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Hochschule Mannheim
Grundlagen
der Betriebswirtschaftslehre (BGL)
Vorlesung und Übung (Nebenfach)
SS 2020
Lehrbeauftragter:
Dr. Thomas Borckholder
Diplom-Betriebswirt/Diplom-Sozialwissenschaftler
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Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre (BGL) Dipl.-Betriebswirt/Dipl.-Sozialwissenschaftler
Dr. Thomas Borckholder
Inhaltsverzeichnis
1. Grundlagen des Wirtschaftens .......................................................................................... 4 1.1 Bedürfnis, Bedarf, Nachfrage .......................................................................................... 4
1.2 Güter als Mittel der Bedürfnisbefriedigung ................................................................... 5 1.3 Güterklassifizierung .......................................................................................................... 7
1.4 Wirtschaftskreislauf........................................................................................................... 9 1.5 Geld ................................................................................................................................... 10
2. Rechtsform der Unternehmung....................................................................................... 13
2.1 Grundlagen der Wahl der Rechtsform ......................................................................... 13
2.2 Die richtige Rechtsform wählen .................................................................................... 14 2.3 Die verschiedenen Rechtsformen ................................................................................ 14 3. Finanzierung ...................................................................................................................... 16
4. Buchführung ....................................................................................................................... 18
4.1. Bedeutung und Aufgaben der Buchführung .............................................................. 18
4.2 Gesetzliche Grundlagen ................................................................................................ 18 4.3 Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung................................................................... 19
4.4 Teilgebiete und Aufgaben des Rechnungswesens ................................................... 20 4.5 Geschäftsfälle .................................................................................................................. 22
4.6. Inventur und Inventar .................................................................................................... 23
4.7. Die Bilanz ........................................................................................................................ 27 4.8. Eigenkapitalvergleich .................................................................................................... 29
4.9 Belege ............................................................................................................................... 31 4.10 Rechnungen für Beträge unter 150 Euro .................................................................. 32
4.11 Das System der doppelten Buchführung .................................................................. 34 4.12 Buchungssatz ................................................................................................................ 34 4.13 Aufwendungen und Erträge (Erfolgskonten) ............................................................ 35
4.14 Die Organisation der Buchführung............................................................................. 35
4.15 Die Bücher der Finanzbuchhaltung ........................................................................... 37
5 Markt und Preis................................................................................................................... 38
5.1 Marktarten ........................................................................................................................ 38
5.2 Nachfrager- und Anbieterverhalten .............................................................................. 39 5.3 Anbieterverhalten ............................................................................................................ 42
5.4 Marktgleichgewicht ......................................................................................................... 44
5.5 Staatseingriffe in Markt und Preisbildung ................................................................... 45 6. Wirtschaftsordnung ........................................................................................................... 47
6.1 Individualismus als Grundlage der freien Marktwirtschaft ........................................ 48 6.2 Kollektivismus als Grundlage der Zentralverwaltungswirtschaft ............................. 49
6.3 Soziale Marktwirtschaft .................................................................................................. 52 7. Grundlagen des Vertragsrechts ...................................................................................... 54
7.1 Rechtsgeschäfte und Verträge ..................................................................................... 54
7.2 Kaufvertrag....................................................................................................................... 55 7.3 Leistungsort ..................................................................................................................... 56
7.4 Gerichtsstand................................................................................................................... 57 7.5 Kaufvertragsstörungen ................................................................................................... 57
7.6 Lieferungsverzug............................................................................................................. 59 7.7 Annahmeverzug .............................................................................................................. 60 7.8 Zahlungsverzug ............................................................................................................... 60
7.9 Mahnverfahren ................................................................................................................ 60 8. Arbeitsrecht ........................................................................................................................ 61
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Dr. Thomas Borckholder
8.1. Arbeitsvertragsrecht ...................................................................................................... 61
8.2 Arbeitsvertragsarten ....................................................................................................... 61
8.3 Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ....................................................... 62
8.4 Beendigung des Arbeitsverhältnisses ......................................................................... 62
8.5 Grundlagen Steuern aus dem Arbeitsverhältnis ........................................................ 65 8.6 Grundlagen Sozialversicherung ................................................................................... 66 8.7 Gehaltsabrechnung ........................................................................................................ 69
9. Vollmacht ............................................................................................................................ 70 9.1 Einzel- und Artvollmacht ................................................................................................ 70
9.2 Allgemeine Handlungsvollmacht .................................................................................. 70 9.3 Prokura ............................................................................................................................. 71
10. Literaturempfehlungen ................................................................................................... 72
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Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre (BGL) Dipl.-Betriebswirt/Dipl.-Sozialwissenschaftler
Dr. Thomas Borckholder
1. Grundlagen des Wirtschaftens
1.1 Bedürfnis, Bedarf, Nachfrage
Bedürfnisse:
Mangelerscheinungen, die der Mensch zu beseitigen bestrebt ist.
Existenzbedürfnisse:
Nahrung, Getränke, Schlafen, Wohnen, Fortpflanzung
Kulturbedürfnisse:
Gehen über das Existenzminimum hinaus und werden dadurch geweckt, dass der
Mensch in einer bestimmten Gesellschaft mit einer besonderen Kultur lebt. Die
Befriedigung dieser Bedürfnisse, wie z. B. Unterhaltung, Bildung oder Reisen, wird in
dieser Gesellschaft weitgehend als selbstverständlich betrachtet.
Luxusbedürfnisse:
Sie sind Bedürfnisse, die prinzipiell als entbehrlich anzusehen sind, z. B. Sport-
wagen, Privatjet, Schmuck usw.
Individualbedürfnisse:
Nahrungsmittel, Möbelstück, Erholungsreise
Kollektivbedürfnisse:
Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Umweltschutz, Rechtssicherheit
Bedürfnis-
arten
nach der
Dringlichkeit
ihrer Erfüllung
nach
demjenigen, der
das Bedürfnis
vorrangig äußert
Existenz-
bedürfnisse
Kultur-
bedürfnisse
Luxus-
bedürfnisse
Individual-
bedürfnisse
Kollektiv-
bedürfnisse
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Inwieweit der Mensch seine Bedürfnisse befriedigen kann, hängt in der Regel von
seiner Vermögens- und Einkommenssituation, d. h. von der ihm zur Verfügung
stehenden Kaufkraft ab. Die Summe der mit Kaufkraft versehenen Bedürfnisse wird
als BEDARF bezeichnet. Dieser kann durch den Erwerb bestimmter Güter gedeckt
werden. Wird der Bedarf auf diese Weise durch einen Kaufentschluss am Markt
wirksam, wird er zur NACHFRAGE.
1.2 Güter als Mittel der Bedürfnisbefriedigung
Güter sind für den Menschen von Nutzen, weil sie ein bestehendes Mangelgefühl
beseitigen.
Man unterscheidet freie Güter und wirtschaftliche Güter. Freie Güter stehen
unbegrenzt zur Verfügung. Wirtschaftliche Güter können relativ knapp sein, weil sie
sich prinzipiell in jeder beliebigen Menge erzeugen lassen (Lebensmittel) oder sie
können absolut knapp sein, weil sie sich nicht vermehren lassen (Boden). Die
Herstellung wirtschaftlicher Güter ist stets mit Kosten verbunden. Sie werden am
Markt angeboten und erzielen einen Preis.
Es wird zwischen materiellen und immateriellen Gütern differenziert. Materielle Güter
(Sachgüter) sind körperlicher Natur und dienen entweder als Produktionsgüter zur
Herstellung wirtschaftlicher Güter oder finden in Form von Konsumgütern
unmittelbare Verwendung zur Bedürfnisbefriedigung. Sowohl Produktions- als auch
Konsumgüter können Verbrauchsgüter (das gut wird beim Verbrauchsvorgang
„vernichtet“) oder Gebrauchsgüter (das Gut wird über einen längeren Zeitraum
„genutzt“) sein.
Immaterielle Güter (z. B. Rechte) kommen wie materielle Güter sowohl im
Produktions- als auch im Konsumbereich vor.
1.2.1 Maslow (Bedürfnisbefriedigung)
Menschliche Bedürfnisse motivieren dazu, Handlungen auszuführen welche dazu
dienen, Bedürfnisse zu befriedigen. Die Bedürfnispyramide des amerikanischen
Psychologen Abraham Maslow ist ein Modell, welches menschliche Bedürfnisse
(also das Verlangen nach etwas) in fünf Ebenen unterteilt.
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Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre (BGL) Dipl.-Betriebswirt/Dipl.-Sozialwissenschaftler
Dr. Thomas Borckholder
Grundidee:
Idee des Modelles ist es, dass Bedürfnisse einer höheren Ebene nur befriedigt
werden können, wenn die Bedürfnisse darunter bereits erfüllt sind. Oder anders
formuliert:
Höhere Bedürfnisse entstehen erst dann, wenn niedere befriedigt sind.
(Quelle: www.hans-karl-schmitz.de)
1.2.2 Die fünf Ebenen der Bedürfnispyramide (nach Maslow)
Von unten nach oben aufsteigend, werden folgende Stufen in der Bedürfnispyramide benannt:
1. Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung (z.B. Kunst, Religion, Philosophie usw.)
2. Bedürfnisse nach Achtung (z.B. Wertschätzung und Anerkennung)
3. Soziale Bedürfnisse (z.B. Kommunikation, Familie, Zugehörigkeit, Liebe)
4. Sicherheitsbedürfnisse (z.B. sicherer Wohnraum, Regeln, Arbeitsplatz)
5. Physiologische Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung und Schlaf)
Die ersten drei Stufen zählt Maslow zu den Defizit-Bedürfnissen, die obersten zwei Stufen zu den Wachstums-Bedürfnissen
(Quelle Grafik: informatikkaufmann-azubi.de)
1.3 Güterklassifizierung
Abb.: Klassifizierung von wirtschaftlichen Gütern
Arten
wirtschaftlicher
Güter
Materielle
Güter
(Sachgüter)
Immaterielle
Güter
Produktions-
güter
Konsumgüter Dienst-
leistungen
Rechte
Verbrauchs-
güter
(Rohstoffe)
Gebrauchsgüter
(Maschinen)
Verbrauchs-
güter
(Lebensmittel)
Gebrauchsgüter
(Möbel)
Produktions-
güter (Kredit-
gewährung
Unternehmen)
Unternehmung)
Konsumgüter
(Kreditgewähr-
ung Privat-
person)
Produktions-
güter (Patent-
nutzung durch
Unternehmung)
Konsumgüter
(Miete eines
Privathauses)
Güter lassen sich unterteilen in freie Güter (z. B. Regen, Sonnenlicht, Wind) und
wirtschaftliche Güter. Die freien Güter spielen keine Rolle in der Betriebs-
wirtschaftslehre, da für sie keine Leistungen aufgewendet werden müssen.
Alle anderen Güter sind knapp und müssen aufgrund dieser Knappheit sinnvoll
verwendet werden ( wirtschaften).
Eine mögliche Klassifizierungsform ist im Schaubild oben angegeben.
Die Knappheit der Güter und die unbegrenzten Bedürfnisse der Menschen führen
zum ökonomischen Prinzip mit seinen beiden Ausprägungen.
Ökonomisches Prinzip
Wirtschaftliche Entscheidungen müssen planvoll und vernünftig getroffen werden,
wenn der angestrebte Erfolg bestmöglich erreicht werden soll. Wirtschaftlich arbeiten
bedeutet, mit knappen Gütern eine optimale Bedürfnisbefriedigung zu erzielen. Als
Grundsatz wirtschaftlichen Handelns gilt das ökonomische Prinzip, wobei zwei
Einzelprinzipien unterschieden werden können:
a) Maximalprinzip
Mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln soll der größtmögliche (maximale) Erfolg
(Nutzen, Leistung) erzielt werden.
Beispiele:
Ein Ehepaar versucht, mit dem Haushaltsgeld einen höchstmöglichen Nutzen für die
Familie zu erreichen.
Eine Textilunternehmung ist bestrebt, aus einer bestimmten Menge Stoff durch
genaues Zuschneiden möglichst viele Hosen anzufertigen.
b) Minimalprinzip
Ein bestimmter Erfolg soll mit dem geringsten (minimalen) Einsatz von Mitteln
erreicht werden.
Beispiel:
Ein Konsument ist bestrebt, für den Kauf bestimmter Lebensmittel möglichst wenig
Geld auszugeben.
Für den Warenversand wird die preisgünstigste Versandart gewählt.
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1.4 Wirtschaftskreislauf
Die wirtschaftlichen Abläufe in einer Volkswirtschaft sind kompliziert. Um sie
verständlich erläutern zu können, bedient man sich so genannter Modelle. Im Modell
des einfachen Wirtschaftskreislaufs werden die Haushalte und die Unternehmen
gegenübergestellt und mit ihren monetären und realen Abläufen dargestellt. Im
erweiterten Wirtschaftskreislauf kommen neben den Finanzmärkten auch der Staat
und das Ausland als Marktteilnehmer dazu.
a) Annahmen:
Haushalte konsumieren
Ziel: Nutzenmaximierung
Unternehmen produzieren
Ziel: Gewinnmaximierung
b) Güterkreislauf
Die privaten Haushalte stellen den Unternehmungen die Produktionsfaktoren (Arbeit,
Werkstoffe, Betriebsmittel, Rechte) zur Verfügung. Die Unternehmungen kombi-
nieren die Produktionsfaktoren im Produktionsprozess und erzeugen auf diese Weise
Güter, die sie wiederum an die Haushalte verkaufen. Der Güterkreislauf besteht
demnach aus den Faktorleistungen der Haushalte und der Güterbereitstellung durch
die Unternehmungen. (Güterströme oder Realströme).
c) Geldkreislauf
Für ihre Faktorleistungen erhalten die Haushalte als Gegenleistung von den
Unternehmungen Geldeinkommen (Lohn und Gehalt). Diese Einkommen der
Haushalte stellen für die Unternehmungen Kosten dar. Die produzierten Güter
werden an die Haushalte veräußert, wodurch Erlöse an die Unternehmungen
zurückfließen. Der Geldkreislauf bewegt sich somit gegenüber dem Güterkreislauf
gegenläufig. Einem Strom von Sachgütern und Dienstleistungen (Güterkreislauf)
fließt ein gleich großer Geldstrom (Geldkreislauf) entgegen.
Nachfolgende Grafik zeigt die Kombination von Güter- und Geldkreislauf (einfach
Wirtschaftskreislauf zwischen Unternehmen und Haushalten)
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Produktionsfaktoren
Geld (Einkommen)
Geld (Güterpreise)
Sachgüter, Dienstleistungen
1.5 Geld
Bisher wurde „Geld“ als vorhandene Größe betrachtet, welche in der Wirtschaft eine
unverzichtbare Rolle spielt. Nun soll geklärt werden, was Geld eigentlich ist.
Das Geld, was wir heute verwenden, besteht aus Banknoten und Münzen sowie
Buchgeld. Dies wird auch als 3. Stufe der Geldentwicklung bezeichnet. Nachfolgend
werden die verschiedenen Stufen der Entwicklung des Geldes betrachtet.
Die erste Stufe ist der Naturaltausch. Nach der frühgeschichtlichen reinen
Naturalwirtschaft, in der die Menschen noch autark als Selbstversorgungseinheiten
kaum Tauschbeziehungen pflegten, entwickelte sich zunächst ein Naturaltausch.
Diese erste Wirtschaftsstufe entstand vor dem Hintergrund einer zunehmenden
Bevölkerung und wachsender Familiengemeinschaften, einer Spezialisierung bei der
Gütererzeugung, eines zeitweisen Güterüberschusses sowie der Zunahme
überregionaler Kontakte und das Kennenlernen bisher unbekannter Waren. Der
Naturaltausch war jedoch durch das Fehlen eines einheitlichen Maßstabes und der
mangelnden Teilbarkeit der Güter eingeschränkt.
Unternehmungen
Haushalte
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Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre (BGL) Dipl.-Betriebswirt/Dipl.-Sozialwissenschaftler
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In der zweiten Stufe wurden bestimmte Güter zu Tauschmitteln, um die Probleme der
mangelnden Teilbarkeit und des einheitlichen Maßstabes zu lösen. Zur Anwendung
als Tauschmittel kamen Güter, die als wertvoll galten (Wert ist eine rein subjektive
Schätzung), z. B. Tee, Gewürze, Salz, Edelmetalle, Edelsteine, Muscheln. Solche
Güter waren in ihrem Wert allgemein anerkannt und wurden von jedem als
Tauschmittel angenommen, weil jeder wusste, dass er diese wieder in andere Güter
eintauschen konnte. Sie waren damit eine Art von Geld. Im Verlauf wurden immer
häufiger Edelmetalle als Tauschobjekte verwendet.
In der dritten Wirtschaftsstufe wurde das „Metallgeld“ zu einheitlichen Münzen
weiterentwickelt. Dadurch sollte der Handel vereinfacht und Fälschungen erschwert
werden. Zunächst gab es noch vollwertige Münzen aus Gold, Silber oder Kupfer
(Kurantgeld), später dann unterwertige Münzen, bei denen der aufgeprägte
Nennwert höher war als der Materialwert (Scheidegeld). Mit der beständigen
Ausweitung der Handelsbeziehungen wurde das schwere Münzgeld mit Banknoten
(die keinen Stoffwert mehr hatten) ergänzt, um die Tauschprozesse vor allen auf
größeren Distanzen zu vereinfachen. Im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung
wurde dieses Geld um das Buchgeld ergänzt, das seinen stofflichen Bezug völlig
verloren hat und nur noch auf den Konten geführt wird. Diese bargeldlose
Zahlungsmöglichkeit bildet heute die am weitesten verbreitete Zahlungsart. Dieses
Geld hat den Vorteil, dass es nicht gestohlen werden kann und man es auch nicht
verlieren kann. Außerdem ist der elektronische Transport ohne Zeitverlust möglich.
Eigenschaften des Geldes:
Um die notwendigen Anforderungen an ein allgemein gültiges Zahlungsmittel zu
erfüllen, muss Geld
- allgemein anerkannt
- wertbeständig
- knapp
- leicht transportierbar
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann Geld seine Funktionen erfüllen.
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Funktionen des Geldes
Gesetzliches Zahlungsmittel
Jeder Gläubiger ist verpflichtet, Banknoten und (eingeschränkt) auch Münzen
zahlungshalber anzunehmen.
Wertaufbewahrungsmittel
Geld kann für größere Kaufsummen angespart und für zeitlich auseinanderfallende
Kaufvorgänge bereitgestellt werden.
Wertübertragungsmittel
Einseitige Übertragungen von Geldwerten (Schenkung, Erbschaft) werden
ermöglicht.
Tauschmittel
Der Gütertausch wird durch die Allgemeingültigkeit für sämtliche Waren und
Dienstleistungen ermöglicht.
Kreditmittel
Den Teilnehmern einer Volkswirtschaft kann gespartes Geld zur Finanzierung von
Investitionen und Verbindlichkeiten als Kredite zur Verfügung gestellt werden.
Wertmesser und Recheneinheit
Geld ist ein einheitlicher Bewertungsmaßstab für verschiedene Waren und
Dienstleistungen sowie für alle anderen wirtschaftlichen Bewertungen und
Vergleichsgrößen.
Folgende Zahlungsmittel sind heute vorhanden:
Bargeld (Banknoten, Münzen)
Buchgeld (Guthaben bei Kreditinstitut)
Geldersatzmittel (Scheck, Kreditgarten, EC-Karten u. a.)
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2. Rechtsform der Unternehmung
2.1 Grundlagen der Wahl der Rechtsform
Die Frage, ob man als Freiberufler oder als Gewerbetreibender tätig sein will, sollte
spätestens mit der Anmeldung der Tätigkeit beim Finanzamt geklärt werden. Das
Finanzamt kann bis zu sieben Jahre nach der Gründung den Status als Freiberufler
aberkennen und die Nachzahlung der Gewerbesteuer verlangen.
Früher war die Unterscheidung einfach: Bei gewerblicher Tätigkeit stand der Einsatz
von Kapital im Vordergrund, bei der freiberuflichen der eigene Arbeitseinsatz. Neue
Berufsbilder und Geschäftsfelder erschweren jedoch die Zuordnung häufig.
Gleichzeitig mit dem Trend, verschiedene Tätigkeiten in einem Geschäftsmodell zu
verbinden, wachsen die Abgrenzungsprobleme.
Beispiele:
Künstler (Freiberufler), die ihre Werke auf T-Shirts (Gewerbe) drucken
Designer (Freiberufler), die Platz im Internet verkaufen (Gewerbe)
Journalisten (Freiberufler), die als EDV-Berater (Gewerbe) unterwegs sind
Was sind freie Berufe?
Die Definition freier Berufe lautet gemäß Partnergesellschaftsgesetz:
„Die freien Berufe haben im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher
Qualifikationen oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche
und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse
des Auftraggebers und der Allgemeinheit zum Inhalt.“
Das Einkommensteuergesetz regelt ebenfalls, wer als Freiberufler gilt. Zu den so
genannten Katalogberufen gehören:
- Heilberufe (Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker usw.)
- Rechts-, steuer- und wirtschaftsberatende Berufe (Rechtsanwälte, Steuer-
berater, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, beratende Volks- und
Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer)
- Naturwissenschaftliche und technische Berufe (Vermessungsingenieure,
Architekten)
- Informationsvermittelnde Berufe (Journalisten, Übersetzer)
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Weiterhin zählen hierzu die so genannten Kulturberufe, für die keine besondere
Ausbildung notwendig ist: Schriftsteller, Bildhauer, Schauspieler, Musiker.
Man sollte sich daher rechtzeitig informieren und sich vom Finanzamt eine ver-
bindliche schriftliche Auskunft geben lassen.
2.2 Die richtige Rechtsform wählen
Entscheiden für die Wahl der richtigen Rechtsform ist vor allem die Frage der
Haftung. Während bei einer GmbH nur das Firmenvermögen haftet, kann bei einer
Personen-gesellschaft das gesamte Vermögen der beteiligten Personen zur Haftung
herangezogen werden. Jedoch hat die Wahl einer bestimmten Rechtsform auch
Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass
im Laufe der Zeit die Rechtsform geändert bzw. angepasst werden muss.
2.3 Die verschiedenen Rechtsformen
Die Rechtsformen unterscheiden sich anhand verschiedener Kriterien, z. B. Haftung,
Gründungskapital, Mindestmitgliedszahl oder Gewinnverwendung. Es gibt stets
Vorteile und Nachteile. Die Wahl der GmbH reduziert zwar die Haftung mit dem
persönlichen Vermögen, erschwert jedoch auch die Kapitalbeschaffung bei Banken.
Wir die Form der OHG gewählt, können zwei oder mehr Gesellschafter genügend
Kapital bereitstellen, jedoch haben dann auch alle Beteiligten ein Recht auf die
Geschäftsführung.
Eine Übersicht über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen gibt nachfolgende
Tabelle:
Kriterien Einzelunternehmung OHG KG GmbH AG
Firma Zusatz „e. K.“ Zusatz „OHG“ Zusatz „KG“ Zusatz „GmbH“ Zusatz „AG“
Gründungsmitglieder 1 Mind. 2 Mind. 1 Komplementär
Mind. 1 Kommanditist Mind. 1 Mind. 1
Gründungskapital 0 0 0 Mind. 25.000 € Mind. 50.000 €
Gewinnverteilung Eigentümer 4 % auf Einlage
Rest nach Köpfen
4 % auf Einlage
Rest in angemessenem
Verhältnis
Nach Kapitaleinlage Nach Kapitaleinlage
(Dividende)
Haftung
Vollhaftung
(privat und
geschäftlich)
Vollhaftung
(privat und
geschäftlich)
Komplementär:
Vollhaftung (privat und
geschäftlich)
Kommanditist:
Haftung mit Einlage
Nur die GmbH haftet mit
ihrem Vermögen
Nur die AG haftet mit
ihrem Vermögen
Geschäftsführung Eigentümer Beide Gesellschafter Komplementär
Gesellschafter oder
angestellter
Geschäftsführer
Vorstand
Vertretung Eigentümer Beide Gesellschafter Komplementär
Gesellschafter oder
angestellter
Geschäftsführer
Vorstand
Organe - - - Gesellschafterversammlung
Geschäftsführer
Hauptversammlung
Aufsichtsrat
Vorstand
Besteuerung Einkommensteuer Einkommensteuer Einkommensteuer Körperschaftssteuer Körperschaftssteuer
Abb: Gesetzliche Kriterien der Rechtsformen
3. Finanzierung
Investitionsanlässe:
Kauf Anlagevermögen (z. B. Produktionsmaschinen, EDV-Anlage usw.)
Erwerb einer Lizenz
Schließung von Finanzierungslücken (durch Kreditaufnahme)
Finanzierungen können durch Eigenkapital oder durch Fremdkapital erfolgen.
Eigenkapital:
- Gewinnbeteiligung
- Rückzahlung nach Kündigung
Fremdkapital
- Zinsen
- Tilgung
Kreditarten:
Lieferantenkredit
Bei dieser Kreditart räumt der Lieferant dem Unternehmen einen Kredit ein, sodass
dieses die gelieferte Ware/Dienstleistung erst nach einer bestimmten Zeit bezahlen
muss (Zahlungsziel). Dadurch wird es dem Unternehmen möglich, seine
Warenverbindlichkeiten aus den Umsatzerlösen der verkauften Waren zu
begleichen; es benötigt somit wesentlich weniger Kapital von seiner Hausbank. Dem
Unternehmen entstehen durch dieses Zahlungsziel keine Zinsverpflichtungen. Um
das Unternehmen zu einer vorzeitigen Zahlung zu veranlassen, wird der Lieferant
Skonto gewähren. Der Lieferant kann den Lieferantenkredit über die Vereinbarung
eines Eigentumsvorbehaltes zusätzlich absichern.
Kontokorrentkredit
Die Hausbank des Unternehmens gewährt ihm einen Überziehungskredit („Dispo“)
bis zu einem vereinbarten Höchstbetrag (Kreditlimit). Das Unternehmen kann je nach
Finanzbedarf das Geschäftskonto bis zum Limit überziehen. Die Bank verzinst nur
den tatsächlich beanspruchten Kreditbetrag. Dafür berechnet sie ihm einen
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vereinbarten Zinssatz, zusätzlich kann die Bank noch eine Kreditprovision
(Breitstellungsgebühr) oder Kontoführungsgebühren verlangen.
Der Vorteil dieses Kredites liegt in der problemlosen Inanspruchnahme, das heißt in
der raschen Verfügbarkeit, der entscheidende Nachteil ist der sehr hohe Zinssatz.
Darlehen
In einem Darlehensvertrag wird zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer die
Überlassung eines Geldbetrages gegen Entgelt (Zinsen) vereinbart. Diese Kreditform
zählt zu den längerfristigen Kreditarten. Das Unternehmen wird in der Regel ein
Darlehen bei seiner Hausbank beantragen. Die Darlehenssumme kann je nach
Vertragsart in einer Summe am Tag der Fälligkeit oder in Form einer gleich hohen
Tilgung (Monat, Jahr) zurückgezahlt werden. Die Höhe des Zinssatzes richtet sich
nach der Bonität des Darlehensnehmers, nach der Höhe des Darlehens, nach den
angebotenen Sicherheiten und nach dem Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt.
Die Banken vergeben Kredite (welcher Art auch immer) nur nach Überprüfung der
Bonität und nach dem Vorhandensein von Sicherungsmöglichkeiten.
Folgende Möglichkeiten bestehen:
Personalsicherheiten:
Bei sogenannten Personalkrediten haften die Person oder Dritte für die Kredit-
summe. Nach der Art der persönlichen Haftung werden folgende Personalkredite
unterschieden:
- Blankokredit
- Bürgschaftskredit
- Zessionskredit
Realsicherheiten:
Bei sogenannten Realkrediten stehen nicht Personen sondern bewegliche oder
unbewegliche Sachen (dingliche Sicherheiten) im Mittelpunkt der Kreditsicherung.
- Eigentumsvorbehalt
- Sicherungsübereignung
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- Lombardkredit
- Hypothek
- Grundschuld
4. Buchführung
4.1. Bedeutung und Aufgaben der Buchführung
Geschäftsfälle sind all Vorgänge im Unternehmen, die
- Vermögenswerte und Schulden der Unternehmung verändern
- zu Geldeinnahmen oder Geldausgaben führen
- einen Werteverzehr (Aufwand) oder Wertezuwachs (Ertrag) darstellen.
Die Buchführung erfüllt wichtige Aufgaben:
Sie stellt den Stand des Vermögens und der Schulden fest
Sie zeichnet alle Veränderungen der Vermögens- und Schuldenwerte
lückenlos und sachlich geordnet auf
Sie ermittelt den Erfolg des Unternehmens (Gewinn oder Verlust)
Sie liefert die Zahlen für die Kalkulation der Erzeugnisse/Dienstleistungen
Sie stellt die Zahlen für die innerbetrieblichen Kontrollen zur Verfügung
(Controlling)
Sie ist die Grundlage zur Berechnung der Steuern
Sie ist wichtiges Beweismittel bei Rechtstreitigkeiten mit Kunden, Lieferanten,
Banken und Behörden
4.2 Gesetzliche Grundlagen
§ 238 Abs. 1 HGB
Jeder Kaufmann ist verpflichtet Bücher zu führen und in diesen seine
Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens und seiner Schulden nach den
Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ersichtlich zu machen.
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§ 140 AO
Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu
führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die
ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.
4.3 Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung
Die Buchführung gilt als ordnungsgemäß, wenn sie so beschaffen ist, dass sie einem
sachverständigen Dritten in angemessener Zeit einen Überblick über die
Geschäftsfälle und die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Buchführung
muss deshalb allgemein anerkannten und sachgerechten Normen entsprechen und
zwar den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB).
Aufgaben der GoB ist es, Unternehmenseigner sowie Gläubiger des Unternehmens
vor falschen Informationen und Verlusten zu schützen.
Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind eine Zusammenfassung der
wichtigsten gesetzlichen Regelungen. Jeder Kaufmann muss sie kennen.
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung:
1. Die Buchführung muss klar und übersichtlich sein
a. Sachgerechte und überschaubare Organisation der Buchführung
b. Übersichtliche Gliederung des Jahresabschlusses
c. Keine Verrechnung zwischen Vermögenswerten und Schulden sowie
zwischen Aufwendungen und Erträgen
d. Buchungen dürfen nicht unleserlich gemacht werden
2. Ordnungsmäßige Erfassung aller Geschäftsfälle
a. Die Geschäftsfälle sind fortlaufend und vollständig, richtig und
zeitgerecht sowie sachlich geordnet zu buchen, damit sie leicht
überprüfbar sind.
b. Kasseneinnahmen und -ausgaben sind täglich aufzuzeichnen
3. Keine Buchung ohne Beleg
Sämtliche Buchungen müssen anhand der Belege jederzeit nachprüfbar sein.
Die Belege müssen fortlaufend nummeriert und geordnet aufbewahrt werden.
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4. Ordnungsmäßige Aufbewahrung der Buchführungsunterlagen
a. Alle Buchungsbelege, Programme, Konten, Bücher, Inventare,
Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüsse sind zehn Jahre geordnet
aufzubewahren.
b. Die Unterlagen – mit Ausnahme der Eröffnungsbilanz und des
Jahresabschlusses – können auch elektronisch gespeichert und zehn
Jahre aufbewahrt werden
4.4 Teilgebiete und Aufgaben des Rechnungswesens
Das betriebliche Rechnungswesen erfasst alle wirtschaftlichen Vorgänge in einem
Unternehmen, überwacht diese und wertet sie aus. Man unterscheidet vier Teilbe-
reiche:
I. Die Buchführung externes Rechnungswesen
zeichnet alle Geschäftsvorfälle im Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum
chronologisch und sachlich geordnet auf.
Sie dokumentiert die Veränderung aller Vermögensgegenstände, der Schulden und
des Eigenkapitals. Die Bestände an Vermögen, Schulden und Eigenkapital werden
zum Abschlussstichtag in der BILANZ gegenübergestellt.
Sie zeichnet in einer gesonderten Rechnung alle Aufwendungen und Erträge auf und
stellt diese zum Abschlussstichtag in der GEWINN- und VERLUSTRECHNUNG
gegenüber. Damit wird es möglich, den Erfolg des Unternehmens in der ver-
gangenen Periode (Gewinn oder Verlust) abzulesen.
Dabei unterliegt die Buchführung einer Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften, die im
Handelsgesetzbuch HGB und den Steuergesetzen (Abgabenordnung) mit deren
Durchführungsverordnungen zu finden sind.
Die Buchführung liefert das Zahlenmaterial für alle weiterführenden Bereiche des
Rechnungswesens.
Wer ist an einer ordnungsgemäßen Buchführung interessiert?
• Der Unternehmer selbst, um einen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle
Situation seines Unternehmens im vergangenen Abrechnungszeitraum zu haben und
daraus Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung zu ziehen UND
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• gegebenenfalls aussagekräftige Unterlagen in Rechtsstreitigkeiten zu haben
(Beweismittel),
• der Gesetzgeber in Form des Finanzamts, da die Buchführung den steuerlichen
Gewinn und damit die Grundlagen für die Besteuerung liefert (ESt, GewSt, KSt),
• die Lieferanten und andere Gläubiger (z. B. Banken), deren Forderungen durch
eine ordnungsgemäße Buchführung im Insolvenzfall geschützt sind,
• und nicht zuletzt die Gesellschafter des Unternehmens, die eine angemessene
Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals als Gewinnausschüttung erwarten.
II. Die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) internes Rechnungswesen
wird vom Unternehmen für rein innerbetriebliche Zwecke freiwillig durchgeführt. Sie
unterliegt grundsätzlich keinerlei gesetzlichen Vorschriften. Eine Ausnahme davon
bilden lediglich Unternehmen, die unter die Pflegebuchführungsverordnung fallen.
Die Kosten- und Leistungsrechnung ermittelt die Selbstkosten und kalkuliert die Ver-
kaufspreise der Produkte, Waren oder Dienstleistungen (Stückrechnung). Sie über-
wacht damit die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
Grundlage dafür bildet das Zahlenmaterial der Buchführung. Die KLR arbeitet aber
nur mit denjenigen Aufwendungen und Erträgen aus der Buchführung, die dem
unmittelbaren Betriebszweck zugerechnet werden können, also dem Betriebsmittel-
oder Wareneinkauf, dem Verkauf der Produkte, der Waren oder der Dienst-
leistungen.
Unter diesen betrieblichen Aufwendungen gibt es solche, die in die KLR
• in gleicher Höhe übernommen werden (Grundkosten),
• solche, die aus betriebswirtschaftlich sinnvollen Gründen in anderer Höhe
angesetzt werden (Anderskosten) und
• Kosten, die in der Buchführung überhaupt nicht vorhanden sind (Zusatzkosten),
weil ihr Ansatz dort steuerrechtlich verboten, für Zwecke der Kosten- und
Leistungsrechnung aber betriebswirtschaftlich sinnvoll ist.
III. Die Statistik
bereitet die Zahlen der Buchführung und Kosten- und Leistungsrechnung auf, um
das Betriebsgeschehen zu überwachen und zukünftig sinnvolle Entscheidungen
treffen zu können. Mit den statistisch aufbereiteten Zahlen kann der Unternehmer
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sowohl einen innerbetrieblichen Vergleich seiner Kosten und Umsätze im Verlauf der
Jahre anstellen (Zeitvergleich) als auch einen externen Betriebsvergleich mit Firmen
der gleichen Branche (Branchenvergleich) durchführen, um Schwachpunkte in seiner
Kostenstruktur aufzudecken.
IV. Die Planung
sammelt alle durch Buchführung, Kosten- und Leistungsrechnung und Statistik
bereitgestellten Daten und Auswertungen und erstellt die Pläne für die zukünftige
Entwicklung des Unternehmens (Vorschaurechnung). Man unterscheidet z. B.
zwischen Investitionsplan, Finanzierungsplan, Beschaffungsplan und Absatzplan.
4.5 Geschäftsfälle
Geschäftsfälle sind wirtschaftliche Aktivitäten der Einrichtung (Unternehmen, Betrieb, Verwaltung), die
a) Veränderungen des Vermögens und/oder der Schulden verursachen,
b) zu Einzahlungen und/oder zu Auszahlungen führen bzw. Einnahmen und/oder Ausgaben bewirken und/oder
c) dem Inhalt nach Aufwendungen oder Erträge darstellen.
Wichtig:
Jeder Geschäftsvorfall ist durch einen Beleg zu dokumentieren, der mindestens folgende Angaben enthält:
Buchungsdatum Beleg- bzw. Buchungsnummer
Angaben zum Sachverhalt
Betrag [EUR]
Angaben zur Umsatzsteuer
Das Aufzeichnen von Geschäftsvorfällen wir als Dokumentationsaufgabe des
Rechnungswesens bezeichnet.
Grundlage hierfür bilden die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften zur Führung
von Büchern und zu Aufzeichnungspflichten bei den Geschäftsaktivitäten der
Einrichtung.
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4.6. Inventur und Inventar
4.6.1 Gesetzliche Grundlagen
Nach § 240 HGB muss der Kaufmann
• zu Beginn seines Gewerbes,
• am Ende jedes Geschäftsjahres sowie
• am Ende seiner gewerblichen Tätigkeit
in einer LISTE (untereinander) ART, MENGE und WERT seiner
• Vermögensgegenstände und
• Schulden aufzeichnen und
• die wertmäßige Differenz zwischen Vermögen und Schulden als Reinkapital
(Eigenkapital) berechnen.
Diese in Staffelform erstellte Liste bezeichnet man als INVENTAR. Es ist ein
ausführliches Verzeichnis aller Vermögensgegenstande und Schulden sowie des
Eigenkapitals eines Unternehmens zum Stichtag.
4.6.2 Inventur
Den Vorgang der Erfassung (Bestandsaufnahme) der einzelnen Vermögensgegen-
stände und Schulden nach Art, Menge und Wert zu einem bestimmten Zeitpunkt be-
zeichnet man als INVENTUR. Jeder buchführungspflichtige Unternehmer ist also
inventurpflichtig.
Nach der Art der Bestandsaufnahme wird zwischen körperlicher Inventur und Buch-
inventur differenziert.
KÖRPERLICHE INVENTUR
Bestandsaufnahme durch Zählen, Messen, Wiegen und Bewerten von allen
körperlichen Gegenständen, wie Grundstücke, Maschinen, Anlagen, Betriebs- und
Geschäftsausstattung, Warenbeständen u. a.
BUCHINVENTUR
Was nicht gezählt werden kann und daher über die Buchinventur erfasst wird, sind z.
B. die Forderungen und Verbindlichkeiten sowie die Bestände auf Konten.
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Das Inventar muss laut § 240 HGB die Verhältnisse im Unternehmen zu einem
bestimmten Tag im Geschäftsjahr (Abschlussstichtag) ausweisen. Da aber die
Inventur genau an diesem Abschlussstichtag in der Praxis selten möglich ist, unter-
scheidet der Gesetzgeber nach dem Zeitpunkt der körperlichen Bestandsaufnahme
verschiedene INVENTURVERFAHREN.
4.6.3 Inventurverfahren
Die STICHTAGSINVENTUR
ist das klassische Inventurverfahren. Sie muss ZEITNAH durchgeführt werden, also
nicht genau zum Abschlussstichtag, sondern in einem Zeitraum von zehn Tagen vor
bis zehn Tage nach dem Abschlussstichtag. Allerdings müssen Zugänge und
Abgange für den vom Abschlussstichtag abweichenden Zeitraum anhand von
Belegen aufgezeichnet und in die Inventur eingerechnet, d. h. fortgeschrieben oder
zurückgerechnet werden. Die Stichtagsinventur ist ein genaues und sicheres
Verfahren, aber aufgrund des Zeitpunktes oft aufwändig und z. B. in
Handelsbetrieben oft mit Geschäftsschließungen verbunden. Deshalb sieht der
Gesetzgeber verschiedene Inventurvereinfachungsverfahren vor.
4.6.4 Inventurvereinfachungsverfahren
STICHPROBENINVENTUR
Die körperliche Bestandsaufnahme nach Art, Menge und Wert erfolgt bei diesem
Verfahren mithilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden aufgrund von
Stichproben. Anhand dieser Stichproben wird der Schlussbestand errechnet. Auf
diese Weise ist die Stichprobeninventur ein sehr zeitsparendes und damit
rationelles Verfahren. Bedingung der Anwendung dieses Verfahrens ist ein
rechnerischer Nachweis über die Ermittlung der Werte.
PERMANENTE INVENTUR
Hier wird der Inventurbestand innerhalb des laufenden Geschäftsjahres hinweg
(„permanent“) über eine laufend und aktuell geführte Lagerkartei ermittelt. Das
geschieht heute meist über eine entsprechende Lagersoftware (z. B. mittels
Scanner-Kassen in Handelsunternehmen). Jeder Artikel muss allerdings nach Art,
Menge und Wert einmal im Jahr körperlich erfasst werden, um evtl. Differenzen
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zwischen Buchbestand und tatsächlichem Lagerbestand zu korrigieren. Die Gesamt-
bestandsaufnahme zum Abschlussstichtag entfällt damit, da die körperliche
Erfassung an einem frei wählbaren Tag stattfinden kann. Der Schlussbestand wird
dann aus der Lagerkartei „buchmäßig“ entnommen. Da die permanente Inventur
quasi „nebenher“ läuft, ist sie ebenfalls ein sehr rationelles Verfahren.
VERLEGTE INVENTUR
Sie kann innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten zwei Monate nach
dem Abschlussstichtag (31.12.) durchgeführt werden (d. h. In der Regel zwischen
dem 1. Oktober und dem 28. Februar).
Die verschiedenen Vermögensgruppen dürfen auch zu unterschiedlichen Zeit-
punkten aufgenommen werden. Es muss aber durch ein entsprechendes Fort-
schreibungs- oder Rückrechnungsverfahren gesichert sein, „dass der am Schluss
des Geschäftsjahres vorhandene Bestand der Vermögensgegenstände für diesen
Zeitpunkt ordnungsgemäß bewertet werden kann.“ Das heißt, eine wertmäßige
Fortschreibung/Rückrechnung zum Abschlussstichtag ist zwingend.
Die permanente und die verlegte/zeitverschobene Inventur dürfen nicht angewendet
werden bei Wirtschaftsgütern
• die durch Verderb, Zerbrechlichkeit oder Schwund unvorhersehbaren Minderungen
unterliegen oder
• die im Verhältnis zum Betriebsvermögen besonders wertvoll sind.
4.6.5 Inventar
Für die Aufstellung des Inventars (§ 240 HGB) als ausführliches Verzeichnis der
Vermögensgegenstände und Schulden nach Art, Menge und Wert in einer Liste zum
Abschlussstichtag (Staffelform) gibt es keine detaillierte Gliederungsvorschrift.
Allgemein unterscheidet man drei Teile:
A: Vermögen
B: Schulden
C: Vermögen - Schulden = Reinvermögen (Eigenkapital)
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Eine genaue gesetzliche Gliederungsvorschrift gibt es hingegen für die BILANZ von
Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften, die aus dem Inventar
erstellt wird (§ 266 HGB). Deshalb ist es üblich, auch das Inventar (als Grundlage der
Bilanz) in ähnlicher Weise zu unterteilen, wie es für die Bilanz vorgeschrieben ist.
A Vermögen
I. Anlagevermögen
II. Umlaufvermögen
B Schulden
I. Langfristige Schulden
II. Kurzfristige Schulden
C Reinvermögen
Das Reinvermögen ist die Differenz zwischen Vermögen und Schulden (A – B). Es
gibt an, welchen Betrag der Unternehmer selbst seinem Unternehmen beigesteuert
hat (EIGENKAPITAL).
Definitionen:
ANLAGEVERMÖGEN
Gegenstände, die dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb dauernd (langfristig, d.
h. länger als ein Jahr) zu dienen, z. B.
• Unbebaute Grundstücke (unbebauter Grund und Boden)
• Bebaute Grundstücke (bebauter Grund und Boden)
• Gebäude
• Technische Anlagen und Maschinen (TAM)
• Fahrzeuge (Fuhrpark)
• Betriebs- und Geschäftsausstattung (BGA)
UMLAUFVERMÖGEN
Gegenstände, die dem Geschäftsbetrieb vorübergehend dienen und ständig
verbraucht werden, z. B.
• Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
• Waren
• Forderungen gegenüber Kunden (für noch nicht bezahlte Lieferungen)
• Kassenbestand
• Bankguthaben
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Die Vermögensgegenstände werden nach STEIGENDER LIQUIDITÄT angeordnet,
d. h. nach ihrer Schnelligkeit, sich in Zahlungsmittel umwandeln zu lassen, um damit
kurzfristig Schulden zu tilgen. Der Kassenbestand, der schon Bargeld darstellt, steht
daher ganz unten, die Grundstücke, die man bei Liquiditätsproblemen zuletzt
verkaufen würde, ganz oben.
LANGFRISTIGE SCHULDEN
Schulden gegenüber Kreditinstituten bei Laufzeiten von mehr als einem Jahr, z. B.
• Hypothek (Laufzeiten meist über 20 Jahre)
• Darlehen (häufig 5 bis 10 Jahr oder länger)
KURZFRISTIGE SCHULDEN
Schulden mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, z. B.
• Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (offene Lieferantenrechnungen)
• Verbindlichkeiten aus Lohn-/Kirchensteuer/Soli-Zuschlag an das Finanzamt
• Verbindlichkeiten aus den gesetzlichen sozialen Aufwendungen an die
Krankenkassen
Die Schulden werden nach fallender Laufzeit (nach kürzerer Fälligkeitsfrist) ange-
ordnet:
• Die langfristigen Schulden haben eine hohe Laufzeit, damit eine lange Fällig-
keitsfrist und stehen oben.
• Die kurzfristigen Schulden haben eine geringe Laufzeit, damit eine kurze Fällig-
keitsfrist und stehen unten.
4.7. Die Bilanz
§ 242 HGB verpflichtet den Kaufmann, zu Beginn seines Handelsgewerbes und für
den Schluss jedes Geschäftsjahres auf der Grundlage des Inventars sein Vermögen
und seine Schulden in Kontenform gegenüber zu stellen und das Eigenkapital zu
ermitteln (als Differenz zwischen Vermögen und Schulden).
Eine solche Gegenüberstellung des Vermögens auf der einen Seite und der
Schulden mit dem Eigenkapital auf der anderen Seite bezeichnet man als BILANZ.
Warum eine solche Gegenüberstellung? Bereits das Inventar weist doch alle
Vermögensgegenstände und Schulden sowie das Eigenkapital untereinander aus.
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Das Inventar stellt ein ausführliches Verzeichnis aller Vermögensgegenstände und
Schulden dar. Bei großen Unternehmen kann es ganze Bände umfassen, wird also
unübersichtlich. Um sich schnell einen Überblick über die wirtschaftliche Lage des
Unternehmens verschaffen zu können, fasst man gleichartige Vermögens-
gegenstände und Schulden lediglich mit ihrem Wert (keine Mengenangaben) als
Posten zusammen und stellt diese dann in Form der BILANZ (Kontoform) gegen-
über.
Die Vermögensseite wird als AKTIVA bezeichnet, die Kapitalseite (Eigen- und
Fremdkapital, heißt PASSIVA.
Vom Inventar wissen wir, dass sich das Reinvermögen (Eigenkapital) als Differenz
zwischen Vermögen und Schulden ergibt. Die Bilanz stellt nun das Vermögen isoliert
auf die linke Seite. Damit verbleibt für die rechte Seite der Gleichung die Summe aus
Reinkapital und Schulden:
VERMÖGEN = REINKAPITAL + SCHULDEN
Es ist üblich, in der Bilanz das Reinkapital als Eigenkapital, die Schulden als Fremd-
kapital zu bezeichnen, also
VERMÖGEN = EIGENKAPITAL + FREMDKAPITAL
Damit sind die beiden Seiten der Bilanz gleich; sie befinden sich „in der Waage“.
Vermögen und Kapital
Welche Bedeutung haben die beiden Seiten der Bilanz?
AKTIVA = VERMÖGEN PASSIVA = KAPITAL
WELCHE ART Vermögens- Wer hat die nebenstehenden
gegenstände gibt es im Unternehmen? Vermögensgegenstände
→ ANLAGEVERMÖGEN finanziert?
→ UMLAUFVERMÖGEN Der Unternehmen selbst?
Eigenkapital (EK)
Fremde Kreditgeber?
Fremdkapital (FK)
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Wofür werden die nebenstehenden Woher stammen die Mittel des
Mittel verwendet? Betriebes zur Finanzierung des
→ Mittelverwendung nebenstehenden Vermögens?
Mittelherkunft
Vermögensformen Kapitalquellen
Investitionsseite Finanzierungsseite
Jede Seite der Bilanz hat ein äquivalentes Gegenüber, die beiden Seiten bedingen
sich sozusagen. Dabei müssen wir streng zwischen Vermögen und Kapital unter-
scheiden.
Beispiel:
Mit dem durch ein Darlehen von 10.000,00 € zur Verfügung gestellten Geld kann der
Unternehmer eine Warenlieferung von 10.000,00 € gekauft haben. Hier stehen sich
Waren und Darlehen gegenüber.
Vermögen Kapital
Waren 10.000,00 € Darlehen 10.000,00 €
Das Darlehen von 10.000,00 € kann aber auch auf dem Postbankkonto
gutgeschrieben worden sein, um es für die spätere Anschaffung (Investition) einer
Maschine zu verwenden. In diesem Fall stehen sich Postbankkonto und Darlehen
gegenüber.
Vermögen Kapital
Postbankguthaben 10.000,00 € Darlehen 10.000,00 €
4.8. Eigenkapitalvergleich
Der Eigenkapitalvergleich dient der Gewinnermittlung. Sie wird auch als
Betriebsvermögensvergleich bezeichnet.
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Es gilt folgendes Berechnungsschema:
Betriebsvermögen (EK) am Ende des Geschäftsjahres
- Betriebsvermögen (EK) am Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres
+ Privatentnahmen
- Privateinlagen
= Gewinn (Verlust)
Diese Berechnungsvorschrift berücksichtigt die Wirkung privater Vorgänge im Unter-
nehmen. Es ist normal und legal, dass sich der Unternehmer für private Zwecke
Waren oder Gegenstände entnimmt oder Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens
privat nutzt. Die Buchhaltung muss aber auch solche Vorgänge wie jeden anderen
betrieblichen Vorgang im laufenden Geschäftsbetrieb erfassen, wobei im Fall von
Privatentnahmen das Eigenkapital gemindert, im Fall von Privateinlagen das
Eigenkapital erhöht wird. Diese Wirkung muss bei der Gewinnermittlung am
Jahresende kompensiert werden. Privatentnahmen dürfen den Gewinn nicht
mindern! Dies ist einleuchtend: Würde jeder Unternehmer seinen Gewinn vollständig
als Privatentnahme verbrauchen, fielen keine Steuern an – daher werden alle
Entnahmen für die Gewinnermittlung wieder hinzugerechnet.
Alles, was sich der Unternehmer aus seinem Betrieb entnommen hat, ist vom Betrieb
vorher erwirtschaftet worden. Es ist ein Maß für die Wirtschaftskraft des Unter-
nehmens und unterliegt deshalb der Besteuerung!
MERKE: Privatentnahmen unterliegen der Besteuerung! Sie müssen deshalb bei der
Gewinnermittlung wieder dazugezählt werden!
Privateinlagen sind alle Wirtschaftsgüter, die der Unternehmer im Laufe des
Wirtschaftsjahres dem Betrieb aus seinem privaten Bereich zur Verfügung gestellt
hat, z.B. Bargeld oder Gegenstände zur betrieblichen Nutzung. Privateinlagen dürfen
den Gewinn nicht erhöhen. Sie sind NICHT vom Betrieb erwirtschaftet worden, sie
stellen keinen Gewinn dar und unterliegen deshalb auch nicht der Besteuerung. Sie
müssen bei der Gewinnermittlung wieder abgezogen werden!
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4.9 Belege
Belege bilden die Grundlage der Buchhaltung. Sie dokumentieren damit die
Einnahmen und Ausgaben. Die häufigste Belegform ist die Rechnung. Für eine
ordnungsgemäße Buchführung sind alle Belege zu sammeln und zu erfassen.
Damit das Finanzamt die Rechnung akzeptiert und Sie die Vorsteuer geltend
machen können, muss sie bestimmte Formalien erfüllen. Sie muss als Original
vorliegen! Folgende Daten müssen enthalten sein:
- Rechnungssteller
Vollständiger Name und Anschrift, bei Firmen die Firmenbezeichnung
- Rechnungsempfänger
s. o.
- Fortlaufende Rechnungsnummer
Diese Nummer muss nicht mit eins beginnen. Sollte auch aus
Marketinggründen so nicht erscheinen.
- Rechnungsdatum
Ausstellungsdatum der Rechnung
- Liefer-/Leistungsdatum
Tag der Lieferung bzw. Tag oder Zeitraum der erbrachten Leistung
- Auftrag
Bezug zu einer Bestellung oder einem Vertrag, aufgrund dessen die Lieferung
oder Dienstleistung zustande kam (Ihr Auftrag vom …)
- Bezeichnung der Rechnungspositionen
Beschreibung der Ware oder Dienstleistung, Angabe von Menge, Stundenzahl
oder Pauschalpreis, Zeitpunkt der Lieferung (bei Waren), Einzelpreis (netto)
und Gesamtpreis (netto)
- Nettosumme
Summe der Nettobeträge
- Rabatte
Einen Rabatt vermerken Sie vor der Berechnung der Mehrwertsteuer und
ziehen diesen von der Nettosumme ab
- Verpackung und Porto
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Sie werden vor der Ermittlung der Rechnungssumme angegeben und
unterliegen dem gleichen Mehrwertsteuersatz wie die gesamte Rechnung (zur
Zeit 19%)
- Umsatzsteuersatz
Mehrwertsteuer in Prozent (7 oder 19)
Ein Hinweis ist erforderlich, falls einzelne Rechnungen nicht dem üblichen
Mehrwertsteuersatz unterliegen. Falls Sie sich als Kleingewerbetreibender von
der Umsatzsteuer befreit haben, müssen Sie ebenfalls darauf hinweisen.
- Gesamtsumme
Endbetrag der Rechnung
- Steuernummer
Die Steuernummer vom Finanzamt oder – falls vorhanden – die
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
- Zahlungsfrist und Zahlungsbedingungen
Definieren Sie ein realistisches Zahlungsziel zwischen 14 und 21 Tagen.
Teilen Sie mit, ob Sie Skonto gewähren oder schreiben Sie den Zusatz
„Zahlbar ohne Abzug“
- Bankverbindung des Zahlungsempfängers
Name der Bank, Bankleitzahl, Kontonummer
4.10 Rechnungen für Beträge unter 150 Euro
Für Rechnungen bis 150 Euro reichen folgende Angaben:
- Rechnungsempfänger und Rechnungsdatum
- Liefer-/Leistungsdatum
- Bezeichnung der Rechnungspositionen
- Rechnungsbetrag
- Umsatzsteuersatz (im Gesamtbetrag sind 19/7 Prozent Umsatzsteuer
enthalten)
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Beispiel für eine vom Finanzamt anzuerkennende Rechnung:
Firma X
Kurze Straße 15, 90425 Nürnberg
Steuernummer: 123/456/79000
USt-IdNr.: DE 123456789
Y-GmbH
Kaiserstraße 66
60329 Frankfurt 27.03.20XX
Rechnung Nr. 3252008
Tag der Lieferung: 20.03.20XX
Waren 7% Waren 19%
10 Rasenmäher Marke „Top“
á 1.000 Euro 10.000,00 Euro
60 kg Tannendünger „Nadelgrün“ 100,00 Euro
15 kg Rasensamen „Trittfest“ 60,00 Euro
Summe Waren 7% 60,00 Euro
Summe Waren 19% 10.100,00 Euro
Umsatzsteuer 7% 4,20 Euro
Umsatzsteuer 19% 1.919,00 Euro
Rechnungsbetrag gesamt 12.083,20 Euro
Bei Zahlung bis zum 11.04.20XX wird ein Skonto von 2 Prozent gewährt.
Danach hat die Zahlung ohne Abzug zu erfolgen.
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4.11 Das System der doppelten Buchführung
(wird in der Vorlesung weiter vertieft)
Die Buchführung laut Handelsrecht (HGB) bzw. Abgabenordnung (AO) ist eine Zeit-
rechnung, welche die Höhe und die Veränderungen der Vermögens- und Kapitalteile
des Unternehmens sowie alle Arten von Aufwendungen und Erträgen für eine be-
stimmte Rechnungsperiode erfasst.
Sie dokumentiert alle Geschäftsvorfälle, die zu einer Veränderung des Vermögens
und des Eigen- bzw. Fremdkapitals führen.
Sie dient der Rechenschaftslegung. Im gesetzlich vorgeschriebenen Jahresab-
schluss hat die Buchführung Rechenschaft abzulegen über Höhe und Zusammen-
setzung des Vermögens und des Kapitals sowie den Erfolg des Unternehmens im
Geschäftsjahr.
4.12 Buchungssatz
Man unterscheidet den einfachen und den zusammengesetzten Buchungssatz. Bei
der doppelten Buchführung werden immer mindestens zwei Konten angesprochen
und zwar einmal auf der linken Kontoseite (Soll) und auf der rechten Kontoseite
(Haben). Ein Geschäftsvorfall in einem Unternehmen wird vor der Erfassung im
Buchungsprogramm als Buchungssatz dargestellt. Dieser beginnt immer mit der
Sollbuchung.
Einfacher Buchungssatz: Es werden zwei Konten angesprochen.
Beispiel:
Geschäftsvorfall: Kauf von Rohstoffen auf Rechnung.
Benötigte Konten: Rohstoffe, Verbindlichkeiten
Buchungssatz: Rohstoffe an Verbindlichkeiten
Zusammengesetzter Buchungssatz: Hier werden mindestens drei Konten
angesprochen.
Beispiel:
Geschäftsvorfall: Kauf von Rohstoffen auf Rechnung, netto 1.000 Euro
Benötigte Konten: Rohstoffe, Verbindlichkeiten, Vorsteuer
Buchungssatz: Rohstoffe 1.000
Vorsteuer 119 an Verbindlichkeiten 1.119
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4.13 Aufwendungen und Erträge (Erfolgskonten)
Aufwendungen stellen einen Werteverzehr, Erträge einen Wertezuwachs dar.
Sie vermindern bzw. erhöhen das Eigenkapital. Aus Gründen der Übersichtlichkeit
wird für jede Art von Aufwendungen und jede Art von Erträgen ein eigenes Konto
angelegt. Als Unterkonten des Eigenkapitals werden sie bebucht wie das
Eigenkapital auch: Erhöhungen im Haben, Verminderungen im Soll.
Zum Jahresabschluss werden die Erfolgskonten in einem Zwischenkonto gesammelt.
Dieses Gewinn- und Verlustkonto (G+V-Konto) sammelt alle Aufwendungen im Soll
und alle Erträge im Haben. Der Saldo des G+V-Kontos (Gewinn oder Verlust) wird im
Eigenkapital gebucht.
4.14 Die Organisation der Buchführung
Die Konten der Buchführung bilden zugleich die zahlenmäßige Grundlage für die
Planungen und Entscheidungen der Unternehmensleitung. Dazu sind wichtige
Bilanz-, Aufwands- und Ertragsposten durch Vergleich mit den Zahlen früherer
Geschäftsjahre (Zeitvergleich), mit Sollvorgaben (Soll-Ist-Vergleich) sowie mit
branchengleichen Betrieben (Branchen- oder Betriebsvergleich) betriebswirt-
schaftlich auszuwerten. Die Buchführung mit ihren zahlreichen Konten bedarf daher
einer bestimmten Ordnung, die die Konten des Unternehmens und der branchen-
gleichen Betriebe nicht nur systematisch und detailliert sowie EDV-gerecht gliedert,
sondern vor allem auch einheitlich benennt.
Der Kontenrahmen enthält in der Grundstruktur alle Konten, die ein Unternehmen
einer entsprechenden Branche benötigt. In der Tiefe lässt sich der Kontenrahmen
weiter strukturieren und den speziellen Bedürfnissen des Unternehmens anpassen.
Alle Kontenrahmen sind nach dem dekadischen System aufgebaut und umfassen die
Kontenklassen 0 bis 9. Die verschiedenen Kontenrahmen (z. B. SKR 03, SKR 04,
IKR u. a.) ordnen die Inhalte in unterschiedlicher Form den einzelnen Kontenklassen
zu. Gemeinsam ist jedoch allen, dass sie die Konten der Bilanz sowie des G+V-
Kontos enthalten sowie die Abschlusskonten. Eine Kontenklasse ist stets für die
Kosten- und Leistungsrechnung reserviert.
Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Anhang bilden den Jahresabschluss
der Finanzbuchhaltung. Um die Abschlussarbeiten zu vereinfachen, wurden die
Konten im Kontenrahmen auf den Jahresabschluss ausgerichtet. In Reihenfolge und
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Bezeichnung der Posten entsprechen die Konten der Gliederung der Bilanz (§ 266
HGB) und der Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 275 HGB).
Im Kontenrahmen lässt sich jede der zehn Kontenklassen (einstellige Ziffer) in 10
Kontengruppen (zweistellige Ziffer), jede Kontengruppe in zehn Kontenarten
(dreistellige Ziffer) und jede Kontenart in zehn Kontenunterarten (vierstellige Ziffer)
untergliedern.
Aus der Kontennummer 1800 erkennt man die
Kontenklasse 1 (Umlaufvermögen)
Kontengruppe 18 (Flüssige Mittel)
Kontenart 180 (Guthaben bei Kreditinstituten)
Kontenunterart 1800 (Deutsche Bank)
Kontenklasse und Kontengruppe zählen zum Kontenrahmen, Kontenart und
Kontenunterart zum Kontenplan. Der Kontenrahmen ist vorgeschrieben und darf
nicht verändert werden, der Kontenplan bildet die einheitliche Grundordnung für die
Aufstellung betriebsindividueller Kontenpläne der Unternehmen eines Wirtschafts-
zweiges. Aus dem Kontenrahmen entwickelt jedes Unternehmen seinen ganz
spezifischen Kontenplan. So lässt sich im Kontenplan eine weitere Untergliederung
der Kontenarten in Kontenunterarten entsprechend den Bedürfnissen des Unter-
nehmens vornehmen. Besitzt das Unternehmen im oben genannten Beispiel weitere
Bankkonten, so untergliedert es die Kontenart 180 in weitere Kontenunterarten:
1800 Deutsche Bank
1801 Commerzbank
1802 Dresdner Bank
1803 Sparkasse
usw.
Dadurch hat ein Unternehmen die Möglichkeit, mehrere bestehende Bankkonten
buchungstechnisch zu erfassen.
Für die EDV-gestützte Buchführung kann der jeweilige Kontenrahmen im Buch-
führungsprogramm ausgewählt und durch Erweiterung der benötigten Konten zum
individuellen Kontenplan ausgeweitet werden. Alle Sachkonten sind dabei vierstellig,
während die Personenkonten (Debitoren und Kreditoren) fünfstellig sind.
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4.15 Die Bücher der Finanzbuchhaltung
Die Bücher der Finanzbuchhaltung gliedern sich in das Grundbuch, das Hauptbuch
und die Nebenbücher.
Das Grundbuch (Journal) enthält alle Buchungen in chronologischer Reihenfolge.
Wichtige Daten, die dabei erfasst werden, sind das Belegdatum und die
Belegnummer sowie der Buchungstext, die Kontierung und der Buchungsbetrag. Die
chronologischen Aufzeichnungen im Grundbuch ermöglichen es, jeden einzelnen
Geschäftsvorfall (während der Aufbewahrungsfristen) schnell bis zum Beleg zurück
zu verfolgen und damit nachzuweisen.
Das Hauptbuch besteht aus den Sachkonten. Es erfasst die Geschäftsvorfälle in
sachlicher Ordnung. Aus dem Hauptbuch lässt sich der Stand der einzelnen
Vermögensteile und Schulden erkennen. Die Sachkonten sind die im Kontenplan des
Unternehmens verzeichneten Bestand- und Ergebniskonten. Ihr Abschluss führt zur
Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz. Bei jeder Buchung im Hauptbuch
müssen – ähnlich wie im Journal – Datum, Belegnummer, Buchungstext, Konto und
Gegenkonto sowie der Betrag vermerkt werden.
Bestimmte Sachkonten des Hauptbuches müssen näher erläutert werden, um
wichtige Einzelheiten zu erfassen. Die geschieht in den entsprechenden Neben-
büchern.
Forderungen/Verbindlichkeiten Kontokorrentbuch
Löhne und Gehälter Lohn- und Gehaltsbuchhaltung
Anlagekonten Anlagendatei
Beispiel Kontokorrentbuch:
Die Kontokorrentbuchhaltung erfasst den Geschäftsverkehr mit Kunden und Liefer-
anten. Die Einrichtung von Personenkonten für Debitoren und Kreditoren ist erforder-
lich, weil aus den Sachkonten „Forderungen“ und „Verbindlichkeiten“ nicht zu er-
sehen ist, wie hoch die Forderungen gegenüber den einzelnen Kunden bzw. wie
hoch die Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen Lieferanten sind. Die Kunden-
und Lieferantenkonten dienen vor allem der Überwachung der Zahlungstermine. Sie
bilden in ihrer Gesamtheit das Kontokorrentbuch.
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5 Markt und Preis
Auf den Märkten (Arbeitsmarkt, Supermarkt, Wochenmarkt usw.) bilden sich durch
das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage die Preise für Güter und
Dienstleistungen. Die Preise hängen dabei vom Umfang des Angebotes und vom
Umfang der Nachfrage ab.
Als Markt bezeichnet man den ökonomischen Ort des Zusammentreffens von
Angebot und Nachfrage. Die Aufgabe des Marktes besteht darin, Angebot und
Nachfrage zusammenzuführen und zum Ausgleich zu bringen.
5.1 Marktarten
Je nachdem, welche Kriterien man zu Grunde legt, lassen sich verschiedene Markt-
arten differenzieren:
Nach dem Umfang der staatlichen Marktbeeinflussung:
Freie Märkte (Märkte ohne Staatseingriffe)
Regulierte Märkte (Märkte, auf denen der Staat eingreift, wenn er seine politischen
Ziele gefährdet sieht)
Nach dem Umfang der Marktzutrittsmöglichkeiten
Offene Märkte (Märkte, auf denen jedermann als Anbieter oder Nachfrager auftreten
kann)
Geschlossene Märkte (Märkte, auf denen nicht jedermann Zutritt hat)
Nach Art der gehandelten Güter und Dienstleistungen
Warenmärkte (Märkte, auf denen Sachgüter gehandelt werden)
Finanzmärkte (Märkte, auf denen Geldmittel gehandelt werden)
Arbeitsmärkte (Märkte, auf denen die Nachfrage und das Angebot an Arbeitskräften
aufeinandertreffen)
Grundstücksmärkte (Märkte, auf denen Grundstücke und bebaute Grundstücke
gehandelt werden)
Nach der Anzahl der Anbieter und Nachfrager
Polypolistische Märkte (unzählige Anbieter und Nachfrager; vollständige Konkurrenz)
Oligopolistische Märkte (wenige Anbieter und/oder Nachfrager)
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Monopolistische Märkte (Märkte, auf denen nur ein Anbieter und/oder ein Nachfrager
auftreten)
5.2 Nachfrager- und Anbieterverhalten
Auf der Nachfrageseite stehen die privaten Haushalte, die als Nachfrager nach
Konsumgütern auftreten. Ausgehend von einem vollkommenen Markt ist der Preis
das bestimmende Kriterium der Nachfrage.
Mit steigendem Preis eines Gutes sinkt die Nachfrage nach diesem Gut.
Mit sinkendem Preis eines Gutes steigt die Nachfrage nach diesem Gut.
Das Gesetz der Nachfrage beschreibt das normale Nachfrageverhalten eines
privaten Haushaltes. Hiervon gibt es jedoch auch Ausnahmen. Nimmt ein Nachfrager
z. B. den Preis eines Gutes als Qualitätsmaßstab, wird er mit steigendem Preis
mengenmäßig mehr, mit sinkendem Preis mengenmäßig weniger nachfragen
(anomale Nachfrage). Ähnliche Verhaltensweisen sind auch möglich, wenn ein
privater Haushalt steigende (sinkende) Preise erwartet.
Gewöhnliche Nachfragekurve
Preis
Nachfrage
Menge
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Die Nachfragekurven von privaten Haushalten können recht unterschiedlich sein.
Beispiele:
Legen der Haushalt Müller weniger Wert auf Teigwaren sondern bevorzugt
Kartoffeln, wird seine mengenmäßige Nachfrage nach Kartoffeln nur geringfügig ab-
nehmen, wenn der Kartoffelpreis steigt. Man nennt dies eine preisunelastische Nach-
frage. Preiselastisch ist hingegen seine Nachfrage nach Teigwaren. Steigen die
Preise hierfür, wird der Haushalt Müller weniger oder gar keine Teigwaren mehr
nachfragen.
Mögliche Nachfragekurven
Preis Preis
N N
Menge Menge
a) vollkommen unelastische Nachfrage b) unelastische Nachfrage
z. B. bei lebensnotwendigen Gütern (Medikamente, Wasser, Heizöl
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Preis Preis
Menge Menge
c) elastische Nachfrage d) vollkommen elastische Nachfrage
z. B. bei nicht lebensnotwendigen Gütern (Gütern des Wahlbedarfs: Ferienreisen,
Theaterbesuche, Schnittblumen u. ä.)
Marktnachfrage (Gesamtnachfrage nach einem Gut)
Preis
Nachfrage
P1
P0
X1 x0 Menge
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Unterstellt man, dass sich die Mehrzahl aller Nachfrager nach dem „Gesetz der
Nachfrage“ verhalten und fasst man gedanklich alle individuellen Nachfragekurven
zu einer Kurve zusammen, erhält man die Marktnachfragekurve. Diese Kurve zeigt,
wie groß die mengenmäßige Nachfrage nach einem Gut bei unterschiedlichen
Preisen dieses Gutes ist.
X0 ist die nachgefragte Menge bei einem bestimmten Preis P0. Steigt der Preis auf
P1, sinkt die Nachfrage auf X1 (und umgekehrt). Dies entspricht dem „Gesetz der
Nachfrage“.
5.3 Anbieterverhalten
Während die Nachfrager das Interesse haben, zu möglichst niedrigen Preisen zu
kaufen, ist das Interesse der Anbieter drauf gerichtet, zu möglichst hohen Preisen zu
verkaufen. Die Interessenslage der Marktpartner sind also entgegengesetzt.
Ebenso wie auf der Nachfrageseite gibt es auch auf der Angebotsseite ein „Gesetz
des Angebotes“.
Mit steigendem Preis eines Gutes steigt das Angebot für das Gut.
Mit sinkendem Preis eines Gutes sinkt das Angebot für das Gut.
Dieses Gesetz lässt sich wie folgt begründen Mit steigenden Absatzpreisen wird der
Anbieter versuchen, sein Angebot mengenmäßig auszuweiten, weil er sich dadurch
zusätzliche Gewinne verspricht. Bei sinkenden Preisen wird er sein Angebot
verringern, weil die Gewinn sinken (oder sogar Verluste entstehen).
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Gewöhnliche Angebotskurve
Preis
Angebot
Menge
Marktangebot (Gesamtangebot für ein Gut)
Unterstellt man, dass sich die Mehrzahl aller Anbieter eines Gutes nach dem „Gesetz
des Angebotes“ verhalten und fasst man gedanklich alle individuellen Angebots-
kurven zusammen, erhält man die Marktangebotskurve (Gesamtangebotskurve für
ein Gut). Sie zeigt, wie groß das mengenmäßige Angebot für ein Gut bei unter-
schiedlichen Preisen dieses Gutes ist.
Ausgehend von einem bestimmten Preis P0 werden die Anbieter die Menge X0 auf
dem Markt anbieten. Bietet sich nun die Möglichkeit, den Preis P1 für das Gut zu
erzielen, steigt die angebotene Menge des Gutes auf dem Markt auf X1.
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Preis
Angebot
P1
P0
X0 X1 Menge
5.4 Marktgleichgewicht
Wenn Angebot und Nachfrage auf einem Markt übereinstimmen, dann sind die
Nachfrager bereit, zu einem bestimmten Preis die angebotene Menge abzunehmen
und die Anbieter sind bereit, zu einem bestimmten Preis die nachgefragte Menge
anzubieten. Der Markt wird „geräumt“.
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Preis
Nachfrage Angebot
P0
X0 Menge
Bei einem Preis von P0 wird die gesamte angebotene Menge X0 abgesetzt.
Angebotsmenge und Nachfragemenge gleichen sich aus.
5.5 Staatseingriffe in Markt und Preisbildung
Aus dem Gebot der Sozialstaatlichkeit folgt u. a. dass der Staat in das Wirtschafts-
geschehen eingreifen muss, wenn dies sozial geboten ist.
Hierbei wird zwischen marktkonformen und marktkonträren Eingriffen unterschieden.
Marktkonforme Eingriffe liegen vor, wenn der Staat die Nachfrage und/oder das
Angebot erhöht oder senkt, die Preisbildung aber dem Markt überlässt. Mögliche
Maßnahmen wären:
Erhöhung der Nachfrage Verringerung der Nachfrage
Erhöhung der Staatsnachfrage
Steuersenkung
Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten
Subventionen an Verbraucher
Verringerung der Staatsnachfrage
Steuererhöhungen
Abbau von Abschreibungsmöglichkeiten
Streichung/Kürzung von Subventionen
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Marktkonträre Eingriffe
Staatseingriffe, die den Preismechanismus außer Kraft setzen, bezeichnet man als
marktkonträr.
Der Preismechanismus wir dann außer Kraft gesetzt, wenn der Staat entweder die
Produktions- bzw. Verbrauchsmengen durch Gesetz festlegt oder den Preis un-
mittelbar vorschreibt. Derartige Eingriffe widersprechen dem Wesen einer Markt-
wirtschaft.
Höchstpreise bzw. Mindestpreise
Die vom Staat vorgeschriebenen Preise können Höchstpreise oder Mindestpreise
sein.
Höchstpreise liegen unter dem Preis, der sich bei freier Preisentwicklung ergeben
würde. Sie dienen dem Schutz des Verbrauchers.
Beispiel: Höchstmieten
Folgen: Es entstehen „schwarze Märkte“, auf denen die knappen Güter zu über-
höhten Preise gehandelt werden.
Mindestpreise liegen über dem Preis, der sich bei der freien Preisentwicklung
ergeben würde. Sie dienen demnach dem Schutz des Produzenten. Durch den
Mindestpreis werden die Produzenten zur Mehrproduktion angeregt, die die
Verbraucher aufgrund des hohen Preises nicht restlos abnehmen wollen (oder
können). Der Mindestpreis ist nur machbar, wenn der Staat die Überschuss-
produktion aufkauft.
Beispiel: Lebensmittel
Zum Schutz der Landwirtschaft sind in der EU für Getreide Mindestpreise festgelegt.
Liegt der Marktpreis unter dem Mindestpreis (z. B. bei außergewöhnlich hohen
Ernten und damit bei einem übergroßen Angebot), muss die EU die Überproduktion
aufkaufen, um die Preise zu stützen.
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6. Wirtschaftsordnung
Ebenso wie wir im Straßenverkehr eine Ordnung benötigen, damit sich der Verkehr
so reibungslos wie möglich abwickeln kann, benötigt auch jede Gesellschaft einen
Ordnungsrahmen, also gewisse Spielregeln, damit das soziale Zusammenleben
ohne allzu große Konflikte abläuft. Die Summe aller Spielregeln, denen sich die
einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft verpflichtet fühlen, bezeichnet man als
Gesellschaftsordnung. Wie aber soll diese Ordnung aussehen? Die Antwort auf
diese Frage kann nicht objektiv gegeben werden; sie hängt vielmehr davon ab,
welche gesellschaftspolitische Grundeinstellungen und -entscheidungen vorliegen.
Die Gesellschaftsordnung kann nun von den verschiedensten Aspekten her
betrachtet werden. Will man in erster Linie den Aufbau bzw. die Struktur der
rechtlichen Normen untersuchen, spricht man von Rechtsordnung. Will man hin-
gegen die Art und Weise beschreiben, wie eine Gesellschaft ihre Mitglieder z. B.
gegen Armut, Arbeitslosigkeit oder Krankheit schützt, befasst man sich mit der
Sozialordnung einer Gesellschaft. Die Summe aller für die Wirtschaft einer
Gesellschaft geltenden Regeln kommt in ihrer Wirtschaftsordnung zum Ausdruck.
Zwischen Wirtschafts-, Rechts- und Sozialordnung besteht ein enger Wirkungs-
zusammenhang. Die Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung hängt weitgehend von
den gesellschaftspolitischen Grundentscheidungen zwischen Individualismus einer-
seits und Kollektivismus andererseits ab. Individualismus und Kollektivismus stellen
die beiden großen gegensätzlichen Anschauungen über das Wesen des Menschen
dar.
Die Wirtschaftsordnung stellt sich durch Normen einer Volkswirtschaft dar, deren Ziel
es ist, den privaten und öffentlichen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen best-
möglich zu decken. Das Wirtschaftssystem ist dabei die idealtypische Ausprägung
einer speziellen Wirtschaftsordnung.
Es existieren zwei theoretische Ausprägungen (Idealtypen) der Marktwirtschaft:
Freie Marktwirtschaft und Zentralverwaltungswirtschaft. Um die Zugehörigkeit
einer Volkswirtschaft zu einer bestimmten Ausprägung der Marktwirtschaft zu be-
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stimmen, untersucht man die Kriterien des Eigentums, der Selbstbestimmung (Ver-
tragsfreiheit) sowie Staatseingriffe.
Übersicht über die verschiedenen Kriterien zur Differenzierung der Wirtschafts-
ordnung:
Freie Markwirtschaft Zentralverwaltungswirtschaft
Privateigentum Eigentumsmonopol des Staates
(Volkseigentum)
Vertragsfreiheit Vertragsabschlusszwang
Keine staatlichen Eingriffe Staatliche Kontrolle
Ziel: Gewinnmaximierung Ziel: Planerfüllung
6.1 Individualismus als Grundlage der freien Marktwirtschaft
Das Modell der freien Marktwirtschaft beruht auf der Idee des Liberalismus.
Die freie Marktwirtschaft ist eine Wirtschaftsordnung, in der der Staat nicht in das
wirtschaftliche Geschehen eingreift.
Im Mittelpunkt der individualistischen Geisteshaltung steht der einzelne Mensch, das
Individuum. Für den Individualismus ist die Freiheit des Einzelnen oberster Grund-
satz. Liberalismus und Individualismus sind also eng miteinander verbunden. Der
Staat ist nur ein Zweckverband, innerhalb dessen die Bürger ihren einzelwirtschaft-
lichen egoistischen Zielen nachgehen. Die Aufgabe des Staates besteht lediglich
darin, den inneren und äußeren Rechtsschutz zu gewährleisten (Nachtwächterstaat).
Der Individualismus ist davon überzeugt, dass die uneingeschränkte Verfolgung der
Einzelinteressen der Erreichung des höchsten Allgemeinwohls dient. Wenn nämlich
jeder seinen eigenen Vorteil sucht, so wird der Produzent diejenigen Waren her-
stellen, die er am billigsten produzieren kann, um einen Höchstgewinn zu erzielen
(Maximalprinzip). Auf der anderen Seite wird jeder die Waren dort kaufen, wo sie am
billigsten zu erwerben sind (Minimalprinzip). Der freie, d. h. der nicht vom Staat
beeinflusste Wettbewerb (Konkurrenz) ist nach dieser Auffassung so imstande, wie
eine „unsichtbare Hand“ die Einzelinteressen auf das Gesamtinteresse zu lenken.
Eigennutz ist zugleich Gemeinnutz.
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6.2 Kollektivismus als Grundlage der Zentralverwaltungswirtschaft
Während das Modell der freien Marktwirtschaft auf dem Individualismus beruht, ist
die geistige Grundlage der Zentralverwaltungswirtschaft der Kollektivismus.
Die Zentralverwaltungswirtschaft ist eine Wirtschaftsordnung, in der der Staat das
gesamte wirtschaftliche Geschehen plant, lenkt und kontrolliert.
Für den Kollektivismus ist der Mensch in erster Linie ein Sozialwesen. Deswegen
stehen Staat und Gesellschaft über dem Einzelnen. Hieraus folgt, dass sich der
Einzelne den Prinzipien der Gesellschaft bzw. des Staates unterzuordnen hat.
Im Gegensatz zum Individualismus stellt der Kollektivismus fest, dass sich die
Einzelinteressen keineswegs immer mit dem Gesamtinteresse decken. Vielfach
stehen sie derart im Widerspruch, dass der Forderung „Gemeinnutz vor Eigennutz“
Geltung verschafft werden muss. Für die Wirtschaftsordnung ergibt sich daraus die
Notwendigkeit der zentralen Planung, der Abschaffung der Vertragsfreiheit, der
Gewerbefreiheit, des privaten Unternehmensgewinns und des privaten Eigentums an
den Produktionsmitteln. Hierbei handelt es sich um extreme Vorstellungen, die bis
heute noch nirgends vollständig verwirklicht worden sind (daher stellt diese
Beschreibung einen Idealtyp dar, also ein theoretisches Modell).
Modell der freien Marktwirtschaft
Das Modell der freien Marktwirtschaft ist durch dezentrale Entscheidungsfindung
gekennzeichnet.
Die Gütermärkte regulieren sich mithilfe des Preises, die Kreditmärkte mithilfe des
Zinses und die Faktormärkte mithilfe des Lohns und des Pachtzinses (= Marktauto-
matismus). Es handelt sich somit um einen freien Markt zwischen Anbietern und
Nachfragern.
In einer freien Marktwirtschaft müssen folgende Ordnungsmerkmale gegeben sein:
a) Der Staat greift nicht in das Wirtschaftsgeschehen ein (Nachtwächterstaat).
b) Die Entscheidung darüber, was, wo und wie viel produziert wird, liegt aus-
schließlich bei den Unternehmen (Produktionsfreiheit, Gewerbefreiheit,
Niederlassungsfreiheit).
c) Die Entscheidung darüber, was und wie viel gekauft wird, liegt ausschließlich
bei den Konsumenten (Konsumfreiheit).
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d) Die Ausgestaltung der Verträge wird den Vertragsparteien überlassen (Ver-
tragsfreiheit).
e) Die Steuerung der Wirtschaft über den Preis setzt das Vorhandensein eines
allgemein anerkannten Zahlungsmittels voraus (Geld). Dies wird als Geldwirt-
schaft bezeichnet.
f) Das Privateigentum an den Produktionsmitteln (am Kapital, daher Kapitalis-
mus) muss gewährleistet sein.
Vorteile und Nachteile des Modells
Die freie Marktwirtschaft hat in der Zeit des Frühkapitalismus zu einer starken
Entwicklung der Märkte (Massenproduktion) und auch der Industrialisierung geführt.
Gerade das Bürgertum erhielt eine Chance des sozialen Aufstiegs.
Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die Ausbeutung der Arbeitskräfte in der
Zeit der Industrialisierung zu erheblichen Missständen geführt hat (die letztlich zur
Einführung der Sozialversicherungen geführt haben).
Das System der freien Marktwirtschaft führt nicht zwangsläufig zum Gemeinwohl
(durch die Verfolgung der Einzelziele der Individuen).
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die freie Marktwirtschaft führt zu einer starken
Abhängigkeit der Arbeitnehmer, weil die Entlohnung der Produktionsfaktoren (u. a.
die Arbeitnehmer) sich nicht nach der Leistung der Arbeiter richtet. Vielmehr
schwankt der Lohn je nach Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Besteht
ein Überangebot von Arbeitskräften (bei Arbeitslosigkeit), sinken die Löhne, es
drohen Hunger und Krankheit. Die Löhne steigen erst wieder, wenn die Arbeits-
nachfrage wieder knapper wird (bei einer steigenden Beschäftigung oder Vollbe-
schäftigung).
Bleibt die freie Marktwirtschaft sich selbst überlassen, bilden sich in kurzer Zeit
Kartelle und andere Konzentrationsformen, welche den freien Wettbewerb ein-
schränken und letztlich aufheben. Es bleiben am Ende nur die größten Unternehmen
(Konzerne) zurück, die dann – aufgrund ihrer Monopolstellung – die Preise diktieren.
Da in der freien Marktwirtschaft die Anbieter lediglich dann produzieren, wenn sie
Gewinn erwarten, bleiben Kollektivbedürfnisse in vielen Fällen unbefriedigt.
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Modell der Zentralverwaltungswirtschaft
Als Zentralverwaltungswirtschaft wird eine Wirtschaftsordnung bezeichnet, in der
Produktion (Güter- und Dienstleistungserzeugung) und Konsumtion (Verbrauch)
durch zentrale staatliche Stellen geplant werden. Dabei ist zwischen kurzfristiger und
langfristiger Planung zu unterscheiden. Die kurzfristige Planung (Jahrespläne) wird
als Operativplanung, die langfristige Planung (Fünf- und Zehnjahrespläne) als Per-
spektivplanung bezeichnet.
In diesem Grenzmodell gibt es keine Märkte, also weder Preis-, Lohn- noch Zins-
mechanismus. Das Geld hat nur die Aufgabe, Verrechnungseinheit zu sein.
Will der Staat die Produktion planen, muss er sich ein genaues Bild über die einsetz-
baren originären und abgeleiteten Faktormengen, d. h. über Boden, Bodenschätze
und Arbeitskräfte einerseits und Fabrikanlagen, Transportmittel und Rohstoffe
(Produktionsmittel) andererseits machen.
Noch schwieriger als die zentrale Produktionsplanung ist die Konsumtionsplanung.
Die Planungsbehörde muss sich vollkommen über die Verbraucherwünsche im
Klaren sein, es sei denn, sie setzt von sich aus fest, was der Einzelne zu ver-
brauchen hat bzw. verbrauchen darf. Will sie das nicht, ist eine Orientierung bei-
spielsweise über Verbraucherbefragungen möglich, wenn Fehlplanungen vermieden
werden sollen. Fehlplanungen im Konsumgüterbereich bedeuten, dass entweder ein
Teil der Produktion nicht absetzbar ist oder das Angebot nicht ausreicht. Im letzteren
Fall muss das Angebot rationiert werden, d. h. jeder erhält eine von der Planungs-
behörde festgelegte Zuteilung.
Ordnungsmerkmale des Modells
Eine zentrale Planungsbehörde plant Verbrauchs- und Produktionsmengen.
Die Verteilung der zu erstellenden Gütermengen und Dienstleistungen wird zeitlich
und örtlich vorausgeplant.
Die Produzenten können keine Entscheidungen darüber treffen, ob, was und wie viel
sie produzieren wollen (keine Produktionsfreiheit, keine Gewerbefreiheit, keine
Niederlassungsfreiheit).
Ebenso können die Verbraucher keine Entscheidung darüber treffen, was und wie
viel sie verbrauchen wollen (keine Konsumfreiheit sondern Zuteilungssystem).
Keine Vertragsfreiheit.
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Die Geldfunktionen sind überflüssig, weil es keine Märkte im Sinne einer freien
Wirtschaft gibt und die Steuerung der Wirtschaft nicht über die Marktpreise erfolgt.
Da der Staat die Produktions- und die Konsumentscheidungen trifft, kann es kein
Privateigentum an den Produktionsmitteln geben. Die Produktionsmittel sind
verstaatlicht (Kollektiveigentum).
Keine freie Berufswahl, keine Arbeitsplatzwahl und keine Freizügigkeit, weil die Plan-
erfüllung verlangt, dass die Arbeitskräfte dort eingesetzt werden, wo sie am
dringendsten benötigt werden.
Vorteile und Nachteile des Modells
Ebenso wie der Preismechanismus einer freien Marktwirtschaft nur dann funktioniert,
wenn die Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz gegeben sind, ist die Zentral-
verwaltungswirtschaft nur funktionstüchtig, wenn die staatliche Planungsbehörde
jederzeit im Besitz aller nur Planung erforderlichen Informationen ist. Ist dies nicht
der Fall (was in der Realität immer so ist), ist auch die Planung unvollkommen.
Die Beschaffung und Auswertung der notwendigen Informationen scheitert häufig an
technischen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen.
Die Vorteile der Zentralverwaltungswirtschaft liegen in der Chance, wirtschafts-
politische Ziele wie z. B. hoher Beschäftigungsgrad (zulasten des Rechts auf freie
Berufs- und Arbeitsplatzwahl und um den Preis der Arbeitspflicht), Preisniveau-
stabilität (zulasten der Konsumfreiheit), Wirtschaftswachstum (zulasten des Konsum-
güterangebots) oder Einkommensgleichheit (zulasten der Eigeninitiative) zu er-
reichen.
6.3 Soziale Marktwirtschaft
Die soziale Marktwirtschaft soll potentielle Fehlentwicklung einer freien Marktwirt-
schaft vermeiden bzw. mildern. Dazu zählen vor allem unerwünschte Konzentrations-
vorgänge (Auflösung des Wettbewerbs), die fehlende breitere Streuung von
Vermögen sowie extreme konjunkturelle Schwankungen.
Soziale Marktwirtschaft ist dabei nicht als fertiges, abgeschlossenes System zu
betrachten sondern vielmehr als „zu gestaltende Ordnung“.
Das der sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegende Menschenbild ist dualistisch, d.
h. der Mensch wird sowohl als Individual- als auch als Kollektivwesen gesehen.
Hieraus folgt bereits, dass die soziale Marktwirtschaft zwischen den beiden extremen
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Modellen stehen muss. Es gilt: „So viel Freiheit wie möglich, so viel staatlicher
Zwang wie nötig.“
Aufgabe der sozialen Marktwirtschaft ist, auf der Grundlage der Marktwirtschaft das
Prinzip der Freiheit mit dem des sozialen Ausgleichs und der sozialen Gerechtigkeit
zu verbinden.
Ordnungsmerkmale der sozialen Marktwirtschaft
Einschränkung der Freiheitsrechte:
Einschränkungen der Vertragsfreiheit durch Vorschriften bezüglich der Geschäfts-
fähigkeit, der Nichtigkeit und der Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften.
Einschränkung der Eigentumsrechte
Das Privateigentum befindet sich vorwiegend in den Händen Privater. Dies bedeutet,
dass jeder mit den meisten beweglichen Sachen tun und lassen kann, was er will.
Bei großen Wirtschafts- und Sacheinheiten sieht dies anders aus. Niemand darf
beispielsweise sein Haus oder seine Fabrik anzünden (Verstoß gegen das Gesetz
der Brandstiftung und ggf. Verletzung von Rechten oder Personen).
Es sind ggf. auch Eingriffe in das Privatvermöge möglich, wenn diese dem Gemein-
wohl dienen (z. B. Enteignung für den Straßenbau). Jedoch muss die enteignete
Person eine angemessene Entschädigung erhalten.
Einschränkung des Gewinnstrebens
Das Gewinnstreben ist eine wichtige Grundlage für die Marktwirtschaft jedoch darf
dies nicht zu einer Ausnutzung oder Übervorteilung der wirtschaftlich Schwächeren
führen. Hier muss der Staat ggf. eingreifen, z. B. durch die Verhinderung von Kartell-
bildungen oder von Wuchergeschäften.
Beschneidung der Einkommen durch Steuerprogression
Zur Umverteilung von Vermögen werden höhere Einkommen mit einer höheren
Steuer belastet.
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7. Grundlagen des Vertragsrechts
Grundsätzlich herrscht im deutschen Zivilrecht das Prinzip der Vertragsfreiheit. Es
steht daher dem Einzelnen frei, ob er einen Vertrag abschließen möchte, welche
Gestaltung seines Vertrages vorgenommen wird und ob ein Vertrag auch wieder
beendet wird.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sind jedoch verschiedene Vertragstypen vorge-
sehen, sodass dann, wenn man sich für einen bestimmten Vertragstyp aufgrund der
Bestimmung des Vertragsgegenstandes entscheidet, bestimmte vertragliche
Pflichten entstehen.
Schon die unbewusste Lückenhaftigkeit eines Vertrages führt zur Geltung der
gesetzlichen Vorschriften.
Grundsätzlich ist das BGB auch auf den Vertragsabschluss im Internet anwendbar.
7.1 Rechtsgeschäfte und Verträge
Zweiseitige Rechtsgeschäfte bezeichnet man als Verträge. Ein Vertrag kommt
zustande
- Durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen,
- Die auf einen definierten rechtlichen Erfolg zielen,
- Gewollt sind und zwangsfrei erklärt werden.
-
Der Vertragsantrag (1. Willenserklärung) muss der Vertragsannahme (2. Willens-
erklärung) entsprechen.
Vertragsantrag
Veräußerer Erwerber
Vertragsannahme
Ein Vertragsantrag muss an eine bestimmte Person gerichtet sein, ist empfangs-
bedürftig, muss durch ein einfaches „Ja“ angenommen werden können und bein-
haltet einen Bindungswillen des Antragstellers.
Eine Annahme ist die Bestätigung der im Antrag formulierten Bedingungen. Sie ist in
der Regel empfangsbedürftig, muss sofort bzw. in angemessener Zeit erfolgen, kann
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in Ausnahmefällen durch Schweigen erfolgen und gilt aufgrund verspäteter Annahme
oder Abänderung als neuer Antrag.
Durch den Vertragsabschluss (Verpflichtungsgeschäft) wird ein Schuldverhältnis be-
gründet, dass durch das Erbringen der vereinbarten Leistung (Erfüllungsgeschäft)
erlischt. Die Rechte des einen Vertragspartners sind hierbei jeweils die Pflichten des
anderen Vertragspartners und umgekehrt.
7.2 Kaufvertrag
Der Gegenstand eines Kaufvertrages kann sowohl eine Sache als auch ein Recht
sein. Er ist ein zweiseitig verpflichtender Vertrag. Der Kaufvertrag über eine Sache
verpflichtet den
Verkäufer:
dem Käufer die vereinbarte Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben
und dem Käufer das Eigentum an der Sache zu verschaffen.
Käufer:
dem Verkäufer den ausgemachten Kaufpreis zu zahlen und dem Verkäufer die
gekaufte Sache abzunehmen.
Der Antrag kann sowohl vom Verkäufer (Angebot) als auch vom Käufer (Bestellung)
ausgehen. Durch das Angebot teilt der Verkäufer mit, unter welchen Bedingungen er
bereit ist, zu einem späteren Zeitpunkt einen Kaufvertrag abzuschließen. An diese
Willenserklärung ist er gebunden, wenn das Angebot die entscheidenden
Vertragsinhalte aufweist, u. a. Kennzeichnung der Ware, Menge und Preisangaben,
Zahlungsbedingungen und Lieferzeit.
Der Käufer unterbreitet durch seine Bestellung einen Vertragsantrag. Der Verkäufer
entspricht dieser Bestellung durch die Vertragsannahme in Form einer
Auftragsbestätigung bzw. der Lieferung der Ware. Der Bestellung können
Anpreisungen durch den Verkäufer z. B. durch Zeitungsinserate, Schaufenster-
auslagen oder Werbematerialien vorausgegangen sein. Aufgrund von Antrag und
Annahme wird ein Verpflichtungsgeschäft begründet, das die Vertragspartner zur
Erfüllung der vereinbarten Leistung verpflichtet.
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Wer einem anderen die Schließung eines Vertrages anträgt, ist an den Antrag
gebunden, es sei denn, dass der die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Keine
rechtliche Bindung an einen Vertragsantrag besteht, wenn
- Freizeichnungsklauseln (unverbindlich, solange der Vorrat reicht usw.) die
Bindung ausschließen
- die Antragsfrist abgelaufen ist
- die Annahme nach Ablauf einer gesetzten Frist erfolgte
- der Antrag abgeändert oder erweitert wurde
- der Antrag rechtzeitig widerrufen wurde oder
- auf das Angebot geschwiegen wird.
Wird einem Kaufinteressenten in dessen Anwesenheit ein mündlicher Antrag
unterbreitet, ist dieser nur für die Dauer des persönlichen Gespräches bindend (gilt
auch für telefonische Anträge). Ein schriftlicher Antrag gilt nur solange, wie der
Anbietende unter normalen Umständen mit einer Antwort rechnen darf. Die Antwort
muss dabei auf dem gleichen Verkehrswege erfolgen, wie der Antrag unterbreitet
wurde. Der Widerruf muss vor oder gleichzeitig mit dem Angebot eintreffen.
Für einen Kaufmann, der bereits geschäftlichen Kontakt zum Absender unterhält, gilt
Schweigen als Antragsannahme. Er muss den Antrag unverzüglich ablehnen, die
Ware aufbewahren oder zurücksenden.
7.3 Leistungsort
Grundsätzlich muss die Leistung an dem Ort erfolgen, an dem der Schuldner zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche
Niederlassung hat (Warenschulden sind Holschulen). Der Veräußerer trägt die
Kosten der Übergabe, die Kosten und Gefahren der Übernahme und des Transports
sind vom Erwerber zu tragen.
Neben dem gesetzlichen Leistungsort können die Vertragspartner einen anderen
Leistungsort vereinbaren (Vertragsfreiheit). An diesen sind sie dann gebunden.
Zahlungsort hingegen ist grundsätzlich der Wohn- oder Geschäftssitz des Gläubigers
(Geldschulden sind Bring- bzw. Schickschulden). Somit hat der Käufer seine Zahlung
auf eigene Kosten und Gefahren dem Verkäufer zukommen zu lassen.
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7.4 Gerichtsstand
Ergeben sich zwischen den Vertragsparteien Streitigkeiten über das Bestehen, die
Auslegung oder bezüglich der Erfüllung des Vertragsverhältnisses, so können sie die
Hilfe des zuständigen Gerichts in Anspruch nehmen. Die sachliche Zuständigkeit
bestimmt dabei die Gerichtsart, bei der Klage zu erheben ist (Amtsgericht (bis 5.000
Euro Streitwert), Landgericht, Finanzgericht). Die örtliche Zuständigkeit regelt den
Gerichtsort, an dem zu klagen ist. Der gesetzliche Gerichtsstand ist der Sitz des
Gerichtet, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Wohn- bzw. Geschäftssitz hat.
Warenklage Sitz des Verkäufers
Zahlungsklage Sitz des Käufers
Aufgrund der Vertragsfreiheit können Kaufleute untereinander einen Gerichtsstand
frei vereinbaren.
7.5 Kaufvertragsstörungen
Kommt der Verkäufer oder der Käufer seinen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag
nicht nach, so liegt eine Störung der Vertragserfüllung vor. Der Gesetzgeber
unterscheidet Sachmängel und Rechtsmängel.
7.5.1 Sachmangel
Das Fehlen von Sach- und Rechtsmängeln gehört zur Leistungspflicht des
Verkäufers. Ein Sachmangel liegt vor bei
- fehlender Eignung zur vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen
Verwendung
- unsachgemäßer Montage des Verkäufers oder mangelhafter Montage-
anleitung (Ikea-Klausel)
- Lieferung einer anderen Sache oder einer zu geringen Menge.
Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrenübergang die vereinbarte
Beschaffenheit hat und wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte
Verwendung eignet.
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7.5.2 Rechtsmangel
Eine Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine
oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend
machen können. Mängel im Recht liegen z. B. vor, wenn die gelieferte Ware unter
Eigentumsvorbehalt eines Dritten steht, sich als Pfand beim Verkäufer befindet oder
zur Sicherung übereignet ist.
7.5.3 Rechte des Käufers bei Sach- oder Rechtsmangel
Nacherfüllung:
Wahlrecht des Käufers bei Nacherfüllung: Lieferung einer mangelfreien Sache oder
Beseitigung des Mangels
Die nachrangigen Rechte des Verkäufers (Rücktritt, Minderung, Schadenersatz)
können nur unter bestimmten Voraussetzungen geltend gemacht werden.
- Wirksamer Kaufvertrag zwischen Käufer und Verkäufer
- Die Kaufsache muss bei Gefahrübergang mit einem Mangel behaftet sein.
- Erfolgloser Ablauf einer dem Verkäufer vom Käufer gesetzten Frist zur
Nacherfüllung.
Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
- der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert
- ein Fixgeschäft vorliegt
- die Nacherfüllung unmöglich ist (Spezieskauf)
- wenn zwei Versuche der Nachbesserung erfolglos verlaufen sind
Rücktritt
Sind die vorgenannten Voraussetzungen gegeben, kann der Käufer vom Vertrag
zurücktreten. Dies wird der Fall sein, wenn er z. B. die Sache bei einem Dritten
preisgünstiger erwerben kann. In diesem Fall muss der Käufer die Sache
zurückgegen und der Verkäufer die Sache zurücknehmen und den Kaufpreis
zurückzahlen.
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Minderung des Kaufpreises
Die Minderung steht alternativ neben dem Rücktrittsrecht. Bei der Minderung ist der
Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertrags-
abschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand dem wirklichen Wert
gestanden haben würde. Die Höhe der Minderung kann auch durch eine Schätzung
erfolgen.
Schadenersatz und Aufwendungsersatz
Der Käufer kann bei Lieferung einer mangelhaften Sache durch den Verkäufer
Schadenersatz verlangen, weil der Verkäufer seine Pflicht verletzt hat, dem Käufer
die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Folgende Schaden-
ersatzansprüche des Käufers kommen in Betracht:
- Schadenersatz aufgrund der Unmöglichkeit der Nacherfüllung
- Nachträglicher Unmöglichkeit der Nacherfüllung
- Folgeschäden
7.6 Lieferungsverzug
Den Lieferer trifft ein Verschulden an der unterbliebenen Leistung, wenn er fahrlässig
oder durch vorsätzliches Handeln die Nichtlieferung zu vertreten hat.
Ist beim Kaufvertragsabschluss kein Liefertermin bestimmt, kann der Käufer die
Leistung sofort verlangen, der Verkäufer muss sofort liefern.
Ist die Leistungszeit kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar, liegt ein Terminkauf
vor (Lieferung Ende August 20xx) oder ein Fixkauf (Lieferung am 18. August 20xx,
fix).
Der Lieferer kommt mit dem Eintritt der Fälligkeit in Verzug (Fixkauf), eine Mahnung
des Käufers ist hierbei nicht erforderlich.
Kann die Lieferzeit Kalendermäßig nicht bestimmt werden, so muss der Käufer den
Verkäufer durch eine Mahnung in Verzug setzen.
Rechte des Käufers beim Lieferungsverzug
Bei Lieferungsverzug kann der Käufer
- auf Vertragserfüllung bestehen
- Erfüllung und Schadenersatz wegen Fälligkeitsüberschreitung verlangen
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- vom Vertrag zurücktreten und/oder
- Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
7.7 Annahmeverzug
Der Käufer ist der Gläubiger der Warenschulden. Er nimmt bei einem Annahme-
verzug die angebotene Schuld nicht bzw. er unterlässt die entsprechende Mit-
wirkungspflicht zur Annahme.
Rechte des Verkäufers beim Annahmeverzug
Der Verkäufer kann beim Annahmeverzug die Ware zurücknehmen und vom Vertrag
zurücktreten. Ebenso ist es möglich, auf Abnahme zu klagen und in der Zwischenzeit
die Ware auf Kosten und Gefahr des Käufers z. B. in einem öffentlichen Lager
(Waren) oder bei Wertpapieren z. B. beim Amtsgericht zu hinterlegen. Handelt es
sich um nicht lagerfähige Ware, muss er einen Selbsthilfeverkauf versuchen.
Sämtliche Kosten, die aufgrund der Einlagerung, der Erhaltung, des öffentlichen
Verkaufs oder der öffentlichen Versteigerung entstehen, hat der Käufer zu tragen.
7.8 Zahlungsverzug
Der Käufer kommt in Zahlungsverzug, wenn er die vereinbarte Zahlungspflicht nicht
oder nicht rechtzeitig erfüllt. Ist im Kaufvertrag kein genauer Zahlungszeitpunkt
festgelegt, muss der Verkäufer den Käufer erst durch eine Mahnung unter
Gewährung einer angemessenen Zahlungsfrist in Verzug setzen. Der Verkäufer hat
einen Anspruch auf die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises sowie auf
Schadenersatz seiner Auslagen bzw. einer Verzinsung.
7.9 Mahnverfahren
Man differenziert zwischen dem außergerichtlichen und dem gerichtlichen Mahn-
verfahren.
7.9.1 Außergerichtliches Mahnverfahren
Für das kaufmännische Mahnverfahren gibt es keine Formvorschriften, dennoch hat
sich folgendes Ablaufschema herausgebildet:
- Zahlungserinnerung
- 1. Mahnung (ausdrücklicher Hinweis auf die Fälligkeit)
61
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- 2. Mahnung (Androhung von der Eintreibung der fälligen Forderung durch
Nachnahme oder Inkassoinstitut; Hinweis auf die dadurch zusätzlich ent-
stehenden Kosten)
- 3. Mahnung (letzte Mahnung mit Fristsetzung; Hinweis auf Klage; Mahn-
kosten)
Es gibt also keine gesetzliche Vorschrift, dass ein Unternehmen drei Mahnungen an
den Schuldner versenden muss!
7.9.2 Gerichtliches Mahnverfahren
Sollte das außergerichtliche Mahnverfahren erfolglos verlaufen, kann der Gläubiger
den Erlass eines Mahnbescheides beantragen. Zweck dieses Verfahrens ist es,
einerseits die Verjährung der Forderung zu unterbrechen, andererseits den
Prozessweg (Klage auf Zahlung) zu vermeiden.
Zahlt der Schuldner nicht, muss nach dem Mahnbescheid ein Vollstreckungs-
bescheid erwirkt werden. Mit ihm kann die Pfändung in das Vermögen des
Schuldners erfolgen.
(wird in der Vorlesung weiter vertieft)
8. Arbeitsrecht
8.1. Arbeitsvertragsrecht
Der Arbeitsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen einem einzelnen Arbeitnehmer
und einem einzelnen Arbeitgeber.
Der Inhalt eines Arbeitsvertrags ist im BGB geregelt. Ergänzt werden diese
Bestimmungen durch Gesetze (z. B. Bundesurlaubsgesetz, Arbeitsplatzschutz-
gesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz usw.), Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und
Rechtsprechung der Arbeitsgerichte.
8.2 Arbeitsvertragsarten
a) Unbefristete Arbeitsverträge
Sie enden aufgrund:
- Kündigung des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers
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- Vertraglicher Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
(Aufhebungsvertrag)
b) Befristete Arbeitsverträge
Sie enden nach Zeitablauf
- unmittelbar (z. B. 31.12.2011)
- mittelbar (z. B. nach Abschluss eines Projektes)
Befristete Arbeitsverträge dürfen nur geschlossen werden, wenn ihre Dauer und ihr
Umfang sachlich begründet sind. Ein unbefristeter Arbeitsvertrag darf bis zu dreimal
verlängert werden (maximale Dauer von zwei Jahren!). Danach muss ein unbe-
fristetes Arbeitsverhältnis begründet werden.
8.3 Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
Pflichten des Arbeitgebers
1. Vergütungspflicht
2. Fürsorgepflicht
3. Informations- und Anhörungspflicht
4. Zeugnispflicht
5. Urlaubsgewährung
6. Entgeltfortzahlung
Pflichten des Arbeitnehmers
1. Pflicht zur Arbeit (Anwesenheitspflicht)
2. Verschwiegenheitspflicht und Treuepflicht
3. Pflicht zur Einhaltung des gesetzlichen und vertraglichen Wettbewerbsverbots
8.4 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ein Arbeitsverhältnis kann durch unterschiedliche Ursachen enden:
- Kündigung
- Aufhebungsvertrag
- Zeitablauf
- Vertragsauflösung durch Arbeitsgericht
- Zweckerreichung
- Ruhestandsvereinbarung
- Tod des Arbeitnehmers
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Kündigung
Eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann von jeder Seite formfrei erfolgen.
Kündigungsarten
1. Ordentliche Kündigung (gesetzliche Kündigung)
Gesetzliche Kündigungsvorschriften sind Minimalforderungen, die im Einzelarbeits-
vertrag sowie im Tarifvertrag eine Erweiterung, aber keine Kürzung erfahren dürfen.
Für Angestellte und Arbeiter gelten die gleichen gesetzlichen Kündigungsfristen.
Eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber bedarf konkreter Gründe wie
Arbeitsmangel oder Unternehmensauflösung. Eine Kündigung des Arbeitnehmers
bedarf keiner Begründung.
Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt vier Wochen zum 15. oder Monatsende.
2. Außerordentliche Kündigung
Ein Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei fristlos gelöst werden, sofern ein
wichtiger Grund vorliegt. Die außerordentliche Kündigung muss innerhalb von zwei
Wochen nach Kenntnis des Grundes erfolgen. Der Betriebsrat ist davon zu
unterrichten, sonst ist sie rechtsunwirksam.
3. Einzelvertragliche Kündigung
In diesem Fall dürfen grundsätzliche längere, nicht aber kürzere Kündigungsfristen
als die vom Gesetz bestimmten vereinbart werden. Für die Kündigung des Arbeit-
nehmers kann hier keine längere Kündigungsfrist als für den Arbeitgeber vereinbart
werden.
Zulässige Kündigungsgründe
Kündigungsgrund liegt in der Person
Kündigungsgrund liegt im Verhalten
Kündigungsgrund ist betriebsbedingt
Personenbedingte Kündigung:
Krankheitsbedingte Fehlzeiten (negative Gesundheitsprognose, Störung betrieblicher
Interessen, nicht zumutbare Beeinträchtigungen)
Mangelnde Eignung:
- objektive Eignung (fehlende Arbeitserlaubnis, Führerschein)
- subjektive Eignung (veränderte körperliche Fähigkeiten usw.)
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Verhaltensbedingte Kündigung
Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch bewusstes, steuerbares Ver-
halten (Arbeitsverweigerung, Unpünktlichkeit, Tätlichkeiten, Beleidigungen, Unter-
schlagungen usw.)
Abmahnung
Sie muss schriftlich erfolgen und hat folgenden Anforderungen zu genügen:
Das pflichtwidrige Verhalten ist unter Angabe des Datums und der Aufzeichnung
entsprechender Beweismittel festzuhalten (Dokumentationsfunktion der Abmahnung)
Der Arbeitnehmer ist darauf hinzuweisen, dass sein Verhalten eine arbeitsrechtliche
Pflichtverletzung darstellt und aufzufordern, sich in Zukunft vertragsgemäß zu
verhalten (Hinweisfunktion der Abmahnung)
Dem Arbeitnehmer sind konkrete Sanktion für den Fall neuer, gleichartiger Pflichtver-
letzungen anzudrohen (Warnfunktion der Abmahnung)
Betriebsbedingte Kündigung
Innerbetriebliche Gründe (Rationalisierung, Einschränkung der Produktion)
Außerbetriebliche Gründe (Umsatzrückgang, Rohstoffmangel, Absatzschwierig-
keiten)
Die Gründe müssen zum Wegfall der Arbeitsplätze führen und die Kündigung muss
unvermeidbar sein, d. h. eine anderweitige Beschäftigung muss ausgeschlossen
sein.
Kündigungsschutz
Voraussetzungen für die Geltung eines Kündigungsschutzes:
- das Arbeitsverhältnis muss (ohne Unterbrechung) mindestens sechs Monate
bestanden haben
- der Arbeitgeber hat regelmäßig mehr als zehn vollzeitig beschäftigte Mitar-
beiter
Eine ordentliche Kündigung ist nur wirksam, wenn eine soziale Rechtfertigung
vorliegt. Das Kündigungsschutzgesetz nennt dafür:
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- Positive Gründe (die bei einer Kündigung vorliegen müssen)
personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe
- Negative Gründe (die bei einer Kündigung nicht vorliegen dürfen)
Sozialauswahl würde nicht berücksichtigt.
Sozialauswahl
Berücksichtigt werden müssen Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit,
Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung.
Besonderer Kündigungsschutz
Betriebsratsmitglieder
Werdende Mütter (während der Schwangerschaft und vier Monate nach der
Entbindung)
Junge Mütter/Väter (während der Elternzeit)
Schwerbehinderte
Auszubildende
8.5 Grundlagen Steuern aus dem Arbeitsverhältnis
Die Einkommensteuer ist neben der Umsatzsteuer die wichtigste Einnahmequelle
des Staates.
Die Einkommensteuer wird vom Einkommen berechnet. Der Arbeitgeber behält diese
monatlich in Form der Lohnsteuer ein und führt sie an das zuständige Finanzamt ab.
Es gibt einen jährlichen Freibetrag von (Stand 2020) 9.408 €. Danach steigt die
Lohnsteuer mit dem Einkommen an (Steuerprogression). Sie beginnt mit 14 % und
endet bei einem Einkommen über 57.052 € werden 42 % Spitzensteuersatz fällig.
Danach folgt noch die Reichensteuer: 45 % für Einkommen über 270.501 €.
Solidaritätszuschlag
Er beträgt 5,5 % auf die monatliche Lohnsteuer. Er wird ebenfalls vom Arbeitgeber
einbehalten und an das zuständige Finanzamt abgeführt.
Kirchensteuer
Wer einer kirchensteuerpflichtigen Religionsgemeinschaft angehört, für den führt der
Arbeitgeber je nach Bundesland 8 % bzw. 9 % Kirchensteuer an den Staat ab. Der
Steuersatz richtet sich nach dem Bundesland, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz
hat. Die Kirchensteuer berechnet sich aus dem Steuersatz multipliziert mit der
Lohnsteuer.
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Steuerklassen
Zur Umsetzung der Steuergerechtigkeit hat der Gesetzgeber unterschiedliche
Steuerklassen eingerichtet:
Klasse I
Arbeitnehmer die ledig oder geschieden oder verwitwet sind
Klasse II
Arbeitnehmer, die die Bedingungen für die Steuerklasse I erfüllen und bei denen
mindestens ein Kind im Haushalt lebt
Klasse III
Verheiratete Arbeitnehmer, bei denen der Ehepartner keinen Arbeitslohn bezieht
oder die Steuerklasse V gewählt hat
Klasse IV
Verheiratete Arbeitnehmer, wenn beide Ehepartner Arbeitslohn beziehen
Klasse V
Verheiratete Arbeitnehmer, wenn einer Klasse III gewählt hat
Klasse VI
Arbeitnehmer, die gleichzeitig von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehen
8.6 Grundlagen Sozialversicherung
Die Grundprinzipien der deutschen Sozialversicherung bestehen darin, in
existenziellen Risikosituationen den Lebensstandard des Versicherten und seine
Stellung im Rahmen der Gesellschaft zu erhalten.
Prinzip der Versicherungspflicht
In Deutschland sind nahezu 90 % der Bevölkerung in der Sozialversicherung pflicht-
oder freiwillig versichert. In der Krankenversicherung besteht Versicherungszwang.
Prinzip der Beitragsfinanzierung
Die Sozialversicherungen werden überwiegend aus Beiträgen der Arbeitnehmer und
Arbeitgeber finanziert und grundsätzlich von beiden Seiten zu gleichen Teilen über-
nommen. Dabei legt die Selbstverwaltung (für Kranken- und Unfallversicherung) bzw.
der Gesetzgeber (für Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung) die Bei-
tragssätze fest. Die Beiträge orientieren sich am Gehalt des Arbeitnehmers.
Prinzip der Solidarität
Die zu versichernden Risiken werden von allen Versicherten gemeinsam getragen.
Unabhängig davon wie viel die Versicherung an die Sozialversicherungen gezahlt
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haben, sind sie in umfassendem Maß abgesichert. Durch diesen solidarischen
Ansatz wird ein Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, zwischen besser und
weniger gutverdienenden, zwischen Jung und Alt sowie zwischen Familien und
Singles geschaffen.
Entstehung der Sozialversicherung
Die fortschreitende Industrialisierung im 18. Jahrhundert brachte eine zunehmende
Verelendung der in die Städte abgewanderten Arbeiter mit sich. Aufgrund der
Unruhen der Arbeitgeberschaft griff der Staat ein.
Im November 1881 wurden von Otto von Bismarck im Berliner Reichstag die ersten
sozialpolitischen Maßnahmen angekündigt. Nach und nach wurden dann die
verschiedenen Versicherungen eingeführt:
Krankenversicherung (1883)
Die Kosten für ärztliche Behandlung, für Arzneimittel und Krankengeldzahlungen
werden übernommen. Der Versicherungsschutz für Familienangehörige folgte 1892.
Unfallversicherung (1984)
Ein im Betrieb verunglückter Arbeiter oder seine Hinterbliebenen erhalten eine
Rente.
Invaliditäts- und Alterssicherung (1889)
Das Gesetz sieht eine Altersrente ab dem 70. Lebensjahr und eine Invaliditätsrente
bei Erwerbsunfähigkeit vor.
1916 folgte die Festlegung der Altersgrenze auf 65 Jahre.
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (1927)
Die Aufgabe der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung übernimmt der Staat. Die
Arbeitnehmer werden bei Arbeitslosigkeit finanziell abgesichert.
Pflegeversicherung (1995)
Die Pflegeversicherung deckt die materiellen Folgen der Pflegebedürftigkeit ab.
Generationenvertrag
Aufgrund des „Generationenvertrages“ und der demografischen Entwicklung (s.
„Lebensbäume“) ist in den kommenden Jahrzehnten mit erheblichen Finanzierungs-
lücken bei den Beiträgen zur Sozialversicherung zu rechnen:
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Beitragssätze
Die Beitragssätze werden jährlich neu bekannt gegeben. Die Beitragssätze für 2020
betragen:
Sozialversicherungszweig Arbeitnehmeranteil Arbeitgeberanteil
Krankenversicherung 7,3 %
+ 50 % des Zusatzbeitrages
7,3 %
+ 50 % des Zusatzbeitrages
Pflegeversicherung
1,525 %
+ 0,25 % für kinderlose
Versicherte, die das 23.
Lebensjahr vollendet haben
1,525 %
Rentenversicherung 9,3 % 9,3 %
Arbeitslosenversicherung 1,2 % 1,2 %
Berufsgenossenschaft - 100 %
nach Gehalt/Gefahrenklasse
Beitragsbemessungsgrenzen
Kranken- und Pflegeversicherung (monatlich) 4.687,50 €
Renten- und Arbeitslosenversicherung (monatlich) 6.900,00 €
8.7 Gehaltsabrechnung
Arbeitnehmer, 30 Jahre, verheiratet, 2 Kinder
Bruttogehalt 3.000,00 €
- Lohnsteuer 161,83 €
- Solidaritätszuschlag (5,5 %) 0,00 €
- Kirchensteuer (8 %) 0,00 € 161,83 €
- Krankenversicherung 232,50 €
- Pflegeversicherung 45,75 €
- Rentenversicherung 279,00 €
- Arbeitslosenversicherung 36,00 € 593,25 €
= Auszahlungsbetrag 2.244,92 €
Der Arbeitgeberanteil beträgt 593,25 €. Die Personalkosten betragen 3.593,25 €.
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9. Vollmacht
Eine Vollmacht ist das Recht, nach außen für einen anderen rechtskräftig zu
handeln. Sie stellt somit eine Vertretungsmacht dar.
Die Vertretungsmacht kann in Form von Gesetzen bestehen:
Eltern: unter der elterlichen Gewalt stehende Kinder
Pfleger: unter Pflegschaft stehende Personen
Vorstand einer juristischen Person: Vorstand einer Aktiengesellschaft
Die Vertretungsmacht als Vollmacht beruht auf einem Rechtsgeschäft (Bevoll-
mächtigung). Sie ist die mündliche oder schriftliche Erklärung, dass einer Person
Vollmacht erteilt wird. Die Bevollmächtigung ist damit eine einseitige, empfangs-
bedürftige Willenserklärung. Einer Annahme durch den Bevollmächtigten bedarf sie
nicht.
Die Vollmacht berechtigt und wirkt nach außen. Der Auftrag (i. A.) verpflichtet und
wirkt nach innen.
9.1 Einzel- und Artvollmacht
Eine Einzelvollmacht ist gegeben, wenn einem Mitarbeiter eine Sonder- oder
Spezialvollmacht zur Vornahme eines einzelnen Rechtsgeschäftes erteilt wird.
Bsp.: Ein Auszubildender erhält den Auftrag, einen Schreibtisch zu bestellen.
Eine Artvollmacht ermächtigt zu allen Arten von Rechtsgeschäften, die in der
gleichen Art immer wiederkehrend im Unternehmen vorkommen.
Bsp.: Eine Verkäuferin erhält Kassenvollmacht.
Einzel- und Artbevollmächtigte zeichnen mit dem Zusatz im Auftrag (i. A.)
9.2 Allgemeine Handlungsvollmacht
Die allgemeine Handlungsvollmacht ermächtigt zur Vornahme aller Geschäfte und
Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich
mit sich bringt. Sie kann auch stillschweigend erteilt werden.
Umfang:
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Alle Geschäfte und Rechtshandlungen, welche dem Prokuristen verboten sind, sind
auch Bevollmächtigten einer allgemeinen Handlungsvollmacht verboten. Zusätzlich
ist ihnen untersagt:
- Grundstücke zu kaufen
- Prozesse für das Unternehmen zu führen
- Wechselverbindlichkeiten einzugehen
- Darlehen aufzunehmen
- Allgemeine Handlungsvollmachten zu erteilen
- Bürgschaften einzugehen
Der Handlungsbevollmächtigte zeichnet mit dem Zusatz i. V. (in Vertretung).
9.3 Prokura
Die Prokura ist die im Handelsgesetzbuch geregelte weitreichendste Vollmacht.
Sie ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften
und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.
9.3.1 Erteilung
Die Prokura muss persönlich und ausdrücklich erteilt werden. Sie kann nur von
einem Kaufmann oder von den gesetzlichen Vertretern einer Kapitalgesellschaft
erteilt werden. Die Erteilung muss im Handelsregister eingetragen werden. Der
Prokurist zeichnet mit ppa. (per procura). Die Unterschrift des Prokuristen ist zur
Aufbewahrung beim Handelsregister zu zeichnen.
9.3.2 Arten der Prokura
Einzelprokura: Der Prokurist darf ohne Mitwirkung von Dritten handeln.
Gesamtprokura: Der Prokurist darf nur gemeinsam mit einem oder mehreren
Prokuristen handeln.
Filialprokura: Der Prokurist darf nur für eine Filiale, die im Handelsregister einge-
tragen ist, handeln.
Dem Prokuristen ist es nicht erlaubt
- Grundstücke zu verkaufen oder zu belasten
- Prokura zu erteilen
- Gesellschafter aufzunehmen
- Bilanzen und Steuererklärungen zu unterschreiben
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- das Unternehmen zu verkaufen
- Insolvenz anzumelden
- die Firmierung zu ändern
Eine weitere Beschränkung der Prokura im Außenverhältnis ist unwirksam. Im
Innenverhältnis ist eine Beschränkung möglich.
9.3.3 Erlöschen der Prokura
Die Prokura kann jederzeit widerrufen werden und endet mit dem Ausscheiden des
Mitarbeiters aus dem Unternehmen. Sie erlischt mit der Auflösung des Unter-
nehmens oder dem Tod des Prokuristen, nicht jedoch durch den Tod des Geschäfts-
inhabers.
Das Erlöschen der Prokura ist dem Handelsregister zur Eintragung anzumelden.
10. Literaturempfehlungen
Hermsen, Jürgen
Rechnungswesen für Bürokaufleute
Winkler-Verlag
ISBN: 978-3-8045-6350-6
Hartmann, Gernot G.; Härter, Friedrich
Allgemeine Wirtschaftslehre für kaufmännische Auszubildende
Merkur Verlag Rinteln
ISBN: 978-3-8120-0335-3