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Eine Reihe über didaktische Innovationen an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur

Hochschullehre neu denken Heft 3

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  • VORNEWEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

    AM PULS

    Biotop fr Erfindergeist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

    EINBLIcKE MIT EINSIcHTEN

    Ich weiss etwas, was du nicht weisst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    Entwerfen und Kommunizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    Eine Aufgabe drei Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    IM GESPRcH

    Mutig sein und mutig werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    Writing Across the Curriculum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    STANDPUNKT!

    Departement Technik & Architektur: Nachdenken ber Interdisziplinaritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

    Industrie: Erfolgreiche Navigation in Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    Hochschuldidaktik: Komplexitt reduzieren und erhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    DAS SAGT DIE THEORIE

    Wundermittel Interdisziplinaritt: Potenzial und Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    POST-IT

    Wachsen an Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    Erweiterter Campus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    DA MAcHTE ES KLIcK

    Alle mssen mitziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

    WISSEN KOMPAKT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

    MEHR BER UNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    Inhalt nr. 3

    fokus interdiszipLinaritt

  • Liebe Leserin, Lieber Leser

    Interdisziplinaritt hat an der Hochschule Luzern seit je einen hohen Stellenwert. Um dies auch nach aussen sichtbar zu machen, wurde 2009 im Rahmen des Hoch-schulentwicklungsprojekts Crescendo beschlossen, dass die Hochschule in vier inter-disziplinren Bereichen die nationale Themenfhrerschaft beanspruchen will. Der Fachhochschulrat hat dazu bereits am 18. Dezember 2008 vier interdisziplinre Schwerpunkte zur Weiterbearbeitung bestimmt: CreaLab. Labor fr die Erforschung von optimalen Bedingungen fr schpferisch- kreative und sthetische Prozesse Gebude als System Sicherheit und Gesellschaft (Sozialversicherungen und gesellschaftliche Sicherheit) Tourismus und nachhaltige Entwicklung.

    Ausgangspunkt fr das Konzept Interdisziplinaritt sind entsprechende Aussagen der Hochschule Luzern in ihren strategischen Grundsatzpapieren zu Mission, Vision und Werterahmen.

    Interdisziplinaritt ist ein schillernder Begriff, der in der wissenschaftlichen Litera-tur unterschiedlich definiert wird. Die Hochschule Luzern geht von einem einfachen, gut kommunizierbaren und alltagstauglichen Verstndnis aus. Von Interdisziplinari-tt wird demnach gesprochen, wenn Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Disziplinen der Hochschule Luzern gemss einer spezifischen Methodik ein Projekt, Vorhaben oder Produkt erarbeiten. Dabei beteiligen sich die Involvierten von der Definition des Problems bis zum Abschluss des Projekts an der Aufgabe und erarbei-ten ein disziplinenbergreifendes und anwendbares Resultat. Falls eine Disziplin an der Hochschule nicht vertreten ist, findet eine Zusammenarbeit mit anderen Hoch-schuleinrichtungen statt.

    Interdisziplinaritt ist fr unsere Hochschule kein Selbstzweck und folgt auch keinem modischen Trend. Sie lsst sich in sechs Grundstzen begrnden:1. Umsetzung der strategischen Vorgaben der Hochschule Luzern.2. Das fachliche/wissenschaftliche Potential der Hochschule Luzern ausschpfen.3. Komplexe Fragen auf wissenschaftlicher Basis ganzheitlich angehen.4. Fr Hochschulangehrige und Praxispartner einen Mehrwert schaffen.5. Kohrenz und Zusammenarbeit innerhalb der Hochschule Luzern sichern.6. Die Hochschule Luzern positionieren und profilieren.

    In diesen Wochen und Monaten sind Hochschulleitung und Fachhochschulrat dabei, dieses Konzept der Interdisziplinaritt frisch zu besttigen und zu verankern. Inter-disziplinaritt ist und bleibt eine Chance fr die Hochschule Luzern. Das Departe-ment Technik & Architektur hat es bereits vorgezeigt: Interdisziplinaritt erffnet neue und innovative Wege in der Lehre und bereichert das Studium.

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    Markus HodelRektor Hochschule Luzern

    Das verweist auf Erluterungen in Wissen kompakt, S. 21 22.

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  • Larry Leifer, Leiter des Center for Design Reserach der Stanford University, ist eine der prgenden Figuren der Design Thinking-Methode. Er unterrichtet regelmssig an der Hochschule Luzern. (Foto Christian Hohmann)

    Zweifelsohne gibt es Tftlerinnen und Tftler, die im stillen Kmmerlein etwas Geniales entwerfen. Aber sowohl in der Industrie wie in sozialen Institutionen zeigt die Erfahrung, dass oft erst der Austausch in der Gruppe taugliche Lsun-gen fr ein Problem hervorbringt. Die gemeinsame Arbeit fhrt zu Inspirationen, die im Alleingang womglich nicht gefunden worden wren.

    Solche Prozesse lassen sich bewusst steuern, beispiels-weise mittels Design Thinking, einer Methode, die sich besonders fr die frhen Phasen eines Innovationsprozes-ses eignet. An der Hochschule Luzern wird Design Thin-

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    Gute Ideen sind entscheidend fr den wirtschaftlichen Erfolg von Firmen und die Lsung gesellschaftlicher Probleme. Deshalb beschftigt sich auch die Wissenschaft mit Innovati-onsprozessen und entwickelt Methoden, die diese beschleu-nigen und qualitativ verbessern sollen. Eine dieser Methoden ist Design Thinking. Sie wird seit einigen Jahren an der Hochschule Luzern intensiv erprobt. Mirella Wepf

    biotop fr erfindergeist

    king seit mehreren Jahren angewendet. Entwickelt und geprgt wurde die Methode von verschiedenen Institutio-nen, unter anderem von der renommierten Stanford Uni-versity in Kalifornien. Zu den bekanntesten Anwendern gehren SAP der Anbieter von Unternehmenssoftware oder IDEO, eine international ttige Beratungsfirma fr Design und Innovation.

    Understanding by doingPatrick Link, Dozent am Studiengang Wirtschaftsinge -nieur | Innovation, erklrt das Prinzip von Design Thin-king folgendermassen: Die Anwendung der Methode ist

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  • Larry Leifer, Leiter des Center for Design Reserach der Stanford University, ist eine der prgenden Figuren der Design Thinking-Methode. Er unterrichtet regelmssig an der Hochschule Luzern. (Foto Christian Hohmann)

    Thinking in der Bachelor-Ausbildung, darunter das Inter-national Project und die Winterschool (mehr dazu im nchsten Heft). Hinzu kommen Fortbildungskurse fr Dozierende, Drei-Tages-Kurse fr Executives und Veran-staltungen im Rahmen der Weiterbildung MAS Wirt-schaftsingenieur.

    Auch andere Departemente der Hochschule Luzern arbei-ten mit Design Thinking: Soziale Arbeit, Design & Kunst und Wirtschaft. In den so genannten ISA-Kursen, die fr Studierende smtlicher Fachrichtungen offen sind, wird ebenfalls Design Thinking gelehrt (mehr zu den ISA-Kur-sen auf S. 19). Im Februar 2013 haben in diesem Rahmen 40 Studierende Ideen fr vier verschiedene Auftraggeber entwickelt. Die Migros suchte aufgrund des drohenden Plastiksckli-Verbots nach Alternativen, Mobility nach Mglichkeiten, den stagnierenden Markt des Car-Sharings weiter auszubauen, und die soziale Institution IG-Arbeit, die eine grosse Reorganisation hinter sich hat, mchte das Zusammengehrigkeitsgefhl der verschiedenen Standorte der Organisation strken. Und Luzern 60plus wnschte sich Inputs zur Steigerung der Lebensqualitt lterer Menschen.

    Die anschaulichen Prsentationen der Lsungsvorschlge an der Schlussveranstaltung waren teilweise verblffend: So prsentierte die erste Gruppe ihren Vorschlag fr eine iPhone-Bag mit einem Film. Bei der Bag handelt es sich um eine Handy-Schutzhlle, die bei Bedarf in eine Einkaufs- tasche umfunktioniert werden kann. Obwohl das Prinzip nur dank eines Kameratricks funktioniert, lobte der anwe-sende Vertreter von Migros die Idee sehr, denn die Gruppe habe innert kurzer Zeit eine Vision entwickelt, die mgli-cherweise technisch umsetzbar sei.

    Einen usserst charmanten Auftritt legte eine Gruppe hin, die mit zwei Handpuppen arbeitete: Rosie und Hans. Mit einem Fotoroman von Rosie und Hans zeigten die Studie-renden auf, was im ffentlichen Raum fr ein besseres Le-ben von lteren Menschen sorgen knnte, beispielsweise ein Extra-Zgli durch die Innenstadt, das ltere Menschen, die nicht mehr so gut auf den Beinen sind, in gemtlichem Tempo von A nach B bringt.

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    an und fr sich keine Hexerei. Es geht darum, das Kunden-bedrfnis ins Zentrum zu stellen, was durch intensive Beobachtung, Empathie und frhe, hufige Feedback- loops erreicht wird. Daher gehre ein frhes Prototyping zu den wichtigsten Elementen des Design Thinking. Un-ter einem Prototyp sollte man sich jedoch nicht nur ein hochkomplexes, technisches Konstrukt vorstellen, das bei-spielsweise zur Erprobung einer Maschine dient, sondern auch ganz einfache Veranschaulichungen, wie Papier- und Kartonmodelle oder Rollenspiele. Diese dienen als Hilfs-mittel, um gemeinsam mit dem Anwender die Fragestel-lung und die angestrebten Lsungen zu przisieren. Das klingt jetzt vielleicht etwas banal, meint Patrick Link, aber gerade in der Industrie ist es immer wieder erstaun-lich, wie lange es geht, bis die Entwickler mit einem Pro-dukt tatschlich zum Kunden gehen. Da besteht nach wie vor viel Nachholbedarf.

    Wie solche Prototypen aussehen knnen, zeigt sich Ende Mrz 2013 in den Studierzimmern und Werksttten des Departements Technik & Architektur der Hochschule Lu-zern. Einige Austauschstudierende, die am International Project teilnehmen, sind vertieft in Zeichnungs- oder Kle-bearbeiten, bearbeiten in der Sgerei styroporhnliche Kunststoffblcke oder visualisieren ihre Ideen im so ge-nannten Fab-Lab mithilfe von 3-D-Druckern.

    Das International Project dauert jeweils ein Semester und die Studierenden arbeiten etwa einen Tag pro Woche an der Design-Thinking-Aufgabe. Die Hochschule Luzern kooperiert dabei jeweils mit realen Firmen. Im vergangen Jahr entwickelten die Studierenden fr Duscholux neue Ablagesysteme in der Dusche und fr Youmo, ein Start- up-Unternehmen fr E-Bikes, ein neues Helm-Konzept. Dieses Jahr ist der Zahnbrstenhersteller Trisa der Auf-traggeber.

    Eine fachbergreifende ThematikAm Departement Technik & Architektur wurde Design Thinking erstmals im Sommer 2011 durch Professor Larry Leifer, Leiter des Center for Design Research der Stanford University, im Rahmen einer Blockwoche gelehrt. Unterdessen bestehen verschiedene Angebote zu Design

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  • Blick in die ZukunftAn diesem ISA-Kurs haben Mitarbeitende aus verschiede-nen Departementen der Hochschule Luzern mitgearbeitet: Mariana Christen Jakob, Dozentin am Departement Sozi-ale Arbeit, und Bettina Minder, Wissenschaftliche Mitar-beiterin am Departement Design & Kunst, in der Leitung, Patrick Link bei der Planung und als Dozent, ebenso Mar-kus Hodel, Dozent am Departement Wirtschaft.

    Nach der Anwendung von Design Thinking in zahlrei-chen Modulen haben wir unterdessen quer ber die Hoch-schule Luzern hinweg ein grosses Know-how aufgebaut, bilanziert Patrick Link. Nun gehe es darum, dieses zu bn-deln und die Fachkrfte an der Hochschule Luzern, aber auch national und international gut zu vernetzen. Dabei sei es auch eine spannende Herausforderung, die je nach Fachrichtungen recht unterschiedlichen Module, in denen Design Thinking verwendet wird, nher zusammen zu bringen und so den Gewinn durch die interdisziplinre Zu-sammenarbeit noch besser zu nutzen. Das sei ausserhalb von ISA-Modulen aufgrund der unterschiedlichen Modul-ziele, Zeitplne und Pensenplne nicht ganz einfach zu erreichen.

    Interdisziplinre ZusammenarbeitZu den zentralen Prinzipien des Design Thinking gehrt die Interdisziplinaritt. Das International Project und der ISA-Kurs bieten aufgrund des unterschiedlichen Hinter-grunds der Studierenden ideale Voraussetzungen dazu. Simone Iseli, Innenarchitekturstudentin im 4. Semester und Teilnehmerin des ISA-Kurses hat diesen Aspekt sehr geschtzt. Wir hatten Leute aus den Departementen Technik & Architektur, Soziale Arbeit, Wirtschaft, Design & Kunst und sogar jemanden aus den Musikwissenschaf-ten. Fr sie als Architektin, die normalerweise extrem genaue Modelle bauen msse, sei sehr befruchtend gewe-sen, dass die Sozis dies viel lockerer gesehen htten. Letzten Endes haben wir uns alle irgendwie inspiriert. Hinzu kam, dass wir auf ein sehr breites Wissen zurckgrei-fen konnten. So mussten wir fr unseren Beitrag fr das Projekt Luzern 60plus gewisse Abklrungen gar nicht mehr vornehmen, weil die Sozialarbeiterin das Know-how be-reits mitbrachte.

    Ein Element von Design Thinking, das sie als Erkenntnis fr sich mitnimmt, ist das Testing. Unsere Umfragen auf der Strasse haben uns teils recht berraschende Sicht-weisen vermittelt. Es war extrem wichtig die persnliche Sicht von lteren Menschen abzuholen und nicht bloss An-nahmen zu treffen.

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    Design Thinking

    Design Thinking ist ein agiler, iterativer und

    ausgeprgter human-zentrierter Innovations- und

    Problemlsungsansatz, der die Bedrfnisse der

    Kunden und Nutzer ins Zentrum stellt.

    Durch die unterschiedlichen Wurzeln und

    Anpassungen des Ansatzes an verschiedene

    Kulturen und Bereiche gibt es keine allgemeingl-

    tige Definition von Design Thinking. Es kann als

    Arbeitsweise, als Einstellung, als Methodenbndel

    oder als agiler, iterativer Innovationsprozess, als

    Problemlsungsprozess, als Kreativittsmethode

    oder als user-zentrierter Ansatz angesehen

    werden.

    Das Wort design ist im Englischen im Sinne von

    kreieren, entwerfen, entwickeln zu verstehen.

    An der Schlussprsentation: Innovative Ideen fr Mobility. (Foto Mirella Wepf)

    Ideen rasch und leicht verstndlich visualisieren, gehrt zu den Grundprinzi-pien des Design Thinking. Hier ein Bild aus einer Abschlussprsentation des ISA-Kurses: Rosie und Hans wnschen sich ein gemtliches Zgli, das sie in die Innenstadt bringt. (Foto zvg)

  • berall ist die Forderung nach Interdisziplinaritt hr- und sprbar. Doch wh-rend Interdisziplinaritt in der Theorie prima funktioniert, ist ihre praktische Umsetzung immer noch eine grosse Herausforderung. Das liegt vor allem am Anspruch der Beteiligten und am Interpretationsspielraum, den die Umsetzung der Interdisziplinaritt in die Praxis zulsst.

    WundermitteL interdiszipLinaritt: potenziaL und nebenWirkungen

    Das Wort ist allgegenwrtig: Interdisziplinaritt. Ob Wis-senschaft, Wirtschaft, Politik, Gesellschaftsleben in allen Bereichen wird das wrtlich genommene Agieren zwi-schen den Fachbereichen propagiert. Wobei diese ber-setzung natrlich viel Spielraum lsst und dementspre-chend der interdisziplinre Tiefgang sehr unterschiedlich sein kann. So unterscheiden wir wissenschaftlich zwischen intra- , multi- und transdiziplinr : Intradisziplinre Forschung bringt nahe beieinanderliegende Fcher zu-sammen; im Multidisziplinren wird die Zusammenarbeit um die Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen erwei-tert, was zu einer Wissenserweiterung fhrt; transdiszipli-nr schliesslich meint das Lsen fachbergreifender Prob-lemstellungen, indem Theoriemodelle, Forschungsmetho-den und Wissenschaftsresultate der einzelnen Disziplinen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Doch unabhn-gig von der Gestaltungstiefe eines solchen Prozesses ha-ben alle Formen der Interdiszipliaritt zum Ziel, die Einsei-tigkeit der Disziplin zu verlassen und die gegebene Prob-lemstellung aus einer ganzheitlichen Perspektive zu lsen. An die Stelle von Leitprofessionen treten kooperative und dynamische Netzwerke von Spezialistinnen und Spezialis-ten (Wilhelm, 2012). Interdisziplinaritt ist sozusagen das Wundermittel, das komplexe Problemstellungen mg-lichst gleichwertig, ganzheitlich und in einem basisdemo-kratischen Diskurs zur Zufriedenheit aller lst. Nebenwir-kungen gibt es keine. Soweit die Theorie.

    Herausforderung PraxisIn der Praxis sieht es oft ganz anders aus. Der Interpreta-tionsspielraum bei der Umsetzung ist gross und ebenso die Versuchung, Interdisziplinaritt als Modeerscheinung zu missbrauchen, die man sich berstreift, weil sie gerade hip ist. In der Tat beinhaltet interdisziplinres Forschen und Lehren einige Herausforderungen. Schon die Idee, komplexe Problemstellungen unter Einbezug verschiede-ner Disziplinen und Kulturen lsen zu wollen, erfordert vl-lig neue Denkanstze. Sie ist zudem nicht nebenwirkungs-frei: Allein diesen Prozess zu organisieren, zu initiieren und ihn durchzusetzen, ist hufig eine hnlich komplexe Aufgabe wie das eigentliche Planungsproblem. Unsere Erfahrung aus verschiedenen interdisziplinren Lehr- modulen und Forschungsprojeken zeigt: Interdisziplinari-tt braucht

    Wollen und KnnenInterdisziplinaritt kann funktionieren, wenn die Beteilig-ten von der Sinnhaftigkeit berzeugt sind und sie wollen. Eine verordnete, von den Einzelnen aber nicht getragene und verinnerlichte Verpflichtung zur Interdisziplinaritt wird scheitern. Es ist neben der Frage der Haltung auch die des Anerkennens der Fhigkeiten der Anderen und des Erkennens der eigenen Begrenztheit. Nur: Wollen allein gengt nicht. Es gehrt auch das Knnen dazu. In zweifa-cher Hinsicht: Zum einen erfordert es, um im Team einen Beitrag zur Problemlsung leisten zu knnen, disziplinres Wissen. Zum anderen mssen interdisziplinre Methodi-ken bekannt sein. Aus diesem Grund bauen wir in der Lehre diese Kompetenzen grundstzlich parallel zueinander auf und arbeiten bereits mit Studierenden des 1. Semesters interdisziplinr, obwohl das disziplinre Wissen erst margi-nal vorhanden ist. Dieses Vorgehen ist erfolgreich, auch wenn es immer wieder disziplinre Ungeduld bei den Stu-dienanfngern weckt: Wieso knnen wir uns nicht erst mal mit unserer Disziplin beschftigen?.

    Geduld und BasisInterdisziplinaritt bentigt Zeit und eine einheitliche Grundlage. Sie eignet sich nicht fr schnelle, standardi-sierte Lsungen. In einer ersten Phase bedarf es einer (zeit)intensiven Kommunikation und dem sich finden. Das gegenseitige Kennenlernen auf persnlicher und fachlicher Ebene ist die Basis, um ein tragfhiges Gefge zu bilden, das davon geprgt ist, dass man einander mit all seinen persnlichen Eigenarten und Besonderheiten ak-zeptiert. Neben Respekt, Wertschtzung und Vertrauen muss fr ein gemeinsames Bearbeiten der Problemstel-lung aber auch das Verstndnis der verwendeten Begriff-lichkeiten stimmen. Hufig scheitert Interdisziplinaritt an disziplinren Sprachbarrieren. Dieser Abklrungsaufwand zu Beginn ist wichtig und sollte von vornherein in den zeit-lichen Prozessablauf eingeplant sein auch wenn die Pro-duktion von Resultaten dadurch vermeintlich verzgert wird. Eine sorgfltig visualisierte und formulierte Problem-stellung und ein Glossar der verwendeten Begrifflichkeiten kommen letztendlich auch der Reflexion und der berpr-fung der Ziele zugute.

    Peter Schwehr

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  • Lenkung und ZielInterdisziplinaritt ist kein Selbstlufer und auch kein basisdemokratisches Hasch-mich-spr-mich. Es braucht eine eindeutige Zielformulierung, eine klare Initiierung und einen Kopf, der fr das Projekt verantwortlich ist. Hier sind Fhrungsqualitten unabdingbar. Wenn es dabei ge-lingt, ein non-hierarchisches Teamgefge zu bilden was in manchen Teams hervorragend klappt, in anderen ber-haupt nicht ist das umso besser. Dies darf aber nicht die Maxime sein. Wer interdisziplinre Teams coacht oder Projekte leitet, muss die Fhigkeit haben, zu motivieren, zu hinterfragen und Verbindlichkeiten einzufordern. Interdis-ziplinres Arbeiten ist kein Aufenthalt in der Wohlfhloase. Jeder einzelne ist Bestandteil eines Teamprozesses, die eigenen Kompetenzen stehen auf dem Prfstand und ein Verstecken hinter Anderen ist nur schwer mglich. Praxis-tauglichkeit heisst, diese Situationen in der Lehre durchzu-spielen und zu reflektieren. Aus dem Dozierenden wird hier ein Coach, der Stimmungen im Team wahrnimmt und of-fen anspricht.

    Verbindlichkeit und FreiraumInterdisziplinaritt erfordert nicht nur mindestens zwei (Fach-)Disziplinen sondern auch die Disziplin im Sinne von Verbindlichkeit. Es mssen klare Regeln existieren, die bei Formalien wie Termintreue oder der Einhaltung von Abspra-chen beginnen und bei gesellschaftlichen Normen wie Res-pekt und Rcksicht enden. Es darf aber nicht alles bedin-gungslos der Zusammenarbeit untergeordnet werden. Die Freiheit der Person wie der einzelnen Fachdisziplin muss ih-ren Platz haben, sonst bleibt die Kreativitt auf der Strecke. Die individuelle Strke jedes einzelnen Teammitglieds, seine disziplinre Kompetenz, bildet die Grundlage fr den Erfolg des Ganzen. Wir nennen dieses Prinzip die Welle: Auf die Arbeit im Team folgt die individuelle Vertiefung, deren Er-gebnisse wiederum im Team prsentiert und diskutiert wer-den, bevor es erneut in die disziplinre Bearbeitung geht.

    Rcksichtnahme und VertrauenInterdisziplinaritt ist ein Geben und Nehmen, mit dem klaren Ziel, vom Wissen des Anderen zu Gunsten des Gan-zen zu profitieren. Im Mittelpunkt sollte dabei, ganz im Popperschen Sinne, das Planungsproblem stehen und nicht die Verteidigung der eigenen Disziplin. Wer sich hier selbst zurcknimmt und auf das Leistungsvermgen der anderen Teammitglieder sowie des gesamten Teams vertraut, schafft die Basis fr eine tragfhige Zusammen-arbeit. Diven passen nicht dazu.

    Fazit fr die HochschullehreEin Fazit ist schnell gezogen: Interdisziplinaritt ist Arbeit. Harte Arbeit. Aber es lohnt sich: Die Qualitt der Arbeit steigt; die einzelnen Disziplinen erweitern ihren Horizont, hin zu einer ganzheitlichen Sichtweise; das Erkennen und Sich-zu-Nutzen-machen von Wechselwirkungen wird ge-frdert; Effektivitt und Effizienz nehmen zu. Kurz gesagt: Es entsteht ein echter Mehrwert.

    Arbeit ist Interdisziplinaritt aber auch fr die Dozieren-den. Sie mssen die Rolle des Coaches bernehmen. Dazu gehrt es, die Studierenden aufzufordern, das scheinbar feste Fundament der eigenen Disziplin zu verlassen, und

    sie auf den schwankenden Boden des interdisziplinren Austauschs zu begleiten. Und sollte ein Studierender dabei zu Fall kommen, mssen sie ihn wieder aufrichten. Nicht jeder Dozierende ist dazu bereit oder dazu in der Lage. Interdisziplinaritt ist somit primr eine Sache der Haltung, der Grundberzeugung. Sie kann nicht mit ange-zogener Handbremse vermittelt werden. Studierende ha-ben ein Gespr fr die berzeugungen eines Dozierenden. So notierte eine Studierende bei der Evaluation eines interdisziplinren Workshops: Auch die Dozenten der Ar-chitektur sollten sich mal interdisziplinr verhalten und an anderen Disziplinen Interesse zeigen.

    Der Entscheid, Interdisziplinaritt in einer Hochschule zu verankern, verndert und frdert die Kultur einer Institu-tion. Er vertrgt keine Lippenbekenntnisse. Das betrifft wie beschrieben den einzelnen Dozenten und die einzelne Dozentin, es betrifft aber auch die Hochschulleitung. Ihr kommt bei der Implementierung eine Schlsselrolle zu. Nmlich geistige, reale und finanzielle Rume zur Ver- fgung zu stellen, die den interdisziplinren Austausch ermglichen und frdern. Damit wir, um noch einmal Stu-dierende zu zitieren, weiterhin solche Feedbacks erhalten: Es erscheint uns als einer der wichtigsten Aspekte der In-terdisziplinaritt, dass man sie als Chance versteht, in sei-ner Persnlichkeit zu wachsen.

    Disziplinenbergreifende Zusammenarbeit am Kompetenz-

    zentrum Typologie & Planung

    Als Leiter des Kompetenzzentrums Typologie & Planung

    in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern Technik &

    Architektur erarbeiten Peter Schwehr und sein Team

    hufig in disziplinbergreifender Zusammenarbeit

    komplexe Lsungen im Umfeld zukunftsfhiger Gebude

    und Quartiere. Er unterrichtet in verschiedenen inter-

    disziplinren Modulen und ist Modulverantwortlicher fr

    den Interdisziplinren Workshop. In diesem Modul

    werden in disziplinbergreifender Zusammenarbeit von

    Architektur, Innenarchitektur, Bautechnik und Gebu-

    detechnik Konzepte fr die Sanierung und Erweiterung

    eines konkreten Objektes entwickelt. Neben dem

    fachlichen Inhalt stehen vor allem Methoden und Prozesse

    im Mittelpunkt. So stellt zum Beispiel jedes Mitglied

    einer Gruppe die Konzeption disziplinfremd vor, das

    heisst die Gebudetechniker prsentieren das Architektur-

    oder Baukonzept etc., und die Gruppen beurteilen sich

    in einem moderierten Prozess gegenseitig. Dabei bleiben

    die Dozierenden bewusst im Hintergrund.

    LiteraturWilhelm, E. (2012): Vom Gebude als System und von kooperativen Netzwerken. In: Wilhelm, E. & Sturm, U. (Hrsg): Gebude als System. Interact Verlag: Luzern, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zrich: Zrich, S. 3340.

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  • mutig sein und mutig Werden

    Im September 2013 erffnet das Historische Museum Luzern zusam-men mit der Hochschule Luzern Design & Kunst die Ausstellung Remember Lucerne. Studierende der Richtungen Innenarchitektur studieren whrend eines Semesters am Departement Design & Kunst. Zusammen mit Studierenden in Objekt-, Material- und Textildesign entwickeln sie einen gemeinsamen Ausstellungsbeitrag. Individuelle Mbelentwrfe sollen sich thematisch und formal in eine multidiszip-linre Gruppeninszenierung einfgen.

    erweitern, und so innovative Werkstcke entstehen zu las-sen. Touristen sollen im Sommer bei einem Besuch in der Ateliergemeinschaft MehrZweckWerk die Handwerkstradi-tionen erleben.

    Wie kam es zu dieser Ateliergemeinschaft MehrZweckWerk?(PK) Wir haben das Thema als Bezugsrahmen fr das ei-gene Projekt definiert und gemeinsame Richtlinien festge-legt. Unsere Recherchen zeigten, dass Meister ihr Wissen und Knnen aus Angst vor der Konkurrenz oft fr sich be-hielten. Wir bedauerten, dass dadurch Informationen oft verloren gingen. So beschlossen wir, eine eigene Zunft zu grnden. Unter dem Namen MehrZweckWerk entstand eine Ateliergemeinschaft von Designern, Innenarchitek-ten, Knstlern und Handwerkern. Der Austausch sollte ver-

    Der Studienleiter Innenarchitektur am Departement Tech-nik & Architektur, Thomas Plss, die verantwortliche Do-zentin am Departement Design & Kunst, Elvira Mhlebach und die Bachelorstudentin Innenarchitektur, Patrizia Kauf-mann berichten ber das Studieren im multidisziplinren Rahmen.

    Woran haben Sie im Projekt Remember Lucerne gearbeitet?Patrizia Kaufmann: Unsere Gruppe interessierte sich fr die Znfte und die vergessenen Handwerke von Luzern. Wir wollten diese wiederbeleben und den Touristen nher bringen. Dabei haben wir uns die Touristen als Betrachter und Entdecker von alten und neuen Handwerkstraditionen und deren sozialen Strukturen vorgestellt. Das Ziel be-stand darin, traditionelles Wissen mit neuen Impulsen zu

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    Patrizia Kaufmann, Elvira Mhlebach und Thomas Plss sind sich einig: Multidisziplinre Teams lsen intensive Lernprozesse aus. (Foto Patrick Klin)

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    hindern, dass man eigenbrtlerisch am eigenen Projekt arbeitet, sondern voneinander profitieren kann, beispiels-weise Innenarchitekten von Designern oder Handwerkern.

    Worin bestand die individuelle Arbeit?(PK) Jede und jeder von uns befasste sich mit einem As-pekt der Handwerkstradition und berlegte sich, wie mo-derne Einflsse darauf einwirken. Ein Gruppenmitglied hat beispielsweise die alte Technik des Holzbiegens, frher verwendet um Rechen herzustellen, als Grundlage fr die Entwicklung eines neuen Leuchtendesigns genutzt.

    Hat die multidisziplinre Gruppe gemacht, was Sie erwartet haben?Elvira Mhlebach: Diese Gruppe ist aufgegangen in der Aufgabe und hat ihr Thema sogar auf sich selbst bezogen umgesetzt. Das ist mehr, als ich erwartet habe. In jeder Gruppe luft es aber anders.

    Thomas Plss: Ich gehe davon aus, dass unsere Studieren-den der Innenarchitektur im Kontext von Design mehr als Techniker wahrgenommen werden, also als jene, die fra-gen: Hlt es, steht es?. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass sie sich in einer neuen Rolle erleben. Ausserdem ist es mir sehr wichtig, dass sie lernen, ein Projekt zu realisieren. Bei uns ist das nicht mglich. Es fehlt die Mglichkeit, um einen Raum 1:1 zu bauen.

    Haben Sie sich in der Rolle als Technikerin erlebt?(PK) Hier auf dem Campus in Horw sind wir Innenarchitek-ten eher ein bisschen die kreativen Chaoten. Am Departe-ment Design & Kunst wurden wir oft als Techniker wahrge-nommen, die genaue Vorgaben fordern, beispielsweise in Bezug auf die Raumgrsse. Wir haben hingegen gesehen, dass Studierende in Design den Entwurfsprozess anders angehen. Sie wiederum waren oft froh um unsere Tipps. Zu merken, dass man in einer anderen Schulkultur eine andere Rolle hat, war bereichernd.

    Worum geht es beim Lernen in einer multidisziplinren Gruppe?(EM) Die inhaltliche Ebene ist zentral. Das inhaltliche Ziel ist in diesem Projekt offen. Dieses muss im Rahmen der Aufgabenstellung in der Gruppe erarbeitet werden, was oft ziemlich harte Arbeit ist. Das ist fr Studierende der Innenarchitektur eher neu. Es erfordert Diskussionen und eine gute Organisation. In einem multidisziplinren Team kann das manchmal schwierig sein.

    Inwieweit haben die Diskussionen in der Gruppe das individuelle Projekt inspiriert?(PK) In der Gruppe setzten wir uns gewisse Richtlinien. Im individuellen Projekt arbeitete man selbststndig mit wie-derum eigenen Zielen und Ergebnissen. Man musste sich immer wieder in Bezug auf das bergeordnete Ziel finden, ohne sich allzu stark einschrnken zu lassen. Man musste immer im Auge behalten, wo die einzelnen stehen und wer was wo wann braucht.

    Wie soll man sich die Beeinflussung der individuellen Arbeit durch die multidisziplinre Gruppe vorstellen?(TP) Die Innenarchitektin denkt vom Raum ausgehend. Rumlich kontextuelle Aspekte bedingen den Entwurfs-prozess und die leitende Idee. Der Objektdesigner stellt das Objekt ins Zentrum der Betrachtung. Fr ihn ist die Situation komplett anders. Das Wissen und die Haltung in den einzelnen Disziplinen sind unterschiedlich. Die Ausein-andersetzung mit den verschiedenen Sichtweisen fhrt zu einem interdisziplinr beeinflussten Resultat.

    Sie sind verantwortliche Dozentin. Was hat Sie bewogen, diese komplexe Lernanlage zu konzipieren?(EM) Mit einer solchen Anlage knnen Brche gesche-hen, welche intensive Lernprozesse auslsen. Die Studie-renden werden aus der Routine geworfen. Sie erkennen neue Fragen. Textildesigner beispielsweise beachten den Faktor Farbe anders als Innenarchitekten.

    Sie sind der Leiter der Abteilung Innenarchitektur. Warum ist die Erfahrung der multidisziplinren Zusammenarbeit wichtig fr knftige Innenarchitekten?(TP) Jede Disziplin hat andere Erwartungen, andere In-halte, eine andere Kultur. Es geht auch um Interkultur. Wichtig ist, spezifische Inhalte zu vermitteln und vermit-telt zu bekommen, zu anerkennen und zu verstehen. Das fhrt zu einem Resultat, welches eine Disziplin alleine nicht schaffen kann.

    (EM) Die Diskussionen sind anders, reichhaltiger. Die Stu-dierenden mssen sich genauer ausdrcken, damit man einander versteht. Man muss mehr reflektieren, weil bei anderen anderes passiert als mit einem selbst. Das for-dert.

    Gab es Brche oder Aha-Erlebnisse?(PK) Auf jeden Fall. Wir bauten zuvor nie ein reales Mbel. Durch das Bauen des Prototyps hat man laufend Aha- Erlebnisse, man merkt, was nicht funktioniert, oder wegen der Kosten nicht mglich ist.

    (EM) Das Aha-Erlebnis kommt am Schluss, wenn man sieht: Es ist gelungen. Das weiss man am Anfang nie. Das Semester birgt mit den vielen Beteiligten und der offenen Anlage immer ein Risiko. Eine solche Aufgabenstellung kann man nicht einfach und rasch erfllen, es braucht viel, alle mssen sich beteiligen. Die individuelle Begleitung der Projekte ist dabei sehr wichtig. Wenn es dann klappt, ist es super. Studierende sagen brigens auch oft, dass Aha- Erlebnisse meist im Nachhinein kommen.

    (TP) Die disziplinren und logistischen Rahmenbedingun-gen in der Ausbildung von Innenarchitektur und Design fordern und ermglichen unterschiedliche didaktische Methoden. Das Wissen, den Entwurf 1:1 umsetzen und berprfen zu knnen, lsst in der Formulierung der Auf-gabenstellung mehr Spielraum. Sptestens beim Bauen vom ersten Modell im Massstab 1:1 ist das Kriterium der Machbarkeit gegenwrtig. Es ist unser Ziel, diese Erfah-

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    Interview: Brigitta Pfffli Tanner

    rung mit dem realen Massstab und dem Konkreten in die weitere Ausbildung und Planung von Raum mitzunehmen.

    Was braucht es aus Sicht der Organisation, um Lernen im multidisziplinren Rahmen zu ermglichen?(TP) Es braucht den Willen und die berzeugung aller Ak-teure der involvierten Institutionen, von den Direktionen und den Dozierenden bis zu den Studierenden, mit dieser Arbeitsweise einen didaktischen Mehrwert und innovative Resultate erzielen zu knnen. Zudem braucht es Neugierde fr das Unbekannte.

    In einem Satz formuliert: Was braucht es, um in einem multidisziplinren Team zusammenarbeiten zu knnen?(TP) Es braucht Bereitschaft, sich auf die Zusammenarbeit einzulassen.(EM) Es braucht Offenheit, Neugier und natrlich Freude am Austausch. (PK) Es braucht Vertrauen in andere Vorschlge, man muss abwarten, wenn man einen Input im ersten Moment nicht versteht. Es braucht gegenseitigen Respekt.

    Muss Lernen an einer Fachhochschule auch multidiszipli-nres Lernen sein? Einen Schlusssatz bitte!(TP) Wichtig ist, dass Lernen in multidisziplinren Teams zu sichtbaren Resultaten fhrt. Studierende sollen frhzei-tig damit konfrontiert werden. Festgefahrenes Wissen in nur einer Disziplin kann zur Bildung von Vorurteilen fhren.(EM) Der richtige Zeitpunkt ist wichtig. Es ist nmlich ge-nau so wichtig, dass Studierende eine eigene Haltung ent-wickeln. (PK) Bei der Zusammenarbeit in einem multidisziplinren Team muss das Ziel klar sein. Sie zwingt einen, eigene Ideen gegenber anderen verstndlich auszudrcken. Sie ffnet den Blick.

    Einblicke in die Arbeit und Prsentation der

    Ateliergemeinschaft MehrZweckWerk.

    (Fotos Anna Blattert)

  • ich Weiss etWas, Was du nicht Weisst

    Mikrocontroller sind Computer in miniaturisierter Form. Man findet sie in elektronischen Gerten wie Getrnkeau-tomaten, Uhren, Kaffee- oder Bohrmaschinen. Auch sie mssen programmiert werden. Im Gegensatz zur PC-Pro-grammierung muss man sich dabei jedoch auch stark mit der Hardware auseinandersetzen und Bescheid wissen ber die Funktionsweise der Tastaturen, Sensoren, Schal-ter oder Motoren, die vom Mikrocontroller gesteuert wer-den.

    Das Ausbildungsmodul Mikrocontroller bietet sich des-halb geradezu an fr interdisziplinre Arbeitsgruppen, erklrt Jrgen Wassner, der seit 2007 zu den Dozenten dieses Kurses gehrt. Die Informatiker sind in der Ten-denz die Softwarespezialisten, Elektrotechniker bringen in der Regel ein grsseres Verstndnis dafr mit, wie die Hardware physikalisch funktioniert. Um den Praxisbezug im Modul zu optimieren, beschloss er, strker nach den Prinzipien des problemorientierten Lernens zu lehren.

    Seither mssen die Studierenden im Verlauf des Semes-ters verschiedene Aufgaben lsen wie den Bau eines LCD-Weckers oder einer Infrarot-Fernbedienung. Der Mik-rocontroller, der diesen jeweils eingesetzt wird, enthlt unter anderem folgende Komponenten: einen Timer, einen Analog /Digital-Wandler und ein serielles Bussys-tem. Analog/Digital-Wandler bersetzen physikalische Grssen wie Temperatur oder Beschleunigung in digitale Informationen. Die seriellen Bussysteme dienen zur Infor-mationsbertragung an externe Bauteile wie Display oder Tastatur.

    Um die Heterogenitt der Gruppe zu nutzen, arbeiten die Studierenden jeweils in Zweierteams. Diese bestehen je aus einem Studenten oder einer Studentin der Informatik und Elektrotechnik. Reibungslos geht die Konstruktion jedoch nicht vonstatten, denn Wassner und sein Dozen-ten-Kollege Christian Jost haben in der Bauanleitung bewusst einige Fehler eingebaut. Um diese zu finden, braucht es Fachkenntnisse aus beiden Fachgebieten. Man muss das Wechselspiel zwischen Hardware und Software verstehen. Daher profitieren die Studierenden von der interdisziplinren Teamzusammensetzung und ihren

    gegenseitigen Strken, erklrt Wassner. Auch sonst sei die Aufgabenstellung sehr praxisnah: Im Berufsalltag entwickeln Ingenieure nicht immer etwas Neues. Vielfach sind sie mit der Fehlersuche in existierenden Anwendun-gen konfrontiert. Dabei ist man gezwungen, Dinge in Frage zu stellen und fehlendes Know-how selbststndig zu erarbeiten.

    Aktuell versuchen Wassner und Jost noch eine weitere Strke der Studierenden zu aktivieren: den Spieltrieb. Neu mssen diese einen Mikroprozessor bauen, der einen fern-gesteuerten Mini-Computer auf Rdern den MC-Car antreibt. Dieses kann dank eines Analog/Digital-Wand-lers, der hell und dunkel unterscheidet, einer vorgezeichne-ten Route folgen. Allerdings finden sich auch in dieser Bauanleitung Fehler, fr welche die Studierenden Lsun-gen finden mssen, damit der MC-Car schliesslich im wahrsten Sinne des Wortes zum Laufen kommt.

    Das Modul Mikrocontroller gehrt inhaltlich zur Elektrotechnik und Informatik und bewegt sich fachlich an der Grenze zwischen Hard- und Software. Um den Lehrgang praxisnaher zu gestalten, hat Dozent Jrgen Wassner in eine Betriebsanleitung bewusst Fehler eingebaut. Mirella Wepf

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    Der MC-Car: Tftlergeist und Interdisziplinaritt machens mglich! (Foto Patrick Klin)

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    departement technik & architektur: nachdenken ber interdiszipLinaritt

    Interdisziplinaritt trifft zu bei einer Fragestellung, die nicht von einer Disziplin allein gelst oder sinnvoll bearbeitet werden kann. Es sind mehrere Personen involviert, das heisst, dass die verschiedenen Diszi-plinen nicht von einer Person alleine abgedeckt werden knnen.

    Gilt es eine konkrete Aufgabe oder Problemstellung zu bearbeiten, bei der konkrete Lsungen und Resul-tate verlangt sind, so ist ein gewisses Mass an Kompetenzen in der eige-nen Disziplin eine Notwendig-keit. Im Begriff Interdiszipli-naritt ist enthalten, dass von mindestens zwei DisziplinenKompetenzen zusammenfin-den.

    Wenn Interdisziplinaritt fr mehrere Personen steht, so hat die Sozialkompetenz ei-nen sehr grossen Stellenwert. Sie ist aus meiner Sicht ein Muss.

    In der Umsetzung und Realisierung von Projekten hat die Interdiszipli-naritt einen sehr hohen Stellen-wert. Ebenfalls in der frhen Phase der Lsungssuche kommt der Inter-disziplinaritt eine grosse Bedeu-tung zu. Bei Projektmodulen ist In-terdisziplinaritt zwingend in die Aufgabenstellung einzubauen und die Teams entsprechend den Anfor-derungen zusammenzustellen.

    Eine Situation ist interdisziplinr, wenn Spezialisten aus verschiede-nen Disziplinen gemeinsam die L-sung eines Problems erarbeiten und der Lsungsweg wesentlich vom Zusammenwirken der einzelnen Fachkompetenzen abhngt.

    Ja, unter der Annahme, dass das Expertenwissen einen essentiellen Beitrag zur Lsung liefert.

    Wenn von Anfang an der Lsungs-weg und die Aufgabenteilung klar ist, braucht es wenig Sozialkompe-tenz. Schwieriger wird es, wenn noch nicht fest steht, wie das Prob-lem zu lsen ist und welchen Beitrag jeder leisten kann. Im Extremfall wird gar nie erkannt, dass eine an-dere Disziplin einen Beitrag leisten kann. Kommunikation spielt hier eine wesentliche Rolle. Oft haben jedoch Experten erhebliche Schwie-rigkeiten ihr Wissen Nicht-Experten zu vermitteln oder sind nicht daran interessiert, Ruhm zu teilen.

    Es ist sicher gut, einen Dialog zwi-schen Disziplinen von Anfang an zu kultivieren. Das ist aber keine trivi-ale Aufgabe. Rumliche Nhe allein gengt vermutlich nicht.

    Interdisziplinaritt ist fr mich die me-thodische Entdeckung unbekannter Wel-ten. Das Ziel hierbei besteht aber nicht darin, diese ganz und gar zu erforschen und zu adaptieren, sondern es geht um die Entdeckung einzelner, bisher unbe-kannter Elemente, die man gewinnbrin-gend in die alte Welt berfhren kann, um dort zu neuen Erkenntnissen zu ge-langen.

    Fundierte Kenntnisse in einer Disziplin sind wesentliche Voraussetzung fr in-terdisziplinre Zusammenarbeit, ganz im Sinne: Wer auf Wanderschaft gehen will, muss in der Heimat flgge gewor-den sein (F. Jahn). Zustzlich ist der Ge-winn, der aus der Interdisziplinaritt fr die eigene Disziplin gewonnen werden kann, bedingt durch die Tiefe der diszip-linren Fachkenntnis.

    Das Lernen von anderen Disziplinen oder die Zusammenarbeit ber Diszipli-nen hinweg braucht neben der wesentli-chen Fachkenntnis vor allem einen ho-hen Grad an Kommunikationsfhigkeit und Offenheit, besonders gegenber Neuem und teilweise auch Unbeque-mem. Interdisziplinaritt erfordert, sich aus der Komfortzone einer Disziplin zu lsen.

    In unserer stark vernetzten und dynami-schen Berufswelt ist die Interdisziplinari-tt mittlerweile oft zu einer Notwendig-keit geworden, manchmal ermglicht sie auch einen Wett bewerbsvorteil. Neben einer fundierten Fachausbildung ist die Fhigkeit zu interdisziplinren Denkan-stzen und interdisziplinrer Zusam-menarbeit somit eine sehr wertvolle Kompetenz, die wir unseren Absolventen mitgeben knnen.

    Franziska Heinze

    Michael Bchtold

    Ernst Lthi

    1. Wie definie-ren Sie Interdis-

    ziplinaritt?

    2. Interdiszipli-naritt verlangt

    zuerst sattel-feste Diszipli-

    naritt.

    3. Keine Interdiszi-

    plinaritt ohne Sozialkompe-

    tenz.

    4. Welchen Stellenwert soll Interdisziplina-

    ritt in der Lehre am

    Departement Technik &

    Architektur haben?

  • Urs Grter, in Ihrem Projekt pldieren Sie dafr, dass akademisches und berufliches Schreiben Bestandteil eines Hochschulcurriculums sein muss. Was versprechen Sie sich davon?Urs Grter: Eine hohe Schreibkompetenz ist im Beruf und im Alltag sehr wichtig. Unsere Absolventinnen und Absol-venten gehen hauptschlich in die Industriepraxis und da gilt: Wer Karriere machen will, muss nicht nur ein guter Fachmann oder eine gute Fachfrau sein, sondern auch gut schreiben knnen. Einerseits geht es darum, unterneh-mensintern seine Arbeit im richtigen Licht darzustellen und zum Beispiel Projekte vor der Geschftsleitung ber-zeugend zu vertreten. Andererseits muss man seine Firma nach aussen reprsentieren, sei es in einer Prsentation, in der Korrespondenz mit Kunden, in einem Mitteilungs-schreiben an die ffentlichkeit, gegenber Behrden und verschiedensten Gremien. Wichtig ist dabei unter ande-rem das kondensierende und adressatengerechte Schrei-ben. Oder anders ausgedrckt: Wie bringe ich das Wesent-liche auf den Punkt und bermittle die Hauptbotschaft einfach, klar, verstndlich und auf das Zielpublikum ange-passt.

    Der Fokus des vorliegenden Heftes ist INTERdisziplinari-tt. In Ihrem Projekt geht es ums Schreiben in der eigenen Disziplin. Wo sehen Sie da das DAZWISCHEN? Der interdisziplinre Ansatz besteht darin, dass die Studie-renden Techniken und Modelle aus dem Sprach- und Kom-munikationsbereich kennen und anwenden lernen, um sprachliche Herausforderungen im eigenen Fachbereich besser zu bewltigen. Das Kommunizieren funktioniert nur dann, wenn man sich in fremde Disziplinen hineinver- setzt und versucht, die Denkweisen und Grenzen anderer Fachbereiche zu verstehen. Man erkennt damit auch die Grenzen des eigenen Denkens in seiner Disziplin. Mit einer Baukommission beispielweise muss ich anders kommuni-zieren als mit Brgerinnen und Brgern an einer Gemein-deversammlung. Eine aktuelle Herausforderung fr Stu-dierende ist in diesem Zusammenhang auch der neue Studiengang Business Engineering Sustainable Energy Systems. Dieser ist komplett in Englisch gehalten: Hier ist Interdisziplinaritt, also vernetztes Denken und Handeln besonders wichtig, ist doch das angelschsische Schreiben und Denken anders als das deutsche.

    Cogito ergo sum respektiv im vorliegenden Projekt Scribo ergo sum: Inwieweit ist es wichtig, sich bers eigene Schreiben zu definieren?Schreiben zwingt einen zum Denken. Strukturiertes Schrei-ben gelingt nur, wenn ich fhig bin, strukturiert und analy-tisch zu denken. Das prozessorientierte Schreiben bietet also gleichzeitig Untersttzung fr die eigene Disziplin: Fr eine Ingenieurin ist strukturiertes und analytisches Denken unabdingbar.

    Sie sprechen von prozessorientiertem Schreiben. Wie muss man sich diesen Prozess vorstellen?Beim Schreiben geht es nicht nur um das Endprodukt, son-dern auch um den Weg dahin. Den vermitteln wir mit Er-kenntnissen aus der Schreibforschung und der Schreibp-dagogik. Die Studierenden bekommen technisch ausge-drckt ein Tool an die Hand, mit dem sie das Schreiben fr die Praxis in der eigenen Disziplin in einer geschtzten Laborsituation erlernen knnen. Die bungen werden mit konkreten Projekten im Studium verknpft, was die Moti-vation erhht: Die Studierenden lernen in der Praxis und fr die Praxis. Es geht zum Beispiel im ersten Studienjahr nicht nur darum, richtig schreiben zu lernen. Das Erlan-gen einer hohen Schreibkompetenz erfordert nmlich viel mehr: Zum Beispiel wie ist ein Text aufgebaut, was bedeu-tet Konsistenz und Textkohrenz, wie recherchiere ich rich-tig und effizient, wo kann es Schreibblockaden geben und welche Strategien gibt es, sie zu lsen?

    Schreiben also als eine Form des selbstgesteuerten Lernens?Ja, ganz klar. Im Schreibprozess ist daher auch die reflek-tierende Komponente sehr wichtig, die mit verschiedenen Formen wie Peer-Review trainiert wird. Die Studierenden geben sich gegenseitig Feedback und lernen dadurch auch selbstkritisches Schreiben, was wiederum der Ent-wicklung von Selbstsicherheit beim Schreiben dient. Da-

    Strukturiertes Schreiben ist fr angehende Ingenieure und Architekten karriererelevant. Wie Schreibkompetenz im Studium systematisch gefrdert werden kann, zeigt Urs Grter im Projekt Writing Across the curriculum. Dabei wird nicht nur bei den Studierenden das Denken ber die Grenzen der eigenen Disziplin hinaus gefrdert. Auch die Sprach- und Fachdozierenden sind gefordert.

    im gesprch: Writing across the curricuLum

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    Strukturiertes Schreiben gelingt nur, wenn ich fhig bin, strukturiert und analytisch zu denken.

  • Projektmodul Kontext 1 und 2

    Im Projektmodul Kontext 1 wird Studierenden

    verschiedener Studienrichtungen Fach- und Kom-

    munikationswissen zur Erstellung einer wissen-

    schaftsbasierten Dokumentation und zum

    mndlichen Prsentieren vermittelt. Damit lernen

    die Studierenden projektorientiertes und sys-

    tematisches Denken im interdisziplinren Umfeld.

    Im darauf aufbauenden Projektmodul Kontext 2

    geht es um Sprachkompetenzen in der Berufs-

    praxis. Dabei werden praxisrelevante Textsorten,

    Rede- und Prsentationsmethoden sowie adres-

    satenorientiertes Schreiben vermittelt und die Um-

    setzung verbaler, nonverbaler und paraverbaler

    Mittel in verschiedenen mndlichen Kommunikati-

    onssituationen erlernt.

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    einen Eingriff in die akademische Freiheit eines Dozieren-den. Dazu sind nicht alle gleichermassen bereit. Ein weite-rer Knackpunkt ist die Frage, inwieweit das Einfordern der Schreibkompetenz Aufgabe des Fachdozierenden ist und wie weit die Untersttzung und beratende Funktion seitens der Sprachdozierenden gehen soll und welches die geeigneten Gefsse und Vermittlungsformen dafr sind. Eine wichtige Voraussetzung zur Klrung der Frage des Wie viel ist das enge Anbinden der Sprachdozierenden an die einzelnen Fachrichtungen, damit sie die Disziplin und das fachspezifische Denken vertieft kennenlernen und auf die damit verbundenen Herausforderungen ein-gehen knnen. Im weiteren Verlauf des Projekts geht es nun also darum, konkrete Umsetzungsmassnahmen zu diskutieren, zu vereinbaren und sich gemeinsam auf den Weg zu machen, damit Writing Across the Curriculum seine Wirkung entfalten kann.

    Interview: Franziska Mattle Schaffhauser

    Urs Grter pldiert fr eine systematische Frderung der Schreibkompetenz im Studium. (Foto und Illustration Patrick Klin)

    mit beim selbstgesteuertem Lernen ein mglichst hoher Output generiert werden kann, sprechen wir in der Didak-tik auch von scaffolding : Der Dozent holt die Studie-renden bei ihrem aktuellen Wissensstand ab und versucht mit Denkanstssen und anderen Hilfestellungen eine Br-cke zum angestrebten Wissen zu schlagen. Dank diesem didaktischen Vorgehen kann sehr gut auf die individuellen Bedrfnisse des Einzelnen eingegangen werden.

    Ihr Projekt zeigt, dass Dozierende der Kommunikations-wissenschaften und der Ingenieur- und Architektur-wissenschaften eng zusammenarbeiten mssen, um fr schriftliche Endprodukte ein hohes Niveau zu erreichen. Dazu braucht es auch eine gewisse unit de doctrine in den Abteilungen. Welche Benefits ergeben sich fr die Dozierenden? Fr die Dozierenden ergibt sich ganz klar eine Win-Win-Si-tuation: Die Dozierenden der Kommunikationswissen-schaften lernen viel ber die Inhalte der Ingenieur-Diszip-linen und die Fachdozierenden aus den Ingenieur- und Architekturwissenschaften lernen den State of the Art im

    sprachlichen Bereich kennen. Das Projekt fhrt also zur Annherung und frdert dadurch das gegenseitige Ver-stndnis fr die jeweils andere Disziplin und Denkweise. Die Dozierenden entwickeln eine gemeinsame Haltung zur Funktion der schriftlichen und mndlichen Kommunika-tion. Zudem ermglicht der gemeinsame Weg eine kon-tinuierliche und systematische Weiterentwicklung der Schreibkompetenz von Studierenden vom ersten Semester an bis zum Abschluss des Studiums mit der Bachelorarbeit. Das Einfordern eines verbindlichen Minimalstandards in den Abteilungen in Bezug auf Inhalt und Form von schrift-lichen Arbeiten gibt auch dem Studierenden mehr Sicher-heit, da er weiss, was von ihm erwartet wird.

    Wo sehen Sie Knackpunkte in dieser Zusammenarbeit?Ein Knackpunkt besteht darin, bei allen Dozierenden der verschiedenen Fachrichtungen ein gleiches Grundver-stndnis fr die Bedeutung der schriftlichen und mndli-chen Sprachkompetenz von Studierenden zu entwickeln. Darber bestehen teils unterschiedliche Auffassungen. Zudem bedeutet das Ziel, eine gewisse unit de doctrine bei der Beurteilung der schriftlichen Produkte zu erreichen,

    Schreiben als Prozess.

  • entWerfen und kommunizieren

    Kommunikation spielt im beruflichen Alltag eines Archi-tekten, einer Architektin eine wichtige Rolle: Zum Beispiel wenn sie im Gesprch mit Bauherrn konstruktive Ideen verstndlich vermitteln sollen, oder wenn auf der Baustelle wichtige Entscheide gefllt und in einem Protokoll festge-halten werden mssen, oder wenn sich ein Architekturbro an einem Wettbewerb beteiligt und eine mglichste ber-zeugende Dokumentation einreichen will. Sprache kommt also in unterschiedlichen Zusammenhngen zur Anwen-dung. Doch wie kann man Studierende auf solche kommu-nikative Arbeit vorbereiten? Das Lehrbuchprojekt Schrei-ben ist wie Huser bauen soll Untersttzung bieten.

    Bedeutung der KommunikationEine Befragung bei 50 Architektinnen und Architekten fr diese Publikation bringt es an Tag: Im Durchschnitt wen-den sie acht Stunden fr schriftliche Kommunikation und elf Stunden fr mndliche Kommunikation in der Woche auf. Ein berraschend hoher Anteil der Arbeitszeit. Dies besttigt auch Christian Zimmermann, Leiter der Bachelo-rausbildung Architektur an der Hochschule Luzern Tech-nik & Architektur. Fr ihn beinhaltet dieser Beruf zuneh-mend ein zentrale Verwaltung von Kommunikation: Sit-zungen vorbereiten, fhren, protokollieren (und zum Teil ber mehrere Jahre dokumentieren). Nach dem Studium wrden Bachelor-Abgnger schon Teilprojekte leiten und alle damit verbundenen Kommunikationsaufgaben wahr-nehmen mssen, meint Christian Zimmermann weiter. Auch die Innenarchitektin Verena Frey von 4plus archi-tektinnen gmbh bringt es auf den Punkt: Wer nicht gerne kommuniziert, ist am falschen Ort.

    Fr die Ingenieurwissenschaften existieren bereits meh-rere Lehrbcher, welche die disziplinspezifische Anwen-dung von Sprache thematisieren. Im Bereich Architektur und Innenarchitektur ist das noch eine Art Terra incognita. Das Lehrbuch Schreiben ist wie Huser bauen ver-sucht diesem Umstand entgegenzuwirken. Es besteht aus zwei Teilen: in theoretischen Einfhrungen werden die Leser an verschiedene Themen herangefhrt, im bungs-teil kann das Gelesene ausprobiert werden. Dabei geht es nicht nur um die Frage, welche Bedeutung Texte in der Berufspraxis haben und wie die Kommunikation zwischen Architekten und Laien aussieht, sondern auch welche In-halte bei einem Entwurfsprozess vertextet werden oder was Wissenschaftlichkeit in dieser Disziplin bedeutet.

    Integrierter EinsatzDas Buch kommt in den Studiengngen Architektur und Innenarchitektur zum Einsatz. Es ist ein Hilfsmittel in einer breit konzipierten Ausbildung im Bereich Kommunikation. Denn die Schreib- und Redekompetenz der Studierenden soll ber das ganze Studium thematisiert und gefrdert werden. Wichtig dabei ist der integrierte Ansatz: Diese In-halte werden nicht in separaten Modulen vermittelt, son-dern sind gekoppelt an die Kernthemen und -ttigkeiten des Studiums.

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    Entwurf und Konstruktion sind zentrale Inhalte des Architektur-studiums. Daneben sollen aber auch andere Kompetenzen wie die kommunikativen Fhigkeiten der Studierenden gefrdert werden. Whrend der ganzen Ausbildung ist Sprache ein Thema. Neuer-dings auch in einem Lehrbuch. Gregor Imhof

  • So spielt dieses Buch eine wichtige Rolle im zweiten Ausbil-dungsjahr Architektur. Die Studierenden haben sich be-reits mit den wissenschaftlichen und beruflichen Formen des Schreibens vertraut gemacht. Nun geht es darum, ei-gene Projekte klar und berzeugend zu dokumentieren. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, da auf kleinstem Raum und im Verbund mit Visualisierungen Ideen und Konzepte vermittelt werden sollen. Mit Hilfe des Lehr-buches wird das Thema im Unterricht theoretisch auf-gespannt und in bungen ausgetestet. Dann kommt die Anwendung in zwei Entwurfsprojekten. Dadurch wird Kommunikation mit Fachinhalten verknpft, und die Do-zierenden begleiten diesen interdisziplinren Arbeitspro-zess. Die Rckmeldungen der Studierenden fallen positiv aus: Das Schreiben des Projekttextes zwingt sie, konkret zu werden und ihre Ideen auf ihre Logik hin abzuklopfen. Das kann zu Przisierungen oder Revisionen im Entwurf fhren. Zudem bereiten sich die Studierenden gedanklich und sprachlich auf die Prsentationen vor, die dann ber den weiteren Verlauf des Projekts entscheiden.

    In absehbarer Zeit ist die erste Auflage des Buches von 500 Exemplaren aufgebraucht. Mit dem Nachdruck eilt es aber nicht, denn Schreiben ist wie Huser bauen wird den Studierenden bald als E-Book zur Verfgung stehen.

    Lehrbuch

    Die Publikation Schreiben ist wie Huser bauen

    Sprache und Architektur. Ein Lese- und bungs-

    buch wurde 2010 von Anita Schmid-Visini

    und Gregor Imhof herausgegeben. In Einfhrun-

    gen und bungen werden folgende Themen

    angesprochen: Schreiben in der Praxis; Experten-

    Laien-Kommunikation; Bild, Plan und Text;

    Wissenschaft und Architektur; Architekturkritik.

    Autoren sind: Otti Gmr, Luca Deon, Axel Simon,

    Tina Unruh und die Herausgeber.

    Theorie und bung: Architekturstudentin Barbara

    Zaugg bespricht ihren Projekttext mit Dozent Gregor Imhof.

    (Foto Lukas Heinzer)

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  • eine aufgabe drei perspektiven

    Wer Maschinentechnik studiert hat, weiss, was ein Pleuel ist: Eine Stange, die man zum Beispiel in Verbrennungs- motoren findet. Dort setzt die Pleuelstange die lineare Bewegung des Kolbens in die kreisfrmige Bewegung der Kurbelwelle um. Im Sommersemester 2009 begannen die Dozenten Ren Brtsch, Ralf Baumann und Ernst Lthi damit, fr den Lehrgang Maschinentechnik neue Aufgaben zu entwerfen und whlten dafr als Musterbauteil den Pleuel eines BMW-Motors. Das im Herbst-/Wintersemester 2010 erst-mals in drei verschiedenen Modulen umgesetzte Thema hat sich bewhrt und ist nach wie vor Teil des Lehrplans.Zum ersten Mal kommen die Studierenden mit dem Pleuel im obligatorischen Modul Produktentwicklung Kompo-nenten von Ernst Lthi in Berhrung. Mithilfe eines CAD-Programms konstruieren sie nach vorgegebenen Massen das 3D-Modell eines Pleuels als Bestandteil eines Kurbeltriebes. Erste CAD-Kenntnisse bringen sie dabei be-reits aus dem Modul Produktentwicklung Grundlagen mit. In diesem Kurs lernen sie neu, das Modell auch in Be-wegung zu setzen, und die Krfte zu berechnen, die auf den Pleuel wirken.

    Im Vertiefungsmodul Dynamische Systeme, das sie bei Ren Brtsch absolvieren, ist Handarbeit angesagt. Wie in den guten alten Zeiten machen die Studierenden seitenweise Berechnungen, um den Pleuel zu dimensionie-ren, erlutert Brtsch. Sie lernen, die Krfte, die das CAD-Modell per Knopfdruck errechnet hat, eigenhndig nachzuvollziehen.Von zentraler Bedeutung fr das Funktionieren einer Ma-schine sind zudem die Spannungen, die in einem Bauteil durch die mechanischen Belastungen entstehen. Im drit-ten Modul, Angewandte Finite Element Methode in der Dynamik und Wrmeleitung (FEM2) unter der Leitung von Ralf Baumann lernen die Studierenden mit einer kom-merziellen FEM-Software neben den Krften auch die auf-tretenden Spannungen zu berechnen und mit der Festig-keit des Materials zu vergleichen (numerische Simulation). Fr die Studierenden klingen die zahlreichen Mglichkei-ten, die ein solches Programm bietet, oft verfhrerisch

    erklrt Brtsch, doch sobald sie dieses selber anwenden, kommen sie rasch auf die Welt. Die Programme seien oft komplex, man mache leicht Fehler und unterschtze den Aufwand, den die Anwendung einer Software mit sich bringe. In der Praxis wird leider zu oft mit teuren Pro-grammen sozusagen auf Spatzen geschossen, dabei wre eine Handrechnung effizienter. Ihm und seinen Kollegen sei es wichtig, dass die Studentinnen und Studenten ein Gespr dafr entwickelten, welche Methoden sich in der Praxis wo sinnvoll einsetzen lassen.Ob sie dieses Ziel mit dieser bungsanlage tatschlich er-reichten, sei schwierig nachzuweisen, rumt Ren Brtsch unumwunden ein. Das zeigt sich ja erst im Berufsalltag und wir machen diesbezglich keine Umfragen bei Studien-abgngern. Einen Versuch sei es jedoch wert, und die bungen an sich wrden von den Studierenden geschtzt. Die gemeinsame Arbeit der Dozierenden bei der Vorberei-tung sei sehr gut verlaufen, ausser dass sie den Aufwand massiv unterschtzt htten. Das passiert einem auch nach dem Studium noch ab und zu, meint er mit einem Schmunzeln.

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    Konstruktion, Dynamik, Festigkeitslehre, Werkstofftechnik und numerische Simulation sind Disziplinen des Studiengangs Maschinentechnik. Um bei den Studierenden einige Aha-Effekte auszulsen und im Unterricht Synergien zu nutzen, haben drei Dozenten das gleiche Bauteil ins Zentrum verschiedener bungen gestellt. Mirella Wepf

    Oberes Bild: Kolben (links), Pleuelstange und Kurbelwelle in der CAD-Darstellung.Unteres Bild: Kolben (links), Pleuelstange und Kurbelwelle in der Darstellung des FEM-Softwareprogramms. Die rote Stelle zeigt die grssten mechanischen Spannungen. (Visualisierung Hochschule Luzern)

    In der Praxis ist eine Hand- rechnung oft effizienter.

  • industrie: erfoLgreiche navigation in netzWerken

    hochschuLdidak-tik: kompLexitt reduzieren und erhaLten

    Interdisziplinaritt an der Hochschule bedeutet die Nut-zung von Anstzen, Denkweisen und Methoden verschie-dener Fachrichtungen. bertragen auf den realen Sektor Wirtschaft reflektiert Interdisziplinaritt die zunehmende Komplexitt und Dynamik unserer internationalen und in-terdependenten Geschftsbeziehungen. Treibende Krfte sind Globalisierung, Spezialisierungen, arbeitsteilige Pro-zesse, Internetplattformen fr bereichsbergreifende Kommunikation, exponentieller Wissenszuwachs sowie steigender Wettbewerbsdruck von Unternehmen aus Ln-dern des Emerging Market.

    In diesem dynamischen Umfeld mssen Geschftsmo-delle und Erfolgsregeln angepasst werden. Wir sind mehr und mehr gefordert, zunehmende Komplexitt unterneh-mensbergreifend zu managen. Was bedeutet das fr ein Unternehmen, dessen Organisation und Arbeitsweisen? Welche Fhigkeiten und Kernkompetenzen mssen Mit- arbeitende mitbringen, um in einem interdisziplinren Kontext erfolgreich mitwirken zu knnen? Aus eigener Erfahrung einer exportorientierten Unternehmensgruppe, welche seit Jahrzehnten weltweit ttig ist, kann ich hierzu folgendes sagen: Wir bentigen auf allen Ebenen Mitar-beitende, welche ber Fachwissen, Arbeitstechniken und ber relevante Sozialkompetenzen verfgen. Spezialwis-sen im Fachgebiet, ergnzt mit interdisziplinrem Grund-wissen ist gefragt. Fundierte Kenntnisse im Bereich Ar -beitstools und Arbeitstechniken sind erforderlich fr Team- und Projektarbeit sowie fr das Managen von Pro-zessen und Schnittstellen in internationalen Matrixorgani-sationen. Weiterhin brauchen wir mehr und mehr Mitar-beitende, welche sich in firmeninternen und externen Netzwerken bewegen knnen, ohne dabei Strategien, Ziele und Fokussierung auf das Wesentliche aus den Au-gen zu verlieren. Vernetztes Denken und Handeln, Interak-tivitt und Bereitschaft fr neue Sicht- und Denkweisen zeichnen unsere zuknftigen Mitarbeitenden aus.

    Christiane Leister Arnold Wyrsch

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    Jede Disziplin zeigt in ihren Theorien einen spezifischen Umgang mit Wirklichkeit. Die Bildung einer Theorie erfor-dert eine Reduktion der Komplexitt von Wirklichkeit, hat aber auch den Anspruch Komplexitt zu erhalten. Lernen erfordert eine Reduktion der Wirklichkeit. Diese ist somit neben der Theoriebildung auch fr die Bearbeitung und das Verstndlichmachen der Lerninhalte wichtig. Wirk-sam in der Berufs-Realitt werden aber die Lerninhalte meistens erst dann wieder, wenn sie durch Komplexittser-halt in die Wirklichkeit eingebunden werden. Lernen bein-haltet somit immer, die Komplexitt der Wirklichkeit zu reduzieren und zu erhalten. Das Lsen von komplexen Auf-gaben erfordert Abgrenzungen und Verbindungen zwi-schen Disziplinen zu erkennen. Interdisziplinaritt ist fr Lernen und die Hochschuldidaktik somit konstitutiv. Die Hochschuldidaktik trgt auf verschiedenen Ebenen bei, diese Herausforderungen zu bewltigen.

    Studierende der Hochschulen bearbeiten spezifisch diszip-linre und wissenschaftlich ausgerichtete Lerninhalte. Sie reduzieren dabei die Komplexitt der Inhalte und mssen die komplexe Wirklichkeit der Inhalte auch erhalten, damit diese wirksam ins bisherige Wissen eingefgt und transfe-riert werden knnen. Dozierende greifen diesen Sachver-halt durch eine angemessen Didaktik (u.a. didaktische Re-duktion) auf und schaffen Lernanlsse, die das interdiszip-linre Einbetten der Lerninhalte frdern. Sie arbeiten problemorientiert, unter anderem in Projekten, Fallstudien oder Gruppenbearbeiten. Fragen wie Welcher Beitrag leis-tet mein Lerngegenstand in einem konkreten Feld, in der Anwendung, im Transfer? sind zu beantworten. Jetzt wer-den Unterschiede in Kultur und Sprache der einzelnen Be-teiligten und der Disziplinen, wie auch die Unterschiede der theoretischen Modelle und deren Reichweite evident. Das verunsichert und birgt die Gefahr von Abwertungen und Redundanzen einerseits, erschliesst andererseits Korrektive und hilft die Begriffe und Konzepte zu schrfen. Diese Kl-rung fhrt zu erweiterter Konkretisierung und Adaption der Ergebnisse und erzeugt insgesamt Synergien.

    Dozierende an Hochschulen begleiten solche Prozesse. In Weiterbildungen diskutieren sie Mglichkeiten des Ler-nens in einer interdisziplinren Gruppenzusammenset-zung. Sie erkennen, dass Lernprozesse in den verschiede-nen Bereichen unterschiedlich gestaltet werden mssen. In diesem interdisziplinren Lernkontext knnen Frage-stellungen der Lehre erweitert werden. Der Austausch in verschiedenen Sprachen und Kulturen kann ber Analo-gien zu Synergien fhren und zur Solidarittsbildung in Bezug auf Anforderungen der guten Lehre beitragen.

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    Irene Dietrichs

    30 Studierende von 5 Hochschulen aus verschiedenen europischen Lndern arbeiten jedes Jahr 9 Tage zusam-men, um eine Lsung fr eine komplexe Aufgabenstellung aus dem Bereich gebaute Umwelt zu lsen. Sie werden am ersten Tag in 6 kleinere Teams eingeteilt, unter dem Gesichtspunkt, dass jedes Team aus allen Nationen und mglichst vielen verschiedenen Disziplinen besteht. Kom-muniziert wird auf Englisch. Am letzten Tag stellen diese Teams ihren Vorschlag zur Problemlsung einer Jury vor, die aus Fachleuten und Vertretern der rtlichen Behrden besteht.

    Eigenen Erfahrungshorizont reflektieren und erweiternDas NEPTUNE Konzept basiert auf der Methode des Project-Based-Learning. Die Hauptziele bestehen darin, dass die Studierenden Fachwissen (hard skills) und soziale Fhigkeiten (soft skills) kombinieren und lernen, mit Teil-nehmenden aus anderen Nationen und Disziplinen zusam-menzuarbeiten. Thomas West, Teilnehmer des Work-shops 2012 in Jekaterinburg (Russland), fasst seine Erfah-rung so zusammen: In der Neptune Blockwoche muss man nicht nur interdisziplinre Barrieren, sondern auch sprachliche, fachliche und kulturelle Hrden im Team ber-winden. Man trifft Berufsbilder, die es bei uns nicht gibt und kann somit auch in andere Disziplinen hineinsehen und deren Techniken kennenlernen. Fr die sptere Be-rufspraxis ist es wichtig, verschiedene Disziplinen und de-ren Denkweisen zu kennen und auch zu verstehen, damit spter auf der Baustelle auch alles klappt.

    Beim Projekt Neptune nehmen nur Studierende teil, die in ihrem Bachelor Studium bereits fortgeschritten sind. Im Fall der Hochschule Luzern Technik & Architektur sind dies Studierende aus dem 6. Semester. Jeweils zwei Studie-rende der Abteilungen Architektur, Bautechnik und Gebu-detechnik knnen sich um Teilnahme an diesem Modul bewerben; bevorzugt werden Studierende mit sehr guten Studienleistungen, da der Workshop whrend des Kon-taktstudiums stattfindet, und die einwchige Abwesen-heit sich nicht negativ auf die restlichen Studienleistungen auswirken darf. Zustzlich erarbeiten die Studierenden je-der teilnehmenden Hochschule vorgngig eine Prsenta-tion, welche thematisch mit der jeweiligen Aufgabestel-lung in Beziehung steht.

    Studierende lsen reale ProblemeNeptune Projekte werden aus bestehenden echten Prob-lemstellungen entwickelt. 2012 war Jekaterinburg Gastge-berin, Bewerberin fr die Durchfhrung der Expo 2020. Der Workshop mit dem Titel EKATERINBURG turns to 2020-EXPO-burg hatte zum Ziel, das Potential von drei mglichen Orten auszuleuchten, Vorschlge unter ande-rem fr Design von Gebuden, Lsungen fr Logistik und Infrastruktur auszuarbeiten, alles unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und unter Rcksichtnahme von finanziel-len Ressourcen. Die Studierenden sollten somit einen ech-ten Beitrag fr den Wettbewerb um den Standort der Expo leisten. Der Entscheid wird 2013 in Paris gefllt. Es liegt nahe, dass das Team der Schweizer Studierenden Kon-zepte aus der Expo 2010 in ihrer Prsentation beitrugen.

    Die Sicht von Claudia Bless auf den Workshop 2012 zeigt, dass die Ziele von Neptune erreicht wurden: Die Zusam-menarbeit in den interdisziplinren und internationalen Teams war sehr spannend und lehrreich. Doch die Arbeit war auch mit Konflikten und Kommunikationsschwierig-keiten verbunden. Aber genau an diesen Hindernissen wchst man.

    Wachsen an konfLiktenEinmal im Jahr nehmen sechs Studierende des Fachbereichs Bau an einem internationalen Workshop teil, bei dem in einer Woche Lsun-gen fr echte Problemstellungen vor Ort gefunden werden mssen. Das beste Projekt wird von einer Jury bestimmt. Dies alles geschieht im Modul NEPTUNE.

    NEPTUNE(Network for Environmental Projects in

    Technology, United in Europe)

    Die Hochschule Luzern Technik & Architektur ist seit 2001 Partnerin und Schweizer Vertreterin im Neptune Champion circle: Building Technology within the built Environment, zusammen mit Noordelijke Hogeschool Leeuwarden (NL) Savonia Polytechnic Kuopio (Finland) University of Maribor (Slowenien) Ural StateTechnical University/ROSNiivh

    Ekaterinburg (RUS).Weitere Informationen unter: www.neptuneassociation.com

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    Gregor Imhof

    Aus der Luft betrachtet bildet der Campus der Hochschule Luzern Technik & Architektur eine klar umrissene Flche. Begrenzt von der Technikumstrasse und dem Bahntrasse liegt er nah beim Bahnhof Horw. Jeweils am Mitt-wochnachmittag verlassen die Studierenden diesen Lern-ort und strmen in die Stadt. In der Mitte der Woche wird der Campus sozusagen auf Luzern ausgeweitet: Die Stu-dierenden knnen Module an den anderen Departemen-ten der Hochschule Luzern, an der Pdagogischen Hoch-schule und an der Universitt Luzern besuchen. Das gibt die Mglichkeit, fremde Luft zu schnuppern und das eigene Fach mit neuen Disziplinen zu verknpfen.

    Idee der ISA-ModuleMglich machen diesen Austausch die Interdisziplinren Studienangebote, kurz ISA genannt. Dazu spannen die verschiedenen Fachbereiche des Hochschulplatzes Luzern zusammen und ffnen ihre Pforten fr alle Studierenden. Diese erhalten die Chance, ber die eigene Fachrichtung hinaus zustzliche Kompetenzen zu erwerben, die sie in ihrer spteren Berufspraxis zur Zusammenarbeit mit ande-ren Disziplinen befhigen. Ob Wirtschaft, Technik, Recht, Politik oder Ethik der Blick ber das eigene Fachgebiet hinaus soll neue Erkenntnisse ermglichen. Auch fr die Dozierenden ist ein solcher Austausch fruchtbar: Indem sie mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachberei-chen zusammenarbeiten und eine Lehrveranstaltung pla-nen, entsteht ein interdisziplinrer Mehrwert. Im aktuellen Studienjahr werden 78 solcher ISA-Module angeboten. Die Themenpalette ist breit: Von Webde-sign ber Physik erleben bis Medienrecht. Zum Teil handelt es sich um Semesterkurse, zum Teil sind es Block-wochen. Gerade diese zweite Variante ist bei Studierenden beliebt. Da die Blockwochen in der Zeit zwischen den Se-mestern stattfinden, erlauben sie das Eintauchen in ein Thema ausserhalb des regulren Lehrbetriebs. Eine kom-pakte und intensive Auseinandersetzung mit einem Thema wird mglich.

    Vier BeispieleDie Studierenden des Departements Technik & Architektur sind besonders reisefreudig. Sie belegen ber 60 Prozent der angebotenen Module. Stellvertretend fr die breite ISA-Palette sollen vier Lehrveranstaltungen vorgestellt werden, die auch von den Horwer Studierenden gerne be-sucht werden: Nutzung Gestaltung Wahrnehmung. ffentliche

    Rume in den Stdten. Das Departement Soziale Arbeit fhrt diese Lehrveranstaltung in Kooperation mit dem Departement Design & Kunst durch. Im Fokus steht die Funktion und Bedeutung von ffentlichen Rumen in Stdten. Vor allem an Beispielen der Stadt Luzern soll das interdisziplinre Zusammenspiel von Kunst, Archi-tektur, Soziokultur, Gestaltung und konomie betrach-tet werden.

    Design und Gesellschaft. Diese Vorlesung wird vom Departement Design & Kunst durchgefhrt. Folgende Ausgangsfragen stehen im Zentrum: Wie lsst sich ein gesellschaftspolitischer Designbegriff fassen und in welchen Kontexten wird er wirksam. Im Weiteren wer-den die Umweltgestaltung und Nachhaltigkeit von De-sign thematisiert.

    Management sozialer Prozesse in Organisationen. Das Departement Wirtschaft organisiert diese Blockwoche in Kooperation mit dem Departement Soziale Arbeit. Die Studierenden simulieren die Arbeitsorganisation ei-nes Unternehmens. Sie sollen erfahren, was es heisst, strategische und operative Entscheidungen zu treffen. Dabei werden sie von professionellen Beobachtern be-gleitet und erhalten Feedback.

    Nachhaltigkeit. Diese Blockwoche bietet das Departe-ment Technik & Architektur an. Im Zentrum steht die Frage, wie die Orientierung an nachhaltiger Entwick-lung die heutige Alltagspraxis verndert. Dabei sollen konomische, soziale und kologische Aspekte betrach-tet werden. Dieses Modul wird sowohl in Deutsch als auch in Englisch angeboten.

    Die Studierenden des Departements Technik & Architektur knnen im Verlaufe ihrer Ausbildung mehrere solcher Ver-anstaltungen besuchen. Wenn sie dann auf dem Campus Horw fertig studiert und den Bachelor in der Tasche ha-ben, schwrmen sie wieder aus. Vielleicht wechseln sie dann fr den Beruf in ein noch grsseres Feld und nutzen ihre interdisziplinren Kompetenzen in einem nationalen oder globalen Unternehmen.

    Weitere Informationen unter: www.isa-campus.ch

    erWeiterter campus

  • Daniela Merkl, wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?Das ging ber meinen Bruder, der auch Informatiker ist. Er war mir Vorbild. Zuerst wollte ich Physiotherapeutin wer-den, war aber zu jung fr die Ausbildung. So absolvierte ich das Fachabitur und merkte, dass ich Mathematik sehr gerne habe. Nachher wollte ich etwas Praktisches lernen und eine Lehre machen. Tests zeigten, dass Informatik zu mir passt. Viele dachten, das sei zu schwierig, nichts fr mich als Frau. Ich habe es einfach versucht und auch sofort eine Stelle bekommen.

    Wie war es dann in der Lehre als Frau in einem Mnnerberuf?Oh, das ging ganz gut. Man wurde schon mal hervorge- hoben und von den Jungs hochgenommen. Es war nicht schlimm, fr mich nichts Besonderes. Ich fhlte mich sehr wohl.

    Woran arbeiten Sie im Moment?Ich entwickle eine Verwaltungssoftware fr Pflegeorgani-sationen und soziale Dienstleister.

    Wie kommt es, dass Sie an der Hochschule Luzern studieren?Den Ausschlag gab die Mglichkeit, berufsbegleitend zu studieren. Das ist in Deutschland so kaum mglich. Es ist nicht mein Ding, nur zu lernen. Ich will auch arbeiten.

    Warum wollten Sie denn nach der Erstausbildung weiterstudieren?Informatik ist ein immens grosser Bereich. Ich hatte in meinem Betrieb noch relativ wenig gesehen. Ich wollte mehr lernen, andere Programmiersprachen kennen lernen, wissen, wie man eine Software-Architektur von Grund auf entwickelt.

    Lernen Sie das an der Hochschule?Je weiter ich im Studium bin, desto mehr Neues lerne ich. Ich kann jetzt mehr sofort im Geschft anwenden. Am An-fang lernten wir mehr Grundlagen, das war fr mich nicht so interessant, weil ich schon viel wusste. Java hatte ich beispielsweise in meiner Ausbildung, so konnte ich es in

    diesem Modul locker nehmen. Insgesamt werden wir up to date ausgebildet.

    Was haben Sie im vergangenen Semester gelernt und sofort angewendet?Den Aufbau eines Servers und dessen Koppelung mit An-droid. Gab es im Studium Aha-Erlebnisse?Die gibt es immer kurz vor den Prfungen. Wenn ich beispielsweise intensiv ber Entwicklungsmuster fr das Programmieren nachdenke, entdecke ich, was ich alles gelernt habe. Oft merke ich erst dann, wie es gemeint ist. Ich kann das aber nicht genau erklren, es geschieht ein-fach. Die grssten Aha-Erlebnisse habe ich aber definitiv bei der konkreten Anwendung im Beruf. Oft verstehe ich erst dann, was wir whrend des Semesters gelernt haben.

    Lernen Sie whrend des Studiums denn nicht auch, Probleme zu lsen?Ja schon. Doch manchmal lsen die Schnelleren den Grup-penauftrag. In einem Modul hatte ich beispielsweise we-nig Vorwissen und war dadurch langsam. Da ich den Stoff noch nicht begriffen hatte, konnte ich in der Gruppe nicht wirklich mithelfen, die Aufgabe zu lsen.

    Sie haben im Pren-Modul interdisziplinr zusammen-gearbeitet. Wie haben Sie das erlebt?Wir mussten in einem Team aus Elektrotechnikern, Wirt-schaftsingenieuren, Informatikern und Maschinenbauern eine Sortiermaschine fr Besteck entwickeln. Diese Auf-gabe war herausfordernd, sie erforderte wirklich das Wis-sen aus verschiedenen Disziplinen. Dann macht es Sinn, in einem interdisziplinren Team zu arbeiten. Man konnte die Detailtreue des Elektrotechnikers, die Sichtweise des Informatikers, den Blick auf das Gesamte des Wirtschafts-ingenieurs und die Visionen des Maschinenbauers nutzen.

    Wie wichtig sind solche Erfahrungen?Sehr wichtig. Man merkt, dass die Denkweisen ber L-sungsanstze in den verschiedenen Disziplinen weit ausei-nander liegen.

    aLLe mssen mitziehen

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    Daniela Merkl hat es erfahren: Interdisziplinre Teams brauchen Fhrung und eine gute Organisation. (Foto Patrick Klin)

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    Wissen kompakt

    Brigitta Pfffli Tanner

    Interview: Brigitta Pfffli Tanner

    Disziplin Der Begriff Disziplin oder Fachwissenschaft be-zeichnet ein mehr oder weniger eindeutig abge-grenztes Teilgebiet wissenschaftlicher Forschung. Wissenschaftler/innen erforschen auf Basis eines fachspezifischen Erkenntnisinteresses definierte Wirklichkeitsbereiche, um entsprechende Theorien zu bilden. Sie entwickeln dazu fachspezifische Me-thoden.

    Interdisziplinaritt Interdisziplinaritt orientiert sich an komplexen gesellschaftlichen Problemen. Nach Ptzold & Schssler (2001, 80ff.) sind Disziplingrenzen Er-kenntnisgrenzen. Neuartige Probleme knnen nie aus der Perspektive einer Disziplin umfassend und vollstndig beschrieben, bewertet und gelst wer-den. Interdisziplinaritt ist eine Praxis der Lehre, Projektarbeit und Forschung, an der mehr als eine herkmmliche Disziplin beteiligt ist. Die Grenzen der Disziplinen werden zwar ber-schritten, aber nicht aufgehoben (vgl.: http://blog.zhdk.ch/trans/inter-disziplinaritaet, gelesen am 01. 02. 2013).Grnde fr Interdisziplinaritt in Forschung, Arbeit und Lehre sind die fortschreitende Spezialisierung und Differenzierung der Wissensgesell-schaft und die Tatsache, dass der Gegenstand der Wissenschaft hu-fig keine disziplinre Struktur hat. Interdisziplinre Lern-, Probleml-sungs- und Forschungsprozesse be-handeln eine Aufgabenstellung inte-grierend aus der Perspektive ver-schiedener Disziplinen. Die verschiedenen Betrachtungsweisen mssen, um einen Gegen-stand umfassend zu verstehen, in einen Zusam-menhang gebracht werden. Im Idealfall entste-hen neue Erkenntnisse (vgl. Transdisziplinaritt). Oft findet die interdisziplinre Zusammenarbeit in der Startphase bei der Problemdefinition und -analyse, sowie in der Schlussphase zur Zusam-menfhrung der Ergebnisse statt. In der Problem-lsungsphase arbeiten Spezialisten einer be-stimmten Disziplin mittels disziplinspezifischer Methoden an einem Teilaspekt der Problemstel-lung.

    Interdisziplinaritt Bedeutungen fr die LehreErkenntnistheoretische BedeutungInterdisziplinaritt bedeutet eine disziplinenen-bergreifende, ganzheitliche, vernetzte Konzep-tion von Erkenntnissen, Denk- und Handlungswei-sen.

    Kompetenzziele fr StudierendeStudierende sollen erkennen, dass Problemlsun-gen oft Wissen aus verschiedenen Disziplinen er-fordern. Sie sollen lernen in Bezug auf eine Prob-

    Was lernten Sie dabei?Wichtig ist es, Schnittstellen mit anderen Disziplinen zu erkennen. In unserem Projekt war die Schnittstelle zwi-schen Informatik und Elektrotechnik besonders wichtig. Man schaut, was der andere macht und lernt, das Wissen aus anderen Disziplinen nachzuvollziehen.

    Was braucht es, damit interdisziplinre Teams erfolgreich sind?Es braucht Fhrung und eine gute Organisation. (Lacht). Man muss alle respektieren, jeden aussprechen lassen. Man muss die Meinungen miteinander teilen, offen sein. Minimalisten sind mhsam. Wenn nicht alle gleich moti-viert sind, knnen Konflikte entstehen. Man muss sie di-rekt ansprechen. Alle mssen mitziehen, es braucht alle. Man muss lernen, mit unterschiedlichen Sichtweisen um-zugehen.

    Welche Rolle spielen die Dozierenden?Die Begleitung ist sehr wichtig. Es braucht das Feedback, die Besprechung an Meilensteinsitzungen. So entsteht die Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Man weiss ja nie, wo die Arbeit einen hinfhrt.

    Waren Sie erfolgreich?Ja, aber es war spannend bis zum letzten Tag. Es hat bis zum Schluss nicht so ganz geklappt. Der Abschluss war dann erlsend, wir haben gefeiert.

    Welches Fazit ziehen Sie ber Ihre Ausbildung, nun kurz vor dem Abschluss?Man erhlt einen guten berblick ber das weite Feld der Informatik. Ich weiss, was ich nicht machen will und was mich interessiert. Man lernt, eine Aufgabe besser und schneller anzupacken. Die Tiefe kommt durch die Arbeit.

    Projektmodul PREN

    Exemplarisches Engineering-Lernprojekt;

    Bearbeitung einer interdisziplinren Projekt-

    aufgabe in einem Team zusammen mit

    Studierenden der Studiengnge Elektrotech-

    nik, Informatik, Maschinentechnik und

    Wirtschaftsingenieur | Innovation. Aufgabe

    Produktentwicklung 1: Erarbeitung von

    Markt- und Produktanforderungen; Entwickeln

    und bewerten von Lsungskonzepten unter

    Einbezug der gngigen Methoden der

    Ideen- und Lsungsfindung. Aufgabe Produkt-

    entwicklung 2: Realisieren und testen von

    Funktionsmustern; Visualisierung von

    Lsungs- und Designkonzepten.

    Daniela Merkl

    26, ist in Bayern aufgewachsen. Als ausgebil-

    dete Fachinformatikerin arbeitet sie seit

    zwei Jahren 6070% als Softwareentwicklerin

    bei syseca informatik ag Luzern. Sie stu-

    diert berufsbegleitend Informatik im achten

    Semester. In ihrer Freizeit fhrt sie Moun-

    tainbike, und wenn sie nicht gerade ein Buch

    liest, joggt oder klettert sie. Sie wohnt mit

    ihrem Freund in Sachseln.

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    Mutual learning (Wechselseitiges Lernen)Es bedeutet, dass Hochschulen und Praxis in kon-kreten Projekten voneinander lernen knnen.

    MultidisziplinarittMultidisziplinaritt ist gegeben, wenn mehrere wissenschaftliche Disziplinen sich nebeneinander mit einem Gegenstand befassen und diesen auf-grund eigener Ziele und Methoden untersuchen. Ergebnisse werden additiv zusammengefgt. Aus dem Wunsch nach engerer Zusammenarbeit zwi-schen den Disziplinen sind die Inter- und Transdis-ziplinaritt entstanden.

    Problemorientiertes LernenAusgangspunkt des Lernprozesses ist eine kom-plexe, realittsnahe und subjektiv bedeutsame Problemstellung, die der berufsfeldbezogenen Pra-xis entlehnt wird. Der Lernprozess erfolgt in mehre-ren Schritten: Problemvorgabe und -klrung; Defi-nition von Problemfeldern und Fragestellungen; Bearbeitung der Fragestellungen; Diskussion der Lsungen; Integration der Erkenntnisse und Er-kenntnissicherung.

    Problem-based Learning (PBL) PBL wurde ursprnglich fr die medizinische Aus-bildung entwickelt. Die Methode ist auf viele Stu-dieninhalte bertragbar. Ausgangspunkt des Lern-prozesses ist eine reale Problemstellung aus der Berufspraxis. Der Wissenserwerb erfolgt in hohem Masse selbststndig entlang von sieben bis acht immer gleichen Schritten:1. Problem verstehen 2. Verstndnisfragen klren 3. Hypothesen sammeln 4. Ideen strukturieren 5. Lernziele definieren6. Lerninhalte und -ziele erarbeiten 7. Ergebnisse zusammenfgen/prsentieren in der

    Gruppe8. Lsungsweg evaluieren Die Schritte 15 und 78 erfolgen in Gruppen, der Schritt 6 erfolgt im Selbststudium. Der Dozent hat die Rolle eines Tutors.

    ScaffholdingDer englische Begriff scaffholding bedeutet Gerste bauen. Im Zusammenhang mit Lehren und Lernen steht er fr den Bau von Lerngersten: Dozierende regen Studierende mittels Fragen, Denkanstssen, Anleitungen und Inputs gezielt zum Denken und Lernen an (Dubs, 2009, S. 42).

    TransdisziplinarittTransdisziplinaritt ist als Weiterentwicklung des Begriffs Interdisziplinaritt zu verstehen und ver-ndert das Gefge der Fcher und Disziplinen dau-erhaft. Zu den zentralen Merkmalen gehren (Dubielzig & Schaltiger, 2004, S. 10 11):1. Transdisziplinaritt bezieht sich auf konkrete,

    lebensweltliche Probleme, die von ausserhalb des Wissenschaftsbereichs stammen.

    2. In der Bearbeitung dieser Probleme werden die Grenzen der wissenschaftlichen Disziplinen berschritten.

    3. Die disziplinenbergreifende Zusammenarbeit fhrt zur Entwicklung neuer Methoden und Er-kenntnisse.

    4. Basis fr die Mitarbeit in einem transdisziplin-ren Prozess sind solide Erkenntnisse in einer Hausdisziplin.

    5. Wissensproduktion und Wissensverbreitung er-folgen oft parallel. Forschen, Lehren und Ler-nen, sowie Wissenstransfer sind nicht eindeutig trennbar.

    6. Fachleute von verschiedenen wissenschaftli-chen Disziplinen und Praxisvertreter gestalten ein Projekt phasenweise gemeinsam.

    Transdisziplinaritt und neues WissenDisziplinenbergreifende Forschungsprozesse soll-ten drei Arten von neuem Wissen generieren (Du-bielzig & Schaltiger, 2004, S .6):

    SystemwissenWissen darber, was ist: Wissen ber komplexe Zu-sammenhnge von Problemen aus Sicht verschiedener Disziplinen.

    ZielwissenWissen darber, was sein soll: Wissen, um neue Ziele und Normen zu begrnden.

    TransformationswissenWissen darber, was zu tun ist: Wissen, wie der bergang von einem Ist- zu einem Sollzustand ge-staltet werden kann.

    LiteraturDubielzig, F. & Schaltiger, St. (2004): Methoden transdiziplinrer Forschung und Lehre. Ein berblick. http://www2.leuphana.de/umanagement/csm/con-tent/nama/downloads/download_publikationen/ 49-8downloadversion.pdf, gelesen am 02. 02. 2013.

    Dubs, R. (2009): Lehrerverhalten. Zrich: Verlag SKV.

    Hirsch Hadorn, G.; Hoffmann-Riem, H.; Biber-Klemm, S.; Joye, D.; Pohl, Ch.; Wiesmannn, U.; Zemp, E. (Hrsg.): Handbook of Transdisciplinary Research. Dordrecht: 2008.

    Mieg, H. (2003): Interdisziplinaritt braucht Organi-sation Erfahrungen eines Psychologen. http://www.mieg.ethz.ch/docs/Mieg_Interdisziplinaer.pdf, gelesen am 01.02.2013.

    Ptzold, H. & Schssler, I. (2001): Interdisziplinari-tt aus systemtheoretischer Perspektive Bedingun-gen, Hemmnisse und hochschuldidaktische Implika-tionen, in: Fischer, A. & Hahn, G. (Hrsg.): Interdiszip-linaritt fngt im Kopf an, Frankfurt: VAS, S. 77111.

    Vlker, H. (2004): Von der Interdisziplinaritt zur Transdisziplinaritt? In: Brand, F.; Schaller, F. & Vl-ker, H. (Hrsg.): Transdisziplinaritt. Bestandsauf-nahme und Perspektiven. Gttingen. S. 929.http://blog.zhdk.ch/trans/interdisziplinaritaet, gele-sen am 01.02.2013.

    http://stebu.ch/joomla/images/stories/M2_Didak-tik/m2b_ergaenzungen/checklisten_instrumente_pbl.pdf, gelesen am 22.03.2013.

    lemlsung mit Experten aus verschiedenen Diszip-linen zu kooperieren und die Grenzen des eigenen Faches zu erkennen; d.h., in interdisziplinren Teams Wissen aus der angestammten Fachdisziplin

    verstndlich und sachrichtig einzubringen, Positionen anderer Disziplinen nachzuvollzie-

    hen, Probleme aus der Sicht von verschiedenen Diszi-

    plinen zu betrachten, Lsungen unter Bercksichtigung von Wissen

    aus verschiedenen Disziplinen zu entwickeln, eine positive, offene Haltun