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Aus clem I. 8ffentl.l~incler-Kranken-lnstitutein Wien. Hereditiire Friihsyphilis ohne Exanthem. *> Von Dr. Carl Hoehsinger. W~hrend die Diagnose der konstitutionellen Syphilis be~ den akquirierten Infektionen im allgemeinen davon abh~ingt, ob in den zur Beurteilung gelangenden F~llen ein Ex~nthem zum Vorschein kommt oder nicht, darf die Diagnose der kongeni- talen Friihsyphilis beim S~ugli~ag nicht yon diesem Gesiehts- punkte aus beurteilt werden. Die hereditSre Lues kanu beim Kinde manifest sein, bevor an der Haut noch die geringsten Yer~tnderungen wahrnehmbar sind. DaB eine diffus entziindliehe Alteration der Nasenschleimheit, welche echte und wahre Syphilis darstellt, allemal dem Exanthemausbruche bei der kongenitalen Fri~hlues vorausgeht, babe ieh in meinen Studien ~iber die N~sensyphilis der Neugeborenen und SSuglinge auf tier N~turforscherversammlung in Aachen auseinandergesetzt. Des weiteren verfiige ich fiber 14 wohlbeobachtete F~ille yon heredits S~uglingslues, bei welchen nebst der Koryza auch noch eine bedeutende Leberintumeszenz vor dem Exanthem- ~usbrueh nachweisbar war und in weiteren drei F~llen best~nd neben der Koryza osteoehondritische Pseudoparalyse der Ober- extremit~ten v or dem Auftreten der ersten kutanen Syphilis- manifestationen. Dabei sei ausdrfieklich hervorgehoben, dal] i(.h 'hier nieht blol] die Ausbrfiche yon durch Solits charakterisierten Exanthemen sondern auch die diffusen Infil- *) Nach einem in der Abteilung f. Kinderheilkunde der 74. Versamml. deutscher Naturforscher unct :~rzte in Kurlsbad gehaltenen Vortr,~ge. ]1"

Hereditäre Frühsyphilis ohne Exanthem

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Aus clem I. 8ffentl. l~incler-Kranken-lnstitute in Wien.

Hereditiire Friihsyphilis ohne Exanthem. *> Von

Dr. Carl Hoehs inger .

W~hrend die Diagnose der konstitutionellen Syphilis be~ den akquirierten Infektionen im allgemeinen davon abh~ingt, ob in den zur Beurteilung gelangenden F~llen ein Ex~nthem zum Vorschein kommt oder nicht, darf die Diagnose der kongeni- talen Friihsyphilis beim S~ugli~ag nicht yon diesem Gesiehts- punkte aus beurteilt werden. Die hereditSre Lues kanu beim Kinde manifest sein, bevor an der Haut noch die geringsten Yer~tnderungen wahrnehmbar sind. DaB eine diffus entziindliehe Alteration der Nasenschleimheit, welche echte und wahre Syphilis darstellt, allemal dem Exanthemausbruche bei der kongenitalen Fri~hlues vorausgeht, babe ieh in meinen Studien ~iber die N~sensyphilis der Neugeborenen und SSuglinge auf tier N~turforscherversammlung in Aachen auseinandergesetzt. Des weiteren verfiige ich fiber 14 wohlbeobachtete F~ille yon heredits S~uglingslues, bei welchen nebst der Koryza auch noch eine bedeutende Leberintumeszenz vor dem Exanthem- ~usbrueh nachweisbar war und in weiteren drei F~llen best~nd neben der Koryza osteoehondritische Pseudoparalyse der Ober- extremit~ten v or dem Auftreten der ersten kutanen Syphilis- manifestationen. Dabei sei ausdrfieklich hervorgehoben, dal] i(.h 'hier nieht blol] die Ausbrfiche yon durch Solits charakterisierten Exanthemen sondern auch die diffusen Infil-

*) Nach einem in der Abteilung f. Kinderheilkunde der 74. Versamml. deutscher Naturforscher unct :~rzte in Kurlsbad gehaltenen Vortr,~ge.

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trationen der Plantar-, Palmar- und Gesichtshaut im Auge babe, welche nach meinen Erfahrungen nicht selten friiher als die Eruption makulopapul5ser Efflorcszenzen in Erscheinung treten, in ether Anzahl yon F~llen sogar die einzigen kutanen Erkrankungsformen des Syphilisfalles darstellen.

Im ganzen habe ich somit 17 F~lle yon kongenitaler Lues der ersten Lebenstage aufzuweisen, bet welchen auf Grund visceraler und ossMer Erkrankungsformen in Verbindung mit hyperplasfischer Rhinitis die Diagnose der heredit~ren Infektion gestellt werden konnte, bevor die ersten exanthema- tischen Erscheinungen zum Ausbruch gekommen waren. In diesen 17 ~~illen entwickelten sich regul~re Hauterscheinungen lrotz sofort eingeleiteter antisyphilitischer Behandlung sozusagen unter unseren Augen und zwar immer innerhalb der ersten 10 Lebenswoehen. Das Alter der beziiglichen F~lle zu Beginn der Beobachtung schwankte zwischea 7 uud 24 Tagen.

Nun verfiige ich aber auch fiber eine Gruppe yon 14 h.-s. Kindern, 11 aus der Anstalts- und 3 aus der Privatpraxis, 1) welche e x a n t h e m f r e i g e b o r e n u n d d a u e r n d g e b l i e b e n sind~ obwohl dieselben anderweitige sichere S~'philismaui- festationen in ihrer ersten Lebenszeit dargeboten hatten und zwar nicht etwa Affektionen~ welche in die Gruppe der parasyphilitischen im Sinne F o u r n i e r s einzureihen sind, sondern wirklich viscerale und ostitisehe Erkrankungsformen, deren wahrhaft luetische Natur nicht zu bezwelfeln ist. Und mit diesen 14 F~illen yon exanthemloser Heredit~rsyphilis und den sich an die Tatsaehe einer exanthemlosem Heredit~rlues kniipfendeu Momenten mSehte ich reich hier in Kiirze beseh~ftigen. u schicken mSchte ieh nur noch, dal~ eine eingehendere Betraeh- tung dieses Themas meines Wissens noeh von keiner Seite in Angriff genommen worden ist, wenngleieh in den Monographien fiber heredit~re Lues yon H e u b n e r , M o n t i und F i n k e l - s t e in kursorisch gemeldet wird, da~ wohl auch exanthemlose F~lle yon heredit~irer Lues vorkommen kSnnen.

Zum Verst~ndnis dieser F~ille mul~ auf die Pathogenese der heredit~ren Friih~yphilis mit wenigeu S~tzen zuriickgegriffez~ werden.

1) Unter zirka 450 Einzelf~llen yon b. S.

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Ein in der Syphilidologie und P~diatrie wait verbreiteter Lehrsatz besagt~ as sei eine besondere Eigentiimliahkeit der Kongenitalsyphilis, gleichzeitig Symptome der Sekund~ir-und Tarti~rperiode an den befallenen Neugeborenen zuwege zu bringan. Dieser Lehrsatz konnte nur dadurch zu stande kommen, dal] man die visceralen und ossalan Manifestationen der kon- genitalen Friihsyphilis ohneweiters als Terti~rsymptome ansprach, die exanthematisahen hingegen den Sekund~raffekten der akquirierten Syphilis glaichstellte.

Diese Ausdrucksweise und Anschauung, welehe sich auch noah in den modernsten Darstallungen der Kongenitalsyphilis vartreten finder, ist aber nach zweierlei Richtung hin fehlerhaft.

Erstens traten die Visceralaffektionen der Kongenitalsyphilis, wo sie bei S~uglingen vorhanden sind, niaht gleichzeitig, sondern immer vial friiher auf, als die Hautersahaintmgen. Wenn beispiels- weise ain h.-s., mit Friihexanthem behaftetas Kind seiner Infektion erliegt, so finder man regelmS{Jig bei der Nekropsie intensive Vergnderungen in den Visceralerganen und an den Knochanknorpelgrenzen, Veriindarungen~ welahe unbedingt viel friiher vorhanden gawasen seiu mfissen, als das ebea erst zum Ausbruahe gelangte Exanthem. Wiirden wir dan diesbezfigliahen l)arstallungan der Autoran folger~_, dann kSmen wir za der g~nzlich unhaltbaren Ammhme, dal~ bai der h. 8. terti~re Manifestationen v or den sakundSren auftreten kSnnen.

Zweitens abar sind die Visceral- und Knochenknorpal- affaktionen der h. s. Kinder in Wahrheit gar kaine terti~ren oder gummatSsen Produkte. Sie sind vielmehr echte Friih- ersaheinungen und zwar Frfherseheinungen im wahrsten, auah anatomisahen Sinna des Wortes. Mit vollem Recht bazeiahnat sohin It eub n e r die viszaralen and ostaoahondritischen Mani- festationen der Erbsyphilis im SSuglingsalter als ein ,Hinein- ragen der foatalen Syphilis in die Extrauterinperiode". Es handelt sich bei diesen Affektionan um d i f f u s a n t z ii n d 1 i c h e E r k r a n k u n g e n , welche yore p e r i v a s k u l S r e n B i n d e g e - w e b e dar kleinsten B l u t g e f ~ l J e ausgehen, oder, wie K a r v o n e n meint, um ein iu seiner Entwicklung gestSrtes, auf ambryonalem Zustand verharrendes Mesenehymgewebe, keineswegs jadoch um solit~re Syphilome, odar wahre Gumma-

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bildungen mit I~ekrobiose, wie solche im Terti~rstadium der akquirierten Syphilis zur Ansicht kommen. Dies geht aus zahl- reichen anatomischen Befunden hervor, welche an den Organea syphilitischer Foeten und Totgeburteu erhoben werdeu kSnnen. Durchwucherung des Stiitzgewebes der parenchymatSseu Organe yon diffuseu perivaskul~ren Zellinfiltraten, Gefiil~neubildung, anor, male Markraumbildung und Eutwicklung yon Granulationsgewebe mit ttemmung der normalen Knorpelverkalkung an den Epiphysen- grenzen der RShrenknochen~ abgeschniirte driisen~hnliche Gebilde in den Lungen, aufgehobene Liippchenbildung in der Leber, riick- stiindige Glomerulusbildung in der Niere, Persistenz epithelialer Hohlriiume in der Thymus, all' dies ohne gummatSse Kn otenbildung~ weisen darauf bin, dalJ es sich bier um die allerersten Wirkungen eines yon den Blutgef~l]en ausgehenden, entziindungserregender~ Agens handelt, welches die Organe in ihrer embryonalen Entwick- lung tief zu sch~digen, ja ein Stehenbleiben in ihrer Entwicklung zu bewirken in der Lage ist, und dies lange bevor sich nochin der Haut irgend eine Manifestation des erblich iiberkommenen Syphilis- virus geltend gemacht hat. Die f o e t a l e S y p h i l i s i s t z~ i h r e m a l l e r g r S l ] t e n T e i l e e x a n t h e m l o s e h e r e d i - t ~ r e F r i i h s y p h i l i s .

Die Tatsache, dal] h. s. Friichte und Totgeburten in der Regel schwere Ver~inderungen in den Eingeweiden und ar~ den Epiphysengrenzen der RShrenknochen ohne Hauterschei- nungen zeigen, hat aber mit der vulgiiren Stadieneinteilung der Syphilis in sekund5re und terti~ire Manifestationen nichts gemein, ist vielmehr entwicklungsgeschichtlich begriindet. Es hiingt dies, wie ich in ausfiihrlicher Weise in meinen Studien fiber die hereditiire Syphilis (I. Tell) dargelegt habe, damit zu- sammen, dai~ der Darmdriisenapparat und die Epiphysengrenzen des Foetus wegen ihrer besonderen Wachstumsenergie in einem viel fl'fiheren Zei!punkte des Iatrauterinlebens hochentwickelt und lebhaft vaskularisiert sind als das Hautorgan und daher yon einem friihzeitig im Intrauterinzustande der Frucht wirk- samen Syphilisvirus viel fr[iher affiziert werden mfissen, als die Haut.

Zum Beweise dafiir habe ich in meiuen Studien fiber die Hereditiirsyphilis angefiihrt, dal] die Epithelien der grol]en

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Darmdriisen (Leber, Lunge, Niere) sehon vom 2. und 3. FStal- monate angefangen gebildet werden, ja sogar schon friihzeitig funktionieren, dal3 alas Liingenwachstum der RShrenknochen, welches sich ausschliel~lich an den Epiphysengrenzen abspielt, in der zweiten Hiilfte der Graviditiit ein besonders intensives wird, wiihrend jene Organe der Haut, welehe derselben eigentlich erst eine anatomische Differenzierung und Funktion gestatten, nghmlieh die Hautdriisen, erst im siebenten FStalmonate zur Ausbfldung gelangen. Somit mangelt in der Haut bis in die allerletzten Monate des Intrauterinlebens jener Zustand physio- logischer Blutfiille und SaftstrSmung, welcher Hand in Hand mit dem Aufbau, der Entwieklung und der Funktion der fStalen Organe geht, welcher aber in deu Darmdriisen schon vom zweiten und an den Epiphysengrenzen etwa yore sechsten FStalmonate angefangen zu finden ist und welcher - - nach meiner Lehre -- das im Blute des FStus zirkulierende Syphilis- gift gerade nach diesen Organen, als nach den Orten des grSl3ten Siifteaffluxes, hinlockt. Nur so ist es verstSndlieh, warum man die visceralen und osteochondritischen Friihmani- festationen der kongenitalen Lues in einem viel friiheren Stadium des FSttallebens entwickelt findet als die exanthe- matischen. Und so ist es auch zu erklgren, warum Haut- erscheinungen erst bei so]chert Friichten vorkommen, welche in den allerletzten FStalmonaten abgestorben sind, vorwiegend aber bei solchen, welche lebend geboren wurden und auch noch extrauterin welter am Leben bleiben. So erklgrt sich auch die pr~idilektorische Bevorzugung der P l a n t a r - und P a l m a r - h a u t in Form des Blasensyphilides uud der diffusen Infiltra- tionen in den frfihesten Lebensperioden, weil die bezeichnetcn Regionen am friihesten und intensivsten mit funktionierenden DriisenkSrpern ausgestattet sind. Nur wenn man an dem Stand- punkt festhi~lt, dag die nichtexanthematischen Affekte der kongenitalen Friihsyphilis anatomisch und genetisch den exauthematischen vollkommen gleiehwertig sind und dal~ die Zeitfolge der Erscheinungen auf entwicklungsgeschichtliche Momente zuriiekzufiihren ist, kSnnen die Fglle mit Voraufgehen visceraler Manifestationen vor den exanthematischen und die dauernd exanthemfreien erkliirt werden.

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Die yon F i n k e 1 s t e i n neuerdings vorgebrachte Anschau- ung H e u b n e r s, welch' letzterer den Antagonismus zwischen kutanen und visceralen Symptomen bei h. s. Kindern dadurch erkl~ren will, dal~ ein abgeschwiichtes Gift, welches in der Haut noch zu haften vermag, an Orten energiseherer Zirkulation, wie die inneren Organe es sind, sich nicht mehr entwickelt, widerspricht allen unseren sonstigen Kenntnissen und Er- fahrungen fiber die Lokalisation yon Syphilismanifestationen und wird speziell durch die viscerale und osteochondritische Foetalsyphilis widerlegt.

Die besondere Vorliebe der ersten Manifestationen der Kontatksyphilis fiir das gautorgan hat E. L a n g in geistreicher Weise aus dem experimentell durch O s t r o u m o f f und St r i c k e r festgestellten Antagonismus zwischen dem Kon- traktionszustand der Blutgefiil~e der Haut und der Eingeweide zu erkl~iren versucht. Reize, welche den Gesamtorganismus resp. das Zentralnervensystem in seiner Gesamtheit treffen, beeinflussen die Konstriktoren fiir die Gef~l~e der Eingeweide und die Vasodilatatoren der Haut intensiver, als ihre Anta- gonisten. Der in Frage kommende Reiz ist bei der ersten Syphiliseruption das zur Entfaltung kommende, im Blute zirku- lierende Syphilisvirus, welches trotz seiner zweifellos gleich- m~I~igen u in der Blutmasse, infolge antagonistiseher Erregung der Hautgef~il~dilatatoren und Eingeweidegefi~l~kon- striktoren, das unter der Vasodilatatorenwirkung stehende, also m~ichtig, durchblutete Hautorgan zun~chst in sichtbarer Weise befiillt. Die ersten Ausbriiche der akquirierten Syphilis sind demnach fast immer exanthematische.

Ganz ~hnliche Umst~nde kSnnen wohl auch bei h. s. Kindern nach der Geburt ma~gebend sein. Die m~chtige Blut- f~lle der Haut des Neugeborenen (Erythema neonatorum), die intensive Driisent~tigkeit derselben (Desquamation), dazu die zahlreichen Irritamente mechanischer, thermiseher und chemischer Art, welche das Hautorgan treffen~ bedingen die besondere Vorliebe der S~uglingshaut fiir heredit~r syphilitische Erkrankung im postfoetalen Leben. Gelangt somit das erblich iiberkommene Syphilisvirus erst jenseits der Geburt beim S~ugli_n.g zur Entfaltung, dann lokalisiert es sich vorerst und

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vornehmlich in der Haut und liiBt die Eingeweide und Knochen zun~chst ebenso gerne unbehelligt, wie die akquirierte Lues.

Die Intensit~t des erblich iibertragenen Syphilisvirus bezw. die Schwere der elterlichen Syphilis spielt zweifellos die Hauptrolle beziiglich des Umstandes, ob viseerale oder rein kutane Affel~te bei der Descendenz zum Verschein kommen, aber zuni~ehst doch nur in dem Sinne, daB schwere~ vererbte Infektion sehon intrauterin, mildere meist erst extrauterin manifest wird. So ist also die viseerale und ossale hereditSre Friihsypbilis~ wir kSnnen es ruhig behaupten, immer dem Kinde angeboren, w~hrend kutane Manifestationen zum allergrSBten Teile erst jenseits der Geburt zum Vorsehein kommen. Zwischen den ganz schweren hereditSren Infektionen~ welche durch tiefeingreifende viscera]e Erkrankungen und Entwicklungs- hemmungen dem Foetalleben ein vorzeitiges Ende bereiten und den ganz ]eiehten Infekten, welche sich erst im extrauterinen Leben und dann zun~ehst und vorw~ltend dureh exanthema- tisehe Erscheioungen manifestieren, gibt es nun eine so]ehe Unzahl yon 0berg~ngen, daB alle mSglichen Vari~nten beziiglich der Lokalisation des Virus und der Schwere der Beeinfiussung des Ges~mtorgunismus daraus resultieren kSnneu.

Auch ist nicht zu iibersehen, dab nicht bloB die Recenz sondern auch die Sehwere der elterlichen Syphilis und die gegen dieselbe angewandte Therapie eine groBe Rolle spielen und daf] alle sonstigen miitterlichen Einfliisse~ welche den Erni~hrungs zustand des FStus giinstig oder ungiinstig zu beinflussen in der Lage sind, sehr in die Wagschale fallen. Wenn es demnach auch im groBen und ganzen richtig ist, dab die viseerale rasp. intrauterine Syphilis der Frucht die Lebensf~higkeit derselben untergrSbt, so gibt es dennoch Friichte, welche widerstands- fiihig genug sind, um trotz ~isceraler Affektionen lebend geboren zu werden und am Leben zu bleiben.

Werden solche Kinder ira extrauterinen Leben yon Exan- them befallen, so ist die Hautaffektion als ein Neuausbruch oder als Rezidive der Erbsyphilis aufzufassen. Der Antagonismus zwischen der cutanen und visceralen heredit~ren Friihsyphilis wird jedoch durch solche F~lle nicht im mindesten tangiert. Hat sich aber die Wirkung des erblich iiberkommenen Syphi-

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lisvirus in der F5talperiode bereits erschSpft, ohne dab die Frucht dabei zu Grunde gegangen ist, dann kann auch in der Extrauterinperiode jedwede exanthematische _~u~erung der Erb- syphilis ausbleiben.

Bei Beriicksichtigung des anatomischen, beziehungsweise entwicklungsgeschichtlichen Standtpunktes ]assen sich die F~lle yon heredit~rer Friihsyphilis ohne Miihe in 4 eigenartig charak- terisierte Gruppen eintheilen:

1. Eine Gruppe wird repr~sentiert durch alle jene syphi- ]itischen Friichte, welche triihzeitig, etwa vor dem 8. FStal- monate, in utero absterben. Sie sind nahezu ausnahmslos frei yon cutanen Yer~nderungen, zeigen jedoch immer schwere diffuse Erkrankungen der Driisenparenchyme und die W e gner ' sche Osteochondritis epiphysaria.

2. Die zweite Gruppe umfal]t jene Friichte, welche kurz vor oder zum normalen Termine tot oder lebend, mit syphi- litischen Hautaffektionen behaftet, zur Welt kommen (papulo- bullSses Syphilis der Neugeborenen). Gleichzeitig findet man bei einer etwaigen Obduktion h~ufig schon makroskopisch, stets aber mikroskopisch, diffuse Entziindungsvorg~nge in den Visceraldriisen (Leber, Niere, Lunge) und wohl ausgebildete Epiphysenaffektionen an den langen RShrenknochen, welche aueh, wie ich im Vereine mit H o 1 z k n e c ht und K i e n b 5 c k gefunden habe, radiographisch naehweisbar sind.

3. Die dritte Gruppe vereinigt alle jene h. s. Kinder welehe lebend ohnc Exanthem zur Welt gebracht werden und erst in einem sp~teren Termine nach der Geburt cutane Ver- i~nderungen erleiden, ohne Riieksicht darauf, ob viscerale oder osteochondritische Ver~ndernngen angeboren sind oder nicht. Diese Gruppe umfal]t die weitaus iiberwiegende Mehrzahl der zur klinischen Beobachtung kommenden F~lle yon Heredit~r- syphilis: die heredit~ire S~iuglingssyphilis sensu strictiori.

4. Zu einer 4. Gruppe endlich mull ich nach meinen Er- fahrungen jene kleine Anzahl lebend geborener und am Leben bleibender Kinder rechnen, welche, wie die klinische Unter- suchung zeigt, bei oder bald naeh der Geburt mit visceralen und osteochondritischen Maniiestationen behaftet erscheinen, aber frei yon Hauterseheinungen siud und bleiben.

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Wit wenden uns nun zu einer kurzen Skizzierung jener 14 Fglte unseres Beobaehtungsmateriales, welehe die eben namhaft gemachte vierte Gruppe der h. s. S~iuglinge konstituieren.

A. F~lle aus der Anstaltspraxis,

1. Ludwig F., zum ersten Male vorgestell t am 27. Feber 1889, vier Tage alt. Das Kind war rechtzeiti~, zur Wel t gekommen und die zweite Leibesfrucht einer syphi]islreien Mutter. Das erste I(ind derselben Frau s lammte yon einem anderen Manne, ist drei Jahre all und gesund. Beide Kinder sind aul]erehelich. Die Mut ter hat te nie abortiert . Der Vater des vorgestell ten Kindes hat te sieh wghrend seiner Milit~irdienstzeit, und zwar vor 7 Jahren , infiziert und in einem Milit~rspitale eine merkur ie l le Kur durehgemacht.

Status praesens: Erdfahles Kolorit, Koryza, komplet te Aphonie. Absolut keine Hauterseheinungen wahrnehml)ar, jedoeh P s e u d o p a r a 1 y s e der reehten oberen Extremi/~it mit Verdiekung und Emptindl iehkei t im Bereiehe des rechten Ellbogengelenkes, bedeutende Intumeszenz der Leber und leiehte Sehwelhmg der Milz.

I)as Kind, welches bis zum 1. April desselben Jahres j eden 5. Tag in unsere Anstal t gebraeht wurde, blieb stets frei yon Hauterseheinungen. Die Knoehenaffektion war naeh vierw6chentl ieher , die Leberschwellung naeh vierzehnwSchentl ieher Protoioduret - Behandlung vollsthndig ge- sehwunden. Das Kind wurde wiihrend seines ganzen ersten Lebensjahres yon uns genau beobaehtet und spi~terhin stets gesund insbesondere aber exanthemfrei 1)efunden.

Das Kind wird aueh heute noeh, 13 Jahre all, in unseren Listen i~t Evidenz geftihrt. Seit seinem 4. Lebensmonate waren keine Luesmani- festat ionen mehr an demselben zu entdeeken. Als einziges Stigma seiner ehemaligen Erkrankung besteht geringftigige Andeutung einer Sattelnase.

2. Marie H., 2~/2 Woehen all. Mut ter des Kindes 32 Jahre all, seit 13 Jah len verheiratet . Vor der EhesehlieIgung mit 18 Jahren ein unehe- tiehes Kind yon einem anderen Manne, welches 14 Monate lebte und an Darmkata r rh starb. In der Ehe zun5ehst zwei Kinder, welehe am Leben blieben, und zwar ist das erste gegenwfirtig 12, das zweite 10 Jahre alt. Naeh einer Pause yon 10 Jah ren ersehien das uns je tz t besehSftigende h. s. Kind, welches zur reehten Zei t geboren wurde. Der Vater ha t te sieh wghrend sines liingeren Aufenthal tes in de,. Frerade, fern yon seiner Familie, infiziert und zwar 31/2 Jahre vor der Geburt des frag- l ichen Kindes.

Status an, 4. Juni 1889: Krfiftiges, gu t entwiekeltes Kind, frei yon Exanthem. Seit der Geburt verstopfte Nase, seit dem 4. Lebenstage Un- bewegliehkeit beider oberer Extremit i i ten und Sehmerzensiiul3erungen bei

jedem passiven Beweguagsversuehe. Die unteren Enden der Vorderarme und die Handgelenke gesehwollen und verdiekt, in pseudoparalyt ischer

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Hattung. Das Kind wurde bis zum Abschlusse seines 9. Lebensmonates regelm~ii~ig in unserer Anstalt beobachtet; die Osteochondritis gelangte unter Schmierkur (0"5 Ungt. hydrargyri pro die) innerhalb dreier Wochen zur Heilung, yon Exanthem war nie eine Spur zu entdecken.

3. Berta L., aufgenommen am 7. Dezember 1892, sieben Woehen alt. Die sehr intelligente Mutter gibt an, das Kind habe nie ein Fleck- chen am KSrper gehabt, seit drei Wochen, also in der 4. Lebenswoehe des Kindes, h~tte sich eine L{ihmung des reehten Armes eingestellt. Das vorgestellte Kind ist das zweite eheliche Kind, das erste ist 31/2 Jahre alt und ganz gesund. Das uns besch~fligende Kind ist eine aehtmo- natliche Frfihgeburt und leidet seit den ersten Lebenstagcn bestiindlg an Schnupfen.

Status: Stark eingesunkener Nasenrficken, schnfiffelnde Atmung, aber nieht die mindeste Hautanomalie. Der rechte Arm is~ sehlaff, wie gel{ihmt, am Thorax angehalten, das untere Epiphysenende des Oberarmes ist aufgetrieben, jeder passive Bewegungsversuch desselben verarsacht S chmerz ens{~u~erungen.

Das Kind wurde 2 Monate lang, also bis Ende des 4. Lebens- monates, regelm{i~ig und dann bis zum 7. Monate zcitweilig untersueht. Die Osteochondritis kam zur Heilung, Exanthem wurde niemals beobachtet.

4. Heinrich B., aufgenommen am 3. April 1897, seehzehn Tage alt Die Mutter, 47 Jahre alt, war zweimal verheiratet, hat 13real entbunden. Am Leben sind die 10 ersten Kinder, welche vom crsten Manne stammon Vom zweiteu Manne zuerst 3 tote Kinder und dann das in Redo ste- hende, welches am normalen Schwangerschaftsende geboren wurde und in der zweiten Lebenswoehe an osteochondritiseher Pseudoparalyse beider Ellbogengelenke erkrankte; dabei Koryza, Leberschwellung, Milztumor Das Kind wurde bis zum 18. Juni desselben Jahres, also bis zum Beginue seines 4. Lebensmonates, zweimal wSehentlieh untersucht, niemals aber wurde irgendeine exanthematische AuBerung der vererbten Syphilis entdeckt.

5. Leopoldine P., aufgenommen am 10. J~inner 18957 l l Tage alt; erstes uneheliches Kind einer 21 Jahre alten ttandarbeiterin, welehe yon mir genau untersucht und fret you Lues und Luesverdacht gefunden wurde. Bedeutende VergrS~erung der Leber und Koryza sind die 'einzi- gen Erseheinungen, welche an dem Kinde vorliegen und die Diagnose der Syphilis ermSglichen. Kein Exanthem vorhanden.

Das Kind wurde bis zu seinem 15. Lebensmonat konstant beob- achtet und hatte niemals exanthematische Erscheinungen erkennenlassen. Es starb an Masernpneumonie.

6. Ernestine P., zum ersten Male vorgestellt am 15. J{inner 1897, 7 Tage alt. Luetisehe Aseendenten mit mehreren h. s. Kindern. Beider- seitige Pseudoparalyse der oberon Extremit~ten mit naehweislieher Schwellung der Gelenksenden der Ellbogen- und Handgelenke, Koryza, bedeutende VergrSl~erung der Leber, geringffigiger Milztumor, yon Exan-

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them keine Spur. Das Kind wurde 1 Jahr lung beobachtet, ist gegen- w~rtig vollkommen gesund und stets fret von Exanthem geblieben.

7. Marcus 0., 3 Wochen alt, 7. J{inner 1892 zum ersten Male vor- gesteIlt. Erstes Kind eines syphilitischen Vaters, sp~tere Deszendenz ebenfalls syphilitisch. -- Fahlgraues Kolorit, doeh gut entwiekelt und gut gen~hrt, Brustkind. C u t n n e E r s c h e i n u n g e n f e h l e n v o l l k o m m e n . Pseudo- paralysis d. 1. o. Extremit~t mit Knoehenauftreibung. Phalangitis multiplex. u Heilung naeh 2monatlicher Kur. Wird 6 Monate lung jedo Woche zweimal gesehen. Niemals Exanthem. Der Fall wurde bis zu seinem 8. Jahre in Evideuz gef[ihrt und bis 1899 fret yon Lues-Sympto- men befunden. Im Juni 1899 entstanden periostale Tophi an den Schien- beinen, am harten Gaumen und an der knSchernen Nasenseheidewand. Heilung nach 2 monatlicher Jodbehandlung.

Dieser Fall ist der einzige aus meiner I2eobaehtung, bet welehem typi- sehe Symptone der heredit~iren Sp~tlues auftratea, ohne dal3 jemats ein Frfihexanthem der heredit{iren Syphilis bestanden hatte.

8. Johann E., 3 Wochen alt, 7. M~rz 1890 zum erstea Male unter- sucht. Syphilitisehe Aszendenten. Mutter abortierte vorher zweimal. - - Fret yon cutanen Erscheinu,~gen, doch betr~ehtliche Intumeszenz nnd Induration der Leber. Nase klein, hyperplatyrrhin, verstopft. Das Kind wurde 21/2 Monate lung behandelt, his die Leber nahezu normales Volum wieder erlangte und bis zu seinem 6. Lebeasmonate wetter beobaehtet. Niemals konnten Exanthemspuren aufgefunden werden.

9. Agathe Sw., 8 Tage alt, am 14. Juli 1891 zum ersten Male gesehen und sehr genau bis Juli 1894, also lhnger a|s 3 Jahre, in Evidenz geffihrt. Mutter war vor 6 Jahren iu der Ehe yon ihrem Manne syphilitisch in- fiziert wordeu. - - Koryza, Pseudoparalysis der r. o. ExtremitSt, fames Kolorit sind die einzigen Luessymptome. Uuter Protojoduretbehandlung Heilung nach 8 Wochen. Niemals Spur einer cutauen Ver{~mteruu~. Nach ~/2 Jahre auffalIender Hydrocephalus, sparer auch schwere Rhachitis (ira zweiten Lebensjahre).

10. Marie P , 14 Tage alt~ am 19. September 1898zum erstea Male in Beobaehtung getreten und drei Jahre lung beobachtet, yon syphilitischer Mutter stammend, welche schon 3 syphilitische Kinder vorher gebgren butte. -- Brustkind, gutes Fettpolster, auffallen,t fahh Koryza sieca, Leber- vergrSlJerung, Milztumor, m ~ i g e polynucle~re Leukocytose mit reiehlichen Myeloplaxen, mangelhafter ttaarwuchs. Gewicht 5900. Behandlung mit Proto- joduret. Nach 2 Monatenist die Lebervol lkommen zur Norm zurfiekgekehrt~ die Gesichtsfarbe vortrefllieh. Das Kind ist vollkommen gesund, bleibi stets luesfrei und hat nie Exanthemspuren besessen.

11. Stefanie D, 8 Wochen alt, am 25. Feber 1901 zum er~teu Male vorgestellt und noch in Evidenz stehend. Sieben Abortus bet der Mutter vorhergegangen. Seit dem 4. Tage Koryza, doeh niemals aueh nur die Spur eines Exanthems. Rarefizierende 0stitis der Sch~delknoehen, Hyperostose des Nasenbeines~ Pseudoparalysi~ der ob. Extremit~ten. Osti-

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174 t I o e h s i n g e r .

tis des I. und II. Metatarsus rechterseits. - - Sehmierkur - - t I e i lung naeh 4 Monaten. Niemals die Spur eines Exanthems.

B. F~lle aus der Privatpraxis. 1. ]m Herbst 1888 akquirierte der seit 14 Jahren vereheliehte Herr

J. R, auf einer Gesch~ftsreise eine genitale Sklerose, welehe v0n Con- seeutivis gefo lgt war. Energische Merkurbehandlung braehte Iteilung. Im Friihjahre 1890 gebar seine Frau, welehe ein 12- und ein 3j~hriges vollkom- men gesundes Kind yon demselben Manne butte, drei Woehen vor dem normalsn Sehwangerschaftsende ein ziemlieh gut entwiekeltes Kind~ welches frei yon Exanthem war, abet schon in der zweiten Woshe, w~hrend des Bestandes des Ikterus neonatorum von leiehter Koryza und Milzschwellung befallen wards. Die Leber war yon Haas aus gr613er als normal befunden wordeni vergrSl~srte sieh aber yon der zweitea Lebens- woche angefangen zusehends. Der Ikterus neonatorum schwand in der dritten Lebenswoche. Wir gaben dem Kinde Prstojoduret in der ge- wohnten Darreichungsweise und setzten diese Therapis acht Woehen lang fort. Die Lsberintumeszenz blieb statisn~r~ Noeh immer aber war keine Spur yon Exanthem~ aueh keine diffuse Hautinfiltration aufgetreten. Die Koryza war zuriickgegangen. Des Kind, welches vonder sigenen Mutter gestillt wurde, nahm, trotz tier auffallenden An~mie, yon der 4. bis 10. Lebenswoche an Gewicht zu.

Von der 12. Lebenswoehe angefangen ~nderte sieh das Bild, Trotz Brustnahrung stelltea sich Diarrhoen ein, des Kind wurde immer atro- phiseher und starb im fiinften Lebensmonat, ohns dal3 jemals auch nut eine !uesverd~iehtigs Hautstelte aufzufinden gewesen w~re.

Bei der 0bduktion fund sich eine hochgradige diffuse Infiltration der Leber, stelleaweise den portalen Gef~13zweigen folgend, geschrumpftes Bindegewebe. Noch intensiver als die syphilitische Wucherung war eine Fettinfiltration~ auf deren Konto offenbar das Waehstum der Leber im Extrauterinzustande und der Mil~erfolg der Therapie zu setzen waren. Daneben bestand diffuse Erkrankung des Pankreas und der Nieren und annul~re Darmsypbilis. An den Knochen spezifische Ver~nderungen.

2. Hier handclte es sieh um ein um vier Woehen zu frfih gebo- renes Kind (Theodor K.,) welches mit einer enorm vergr6~eten steinharten~ bis welt unter die quers Nabellinie reichenden Leber, Caput medasae, m~l~igem Milztumor~ Koryza sieea, aber ohne Spur einer Hautaffsktion~ zur Welt kam. Der Vater hatte kaum sin Jahr nach stattgshabter In- fektion, kurz naeh Beendigung seiaer Kur, geheiratet. Des Kind wurde mit Inunktionen behandelt und blieb dauernd frei yon Exauthem. Es 8tarb, ohne dal] es gelungen w~re eiae Verkleinerung der Leber herbei- zuffihren~ in atrophischem Zustande, 7 Monate alt.

3. Der dritte Fall aus meiner Privatpraxis betrifft einen jetzt 7j~hrigen Ktmben. Der Vater desselben hatte sish 11/~ Jahre vor seiner Eheschliel3uag infiziert~ war suergiseh merkurialisiert worden. In der

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Herediti ire Frfihsyphilis ohne Exan them. 175

Ehe erschien am normalen Schwangersehaf t sende ein sehwaches Kind

2700 g yon Gewicht, mi t Koryza sicca und Leber in tumeszenz behaftet . Das Kind ~u rde 4 Wochen v o n d e r Mut te r gesiiugt, dana kiinstl ich er-

n~hr% vom ers ten Lebens tage angefangen mi t P ro to jodure t und Subl imat- b~dern behandel t . Die Leber war zu 3 Monaten yon normaler GrSI~e, die

Nase frei. Niemals war eine Spur yon E x a n t h e m zu sehen gewesen. Das Kind genas, ist heute noch am Leben, gesund, doch yon auffallend zar te r Konst i tut ion. Ich betone dies deshalb nachdrfieklicher, weft die E l t e ru beide ausnehmend kr~iftige Menschen sind.

Alter der dauernd exanthemfrei befundenen Ffille yon heredit~rer Sfiuglings- syphilis zur Zeit der ersten Vorstellung.

1 Tag alt . . . . . . . . . . . . . . 3 Fi~lle,

Tage alt . . . . . . . . . . . . . 1 Fall,

8 , , . . . . . . . . . . . . . 1 ,

!1 , . . . . . . . . . . . . . 1 ,

14 ,, ,, . . . . . . . . . . . . . t ,

16 . , . . . . . . . . . . . . . 1 ,,

18 , , . . . . . . . . . . . . . 1 ,

3 Wochen . . . . . . . . . . . . . . 2 F~ille,

7 ,, . . . . . . . . . . . . . . 1 Fall ,

8 , . . . . . . . . . . . . . . i ,,

Z u s a m m e n . . . . 14 Fiille,

10 F~lle Heilung.

3 Fiille Tod.

1 Fall unbekaan te r Ausgang .

Mehrji ihrige Evidenz 7 Fiille.

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176 Hochsinger.

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178 Hochsinger.

Was nun die Syphilismanifestationen anbelangt, welche unsere 14 exanthemlosen Lueskinder boten, so konnten wir fol- gendes konstatieren : Ausnahmslos war die Nase erkrankt, 8real bestand Osteochondritis mit Pseudoparalyse einer oder beider Oberextremit~ten, daneben j e einmal Phalangitis und Erkrankung der Fu~wurzelknochen, einmal bestand gleichzeitig Affektion der Sch~delknochen, 7real war die Lebet" hyperplasiert. Wenn man yon der Koryza absieht~ war das K n o c h e n s y s t e m M l e i n in fiinf F~llen, die L e b e r a l l e i n ia sechs F~llen Sitz der klinisch wahrnehmbaren Syphilismanifestationen.

Unsere Beobachtungen lehren somit, dal~ nebst der Nasen- erkrankung, welche niemals gefehlt hat, die Pseudoparalysis oder diffuse Leberhyperplasie das einzige sichere Symptom der heredit~ren Infektion helm S~ugling w~hrend der ganzen Friih- periode der Erbsyphilis abgeben kann.

(~ber die Betheiligung der M i l z in unseren F~llen w~re noch zu erw~hneu, dal] betr~chtliche p~flpatorisch feststellbare VergrSl]erung nut in sechs F~llen, gleichzeitig mit diffuser Lebersyphilis, bestand. Geringfiigigere VergrSl]erung fehlte niemals.

Bei oberfii~chlicher Betrachtung der vorgefiihrten Fiille und ungenauer Kenntnis der Verlaufseigentiimlichkeiten der h. s. Friihexantheme kSnnte speziell gegen die drei Fi~lle meiner Beobachtungsreihe, welche erst nach mehreren Lebenswocheu zur ersten Beobachtung kamen, trotz der negatorischen Aus- sagen der Miitter und des g~nzlich negativea klinischen Be- fundes zur Zeit der ersten Untersuchung der Einwand erhobea werden, dal~ bier dennoch ein leichtes Exanthem angeboren oder in den ersten Lebenstagen zu Tage getreten sein konnte, welches r~sch verschwunden und durum iibersehen worden ~d~re - - ebenso, wie eine leichte Roseola syphilitica bei akqui- rierter Lues rasch verschwinden und in 2--3 Wochen so spurlos abgelaufen sein kann, daI~ aueh nicht der geringste Pigment- fleck als Zeichen des ehemaligen Exanthems zu entdecken ist.

Bei der heredit~iren Syphilis aber sind meiner Erfahrung zufolge die makulSsen Friihexantheme ganz anders beschaflen als die Roseola der akquirierten Lues. Ich halte reich fiir be- rechtigt, diesen Ausspruch zu thun~ obwohl in keiner Abhandlung

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Heredit~ire Friihsyphilis ohne Exanthem. 179

der S~uglingsyphilis, ,:ielleicht mit einz:gerAusnahmevon G a - s t ou, diesbeziiglich eine Abweichung gegeniiber den Exanthemen tier akquirierten Syphilis erw~hnt wird. Vor allem mul~ ich mit Nachdruck betonen: Eine Roseola in dem Sinne oder in der Art, wie wir diese Exanthemform yon der Kontaktsyphilis her kennen, kommt bet der heredit~iren Friihsyphilis nicht vor. Die ersten cutanen Manifestationen der Hereditiirsyphilis be- stehen entweder in scheibenf6rmigen blassen Fleeken oder flachen Papeln oder diffusen Erythemen. Die solit~ren maku- lSsen Efflorenszenzen sind stets yon scheib(,nfSrmigem Charakter, yon eigent[imlichem Glanz, im Beginne yon einer hellen Lachs- farbe, nehnaen bald ein br,'mngelbes oder graubraunes Kolorit :~n, sind keineswegs fiiichtiger Art und persistieren in dem pigmentierten Farbenton stets l~ngere Zeit, zum mindesten aber viele Woehen lang. Und selbst wenn der initiale rosige Farbenton ganz ~,erblal~t, was doch immerhin einen Zeitraum yon mir~destens zwei Woehen in Anspruch nimmt, bleiben pigment~erte Fleel(e ch~rakteristiseher Art, namentlich an der unteren KSrperh~ilfte, regelm?iI~ig noch Wochen lang zuriiek, welehe dem Kenner nicht die geringsten diagnostischen Sehwierig- lseiten bereiten ki~imen. D~ffuse Erytheme (syphilitisehe Infil- trationen) an den Ful]sohlen hinwiederum ffihren sehr h~ufig zur Abschuppung, bewirken aber jedeI~fals Ver~nderungen der ttaut, welche ausnahmslos Woehen lang dauern und auch noch Woehen ht~g Spt~reu hinterl~ssen. Hier ist besonders die Steifheit und der langdauernde Atlasglanz der Fersenhaut hervorzuheben. Wenn also ein h. s. Kind, dessert Alter erst nach wenigen Wochen z[~hlt, weder Desquamation, noch Atlasglanz, no(h Itaut- steifigkeit an den Ful~sohlen oder Fersen, noch auch die ge- ringste Spur eines fleekfSrmigen Exanthems, insbesondere aber auch keine Pigmentscheiben an seiner Hautdecke zeigt, so hat es ganz gewil~ aueh noeh kein Exanthem gehabt. Es ist fiir die Beurteilung der mitgeteilten F~Llle ~on exanthemloser tlere- dit~rsyphilis wichtig, all das zu wissen. Denn selbst yon ganz uns(:heinbaren seheiben- oder flecl~fSrmigen Etfloreszenzen der heredit~iren Friihsyphilis bleiben stets wochenlang sichtbare Reste in Form yon leicht pigmentierten oder cyanotisch aus-

sehenden Kreisen zuriick, deren Wesenheit dem Kenner nieht

12"

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180 Hochsinger.

lange verborgen bleiben kann. (~berhaupt sind, wie reich meine Beobaehtungen lehren, gerade bei den Friihexanthemen der Erbsyphilis Pigmentosen an der Tagesordnung. In den F~llen aus meiner Privatpraxis, welehe yon Geburt an genauestens verfolgt warden, und in den F~illen aus der Anstaltspraxis, welche wenige Tage nach der Geburt zur ersten Untersuehung kamen, konnte, da an ihnen auch nicht die Spur eines Exanthemrestcs wahrzunehmen war, mit Riicksicht auf ihre erst nach Stunden bezw. Tagen z~hlende Lebensdauer ein Exanthem noch nieht bestanden haben. Dasselbe mii{]te man auch der Einwendung entgegenhalten, dal] diese Kinder mSglicherweise schon intrau- terin yon Exanthem ergriffen gewesen sein konnten. In iibrigen ist diese MSglichkeit fiir uns irrelevant, da wir nut die exanthem- lose ex t ra -u te r ine Hereditiirsyphilis im Auge haben.

Hervorgehoben mull aber dennoeh werden, dal] Kinder mit intrauterin entstandener Hautsyphilis stets mit Pigmentie- rungen oder mit floridem Exanthem zur Welt kommen, dabei in der Regel vorzeitig geboren und so dekrepid sind, dal~ sie kaum jemals welter kommen. Gelingt es aber, sie durchzu- bringen, dann kann das Exan~hem oder derRest eines solehen dem behandelnden Arzt aueh nicht verborgea bleibon. In Fall 3 und l l, welche zur Zeit der ersten Untersuchung in der 7. bezw. 8. Lebenswoehe standen, w~re eine Einwendung der vorhin angedeuteten Art wohl noeh am ehesten berechtigt. Aber gerade diese Kinder waren ziemlich gat entwickelte S~uglinge, deren Hautdecke sieh frei yon jeglicher Anomalie erwies, wozu noch zu bemerken w~re, dai~ die Miitter beider dieser Kinder ungewShnlich intelligente Frauen waren, welehe schon vorher mit syphilitischen Kindern zu uas gekommen und yon uns derart geschult waren, dal] sie den Exanthemausbruch nicht h~itten iiberseheu kSnnen. Dennoch machten diese Miitter voll- kommen negative kussagen riicksiehtlieh des Vorausgegangen- seins einer exanthematischen Affektion in den ersten Lebens- wochen. Und yon dem Momente angefangen, da wir die Kinder behandelten und beobachteten, stellten sich keine kutanen Syphilissymptome mehr ein. Schlie~lieh lege ich aber keinen Wert darauf, ob diese beiden F~lle als exanthemlose F~lle Yon heredit~rer Syphilis anerkannt werden oder nicht, da noch

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H e r e d i t i i r e F r i i h s y p h i l i s o h n e E x a n t h e m . 181

immer 12 einwandfreie FElle, darunter drei aus der Privatpraxis, welche auI das Allersorgiiiltigste kontinuierlich "con mir be - obachtet wurden, iibrig bleiben, welche beweisen, dab die an- geborene Syphilis exanthemlos verlaufen kann.

Die Fiille an sich scheinen mir yon besonderer Wichtigkeit. Denn, soweit ich die Li tera tur zu iiberblicken in der Lage bin, finde ich nirgends exanthemfreie Fi~lle yon heredi t~rer Frtihsyphilis bei Si~uglingen einer Dauerbeobachtung unterworfen, wie es in den geschilderten Fiillen yon mir geschehen ist.

Ich betone, dal~ die hier angefiihrten F~lle w~ihrend der ers ten Lebensmonate genau verfolgt wurden und dab sich diese genaue Beobachtung wiihrend des Sis ers t reckte

bei 3 F~illen auf 4 Monate ,, 2 . . . . 5 ,, ,, 4 . . . . 6 ,, ,, 1 Falle ,, 7 . ,, 3 FSllen ,, 1 Jahr ,, 1 Falle ,, 1~/4 Jahr.

()berdies gelang es, 6 Fi~lle dieser Grui)pe in mehrjiihriger Evidenz zu erhalten u. zw.:

1 Fall . . . . 11/',, Jahre lang 1 ,, . . . . 3 ~//~ ,, ,:

1 ,, . . . . 4 1 / ~ . . . .

1 ,, . . . . 7 . ,, 1 ,, . . . . 9 . .

1 , , . . . . 1 2 ,, ,,

Ich glaube daher, da[3 die Frage, ob hereditiire S~uglings- syphilis exanthemlos verlaufen kann oder nicht, erst (lurch die hier vorgebrachte Kasuistik als in positivem Sinne erledigt zu bet rachten ist. Insbesondere aber meine drei FKlle aus der Privatpraxis und die ftinf F:,~lle aus der Anstaltspraxis, welche ,con den allerersten Lebenstagen angefangen, w~hrend des ganzen ersten Lebenshalbjahres , regelmEl]ig beobachte t und allwSchentlich zweimal yon uns gesehen worden waren, miissen

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182 Hochsinger.

als sichere Fitlle yon exanthemloser Kongenitalsyphilis betrachtet werden. Allerdings ! Ein Einwand kSnnte gegen die Stichhiiltigkeit aller unserer Fglle erhoben werden: die F~lle wurden sofort einer merkuriellen Therapie unterzogen. Daher liegt e s nahe daran zu denken, dal] dutch die merkurielle Behandlung der Exanthemausbruch mSglicherweise kupiert worden sei.

Zweierlei Griinde sprechen aber gegen die Zul~tssigkeit dieser Annahme: 1. die konstanten Mil~erfolge der Prgventiv- behandlung bei der akquirierten Syphilis und 2. meine eigenen Erfahrungen tiber die hereditiire Friihsyphilis.

Was den ersten Punk~ anlangt, so ist es eine feststehende Tatsaehe, dal~ die Einleitung einer Qaeeksilberbehandlung im zweiten Inkubationsstadium der Syphilis~ nach Manifestwerden der Primiirinduration, den Ausbruch eines Exanthems wohl hinausschieben, nicht aber verhindern kann. Wenn auch die Yerhiiltnisse bei der hereditiiren Syphilis nicht ganz dieselben sind, wie bei der akquirierten, so spricht doch die UnmSglich- keit, bei der erworbenen Infektion die kutanen Syphilisaus- brfiche zu kupieren, sehr zu Ungunsten der Annahme einer solchen MSglichkeit bei der Erbsyphilis.

Nun abet meine anderweitigen Erfahrungen aus dem Gebiete der hereditiiren Sguglingslues! Ich verfiige niimlich fiber ein wertvolles Vergleichsmaterial, welches gleichsam ein natiirliches Gegenexperiment zu unseren Fgllen yon exanthem- loser Friihsyphilis darstellt. Dieses Gegenexperiment wird ge- liefert durch die eingangs meines Vortrages erwiihnten 17 Fiille yon kongenitaler Friihsyphilis, welche, unter denselben Ver- hiiltnissen, wie die bier abgehandelten Fiil]e, also exanthemlos, jedoch mit visceralen und ossalen Symptomen behaftet, in Behandlung genommen, dennoch spttterhin yon exanthematischen Symptomen der hereditiiren Lues in typischer Weise befallen wurden, tEer wie dort handelte es sich um Siiuglinge der ersten Lebenstage oder- Wochen, welche bei Einleitung der antiluetischen Therapie Erscheinungen kongenitaler Knochen- oderEingeweidesyphilis zur Schau trugen, abet frei yon Exanthem waren. Bei den Siiuglingen der letzteren Gruppe trat, unbe- hindert durch die Behandlung, in ganz regulgrer Art ein Exanthem innerhalb der erstea 10 Wochen in Erscheinung,

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Hereditiire Fr~ihsyphilis ohne Exanthem. 183

bei den Fi~llen der bier abgehandelten Gruppe blieben aber kutane Syphilismanifestationen dauernd fern. Unter diesen u scheint wohl die Annahme vollberechtigt, da~ es nicht das Eingreifen der antisyphilitischen Behandlung ist, was in unseren F~llen das Ausbleiben des Exanthems vet- schuldet hat, sondern dal~ die kongenitale Lues in einzelnen F~llen auch im Extrauterimleben ganz ohne kutane Symptome Terlaufen und ablaufen kann. Verst~ndlich ist eine solche Eventualit~t, wie schoa friiher gezeigt wurde, ohneweiters.

Wir haben nun gesehen, dal] in einer Anzahl yon F~llen in das Extrauterinleben hineinragende schwere fStale Syphilis- manifestationen, bei Ausschlul] jedweder Hautaffektion, durch eine zweckentsprechende Therapie der Heilung zugefiihrt werden konnten. Somit liegt es auch nahe anzunehmen, dal] gering- fiigigere Affektionen, insbesondere solche osteochondritischer Natur, bei Ton Haus aus kr~ftigen Neugeborenen spontan iiberwunden werden kSnnen. Und so gewinnt die Tatsache einer exanthemlosen heredit~ren Friihsyphilis such eine gewisse Bedeutm,g fiir die Frage nach der Existenzberechtigung einer S y p h i l i s h e r e d i t a r i a t a r d a sensu strictiori, d. h. einer heredit~ren Sp~tsyphilis, bei welcher die tardiven Erscheinungen abseits yore Zeitpunkte der Geburt, angeblich erst im sp~teren Kindes- oder im Jiinglir~gsalter, ohne vorherige Friihsymptome auftreten sollen, l)a man bisher diese Frage im allgemeinen nur naeh dem vormaligen Bestande oder Fehlen Ton kutanen Symptomen beantwortet hat, so wird man Ton nun an wohl auch mit dem Faktor rechnen miissen, dal] spontan ~bgelaufene, viscerale oder epiphys~re Ver~nderungen bestanden haben kSnnen, welche mSglicherweise nicht geeignet waren, klinische Erscheinungen, geschweige denn erkennbare Residuen fiir die spiitere Lebensdauer zu bedingen. Wenn es demnach auch F~lle Ton Heredit~rsyphilis geben mag, welche, ohne Friihexantheme der Erbsyphilis gezeigt zu haben, in sp~terer Lebenszeit atl Terti~irsymptomen erkranken, so ist damit noeh nicht bewiesen, dal] die betreffenden Individuen nicht in ihrer S~uglingsperiode andere als kutan lokalisierte Friihmanifestationen geboten haben. Daher steht der Beweis fiir die Existenz einer heredit~ren Tardivsyphilis ohne Friihmanifestationeu in tier ersten Lebens-

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periode noch immer vollkommen aus, und es ist sogar in hohem Grade unwahrscheinlich, dab die in sp~terer Lebenszeit wahrnehmbaren Terti~raffektionen bei Individuen dieser Annahme die ersten Syphilismanifestationen ihrer heredit~iren Irffektion gewesen sind. Fall 7 meiner Beobachtungsreihe mag als Kron- zeuge dieses Lehrsatzes dienen. In den ersten Lebenswochen ausschliel~lieh Knochensymptome, niemals Exanthem, im S. Lebensjahre Tophi am harten Gaumen und an den Schienbeinen : also Sp~trezidive einer exanthemlosen heredit~iren Friihsyphilis.

Meiner Ansicht nach beruhen alle bisher mitgeteilten FKlle yon heredit~rer Sp~tsyphilis senso strictiori auf diagno- stischer Vernachl~ssigung, beziehungsweise mangelhafter Wiirdi- gung, verschiedener Frfihsymptone im S~uglingsalter. Hieher gehSren, was die Hautaffektionen anbetrifft, sicher nieht die gewShnlichen makulSsen Exanthemmorphen, welche nicht ein- real yon Laien, geschweige denn yon Arzten fibersehen weraen, vielmehr die zarten diffusen Hautinfiltrationen, namentlich im Gesichte und an den Fersen, deren syphilitisehe Natur auch heutzutage noch relativ wenigen Xrzten gel~iufig ist. Und in dieser Hinsicht w~ire besonders auf die eigentiimliche Gesichts- farbe h. s. S~iuglinge aufmerksam zu maehen.

Hier mfissen zweierlei Momente wohl auseinander gehalten werden. Die Gesichtsfarbe ist bei fast alien F~llen yon mani- fester hereditiirer S~uglings-Lues eine blasse mit einem fahl- grauen Stiche. Dieser eigentiimliche erdfahle Teint ist h~mato- logisch begriindet, jedoeh nicht blol~ auf die Gesichtshaut be- sehr~nkt, sondern er erstreckt sich auf die ganze KSrperdecke des SKuglings. Hier ist die fable Gesichtsfarbe nur eine Teil- erscheinung der schweren syphilitischen An~mie. Sehr h~ufig finder man abet im Gesichte, namentlich an den Wangen und am Kinne, eine ockergelbe oder mehr br~iunliche Verf'~rbung, welche sich yon dem blassen Teint der iibrigen KSrperdecke umso deutlicher abhebt, als ein eigentiimlicher Glanz fiber dem gelben Farbenton ausgebreitet ist. Diese oben erwKhnte Beschaf- fenheit der Gesichtshaut hat die Bedeutung einer diffusen luetischen Erkrankung derselben, ist der Ausdruck einer gleich- m~l]igen zarten Rundzelleninfiltration des PapillarkSrpers mit konsekutiver Pigmentierung und daher einer exanthematischen

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Heredit~re Frfihsyphilis ohne Exanthem. I85

Aui]erung des Syphilisvirus gleichzusetzen. F~lle mit der- artiger Beschaffenheit der Gesichtshaut sind demnach, selbst wenn sie sonst g~nzlich frei yon Exanthemen befunden worden sind, keiaeswegs als exanthemlose Syphilisf~lle anzusprechen, ][ch erw~hne dies aus zweierlei Griinden:

1. Well bei M o n t i und F i n k e l s t e i n F~ille dieser Art er- wKhnt und als exanthemfi'eie F~lle angesprochen werden.

2. Well bei Aul]erachtlassung der erw~hnten Beschaffen- heit der Gesichtshaut, welche, ebenso wie die analoge Affek- tion der Plantar- und Palmarhaut, als isoliertes kut~nes Syphilis- symptom bei SSuglingen vorkommen kann, die heredit~re Friihsyphilis des betreffenden Kindes vollkommen iibersehen werden kann.

Es mull also noch hinzugefiigt werden, dai] zur Feststel- hmg einer exanthemlosen Hereditih'syphilis nicht blo~ das Fehlen solit'~rer Efftoreszenzen sondern auch der Mangel diffuser Hautinfiltrationen erforderlich ist.

Ich komme zum Schlusse! Eine wichtige Lehre fiir die Praxis kann aus unseren Betrachtungen fiber exanthemlose Heredit~rsyphilis abgeleitet werden, n~imlich die, dab bei der kongenitalen Lues ~ndere Prinzipien beziiglich des Behandlungs- heginnes ma[3gebend sind, als bei der akquirierten ,Syphilis. Bei letzterer wartet man stets den Ausbruch des ersten Exan- thems ab, bevor man mit der Allgemeinbehandlung beginnt, ohne Riicksicht darauf, dat~ die Diagnose der Syphilis durch die Initialsklerose und Skleradenitis eventuell schon lest steht, bei der kongenitalen Lues heiBt es unverweilt behandeln, sobald die Diagnose festgestellt ist, gleichgfiltig ob die vorliegenden Syphilismanif'estationen kutane 7 viscerale oder ossale sind.

J~, es k~nn keinem Zweifel unterliegen, d~[~ bei ~isce- r~len und ossalen Friihmanifestationen der h. Lues die Indikation f'iir die sofortige Eiuleitung einer energischen Behand]ung eine viel dringlichere ist, als bei ausschlieBlich kutanen Affektionen. Stehen doch bei den visceralen und Knochenerkrankungen ~iel wichtigere Interessen auf dem Spiele ~ls bei den kutanen hffektionen und speziell jene beiden F~lle meiner Privatpraxis, bei welchen trotz energischer merkurieller Therapie die

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18(; Hochsinger .

schwere fStale Lebersyphilis nicht mehr reduktionsfiihig war, zwingen uns in solchen F~llen sofort einzugreifen, um zu retten, was noch zu retten ist. Dai~ dem Praktiker auch hier noch manche dankbare Aufgabe erbliiht, dies lehren wieder meine l0 Heilungsfdlle yon exanthemloser kongenitaler Einge- weide-und Knochensyphilis. Diese aber beweisen erst recht, wie wichtig es ist, ohne Riicksicht auf das u oder Fehlen eines Exanthems, bei h. s. S~iuglingen die spezifische Behandlung unges~umt zu inaugurieren, 5[ur wenn man sieh yon solehen Prinzipien leiten l~il~t, wird man in F~llen yon visceraler und ossaler Erbsyphilis Erfolge erzielea kSnnen.