betrieb vorkommt, er wiirde dann diese Sammlung seiner eigenen Samm- lung zufiigen und uns das Ganze zuschicken. Wir haben ein Bureau eingerichtet, das z. Z. aus einem lexicographisch geschulten Sprachforscher, einem jungen Englander, der an Bibliotheken gearbeitet hat, und einem Neuphilologen, einem jungen Mann, der seit langeren Jahren i n grossindustriellen Be- trieben technischer Correspondent fur deutsch, engliwh und franziisisch war, besteht. Wir sind im Begriff, auch noch einen Franzosen anzustellen, so dass wir in den fremcleii Sprachen heimische Leute zu unserer Hulfe in unserem eigenen Bureau haben.

Was die Techniker anbetrifft, so hat zu- niichst der Verein deutscher Ingenieure in seiner eigenen Redaction eine grosse Zahl von Leuten, die zur Mitarbeit geeignet sind. Wir beschaftigen z. Z. acht akademisch ge- bildete Maschineningenieure in unserer Re- daction. Wir wiirden aber eine ganze Reihe von Gebieten mit diesen Kraften nicht be- herrschen kiinnen, z. B. das der Chemie, und hier wiircle ganz besonders unsere Bitte sich an den Verein deutscher Chemiker richten. Wenn Sie die Giite hiitten, in Ihren che- inischen Betrieben, so wie ich es geschildert habe, die Merkhefte auszufiillen, so wiirden wir dann mit Ihrer IIiilfe einen Ausschuss von einigen wenigen chemisch hervorragend tuchtigen Leuten einsetzen , der gemeinsam mit den Sprachforschern die Sichtung nnd Feststellung der gesammten chemischen Aus- driicke zu iibernehmen hatte. Wenn ich diese Wiinsche ausspreche, so ist nicht die Meinung damit, verkniipft , dass Ihnen als Verein daraus Geldopfer erwachsen sollen. Wir reehnen zwar darauf, dass der Einzelne, also auch Ihre Mitglieder , dic Mitarbeit kostenfrei leisten wird. Im Ubrigen aber ist die Herstellung des Worterbnches Sache des Vereins deutscher Ingenienre, der es auf seine eigenen Kosten lierausgeben will. Ich kann niir aber sehr gut denken, dass Sie

in der Lage sein wurden, uns fur die \-on

odrr zwei hervorragende junge Chemiker zu bezeichnen, die auch sprachlich genug geiibt waren, clamit sie fiir einige Zeit in den Dienst des Vereins deutscher Tngenieure eintreten und sich an der Arbeit fur das Tlexicon be- theiligen.

lleine Herren, das ist aber ein Bild einer ferneren Zukunft; das kommt vielleicht erst in drei oder vier Jahren zur Sprache. Zn- nachst ergeht die Bitte an Sie. und ich spreche sie auf das herzlichste und clring- lichste a m , dass jeder von Ihnen, der zu dieser Arbeit Neigung hat, sich von uns ein Merkheft oder mehrere kommen lasst, class er das neben sich auf den Arbeitstisch legt, und Ausdrucke, die in seinem Berufe vor- kommen, notirt und uns spater einschickt, dass er auch die ihm iintergebenen Leute bis zum Werkmeister veranlasst, Alles, was im Geschaft vorkommt, aufznschreiben. Wenn wir in dieser Weise von vielen Seiten unter- stutzt werden, dann denke ich, dass es uns gelingen wird, etwas Tiichtiges zu schaffen.

V o r s i t z e n d e r : Ich danke Herrn Bau- rath P e t e r s fur seine Ausfuhrungen. Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, dass wir im Sinne der gehiirten Ausfiihrungen unserc Mitwirkung zusagen. (Zustimmnng.)

Herr Dr. D n i s b e r g : Ich niiichte noch den Antrag stellen, dass die Vereinsmitglieder in der Vereinszeitschrift zur Mitarbeit an dem Lexicon aufgefordert werden.

c) 5. I n t e r n a t i o n a l e r Congres s . Vo r s i t z e n d e r : Meine Herren, noch eine

kurze Mittheilung: Im November hat in Berlin die Commission zur Vorbereitung des internationalen Chemiker-Congresses getagt. Dieser Congress wird ca. 80 000-90 000 M. kosten. Der Vorstand hat, die Genehmigung der Hauptversammlung voraussetzend, einen Beitrag von 3000 Mark in Aussicht gestellt. Sind Sie damit einverstanden ? (Allgemeine Zustimmung.)

Ich habe dann noch mitzutheilen, dass das Reichsgesundheitsamt den Verein deut- scher Chemiker aufgefordert ha t , an der Neuherausgabe des Werkes : ,,Deutsche Heil- quellen und Bader " mitzuwirken.

Wir sind nunmehr am Schlusse unserer Verhandlungen angelangt und ich werde zum Schlusse der Yrrsammlung schreiten. falls nicht noch einer der Herren Anwesenden etwas vorzubringen hat.

.J. TVeinecli: Meine Herren, ich wollte Sie bitten, ehe wir auseinandergehen, mit mir unserem Herrn T'orsitzenden unser aller Dank auszusprechen fiir die sachgemasse

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Versammlung deutscher Naturforschor und h t e in Hamburg. [ a n g ~ $ ~ ~ $ ~ c ~ ~ ~ , i e . __________ -_______ ____ ~

1068 I

Behandlnng der Geschafte bei der Leitung der diesjiihrigen Hauptversammlung. Ich bitte

mich auch meinerseits gedrangt, Ihnen zu danken fur die Nachsicht, die Sie meiner

...

Bericht uber die 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Hamburg.

111. G e m e i n s c h a f t l i c h e S i t z u n g

der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe.

D o n n e r s t a g , 26. S e p t e m b e r . Vor- sitzender: Prof. v a n t ' Hoff. - Vortrag von Prof. W. Ostwald (Leipzig)

Ueber Katalyse.

h I i t s c h e r l i c h stellte 1834 in eiiier meisterhaften Arbeit fest, dass die Umwarid- lung des Alkohols in Ather uncl W:isser unter dem Einflusse der Schwefelsaurc wcder :tuf deren wasserentziehender Wirkung, norh :tuf der Bildung der Athylschwefelsiiure beruht. Die beiclen -Umwandlungsproducte destilliren in dem Maasse aus der bei 120' siedm- den Fliissigkeit ab, wie Alkohol zugefiilirt wird. Er nannte diesen Vorgang eine Con- tactwirkung und sprach aus, dass sol(.he noch mehrfach vorhanden seien. Bald dar:tuf stellte B e r z e l i u s im Anschluss an dime Arbeit den Begriff der katalytisckien Wir- kung auf, die er gleichfalls als eirte Gegon- wartswirkung ohne Betheiligung des fraglichen Stoffes am Endproduct definirte.

Wahrend B e r z e l i u s nur die ThatsacLen zusammengestellt hatte und die :Erltllrnng derselben der weiteren Entwickelung tler Wissenschaft iiberlassen wissen wcillte, ver- suc,hte L i e b i g , eine Erklarung zu geben, uud gerieth auf die Hypothese, dass im Fermc:nt ,, hlolecularschwingungen vorhanden seien, welche den Bestand des katalysirtcn Stoffes erschuttern und zerstoren. Dieser Hypothese, welche noch heute von Vielen als ~Erklirung angenommen wird, ist es theilweise zu ver- danken, dass lange Zeit die wissenscltaftlirhe Erforschiing der katalytischen Wirknngen fast vollstandig stillstand. Denn wenn sie auch nicht widerlegt werden kann, so kann sie auch nicht bewiesen werden, und sie ist d s .Hiilfsmittel der Forschung ggnzlich werthlos, da sic kcinen Anlass oder Anhalt mi experi- menteller Fragestellung bietet. Eine Wtm- dung ist durch die Entwickelung tler cherni- schen Dlynamik bewirkt worden. Wahrencl man friiher einen Katalysator als oinen Stuff

aufhsste, durch dessen .inwesenheit in den durcli ihn beeinflussten Stoffen eine Reaction stattfindet, die ohne den Katalysator nicht stnttfinden wiirde, hat der Vortragende seit mehr als zehn Jahren darauf hingewiesen, dass man den Katalysator vielmehr als einen Stoff auffassen muss, durch dessen Anwesen- heit eine ohneclies stattfindende Reaction in ihrer Geschwindigkeit geandert wird. Hier- durch verlieren diese Erscheinungen zunachst das Widersprechende und Rathselhafte, das sie in der friihercn Auffassung hatten, da es energetisch tlurchaus moglich ist, dass ein Vorgttng zwischen demselben Ausgangs- und Endpunkt je nach den begleitenden Umstan- den mit sehr versehiedenen Geschwindig- keiten ablaufen kann. Ferner ergiebt sich alsbald eine sehr umfassende wissenschaft- liche Aufgabe: die %rage nach dem Betrage und den Gesetzen der Geschwindigkeitsande- rungen gegebener Vorgange durch bestimmte Stoffe.

Der Verfasser theilt nun den Gegenstand in vier Abschnitte: 1. chemische Auslosungen, 2. Katalysen in homogenen, 3. in heterogenen Gemischen und 4. Enzymwirkungen.

Die linter 1. genannten Erscheinungen werden dumb das bekannte Beispiel der uhersattigten Glaubersalzlosung clargestellt, welche durch eine ausserordentlich kleine Illenge von festem Glaubersalz Zuni Erstarren gebracht werden kann. Thre Theorie ist gegenwartig als im Wesentlichen bekannt an- zusehen, wenn auch noch zahlreiche Fragen eingehender studirt werden mussen. Der- nrtige Gebilde sind alle dadurch gekenn- zeichnet, dass sie sich nnr in einem relativ, nicht aber absolut bestandigen Zustande be- finden, welcher unbestandig wird, wenn man eine Spur des Stoffes hinzubringt, der in dem bestiindigsten Zustande vorhanden ist. Dann muss diese Spur sich so lange ver- mehren, bis das bestandigste Gleicligewicht eingetreten ist. Hier wirkt also der hinzu- gebrachte Keim oder Katalysator derart, dass er die lieactionsgescliwindigkeit Nnll auf einen endlichen Werth bringt.

Die nnter 2. genannten Falle sind die zahlreichsten; sie stellen die typischen Kata- lysen dar. Die Umwantllung von Starke in