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Z. anorg. allg. Chem. 679 (1989) 221-230 YEB J. A. Barth, Leipzig Herstellung und Eigenschaften von Aluminiumaquoxid. I1 [I] Bohmit aus Natriumaluminat und Salpetersaure J. HILLE", IT. WEINHOLD, U. BOLLMANN, K. BECKER, H. BREMER und F. VOGT Leuna, Kombinat VEB Leuna-Werke ,,Walter Ulbricht", Abteilung Katalysatoren Merscb urg , Technische Hochschule ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, Sektion Chemie Inhaltsiibersicht. Es wird iiber die physikalisch-chemischen Charakteristika von vorwiegend Bohmit enthaltenden Aluminiumaquoxiden berichtot, die durch kontinuierliches Fallen aus Na- triumaluminatlijsung mit Salpetersaure unter Anwendung technischer Rohstoffe und produktions- naher Bedingungen erhalten wurden. Der EinfluB der Reaktionsbedingungen (pH-Wert, Temperatur, Konzentration nnd Verweilzeit in der Fallsuspension) auf die chemische Zusammensetzung, Struktur und Textur der Hydrogcle wird untersncht. In einem mit ansteigender Temperatur sich ausweitenden pH-Bereich cntstehen innerhalb kurzer Verweilzeiten in der Fallsuspension phasenreine, relativ gut kristalline Bohmitniederschlage stabiler Zusammensetzung. Infolge von Heterogenitaten in der kollektiven Packung der Einzelkristallite besitzt der kompaktdisperse Bohmit eine bimodale Poren- struktur, mit Hohlraumen, deren Abrnessungen im wesentlichen kleiner als 10 nm und groWer als 50nm sind. Preparation and Properties of Aluminium Hydroxide. 11. Boehmite from Sodium Aluminate and Nitric Acid Abstract,. A report is given on the physical-chemical characteristics of aluminium hydroxide which contain mainly boehmite, having been obtained by continuous precipitation from sodium aluminate solution with nitric acid using technical raw materials and conditions being very similar to those applied in production. The influence of the reaction conditions (pH value, temperature, concentration and residence time in the precipitation suspension) on the chemical composition, structure and texture of the hydrogels is studied. With rising precipitation temperature the pH range extends, within which already after short residence times pure-phase, relatively well crystalline boehmite hydrogels are obtained in the preci- pitated solution. 1. Einleitung Seiner besonderen morphologischen und chemischen Eigenschaften wegen wird das Aluminiumoxidhydroxid Bohmit als Basisprodukt der technischen Her- stellung aktiven porosen Aluminiumoxids den Aluminiumtrihydroxiden Bayerit und Nordstrandit vorgezogen. Bohmit kann aus sauren oder alkalischen Alumi- niumsalzlosungen mittels neutralisierender Zusatze gefallt werden. Unter okono- mischen Gesichtspunkten ist im groBrechnischen MaBstab das Aluminat-Fall- verfahren begiinstigt, bei dem aus Natriumaluminatlosung mittels Salpetersaure

Herstellung und Eigenschaften von Aluminiumaquoxid. II. Böhmit aus Natriumaluminat und Salpetersäure

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Z. anorg. allg. Chem. 679 (1989) 221-230 YEB J. A. Barth, Leipzig

Herstellung und Eigenschaften von Aluminiumaquoxid. I1 [I]

Bohmit aus Natriumaluminat und Salpetersaure

J. HILLE", IT. WEINHOLD, U. BOLLMANN, K. BECKER, H. BREMER und F. VOGT

L e u n a , Kombinat VEB Leuna-Werke ,,Walter Ulbricht", Abteilung Katalysatoren Merscb urg , Technische Hochschule ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, Sektion Chemie

Inha l t s i ibers ich t . Es wird iiber die physikalisch-chemischen Charakteristika von vorwiegend Bohmit enthaltenden Aluminiumaquoxiden berichtot, die durch kontinuierliches Fallen aus Na- triumaluminatlijsung mit Salpetersaure unter Anwendung technischer Rohstoffe und produktions- naher Bedingungen erhalten wurden. Der EinfluB der Reaktionsbedingungen (pH-Wert, Temperatur, Konzentration nnd Verweilzeit in der Fallsuspension) auf die chemische Zusammensetzung, Struktur und Textur der Hydrogcle wird untersncht. I n einem mit ansteigender Temperatur sich ausweitenden pH-Bereich cntstehen innerhalb kurzer Verweilzeiten in der Fallsuspension phasenreine, relativ gut kristalline Bohmitniederschlage stabiler Zusammensetzung. Infolge von Heterogenitaten in der kollektiven Packung der Einzelkristallite besitzt der kompaktdisperse Bohmit eine bimodale Poren- struktur, mit Hohlraumen, deren Abrnessungen im wesentlichen kleiner als 10 nm und groWer als 50nm sind.

Preparation and Properties of Aluminium Hydroxide. 11. Boehmite from Sodium Aluminate and Nitric Acid

Abstract,. A report is given on the physical-chemical characteristics of aluminium hydroxide which contain mainly boehmite, having been obtained by continuous precipitation from sodium aluminate solution with nitric acid using technical raw materials and conditions being very similar to those applied in production. The influence of the reaction conditions (pH value, temperature, concentration and residence time in the precipitation suspension) on the chemical composition, structure and texture of the hydrogels is studied.

With rising precipitation temperature the pH range extends, within which already after short residence times pure-phase, relatively well crystalline boehmite hydrogels are obtained in the preci- pitated solution.

1. Einleitung Seiner besonderen morphologischen und chemischen Eigenschaften wegen

wird das Aluminiumoxidhydroxid Bohmit als Basisprodukt der technischen Her- stellung aktiven porosen Aluminiumoxids den Aluminiumtrihydroxiden Bayerit und Nordstrandit vorgezogen. Bohmit kann aus sauren oder alkalischen Alumi- niumsalzlosungen mittels neutralisierender Zusatze gefallt werden. Unter okono- mischen Gesichtspunkten ist im groBrechnischen MaBstab das Aluminat-Fall- verfahren begiinstigt, bei dem aus Natriumaluminatlosung mittels Salpetersaure

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[ 2 - 41 oder mit Aluminiumnitratlosung [5, 61 ein alkalifreies Bohmithydrogel ausgefallt wird. Durch ,,Carbonisieren" der Aluminatlosung [7 - 91 werden nur Gemische verschiedener Aluminiumaquoxide erhalten, die wegen ungunstiger Verarbeitungseigenschaften und wegen zu hoher Alkaligehalte zur Katalysator- herstellung nur sehr begrenzt verwendbar sind.

Von den zwei moglichen Fertigungstechnologien, diskontinuierliches [ 101 oder kontinuierliches [ 111 Fallen, fuhrt das kontinuierliche Verfahren zu definierten und sicher reproduzierbaren Reaktionsbedingungen und Fallprodukten. Es bietet im Vergleich mit der diskontinuierlichen Arbeitsweise den entscheidenden Vor- teil, daB infolge der grooen Hydrolyse- und Kristallisationsgeschwindigkeit bereits nach kurzen Reaktionszeiten Bohmithydrogele einheitlicher Phasenzusammen- setzung und relativ hoher Kristallinitgt entstehen [ 121. Dessenungeachtet haben sich bisher nur sehr wenige Arbeiten mit dem kontinuierlichen Fallverfahren befafit, bei dem, durch mit konstanter Geschwindigkeit von Zulauf der Ausgangs- losungen und Ablauf der Fallsuspension in einem stationaren Gleichgewicht gehalten, die Kristallisationsbedingungen in besonders vorteilhafter Weise steuer- bar sind. So sind verschiedene Aspekte des Zusammenhangs zwischen den Fall- bzw. den Verarbeitungsbedingungen der Aluminiumaquoxide und den Eigen- schaften der aus ihnen durch Calcination erhaltenen Aluminiumoxide nur unge- nugend erforscht. Sie betreffen den EinfluB der Art der Ausgangsstoffe und der Fallbedingungen auf die KristallitgroBe, Kristallinitat und andere morphologi- sche Eigenschaften der gefallten Niederschlage und den Zusammenhang dieser Charakteristika mit der Porenstruktur und den durch sie bestimmten Gebrauchs- eigenschaften der Folgeprodukte.

Im folgenden wird uber die Ergebnisse der physikalisch-chemischen Charak- terisierung von durch kontinuierliches Fallen aus Natriumaluminatlosung mit Salpetersaure hergestellten Bohmithydrogelen berichtet [ 131. Es werden die Ein- flusse der Herstellungsbedingungen auf die chemische Zusammensetzung, Struk- tur, Morphologie und Textur der Fallprodukte untersucht und die Unterschiede im Vergleich mit den aus Aluminiumnitratlosung mit Ammoniakwasser erhaltenen Hydrogelen [ 11 aufgezeigt . Die experimentellen Bedingungen wurden aus den Erfordernissen der grofltechnischen Produktion abgeleitet. Die Untersuchungen standen im Zusammenhang rnit Forschungsarbeiten fur die Einfuhrung einer neuen Generation Aluminiumoxid enthaltender Katalysatoren in das Produk- tionsprogramm des VEB Leuna-Werke ,,Walter Ulbricht".

2. Experimenteller Toil

2.1. Hers te l lung d e r Aluminiumaquoxide

Die temperierten mittelkonzentrierten Ausgangslosungen des Natriiimaluminates und der Salpetersaure wurden mit konstanter Geschwindigkeit mittels regulierbarer Dosierpumpen in einem dem gewahlten pH-Wert entsprechenden Mengenverhaltnis unter gleichzeitiger Zufuhrung destillier- ten Wassers in einem thermostatierten Behalter intensiv vermischt. Nach der durch das Verhaltnis von Behaltervolumen und ZufluRgeschwindigkeit festgelegten mittleren Verweilzeit wurde die

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Fallsuspension mit dem Hydrogel kontinuierlich in einen Sammelbehalter uberfuhrt, dort mit der minimal 10fachen Menge destillierten Wassers verdunnt und nach maximal zweistundiger Auf- bewahrung uber eine Rahmenfilterpresse filtriert und anschlieRend rnit destilliertem Wasser gewa- schen. Das feuchte Hydrogel wurde jeweils 24 h bei 110°C getrocknet. AuBer dem pH-Wert und der Temperatur wurden auch die mittlere Verweilzeit der Suspension im FallgefaB und die Feststoff- konzentration der Fallsuspension in relativ weiten Grenzen variiert [13].

2.2. Methoden d e r Charakter i s ie rung

Die physikalisch-chemischen Untersuchungsmethoden sind in Arbeit [l] mitgeteilt. Daruber hinaus wurden folgende Charakteristika bestimmt :

Trockenruckstand Ruckstand nach 24stundigem Trocknen des feuchten Hydrogels bei 120 "C Gluhruckstand Ruckstand nach zweistundigem Gluhen des getrockneten Hydrogels bei 800 "C Nitratgehalt Methode nach KJELDAHL [14].

3. Ergebnisse und Diskussion

3.1. Einflulj der Fallbedingungen auf die Primarstruktur und die chemische Zusammensetzung des Aluminiumaquoxids

Im kontinuierlichen Fiillregime werden auch aus Natriumaluminatlosungen mit Salpetersaure in einem bei hoheren Temperaturen breiteren pH-Bereich gut filtrierbare Hydrogele bohmitischer Struktur erhalten. Die insgesamt hohe Kri- stallinitat der Niederschlage variiert mit den Fallbedingungen, wie Abb. 1 im dreidimensionalen Koordinatensystem in zweifacher Abhangigkeit von pH-Wert und Temperatur der Fallung zusammengefal3t zeigt. Das durch Verbinden der benachbarten Meljwerte erhaltene Flachenprofil ist demjenigen des Systems Aluminiumnitrat/Ammoniakwasser sehr ahnlich [ 11. Fur mittlere pH-Werte

3 - 6

relat iver pH - W e r t

Abb. 1 Fallens

Abhangigkeit des kristallinen Bohmitanteils vom pH-Wert und von der Temperatur des

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224

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- I I I I I

Kristalliner Bohmitanteil , o/o

Zusammenhang zwischen dem Nitratgehalt des Aluminiumaquoxids und dem kristallinen Bohmitanteil

1 2 3 - 1

relativer Fall - pH - W e r t

Abb. 3 aquoxids

EinfluS der Fallbedingungen auf den Gliihriickstand und den Nitratgehalt des Aluminium-

zeichnet sich ein Maximum der Kristallinitat ab, das auch bei den hochsten Fall- temperaturen deutlich ausgepragt ist. Bei niedrigen pH-Werten und in Richtung tieferer Temperaturen geht der Anteil kristallinen Bohmits stark zuriick. Wie Abb. 2 zeigt, nimmt umgekehrt proportional dazu der Nitratgehalt der Hydro- gele stark zu, was auf die den amorphen Zustand stabilisierende Wirkung der im FallprozeB entstehenden basischen Aluminiumnitrate hinweist [ 111. Der Nitrat- gehalt verandert sich dabei in Abhangigkeit von den Fallbedingungen nntibat

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zum Gluhriickstand, der seinerseits mit steigender Temperatur und steigendem pH-Wert gegen einen Grenzwert strebt, der noch betrachtlich unterhalb des fur Bohmit errechneten theoretischen Wertes von 85 Ma.-% liegt (Abb. 3). Kur bei den hochsten pH-Werten und an der unteren Grenze des untersuchten Tempe- raturbereichs werden, mit abnehmender Falltemperatur zunehmend, geringe Anteile des Aluminiumtrihydroxids Hydrargillit nachgewiesen, infolge derer die Konzentration nicht auswaschbaren Natriums in den Fallprodukten bis auf 0,06 Ma.-% ansteigt. Zusammen mit dem Hydrargillit wird zugleich Bayerit beobachtet, dessen Anteil im Vergleich zur Nitratfallung jedoch wesentlich ge- ringer bleibt.

Die mittlere Verweilzeit der Fallsuspension und deren Feststoffkonzentration besitzen im Parameterbereich technischer Fertigung keinen oder nur einen gerin- gen EinfluB auf die Primarstruktur und die chemiqche Zusammensetzung der Aluminiumaquoxide [ 131.

3.2. Morphologische Eigenschaften der gefallten Bohmithydrogele

Die Gestalt, GroIje und Anordnung der Kristallite eines gut kristallinen Bohmithydrogels zeigt die transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme in Abb. 4. Man erkennt ein scheinbar locker gefiigtes Haufwerk feinster Teilchen, das an weniger dichten Stellen feinfaserige nadlige, filzartig miteinander ver- netzte Teilchen zeigt. Die unscharfen Konturen und die starke Verfilzung lassen eine statistisch-morphometrische Auswertung nicht zu. Eine Abschatzung der

Abb. 4 15000, NachvergroRerung 1,5)

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines gut kristallinen Bohmithydrogels (VergroRerung

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Teilchendimensionen ergibt eine Breite von etwa 4 nm und eine Lange von etwa 100 nm. Bezuglich des Durchmessers der Nadeln wird Ubereinstimmung mit der senkrecht zur (0 2 1) - und (0 4 1) -Ebene rontgenographisch bestimmten mitt- leren GroBe der Primarteilchen von 2,O-4,9 nm erhalten.

Die mittlere TeilchengroDe des Bohmithydrogels variiert dabei in Abhangigkeit vom pH-Wert und der Temperatur der Fallung in einem breiten Intervall. Wahrend aus Aluminiumnitratlosung mit Ammoniakwasser nahezu unabhangig von den Fallbedingungen feinkristalline Bohmithydrogele einheitlicher Abmessungen registriert werden, nimmt, wie Abb. 5 zeigt, die rontgenographisch er- mittelte TeilchengroRe im Aluminatsystem mit Erhohung des pH-Wertes und der Temperatur fortlaufend zu. Die bei vergleichbarer KristallinitLt groDeren Abmessungen der aus Aluminatlosung, insbesondere im Bereich hoherer Temperaturen, gefallten Bohmitkristallite weisen auf eine hohere Geschwindiglreit des Kristallitwachstums hin. Letzteres ist moglicherweise auf im Vergleich rnit der Nitratfallung andersgeartete Diffusionsverhaltnisse fur die aus den Aluminationen gebildeten Kri- stallbausteine in der Fallsuspension zuruckzufuhren [XI. Die kleinsten Teilchen werden fur die im unteren Grenzbereich von Temperatur und pH-Wert gefallten Niederschlage bestimmt, die in Ver- bindung rnit dem hohen Nitrat,gehalt zugleich den geringsten Anteil kristallinen Bohmits aufweisen. Die im oberen pH-Grenzbereich beobachtete und mit abnehmender Falltemperatur in ihrem Umfang zunehmende Bildung des Trihydroxids Bayerit fuhrt, wegen der ohnehin rnit ansteigendem pH-Wert stetig anwachsenden TeilchengroDe, zu keinem besonders deutlichen aber dennoch nicht ubersehbaren zusatzlichen Anstieg der Teilchenabmessungen.

Teilchen - groOe , nm

10 20 30-40

relative Ternperatur, OC,

Abb. 5 EinfluB der Fallbedingungen auf die mittlere TeilchengroBe des Aluminiumaquoxids

Die in der elektronenmikroskopischen Aufnahme sichtbaren Kavernen und Einschnitte widerspiegeln Heterogenitaten in der Packungsdichte der Teilchen, die, vie1 starker als die relativ geringfugig variierende TeilchengroBe, die Porositat der kompaktdispersen Folgeprodukte pragen sollten. Die Frage, ob die Unter- schiede in der Packungsdichte praparationsbedingt zufallig entstanden, oder die Folge einer bereits im Fallprozefi gebildeten Raumstruktur sind, wurde in der Literatur bisher nicht gestellt und nicht beantwortet.

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Aus der elektronenoptischen Aufnahme ist die Abgrenzung der nadelformigen Teilchen unter- einander nicht eindeutig zu erkennen. An Hand dieser Aufnahme kann deshalb auch nicht direkt daruber befunden werden, ob die filzartig gefiigten Bohmitkristallite nur locker agglomeriert (als locker geordnete Koagulationsstruktur des Typs Kartenhausstruktur), oder ob die Teilehen mit- einander zu Teilchenaggregaten fest verwachsen sind. Da auch andere klassische Methoden der Teil- chengroBenbestimmung in dieser Hinsicht versagen, bleibt nur der Weg der indirekten Unter- suchung iiber die differenziert bestimmbare Porenstruktur, um von dieser auf die morphologischen Eigenschaften zuruckzuschlieSen [16].

3.3. OberflBchengroBe und Porenstruktur in Abhangigkeit von den Herstellungsbedingungen des Aluminiumaquoxids

Der EinfluB der Fallbedingungen auf die GroBe der spezifischen Oberflache ist in Abb. 6 zusammengefaot dargestellt. Das Flachenprofil der untereinander verbundenen benachbarten MeBpunkte weist die hochste OberflachengroBe im Bereich mittlerer Fallparameter aus. In Richtung abnehmender Falltemperaturen ist, bei mittleren pH-Werten beginnend, in Ubereinstimmung mit den aus Alu- miniumnitratlosung ausgefallten Aquoxiden ein deutlicher Riickgang der spezifi-

Oberf iachen -

grofle, rn . g 2 -1

3 00

200 t

100

/ 10 20 3 0 4 4 0

relat ive Ternperatur, O C

Xbb. G des Fallens

Abhangigkeit der spezifischen OberflachengroBe vom pH-Wert und von der Temperatur

schen ObcrflLchengroBe zu beobachten, zuriickzuf uhren auf die noch ungenugende Kristallisation der Niederschlage infolge unvollstandiger Hydrolyse der basischen Aluminiumnitrate (vgl. Abb. 3). Mit Ausnahme der niedrigsten Fdltemperaturen nimmt, im Unterschied zu den aus Aluminiumnitratlosung gefiillten Produkten, mit Zunahme der Temperatur und des pH-Wertes die OberflachengroRe stetig ab. Da gleichzeitig die PrimarteilchengroBe antibat zunimmt (vgl. Abb. 5), findet damit die Oberflachenabnahme ihre Begrundung. Den linearen Zusammenhang

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M i t t k e Teilchengrdfle , nm

Abb. 7 groRe des Aluminiumaquoxids

Zusammenhang zwischcn der spczifischcn ObcrflachcngroBc und der mittleren Teilchen-

zwischen beiden MeBwerten zeigt Abb. 7. Die geringfugige Abnahme der spezifi- schen OberflachengroBe mit einsetzender Bayeritbildung (hohe pH-Werte, nie- drige Temperaturen) findet ihre Erklarung in den bekanntermaoen groBeren Abmessungen der Bayeritkristallite, wodurch deren Beitrag zur Oberflache gerin- ger ausfallt.

Die bisher gezeigten ubersichtlichen Abhangigkeiten von chemischen, struk- turellen und morphologischen Eigenschaften und deren Zusammenhang mit der Ausbildung der spezifischen Oberflaiche berechtigen zu der Erwartung, daB ahn- liche Abhangigkeiten anch in bezug auf die Hohlraumstruktur des kompakt- dispersen Bohmits bzw. des aus diesem durch thermische Behandlung herge- stellten Aluminiumoxids bestehen sollten. So konnte man erwarten, daB die in Abhangigkeit von den Herstellungsbedingungen beobachteten Veranderungen in der Teilchen- bzw. spezifischen OberflachengroBe mit dem Hohlraumvolumen kleinster Poren rnit Radien unterhalb von 10nm korrelieren. Der in Abb. 8 dargestellte Einflulj des Fall-pH-Wertes auf die Textur der bei mittleren Tem- peraturen gefallten und nach der Filtration getrockneten Bohmithydrogele er- fullt diese Erwartung nicht. Es wird vielmehr eine gleichsinnige Anderung der spezifischen OberflachengroBe mit den Volumina der Poren mit Radien gr6Ber als 50 nm registriert, obwohl ein direkter Zusammenhang zwischen beiden MeB- grol3en nicht angenommen werden kann. Fur dieses Resultat gibt es zunachst keine befriedigende Erklarung, denn, die reziproke Abhangigkeit von Oberflachen- und mittlerer TeilchengroSe (vgl. Abb. 7) berucksichtigend, ware dann entgegen aller Erfahrung zu konstatieren, daB das Porenvolumen mit sbnehmender Teil- chengroBe zunahme. Die bisher bekannten mechanistischen Vmstellungen zur Kristallisation des Bohmits bediirfen einer Erganzung, auf deren Notwendigkeit

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L

200

0 50 nm

re lot iver Fall - pH -Wert

Abb. 8 Aluminiumaquoxids

EinfluB des pH-Wertes auf das Porenvolumen und die spezifische OberflachengroBe des

bereits in der vorangegangenen Mitteilung [I] hingewiesen wurde. Sie besteht darin, daB fur die Formierung des Bijhmithydrogels im FallprozeB eine zusatzliche , ,sekundare" Kristallisation angenommen wird. Dabei ist von der Vorstellung auszugehen, daIj die zunachst gebildeten nadeligen Einzelkristalle bereits in der Fallsuspension sofort miteinander zu relativ stabilen, unregelmaBig gefugten groaeren Sekundaraggregaten filzartig verwnchsen. Infolge von Heterogenitaten innerhalb der Teilchenaggregate und zwischen ihnen entstehen auBer kleinen Poren auch groBere Hohlraume, die den Volumenanteil der Poren mit Radien oberhalb von 50 nm ausmachen. Das kompaktdisperse Bohmithydrogel erhalt anf diese Weise bereits im FallprozeB eine bimodale Porenstruktur. Diese Er- kenntnis gewinnt besondere Bedeutung dadurch, daB sie die Grundlage fur ein morphologiebezogenes Konzept zur gezielten Variation der Porenstruktur bei der technischen Fertigung von Aluminiumoxid aus gefalltem Bohmithydrogel bildet U61.

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[lo] POHL, K.; MEISSNER, D.; SIEINERT, W.: Z. anorg. allg. Chem. 343 (1966) 39.

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[ll] SONNTAG, H.; RODEL, K.: Z. anorg. allg. Chem. 343 (1966) 131. [12] DZISKO, V. A.: Kinet. Katal. XX (1979) 1526. [13] WEINHOLD, W. : Dissertation A TH ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, 1982. [14] KRANZ, S.: Analytische Chemie, Leipzig 1956, Bd. 1. [15] GLASTONBURG, J. R.: Chem. Ind. 1!)69, 121. [16] HILLE, J. : Dissertation B, Karl-Marx-Universitat Leipzig, 1986.

Bei der Redaktion eingcgangen am 6. Marz 1989.

Anschr. d. Verf.: Dr. sc. J. HILLE, Inst. f. Energetik, Torgauer Str. 114, PSF 27, Leipzig, DDR-7024

Dr. sc. K. BECKER, Dr. W. WEINHOLD, VEB Leuna-Werke ,,Walter Ulbricht", A4bt. Katalysatoren, Leuna, DDR-4220

Prof. Dr. H. BREMER, Dr. U. BOLLMANN, Dr. F. VOCT, Technische Hochschule ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, Sekt. Verfahrenschemie, Otto-Pu'uschke-Str., Mcrseburg, DDR-4200