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Nr. 10 März 2004 G 1203 SEIN UND HABEN DAS WIRTSCHAFTS-HEFT

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Nr. 10 März 2004

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SEIN UND HABENDAS WIRTSCHAFTS-HEFT

U1-4_bald 17.03.2004 11:22 Uhr Seite 3

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EDITORIAL / INHALT

Erstausgabe: Geld,Wohnung,Arbeit – wie alles beginnt.

Grundlagenforschung: Noch mal von Anfang an, bitte.

Simulanten: Wirtschaftsspiele und das echte Leben.

Nachfrage: Interview mit Juergen B. Donges.

Glücksformel: Max will Millionär werden – er setzt auf seine Pferde.

Aufstiegskandidaten: Die Handelshochschule Leipzig.

Tauschgeschäfte: Heidemarie Schwermer fasst Geld nicht mal an.

Aussichtspunkt: Dirk von Gehlen denkt über Arbeit nach.

Klassenfreund: Der Unternehmer des Jahres auf Schultournee.

Bankleere: Vom Schuldenmachen und Abbezahlen.

Sonderangebot: Sieht gut aus – was kostet es?

Beratungsstelle: Die Wirtschaftsweisen haben ein paar Tipps.

Kreislaufbeschwerden: Eine Jacke und 30 Euro – wohin des Wegs?

Deutschlandreise: Erik aus Dresden im Salesianum in München.

Einstellungssache: Lebenslauf Anna Hoffmann.

Plan Wirtschaft: Moral und Wirtschaft – geht’s doch?

Schnickschnack: Wie Billigflieger Geld verdienen.

Buchprüfung: Marx, Smith und andere.

Glossar, Impressum

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Liebe Leserin, lieber Leser,

ermutigt sollen wir uns fühlen, „Risiken einzuge-hen und auf Veränderungen positiv zu reagieren.“ Der,der uns da Mut machen will,war bis März 2004Präsident des Internationalen Währungsfonds.VonHorst Köhler werden wir zum Thema Wirtschaftnoch mehr zu hören bekommen.

Angst ist im Spiel – Angst, keinen Beruf zu finden,arbeitslos zu sein, abzustürzen. Angst auch davor,dass die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politikdie Probleme nicht in den Griff bekommen.Unse-re Erwartungen sind groß und widersprüchlich:Wirwollen den Lebensstandard garantiert wissen, denwir gewohnt sind,und den Sozialstaat am besten sobehalten,wie er uns immer gut getan hat.Wir wol-len aber auch die ganze Wahrheit wissen, die Poli-tiker sollen den Ernst der Lage nicht verschweigen,uns Reformen zumuten, auch wenn es weh tut. Siesollen handeln.Aber wie?

Dieses Heft hält keine Patentrezepte bereit. Selbstdie Wirtschaftsweisen haben den Stein der Weisennicht gefunden. Sie können Fragen beantworten –wie andere kluge Leute auch,die in diesem Heft zuWort kommen. Es lässt sich nicht schönschreiben,was nicht gutzureden ist.Bescheid wissen sollte manschon – gerade in schwierigen Zeiten.

Dieter Golombek

Juergen B. Donges – behält PlatzWenn er in Talkshows geht, möchte er am Ende der Sendungnicht hören: „Eine letzte Frage, bitte eine kurze Antwort.“Dann, so Donges, würde er aufstehen und gehen.Für fluter blieb er lange und geduldig sitzen. >> Seite 12

Anna Hoffmann – bekommt TippsMitten in ihrer Prüfungszeit fragten wir Anna, ob sie Lust habe,ihre Karrierechancen von einem Headhunter bewerten zu las-sen. Sie hatte, schrieb ihren Lebenslauf, ließ Fotos machen undlernte dann weiter. Mit einer Ausnahme hat sie alle Prüfungenbestanden. Die des Headhunters sowieso. >> Seite 42

Dieter Golombek – nimmt AbschiedSeit es das fluter-Magazin gibt, war er in der bpb der verantwort-liche Mann. Mit dieser Ausgabe verabschiedet er sich in denRuhestand. Für ihn, von jeher ein Feind zu vieler Worte, fasstdie Redaktion sich kurz: Herzlichen Dank und alles Gute!

Coverfoto: Gerald von Foris

INHALT 18.03.2004 16:52 Uhr Seite 1

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ERSTAUSGABE

Bernhard Peter, 24, Medizin-Student, München.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Ich habe Zeitungen ausgetragen, da war ich13 Jahre alt.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?So schnell wie möglich.Am besten zum Ab-schluss des Studiums in einem Jahr.Was ist für dich Luxus?Gutes Essen,Geld für teure Lebensmittel undguten Wein.Was ist für dich Armut?Keine Wohnung zu haben und kein Geld fürvernünftiges Essen.Wie viel verdienst du?670 Euro.Womit verdienst du es?Ich bekomme es von meinen Eltern.Was machst du mit dem Geld? Ich gebe es vor allem für Essen und für Mu-sik aus.Mein Kindergeld haben meine Elternangelegt, darauf kann ich zurückgreifen.Wie wohnst du?Zusammen mit meiner Freundin in einerZweizimmerwohnung.

Stephan Becker, 26, Sales Manager, Leipzig.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Ich habe beim Brigadekegeln meiner ElternKegel aufgestellt.Da war ich acht Jahre alt,unddas Geld war schwarz verdient.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Finanziell bin ich das seit Beginn meiner Leh-re nicht mehr, das war vor sieben Jahren.Was ist für dich Luxus?Wenn ich als Stadtmensch am Meer beim La-gerfeuer mit Freunden sein kann und wennich die dafür nötigen finanziellen Mittel undvor allem Zeit dazu habe.Was ist für dich Armut?Wenn man keine Möglichkeit hat, sein Lebenzu beeinflussen.Wie viel verdienst du?Ich bin von meinem Arbeitgeber verpflichtetworden, über Geld zu schweigen.Womit verdienst du es?Als Sales Manager in einem Fünfsternehotel inHalle an der Saale.Was machst du mit dem Geld? Ich besuche viele Rockkonzerte und Festi-vals. Und in den letzten zwölf Monaten warich in Australien, Kroatien, Irland und Tirol.Wie wohnst du?Mit zwei mir vor Einzug unbekannten Da-men, beide Mitte zwanzig, in einer WG.

Yvonne Catterfeld, 24, Sängerin & Schauspielerin, Berlin.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Ich habe schon mit 16 Jahren bei Konzertengekellnert.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Das bin ich nicht mehr, seit ich seit knapp zweiJahren bei Gute Zeiten Schlechte Zeiten die JuliaBlum spiele.Was ist für dich Luxus?Keine Termine zu haben, mit Freunden stun-denlang zu telefonieren und sie zu treffen,ge-mütlich essen zu gehen, lesen, Musik hören.Was ist für dich Armut?Das habe ich zum Beispiel in Sri Lanka gese-hen.Eine Mutter musste mit ihrer Tochter bet-teln gehen,da der Vater krank war und sie vielGeld für die Medikamente benötigten.Wie viel verdienst du?Das weiß ich nicht genau. Ich habe ja in demSinne keinen festen Job und kein festes Gehalt,aber im Moment verdiene ich wohl ganz gut.Womit verdienst du es?Als Schauspielerin bei GZSZ, als Sängerin mitmeinen Platten und Live-Auftritten.Was machst du mit dem Geld? Im Moment möchte ich mir einen Flügel kau-fen. Leider ist meine Wohnung zu klein, alsomuss ich mir erst eine größere Wohnung su-chen. Dafür spare ich.Wie wohnst du?Allein in einer kleinen Zweizimmerwohnung.

Geld verdienen, wohnen, ohne Eltern zurechtkommen –

das ist bei jedem anders.

Absolute Beginner

erstes_geld 17.03.2004 10:54 Uhr Seite 2

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Cornelia, 21, Studentin, Hamburg.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Ich habe mit 19 Jahren zweimal die WocheFernsehzeitschriften ausgetragen.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Nach dem Studium – jetzt fehlt mir wegender Uni die Zeit, selbst Geld zu verdienen.Was ist für dich Luxus?Dass ich mir über Geld keine Gedanken ma-chen muss, weil genug da ist. Aber auch: dieRuhe zu haben, um bei einer Trinkschokola-de ein Buch zu lesen oder Klavier zu spielen.Was ist für dich Armut?Wenn man nicht genug Geld für Essen, Un-terkunft und einfache Kleidung hat.Wenn dasGeld nicht reicht, obwohl jeder Cent dreimalumgedreht wird,und dieser Zustand sich auchnicht so bald ändern wird.Wie viel verdienst du?Im Moment bekomme ich nur das Kinder-geld von meinen Eltern.Was machst du mit dem Geld? Die eine Hälfte lege ich auf mein Sparkonto,mit der anderen bezahle ich die täglichen Aus-gaben wie Mensa oder Unimaterial.Wie wohnst du?Ich habe ein Zimmer in der Wohnung meinerEltern. Finanziell ist das günstiger für mich,und auch was die Hausarbeit angeht: Die tei-le ich mir mit meinen Eltern.

Adrian Gratzke 21, Ich-AG, Bochum.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Als Bürokaufmann. Im August 1999 hatte ichmein erstes Gehalt auf dem Konto.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Am liebsten sofort.Eigentlich bin ich es schon,denn mit dem, was ich verdiene, komme ichganz gut aus. Manchmal geben jedoch meineEltern noch etwas dazu.Was ist für dich Luxus?Wenn man sich alles leisten kann, was manbraucht, und dann noch etwas übrig hat.Was ist für dich Armut?Wenn ich mir überlegen muss, ob ich drei Jo-ghurts oder einen kaufen kann oder ob Milchund Brot wichtiger sind.Wie viel verdienst du?Soviel, dass ich Auto und Sprit, Miete,Versi-cherungen und Telefon-Rechnungen bezah-len kann,ohne dass ich auf meinem Konto insMinus komme. Gewinn mache ich nicht.Womit verdienst du es?Ich verkaufe Getränke und Snacks an Discosund Kneipen. Und ich bin Vertreter für eineBrauerei.Was machst du mit dem Geld?Meine Freundin zum Essen oder ins Kino ein-laden und bald vielleicht auch ein anderes Au-to kaufen.Wie wohnst du?Ich bin gerade mit meiner Freundin zusam-mengezogen.

Claudia Gärtner, 21, Politikstudentin, München.

Wie hast du dein erstes Geld verdient? Mit Babysitten, ich habe etwa 50 Mark amAbend bekommen.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein? Mit 27 Jahren,wenn ich mit dem Studium fer-tig bin.Was ist für dich Luxus? Ein Auto zu haben,dann könnte ich außerhalbvon München wohnen.Was ist für dich Armut? Wenn man sich nicht das zu essen leisten kann,was man gern hätte.Wie viel verdienst du? Sag ich nicht.Womit verdienst du es? Ich mache Wetterkarten für Zeitungen.Was machst du mit dem Geld? Ich zahle meine Miete und gehe im Wintergern zum Snowboarden, außerdem geh ichgern aus.Wie wohnst du? Ich wohne mit einer Kommilitonin in einerZweier-WG, in einem 20 Quadratmeter-Zimmer.

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erstes_geld 17.03.2004 16:59 Uhr Seite 3

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Birgit Unertl, 24, Erzieherin, Passau.

Wie hast du dein erstes Geld verdient? Mit Ferienarbeit im Landratsamt Passau, dawar ich 15 Jahre alt.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein? Ich bin schon seit vier Jahren nicht mehr aufdas Geld meiner Eltern angewiesen.Was ist für dich Luxus? Dass man sich keine Sorgen machen muss,dassman mit dem Geld hinkommt.Was ist für dich Armut?In Sachen Geld: ständig über die Rundenkommen zu müssen.Ansonsten: nicht genugzu essen zu haben und nicht genug Zeit fürSchlaf.Wie viel verdienst du?1250 Euro netto.Womit verdienst du es? Ich bin Erzieherin in einem städtischen Kin-derhort.Was machst du mit dem Geld?Ich zahle meine Miete, habe einen Bauspar-vertrag abgeschlossen, einen Vertrag über pri-vate Zusatzrente und dann ist da noch meinAuto.Wie wohnst du? Schön. Meine Wohnung hat 85 Quadratme-ter und es ist nicht lange her,dass ich mir neueMöbel gekauft habe.

Eko Fresh, 20, Deutsch-Rapper, Köln.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Ich habe in einem Klamottenladen gearbei-tet, da war ich noch nicht mal 16 Jahre alt.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Das hab ich mit meinem ersten großen Plat-tendeal geschafft, da war ich 18 Jahre alt.Was ist für dich Luxus?Zeit zu haben, nicht darüber nachdenken zumüssen,was ich mir kaufe oder was nicht.Geldzu haben, um meine Mutter zu unterstützen.Was ist für dich Armut?Wenn man nicht weiß,was man machen will,wenn man den Arsch nicht hochbekommt,wenn man nicht nachdenken will.Wie viel verdienst du?In meinen Texten geht es oft um Geld, des-wegen glauben viele,dass ich schon reich bin.Das stimmt nicht.Aber für mein Alter verdie-ne ich wohl ziemlich viel.Womit verdienst du es?Mit Auftritten und Plattenverkäufen.Was machst du mit dem Geld?Ich leg was zur Seite, musste schon mehrereUmzüge bezahlen und ich kaufe mir vieleCDs.Meiner Mutter hab ich schon mal einenUrlaub geschenkt, meiner Tante eine Küche.Wie wohnst du?In einer Zweizimmer-Wohnung. An dieWände habe ich mir Plakate mit meinenCharterfolgen gehängt.

Asiye Karaogullari, 24, Reiseverkehrskauffrau, Hamburg.

Wie hast du dein erstes Geld verdient? Ich habe mit 16 nach der Schule und am Wo-chenende in einer Bäckerei gearbeitet.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Finanziell bin ich das schon seit dem Endemeiner Ausbildung vor zwei Jahren.Ganz un-abhängig bin ich erst, wenn ich von zu Hau-se ausziehe. Das wird nach unserer Traditionerst sein, wenn ich heirate.Was ist für dich Luxus?Einen eigenen Wagen zu haben, mit Freun-den zusammenzusitzen.Was ist für dich Armut?Kein Dach über dem Kopf zu haben,Hungerleiden zu müssen.Oder krank zu sein und sichkeine Medizin leisten zu können.Wie viel verdienst du?Nicht genug. Ich habe deshalb noch einenZweitjob.Womit verdienst du es?In der Woche arbeite ich in einem türkischenReisebüro, am Wochenende bei Pizza Hut.Was machst du mit dem Geld?Ich spare jeden Monat einen Teil.Und ich ge-be es für alles aus,was eine Frau braucht:Kla-motten, Fitnessstudio, Solarium, Kosmetika.Wie wohnst du?In der Wohnung meiner Eltern, in einem 17-Quadratmeter-Zimmer.

ERSTAUSGABE

erstes_geld 17.03.2004 10:54 Uhr Seite 4

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Aarni Kuoppamäki, 21, Journalistikstudent, Dortmund.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Mein Vater ist finnischer Schlagersänger, aufseinen Konzerten habe ich CDs verkauft. Ei-nen Teil des Umsatzes durfte ich behalten.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Nach meinem Studium.Wenn ich schon vor-her so viel verdienen sollte, ist das schön. Ichwerde aber nicht etwas arbeiten, das mir kei-nen Spaß macht,nur,um unabhängig zu sein.Was ist für dich Luxus?Nicht über Geld nachdenken zu müssen. Dasist weniger eine Frage des Geldes, eher derEinstellung. Sie ist die Herausforderung.Was ist für dich Armut?Wir machen uns selbst arm, indem wir immernach dem streben, was wir nicht haben.Wah-re Armut bedeutet für mich, sich um körper-liche Grundbedürfnisse sorgen zu müssen.Wie viel verdienst du?Im Moment 400 Euro im Monat.Womit verdienst du es?Ich mache ein Zeitungspraktikum.Was machst du mit dem Geld? Ich kaufe eigentlich nur Essen in der Uni, ge-he in Kneipen und kaufe kleine Dinge, diemir gefallen – gerne bei ebay.Wie wohnst du?Seit elf Jahren im selben 15-Quadratmeter-Zimmer bei meinen Eltern.Vor kurzem habeich mein Zimmer braun gestrichen und ei-nen billigen Zebrateppich reingelegt.

Michael Gerstenecker, 26, Zeitsoldat, Hamburg.

Wie hast du dein erstes Geld verdient? Ich habe mit 16 Jahren in den Sommerferienam Fließband in einer Käsefabrik gearbeitet.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Als Wehrpflichtiger war ich schon fast unab-hängig. Geschafft hatte ich es, als ich mit 21Jahren die Offizierslaufbahn begonnen habe.Was ist für dich Luxus?Überfluss,wenn man mehr hat, als normal ist.Luxus kann aber auch das sein,was ich mir ineinem speziellen Moment gerade am sehn-lichsten wünsche – als Soldat nachts im Waldist eine Suppe aus einem kleinen StückBrühwürfel manchmal schon purer Luxus.Was ist für dich Armut?Zuerst mal materielle Bedürftigkeit, die esauch in Deutschland gibt. Es ist aber auch soetwas Lebensbedrohliches wie eine Hungers-not in einem Land der Dritten Welt.Wie viel verdienst du?Ungefähr 2300 Euro brutto im Monat.Womit verdienst du es?Ich bin Zeitsoldat bei der Bundeswehr.Was machst du mit dem Geld?Einen Teil spare ich, aber für nichts Spezielles.Das meiste Geld gebe ich im Moment fürReisen aus.Wie wohnst du?Ich wohne in einem 12-Quadratmeter-Zim-mer im Studentenwohnheim der Bundes-wehr-Universität Hamburg.

Miriam Zwirtes, 25, Redaktionsassistentin, Leipzig.

Wie hast du dein erstes Geld verdient?Ich habe Grundschülern in der evangelischenGemeinde Hausaufgabenhilfe gegeben.Wann willst du nicht mehr von deinenEltern abhängig sein?Bin ich schon nicht mehr. Nachdem ich imSeptember 2003 mein Studium beendet habe,verdiene ich seit Oktober letzten Jahres meineigenes Geld.Was ist für dich Luxus?Beim Ausgehen und Einkaufen nicht aufs Geldschauen zu müssen. Und natürlich: am Wo-chenende ausschlafen zu können.Was ist für dich Armut?Kein Geld für Essen und die Miete zu haben.Wie viel verdienst du?Zu wenig: 1200 Euro brutto.Womit verdienst du es?Ich bin Redaktionsassistentin.Was machst du mit dem Geld?Ich gebe es für Miete, Essen, Ausgehen undMusik aus. Sparen liegt mir nicht, obwohl ichversuche, für den Urlaub etwas zurückzule-gen. Aber das klappt meistens nicht. EinenBausparvertrag oder so etwas habe ich nicht.Wie wohnst du?In einer Dreier-WG, mit einem Jungen undeinem Mädchen.

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Was ist der „WirtschaftsstandortDeutschland“ und geht es ihm

wirklich so schlecht?

Der „Wirtschaftsstandort“ ist ein vereinfa-chender Begriff, mit dem folgendes Problemverdeutlicht werden soll:Viele Produkte kannman heutzutage an fast allen Orten der Weltherstellen. Die Unternehmer können ihr Ka-pital investieren,wo sie wollen.Dagegen kön-nen die Arbeitskräfte ihr Land nicht so leichtverlassen.Deshalb ist es in ihrem Interesse,dasses für Unternehmer möglichst attraktiv ist, inihrer Nähe Arbeitsplätze zu schaffen. DieseNähe ist der Standort.Zu den Rahmenbedin-gungen am Standort gehören sehr viele Din-ge: Löhne, die Ausbildung der Arbeitskräfte,Steuern und andere Abgaben, eine effizienteVerwaltung,gute Straßen,Schulen,sogar Thea-ter.Zwischen den Faktoren kann man durch-aus tauschen: So können die Löhne deutlichhöher sein, wenn die Arbeitskräfte gut ausge-bildet sind.Die hohe Arbeitslosigkeit in Deut-schland ist ein Hinweis darauf, dass sich dieBedingungen am Wirtschaftsstandort ver-schlechtert haben. Es müssten also die Löhneim Verhältnis niedriger werden oder die Aus-bildung besser.Man könnte auch Steuern undAbgaben senken, die Verwaltung effizientermachen oder alles zusammen.

Wie kann ein Staat Pleite gehen?

Jemand ist dann pleite, wenn er seine Rech-nungen nicht mehr bezahlen kann.Zwischeneinem Staat, einer Firma und einem einzel-nen Menschen besteht in diesem Punkt keinwesentlicher Unterschied. Bei einem Staats-bankrott erklärt der Finanzminister des betref-fenden Landes, dass er die Zinsen für Bank-

kredite und Anleihen nicht mehr zahlen undauch seine Schulden nicht mehr tilgen kann.So etwas passiert zum Beispiel dann,wenn dienormalen Steuereinnahmen des Staates nichtmehr ausreichen,um Zins und Tilgung für dieStaatsschulden zu bezahlen. In den letzten fünfzig Jahren hat kein großer Industriestaatden Staatsbankrott mehr verkündet und auchEntwicklungsländer versuchen, den offenenBankrott zu vermeiden.Argentinien hat zumBeispiel 2003 seine Zinszahlungen eingestellt,gleichzeitig hat die Regierung aber Verhand-lungen mit ausländischen Banken und Regie-rungen aufgenommen, um zu erreichen, dassdie Zahlungen gestreckt oder teilweise erlas-sen werden.Meist wird in solche Verhandlun-gen der Internationale Währungsfonds (IWF)in Washington eingeschaltet. Der IWF ist ei-ne internationale Organisation,die Zahlungs-krisen von Staaten verhindern soll. Die Bun-desrepublik Deutschland ist Mitglied.

Was ist das Problem an Arbeitslosigkeit?

Arbeitslosigkeit bedeutet, dass bei gegebenenLöhnen überschüssige Arbeitskraft vorhandenist. Im Prinzip ist es wie bei normalen Warenauf dem Markt:Wenn ein Obsthändler seineÄpfel nicht los wird, dann weiß er, dass sie zuteuer sind. In diesem Sinne ist auch Arbeit zuteuer. Hier hören die Gemeinsamkeiten aberauch schon auf. Der Obsthändler wird imZweifelsfall den Preis für die Äpfel senken,ummehr zu verkaufen. Im Falle des Lohnes gehtdas nicht so einfach.Würden die Unterneh-men einfach die Löhne ihrer Mitarbeiter sen-ken, dann könnten diese auch weniger ein-kaufen. Lebensmittelläden, Autohändler undandere Geschäfte würden weniger umsetzen,

wodurch dort die Löhne der Verkäufer zu hochwürden und gesenkt werden müssten. Sokönnte eine Spirale in Gang gesetzt werden,die immer weiter nach unten führt.Aus die-sem Grund schlagen einige Wissenschaftler,die den Gewerkschaften nahe stehen, das ge-naue Gegenteil vor: Man solle die Löhne er-höhen, damit die Leute mehr kaufen könnenund neue Arbeitsplätze entstehen.Aber damitlöst sich das Grundproblem nicht: dass dieLöhne insgesamt zu hoch sind,um ausreichendArbeitsplätze zu schaffen. Eine gute Lösungbestünde darin, dass die Löhne zwar steigen,aber sehr langsam, zum Beispiel um ein Pro-zent im Jahr. Dann hätten die Arbeitnehmerzwar ein bisschen mehr Geld in der Tasche,trotzdem könnten die Unternehmer durchverbesserte Produktionstechnik (den so ge-nannten Produktivitätsfortschritt) Gewinnemachen und diese in die Firma stecken. So

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GRUNDLAGENFORSCHUNG

Vieles von dem, was in den Nachrichten gesagt wird, ist ziemlich unverständlich. Wir fangen daher noch mal von vorn an.

Gehe zurück auf Los!

Text: Nikolaus Piper

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würde Arbeit zwar nicht in Euro und Cent,wohl aber im Verhältnis zur Leistungskraft derVolkswirtschaft billiger.

Warum heißt unser System soziale Marktwirtschaft?

Der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ wurdevon Alfred Müller-Armack (1901–1978) er-funden.Der Wirtschaftsprofessor war von 1958bis 1963 Staatssekretär im Bundeswirtschafts-ministerium in Bonn und einer der wichtigs-ten Mitarbeiter des ersten WirtschaftsministersLudwig Erhard.Müller-Armack war der Mei-nung,dass Marktwirtschaft allein noch nicht zuGerechtigkeit und Wohlstand führt, und for-derte daher, dass der Staat aktiv zu Gunstender Benachteiligten eingreift („Sozialpolitik“).Der Begriff wurde generell zum Markenzei-chen des deutschen Wirtschaftssystems,wobei

unterschiedliche Menschen ganz unterschied-liche Dinge darunter verstehen.„Soziale Markt-wirtschaft“ steht für den Wunsch, alle wirt-schaftlichen Dinge über den Markt zu regeln,in Notlagen aber staatliche Korrekturen ein-zuführen.

Was ist der DAX und warum ist er wichtig?

Die Abkürzung DAX steht für „Deutscher Ak-tienindex“. Er ist ein Maßstab (index bedeu-tet auf Lateinisch Zeigefinger) dafür, wie gutoder wie schlecht die wichtigsten deutschenAktien stehen. Es gibt mehrere Unterindices,etwa den DAX-30, das ist der Index der 30größten Aktiengesellschaften,den MDAX,ei-nen Index mittelgroßer Gesellschaften.Außer-dem gibt es den TecDAX, in dem besondersjunge Unternehmen mit moderner Techno-

logie zusammengefasst sind. Ein Unterneh-men, das im DAX aufgeführt („gelistet“) ist,muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen.ZumBeispiel muss es einmal im Vierteljahr seineGeschäftsergebnisse veröffentlichen.

Bei wem macht Deutschland eigentlich die Schulden?

Deutschland macht seine Schulden bei ganznormalen Bürgern, bei Banken,Versicherun-gen und anderen Institutionen im In- und Aus-land. Im Einzelnen hängt das von der Formder Verschuldung ab. Deutschland hat sich zueinem wesentlichen Teil in Form von Bun-desanleihen verschuldet.Eine Anleihe ist ein Wertpapier,das jeder kau-fen kann und das an der Börse gehandelt wird.Wobei „Papier“ eigentlich ein irreführenderBegriff ist. Früher konnte man die Anleihen,so groß wie ein DIN-A4-Blatt, wenn manwollte,wirklich mit nach Hause nehmen;heu-te gibt es sie nur noch elektronisch.Zum Bei-spiel kann ich bei meiner Bank Bundesanlei-hen für 1 000 Euro mit einer Laufzeit von zehnJahren und einer Verzinsung von 5,5 Prozentkaufen.Das Geld fließt über die Bank zur Bun-deskasse und ich bekomme vom Finanzminis-ter jedes Jahr 55 Euro Zins.Wenn ich nichtsweiter mache, dann kassiere ich den Zins undbekomme nach zehn Jahren meine 1 000 Eu-ro zurück.Ich kann die Anleihe aber auch vor-zeitig an der Börse verkaufen.Wenn ich Glückhabe, ist der Kurs in der Zwischenzeit gestie-gen, zum Beispiel auf 102 Prozent. Dann be-komme ich 1 020 Euro. Ist er gesunken, zumBeispiel auf 98 Prozent, dann sind es nur 980Euro.Im Juni 2003 waren Bundesanleihen im Wertvon 463 Milliarden Euro im Umlauf.Die meis-ten Anleihen werden von großen Institutio-nen gehalten, zum Beispiel von Versicherun-gen, die so das Geld ihrer Kunden anlegen.Aber auch viele Privatleute besitzen Anleihen.Außer Anleihen gibt es noch andere Wertpa-piere, die für kleine Anleger noch besser ge-eignet sind,zum Beispiel Bundesobligationen.Die Regierungen von Bund und Ländern undvor allem viele Städte und Gemeinden nehmenauch direkt bei Banken Kredite auf, genausowie eine Familie, die sich verschuldet, um einHaus zu bauen.Nikolaus Piper,geboren 1952 in Hamburg, leitet dasWirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung.

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SIMULANTEN

Paperboy

Die Straße führt ins Nichts, sie hat kein Endeund die Häuser tragen keine Nummern. EinJunge fährt auf einem Fahrrad die Straße hinaufund verteilt Zeitungen in der Vorortsiedlung.Ein Zeitungsjunge, wie man ihn aus den US-Fernsehserien kennt, er steckt die Zeitungnicht in den Briefkasten, sondern wirft sie inden Vorgarten, ganz lässig, aus dem Handge-lenk, manchmal trifft er ein Fenster.Paperboy war ein Automatenspiel, das langeZeit in meiner Stammeisdiele stand, leicht ver-staubt, in der Ecke hinter dem Kühlschrank.

Ich mochte das Spiel, als virtueller Zeitungs-junge lieferte ich das Nachrichtenblatt DailySun aus, immer auf der Flucht vor Hunden undAutos,die scheinbar endlose Straße hinauf,biszum Ende des Levels.War ich zu langsam,ver-lor ich Abonnenten. Game Over bedeutetehier: Du bist gefeuert!Zeitungsjunge zu sein ist die erste Stufe aufder Karriereleiter, das Trainingslager der Ar-beitswelt. Hier lernt man, dass Leistung sichlohnt und Geld hart verdient sein will. DieMünzen für meinen virtuellen Job in der Eis-

diele verdiente ich in der Realität als: Zei-tungsjunge. Ein Spiel kostete mich etwa vier-zig Zeitungen, fünf Minuten Arbeit.Paperboy war ein realistisches Spiel. Die Joy-sticks des Automaten sahen aus wie ein Fahr-radlenker.Man musste steuern und ausweichenund nach zweihundert Treffern,wenn die Zei-tung endlich ausgeliefert war und die Mensch-heit informiert,war ich ziemlich erschöpft.DasSpiel war nämlich harte Arbeit.Zur Belohnungkaufte ich mir ein Eis. Am liebsten Aprikoseund Himbeere. Tobias Moorstedt

Spiele 16.03.2004 16:52 Uhr Seite 2

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Sim Tower

Die Rollenverteilung im Studentenwohnheimwar klar: Jens spielte den Gebäudemanager, ichdurfte Hausmeister sein – denn es war seinSimTower-Spiel, mit dem wir vor dem Com-puterbildschirm die Zeit verbrachten.Ich weißnicht mehr genau, wie viele Stockwerke un-ser virtuelles Hochhaus hatte. Es müssen vielegewesen sein,denn es gab unter anderem Auf-züge,einen Recyclinghof und eine Empfangs-lobby.Wir mussten das Gebäude managen unddafür sorgen,dass die Mieter zufrieden waren.Nur dann zog niemand aus,nur dann sprudel-ten Mieteinnahmen und nur dann konnten wirin Extras wie medizinische Zentren investie-ren – mit dem Ziel, irgendwann fünf Sterne fürunseren Tower zu ergattern. Jens ließ das Spieloft rund um die Uhr laufen,damit wir auch imSchlaf Mieten einnehmen konnten.Am Mor-gen berichtete er mir dann, wie die Nacht inunserem Hochhaus gelaufen war. Manchmalgab es schlechte Neuigkeiten, zum Beispiel,wenn nachts ein Feuer ausgebrochen war undWohnungen ausbrannten, weil wir beim Feu-erschutz gespart hatten. Oder wenn Mieterauszogen – wegen zu hoher Mieten. Natür-lich regten wir uns dann über die Geizhälseauf,die keine Vorstellung davon hatten,wie unsals Managern die Kosten davonliefen. An-schließend diskutierten wir weitere Investi-tionsstrategien.Wenn wir uns nicht einigenkonnten, klickte Jens kurz auf die Wohnungdes Hausmeisters.Ein Männchen mit meinemNamen erschien – und die Frage,wessen Stra-tegie wir wählten, war entschieden. Es war jasein Spiel. Die fünf Sterne haben wir danntrotzdem bekommen. Matthias Irle

Siedler

Das Spiel ist so erfolgreich,dass es sein eigenesVerb bekommen hat: siedlern.Siedlern heißt soviel wie: das Leben nachspielen. Deine eigeneKarriere mit einfachsten Hilfsmitteln undgekürzt auf vielleicht neunzig Minuten.Wasmich dabei immer fasziniert: Ich kenne keinanderes Spiel, bei dem so starke Emotionenentstehen.Man kann sich ungerecht behandeltfühlen, mit der Torschlusspanik kämpfen, tiefeGenugtuung spüren.Wie im richtigen Lebenentsteht während der Partie aber vor allem einGleichgewicht zwischen den eigenen Fähig-keiten und dem (Karriere-)Glück.Wer sich zuBeginn geschickt platziert hat (Schulabschluss),bekommt öfter wertvolle Ressourcen (Gehalt).Gleichzeitig machen die Würfel einem unmiss-verständlich klar,dass nichts im Leben sicher ist:Dank unverschämt glücklicher Würfe wie zumBeispiel dreimal Sechserpasch in Folge (un-verhoffte Anstellung) holt der Gegner auf undwird zum Konkurrenten um den Sieg (Beför-derung), auch wenn er sonst wirklich nichtskann. Sehr lehrreich ist es für mich auch im-mer zu sehen, wie meine Gegner sich verhal-ten, die ja im richtigen Leben meine Freundesind. Besonders beim Kartentausch zeigt sichnämlich die wahre Lebenseinstellung. Zwi-schen „Du musst ein Schwein sein“ (Tauschegar nicht) und dem barmherzigen Samariter(Tausche fair mit dir) gibt es alles. Siedler istdeshalb irgendwie auch ein Spiel für naive Ide-alisten, die noch nie auf das gehört haben,wasihre Mama ihnen schon immer gesagt hat. Ichbin jedenfalls meistens der barmherzige Sama-riter. Gewonnen habe ich damit allerings bis-her nur einmal. Christoph Leischwitz

Vier gewinntGeld verdienen und verlieren, Pläne schmieden und Häuser bauen, Pleite gehen undWaren kaufen – hat man doch alles schon gemacht. Und wenn alles schief ging, einfachwieder von vorne angefangen. Neues Spiel – neues Glück!

Monopoly

Auf die teuersten Straßen,auf Schlossallee undParkstraße,hatte ich es nie abgesehen. Ich hat-te beim Monopoly immer die gleiche Taktik:Die grünen und die gelben Straßen kaufen,darauf so viele Häuser und Hotels bauen wiemöglich und dann warten. Darauf, dass dasWürfelpech der anderen möglichst viele Spie-ler auf meine Straßen führte und mir die Kas-sen füllte. Manchmal kaufte ich noch zweiBahnhöfe und das Wasserwerk,vielleicht nochdie hellblauen Straßen, zum Ausruhen. AufSchlossallee und Parkstraße, mal ehrlich, dakommt man so selten drauf,dass sich die Kauf-und Baukosten wirklich nicht lohnen, jeden-falls hab ich mir das immer so gedacht. Mitmeiner Taktik bin ich selten Letzter geworden,gewonnen habe ich damit aber auch nicht oft.Das lag natürlich an meinem Würfelpech – ichmachte sehr oft und regelmäßig auf Schlossal-lee und Parkstraße Halt, ein sehr kostspieligesund zweifelhaftes Vergnügen.Meine eher durch-schnittliche Bilanz lag aber auch daran, dasssich meist einer meiner Freunde anbot, dieBank zu sein.So,wie er dann die Finanzen ver-waltete, ging nicht immer alles mit rechtenDingen zu. Richtig auf frischer Tat ertappenkonnte ich ihn selten, aber wir wussten dochimmer recht genau, dass er wohl wieder fan-tasievoll Zehntausender in eine Hand vollZweitausender gewechselt hatte: weil er im-mer grinsen musste, wenn er beschiss. Er isteinfach der schlechteste Lügner der Welt –schon immer gewesen. Aber er hat deutlichhäufiger gewonnen als ich.Auch, weil er sichSchlossallee und Parkstraße immer leistenkonnte, irgendwie. Dirk SchönlebeIll

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NACHFRAGE

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Herr Donges, warum soll ich mich fürWirtschaft interessieren?Das ganze Leben lang werden Sie geprägt vondem, was in der Wirtschaft los ist. Sie geheneinkaufen,also sind Sie Verbraucher.Wer arbei-tet, zahlt Steuern, jedenfalls sollte er das. Undschon die Diskussionen mit den Eltern um Ta-schengeld – das ist nichts anderes als ökono-misches Verhalten.Aber es hat doch nicht alles mit mir zutun, was in den Nachrichten ist.Es hat alles mit Ihnen zu tun, auch wenn vie-les vielleicht erst mal nicht so aussieht. ZumBeispiel das Mautsystem:Wenn das scheitert, istjeder als Steuerzahler davon betroffen, weildem Staat jetzt Geld fehlt.Dafür müssen dannSteuergelder benutzt werden. Jeder, der arbei-tet, ist Steuerzahler, also ist er betroffen.Auchwenn er kein Lkw-Fahrer ist oder noch nichtmal einen Führerschein hat.Ist es dann schlimm, wenn ich nicht al-les verstehe, was im Wirtschaftsteil derZeitung steht?Nein. Sie müssen gar nicht alles verstehen. Siekönnen,hoffentlich,darauf vertrauen,dass die-jenigen, die Verantwortung tragen, das schonrichtig machen werden.Das kann man mit Au-tofahren vergleichen: Sie können ja auch gutund gern Auto fahren,ohne zu wissen,wie derMotor funktioniert.Sie müssen aber sicher seinkönnen, dass alles gut konstruiert ist. Sie müs-sen sich darauf verlassen können, dass das Au-

to schneller wird, wenn Sie auf das Gaspedaldrücken,und dass Sie langsamer werden,wennSie auf die Bremse treten.Aber fahren lernen muss ich trotzdem.Ein bisschen was lernen müssen Sie über Wirt-schaft natürlich auch, sonst können Sie garnicht beurteilen, ob die Wirtschaft gut funk-tioniert.Und ob die Verantwortlichen, in ersterLinie also die Politiker, sich so verhalten, wiees für Sie gut ist.Was genau muss ich lernen?Es gibt etwas Wesentliches, fast das Einzige,wasman lernen und verinnerlichen muss: ein Ge-spür dafür, dass alles knapp ist. Alles, was wirgern haben, ist letztlich nur begrenzt vorhan-den.Und was bedeutet das?Dass auf dieser Welt nichts wie Manna vomHimmel fällt. Alles hat einen Preis, es gibtnichts umsonst.Wirklich alles?Ja. Selbst die Umwelt. Für eine gute Umweltmüssen wir etwas bezahlen.Das tun wir schon,mit der Ökosteuer zum Beispiel und dem Do-senpfand. Und da wird auch noch einiges da-zukommen, die Benzinpreise werden steigen,die Strompreise auch.Angenommen, ich sehe ein,dass alles sei-nen Preis hat. Was nutzt mir diese Er-kenntnis?Zum einen weiß man dann,dass man vorsich-tig sein muss, wenn Politiker Geschenke ver-

teilen.Wenn zum Beispiel gesagt wird, mankann umsonst in die Schule gehen, umsonststudieren,da muss man dann gleich fragen:Wiekann das sein? Irgendjemand muss das dochbezahlen. Zum anderen versteht man dann,dass Preise auch dazu dienen, unser Verhaltenzu lenken.Wenn wir etwas besonders gern ha-ben wollen,müssen wir auch dazu bereit sein,dafür zu bezahlen. Und wenn es uns zu teuerist, dann verzichten wir eben.Das geht doch aber nicht in allen Berei-chen. Auf Schule und Ausbildung zumBeispiel kann man doch nicht verzich-ten, nur weil sie vielleicht teuer sind?An der Ausbildung scheiden sich in der Tat dieGeister. Für mich ist Bildung ein Investitions-gut. Ich habe nichts dagegen, dass jemand einso genanntes Orchideenfach studiert.Aber manmuss verlangen können,dass die Jugendlichensich darüber Gedanken machen, was sie mitdiesem Studium oder dieser Ausbildung späteranfangen können. Selbst wenn jemand seinganzes Leben lang studiert,weil er daran Spaßhat, ist das vollkommen in Ordnung. Aberwenn er dann feststellt, dass er damit in derWelt nichts anfangen kann, kann er auch kei-ne Ansprüche stellen, was zum Beispiel Ar-beitslosengeld betrifft.Was ist, wenn man sich nicht schon sofrüh damit befassen will, ob einem dasoder jenes später etwas bringt?In Industrieländern,also auch in Deutschland,

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Der große Preis

Juergen B. Donges, ehemaliger Chef der Wirtschaftsweisen,spricht darüber, warum man Wirtschaft lernen kann wieAuto fahren und weshalb es besser ist, sich nicht die deut-sche Fußballnationalmannschaft zum Vorbild zu nehmen.

Interview: Dirk Schönlebe

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ist Wissen der Wachstumsfaktor überhaupt.Wersich für eine Ausbildung entscheidet,muss wis-sen,dass er eine Investition in sich selbst tätigt,in seine eigene Zukunft. Ich weiß, dass dasnicht unumstritten ist. Manche stellen ja dieso genannte Selbstverwirklichung oben an.Selbstverwirklichung ist doch gut. Wasgefällt Ihnen daran nicht?Dass viele dies zum Nulltarif wollen, also zu-lasten Dritter. Auf eigene Kosten mag jedertun, was ihm Spaß macht. Ich bitte um nichtsanderes, als dass man die Welt so sieht, wie sieeben ist. Ich weiß,dass das manchmal sehr hartund zynisch klingt. Aber ich rate dazu, sichnicht davonzustehlen und zu glauben, mankönne in einer anderen Welt leben, in einerschöneren. Die kann man gern suchen. Aberman wird sie nicht finden.Aber dann strebt man doch sein ganzesLeben nur nach Geld.Menschen sind genetisch so gestrickt, dass siedanach streben, dass es ihnen besser geht.Werin einem Job ordentlich verdient, kann sichDinge leisten – und zwar materielle und nicht-materielle –, die er sich sonst nicht leistenkönnte.Wenn die Wirtschaft gut funktioniert,entstehen Spielräume für den Einzelnen unddie Gesellschaft.Woher weiß man, welche Berufswahl ei-nem später diese Freiräume verschafft?Das ist ein ganz großes Problem. Man kannsich zwar informieren, aber im Grunde kannman es gar nicht sicher wissen. Wir wissennicht,was die Zukunft für uns bereithält.Wennjemand meint,er wisse es,nennt man das in derVolkswirtschaft „Anmaßung von Wissen“.Zum Beispiel fehlen Lehrer. Also studierenganz viele junge Leute,um Lehrer zu werden.Wenn sie fertig sind, gibt es zu viele Lehrer, sodass von denen,die neu studieren,wieder we-niger Lehrer werden wollen.So dass es dann ir-gendwann wieder zu wenige Lehrer gibt.Undes fängt von vorn an. Das Gleiche kann manan den Informatikern sehen. Das ist ein Pro-blem.Aber wie soll man darauf reagieren,wennman über die Zukunft ja doch nichts Ge-naues wissen kann?Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass manschon in den Schulen das Fundament für einemöglichst breite Ausbildung legen muss. Beieiner breiten Ausbildung steigen die Möglich-keiten, sich später erfolgreich neuen berufli-chen Herausforderungen zu stellen. Sie kön-nen etwas studieren,etwas lernen,das dann ge-rade nicht gebraucht wird, aber das Wichtigeist, dass Sie gelernt haben, Ihr Wissen auch an-ders einzusetzen. Jeder muss wissen,dass er im-

mer wieder neu lernen muss. Egal, wie gut erjetzt ausgebildet ist: Es wird nicht reichen fürdie nächsten vierzig Jahre.Was gehört zu diesem Fundament?Mathematik,weil man dort lernt,analytisch zudenken. Deutsch, weil man in der Lage seinmuss zu kommunizieren. Natürlich gängigeFremdsprachen.Und man muss lernen,dass esganz normal ist, dass sich Dinge verändern.Dass Fortschritt, das eigene Wohlergehen, dasWohlergehen meiner Familie und meinerFreunde davon abhängen, dass wir uns verän-dern können.Weil sich auf der Welt immer et-was verändert.Wenn man das nicht zur Kennt-nis nimmt, wird man überholt. Das ist wie imSport.Die deutsche Fußballnationalmannschafthat an Boden verloren, weil sie lange gedachthat, außer ihr könne nur noch Brasilien gutspielen, sonst niemand.Es gibt aber viele Jugendliche in Deutsch-land, die gut ausgebildet sind und trotz-dem keine Arbeit finden.In freien Gesellschaften gibt es keine Beschäf-tigungsgarantie. Es kann also in der Tat passie-ren,dass jemand trotz einer wunderbaren Aus-bildung keine Arbeit findet.Dann darf er nichtresignieren.Was soll er tun?Drei Dinge: Erstens sich umschauen, ob das,was er gelernt hat,nicht auch anderweitig ver-wendbar ist. Zweitens nicht an einem be-stimmten Ort festhalten.Wenn man in Bayernoder Berlin nichts findet,dann vielleicht in denUSA oder in Polen oder in Südamerika. Ichweiß, dass das nicht leicht ist, jeder hat ja seinsoziales Umfeld, seine Wurzeln. Drittens: Fle-xibel sein bei den Ansprüchen, was man ver-dienen will. Lieber am Anfang auf etwas Geldverzichten und dafür den Fuß in die Arbeits-welt bekommen, dann kann man zeigen, wasman kann.Es kann aber nicht jeder wegziehen.Undeinige haben vielleicht auch einfach nurPech.

Mit Härtefällen kann man immer umgehen.Das kann man regeln und das muss man auchregeln. Genau aus diesem Grund gibt es inDeutschland hoch entwickelte Sozialversiche-rungssysteme, zum Beispiel mit einer Arbeits-losenversicherung. Ich will das Problem garnicht verharmlosen, aber man muss sich auchklar machen, dass sich die wirtschaftliche La-ge auch wieder zum Besseren ändert.Kann ein Einzelner diese wirtschaftlicheLage beeinflussen?Nein.Es gehört zu den Gesetzmäßigkeiten desWirtschaftens, dass es immer ein auf und abgibt. Das kann man schon in der Bibel nach-lesen:Auf sieben fette Jahre folgten sieben ma-gere. Das muss man so nehmen, wie es ist. Dadarf man sich auch nicht beeinflussen lassenund erschrecken, wenn man eine Ausbildungmacht und hört,dass alles schlecht läuft.Es gehtauch wieder nach oben.Aber man weiß nicht, wann.Stimmt.Das kann einem Angst machen.Angst darf man nicht bekommen. Man musssich sagen: Ich werde damit fertig. Man musssich klar machen, dass die meisten von demauf und ab, den Konjunkturzyklen, nicht ne-gativ betroffen sind. Diejenigen, die keine Ar-beit, keine Lehrstelle haben, sind ein kleinerTeil.Das hilft dem wenig, der arbeitslos ist.Erst mal nicht. Aber er kann die drei Rat-schläge beherzigen,die ich vorher genannt ha-be.Denn dass gleichzeitig überall auf der Weltdas, was er kann, gerade nicht gefragt ist, istsehr ungewöhnlich.Das sind die Chancen derGlobalisierung.Was genau ist denn Globalisierung?Länder verzahnen sich wirtschaftlich, über al-le möglichen Kanäle: Handel, Investitionen,Finanzen,Wanderung von Menschen. Dafürhat man den Sammelbegriff Globalisierung ge-prägt. Neu im Vergleich zu früher ist, dass dieVerzahnung der Länder, dieses Zusammen-

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Ich wundere mich, dass die Jugendlichen sich das so gefallen lassen und dagegen nicht härter protestieren.

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wachsen, sehr viel schneller vonstatten geht.Das klingt doch nach Fortschritt.Trotz-dem gibt es viele Kritiker der Globalisie-rung.An der Globalisierung nehmen alle teil, auchdie Globalisierungskritiker.Die tragen in Hong-kong fabrizierte Turnschuhe, Jeans aus China,telefonieren mit einem deutschen Handy inder ganzen Welt und verabreden sich über dasInternet. Das ist doch nichts anderes als prak-tizierte Globalisierung.Ihre Kritik kann trotzdem gerechtfertigtsein.Zum Beispiel die,dass nicht alle vonder Globalisierung profitieren.Es profitieren nicht alle gleich,das stimmt.Abernichts auf der Welt ist für alle gleich.Das ist wiebei Autos unterschiedlicher PS-Stärke,die voreiner Bahnschranke warten, weil ein Zugkommt. Da sind die Abstände zwischen allenAutos gleich.Wenn die Schranke hochgehtund die Autos losfahren,werden die Abständegrößer.Weil einige Autos mehr PS haben,weileinige Fahrer aggressiver fahren.So ist es auchin der Wirtschaft. Es gibt tüchtige und weni-ger tüchtige, fleißige und weniger fleißige, ta-lentierte und weniger talentierte Menschen.Die Globalisierung schafft da nichts Neues.DieMenschen sind nun mal unterschiedlich.Des-wegen gibt es auch immer Ergebnisungleich-heit. Auch hier versuchen wir ja, diese Un-gleichheiten zu einem gewissen Teil wiederauszugleichen.Deshalb nennen wir unser Sys-tem ja auch „soziale Marktwirtschaft“ undnicht nur „Marktwirtschaft“.Sind dann diejenigen, die nicht von derGlobalisierung profitieren, selbst schuld?Nein. Mit Schuld hat das nichts zu tun. Daskann zwei Gründe haben. Entweder investie-ren sie weniger Zeit und Arbeit als andere,daskann man ja selbst entscheiden.Oder man hateinfach nicht das Zeug dazu, das Talent, oderist zum Beispiel gesundheitlich eingeschränkt.Die sind auch nicht schuld, die können ebennicht anders. Diesen Menschen muss die Ge-sellschaft helfen.Außerdem muss man bei derGlobalisierungsdiskussion eines beachten: Esgibt eine Reihe von Tätigkeiten, die von derGlobalisierung gar nicht betroffen sind, näm-lich alles,was mit nicht handelbaren Gütern zutun hat.Als Friseur zum Beispiel, als Wirt, alsFitnesstrainer behelligt mich die Globalisie-rung gar nicht.Berufswahl,Ausbildung, Preise, Globali-sierung ja oder nein – wie soll man sichda noch zurechtfinden?Die Dinge werden in der Wahrnehmung im-mer komplexer, aber ich glaube, sie sind garnicht so komplex. Ich habe das ja nicht von

ungefähr auf die einfache Formel von derKnappheit und dem Preis gebracht.Die Volks-wirtschaftslehre ist im Grunde nichts anderesals die Lehre von der Knappheit.Leider habendie Menschen das Gefühl, auch weil ständigvon Reformen, Problemen und wieder Re-formen die Rede ist, „die Wirtschaft“ sei eineSache, die riesig ist, nicht zu durchschauen.Zudem muss man offen sagen: Die Jugendli-chen sind in einer sehr schwierigen Situation.Warum?Der Wohlfahrtsstaat von heute mit all seinenLeistungen ist nicht mehr finanzierbar. Dazukommt, dass der Wohlfahrtsstaat durch einUmlagesystem finanziert wird und immer we-niger junge Menschen einzahlen für immermehr alte Menschen, die Geld bekommen.Zum Wohlfahrtsstaat gehört, dass sehr vieleLeistungen an den Einzelnen gewährt wer-den. Daran hat man sich gewöhnt und jetzterwarten die Menschen, gerade die jungen

Menschen, dass der Staat eingreift und ir-gendwie alles regelt.Aber wo ist das Problem?Es ist eine hohe Anspruchserwartung entstan-den. Und wenn die Ansprüche dauernd stei-gen, muss das finanziert werden: über Beiträ-ge oder Steuern. Die Jugendlichen von heutebekommen die Rechnung präsentiert: Siemüssen zweimal zahlen. Einmal das Bisherigeweiterfinanzieren, für das sie später nicht mehrso viel rausbekommen.Zum zweiten sagt manihnen deshalb, sie müssen sich privat um eineVorsorge kümmern. Das ist das, was wir denJugendlichen hinterlassen haben.Wie sollen die mit diesem Erbe umge-hen?Ich wundere mich, dass die Jugendlichen sichdas so gefallen lassen und dagegen nicht här-ter protestieren.

Mitarbeit: Sandra Schmid

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Juergen B. Donges, 63, ist Ko-Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Kölnund hat den Lehrstuhl für wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universiät Köln inne.Von 1992bis 2002 war er einer der fünf „Wirtschaftsweisen“ – als Mitglied und am Ende als Vorsitzender desSachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Donges, der in Se-villa geboren wurde und in Madrid aufwuchs, befasst sich vor allem mit Fragen der Europäischen Uni-on sowie der Konjunktur-,Wachstums- und Außenwirtschaftspolitik. Für das Finanzministerium er-stellte er eine Studie zur Globalisierungskritik. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

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Meine Mutter wollte,dass ich reich werde.Siehatte ein Buch gelesen,in dessen Titel die Wort-paare „Millionär werden “ und „jeder kann“vorkamen. Das Zauberwort der dreihundertSeiten war „Aktienfonds“ und das Geheim-nis, das verraten wurde, ging so: Lege vierzigJahre lang jeden Monat Geld in einen Aktien-fonds.In vierzig Jahren bist du dann zwar stein-alt, aber auch steinreich. Meiner Mutter gefieldas, mir war es egal. Ich hatte gerade meinenZivildienst begonnen, bekam 600 Mark imMonat und fühlte mich wie ein gemachterMann.Ich trug einen Protestbart am Kinn undhatte keine Lust, mit meiner Mutter überGeldanlagen zu sprechen.Aber meine Mutterist eine patente Frau.Sie machte einen Terminmit Frau Fröhlich von der Bank aus.Für mich.Das war im Sommer 1999.Frau Fröhlich war ganz nett. Sie sagte, ein Ak-tienfonds sei wie ein Stall, in dem eine Men-ge Pferde stehen. In einen Fonds zu investie-ren sei viel sicherer als in eine einzelne Aktie,da man eben nicht nur auf ein Pferd setze.Unddass plötzlich alle Pferde krank würden,das seija sehr unwahrscheinlich. Das leuchtete mirein. So ein Aktienfonds bringe viel mehr Er-trag als ein Sparbuch und das Geld sei jeder-zeit verfügbar,erklärte Frau Fröhlich mir noch.Sie hatte mindestens hundert Fonds im Ange-bot.Es gab solche, in denen nur technische Fir-men waren oder nur Firmen aus Taiwan,es gabreine Internetfonds und ganz viele,die das Wort„Dynamic“ im Namen trugen. Ich wählte ei-nen Fonds mit großen internationalen Firmen,von denen ich ein paar kannte, Microsoft undSchering zum Beispiel. „Sehr sicher!“, sagteFrau Fröhlich dazu und gemeinsam sahen wiruns die historische Entwicklung meines Fondsan. Er war 1960 aufgelegt worden und hatteseinen Wert seitdem um 500 Prozent gestei-gert.Das hörte sich nicht nur gut an, für michklang das extrem nach einer Million.Von die-sem Tag an wurden jeden Monat von meinemKonto 100 Mark abgebucht, später waren es 51Euro. Das war fast der geringste Betrag, dendie Fondsgesellschaft akzeptierte,aber für mich

war es viel Geld. In den ersten Monaten such-te ich noch im Börsenteil der Zeitung nachmeinem Fonds, aber ich sah dort immer Zah-len, die ich nicht verstand. Also ließ ich dasbald bleiben.Zwei Jahre später hielten sich alle den Kopf,wenn sie Börsennachrichten hörten. Ob ichdenn auch spekuliert hätte,wurde ich gefragt.Ich schwieg und dachte an Frau Fröhlich unddie Pferde im Pferdestall.Wahrscheinlich wa-ren sie nun doch alle krank geworden.Wennich jetzt mit meiner Mutter telefonierte,riet siemir besorgt,die Zahlungen in den Aktienfondseinzustellen und doch lieber einen Bauspar-vertrag zu eröffnen. Ich versprach ihr,etwas zuunternehmen, tat aber nichts, es war mir vielzu anstrengend. Frau Fröhlich in ihrer Bankwar gerade weit weg von meinem Leben undso ließ ich alles, wie es war. Immer am Endeeines Jahres bekam ich einen Brief. Darin lagein gefaltetes Papier mit vielen Zahlen undBegriffen,zum Beispiel: Ausgabeaufschlag 5 %,Anteil 0,691,Zwischengewinn 0,00 EUR,Ge-samtausschüttung 19,49 EUR.Und so weiter.Ganz unten stand noch das Wort Depotwertund dahinter eine Zahl,die mir jedes Jahr ma-ger erschien. Ende 2003 las ich dort 2 075EUR. Diesmal heftete ich den Brief nicht so-fort ab,diesmal rechnete ich nach.Hätte ich inden letzten vierzig Monaten das Geld einfachin eine Kiste unter meinem Bett gelegt,wärenda jetzt 2 040 Euro.Mein Fonds hat also in vierJahren nur 35 Euro für mich erwirtschaftet.Eslief etwas falsch. Ich rief Frau Fröhlich an. Siewollte,dass ich Geduld habe. Ich fand,dass ichfür 35 Euro in vier Jahren genug Geduld ge-zeigt hatte.Wir machten einen Termin aus.Frau Fröhlich war immer noch ganz nett. Icherzählte von meiner Rechnung und der Kiste

unter meinem Bett. Sie nickte und sagte, dassso ein Fonds natürlich immer ein Risiko sei.Sie zeigte mir eine Risikotabelle. Mein Fondswar dort mit einem gelben Punkt markiert,dasbedeutete: erhöhte Wertschwankungen. Ichhatte das anders in Erinnerung. Ob ich besserausgestiegen wäre, fragte ich, ob meine ängst-liche Mutter Recht hatte und ob ich jetztschnell aussteigen solle? Frau Fröhlich wehrteab, auf keinen Fall sollte ich das. „In derschlechten Zeit, als die Aktien billig waren,ha-ben Sie für Ihre 51 Euro mehr Anteile einkau-fen können als jetzt,wo die Kurse wieder stei-gen.“ Sie deutete auf die Zahl hinter dem Wort„Anteil“ in meiner Abrechnung. Ich hatte al-so jeden Monat ein bisschen mehr Anteile vonMicrosoft, Schering und den anderen gekauftund in mein Depot geschleppt. Je mieser dieKurse waren, desto mehr bekam ich davon.Jetzt sollte ich darauf warten, dass die Kursewieder steigen. „Sie hatten Pech, Sie sind amHöhepunkt eingestiegen und dann ging es nurnoch bergab.“ Das war es also, mein persönli-ches Problem mit der Börse.Deswegen nur 35Euro in vier Jahren.Frau Fröhlich wollte mich aufheitern. Sie füt-terte einen Modellrechner mit meinen Datenund einer „ganz pessimistischen“ Entwick-lungsprognose.Demnach hätte ich in zwanzigJahren fast 30000 Euro in meinem Depot.Ein-gezahlt wären davon aber nur 14 000 Euro,derRest wäre Gewinn, Rendite, Freude. Das wä-re ganz gut,auf einem Sparbuch bekäme ich inder gleichen Zeit nur etwa 3 500 Euro Zin-sen.Aber eine Million ist es eben auch nicht.Daheim gab ich selbst eine optimistische Wert-entwicklung in den Modellrechner ein.Außer-dem erhöhte ich meinen monatlichen Beitragfür die Rechnung noch auf 100 Euro.Wäre jadenkbar. In 25 Jahren, ich wäre dann 49 Jahrealt, könnte ich mir eine Viertelmillion Eurovon der Bank abholen. Eingezahlt hätte ichaber nur 32000 Euro.Das ist zwar immer nochnicht die Million, aber doch eine gute Alters-vorsorge.Wenn nur die Pferde bis dahin alle ge-sund bleiben.

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Wer wird hier Millionär?Alle raten, schon jetzt an die Altersvorsorge zu denken. Dies ist die Geschichte

von einem, der genau deswegen auszog, die Aktienmärkte zu erobern. Und der gerade ein bisschen hinterherhinkt, weil die Pferde krank wurden.

Text: Max Scharnigg

GLÜCKSFORMEL

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Mit kranken Pferden sollte mansich nicht anlegen. Dann klappt es

vielleicht mit der Million.

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AUFSTIEGSKANDIDATEN

Eine Freundin der FamilieAn der Handelshochschule in Leipzig werden die Führungskräfte von morgen ausgebildet. Julia Wiedmann ist eine von ihnen.

Text und Foto: Dana Toschner

Erfolg ist sächsy“, behauptet der Aufkle-ber, der an einer Tür im Erdgeschossprangt. Julia Wiedmann spricht Hoch-

deutsch,nicht Sächsisch,aber der Spruch meinttrotzdem sie:Die 25-Jährige sieht gut aus,wirktselbstsicher und weiß,wohin sie möchte:nachoben. Sie ist auf dem besten Weg.Die gebürtige Heidelbergerin hat an der Han-delshochschule in Leipzig,der HHL,gerade ihrBetriebswirtschaftsstudium mit dem Schwer-punkt Unternehmensführung abgeschlossen.Die HHL hat einen guten Ruf – hier werdendie Topmanager von morgen ausgebildet.„Ichmag das Wort Elite nicht“, sagt Julia.„Aber ichglaube, dass viele von uns motivierter sind alsder Durchschnittsstudent. Es kommt vor, dasswir mal die Nacht durchmachen,wenn wir in-tensiv an einem Projekt arbeiten.“ Die Biblio-thek und der Computerraum sind täglich 24Stunden geöffnet.Wer an der HHL studieren will, der muss dreiMonate Praxiserfahrung und ein überdurch-schnittliches Vordiplom sowie sehr gute Eng-lischkenntnisse, die vor der Aufnahme geprüftwerden, mitbringen. Julia hat ihr Grundstudi-um an der Universität Passau gemacht, sie kanndaher die Bedingungen an einer staatlichenHochschule mit denen an der HHL verglei-chen. „Da musste ich mit mehreren hundertLeuten in einem Hörsaal sitzen“, sagt sie. „Ander HHL sind etwa dreißig Leute in einer Vor-lesung,wir arbeiten in Gruppen und es kommteine echte Interaktion zustande.“ Während esan der staatlichen Uni wegen fehlender Semi-narplätze schwierig sei, in der Regelstudienzeitfertig zu werden, schließt man das Hauptstu-dium an der HHL in vier Semestern ab.Den größten Vorteil der HHL aber sieht Juliain der intensiven Betreuung durch die Do-zenten – auf jeden von ihnen kommen nurfünf Studenten. „Die Professoren kennen un-sere Namen, wir haben ein freundschaftliches

Verhältnis, und wenn ich ein Problem habe,klopfe ich einfach an die Tür.“ Einmal im Mo-nat veranstaltet die HHL zudem ein Frühstück,bei dem sich die Studenten mit ihren Profes-soren und den Assistenten unterhalten kön-nen. Außerdem wird jedem Studenten einMentor zur Seite gestellt,der Fragen zum Stu-dium und zur Karriere beantwortet.„Wir sindwie eine Familie,die HHL-Family,auch wenndas ein bisschen theatralisch klingt“, sagt Julia.Zu dieser Familie gehören auch die ehemali-gen Studenten,die inzwischen in großen Un-ternehmen arbeiten und im Alumni-Verein or-ganisiert sind. „Wer einen Praktikumsplatzoder einen Job sucht, der ruft einfach einenEhemaligen an und fragt,ob es sinnvoll ist, sichzu bewerben.“Die HHL kümmert sich darum, ihren Stu-denten Kontakte für einen erfolgreichen Be-rufsstart zu vermitteln: Jedes Jahr präsentierensich etwa dreißig Firmen in der HHL den Stu-denten, rechtzeitig vor dem Studienabschlusserstellt die Hochschule ein Jahrbuch mit Kurz-darstellungen der Studenten, das an mehr als600 Unternehmen verschickt wird.Wer von diesem idealen Umfeld profitierenwill, muss pro Semester 4 000 Euro Studien-gebühren zahlen. Julia hatte Glück, sie bekamdas Geld von ihrer Mutter, die meisten ihrerKommilitonen mussten einen Kredit aufneh-men.Aber die Schulden, die sich so nach vierSemestern anhäufen, beunruhigen die Absol-venten kaum.„Sie sind alle entspannt,weil siewissen, dass sie einen guten Job bekommenwerden.“ Nach einer Statistik der HHL liegtdas durchschnittliche Jahres-Einstiegsgehalt ih-rer Absolventen rund 11 000 Euro höher alsdas jener Studenten, die von einer staatlichenUni kommen.Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lagescheint für Absolventen der HHL der Wegnach oben programmiert zu sein. Julia bekam

schon vor ihrem Diplom ein Angebot von ei-ner amerikanischen Unternehmensberatung,bei der sie seit März arbeitet. Die Firma hatteeinige Bewerber zu einem Eignungstest ein-geladen, die im Team einen Ausweg aus einerProblemsituation finden sollten. Für Julia wardas einfach: Im Studium hatte sie gemeinsammit ihren Kommilitonen oft Lösungsvorschlä-ge für reale Unternehmensprobleme entwickelt.„Wenn man so etwas schon trainiert hat, istman in der Bewerbungssituation einfach sou-veräner“, sagt Julia, „wahrscheinlich haben siemich deshalb genommen.“

☞Mehr zur HHL unter: www.hhl.de

Julia ist seit März Unternehmensberaterin.

Handelsschule_geld 17.03.2004 11:54 Uhr Seite 2

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Frau Schwermer, wie fühlt sich ein Fünfeuroschein an?Keine Ahnung. Ich fasse niemals Geld an.Wie zahlen Sie dann Ihr Essen oder Ihre Miete?Ich hüte Häuser von Leuten, die verreist sind, oder passe auf Kin-der auf,wenn ihre Eltern ausgehen möchten.Dafür bekomme ichein Bett, ein Abendessen und ein Frühstück. Ich übernachte jedenTag woanders.Essen hole ich mir oft bei einem Bioladen,der ver-schenkt die älteren Produkte, die keiner mehr kaufen will.Warum leben Sie ohne Geld? Zuerst war es ein Selbstversuch. Ich wollte beweisen,dass das geht.Dann merkte ich, wie sehr ich durch diese Lebensform gewinne.Seitdem lebe ich nur vom Tausch.So sind Sie immer abhängig von anderen Leuten.Am Anfang hatte ich auch das Gefühl, dass ich den Menschen zurLast falle.Aber jetzt fühle ich mich viel unabhängiger als früher.Ich kann machen,was ich will, und mir jeden Morgen überlegen,was ich heute tun werde.Geld isoliert.Wenn ich jetzt etwas habenwill, muss ich immer verhandeln, dabei lerne ich viele liebens-würdige Menschen kennen. Ich habe mir in den acht Jahren eingroßes Netzwerk von Menschen aufgebaut, die mir helfen.Haben Sie manchmal das Gefühl, andere auszunutzen?Nein. Ich bringe ja immer eine Gegenleistung. Jeder kann etwas,was einem anderen nützt.Kann dann auch ein 18-Jähriger ohne Geld leben?Natürlich. Junge Menschen können so viel anbieten:Wohnung re-novieren, beim Umzug helfen oder Englischunterricht geben.Wie müsste man ein Leben ohne Geld planen?Von heute auf morgen geht das nicht. Zuerst sollte man versu-chen, mit wenig Geld zu leben. Dann muss man sich überlegen:Brauche ich noch eine Wohnung? Wo kann ich Essen bekommen?Man sucht nach Tauschringen, baut sich ein Netzwerk auf. Ir-

gendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man endgültig ohneGeld leben kann. Und man muss sich etwas suchen, das man tunmöchte. Ich zum Beispiel habe ein Buch geschrieben, halte Vor-träge, kümmere mich um alte Damen, die einsam sind und bera-te Menschen.Man muss etwas Sinnvolles finden.Sonst funktioniertdas Leben ohne Geld nicht.Mit welchen Schwierigkeiten muss man rechnen?Manche Leute, die einem etwas Materielles anbieten, behandelneinen von oben herab. Da kann es schnell passieren, dass man sicherniedrigt fühlt. Ein 18-Jähriger, der sich für dieses Leben ent-scheidet, sollte nicht schüchtern sein und ein gesundes Selbstbe-wusstsein haben.Kann ich ohne Geld leben und trotzdem auf Partys oderins Kino gehen?Natürlich. Eine Zeit lang wollte ich unbedingt ins Theater. BeimTauschprojekt „Gib und Nimm“,wo ich engagiert bin,kannte icheinen Beleuchter.Der hat mich öfter mitgenommen,zu ihm nachoben an die Lichtanlage. Ich hatte den besten Blick auf die Büh-ne.Und ich habe eine Sauna gefunden,wo ich kostenlos hinkann.Alles, was ich machen möchte, kann ich machen.Aber man muss die richtigen Leute kennen.Stimmt. Das braucht ein bisschen Zeit, aber es klappt.Was machen Sie,wenn Sie mal die Treppe runterfallen? Siesind ja nicht krankenversichert.Das ist schwierig. Ich war acht Jahre nicht beim Zahnarzt undzwanzig Jahre nicht bei einem normalen Arzt.Zum Glück war ichbisher fast noch nie krank.Wenn ich mir etwas brechen würde,wüsste ich nicht, was ich machen sollte. Beim Treppensteigen binich jedenfalls sehr vorsichtig.

☞Mehr Informationen unter: www.free.de/gibundnimm

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WER WILL TAUSCHEN?Heidemarie Schwermer (62) arbeitete früher alsLehrerin und Psychotherapeutin. Vor achtJahren entschloss sie sich, ohne Geld zu leben.Wir trafen sie in einem Büro in Dortmund, indem sie sich tagsüber aufhalten kann.

Interview: Jan KeithFoto: Dominik Asbach

Mit einem gesunden Selbstvertrauen: Heidemarie Schwermer.

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AUSSICHTSPUNKT

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Die Ich-ExpertenWer lange vergeblich Arbeit sucht, hat sicher andere Sorgen, als über seinen Traumberufnachzudenken. Hauptsache, er verdient Geld.Wer allerdings die ersten Schritte in die

Berufswelt noch vor sich hat, den bewegen vermutlich andere Vorstellungen. Die deckensich selten mit dem, was Fachleute aus Politik und Wirtschaft empfehlen.

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Es ist ein erhabenes Gefühl der Freiheit.Kei-ne Verpflichtungen, keine Bio- oder Latein-stunden, keine Hausaufgaben mehr. DieSchule liegt hinter dir. Deine Zukunft brei-tet sich vor dir aus wie ein weißes Blatt Pa-pier, das du nach deinen Regeln und Wün-schen beschreiben darfst: Du könntest umdie Welt reisen, studieren,ein Buch schreibenoder Bäume pflanzen. Du könntest in eineAltbau-WG nach Berlin-Mitte ziehen oderauf einem Bauernhof arbeiten. Es ist deineZukunft.Es gibt Menschen, die sich täglich mit derZukunft befassen – auch mit deiner: Politi-ker machen Pläne und du musst dich auf das

einrichten, was sie Agenda oder Konzeptnennen. Das, was du auf dein weißes BlattPapier schreiben könntest, wird von Ihnenbehandelt, als wäre es ein inhaltsleerer Vor-gang. Ihnen geht es nicht um Berufe oderBerufung, ihnen geht es lediglich um Be-schäftigung.Nicht zufällig ist von „Beschäf-tigungspolitik“ die Rede. Ganz so, als wäreein Beruf eine bloße Tätigkeit, um die Zeitzwischen Frühstück und Abendessen tot-zuschlagen. Ganz so, als wäre nur wichtig,dass gearbeitet wird, und nicht mehr, was.Was sich gerade noch erhaben und einmaliganfühlte, wird so gewöhnlich und eintönig.Die immer gleichen Stationen werden dirauf deinem Papier vorgezeichnet: Schule,Ausbildung, Studium, Beruf, Rente.Wennnichts dazwischenkommt,wird aus dem,wasein großer Lebensplan sein könnte, ein klei-nes Wort mit begrenzter Haftung: das Nor-malarbeitsverhältnis,dein fester Arbeitsplatz.

Die meisten Väter – und manchmal auchMütter – in Familienserien im Fernsehen ar-beiten so:Sie stehen morgens um sieben Uhrauf, gehen zur Arbeit und kommen am spä-ten Nachmittag wieder nach Hause. „Nineto five“-Job nennt man das. Ihre Arbeitszeitwird aufgeschrieben, vielleicht auf einerStempelkarte,vielleicht notiert sie ein Com-puter. Jeden Tag. Fünf Tage die Woche. DieAbende gehören der Familie und den Freun-den. Die Wochenenden auch. Gearbeitetwird in einem Büro, die Kollegen sind nettbis nervig und im Sommer fahren alle in denUrlaub.Im wirklichen Leben gewöhnen sich viele

Arbeitnehmer gerade an andereTagesabläufe: Flexibilität undVertrauen sind die Stichworte,die die Arbeitswelt radikal ver-ändern. Zum einen gibt es invielen Firmen so genannte Ar-beitszeitkonten,auf denen Über-stunden wie Geld auf einemSparbuch gespart und später in

Freizeit getauscht werden.Zum anderen ha-ben einige Firmen die so genannte Vertrau-ensarbeitszeit eingeführt.Bei Siemens Deut-schland arbeiten zum Beispiel 50 000 der180 000 Beschäftigten so: Sie haben keineStempelkarten, sie müssen ihre Arbeitszeitgar nicht erst aufschreiben.Wichtig ist nur,dass ihre Arbeit pünktlich erledigt wird – zurNot in der Freizeit.Aus der Siemens-Perso-nalabteilung heißt es dazu: „Unsere Mitar-beiter haben Laptops, mit denen sie auf dasFirmennetz zugreifen können. Sie steckensie im Hotel oder zu Hause in die Steckdo-sen und dann arbeiten sie.“ Ein besonderesGefühl der Freiheit, selber entscheiden zukönnen,wann man arbeitet? „Eine gefährli-che Freiheit“, sagt Hartmut Seifert, Leiterdes Wirtschafts- und SozialwissenschaftlichenInstituts der Hans-Böckler-Stiftung (WSI).Er spricht von einer „stillen Revolution“ aufdem Arbeitsmarkt.Offensichtlich wird durch

die Vertrauensarbeitszeit ein Teil des unter-nehmerischen Risikos auf die Beschäftigtenverlagert, ohne sie an der Risikoprämie desUnternehmens zu beteiligen.Was frei undselbst bestimmt klingt, kann in Wahrheit zurAbschaffung der Freizeit führen.Man entfernt sich zwar körperlich vom Ar-beitsplatz, aber der Job kommt immer mit.Das Gefühl der Freiheit und der Selbstbe-stimmung wird getauscht gegen die Freiheitder permanenten Arbeit. „Gesteuerte Auto-nomie“ nennt Eckart Hildebrandt diesezwiespältige Freiheit. Der Politikwissen-schaftler ist Mitautor einer Studie, in der indiesem Frühjahr die Auswirkung von Ar-beitszeitkonten untersucht wurde. In demPrinzip, Mehrarbeit anzusparen und späterals Freizeit auszugleichen, sieht Hildebrandteine „Vereinnahmung der Beschäftigtendurch die Unternehmen“. Für die Studiehatten die Forscher des Wissenschaftszen-trums für Sozialforschung in Berlin 15 Ma-nager und über siebzig Beschäftigte in fünfFirmen nach dem Sinn von Arbeitszeitkon-ten befragt. Das Ergebnis ihrer Untersu-chung:Wenn der gewohnte Tagesablauf ver-ändert wird, zum Beispiel durch Überstun-den,nutzt das vor allem den Firmen.Der All-tag der Angestellten „gerät unter einen enor-men Organisations- und Gestaltungsdruck“,erklärt Hildebrandt. „Flexible Arbeitszeit-modelle führen weder automatisch zu höhe-rer Zeitsouveränität noch zu höherer Le-bensqualität.“ Soll man mehr arbeiten oder sollenmehr arbeiten? In Deutschland sind derzeit mehr als vierMillionen Menschen arbeitslos. Trotzdemsollen die, die einen Job haben, mehr Arbeiterledigen. In Politik-Talkshows und in denNachrichten wird häufig die Forderung ge-stellt: Mehr arbeiten! Das „mehr“ beziehtsich nicht auf mehr Menschen, sondern aufein Mehr an Stunden: „Wir müssen unserewöchentliche Arbeitszeit um bis zu dreiStunden verlängern“, forderte zum BeispielEdmund Stoiber unlängst. Dass in einigenBereichen bereits nach dem Prinzip der Ver-trauensarbeit gearbeitet wird,dass ein Zählender Arbeitsstunden also gar nicht mehr über-all greift, sagte Stoiber nicht.Mehr Arbeit verlangt auch der ÖkonomHans-Werner Sinn. Er ist Chef des Institutsfür Wirtschaftsforschung (ifo) in Münchenund will, dass Arbeitnehmer rund zehn Pro-zent mehr arbeiten, ohne dafür mehr Lohnzu bekommen. Nur so, sagt Sinn, könnten

AUSSICHTSPUNKT

Text: Dirk von Gehlen

Gearbeitet wird im Büro, die

Kollegen sind nett bis nervig.

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die Lohnnebenkosten sinken. Diese Lohnne-benkosten sind deshalb so häufig in den Nach-richten, weil sie offenbar dazu führen, dassneue Arbeitsplätze nicht in Deutschland, son-dern im Ausland geschaffen werden. In ande-ren Ländern sind nicht nur die Löhne niedri-ger. Dort müssen die Arbeitgeber zusätzlichzum Gehalt ihrer Angestellten weniger Geldfür Krankenversicherung und Steuern bezah-len.Ein Wettbewerbsnachteil für Deutschland.Aber der Standort Deutschland hat noch einweiteres Problem:Seine Bewohner sind zu alt.In nicht mal dreißig Jahren wird jeder,der hierarbeitet, mit seinem Gehalt für einen Rent-ner aufkommen müssen. Derzeit finanzierenzwei Arbeitnehmer die Pension eines Ruhe-ständlers.Weil die Menschen aber immer äl-ter werden und immer weniger Kinder zurWelt kommen, wird sich das Verhältnis in dennächsten Jahren weiter verschlechtern. Es seidenn, mehr junge Menschen würden inDeutschland arbeiten und in die Rentenkas-se einzahlen. Dabei ist es egal, ob sie hier ge-boren wurden oder nach Deutschland ein-wandern.Eine Expertenkommission der Bundesregie-rung hat sich im vergangenen Jahr aber eineLösung ausgedacht,die vor allem auf etwas an-

deres setzt: Die Men-schen sollen später inRente gehen – statt wiebisher mit offiziell 65

Jahren in Zukunft erst mit 67 Jahren. Ge-sundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nann-te diesen Vorschlag „vernünftig“.Aber schau dich mal um: Deine Eltern undGroßeltern sind wahrscheinlich schon einigeZeit im (Vor-)Ruhestand,wenn sie 65 Jahre altwerden.Auch in den Familien deiner Freun-de wirst du kaum jemanden finden, der mit65 Jahren noch arbeitet. Im Durchschnitt ge-hen deutsche Arbeitnehmer über zwei Jahrevor ihrem 65sten Geburtstag in Rente. Dassviele Politiker trotzdem von der Rente mit 67reden,hat einen einfachen Grund:Wer längerarbeitet,nimmt seine Rente später und wahr-scheinlich nicht so lange in Anspruch.Das solldie Rentenkassen entlasten.Trotzdem schickenviele Firmen ihre Arbeitnehmer schon vordem 65sten Geburtstag in Rente.Für deine Zukunft gibt es nur einen Ex-perten: dich selber.Zu den Zahlen, die Politiker in der Öffent-lichkeit gern benutzen, gehört auch die derIch-AGs. Sie wird von Politikern häufig ge-nannt, um mehr Selbstständigkeit zu fordern:Mehr als 40 000 Menschen haben im vergan-genen Jahr eine so genannte Ich-AG gegrün-det.Diese Menschen sollen ihr Leben wie ei-ne Firma steuern.Sie haben sich mit staatlicher

Hilfe selbstständig gemacht – mit unterneh-merischen Risiken und mit mehr Verantwor-tung, zum Beispiel für die eigenen Arbeitszei-ten.Niemand fragt danach,wann sie kommenund gehen.Das klingt nach erhabener Freiheit.Die beruhigende Routine eines „Nine to five“-Jobs werden die Ich-AG-Gründer abernicht erleben.Sie müssen erst mal selber sehen,wie sie ihr Frühstück und ihr Abendbrot zah-len können, wenn sie keine Aufträge haben.Oder wenn sie krank sind. Eigenverantwort-lich sein heißt auch, sich zunächst selbst hel-fen müssen. Plötzlich wirkt das weiße Blattwie ein unübersichtliches,viel zu großes Feld,das du allein bearbeiten musst.Aus der Freiheitist eine Verpflichtung geworden.Das Stimmengewirr,das aus den Medien zu dirdringt und dir Tipps für die Zukunft der Ar-beit, deiner Arbeit, gibt, ist schwer zu verste-hen. Jedes neue Konzept, jede neue Agendahinterlässt Ratlosigkeit und taugt kaum zurOrientierung. Das muss vielleicht aber garnicht sein. Denn was als Masterplan und Kö-nigsweg verkauft wird, ist meist nicht mehr alsein Vorschlag. Eine Variante, wie du es auchmachen kannst. Manchmal durchdacht undklug, manchmal aber auch nur dazu da, eineTalkshow zu füllen oder einen Politiker in dieNachrichten zu bringen. Die Entscheidung,was du tust, liegt zunächst mal bei dir. Dennfür deine Zukunft gibt es nur einen wirkli-chen Experten: dich selber.

Niemand fragt danach,wann sie kommen undgehen. Das klingt nacherhabener Freiheit.

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Dann läutet die Glocke. Surrend springt derVideobeamer an. Die grüne Wandtafel ver-schwindet hinter bunten Bildern. Es ist neunUhr dreißig,die zweite Schulstunde.Im Raum203 des Nymphenburger Gymnasiums inMünchen sitzen sechzig Schüler der Kolleg-stufe,manche haben abwartend die Arme ver-schränkt, ein paar gähnen noch.Vor der be-leuchteten Tafel steht ein älterer Herr im An-zug,mit Krawatte und Einstecktuch,und war-tet darauf, dass Ruhe einkehrt. „Guten Mor-gen. Ich weiß, es ist früh, aber ich bin auchschon seit Stunden unterwegs“, sagt August-Wilhelm Scheer, Professor für Wirtschaftsin-formatik in Saarbrücken und Gründer derSoftwarefirma IDS Scheer. Der 62-Jährigespricht an diesem Tag vor den Schülern überTugenden und Ziele für das neue Jahrtausendund darüber, was passiert, wenn man sein Leben selbst in die Hand nimmt. Er sagt:„Meine Karriere war so nicht geplant. Abermir geht es gut.“ August-Wilhelm Scheer ist Berater der Bun-desregierung, seine 1984 gegründete Firmamachte 2003 über 200 Millionen Euro Um-satz und ist an der Börse und in fünfzig Län-dern vertreten.Im Jahr 2003 wurde Scheer vonden Wirtschaftsprüfern von Ernst & Youngzum „Entrepreneur des Jahres“ ernannt, weil

„er Mut und Willen zum Erfolg“ gezeigt habe.Um „Wirtschaft zu erklären und für un-ternehmerisches Denken zu werben“, tourtScheer nun durch deutsche Schulen und er-zählt aus seinem Leben. „Der Entrepreneurvon morgen“, heißt das Programm. Das Wort„Entrepreneur“ muss er bei seinen Vorträgenjedoch erst einmal übersetzen.Auch in Mün-chen können viele Schüler mit dem Begriffnichts anfangen, ein Mädchen sagt, sie habedas Wort schon einmal gehört, auf MTV.„AufDeutsch“, sagt Scheer, „bedeutet das Unter-nehmer, aber es ist nicht auf die Wirtschaft beschränkt.“ „Wirtschaft nimmt immer größeren Einflussauf das Leben der Menschen“, sagt Scheer.„Esist deshalb notwendig,wirtschaftliche Zusam-menhänge zu kennen und zu verstehen.“ InBayern zum Beispiel wird Wirtschafts- undRechtslehre bereits seit 1976 unterrichtet.Undauch in anderen Bundesländern ist WirtschaftThema im Unterricht. Trotzdem fehlt es in Deutschland offenbar an ökonomischemGrundwissen. Laut einer Studie der Univer-sität Koblenz verstehen rund fünfzig Prozentder 17- bis 27-Jährigen Begriffe wie Globali-sierung,Aktienrendite oder Standortfaktor nursehr eingeschränkt.Schlechte Nachrichten füreine Gesellschaft, in der Arbeitnehmer ihre Per-

sönlichkeit und ihre Fertigkeiten selbstständigauf dem freien Markt vermarkten sollen, alsIch-AG, als Unternehmer eben.Wirtschaftsvertreter fordern deshalb schon seitlangem eine Reform des Wirtschaftsunter-richts. Die Deutsche Industrie- und Handels-kammer etwa schlägt in einer Studie vor, dieSchüler mit „Aufgaben aus der beruflichenPraxis“ zu konfrontieren, etwa mit „der Er-stellung kurzer Berichte“ oder dem „Verfassenenglischer Geschäftsbriefe“. Es sei außerdem„Kernaufgabe der Schule, junge Menschen mitdem Leistungsgedanken vertraut zu machen“.Wie sich die Forderung nach „mehr ökono-mischer Bildung“ jedoch mit klassischenHauptfächern wie Deutsch und Mathematikverträgt, ist im Kontext der anstehenden Bil-dungsreformen noch offen.Besonders beliebt ist das Fach Wirtschaft oh-nehin nicht.„Es ist schon interessant,aber auchein schlimmer Theoriehaufen“, meint zumBeispiel Beatrice Baumann, 18 Jahre, Kolleg-stufe, Leistungskurse Wirtschaft und Mathe-

Treffen sich Bond,Einstein und Düsentrieb ...Der „Unternehmer des Jahres“ erzählt in Schulklassen, wieer wurde, was er ist. Und wie der Wirtschaftsunterricht seinmuss, damit jeder werden kann wie er.

Diplomatisches Geschick,Intelligenz, Mut undKreativität – mehr brauchtes nicht für die Karriere.

KLASSENFREUND

Text: Tobias Moorstedt Illustration: Alexandra Rusitschka

scheer-2 17.03.2004 9:01 Uhr Seite 2

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matik. „BWL,VWL und BGB – wenn mannur die Regeln kennt,hilft das auch nicht großweiter.“ Das vergangene Schuljahr hat Bea-trice an einer Highschool in Vancouver ver-bracht, dort „stand Business total im Mittel-punkt“,erzählt sie,„aber nicht als graues Zah-lenwerk, sondern ganz anschaulich, durch ei-

ne tägliche Zeitungsanalyse zum Beispiel“.August-Wilhelm Scheer langweilt sein Publi-kum nicht mit Paragraphen, Daten und Zah-len.„Durch Storytelling“,meint der Professor,„kann man das Lebensgefühl und die Tugen-den eines Unternehmers viel besser vermit-teln.“ Und dann erzählt Scheer den Schülerneinen Wirtschaftsthriller, berichtet von einemabenteuerlichen Leben, von Reisen, fremdenKulturen, weltweiten Aktivitäten und unver-meidbaren Risiken.„Unternehmertum ist ei-ne Geisteshaltung“, sagt Scheer. „Wie gestal-tet man sein Leben. Passiv oder eben lieberaktiv?“ Zu diesen Worten flimmern Bilderüber die Tafel: Der erste Firmensitz, ein klei-nes Einfamilienhaus,das nächste Bild zeigt dasEnde der Erfolgsgeschichte, einen Industrie-komplex. August-Wilhelm Scheer wendet sichan die Schüler: „Man braucht auch Unter-nehmer, um die hochwertigen Jobs zu schaf-fen, die Sie vielleicht mal haben wollen.“ Am Gymnasium Nymphenburg findet Au-gust-Wilhelm Scheer ein begeisterungsfähi-ges Publikum. „Was raten Sie Schülern, die eine Idee für eine Firma haben?“, fragt einSchüler. Und: „Kann man Unternehmertuman der Schule lernen?“ Scheer antwortet:„Un-ternehmertum kann man nicht durch Lehrbü-cher vermitteln. Es braucht auch bestimmte

Charaktereigenschaften wie Sieger- und Er-obererwillen.“ Dann lässt Scheer wieder Bil-der sprechen.Auf der Tafel erscheinen drei Fo-tos und eine Zeichentrickfigur.„Das wäre dasabsolute Dreamteam für ein Unternehmen“,meint Scheer und zeigt auf die Bilder,„AlbertEinstein, James Bond, Daniel Düsentrieb undWilly Brandt.“ Denn eine erfolgreiche Kar-riere verlangt viele Eigenschaften: Intelligenz,Mut,Kreativität und diplomatisches Geschick.„Wissen veraltet immer schneller und wird so-mit unwichtiger“, sagt Scheer, „die Schulenmüssen stärker Erkenntnisse,Werte und auchdas Wollen vermitteln.“ Mit Projektarbeit,Powerpoint-Präsentationen und kreativen Ak-tionen. „Wir brauchen keine Kopfnoten fürBetragen, sondern für Sozialkompetenz undEngagement.“ Auch Sport und Musik sindnach Ansicht des Managers wichtige Schul-fächer: „Hier lernt man Kreativität und Sie-gen.“ Derartige „Skills“ könne man sich jedoch nicht durch Auswendiglernen aneig-nen.„Die Noten sind nicht alles“, sagt Scheerden Schülern zum Abschied. Er selbst hattezwei Vierer im Abiturzeugnis und meint, eshabe nicht geschadet.August-Wilhelm Scheersagt: „Alles Gute für Ihre Zukunft. Ich fliegejetzt nach Amerika.“ Die Schüler bleiben sit-zen. Dann läutet die Glocke.

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In Sport undMusik lernt man

Kreativität undSiegen.

August-Wilhelm Scheer,62, ist Direktor des In-stituts für Wirtschaftsinformatik an der Univer-sität Saarbrücken und mehrfacher Buchautor.Erist verheiratet und hat drei Kinder.

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BANKLEERE

Andreas Hilgart erzählt seine Geschichte, ohne zu lächeln.Vielleicht,weil er jeden Tag 14 Stunden arbeitet und einfach zu erschöpft ist.Viel-leicht,weil er viele tausend Euro Schulden hat und es ihm daher schwerfällt, einen Grund zum Lächeln zu finden.Andreas Hilgart hat in sechsJahren insgesamt 20 000 Euro ausgegeben, die er nicht besaß und dieer daher jemandem schuldet:Versicherungen,Versandhäusern, der Te-lekom, verschiedenen Banken.Der 25-jährige Münchner sitzt auf der Eckcouch in der Wohnung, inder er zusammen mit seiner Freundin Stephanie und deren zweijähri-gem Sohn Stephan wohnt. Er sieht meist zu Boden, während er redet,er erzählt seine Geschichte nicht gern.Aber er spricht trotzdem – umandere zu warnen. Sein Rat klingt einfach: „Seid nicht so dumm wieich. Gemacht sind Schulden schnell, der Weg wieder raus aus demSchlamassel ist aber so schwer, dass man es kaum beschreiben kann.“ Andreas Hilgart wirkt ruhig,die Panik,die Ausweglosigkeit,die er ein-mal empfand, sind nicht mehr zu spüren.Aber er erinnert sich daran.An die Angst, den Briefkasten zu öffnen – es könnten neue Rechnun-gen gekommen sein.Er hat auch die Scham nicht vergessen,die er we-gen seiner Schulden empfand und darüber, dass er sein eigenes Lebennicht mehr im Griff hatte.„Ich kann Menschen verstehen“, sagt er da-her, „die sich wegen ihrer Schulden umgebracht haben.“ Er selbst hateinen Weg gefunden, weil er irgendwann seine Scham überwand undseine Probleme jemandem anvertraute, der ihm helfen konnte. In sei-nem Fall war das die Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt.Begonnen haben seine Probleme mit dem Geld, als er 18 Jahre alt war:Er kaufte sich einen gebrauchten BMWfür 5500 Euro,finanziert von der BMWBank. 1 000 Euro blieben ihm damalsvon seinem Lohn zum Leben,105 Eu-ro davon musste er monatlich an die Bank zurückzahlen.Das ging.EinJahr später träumte er von einem Motorrad.Die Maschine kostete 2 500Euro, er nahm seinen Dispokredit in Anspruch. Das heißt, er konntemit Erlaubnis der Bank sein Konto überziehen – zu sehr hohen Zin-sen,doch das wusste er damals nicht.Auch diesen Kredit begann er so-fort in Raten zurückzuzahlen, 50 Euro monatlich.„Ich hatte eine günstige Wohnung, ich konnte mir das leisten. Es wä-re gut gegangen.“ Wäre. Dann verliebte er sich und zog mit seinerFreundin zusammen. Das Paar genoss das Leben. Sie gingen viel aus,verreisten.„Meine Freundin war in der Ausbildung und verdiente nichtviel.Als ihr Dispokredit von 750 Euro ausgeschöpft war,habe ich ebenbezahlt.“ Die Freundin machte den Führerschein, sie kauften Möbelund fünf Aquarien – sie sind Andreas Hilgarts Hobby.Er sprach mit sei-nem Vater über seine Ausgaben,damals traute er sich noch.Er hatte rund

10 000 Euro Schulden.Sein Vater riet ihm, alle Kredite über eine Banklaufen zu lassen. „Um den Überblick zu behalten.“175 Euro zahlte das Paar monatlich ab.Auch die neue Bank erlaubteihnen, das Konto um 500 Euro zu überziehen. Sie machten sich keineSorgen: Sie hatten sich dem Problem ja gestellt, sie verdienten beideGeld,die Höhe der Raten war überschaubar.Doch auch der Überzie-hungskredit war schnell verbraucht: weil sie heirateten, einen Kühl-schrank und eine Waschmaschine kauften. Seine Frau beendete dieLehre, verdiente mehr Geld, die Bank erhöhte den Kreditrahmen, siekonnten jetzt 2 500 Euro Schulden machen. Die Bank fragte nicht, obsie das wollten. „Und wir haben es genommen“, sagt er.Wenig späterverlor seine Frau ihren Job und die Falle schnappte zu. Andreas ver-diente nun allein und versuchte zu sparen.Auch wenn er nicht genauwusste, wie. „In der Disko einen Cocktail weniger trinken? Das hätteden Braten auch nicht fett gemacht.“ Daran, zum Beispiel sein Mo-torrad zu verkaufen,dachte er nicht.Er bat auch seine Frau,auf das Geldzu achten. Die aber wollte weiterhin mit ihren Freundinnen shoppengehen und lieber bei Tengelmann als bei Aldi einkaufen.Warum er weiter Geld ausgab, das er nicht hatte? Eine richtige Er-klärung dafür hat Andreas Hilgart nicht. „Ich war jung und ich wardumm. Ich dachte, ich habe einen Job, mir wird nichts passieren. Undes war schwer, weil meine Frau das Problem nicht sehen wollte.“Nochmals wechselten sie die Bank. Die neue Bank, die das Paar trotzder damals bereits 12 500 Euro Schulden sofort nahm, räumte einenweiteren Kredit ein, 2 500 Euro. Knapp 300 Euro mussten sie monat-

lich abbezahlen – aber ihren Lebensstiländerten sie nicht.Als die Bank ihnennichts mehr geben wollte, entdecktensie eine Zeitungsanzeige „Sofortkredit

günstig“. Bei solchen Angeboten sind die Zinsen oft sehr hoch.And-reas hatte Glück, er geriet an ein Kreditinstitut, dessen Bedingungenmoderat waren, und lieh sich 2 250 Euro. Sechs Monate später trenn-te er sich von seiner Frau. Kurz darauf wurde ihm gekündigt, weil sei-ne Abteilung aufgelöst wurde.Die Wohnung konnte er sich nicht mehrleisten, er zog zu seiner Mutter. Seine Frau weigerte sich, ihren Anteilan den Kreditraten zu bezahlen, er hielt noch eine Weile durch, woll-te dann aber nicht allein verantwortlich sein und stellte die Zahlungenebenfalls ein.Er war am Ende.Sprachlos,hilflos.Er war 24 Jahre alt,hat-te 20 000 Euro Schulden – und keinen Job.Stephanie rettete ihn.Andreas lernte sie über Freunde kennen – die kei-ne Ahnung hatten, wie groß seine Probleme waren. Stephanie und erwurden ein Paar. „Ich habe mich monatelang nicht getraut, ihr vonden Schulden zu erzählen. Ich war mir sicher, so einen wie mich, den

Herr der Dinge

Geld auszugeben macht Spaß – selbst dann noch, wennman eigentlich keines mehr hat. Gemachte Schuldenzurückzuzahlen ist schon nicht mehr so lustig.Aber es istzu schaffen, sogar, wenn es um 20 000 Euro geht.

„Ich war jung und ich war dumm.Ich dachte, mir passiert nichts.“

Text: Julia Landvogt Foto: Gerald von Foris

schulden 16.03.2004 16:51 Uhr Seite 2

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will sie nicht.“ Mittlerweile hatte er über das Arbeits-amt einen Job gefunden, lebte in Scheidung: SeinSelbstbewusstsein wuchs,er traute sich zu reden.UndStephanie griff ein. Sie überredete ihn, Hilfe anzu-nehmen,vereinbarte einen Termin bei der Schuldner-beratung. Die handelte einen Deal aus: Sechs Jahrelang zahlt Andreas 200 Euro monatlich zurück, wasnach dieser Zeit nicht getilgt ist, erlassen ihm dieGläubiger.Andreas’ Exfrau hat private Insolvenz an-gemeldet, das bedeutet: Bei ihr ist nichts zu holen.Andreas und Stefanie wissen, dass diese sechs Jahrehart werden. Andreas trägt von vier bis halb sechs Uhrmorgens Zeitungen aus, als Nebenjob. Um acht be-ginnt seine eigentliche Arbeit als Automechaniker,

um halb sechs Uhr abends ist er wieder zu Hause. Sobleiben ihm 1 150 Euro im Monat – nach Abzug dermonatlichen Rate von 200 Euro.Davon muss er Mie-te,Versicherung und Strom bezahlen. Die Einkäufe,ein neues Paar Schuhe, Kleidung für den Sohn, zahltStephanie vom Erziehungsgeld und ihrem Nebenjobbei Media Markt.Was passiert, wenn die sechs Jahrevorbei sind? „Ich werde sparen, Geld für unsere Zu-kunft zurücklegen. Und nie wieder ein Konto miteinem Dispokredit haben“, sagt Andreas.Und lächelt,zum ersten Mal.

☞ Bundesweite Adressen von Schuldnerberatungsstellen:www.forum-schuldnerberatung.de

Die Bank fragte Andreas Hilgart nicht, ob er den Kreditrahmen erhöhen wolle – sie tat es einfach. Und ihn störte es nicht.

schulden 17.03.2004 15:08 Uhr Seite 3

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SONDERANGEBOT

Alles hat seinen Preis

Nur welchen?

Wir haben mal nachgeschaut.

Fotos: Ulrike Myrzik und Manfred Jarisch

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waskostet 17.03.2004 15:10 Uhr Seite 2

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0,864 €

Eine 60-Watt-Glühbirne eine Nacht lang brennen lassen.

waskostet 17.03.2004 15:11 Uhr Seite 3

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Ein Fußballtor frei Haus geliefert kostet etwa 525Euro. Ein Glas Leitungswasser kostet im Bundes-durchschnitt 0,0425 Cent. Der Materialwert eines

Blaukehlchens, vor allem das Phosphor, Kalziumund Fluor im Skelett und Federn (für Dekoration),Fleisch und Blut beträgt 1,275 Cent. Die Stadt

855,49 €

Eine Buche für das bezahlen, was sie jedesJahr als Wasserspeicher, Fotosynthesemaschineund Lebensraum für Tiere leistet.

waskostet 18.03.2004 16:44 Uhr Seite 4

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München gibt jährlich etwa 17 Millionen Euro fürden Winterdienst aus. Die Herstellung einer 1-Euro-Münze kostet etwa 10 Cent, davon entfallen etwas

mehr als 8 Cent auf Materialkosten, die Prägege-bühren betragen 1,7 Cent pro Euromünze. Ein Meter Radweg kostet 234 Euro. Die Herstellungs-

Ein Jahr Strom für Lampe, Pumpe und Heizung für ein110-Liter-Aquarium inklusive Wasserkosten

(wenn das Wasser alle zwei Wochen gewechselt wird).

77,42 €

waskostet 17.03.2004 15:11 Uhr Seite 5

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kosten eines Personalausweises: 8 Euro. Eine Zi-garette aus der Schachtel ist 16,84 Cent wert. Da-von entfallen 10,25 Cent auf die Tabaksteuer, 2,32

Cent auf die Mehrwertsteuer, 2,73 Cent kostenProduktion, Werbung und Mitarbeiter, 1,54 Centder Handel. Ein Eisbär verfrisst im Jahr Futter für

0,232 €

Leitungswasser für ein Vollbad im Bundesdurchschnitt.

waskostet 17.03.2004 15:12 Uhr Seite 6

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2500 bis 3000 Euro. Einen Eisbären kaufen kostetrund 5000 Euro. Stromkosten für das Aufladen ei-nes Nokia-Handyakkus: 5 Cent. Ein Handy ein Jahr

lang auf Stand-by halten: 5,6 Euro. Stromkosten,um eine Tiefkühlpizza im Ofen zu backen: 3,7 Cent.

Recherche: Barbara Streidl, Dirk Schönlebe

100.000€

Eine Fußgängerampel aufstellen.

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Vergleichsweise weise

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BERATUNGSSTELLE

Wie lege ich 100 Euro am besten an? Wolfgang Wiegard: Bei regelmäßiger Anlagewürde ich Anteile an einem Investmentfondskaufen.Wenn es um einmal 100 Euro geht,würde ich das Geld in einen Kurzurlaub mitder Freundin/dem Freund „investieren“.Jürgen Kromphardt: Einen einmaligen Betragvon 100 Euro kann man nur auf das Sparkon-to tun.Wenn man jeden Monat oder einmal imVierteljahr 100 Euro anlegen kann, dann soll-te man ihn in eine Altersvorsorge, zum Bei-spiel die Riester-Rente,einzahlen,um sich diesteuerliche Förderung zu sichern.Bert Rürup: Die Wunschpartnerin oder denWunschpartner zu einem guten Essen einla-den und den Rest, sofern noch einer verbleibt,sparen.Axel A.Weber: Ich würde dazu raten, sich et-was zu kaufen, das man sich schon lange kau-fen wollte. Das macht Spaß und wirkt auchnoch konjunkturbelebend.

Worauf soll ich bei meiner Berufswahlachten?Wolfgang Wiegard: Persönliche Neigung undInteresse am Beruf sind am wichtigsten.Aberman kann auch ruhig drauf achten, was mandamit verdienen kann.Jürgen Kromphardt: Je besser man ausgebildetist, desto besser stehen die Chancen am Ar-beitsmarkt. Daher sollte man bei der Berufs-wahl darauf achten, dass man eine gute undsolide Berufsausbildung bekommt, das kannvom Facharbeiterbrief bis zum Hochschuldi-plom reichen. Oder dass es gute Möglichkei-ten für eine künftige Weiterbildung gibt.Außerdem sollte man nicht unbedingt die Be-rufe wählen, die von Bewerbern überranntwerden,ohne entsprechende Chancen auf demArbeitsmarkt zu bieten.Bert Rürup: Die Neigung sollte schon der aus-

schlaggebende Faktor sein, allerdings führenEignungs- und Begabungstests nicht selten zuÜberraschungen.Axel A.Weber: Man sollte sich genau über dasAnforderungsprofil des angestrebten Berufs imKlaren sein und sich in einem Praktikum einBild davon machen. Solche Erfahrungswerteund eine realistische Einschätzung der eige-nen Stärken und Schwächen sind von zentra-ler Bedeutung, um langfristig in einem Beruferfolgreich zu sein.

Habe ich in einem anderen Land besse-re Aussichten auf eine erfolgreiche Zu-kunft als in Deutschland? Wolfgang Wiegard: Ich sehe keinen Grund,warum es im Ausland grundsätzlich besser seinsollte, jedenfalls nicht auf Dauer.Allerdings isteine vorübergehende Auslandstätigkeit immerzu empfehlen.Jürgen Kromphardt: Diese Frage lässt sich nichtallgemein beantworten, da sie für eine ganzeMenge von Berufen negativ ausfallen dürfte,für ein paar wenige hingegen positiv. Dahermein Tipp: sich in der Jugend Sprachkennt-nisse aneignen, damit man später Stellenange-bote aus dem Ausland wahrnehmen kann,wenn man die Chance bekommt. Dabei soll-

te man darauf achten, nicht nur Englisch zulernen, sondern auch eine der anderen inter-national gebräuchlichen Fremdsprachen wieSpanisch oder Französisch.Bert Rürup: Es gibt kein Land, in dem dieKarrieremöglichkeiten von vornherein bessersind als in Deutschland. Mit Begabung, Aus-bildung, Fleiß sowie Sozialkompetenz undauch Glück kann man in jedem Land berufli-chen Erfolg haben.Axel A. Weber: Deutschland ist ein guter Standort für viele Berufe.Allerdings würde inDeutschland ein bisschen mehr berufliche Dy-namik nicht schaden. Die Realität zeigt je-doch, dass der „amerikanische Traum“ einesAufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär oftnur zum Preis der „amerikanischen Verhält-nisse“ im Bereich der sozialen Sicherung zuhaben ist.Vor diesem Hintergrund halte ichdie Chancen und Risiken des Berufslebens inDeutschland für durchaus ausgewogen.

Wann ist es okay, Schulden zu machen? Wolfgang Wiegard: Gegen eine Verschuldungvon privaten Haushalten oder Unternehmenspricht von vornherein nichts, wenn man ei-nen realistischen Finanzierungsplan hat. Ganzohne Verschuldung wird sich zum Beispielkaum jemand ein Haus oder eine Eigentums-wohnung kaufen können.Skeptischer sehe ichhingegen eine staatliche Verschuldung,weil da-durch die zukünftigen Generationen belastetwerden.Jürgen Kromphardt: Schulden sollte man aufkeinen Fall machen, um laufende Ausgabenwie zum Beispiel Handyrechnungen zu finan-zieren. Schulden sind nur dann gerechtfertigt,wenn es sich um eine Investition in die eige-ne Zukunft handelt. So ist es zum Beispiel legitim, während des Studiums oder für dieVorbereitung auf eine Meisterprüfung ein

Fünf Männer beraten die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen, man nennt sie die Wirtschaftsweisen.Vier von ihnen nahmen sich Zeit, auch uns ein paar Tipps zu geben.

Protokolle: Mathias Irle

Ft

Mti

P/

MPh

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wirtschaftsweisen 17.03.2004 15:13 Uhr Seite 2

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Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Lage wurde 1963 gegründet.Er hat fünf Mitglieder,die so genannten Wirtschaftsweisen, die für fünf Jahre vom Bun-despräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung berufen werden.Die Wirtschaftsweisen legen jedes Jahr im November ihren Be-richt zur Wirtschaftslage vor und machen Reformvorschläge fürden Arbeitsmarkt und die soziale Sicherung.Wir befragten:Prof.Dr.Wolfgang Wiegard,58,Professor für Volkswirtschaftslehreeinschließlich Ökonometrie an der Universität Regensburg. Seit2001 Mitglied, seit 2002 Vorsitzender des Sachverständigenra-tes zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.Prof.Dr.Dr. h.c. Bert Rürup, 60,Professor für Volkswirtschafts-lehre – insbesondere Finanzwissenschaft – an der TU Darm-stadt, seit 2000 Mitglied des Sachverständigenrates.Prof. Dr.Axel A.Weber, 47, Professor für Internationale Öko-nomie an der Universität Köln, seit 2002 Mitglied des Sach-verständigenrates.Prof. Dr. Jürgen Kromphardt, 70, Professor für Volkswirtschafts-lehre – insbesondere Wirtschaftstheorie – an der TU Berlin.Von 1999 bis März 2004 Mitglied des Sachverständigenrates.Keine Zeit hatte leider Prof. Dr.Wolfgang Franz,60.Neu im Sachverständigenrat seit dem 1. März 2004: Prof. Dr.Peter Bofinger, 49.

☞ Informationen zum Sachverständigenrat unter:www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de

Bafög-Darlehen in Anspruch zu nehmen.Spä-ter im Leben ist auch der Kauf einer Eigen-tumswohnung über Kredit in Ordnung, weildie Eigentumswohnung einen Gegenwert dar-stellt,der dem Kreditgeber als Sicherheit dient,so dass die Kreditzinsen relativ niedrig ausfal-len.Bert Rürup: Schuldenmachen zur Vermö-gensbildung, zum Beispiel um eine Wohnungoder ein Haus zu kaufen, ist okay. Allerdingssollte immer noch genügend Geld zur Verfü-gung stehen – trotz der Rückzahlungen –,umleben zu können.Sparen ist wichtig, sollte abernicht zum Selbstzweck werden. Daher kön-nen auch kurzfristige Konsumschulden, wiezum Beispiel für eine Weltreise,vertretbar sein,vorausgesetzt, man hat ein sicheres und steti-ges Einkommen. Mittelfristig sollte eine Regel immer gelten:Die laufenden Ausgaben– zu welchem Zweck auch immer – solltennicht über den Einnahmen liegen.Axel A.Weber: Schulden sind dann in Ord-nung, wenn sie durch zukünftige erwarteteEinkommen mit relativ hoher Sicherheit ge-deckt werden.Und man sollte seinen Kindernkeine Schulden hinterlassen, wenn man sichbei ihnen nicht unbeliebt machen möchte.Fo

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KREISLAUFBESCHWERDEN

rotejacke 17.03.2004 15:14 Uhr Seite 2

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Text: Susanne Klingner Fotos: Gerald von Foris

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Was wo hängen bleibtEine Jacke zu kaufen ist nicht sehr kompliziert: Geld weggeben, Jacke mitnehmen. Komplizierter ist es

festzustellen, woher die Jacke kommt und wohin das Geld geht.Wir haben uns erkundigt und es aufge-

schrieben, in zwei getrennten Geschichten: oben die Jacke, unten das Geld.

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KREISLAUFBESCHWERDEN

29,90 Euro.Wäre es vielleicht doch bessergewesen, dafür zwei neue CDs zu kaufen?Nein, die neue Jacke ist super. Jetzt hat dasGeld eben jemand anders.Wer eigentlich?2002 gaben die Deutschen dreißig Milli-arden Euro für Bekleidung aus, Deutsch-land ist damit Weltmeister im Kleidungs-verbrauch: Im Durchschnitt kauft jederDeutsche jährlich 26 Kilogramm Klei-dung.Der weltweite Durchschnitt liegtdagegen bei gerade mal acht Kilo-gramm.Es geht also um viel Geld. Die großenTextilketten wie H & M oder Zara verra-ten allerdings nicht, wie viel genau sie aneinem Kleidungsstück verdienen. Ver-schiedene Umwelt- und Menschenrechts-organisationen – zum Beispiel die Kampa-gne Clean Clothes – haben aber Berech-nungen angestellt, wer wie viel von demGeld bekommt, das durch ein Kleidungs-stück eingenommen wird. Die Jacke hat

29,90 Euro gekostet.Nach den genanntenModellrechnungen bleibt knapp die Hälf-te des Geldes, bei der Jacke also etwa 15Euro, bei der Filiale. Mit diesen 15 Eurowerden die Ladenmiete, die Angestelltenund die Mehrwertsteuer bezahlt. Wasanschließend noch übrig ist, kann die Fi-liale als Geschäftsgewinn verbuchen.Der Konzern, zu dem die Filiale gehört,

bekommt von den dreißig Euro zwi-schen 7,50 und zehn Euro – in derRegel nämlich ein Viertel bis ein

Drittel des Geldes.Rund drei Euro da-von werden für Forschung und Design aus-gegeben. 2,50 Euro sind für das Werbe-budget vorgesehen. So bleiben dem Kon-zern von den 7,50 bis zehn Euro noch zweibis vier Euro.Damit werden die Angestell-ten bezahlt.Was danach übrig ist,das ist derGewinn, den der Konzern macht.Auf den fast 15000 Kilometern,die die ro-te Trainingsjacke auf ihrer Reise von Ost-

Diese Trainingsjacke wird einige Zeit einhoffentlich guter Freund sein. Und beiFreunden sollte man wissen, woher siekommen.Auf dem Schild im Kragen steht„Made in Bangladesh“ und „100 % Cot-ton“,„Dry flat“.Das sind die einzigen Hin-weise auf die Reise, die die Jacke schonhinter sich hat.Eine Trainingsjacke wie diese kann bis zu15 000 Kilometer unterwegs gewesen sein,bevor sie in Deutschland im Laden liegt.Der Weg fängt mit Baumwolle an,aus der Garn gesponnen wird. Ausdiesem Garn wird Stoff gemacht,anschließend wird der Stoff genäht,chemisch behandelt, möglicherweise be-druckt und dann zum Beispiel als Jacke indie Läden gebracht. In dem Land, das aufdem Schild im Kragen als Herstellerlandgenannt ist, wird aus den Stoffteilen dieJacke genäht.Baumwolle wird aus den Fruchtkapselnder Baumwollpflanze gewonnen.Weil die-se sehr anfällig für Schädlinge ist, setzen dieBaumwollbauern Chemikalien ein,die vorallem von Großkonzernen wie der ameri-kanischen Firma Monsanto produziert

werden. Umweltorganisationen schätzen,dass zwanzig bis 25 Prozent der weltwei-ten Produktion an Dünge-, Pflanzen-schutz- und Schädlingsbekämpfungsmit-teln auf Baumwollfeldern versprüht wer-den.Und das,obwohl Baumwollfelder nur2,4 Prozent der Weltackerfläche ausma-chen.Nach der Ernte werden die Baumwollfa-sern zu riesigen Ballen gepresst und in dasLand transportiert, in dem aus der Wolle

ein Faden und später ein Stück Stoffgemacht wird.Die wichtigsten dieserProduktionsländer sind China – be-sonders die Freihandelszone Hong-

kong –,Taiwan und Südkorea.Bei der Wei-terverarbeitung der Baumwolle kommenerneut Chemikalien zum Einsatz:Die Wol-le wird „merzerisiert“. Das bedeutet, dasssie in konzentrierte Natronlauge getauchtwird, um sie glänzend und reißfest zu ma-chen.Weitere chemische Verfahren schüt-zen sie gegen Verschmutzung, machen dieBaumwolle filz- und knitterfrei, bleichenund färben sie und entfernen den Geruch.Diese Prozedur heißt „veredeln“.Während des gesamten Verarbeitungspro-

Die da! Die muss es sein.

Tolle Jacke. Schönes Rot.Neunundzwanzigneunzig

sind okay. Die waren zwar mit fünf Stunden Kellnern

nicht allzu schnell verdient,aber diese Trainingsjacke

muss es sein.„Hallo.“

„Neunundzwanzigneunzig.“„Bitte.“

Das Geld

Die Jacke

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zesses werden für ein Kilogramm Baum-wolle rund hundertfünfzig Liter Wasserverbraucht, vor allem, um die Chemikali-en wieder auszuwaschen. Dennoch blei-ben immer Chemierückstände,die am En-de bis zu dreißig Prozent des Gewichts desKleidungsstücks ausmachen können.Nach der „Veredelung“ ist das Kleidungs-stück alltagstauglich und kann gut Farbeaufnehmen.Diese Farbe kommt vor allemaus Polen oder China – das sind die beidengrößten Textilfarbenexporteure.Nachdemdas Kleidungsstück, hier die Jacke, gefärbtwurde, kann es noch bedruckt werden.Zum Beispiel mit dem Schriftzug einerBaseballmannschaft oder dem Markenna-men. Dazu wird ein Teil, bei der Jacke einBrust- und das Rückenteil, nach Europageschickt. In Europa wird es „beflockt“.Das heißt, ein Schriftzug aus feinen Tex-tilflocken wird aufgetragen.Anschließendwerden die beflockten Teile zurück nachAsien geschickt – im Fall der Trainings-jacke ginge es jetzt nach Bangladesch.Der größte Teil der Kleidungsstücke, diein Europa verkauft werden, wird in Asiengenäht. Neben Bangladesch geschieht das

vor allem in Südkorea, China, Indien undTaiwan.Das Garn,die Reißverschlüsse undKnöpfe,die dort verarbeitet werden,kom-men aus Europa – zumeist aus Deutsch-land, Großbritannien oder der Schweiz.Die fertig genähte und verarbeitete Klei-dung wird in Containerschiffen nach Eu-ropa transportiert.Der dafür größte Waren-umschlagplatz in Asien ist Hongkong, inEuropa kommen die Schiffe vor allem inRotterdam,Antwerpen und Hamburg an.Vom Hafen wird die rote Jacke oder jedesandere Kleidungsstück mit dem Lastwagenin die Warenlager der großen Textilhan-delsketten wie H & M oder Zara gebracht.Nachdem sie dort noch einmal chemischgereinigt und anschließend gebügelt wur-den, werden die Kleidungsstücke auf dieletzte Etappe der Reise geschickt, die aufeinem Baumwollfeld begann: Mit demLastwagen in die Filiale. Dort wird dasPreisschild angebracht, 29,90 Euro für dieJacke. Und dann muss nur noch ein Käu-fer kommen.

Und die Verkäuferin fragt:„Tüte?“ „Ja, danke.“„Zehn Cent zurück.Tschüss, schönenTag noch.“ „Tschüss.“

europa,dort liegen bedeutende Baumwoll-anbaugebiete,über Asien nach Westeuropahinter sich gelassen hat,bleiben fünf bis elfProzent der dreißig Euro: für Transport,Steuern und Zölle.Das bedeutet,dass Kar-tons, Frachter- und Lkw-Miete, Sprit undZoll für die Reise der Trainingsjacke zwi-schen 1,50 Euro und 3,30 Euro gekostethaben.Nur rund ein Achtel des Geldes, im Fallder Trainingsjacke 3,75 Euro, geht zurückin die Herstellerländer. Rund einen Eurobekommt der Fabrikbesitzer,der davon sei-ne Angestellten und Maschinen bezahlt.Dem Fabrikbesitzer selbst bleiben rundsechzig Cent Gewinn. 2,40 Euro sind diereinen Materialkosten für die rote Trai-ningsjacke – das sind acht Prozent des La-denpreises.Zum Vergleich:Für dieses Geldkönnte man sich in Deutschland nicht ein-mal einen Meter Stoff kaufen, um sich dieJacke selbst zu nähen: In Deutschland kos-

tet ein Meter normaler Baumwollstoff imLaden zwischen fünf und zehn Euro.Vier von fünf aller in den TextilfabrikenBeschäftigten sind Frauen und Mädchenim Alter von 14 bis 25 Jahren. Sie nähenzwölf Stunden lang im Durchschnitt hun-dertsechzig Stücke pro Stunde und be-kommen dafür vier bis fünf Euro Tages-lohn.Von den dreißig Euro, die über derLadentheke den Besitzer wechselten,erhältdie junge Frau, die die Jacke genäht hat,nur 0,3 bis ein Prozent. Die Näherin ver-dient damit zwischen neun und dreißigCent von den dreißig Euro, die die roteTrainingsjacke gekostet hat.

29,90

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Drei Betten,drei Schränke,drei Tische:Es ist eng in dem Zimmer. An derWand hängen Poster von Busen-

wundern, ein rosafarbener Mädchenslip undan der Zimmerdecke die weiß-grüne Fahnedes Freistaates Sachsen.„Da sind wir wieder“,sagt Erik Decker in tiefem Sächsisch undlässt seine Reisetasche auf den Boden fallen.Esist Sonntagabend, seine beiden Mitbewohnersind noch nicht da. Der 18-jährige Dresdnerlebt seit eineinhalb Jahren im Salesianum,demgrößten Jugendwohnheim Münchens. DasHeim wird von den Salesianern Don Boscosbetrieben, einem katholischen Orden, dessenName auf den Priester Giovanni Bosco zu-rückgeht.Der hatte Mitte des 19. Jahrhundertsarmen Kindern und Jugendlichen in Turin ge-holfen. Rund die Hälfte der 500 Bewohnerdes Salesianums kommt aus dem OstenDeutschlands.Die meisten von ihnen haben zuHause keine Lehrstelle gefunden, Münchenwar für sie die einzige Alternative zur Arbeits-losigkeit.Die frisch gewaschene Kleidung in Eriks Rei-setasche duftet noch nach Mamas Waschmit-tel.Unter Sweatshirts und Hosen zieht Erik ei-nen Umschlag hervor, in dem ein Bild seinesvierjährigen Bruders Hannes steckt.„Ich ver-misse ihn“, sagt Erik und hängt das Foto an diePinnwand. Hunderte Kilometer entfernt von

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DEUTSCHLANDREISE

MÄNNERPENSIONManchmal findet man keine Aus-

bildungsstelle in seiner Heimat-

stadt.Wer trotzdem etwas lernen

will, muss gehen.Wie Erik.

seiner Familie und den Freunden zu leben istfür ihn das größte Problem. Und dann ist danoch Evi.Seit zwei Monaten hat Erik in Dres-den eine Freundin, doch er kann das Verliebt-sein nicht unbeschwert genießen. „Ich habeAngst, dass sie mich vergisst“, sagt er. Schoneinmal hat ihn ein Mädchen wegen dergroßen Entfernung verlassen,wenige Wochennachdem er nach München gegangen war.Bevor Erik, der damals 16 Jahre alt war, nachMünchen zog, hatte er sich in Dresden ver-geblich um einen Ausbildungsplatz bemüht.Feinwerkmechaniker oder Koch wollte erwerden, er verschickte 35 Bewerbungen undbekam nur Absagen. Und das trotz eines or-dentlichen Realschulabschlusses mit einemDurchschnitt von 2,6. Ihm wurde gesagt, dasses zu viele Bewerber gebe. „Die Firmen kön-nen auswählen und nehmen natürlich lieberSchulabgänger, die nur Einser haben oder so-gar Abitur“, sagt Erik.Mehr als 500 000 Jugendliche unter 25 Jahrensind in Deutschland arbeitslos.Während es in

den ostdeutschen Bundesländern mehr Be-werber als Ausbildungsstellen gibt, ist die Si-tuation in Baden-Württemberg oder Bayernumgekehrt – einige Firmen haben sogar Pro-bleme, die offenen Stellen zu besetzen. Etwa12 000 bis 15 000 junge Ostdeutsche suchendaher jedes Jahr ihr Glück in anderen TeilenDeutschlands.Wie Erik: „In München habeich mich nur einmal als Feinwerkmechanikerbeworben und wurde sofort genommen.“Die meisten Jungen in Eriks Wohngruppehaben ähnliche Erfahrungen gemacht. SilvioWinter zum Beispiel. Silvio kommt aus derKleinstadt Pirna, die nur wenige Kilometervon Dresden entfernt liegt. „Ich habe michauf alle möglichen Angebote im ganzen Ostenbeworben,als Gärtner,Koch,Dachdecker undTischler.Aber niemand wollte mich“, erzählter. Ein Berufsberater im Arbeitsamt empfahlihm, seine Bewerbung nach München zuschicken. Mit Erfolg: Seit dreieinhalb Jahrenwird Silvio bei einer kleinen Münchner Firmazum Metallbauer ausgebildet.

Wenn er mit der Ausbildung in München fertig ist, möchte Erik zurück nach Sachsen.

Text: Dana Toschner Foto: Gerald von Foris

salesanium 17.03.2004 15:15 Uhr Seite 2

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ten wir Probleme mit rechten Jugendlichen“,räumt Pater Stephan Hufnagel ein,der die 28-köpfige Wohngruppe von Erik und Silvio be-treut. „Aber inzwischen haben wir das imGriff. Es gibt unter 500 Jungen nur noch dreioder vier,die rechtsradikal sind.“ Wenn sich je-mand mit radikaler Gesinnung um einenWohnheimplatz bewirbt, werde er aber auchheute nicht abgewiesen. „Als Salesianer DonBoscos glauben wir, dass in jedem Menschenein guter Kern steckt“, erklärt der Pater. Mitder Kirche können die meisten Jungen imSalesianum nichts anfangen.Der Pater,der kei-ne Kutte, sondern Jeans und Pullover trägt, istdeshalb nicht böse. „Ich will nicht predigenund lange Vorträge halten, sondern als An-sprechpartner für die Jugendlichen da sein,wenn sie Probleme haben.“ Um Jungen wie Erik, der alle zwei Wochennach Hause fährt und dem es nur in Dresdenrichtig gut zu gehen scheint, macht er sichSorgen:„Er weigert sich, in München Fuß zufassen.Er soll hier nicht nur arbeiten, sondernauch leben.“ Wenn man mehrere Jahre von zuHause weg sei, bestehe die Gefahr, sich zwi-schen allen Stühlen wiederzufinden. „Elternund Freunde gewöhnen sich mit der Zeit da-ran, dass man nicht mehr da ist. Kehrt mandann zurück, ist alles anders als früher und manempfindet nur noch Leere.“ Aber daran denktErik nicht, solange er in München ist.Er denktan seinen Bruder Hannes, seine Freundin Evi,seine Eltern. Über ihm hängt die weiß-grüneFahne Sachsens.

☞Weitere Informationen zum Salesianumunter www.salesianum.de

Erik ist sich sicher, dass er nach der Ausbil-dung zurück nach Dresden geht, selbst wennihn die Münchner Firma übernehmen will.Er weiß, dass die Suche nach einer Arbeits-stelle dann mindestens genauso schwierig wirdwie die nach dem Ausbildungsplatz.Doch Erikhofft,dass „schon irgendetwas klappen wird“.Silvio will seinen Zivildienst in München ma-chen und später nach Berlin oder Frankfurtziehen. Aber er kann Eriks Sehnsucht nach derHeimat verstehen.„Der Westen ist eine ande-re Welt, die Menschen hier haben eine ande-re Mentalität“, versucht Silvio zu erklären.„Während sich die Münchner darüber Ge-danken machen,ob ihre Fernseher groß genugsind, wissen die Menschen im Osten nicht,wie sie ihre Miete zahlen sollen.“ Beide haben zwar während ihrer Ausbildungin München auch Freunde gewonnen,mit de-nen sie ab und zu ins Kino oder in die Diskogehen.Aber mehr haben sie nach wie vor mitihren ostdeutschen Mitbewohnern aus demWohnheim zu tun. „Es sind Gleichgesinnte,wir haben dieselbe Wellenlänge“, sagt Erik.Besonders treffe das auf die Mädchen zu:„Meistens sind ostdeutsche Mädels natürli-cher, die haben nicht so eine arrogante Art.“Im Wohnheim schaffen sich einige Jungen ei-ne Art Parallelwelt:Sie tragen mit „DDR“ be-druckte T-Shirts, trinken Club Cola oder VitaCola,essen Thüringer Born Tomatenketchup,in einem Zimmer hängt sogar eine DDR-Fahne. „Vielleicht ist das eine Reaktion aufdie Vorurteile, mit denen uns einige Bayernbegegnen“, sagt Erik. In der Firma und in derBerufsschule hat er selbst schon zu hören be-kommen, dass die ostdeutschen LehrlingeWestdeutschen Arbeitsplätze wegnehmenwürden. „Manche sagen sogar, dass es besserwäre,wenn die Mauer wieder aufgebaut wür-de.“ Zudem würden Ostdeutsche pauschal fürrechtsradikal und dumm gehalten.Tatsächlich hatte das Salesianum in Münchenkeinen guten Ruf. „Mitte der 90er Jahre hat-

Solange Erik in Münchenist, denkt er nicht an die Jobsuche – sondern an seinen Bruder und seine Freundin.

salesanium 18.03.2004 16:59 Uhr Seite 3

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Das Alter„Junge Berufsanfänger gelten als mobi-

ler, flexibler,belastbarer und anspruchsloser alsältere Mitarbeiter.“ Gegenüber älteren Bewer-bern haben junge Bewerber einen weiterenVorteil: Sie sind mit moderner Technik aufge-wachsen und daher mit den Neuerungen imBereich Computer und Kommunikation ver-traut. Zumindest gehen die Chefs davon aus.

Weltweit„Heute wird bei Bewerbungen erwar-

tet, dass man Zeit im Ausland verbracht hat.Anna hat direkt nach dem Abitur ein Prakti-kum in Moskau gemacht.Das ist natürlich be-eindruckend. Bei jemandem, der in einer an-deren Kultur gelebt hat, kann man von einerhöheren Flexibilität und besseren sozialenKompetenz ausgehen. In Zeiten der Globali-sierung sollte man außerdem so viele Fremd-sprachen wie möglich beherrschen.“ Das Jahran der Highschool, der Schüleraustausch oderein Auslandssemester sollten unbedingt im Le-benslauf erwähnt werden.

Der rote Faden„Nicht alles, was eine 22-Jährige in

ihrem Leben getan hat, ist für den Arbeitgeberinteressant. Es kommt immer darauf an, beiwem Anna arbeiten will.Wenn sie sich mit die-sem Lebenslauf in der Medienbranche bewirbt,könnte das Sozialpraktikum herausfallen. Espasst nicht zu den übrigen Tätigkeiten und

spielt keine Rolle.“ Auch wenn es so war: Esmuss ja nicht auf den ersten Blick klar wer-den, dass man nicht gleich wusste, was manmachen wollte.

Die Noten„Eine nur befriedigende Note, wie in

diesem Fall der IHK-Abschluss, fällt negativauf.Sie ist aber kein Beinbruch.Nur wer mög-lichst schnell in einem großen Unternehmenin der Chefetage sitzen will, braucht Spitzen-Abschlüsse.“ Ganz wichtig: Wer im Lebenslaufeine schlechte Note hat, sollte im Vorstellungs-gespräch eine Erklärung dafür parat haben, dagern nach Gründen gefragt wird.

Ein bekannter Name„Es ist immer gut, wenn in einem Le-

benslauf der Name einer bekannten Firmasteht.Ein Personalchef,der noch vor dem Mit-tagessen einen ganzen Stapel Bewerbungendurchliest,wird die meisten Details sofort wie-der vergessen. Einen großen Namen nicht.“

Kein Mut zur Lücke„Es ist völlig in Ordnung,nach der Schu-

le drei Monate nichts zu tun. Das spricht jaauch für einen erweiterten Horizont. Und eskann natürlich auch andere, triftige Gründe füreine längere Pause geben,wenn jemand krankwar oder man in der Familie gebraucht wur-de.Bei längeren Auslandsreisen sollte man bes-ser nicht ,Selbsterfahrungstrip in Indien‘, son-

dern ,Studienreise‘ schreiben.“ Wer währenddes Studiums eine Zeit lang etwas ganz ande-res macht, sollte besser immatrikuliert bleiben– ein unterbrochenes Studium kommt immerschlecht an.

Die Jugend von heute„Arbeitgeber wundern sich, wenn im

Lebenslauf der Punkt IT-Kenntnisse fehlt. Jun-ge Berufsanfänger wissen heute in der Regel,wie man E-Mails schreibt und Windows be-nutzt. Das sollte auch im Lebenslauf stehen.“

Das Studium„Man muss nicht unbedingt Betriebs-

oder Volkswirtschaft oder Jura studieren, umeinen guten Job zu bekommen. Unterneh-mensberatungen zum Beispiel suchen immerdie Besten eines Jahrgangs – das Studienfach isterst mal egal.“

Wie die berufliche Zukunft für Anna aus-sehen könnte:„Der Lebenslauf sieht gut aus.Anna hat nochalle Chancen,Karriere zu machen.Wie viel sieam Anfang verdienen wird, kommt auf dieBranche an.20000 Euro Einstiegsgehalt wärenauf jeden Fall drin.Wenn sie zu einem der ganzgroßen deutschen Unternehmen will,muss siesich ranhalten und ein gutes bis sehr gutes Stu-dium machen. Dann kann sie allerdings auchals Berufsanfängerin bis zu 35 000 oder 40 000Euro bekommen.“

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EINSTELLUNGSSACHE

Weiblich, ledig, jung sucht ...

Anna Hoffmann ist nicht auf Arbeitssuche, sie studiert noch.Wenn sie sich jedoch bewerben

müsste, würde sie das mit dem Lebenslauf auf der rechten Seite tun. Jens Plinke arbeitet beim Kölner

Recruiting-Unternehmen access, das sich auf die Vermittlung von Führungskräften spezialisiert hat.

Er hat sich Annas Lebenslauf angesehen und erklärt, wie ihre Chancen stünden.

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Text: Theresa Bäuerlein, Daniel Erk

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PLAN WIRTSCHAFT

Sowohl für die Wirtschaft, alsauf für den Fußball braucht manRegeln und jemanden, der siedurchsetzt, sagt Homann.Manchmal, wie beim Platzver-weis von Francesco Totti imskandalumwitterten WM-Achtel-finale 2002 Italien gegen Süd-korea kann man am Schiedsrich-ter aber auch verzweifeln – sowie hier die Italiener.

Hohmann_ryan 18.03.2004 18:09 Uhr Seite 2

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Es war einmal ein DorfFeuer und Wasser, Katze und Maus,Wirtschaft und Moral –das kann doch nicht gut gehen. Der Wirtschaftsethiker Karl Homann erklärt, warum das zumindest im letzten Fallnicht stimmen muss.

Herr Homann, ist der Mensch gut oderböse?Ich bin ein großer Optimist und glaube, dassder Mensch gut sein möchte. Für mich ist dieFrage, ob er das bleiben kann.Was kann ihn denn dazu bringen, sichschlecht zu verhalten?Dass er in Konkurrenz mit den anderen steht.Wenn immer diejenigen sich eine goldeneNase verdienen,die korrumpieren,die schlech-te Produkte zu überhöhten Preisen anbieten,die Steuern hinterziehen, die Umwelt ver-schmutzen, dann kann der Unternehmer beiseiner Moral nicht lange bleiben – weil er sonstvom Markt fliegt.Durch die Konkurrenz wirddie Moral in Schwierigkeiten gebracht.Heißt das, dass der Gute tatsächlich im-mer der Dumme ist?Das kommt darauf an. Schon ein Einziger, derunmoralisch handelt, kann alle anderen dazuzwingen,sich auch schlecht zu verhalten:wennsie nämlich sehen, dass der alle Aufträge be-kommt.Der Wettbewerb zwingt selbst die gut-willigen und moralischen Unternehmer, sichdem Verhalten der Konkurrenten anzupassen,weil sie von diesen sonst aufgekauft werden.Wollen Sie damit sagen,die Unternehmenhaben keine andere Wahl? Nehmen wir an,ein Unternehmer verhält sichunmoralisch. Die Leute denken gleich, das istdie Profitgier der Unternehmer. Ich dagegendenke,das liegt nur an den Bedingungen.ZumBeispiel finden die wenigsten Unternehmer,dass die Umwelt zu wichtig genommen wird.Wenn sie trotzdem umweltschädlich handeln,liegt das viel eher daran, dass andere das vor-machen. Das kann Unternehmen dazu zwin-gen, zu unmoralischen Mitteln zu greifen.Also kann man sich in Konkurrenzsitua-tionen nicht moralisch verhalten?Doch. Das ist wie beim Sport mit den Spiel-regeln und Spielzügen: Ein Fußballspiel ganzohne Regeln ist bald kein Fußball mehr. Da-

mit ein gutes Spiel entstehen kann, muss derWettbewerb unter Fairness-Regeln stattfin-den. Dann ist es völlig in Ordnung, wenn diebeiden Mannschaften versuchen,einander mitintelligenten Spielzügen zu übertrumpfen.Wenn die Moral in den Regeln steckt,müssenalle Spieler sich moralisch verhalten.Gibt es in der Wirtschaft denn solche Re-geln?National ja, aber international bisher nur an-satzweise.Das ist unsere Aufgabe für die nächs-ten Jahrzehnte: international Regeln festzule-gen und einen Schiedsrichter zu bestimmen.Bisher kann jedes Unternehmen nur vor sei-ner eigenen Tür kehren.Damit entwickelt aberniemand eine Weltordnung. Die muss ge-meinsam erschaffen werden von den Staaten,den internationalen Organisationen, Nicht-regierungsorganisationen und Vertretern derWirtschaft.Aber warum sollten die Unternehmenihre Freiheit gegen Regeln eintauschen? Andersherum:Erst Regeln ermöglichen Frei-heit.Wenn ich tue und lasse,was ich will,dannkomme ich mit den anderen bald nicht mehrzurecht. Ich brauche die anderen aber, sowohlmenschlich wie auch als Geschäftspartner. Sielassen sich aber nur mit mir ein,wenn sie wis-sen, dass ich verlässlich bin. Das ist wie in derSchule:Wenn sich in einer Arbeitsgruppe ei-ner ständig drückt,wer will dann beim nächs-ten Mal mit dem zusammenarbeiten?Er wird schon irgendeinen finden.Das ist richtig, im Wirtschaftsleben funktio-niert das aber nur in einem anonymen Umfeld.Stellen Sie sich vor:Ein Dachdecker aus Leip-zig macht in Berlin schlechte Arbeit.Wie wol-len Sie den bestrafen? Wenn überhaupt, be-richtet eine Lokalzeitung darüber. Dann gehtder Dachdecker einfach weiter nach Dresdenund macht dort dieselbe schlechte Arbeit.Wasanderes ist das bei großen Unternehmen:Wenndie jemanden bestechen oder Frauen diskri-

minieren, dann läuft das auf allen Fernseh-kanälen. Diesen öffentlichen Druck hat keineFirma gern.Aus Eigeninteresse wird sie ihr Ver-halten ändern.Aber auf den Dachdecker kannheute keiner solchen Druck ausüben.Warum nicht? Weil unsere Moral in einer Gesellschaft ent-wickelt worden ist, in der die Menschen inDörfern zusammenlebten, wo sie immer aufdieselben Leute stießen.Wer sich da nicht anstän-dig verhielt, dem wurdeDruck gemacht, und zurNot wurde der einfachausgewiesen und warrechtlos. In Berlin undin Dresden, da kennenwir die Leute aber nichtmehr. Derjenige, aufden Druck ausgeübtwird, weil er sich schlechtverhält,kann einfach weglaufen.Da gibt es kei-ne soziale Kontrolle mehr. Ohne die funktio-niert aber keine Moral.Wer soll diese Kontrolle übernehmen?Gegenfrage:Wem kann kein Übeltäter weg-laufen? Sich selber?Genau.Weil er nämlich doch irgendwann einschlechtes Gewissen bekommt!Nein, da sind Sie zu idealistisch. Es geht nichtum das Gewissen, sondern um den eigenenVorteil.Unser Ziel muss eine Gesellschaft sein,in der moralisches Verhalten belohnt wird.Wenn er von unmoralischem Verhalten nichtshat, wird der Unternehmer es schon sein las-sen. Diese Selbstkontrolle ersetzt zusammenmit der Fremdkontrolle durch die Regeln desStaates die soziale Fremdkontrolle, die früherdie Dorfgemeinschaft geleistet hat.Kann man das überhaupt noch moralischnennen, wenn es einem immer nur um

Interview: Friederike Knüpling, Dirk Schönlebe

„Unternehmenkönnen keineOpfer bringen.Wer nur gibt,fliegt vomMarkt.“

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PLAN WIRTSCHAFT

den eigenen Vorteil geht?In der Bibel steht aus guten Gründennicht: Du sollst deinen Nächstenmehr lieben als dich selbst. Sondern:wie dich selbst. Kein einziger ethi-scher Lehrsatz abendländischer Tra-dition verbietet das Eigeninteresse.Aber ich kann meine Interessen entweder aufKosten anderer verfolgen oder so, dass auchdie anderen Vorteile davon haben. Zum Bei-spiel, indem ich gute und innovative Produk-te zu anständigen Preisen anbiete oder Ar-beitsplätze schaffe. So habe ich etwas davon,aber die anderen auch. Das ist sittliches Han-deln.Aber haben denn nicht gerade großeFirmen eine Verantwortung, müssen dienicht auch mal ein Opfer für die Gesell-schaft bringen?Unternehmen können keine Opfer bringen.Wer nur gibt, fliegt vom Markt. Beim Er-schaffen einer gerechteren Ordnung in dieserWelt, in der es auch den Armen in Schwarz-afrika besser geht, können Unternehmen nurdann mitmachen,wenn ihnen selber auch Ge-winne winken.Und wo winken die? Vier Milliarden Menschen produzieren nichts,weil sie am Weltmarkt nicht teilnehmen.Wennman das den Unternehmen sagt, dann sehendie, wie viel Arbeitskraft und Konsum dortbrach liegen.Und dass sie,wenn sie dort Arbeitschaffen,Gewinne machen können.Davon ha-ben dann am Ende alle einen Vorteil.Wett-bewerb ist nämlich solidarischer als Teilen.Solidarischer Wettbewerb? Geht das denn?Ja.Wir können die Dritte Welt nur entwickeln,indem wir sie an der Marktwirtschaft teilneh-men lassen.Afrika braucht keine Hilfe,Afrikabraucht Handel. Die Europäische Union bie-tet Afrika Almosen an und hält gleichzeitig ih-re Grenzen für afrikanische Produkte ver-schlossen. Das ist Diskriminierung. Das kannnicht mehr lange gut gehen, da werden dieLänder nicht mehr lange stillhalten.Und wenn wenigstens ich mich immerbemühe, ein rücksichtsvoller und hilfs-bereiter Mensch zu sein – bringt dasnicht wenigstens ein bisschen was? Das rettet keine Gesellschaft, wenn Sie das al-lein machen. Das beruhigt nur Ihr Gewissen.Laufe ich dann auch Gefahr, eines Tagesunmoralisch zu handeln, um so viel Ge-winn wie möglich zu machen? Wahrscheinlich schon. Nämlich dann, wennSie die Erfahrung machen, dass Sie jemandentmutigt. Das heißt, dass Ihr Engagementnicht honoriert wird. Das verkraften Sie ein-,

zwei-, dreimal. Genau wie ei-ne Firma,wenn sie einen Auf-trag nicht bekommen hat,weilsie ehrlicher war als ihr Mit-bewerber, es beim nächstenMal vielleicht noch einmalmit Ehrlichkeit versuchen wird.

Aber auf Dauer kann sie das nicht durchhal-ten, sonst geht sie halt unter.Und vor dieser Entmutigung kann ichmich nicht schützen?Nicht, solange sich am System nichts ändert.Was muss passieren,dass sich das Systemändert? Ich glaube,dass man den Menschen verständ-lich machen kann:Wenn man sich an morali-schen Regeln orientiert, haben alle was da-von. So kann man die entsprechenden Pro-zesse auf den Weg bringen.Dazu gehört auch,dass schon an den Schulen viel mehr Wirt-schaft unterrichtet werden müsste.Wer Wirt-schaft nicht versteht, versteht die heutige Ge-sellschaft nicht. Der versteht nicht, warumWettbewerb solidarischer ist und nicht nur ef-fizienter als Almosen.Stattdessen werden jun-ge Leute an Schulen immer noch systematisch

in einer Haltung gegen „die Wirtschaft“ er-zogen. Daher müssten erst mal die Wirt-schaftslehrer nachgeschult werden. Denn diemeisten Lehrer, die heute unterrichten, wur-den in den Siebzigerjahren ausgebildet. Da-mals ließ man nur die linke Ökonomie alsWirtschaftstheorie gelten und damit könnenSie heute beim besten Willen nichts mehr an-fangen.Die kann man vielleicht noch als Pro-blemindikator nehmen, aber als Lösungsvor-schlag hilft die uns nun wirklich nicht mehrweiter.Was wären denn die ersten drei Lektio-nen,die Sie einer Schulklasse beibringenwürden?Als Erstes würde ich erklären, dass eine mo-derne Gesellschaft nicht über Ideale und Ge-wissen gesteuert werden kann, sondern überRegeln. Zweitens, dass Unternehmen unterKonkurrenzbedingungen häufig nicht dafürverantwortlich gemacht werden können,wennsie unmoralisch handeln.Und dann würde icherklären,was man tun kann,damit das Unter-nehmen anders handelt: nämlich die Bedin-gungen verändern.Denn das können wir.Da-ran glaube ich als Optimist.

Karl Homann, 60, gilt als einer der bedeutendsten Wirtschaftsethiker des deutschen Sprachraums. Erhat Philosophie, Germanistik, katholische Theologie und Volkswirtschaftslehre studiert. Seit 1999 ister Professor für Wirtschaftsethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Karl Homannist verheiratet und lebt in München. Foto: Gerald von Foris

„Afrika braucht keine

Hilfe.Afrika braucht

Handel.“

Hohmann_ryan 16.03.2004 17:47 Uhr Seite 4

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1. Grundlage für die Kalkulationen der Flug-gesellschaften ist die Maßeinheit Kosten proangebotenen Sitzkilometer. Die großenFluggesellschaften rechnen mit 13,4 Eurocentpro Sitz und Kilometer, egal ob jemand aufdem Sitz sitzt oder nicht. Ryan Air kann die-se Kosten laut Untersuchungen der Unter-nehmensberatung McKinsey um bis zu sech-zig Prozent senken.*

2. Billigflugreisen kann man meist nur überdas Internet oder eine Hotline buchen. Sowird Geld gespart, das sonst an vermittelndeReisebüros bezahlt werden müsste.Zusammenmit grundsätzlich niedrigeren Verwaltungskos-ten spart Ryan Air so 2,5 Cent pro Sitzkilo-meter.Bleiben statt 13,4 Cent noch 10,9 Cent.

3. Auf Billigflügen gibt es zwar Essen, abernicht umsonst.Besonderer Service wird nichtgeboten. Das verbilligt den Sitzkilometer um0,9 Cent. Statt 10,9 Cent noch 10 Cent.

4.Auf dem Flug gibt es weniger Stewards undStewardessen. Diese bekommen niedrigereZuschläge und müssen zudem putzen.Statt 10Cent kostet der Sitzkilometer so 9,3 Cent.

5. Im Billigflieger sind bis zu 15 Prozent mehrSitze als normal, so kann die Fluggesellschaftmehr Leute mitnehmen.Das senkt die Kostenum 1,5 Cent. Statt 9,3 Cent noch 7,8 Cent.

6. Damit die Sitzplätze ausgebucht sind, su-chen sich die Billigflieger möglichst Streckenaus, auf denen Reisende oft unterwegs sind:Hamburg-Mailand,Berlin-London oder Lon-don-Frankfurt.

7.Wer mit Ryan Air von London nach Frank-furt fliegt, landet in Frankfurt-Hahn, einemkleinen Flughafen im Hunsrück. Mit diesem

Trick spart Ryan Air am meisten:Die Iren flie-gen möglichst kleine Flughäfen an, Steuernund Flughafenkosten sind dort niedriger.Undweil hier nicht so viel Betrieb ist,kann nach ei-ner Landung schneller wieder gestartet wer-den.Das spart 2,9 Cent,der Sitzkilometer kos-tet statt 7,8 Cent nur noch 4,9 Cent.

8. Statt mit 13,4 Cent muss Ryan Air nur mit4,9 Cent kalkulieren.Von London nach Frank-furt sind es 668 Flugkilometer. Auf dieserStrecke spart RyanAir 8,5 Cent mal 668 Ki-lometer, das macht 56,78 Euro pro Sitz. Beider Ryan-Air-Maschine,einer Boeing 737 mit189 Sitzen, macht das eine Gesamtersparnisvon 10 731,42 Euro pro Flug.

9.Trotzdem: Der Sitz kostet für die gleicheStrecke immer noch 4,9 Cent mal 668 Kilo-meter, also 32,73 Euro. Mit 1,29 britischenPfund, also 1,92 Euro, für das Ticket, würdedas Unternehmen Verlust machen.Darum gibtes immer nur ein bestimmtes Kontingent anBilligtickets.Wer zum Nahverkehrspreis fliegenwill, muss also früh buchen.

10. Das Konzept der Billigflieger nennt man„No Frills“, kein Schnickschnack: kein Cate-ring, keine Bonusmeilen, wenig Kabinenper-sonal, nur Direktflüge.Viel Schnickschnackfabrizieren die Billigfluganbieter dafür,wenn esum Werbung geht. Ganz vorn dabei: MichaelO’Leary, Chef von Ryan Air. Der schreibt aufseine Flugzeuge schon mal Grüße an die Kon-kurrenz wie „Auf Wiedersehen Lufthansa“oder „Arrivederci Alitalia“. Im Mai 2003 mie-tete O’Leary einen Panzer, fuhr damit amFlughafen London Luton vor den Hauptsitz

von Konkurrent easyJet, setzte sich einen Stahl-helm auf und ließ seine in Uniformen geklei-deten Stewards Taschentücher an die easyJet-Mitarbeiter verteilen. Es tue ihm so Leid, dasssie bald arbeitslos seien, sagte O’Leary.

Ein weiterer wichtiger Punkt im Geschäfts-modell von Ryan Air sind staatliche Zuwen-dungen.Welche kleinen Flughäfen angesteu-ert werden, macht Ryan Air auch davon ab-hängig, ob es Geld dafür gibt. Zwei Beispiele:Der Flughafen Frankfurt-Hahn wird von derLandesregierung Rheinland-Pfalz mit insge-samt fünf Millionen Euro für arbeitsmarktpo-litische Maßnahmen unterstützt – dazu gehörtauch die Ausbildung von Crews für Ryan Air.Damit Ryan Air den Brüsseler FlughafenCharleroi anfliegt,gewährte die belgische Re-gionalregierung Walloniens als Eigentümerindes Flughafens Ryan Air Rabatte. Einen Teildavon wertete die EU-Kommission als unge-rechtfertigte Subventionen – Ryan Air mussbis zu vier Millionen Euro zurückzahlen.Weitere Probleme für Ryan Air: Die Firmamusste das erste Mal eine Gewinnwarnungaussprechen und ein britisches Gericht wider-sprach O’Learys Meinung, Rollstühle für be-hinderte Passagiere gehörten zum „Schnick-schnack“, die ein Billigflieger nicht anbiete.Dafür will Ryan Air jetzt die Jalousien amFenster,die Kopfstützen und verstellbare Leh-nen abschaffen. Den Schnickschnack eben.

* McKinsey & Company:Business Breakfast – Bil-ligflieger in Europa. Frankfurt, 8. Juli 2003. Und:Binggeli /Pompeo:Hyped hopes for Europe's low-costairlines. In: The McKinsey Quartely, 4/2002.McKinsey berechnet die Kosten pro Sitzkilometer inUS-Cent.Für diesen Artikel wurden sie auf Basis desWechselkurses aus dem Jahr 2001,aus dem die Zah-len der Studien stammen, in Eurocent umgerechnetund auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet.

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Mit Panzer, ohne Rollstuhl

Text: Nikolaus Röttger Gegessen wird, was auf den Tisch kommt.

2,20 Euro kostet eine S-Bahn-Fahrt im Bereich „BerlinAB“. Für nur 1,29 britische Pfund, rund 1,92 Euro, konnteman im März mit der irischen Fluggesellschaft Ryan Airvon London nach Frankfurt fliegen. Wie verdienen RyanAir, der größte Anbieter im Billigflugsegment, oderKonkurrenten wie easyJet oder Germanwings bei solchenPreisen noch Geld?

„Auf WiedersehenLufthansa“ –

„Arrivederci Alitalia“

Hohmann_ryan 17.03.2004 15:18 Uhr Seite 5

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Marc Brost / Marcus Rohwetter:Das große Unvermögen. Warum wir beimReichwerden immer wieder scheitern.Wiley-VCH, 184 Seiten, 19,90 Euro.

Die Autoren:Marc Brost und Marcus Rohwetter sind Wirt-schaftsredakteure bei der Wochenzeitung DieZeit. Brost ist Diplomökonom, Rohwetter Jurist.Darum geht’s:Grundthese des Buchs:Wir sind alle finanzi-elle Analphabeten.Wir rechnen noch in Markstatt in Euro, haben die falschen Versicherun-gen, verstehen die Rentendebatte nicht undmeist auch nicht die eigene Gehaltsabrech-nung. Der Umgang mit Geld wird uns nichtbeigebracht.Das nutzt es mir:Auf der nächsten Party lache ich über den Ak-tienfonds des Gastgebers. Sollte ich Rotweinüber das blütenweiße Designersofa schütten,kostet mich das nur ein Achselzucken: Ich ha-be seit der Lektüre ja eine private Haftpflicht-versicherung!So lange dauert die Lektüre:Problemlos an einem Tag zu schaffen.Zitat des Buches:„Es ist das Verdienst der sexuellen Revolution,dass in deutschen Familien heute viel offenerals früher über Verhütung und Schwanger-schaft gesprochen wird.Die finanzielle Revo-lution dagegen ist bislang ausgeblieben.“ Bedeutung des Buches:Wir wissen nun,was wir längst geahnt haben:Der Umgang mit Geld ist nicht leicht.Und eins noch:Das Vorwort hat der ehemalige Bundeskanz-ler Helmut Schmidt geschrieben.

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Mehrwert Wissen

BUCHPRÜFUNG

Über Wirtschaft kann man vieles lesen.Wir haben schon mal angefangen.

Nikolaus Piper: Geschichte der Wirtschaft.Beltz Verlag, 172 Seiten, 16,90 Euro.

Der Autor:Nikolaus Piper,51, leitet das Wirtschaftsressortder Süddeutschen Zeitung.Darum geht’s:Das Buch bietet einen Überblick über die Ge-schichte der Menschheit unter dem Aspekt derWirtschaft – von den Anfängen der Land-wirtschaft bis zum Neuen Markt und seinemNiedergang.Das nutzt es mir:Das Buch ist ein guter Einstieg in das ThemaWirtschaft.Und das Gelesene ist auch für Par-tygespräche nicht zu vernachlässigen.Danachweiß ich zum Beispiel, dass der Begriff Bank-rott vom italienischen „banca rotta“,zu Deut-sch „zerbrochene Bank“, kommt.So lange dauert die Lektüre:Einen gemütlichen Nachmittag.Zitat des Buches:„Von den Anfängen bis heute ging es darum,mit dem,was wir haben,möglichst sinnvoll zuwirtschaften. Um nichts anderes wird es auchin der Zukunft gehen.“Bedeutung des Buches:Wer in seinem Leben nur ein Buch über Wirt-schaft lesen möchte, könnte gut dieses neh-men.Und eins noch:Für Geschichte der Wirtschaft wurde NikolausPiper mit dem Deutschen Jugendliteraturpreisfür das beste Sachbuch ausgezeichnet.

Dirk Kurbjuweit:Unser effizientes Leben.Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen.Rowohlt Verlag, 186 Seiten, 17,50 Euro.

Der Autor:Dirk Kurbjuweit,41, ist stellvertretender Büro-leiter des Spiegel in Berlin. Er hat Volkswirt-schaft studiert und war Redakteur bei der Wo-chenzeitung Die Zeit.Darum geht’s:Das Buch beschreibt die totale Ökonomisie-rung aller Lebensbereiche. Kurbjuweit analy-siert die „Diktatur der Ökonomie“ in Politik,Biologie,Wirtschaft,Religion,Kultur und All-tag. Den wachsenden Einfluss des Effizienz-denkens auf diese Bereiche führt Kurbjuweitauf die Beratungsfirma McKinsey zurück, dieFirmen und Institutionen im Sinne des Effi-zienzgedankens berät.Das nutzt es mir:Ich verstehe, wie und warum Institutionenhandeln.Und fange an mich zu fragen,ob dasso bleiben muss, wie es jetzt ist.So lange dauert die Lektüre:An einem ruhigen Abend zu schaffen.Zitat des Buches:„Ich halte die soziale Marktwirtschaft nachwie vor für das richtige System, funktions-tüchtige Alternativen sehe ich nicht.“Bedeutung des Buches:Ideales Geburtstagsgeschenk für Wirtschafts-studenten.Und eins noch:Kurbjuweit wollte das Buch „Die McKinsey-Gesellschaft“ nennen. Die Firma hat jedochTitelschutz beansprucht.

buchtipps-2 17.03.2004 15:19 Uhr Seite 2

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Karl Marx: Das Kapital. GLB Parkland, 786 Seiten, 9,95 Euro.

Der Autor:Karl Marx (1818-1883) gehört zu den großen Denkern des 19. Jahr-hunderts. Nach der Revolution von 1848 musste der Journalist undPhilosoph von Frankfurt nach London ins Exil gehen.Dort schrieb erauch Das Kapital und wurde zu einem der Vordenker der Arbeiterbe-wegung.Darum geht’s:„Das Kapital“ erklärt die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Pro-duktionsweise.Marx tut dies am Beispiel der für die Beschäftigten ka-tastrophalen Zustände in den englischen Manufakturen des 19. Jahr-hunderts. Seine Hauptthesen:Arbeiter und Kapitalisten haben entge-gengesetzte Interessen; der Kapitalismus floriert nur, indem er „dieSpringquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbei-ter“.Kapitalismus bedeutet für Marx:Privateigentum an Maschinen undKapitalgütern, Gewinnmaximierung, Arbeitsteilung und unkontrol-lierter Wettbewerb. Das Eigentum an den Produktionsgütern wirddurch die Lohnarbeit vermehrt.Ein zentraler Begriff ist der des Mehr-werts, der laut Marx nicht durch Gewinne beim Kauf oder Verkaufentsteht, sondern dadurch, dass Arbeitskraft ausgebeutet wird. Ein Ar-beiter produziert nämlich durch seine Arbeit mehr Wert, als seine Ar-beitskraft kostet.Das nutzt es mir:Marx hat die kapitalistische Gesellschaft zwar schon vor fast 140 Jah-ren analysiert, aber seine Erkenntnisse sind auch heute noch aktuell.So lange dauert die Lektüre:Einmaliges Durchlesen etwa fünfzig Stunden. Zum Verstehen brauchtman schon ein paar Semester.Zitat des Buches:„Im Geld hat die Entfremdung des menschlichen Wesens ihren äußer-sten Ausdruck erhalten.“Bedeutung des Buches:Das Kapital, dessen erster Band 1867 erschien, ist nach der Bibel dasberühmteste Buch der Welt.Die Arbeiterbewegung und kommunisti-sche Regimes und Regierungen beriefen sich auf Marx.Und eins noch:Das Buch ist schwer zu lesen.Das brachte die KommunistischePartei in China auf eine tolle Idee: Dort kann man das DasKapital seit 1999 auch als buntes Bilderbuch kaufen.

Adam Smith:Der Wohlstand der Nationen. dtv,855 Seiten,19,50 Euro.

Der Autor:Adam Smith (1723-1790) lehrte Moralphilosophie an der UniversitätGlasgow. Er wohnte die meiste Zeit seines Lebens bei seiner Mutterund war dafür bekannt, Selbstgespräche zu führen. Er veröffentlichtenur zwei Bücher, aber diese beiden brachten ihm Ruhm und Popula-rität, die bis heute andauern.Darum geht’s:In dem Buch sind hauptsächlich Vorlesungen von Smith zusammen-fasst, in denen er alle grundlegenden Gedanken der klassischen Wirt-schaftstheorie entwickelt.Dazu gehört zum Beispiel die Grundannahmevon der unsichtbaren Hand, die die natürliche Ordnung der Erde imGleichgewicht hält:Wenn jeder mit egoistischem Eigeninteresse nachseinem Besten strebt, ist das Ergebnis das Gemeinwohl. Und der Staatsoll sich weitgehend aus der Wirtschaft raushalten.Das nutzt es mir:Ich kann die Wirtschaftspolitik von heute besser verstehen,weil Smith’Gedanken nach wie vor als Grundlage der Politik der Handelslibera-lisierung und der sogenannten Globalisierung dienen.Gegenargumentefinde ich in Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Gel-des von John Maynard Keynes, erschienen 1936.So lange dauert die Lektüre:Ein freies Wochenende reicht kaum.Zitat des Buches:„Und er [der Mensch] wird in diesem wie auch in vielen anderen Fäl-len von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu för-dern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat.“Und eins noch:Der Wohlstand der Nationen erschien 1776, das Buch gilt als Beginn dermodernen Wirtschaftswissenschaften und als Fundament des Kapita-lismus. Smith’s Verleger William Strahan zweifelte am Erfolg des Bu-ches und zahlte Smith, der zwölf Jahre daran gearbeitet hatte, nur 300Pfund für das Manuskript.

buchtipps-2 18.03.2004 15:31 Uhr Seite 3

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GLOSSAR

Aktienfonds, der:Ansammlung von Aktien. >>Seite 18

Altersvorsorge,die:Zukunftsmu-sik und Gegenwartsproblem.>>Seite 18

Anleihe, die: Möglichkeit, Geldzu leihen. >>Seite 9

Arbeitslosigkeit,die: großes Pro-blem. >>Seite 8

Beschäftigungspolitik, die: po-litische Beschäftigung mit der Ar-beit. >>Seite 24

Billigflieger,die: extrem günstigeAnbieter von Flugreisen.>>Seite 47

DAX, der: Deutscher Aktienin-dex. >>Seite 9

Depot, das: Art Sammelbehälterfür Aktien und Anleihen.>>Seite 18

Ich-AG, die: Zukunft der Arbeit?>>Seite 5, 25

Investition,die: Geld ausgeben füreine bestimmte Sache,am besten fürdie Zukunft. >>Seite 26

Globalisierung,die: Streitthema.>>Seite 15, 16

Kapital,das: berühmtes Buch;Ge-samtheit der Geld- und Sachmitteleines Betriebes oder einer Volks-wirtschaft.>> Seite 49

Kredit, der: Überlassung einerGeldsumme gegen Zins.>>Seite 34

Lebenslauf, der: Teil einer Be-werbung. >>Seite 42

Lohnnebenkosten, die: könnenProbleme schaffen für den deut-schen Arbeitsmarkt. >>Seite 24

Marktwirtschaft, soziale, die:Wirtschaftssystem in Deutschland.>>Seite 9, 15

Moral, die: Sammelbezeichnungfür Normen und Werte, die voneiner Gesellschaft als verbindlich an-gesehen werden. >>Seite 45

Pferdestall,der: Max’Hoffnungs-träger. >>Seite 18

Pleite, die: große Ansammlungvon =>Schulden >>Seite 8

Sachverständigenrat zur Be-gutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Lage, der: sieheWirtschaftsweisen. >>Seite 27

Schulden,die: Ergebnis von mehrAusgaben als Einnahmen. >>Seite9, 26, 34

Unternehmer des Jahres, der:Auszeichnung. >>Seite 21

Vertrauensarbeitszeit, die: neu-es Konzept in der Arbeitswelt.>>Seite 24

Wirtschaftsstandort,der:Vorna-me von „Deutschland“ in Wirt-schaftsnachrichten. >>Seite 8

Wettbewerb, der: Wettstreit umAngebote, Ideen u.ä. >>Seite 46

Wirtschaftsweisen, die: Regie-rungsberater in Wirtschaftsfragen.>>Seite 15, 26

Wohlfahrtsstaat, der: Staat, derdurch entsprechende Gesetzgebungfür soziale Sicherung der Bürgersorgt. >>Seite 15

Zeitungsjunge, der: MöglicherEinstieg ins Berufsleben – auch fürMädchen. >>Seite 10

Schwer von Begriff

IMPRESSUM

fluter – Magazin der Bundeszentralefür politische Bildung, Ausgabe 10,April 2004

Herausgegeben von derBundeszentrale für politische Bildung(bpb), Adenauerallee 86, 53113Bonn, Telefon: 01888 / 515-0

Redaktion:Dr. Dieter Golombek (verantwortlich),Bundeszentrale für politische Bildung([email protected]), BertholdL. Flöper, Dirk Schönlebe(Koordination), Dirk von Gehlen,Alexandra Pieper (Chefin vomDienst), Thomas Kartsolis (ArtDirection)

Texte und Mitarbeit:Lisa Akbary, Theresa Bäuerlein,Daniel Erk, Nina Ernst, Mathias Irle,Jan Keith, Susanne Klingner,Friederike Knüpling, Christoph Koch,Julia Landvogt, Christoph Leischwitz,Tobias Moorstedt, Nikolaus Piper,Nikolaus Röttger, Max Scharnigg,Sandra Schmid, Susanne Sitzler,Barbara Streidl, Dana Toschner,Hannah Wilhelm

Fotos und Illustrationen: Dominik Asbach, Gerald von Foris,Thomas Kartsolis, Martin Klindworth,Achim Multhaupt, Martin Parr,Alexandra Rusitschka, FranziskaSchwarz

Schlussredaktion: Isolde Durchholz

Redaktionsanschrift / Leserbriefe:fluter – Magazin der Bundeszentralefür politische Bildung. SV Medien-Service GmbH, Emmy-Noether-Straße 2, Bauteil E, 80992 München,Telefon: 089 / 2183-8327; Fax: 089/2183-8529; [email protected]

Satz+Repro: IMPULS GmbH,Taubesgarten 23 55234 Bechtolsheim

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Wirtschaft besteht nur ausFremdwörtern und kompli-zierten Vorgängen? Hier sind ein paar von denen, die in dieser fluter-Ausgabe vorkommen.

glossar 17.03.2004 15:20 Uhr Seite 2