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Hemikraniektomie auch bei Älteren effektiv

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Page 1: Hemikraniektomie auch bei Älteren effektiv

journal club

31In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2014; 16 (6)

Jüttler E, Unterberg A, Woitzik J et al; DESTINY II Investigators.Hemicraniectomy in older patients with extensive middle-cerebral-artery stroke. N Engl J Med 2014; 370: 1091–100

Therapie des malignen Mediainfarktes

Hemikraniektomie auch bei Älteren eff ektivFragestellung: Ist die Hemikraniektomie beim malignen Mediainfarkt auch bei Patienten im Alter über 60 Jahren eine e� ektive � erapiemethode?

Hintergrund: Komplette Mediainfarkte haben aufgrund ihres raumfordernden E� ektes durch das resultierende Hirnödem eine schlechte Prognose. Unbehandelt beträgt die Sterblichkeit bis zu 80%. Die Sterblichkeit ist allerdings altersabhängig, da bei Patienten unter 60 Jahren meist noch keine Hirnatrophie vorliegt und das maligne Hirnödem sich negativer auswirkt, als bei Patienten über 60 Jahren. Die ersten randomisierten Studi-en waren ganz überwiegend an Patienten im Alter unter 60 Jah-ren durchgeführt worden. Dort zeigte sich in einer gepoolten Analyse von drei Studien [1], dass das Überleben nach einem Jahr bei den konservativ behandelten Patienten 29% betrug und 78% bei den operierten Patienten. Es ergab sich auch eine ein-deutige Reduktion schwerwiegender Behinderungen. Bisher war allerdings nicht bekannt, ob auch Patienten im Alter über 60 Jahren von der dekompressiven Hemikraniektomie pro� tieren. Dies sollte in der DESTINY-II-Studie, einer von der Deutschen Forschungsgemeinscha� � nanzierten multizentrischen Studie in Deutschland untersucht werden. Die Studie wurde von der Universitätsklinik in Heidelberg koordiniert.

Patienten und Methodik: In die Studie wurden Patienten ein-geschlossen, die 61 Jahre und älter waren, mit einem Wert auf der NIHSS-Skala von über 14 bei Patienten mit Infarkt in der nicht dominanten Hemisphäre oder einem Wert über 19 bei Pa-

tienten mit einem Infarkt in der dominanten Hemisphäre und einem reduzierten Be-wusstseinslevel. In der Bild-gebung musste das infarzier-te Areal mindestens zwei Drittel des Mediagebietes umfassen. Ausgeschlossen

wurden Patienten, bei denen bereits durch einen vorausgegan-genen Schlaganfall eine Behinderung vorlag. Die Patienten wur-den innerhalb von 48 Stunden randomisiert und behandelt. Die konservative Behandlung erfolgte auf einer Intensivstation mit typischer Hirndrucktherapie. In der operativen Gruppe wurde eine große Hemikraniektomie durchgeführt. Die Endpunkte wurden am Ende des stationären Aufenthaltes sowie nach sechs und zwölf Monaten erfasst. Der primäre Endpunkt war ein Wert auf der modi� zierten Rankin Skala von 0–4 nach sechs Mona-ten, sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem auch den Wert auf der NIHSS-Skala, den Barthel-Index sowie Lebens-qualitätsinstrumente und Depressions-Scores.

Ergebnisse: Zwischen August 2009 und März 2012 wurden 112 Patienten rekrutiert und randomisiert. Die Patienten waren im Mittel 70 Jahre alt. Der Wert auf der NIHSS betrug 20 in der Hemikraniektomie-Gruppe und 21 in der konservativen Be-handlungsgruppe. Im Mittel vergingen 28 Stunden zwischen Beginn der Symptome und Hemikraniektomie. Ein Wert auf der modi� zierten Rankin-Skala zwischen 0 und 4 erreichten zehn von 63 Patienten in der Kontroll- und 20 von 49 Patienten in der Hemikraniektomie-Gruppe (18% bzw. 38%, Odds Ratio 2,91, signi� kant mit p-Wert = 0,04). Kein Patient hatte einen Wert zwischen 0 und 2 auf der modi� zierten Rankin-Skala. Die Überlebensrate nach zwölf Monaten betrug 57% in der Hemi-kraniektomie- und 24% in der Kontrollgruppe. Es ergaben sich auch signi� kante Vorteile der Hemikraniektomie für den NIHSS-Score, den Barthel-Index, die Lebensqualitätsinstru-mente und den Depressions-Score. Erwartungsgemäß waren Todesfälle durch Einklemmung in der Kontrollgruppe signi� -kant häu� ger als in der Operationsgruppe.

Schlussfolgerungen: Eine Hemikraniektomie beim malignen Mediainfarkt bei über 60-jährigen Patienten reduziert signi� -kant die Sterblichkeit. Jedoch verbleiben viele der überlebenden Patienten mit schwerwiegenden neurologischen Behinderungen.

– Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Bei Älteren die Hemikraniektomie nicht unkritisch einsetzenDiese sehr gut geplante und durchgeführte randomisierte Stu-die belegt, was bereits zuvor aus Beobachtungsstudien be-kannt war, nämlich dass die Wirksamkeit der Hemikraniekto-mie mit dem Alter abnimmt. Dies erklärt auch, warum es bisher eine Altersgrenze von 60 Jahren gab. Die DESTINY-II-Studie belegt eindeutig, dass auch bei über 60-jährigen Patienten die Hemikraniektomie die Mortalität reduziert. Bei den überleben-den Patienten waren die neurologischen Ausfälle geringer, die Lebensqualität besser und die Werte auf den Depressionsska-len ebenfalls besser. Allerdings verbleiben viele der überle-benden Patienten auch in der Hemikraniektomie-Gruppe mit schweren neurologischen Behinderungen. Dies ist ein relevan-

ter Unterschied zu den Ergebnissen bei jüngeren Patienten. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass bei über 60-Jähri-gen die Hemikraniektomie nicht unkritisch eingesetzt werden sollte. Bei kommunikationsfähigen Patienten sollte mit ihnen und den Angehörigen die Prognose diskutiert werden und erst dann entschieden werden, ob eine Hemikraniektomie in-frage kommt. Bei aphasischen Patienten sollte dies mit den Fa-milienangehörigen, soweit vorhanden, besprochen werden.

Referenz

1. Vahedi K et al. Lancet Neurol 2007; 6: 215 – 22