34
Homöopathie Anthroposophische Medizin Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur Kneippanwendungen Manuelle Medizin Phytotherapie Ayurveda

Homöopathie Medizin Traditionelle Chinesische Medizin und ... · informieren, was Komplementärmedizin, was Akupunktur, Homöopathie und andere komplementärmedizinische Therapien

  • Upload
    lyhanh

  • View
    227

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Homöopathie

Anthroposophische Medizin

Traditionelle ChinesischeMedizin und Akupunktur

Kneippanwendungen

Manuelle Medizin

Phytotherapie

Ayurveda

Impressum

Herausgeber.......Autonome Provinz Bozen - Südtirol Assessorat für Gesundheits- und Sozialwesen Amt für Gesundheitssprengel

Koordination-Redaktion...........Dr. Esther Erlacher

Autoren.............. Dr. med. Christian StreitbergerDr. Oskar AußererDr. med. Maria PareggerDr. med. Daniela ZulianiDr. med. Mario FranceschiniDr. med. Josef GraberDr. med. Josef MahlknechtDr. med. Vincenzo Di SpazioDr. med. Gertraud Kiem

Übersetzung....... Dr. Alberto Clò

Grafik.................

Druck................. Esperia - 2004

Wir danken den Autoren für ihre wertvolle Mitarbeit

Homöopathie 11Dr. med. Maria Paregger

Anthroposophische Medizin 14Dr. med. Maria Paregger

Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur 16Dr. med. Daniela ZulianiDr. med. Mario Franceschini

Praktische Kneippanwendungen 22Dr. med. Josef Graber

Manuelle Medizin 25Dr. med. Josef Mahlknecht

Phytotherapie 27Dr. med. Vincenzo Di Spazio

Ayurveda 30Dr. med. Gertraud Kiem

Kontaktstellen 33

InhaltVorwort 5Dr. Richard TheinerLandesrat für Gesundheits- und Sozialwesen

Einführung 7Dr. med. Christian StreitbergerDr. Oskar Außerer

5

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sindden verschiedenen Therapierichtungen derKomplementärmedizin gegenüber positiveingestellt. Die so genannte “Schulmedi-zin", also die offizielle und staatlich vollanerkannte Medizin hat - und darüberbesteht kein Zweifel - Großartiges gelei-stet. Durch medizinische Kunst habenakute Krankheiten, Verletzungen undInfektionen ihren Schrecken weitgehendverloren.Aber immer mehr Menschen leiden an chronischen Erkrankungenund Störungen des Wohlbefindens. In der Bevölkerung wächst dieAngst vor Nebenwirkungen der Medikamente. Viele Patientinnenund Patienten bemängeln, dass häufig der Befund wichtiger sei alsdas Befinden, dass Krankheiten behandelt werden, der Mensch abernicht mehr im Mittelpunkt stehe.Selbstverständlich möchte niemand auf die Errungenschaften derhochtechnisierten Medizin verzichten, gleichzeitig haben vieleMenschen Schwierigkeiten damit, dass sich zwischen ihnen und derÄrztin / dem Arzt eine Maschine befindet.Vielleicht ist es - zumindest teilweise - zutreffend, dass die moderneMedizin im Eifer des Fortschrittes zu wenig Augenmerk auf denMenschen gelegt hat, dass sie den Menschen im Sinne seinerEigenverantwortung gegenüber der eigenen Gesundheit durchimmer neue Erkenntnisse und Erfolge entmündigt hat.Zudem kommt, dass gesunde Lebensbedingungen heute keineSelbstverständlichkeit mehr sind. High-Tech bringt meistErleichterungen für den Muskelapparat des Menschen - das Auto-mobil sei hier als Beispiel genannt - sie kann aber auch negativeAuswirkungen auf die Gesundheit und die Sozialkompetenz (Fern-sehen, PC, Handy usw.) haben.

Vorwort

Dr. Richard TheinerLandesrat für Gesundheits- und Sozialwesen

6

Vorwort

Nicht zuletzt hängt unsere Gesundheit wesentlich von der eigenenLebensführung ab, sie sollte einer selbstkritischen Überprüfungunterzogen werden.Die Abteilung Gesundheitswesen hat im Frühling 2002 eineUmfrage bei allen Südtiroler Ärztinnen und Ärzten durchgeführt.Diese wurden befragt, ob sie ein Interesse an Komplementärmedizinhätten. Von den 1.944 angeschriebenen Ärztinnen und Ärztenhaben 522 oder 27% geantwortet. Von diesen 522 Ärztinnen undÄrzten haben 421 oder 80% ein Interesse an Komplementärmedizinbekundet.Der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, gepaart mit dem fachlichfundierten Wunsch eines großen Teiles der Ärzteschaft ist mir einAnliegen. Diese Broschüre soll Sie, soll alle Bürgerinnen und Bürger darüberinformieren, was Komplementärmedizin, was Akupunktur,Homöopathie und andere komplementärmedizinische Therapienkönnen, wo deren Grenzen, Vor- und Nachteile liegen. DieseBroschüre soll Ihnen aber auch klar machen, dass auch in derKomplementärmedizin nicht alles Gold ist, was glänzt. Wenden Siesich daher vertrauensvoll an die Ärztin / den Arzt Ihres Vertrauens.

Dr. Richard TheinerLandesrat für Gesundheits- und Sozialwesen

7

Die Komplementärmedizin fußt - genau so wie die Schulmedizin - aufAnamnese, Diagnose, Prognose, Therapie und der Qualitätsüberprüfungund hat selbstredend die Gesundheit der Patienten zum Ziel.

Die Schulmedizin behandelt die einzelnen Krankheiten, dieKomplementärmedizin behandelt den einzelnen kranken Menschen.So sind etwa die Kopfschmerzen der Frau Maier nicht mit denselbenMedikamenten zu behandeln wie die Kopfschmerzen des HerrnMüller. Damit soll klar werden, dass in der Komplementärmedizinnicht die einzelnen kranken oder schmerzhaften Organe imMittelpunkt stehen, sondern immer der gesamte Mensch. Deshalb gibtes in der Komplementärmedizin auch keine “Organ-Fachärzte" wieetwa Augenärzte, Urologen oder Kardiologen.

Die Komplementärmedizin versucht, den natürlichen Selbstheilungs-prozess zu unterstützen und die vorliegenden Therapiehindernisse(toxische Belastung, Schwermetallbelastung, schädliche Ernährung,Störfeld, Narben, Medikamentennebenwirkungen, Umweltbelastung,seelische Belastung usw.) zu beseitigen und somit die Grundregula-tion wieder voll funktionstüchtig zu machen.Die Grundregulation oder das Reizleitungssystem ist ein hoch-spezialisiertes “Netzwerk”, mit einem Intranet vergleichbar.Das Bindegewebe mit seiner netzartigen Struktur, gibt alleInformationen an den gesamten Körper weiter.Wie ein Fisch im Meer, so leben auch alle Körperzellen einesMenschen im und aus dem Milieu, das sie ernährt. Beim Menschen istdies die Zwischenzellflüssigkeit. Dieses “Zell-Milieu-System" wird imwesentlichen von drei Ebenen ausgeglichen und bewegt:1. dem Blut- und Lymphkreislauf: über sie werden alle lebens-

wichtigen Stoffe und Schlacke in der Zwischenzellflüssigkeittransportiert;

2. den vegetativen Nerven: über sie wird das Milieu überwacht und

Dr. med. Christian Streitberger und Dr. Oskar Außerer

Einführung

reguliert;3. den Bindegewebszellen: sie stellen im Rahmen der Grundsubstanz

das eigentliche Netzwerk dar.Das Gesamtsystem oder System der Grundregulation organisiert dieErnährung aller Zellen und besorgt ihre Entsorgung. Die gemeinsameSprache der unterschiedlichen Informationen (sämtliche Sinnesreize,Kälte, Druck usw.) ist die bioelektrische Energie, die über die netz-werkartige Grundsubstanz imstande ist, den gesamten Körper zuinformieren.Bindegewebe und Immunzellen können sich an einmal aufgenommeneInformationen “erinnern", kein bereits erlebter Reiz wird vergessen.Wenn z.B. ein bestimmter Schmerz einmal erlebt worden ist, reagiertder Körper immer wieder in derselben “Abwehrhaltung".Da das Bindegewebe sich an jede Einwirkung erinnert, sind nicht nurMenge und Stärke des einzelnen Reizes entscheidend, sondern viel-mehr die Gesamtheit aller den Organismus irritierenden Einflüsse. DerZusammenbruch des Regulationsvermögens macht sich im Ausbrucheiner Krankheit bemerkbar. Im Sinne der Komplementärmedizin istKrankheit nicht als Beginn eines Zustandes zu verstehen, sondern alsErgebnis eines Prozesses.Bevor es zum Ausbruch einer Krankheit kommt, lässt sich über kom-plementärmedizinische Diagnoseverfahren der Zustand des Regula-tionsvermögens mittels so genannter bioelektrischer Verfahren über-prüfen (Elektroakupunktur nach Voll, Decoder, Bioresonanz usw.).Körperliche Störungen können damit aufgespürt und ausgeglichenwerden.Solche Störungen können durch die Umwelt, durch die Ernährung,durch Giftstoffe und durch psychisch belastende Situationen ausge-löst werden.Sind diese Hindernisse reduziert oder ausgeschaltet, kann mit derTherapie begonnen werden.Als komplementärmedizinische Therapierichtungen bieten sich u.a.die in der Broschüre beschriebenen Methoden an.

8

Einführung

Homöopathie

Anthroposophische Medizin

Traditionelle ChinesischeMedizin und Akupunktur

Kneippanwendungen

Manuelle Medizin

Phytotherapie

Ayurveda

HomöopathieWas ist Homöopathie?Der Arzt Samuel Hahnemann entwickelte abdem Jahre 1790 seine Grundsätze derHomöopathie. Ihr zentraler Leitsatz lautet:

“Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt wer-den". Dies heißt, wenn man von einerPflanze oder einer mineralischen Substanz, während längerer Zeit,eine kleine Menge zu sich nimmt, so entstehen im LeibKrankheitssymptome. Diese Symptome können zu einem Arznei-mittelbild zusammengefasst aufgeschrieben werden. Hat dann einMensch eine bestimmte Krankheit, die mit den Symptomen einerder Substanzen übereinstimmt, dann bietet sich die Möglichkeit,diese Substanz als Heilmittel gegen die Krankheit zu gebrauchenund zwar in verdünnter bzw. potenzierter Form. Deshalb sind in derHomöopathie das Krankheitsbild und das Heilmittelbild identisch.Man geht vom betreffenden Symptombild aus und weiß, dass die-ses einem bestimmten Heilmittel entspricht. Das treffende “passen-de" Heilmittel kann nicht nur mit dem Krankheitsbild, sondernauch mit der gesamten Persönlichkeit deckungsgleich sein; in derklassischen Homöopathie spricht man dann von “Konstitutions-mittel", wenn das Mittel das gesamte körperliche, emotionale undgeistige Symptombild eines Individuums abdeckt.

Wie erfolgt die Zubereitung?Die Zubereitung eines Heilmittels nannte Hahnemann “potenzieren".In der Homöopathie wird der Saft einer Substanz schrittweise ver-dünnt, nach jeder Verdünnung wird geschüttelt und dabei wird dieEnergie, die in jeder Substanz wirkt, schrittweise freigelegt und imMedium, z.B. Alkohol festgehalten. Das Medium ist der Träger derInformation geworden. Die Dezimalpotenzen entstehen, indem einTeil Ausgangssubstanz mit 9 Teilen Medium (Alkohol, Milchzucker)verschüttelt bzw. dynamisiert wird. Dieses Verfahren 1:10 wird

11

Dr. med. Maria Paregger

mehrfach schrittweise wiederholt und es entstehenDezimalpotenzen, wie D1, D2, bis D30 und höher. Beim Verfahren1:100 spricht man von Centesimalpotenzen (C1,C2,usw.). Die LM-Potenzen entsprechen einem Verdünnungsverhältnis 1:50.000. DieDosierung hängt vom Arzneigrundstoff (Mineral, Pflanze, Tier) undvon der Krankheitsdynamik (akut, chronisch) ab. Als allgemeineRegel gilt, dass niedere Potenzen (D6) bei akuten Erkrankungenöfters am Tag gegeben werden können (z.B. bei akutenErkältungskrankheiten), mittlere Potenzen (D 12) bei funktionellenErkrankungen (z.B. bei nervösen Herzklopfen oder Magenkrämpfen).Hohe Potenzen (D30-D200) werden in seltenen Fällen verabreichtund eher bei chronischen Krankheiten oder als Konstitutionsmittel.Wenn die homöopathischen Heilmittel nach der klinischen Diagnoseoder “organotrop", also organbezogen, angewandt werden, dannwerden sie auch in tiefer Potenz verabreicht.

Woher stammen die Heilmittel?Die Heilmittel stammen vom Mineralreich, vom Pflanzenreich, vonTiergiften, von Organsäften (Eigenblut- oder Eigenurintherapie)und von Nosoden (d.h. kranke Absonderung eines Gewebes: z.B.wird Tuberkulinum aus einem tuber-kulösen Abszess gewonnen). So kannin der Homöopathie, die körpereigeneSelbstheilungskraft durch dieHeilkraft der Arznei bei vielenKrankheiten positiv angeregt werden. Ein kleines Beispiel: Viele Menschenerleben, wenn sie eine Tasse starkenBohnenkaffee am Abend getrunkenhaben, dass sie durch die Reiz-wirkung des darin enthaltenenKoffeins nicht einschlafen können,weil “tausend" Gedanken durch ihrenKopf gehen. Finden wir nun einen

12

Homöopathie

13

Menschen, der ohne einen Kaffee getrunken zu haben, anSchlaflosigkeit leidet, von allgemein erregter Natur ist, der infolgegeistiger Aktivität, Ideenfülle, Reizbarkeit der Nervensinne undintensivem Gedankenandrang nicht schlafen kann, dann wird inder Homöopathie Koffein zu einer hochverdünnten, dynamisiertenArznei verarbeitet. “Coffea” ist dann nicht ein Mittel gegenSchlaflosigkeit, sondern es handelt sich um ein Heilmittel gegeneine bestimmte Art von Schlaflosigkeit bei einem bestimmtenMenschentypus.

Homöopathie

14

Dr. med. Maria Paregger

AnthroposophischeMedizinWas ist Anthroposophische Medizin?Die Anthroposophische Medizin erkennt sichals eine Erweiterung der Schulmedizin. Siewurde ab 1920 von Rudolf Steiner, dem

Begründer der Anthroposophie, zusammen mit der Ärztin ItaWegmann und anderen Ärzten entwickelt. Heute wird diese Medizin von Ärzten in aller Welt praktiziert;Kliniken und Krankenhäuser die nach dieser Heilweise arbeiten gibtes in Deutschland, Schweiz, Holland, Schweden und Brasilien.Zu ihrer Grundkenntnis gehört das Wissen um die Zusammenhängezwischen bestimmten Mineralien, Pflanzen und Metallen und denmenschlichen Organen und ihren Prozessen wie z.B. der Zusam-menhang der 7 Metalle und den 7 Organen im Organismus oder derMistel (eine Schmarotzerpflanze) und der Krebserkrankung. DieZusammenhänge sind entwicklungsgeschichtlich zu verstehen. DerMensch ist ein Mikrokosmos im Makrokosmos.Auf Grund der Erkenntnis heilsamer, bzw. ätherischer Kräfte vonSubstanzen in der Natur und in den Organen im menschlichenKörper, kann man mit dem Einen auf das Andere anregend undharmonisierend oder aufbauend und abbauend, therapeutisch wir-ken.

Woher stammen die Heilmittel?Die Heilmittel werden in den anthroposophischen HerstellerfirmenWeleda und Wala über verschiedene pharmazeutische Verfahrenhergestellt. Die Heilkräfte der Substanzen erhält man je nach Art der Pflanzedurch Auskochung, thermisch- rhythmische Extraktion, Mazera-tion, Rösten, Verkochen, Veraschen, Potenzieren, durch “Vegetabili-sieren" von Metallen, mit Berücksichtigung der kosmischen Kräfte.

Anthroposophische Medizin

Indikation und Anwendung der Heilmittel erfolgen aber nicht wiein der Homöopathie auf Grund der Ähnlichkeit des Arzneimittel-bildes, sondern auf Grund des Wesensbildes, das sich aus demStudium der Substanz und ihrer Heilkräfte und des Wesensbildesdes Krankheitsprozesses im Menschen ergibt. Für typische Krankheiten sind typische Heilmittel entwickelt wor-den. Die Dreigliederung eines menschlichen Organismus in einenNervensinnespol und einen Stoffwechsel-Gliedmaßen-Pol, zwi-schen denen das rhythmische System vermittelt, gehört zumGrundwissen der Anthroposophischen Medizin. Wenn deren dyna-misches Zusammenspiel im Organismus gestört ist, dann entstehentypische Krankheiten. Da auf seelischer Ebene den drei Regionen,das Denken, das Fühlen und das Wollen entsprechen, konnte durchein tiefes Verständnis darüber, eine gezielte “psychosomatische"Medizin entwickelt werden.

Der Mensch hat Bewusstsein, Gefühle und Willen. Die Psyche kannregulierend oder störend auf die biologisch-ökologischen Prozesseeinwirken. Aus dieser Erkenntnis heraus und aus der Erkenntnisüber das Wechselspiel zwischen physischem Leib, Lebenskräfte,Seelenleib und “Ich-Persönlichkeit” im Menschen, werden in derAnthroposophischen Medizin neben den dynamisierten Heilmitteln,auch künstlerische Therapien wie Heileurythmie, therapeutisches

Malen, Plastizieren, Musizieren und Sprach-gestaltung, gezielt eingesetzt. Dazu gehörtauch biographische Arbeit für die Entwicklungder “Ich-Persönlichkeit”. Zuletzt soll noch dergroße Bereich der Heilpädagogik für entwic-klungsgestörte Kinder erwähnt werden.

15

TraditionelleChinesische Medizinund AkupunkturWas ist Chinesische Medizin?Chinesische Medizin ist die Gesamtheit allertheoretischen und praktischen Medizin-

kenntnisse, die in China in uralter Zeit entstanden und bis heuteüberliefert wurden.

Woher stammt die Chinesische Medizin?Die Chinesische Medizin ergibt sich aus der Beobachtung undDeutung der Natur. Da auch der Mensch ein Naturwesen ist, spie-len sich in ihm die gleichen Prozesse wie in der Natur ab. So wie inder Natur der Tag in die Nacht oder der Sommer in den Winterübergehen, wechseln sich auch im Menschen Tätigkeits- undRuhephasen ab. Die Yin- und Yang-Lehre symbolisiert diese ewigenSchwankungen der Natur und ist historisch gesehen der Versuch,Naturerscheinungen aufgrund naturnaher Gesetze zu erklären undsomit die Medizin von der Magie zu trennen.

Wie funktioniert der menschliche Körper?Das Universum (und der dazu gehörende Mensch) ist vonLebensenergie (Qi) durchzogen, die allen Veränderungen zugrundeliegt. Diese Lebensenergie rührt zwar von den Urahnen her, nährtsich jedoch von der Energie des Himmels (Luft) und der Erde(Nahrung), und ist gleichzeitig körperlicher und seelischer Art. Siedurchfließt den Körper in miteinander vernetzten Kanälen (imWesten “Meridiane" genannt), die ihrerseits mit den innerenOrganen verbunden sind. Diese Kanäle treten in ihrem Fluss durchden Körper mitunter an die Oberfläche, und genau an diesen Stellenbefinden sich die Akupunkturpunkte, über welche der Qi-Flussangeregt bzw. beeinflusst werden kann.

16

Dr. med. D. Zuliani und Dr. med. M. Franceschini

17

Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur

Wie entstehen Krankheiten?Der Mensch ist den verschiedensten, von seiner Konstitution, demHimmel (Klima), der Erde (Nahrung), seiner Lebensführung und sei-nen Gefühlen herrührenden Einflüssen ausgesetzt. Sind dieseEinflüsse zu stark, können sie das körperliche Gleichgewicht beein-trächtigen und ein Milieu schaffen, in welchem unvermeidlichKrankheiten entstehen. Wenn beispielsweise ein Feld überflutet wird,so werden dort zwangsläufig Moorpflanzen gedeihen. Trocknet es dieSonne hingegen aus, können dort nur Kakteen wachsen. Nach derTraditionellen Chinesischen Medizin ist es nicht sinnvoll, in einemsolchen Fall den Kakteen die Stacheln zu nehmen, d.h. die Symptomezu behandeln. Vielmehr ist das (körperliche) Milieu so zu verändern,dass dort Krankheiten nicht mehr Fuß fassen können.

Wie erkennt man die Krankheit, an der ein Patient leidet?Durch Zuhören, Beobachten und Abtasten des Kranken. Der “chine-sische" Arzt durchschaut den Patienten mit seinen Sinnen undnicht durch technische Analysen. Aus der Zusammenfassung dieserSinneseindrücke ergibt sich ein genaues Bild der energetischenEntgleisung des Kranken.

Welche Mittel setzt die Traditionelle Chinesische Medizin zurVorbeugung und Heilung der Krankheiten ein?Die Chinesische Medizin hat verschiedene Therapieformen ent-wickelt. Die wichtigsten sind Akupunktur, Verabreichung vonArzneimitteln, Ernährung, Massage und Heilgymnastik. Unabhängigvon der gewählten Behandlung liegt das Hauptziel immer darin, daserkrankte System wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Jeder Menschhat jedoch sein eigenes Gleichgewicht, so dass die Therapie immer andie individuellen Erfordernisse des Patienten anzupassen ist.

Was ist Akupunktur?Akupunktur besteht in der Einführung dünner Nadeln an be-stimmten Stellen der Patientenhaut (so genannte Akupunkturpunkte),

18

Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur

um seinen Energiefluss in den Energiekanälen zu harmonisieren.Angeregt werden die Akupunkturpunkte in der TraditionellenChinesischen Medizin nicht nur durch Nadelung (Akupunktur i.e.S.),sondern auch durch Wärmezufuhr (Moxibustion), Fingerdruck(Digitopressur) oder durch elektrischen Strom (Elektroakupunktur).

Ist Akupunktur schmerzhaft?In der Regel werden Stahlnadeln verwendet; sie sind viel flexiblerund dünner als Spritznadeln. Es werden keine Wirkstoffe einge-spritzt, so dass der Schmerz meist gering und leicht erträglich ist.

Hat Akupunktur auch Risiken?Die zur Anwendung kommenden sterilen Einwegnadeln werdennach jedem Gebrauch entsorgt, um der Übertragung ansteckenderKrankheiten vorzubeugen. Ein gut ausgebildeter Akupunkteur ist injedem Fall in der Lage, die Punkte risikofrei zu nadeln.

Werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin auchArzneimittel verabreicht?Ja. Chinesische Arzneimittel sind meistens pflanzlicher Herkunft, eswerden aber auch tierische oder mineralische Stoffe verwendet. ObwohlTausende davon bekannt sind, kommen üblicherweise nur einigeHunderte zum Einsatz. Die Wirkstoffe, denen die TraditionelleChinesische Medizin Heilkräfte zuschreibt, wirken nicht auf Symptome,sondern auf die körpereigenen Stoffe und auf den Energiefluss.

Hat die chinesische Pharmakologie Ähnlichkeit mit unsererHeilkräuterkunde?Nein, denn: - Nicht alle chinesischen Arzneimittel sind pflanzlicher Herkunft.- Die meisten chinesischen Heilpflanzen kommen in der westlichen

Phytotherapie gar nicht vor und umgekehrt.- In der Traditionellen Chinesischen Medizin werden Arzneimittel

nicht aufgrund ihrer chemischen Inhaltstoffe verwendet. Zudem

Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur

19

werden keine Wirkstoffe aus den Pflanzen extrahiert, sondern diePflanzen (oder Teile davon) zur Gänze verabreicht.

- Der wichtigste Unterschied liegt darin, dass chinesische Arz-neimittel nicht wegen ihrer Wirkung gegen Symptome verwendetwerden (wie etwa Knoblauch gegen Bluthochdruck, Honig gegenHusten oder Johanniskraut gegen Depression), sondern aus-schließlich aufgrund ihrer Wirkung auf den Energiefluss.

Hat Traditionelle Chinesische Medizin Ähnlichkeit mit derHomöopathie?Ja und nein.- Ja, weil auch in der Homöopathie der Mensch ganzheitlich und nicht

organbezogen behandelt wird. Ferner vertritt auch die Homöopathiedie Auffassung, dass nicht die Unterdrückung der Symptome, son-dern die Beseitigung der Entstehungsmechanismen der Krankheitenim Vordergrund steht.

- Nein, weil die Traditionelle Chinesische Medizin Arzneimittel ver-wendet, deren Wirkung der Krankheit nicht ähnlich sondern entge-gengesetzt ist. Außerdem werden in der Traditionellen ChinesischenMedizin keine verdünnten Dosierungen verabreicht. Schließlichwerden die Arzneimittel nicht einzeln, sondern in Kombinationmiteinander (ähnlich wie bei einem Kochrezept) verwendet.

Wie funktioniert die chinesische Heilkost?Ähnlich wie die chinesische Pharmakologie, nurwerden statt Arzneimitteln Speisen verabreicht.Die chinesische Ernährungswissenschaft ist völ-lig anders als die westliche. Es wird nicht diechemische Zusammensetzung der Speisenberücksichtigt, sondern vor allem gesunde, fri-sche, naturbelassene, saisongerechte und einhei-mische Nahrung. Die Kost soll mit ihrerLebenskraft unsere Lebenskraft ankurbeln. Ähn-lich wie die Arzneimittel besitzen auch die ein-

zelnen Speisen bestimmte Eigenschaften, etwa wärmende oder erfri-schende Wirkung, energielenkenden Geschmack, Beeinflussungbestimmter Organe oder Körperteile u.s.w. In der Ernährung sollten dieEigenschaften der einzelnen Speisen in ansprechenden Zubereitungenso zusammengefügt werden, dass das energetische Ungleichgewichtwieder harmonisiert werden kann. In diesem Sinne ist die Kost für denMenschen eine Alltagsmedizin. Da sie den Grundsätzen der Pharma-kologie folgt, können Speisen und Arzneimittel ähnlich kombiniertwerden wie Arzneimittel untereinander. Natürlich soll dann das Ender-gebnis eine nahrhafte und schmackhafte Speise sein. Ein Paradebeispielfür eine nach den Grundsätzen der Traditionellen Chinesischen Medizingestaltete Kost könnte unser Glühwein sein, der im Winter nach länge-rem Aufenthalt in der Kälte und im Freien gern getrunken wird. Zimtund Nelke bewirken im Körperinneren eine rasche und intensiveErwärmung. Der heiße und würzige Wein fördert den Energiefluss,wärmt die Körperoberfläche und scheidet den kalten Wind aus.

Was ist chinesische Massage?Auch dabei handelt es sich um eine uralte Praxis, in der die eigent-liche Massagetechnik mit dem Wissen um Energiekanäle undAkupunkturpunkte kombiniert wird. Daraus entsteht gleichzeitigOberflächen- und Tiefenwirkung.

Wozu dient die Heilgymnastik?Im Laufe der Entwicklung der Traditionellen Chinesischen Medizinsind zahlreiche Körpertechniken entstanden, die verschiedenenZwecken dienen sollen (Vorbeugung, Heilung oder Kampf). Durchgeistige Konzentration, Atmungskontrolle, bestimmte Körper-haltungen und Ausführung besonderer Bewegungen werden Körperund Geist gleichermaßen mit einbezogen. Die wichtigsten Formender chinesischen Heilgymnastik sind Tai Ji Quan und Qi Gong.

Wem kommt die Traditionelle Chinesische Medizin zugute?Die Chinesische Medizin wurde jahrtausendelang in der Behandlung

20

Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur

21

Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur

von Menschen und Tieren erfolgreich eingesetzt. Natürlich kann sieuns keine dritten Zähne wachsen lassen, und wenn ein Organ schwer-wiegend beeinträchtigt ist, kann es durch eine energiebasierte Medizinnicht mehr behandelt, sondern muss wohl ersetzt werden. In derKrebstherapie wurde die Chinesische Medizin bisher zwar noch weniggetestet, sie kann jedoch nachgewiesenermaßen in der Behandlungzahlreicher Sekundärstörungen sehr nützlich sein. Ansonsten kannTraditionelle Chinesische Medizin bei Erwachsenen und Kindern beisehr vielen akuten und chronischen, körperlichen und geistigenKrankheiten verwendet werden, ebenso wie bei all jenenErkrankungen, bei deren Behandlung die westliche Schulmedizin bis-her nur enttäuschende Ergebnisse gezeigt hat. Gerade in diesenBereichen erscheint die Chinesische Medizin besonders naheliegend.

Kann Traditionelle Chinesische Medizin jedem empfohlen werden?Nein, denn: - Nadeln stechen.- Kräutertees erfordern aufwendige Zubereitung und haben einen

sehr herben Geschmack.- Die chinesische Kost zieht gesunde Speisen (an die wir nicht mehr

gewöhnt sind) den bekömmlichen vor.- Chinesische Massagen sind eher energisch als entspannend.- Die chinesische Heilgymnastik erfordert viel Zeit und Konzentration.Von Traditioneller Chinesischer Medizin ist all jenen abzuraten, die -

mit Recht - meinen, diese Medizin stamme ausder Steinzeit, und glauben, dass sie deshalbnicht mehr aktuell sei. Das Verständnis derChinesischen Medizin bringt wichtigeEntscheidungen für das eigene Leben mit sich.Deshalb sollten sich nur jene Menschen dieserMedizin annähern, denen die eigeneGesundheit und das eigene Wohlbefinden amHerzen liegen und die auch bereit sind, dafürVerantwortung zu übernehmen.

Praktische KneippanwendungenWoher stammen die Kneippanwendungen?Sebastian Kneipp (1821 - 1897) hat zu einerZeit, als es noch keine moderne Medizin gab,die Menschen mit einfachen Mitteln behandelt

und damit ihre Leiden geheilt oder gelindert. Seine Therapiemaßnahmen waren so wirksam, dass ihn Patienten ausganz Europa konsultierten. Die wissenschaftliche Medizin konnte imnach hinein die Wirksamkeit seiner Therapien nachweisen. Das Kneippsche Gesundheitskonzept ist eine Synthese unserer westli-chen Kultur und entstand aus der Erkenntnis, dass es mit Willenskraftund Vernunft möglich ist, seine Gesundheit aufrecht zu erhalten odersie zurück zu gewinnen, wenn man sie einmal verloren hat (Kneipp,der als junger Mensch an einer Lungentuberkulose erkrankt war, hatsich selbst mit Kaltwasseranwendungen geheilt). Als Hauptverursacher der Erkrankungen unserer modernenZivilisation hat er bereits die Fehlernährung und an zweiter Stelle denBewegungsmangel erkannt. Heute müssen wir das Rauchen und denübertriebenen Alkoholkonsum dazu zählen.

Wozu eignen sich Kneippanwendungen?Kneippanwendungen eignen sich zur Behandlung von Störungen,die noch nicht objektiviert werden können (Grauzone, in der mansich nicht mehr völlig gesund, aber auch noch nicht eindeutigkrank fühlt), zur Unterstützung einer medikamentösen Therapie,zur Vorbeugung gegen Krankheiten wie z.B. Erkältungen, zurLeistungssteigerung und zur Minderung der Stressanfälligkeit.

Worauf basiert das Konzept von Kneipp?Das Konzept von Kneipp basiert auf den folgenden fünf Säulen:

22

Dr. med. Josef Graber

23

Praktische Kneippanwendungen

1. Kaltwasseranwendungen Durch den Reiz, den das Wasser auf denOrganismus ausübt, werden die wichtigenGrundfunktionen wie Atmung, Kreislauf,Wärmehaushalt, Verdauung, Stoffwechsel usw.reguliert und das so wichtige Immunsystemunseres Körpers gestärkt. Sie können in jedemBadezimmer durchgeführt werden. Zu beachtenist, dass vor jeder Kaltwasseranwendung derKörper aufgewärmt wird. Nie nach einer körper-lichen Belastung oder nach dem Essen kneippen.Die Gegenanzeigen wie akuter Ischias oderEntzündungen im kleinen Becken, Menstruation,

ausgeprägte Durchblutungsstörungen usw. sind zu berücksichtigen.Wassertreten wird bei kalten Füßen, Einschlafstörungen, Blutdruck-probleme, Kopfschmerzen, Unausgeglichenheit empfohlen; Kalt-waschungen bei Nervosität, Störung der Wärmeregulation, chronischenrheumatischen Erkrankungen; Güsse bei Durchblutungsstörungen,Hitzegefühl, Venenerkrankungen, gefäßbedingten Kopfschmerzen; Teil-und Halbbäder bei nervösem Herzjagen, körperlicher und geistigerErschöpfung, Erkältungskrankheiten; Wickel bei Muskel, Gelenk undWirbelsäulenrheuma, Darmträgheit, Krampfadern, Bronchitis. Zu beachten ist auch, wie eine Kneippanwendung durchgeführt wird.Diese resultiert aus der Wassertemperatur, aus derDauer der Anwendung, aus der Größe des Organs,das behandelt wird, aus der Anzahl der An-wendungen pro Woche und aus der Profes-sionalität des Anwenders.

2. BewegungKneipp hat schon sehr früh den gesundheitsför-dernden Stimulus der Bewegung erkannt. FlottesMarschieren und Wandern mit vernünftigemSchuhwerk, Gymnastik, Radfahren, Schwimmen,

Ballspiele, Langlaufen hat er empfohlen. “Untätigkeit schwächt, Übungstärkt, Überlastung schadet”, war sein Wahlspruch.

3. ErnährungSie soll ausgewogen und kalorienangepasst sein, aus faserstoff-reicher Kost und möglichst frischen und gesunden Lebensmittelnbestehen.

4. HeilpflanzenKneipp wuchs in einer Zeit auf, in der es die modernen Medika-mente wie Antibiotika, Kortison, Psychopharmaka oder Rheuma-

mittel usw. noch nicht gab, und sohaben sich die Menschen mitHeilpflanzen geholfen, die sie meistselbst sammelten. Denn die Angst,dass sich beispielsweise aus einer ein-fachen Erkältungskrankheit eineLungenentzündung entwickelte, derenAusgang bekannt war, war ständigpräsent.

5. LebensordnungGanzheitliche Gesundheitskonzepte sind nur wirksam, wenn derMensch bereit ist, einen Teil der Verantwortung für seineGesundheit zu übernehmen. Sebastian Kneipp hat in seinerLebensordnung darauf hingewiesen, dass man das Verhältnis zusich selbst (das Zitat in einem griechischen Tempel “Erkenne Dichselbst” war ihm bekannt), zu seinen Mitmenschen, zur Natur und zuunserem Schöpfer harmonisch gestalten soll. “Erst als ich Ordnungin das Seelenleben meiner Patienten gebracht habe, konnte ich diegroßen Heilerfolge erzielen”. Das schrieb er in seinem Buch “So solltihr leben”.

24

Praktische Kneippanwendungen

Manuelle MedizinWas ist Manuelle Medizin?Heilmaßnahmen durch die Anwendung dermenschlichen Hand als Instrument zurBehandlung sind aus Berichten bereits seitdem Altertum und von alten Kulturvölkernbekannt. Vor etwa hundert Jahren ent-wickelten sich in Amerika die Osteopathie bzw. die Chiropraxis, diebeide in systematischer Weise gezielte Handgriffe zur Therapie ver-schiedenster Leiden verwendeten. In Europa wurden vor ca. 50Jahren die ersten Schulen für Manuelle Medizin gegründet.

Wo und wie kommt die Manuelle Medizin zur Anwendung?Die Gelenke des Körpers an den Gliedmaßen und der Wirbelsäulestehen bei der Manuellen Medizin im Mittelpunkt der Betrach-tungen. Sowohl für die Diagnosestellung wie für die Behandlungbedient sich der Arzt des sensiblen Tastsinnes und der feinenMotorik seiner Hände, um Störungen der Gelenkfunktion ausfindigzu machen und sie durch gezielt angesetzte Impulse in dasRegulationssystem zu beseitigen. Haben bis vor wenigen Jahrennoch mechanische Erklärungsmodelle Störungsursachen bzw. Heil-wirkung erklärt, bilden heute Veränderungen im Regelkreis derGelenke die theoretische Basis der Manuellen Medizin. DasRegulationskonzept ist auch anderen komplementärmedizinischenVerfahren wie der Physiotherapie, der Neuraltherapie, der Aku-punktur u.a. eigen, weshalb diese Behandlungsarten auch unterdem Begriff Regulationstherapien genannt werden. Die gestörteGelenkfunktion ist demnach auch der primäre Anwendungsbereichfür die Manuelle Medizin. Liegt bereits eine zerstörte Gelenk-struktur z.B. bei einer Fraktur, Arthrose, u.a. vor, kann mit Hilfe derManuellen Medizin oft noch die funktionelle Reserve des betrof-fenen Gelenkes verbessert oder der Beschwerdegrad vermindertwerden. Eine Heilung mit Hilfe der Manuellen Medizin ist dann

25

Dr. med. Josef Mahlknecht

jedoch nicht mehr möglich. Die Manuelle Medizin hat ihren Stellenwert im konservativ ortho-pädischen Wirkungsbereich und kann dort mit großem Nutzen auchin Ergänzung mit anderen komplementärmedizinischen Verfahreneingesetzt werden.

26

Manuelle Medizin

PhytotherapieWoher stammt die Phytotherapie?Der Begriff “Phytotherapie" stammt aus demaltgriechischen Wort “Phytòn", was ur-sprünglich nicht nur Pflanze, Baum oderPflanzenwelt, sondern auch Geschöpf bzw.Lebewesen bedeutete.Dem griechischen Substantiv liegt nämlich das Verb “phyto" mitseiner zweifachen Bedeutung “zeugen" und “gezeugt werden"zugrunde. In der altgriechischen Kultur war der Begriff “Pflanze"sehr eng mit der Schöpfung, der Zeugung und der Fruchtbarkeitverbunden. Die Frucht jeder Generation führt zur Geburt neuerGeschöpfe bzw. Lebewesen. Diese begriffliche Einleitung erscheintheutzutage umso wichtiger, als die moderne Phytotherapie fälsch-licherweise nur als Therapie verstanden wird, die auf derAnwendung von Heilpflanzen als Arzneimittel beruht.Die Geschichte der Phytotherapie wurzelt in der Vorgeschichte derMenschheit, als unsere Ahnen begannen, bestimmte Pflanzen zurBehandlung verschiedener Störungen zu verwenden. Selbst einberühmter Vertreter jener Zeit, Ötzi - der “Mann aus dem Eis" -hatte einige antibiotisch wirkende Pilze in einem Lederbeutel aufseine letzte Reise mitgenommen. Als im Mittelalter die Fortschritteder modernen Pharmakologie noch in weiter Ferne lagen, überlie-ferten Generationen von Mönchen die Grundsätze der Phyto-therapie zur Schmerzlinderung. In der Renaissance schrieb derberühmte Anatomieforscher Fabrizio d'Acquapendente, dass derMensch in Wäldern und Feldern völlig unbewusst wertvolle Kräuterzertritt, die ihm seine Gesundheit zurückgeben könnten.In den Tiroler Tälern hat sich ein umfangreiches Volkswissen überdie Nutzung von Heilkräutern überliefert, die nach wie vor in Formvon Aufgüssen, Tees oder Breiumschlägen erfolgreich eingesetztwerden.In den letzten Jahren hat die Phytotherapie dank einer größeren

27

Dr. med. Vincenzo Di Spazio

Sensibilität in der Bevölkerung wieder Fuß gefasst und anAufmerksamkeit gewonnen.

Wo kommt die Phytotherapie zur Anwendung?Heute bildet sie einen wichtigen Bestandteil des therapeutischenWissens des Arztes, der sie in der klinischen Behandlung fach- undsachgerecht anzuwenden weiß.Phytotherapie kann in der Behandlung verschiedener Störungenerfolgreich angewandt werden. In den meisten Fällen verträgt siesich problemlos und ohne unerwünschte Wechselwirkungen mitkonventionellen Arzneimitteln. Es gibt jedoch wichtige Aus-nahmen, die der behandelnde Arzt genau kennen und bewertenmuss, wie etwa die Photosensibilisierung (erhöhte Empfindlichkeitgegen Sonnenstrahlung) des Hypericin, eines Bestandteils desHyperikum perforatum (Johanneskraut), das man wirksam gegenDepressionen verwenden kann, oder die Kontraindikation derSchwangerschaft bei “Tussilago farfara", einem Phytothera-peutikum, das oft gegen Atemstörungen verabreicht wird.

Worauf sollte geachtet werden?Aufgrund ihrer anerkannten Heilkraftsollte die Phytotherapie nur von fachlichausgebildeten und kompetenten Ärztenangewandt werden, die von Fall zu Falldie entsprechenden Vorteile für denPatienten zu bewerten in der Lage sind.Zudem muss der Arzt im gegebenen Fallklären, ob neben der Phytotherapie auchkonventionelle Medikamente verabreichtwerden sollen. Phytotherapie kann näm-lich besonders gefährlich werden, wennsich Patienten Arzneimittel selbst versch-reiben oder wenn eine Begleitkrankheitnicht rechtzeitig erkannt wird und sich

28

Phytotherapie

29

unbehandelt weiter verschlechtert.

Abschließend noch ein vielsagendes Beispiel im Zusammenhangmit dem altgriechischen Ursprung des Verbs “phyto" (“zeugen" bzw.

“gezeugt werden"): Das Lepidum Mejenii Walp - in der Volks-sprache auch “Maca" genannt - wächst in den Anden und kann inder Frau den Eisprung bzw. im Mann die Normalisierung derSamenflüssigkeit anregen. In diesem Fall fließen die Abstammungdes Wortes Phytotherapie und deren Heilkräfte in der geheimnis-vollen und faszinierenden Aufgabe der Zeugung und der Geburtzusammen.

Phytotherapie

30

AyurvedaWoher kommt Ayurveda?

“Ayurveda" bezeichnet die traditionelle Medi-zin Indiens, deren Ursprung etwa 200 Jahre v.Christus oder noch länger zurückliegt.Das Wort “Ayurveda" setzt sich aus den bei-den Silben “Ayu" (Leben) und “Veda" (Wis-

sen) zusammen. Dies besagt, dass es sich hier nicht bloß um einmedizinisches System handelt, das sich hauptsächlich mit der Hei-lung von Krankheiten beschäftigt, sondern um das Wissen über dasLeben schlechthin in all seinen Bereichen und Formen. Dem Mythosnach wurde dieses Wissen von den Göttern selbst einigen auser-wählten weisen Männern (Rishis) eingegeben, als sie sich der vonKrankheit geplagten Menschheit erbarmten. Ayurveda sollte dieMenschen lehren, wie sie Körper und Geist durch gesunde Ernäh-rung und Lebensweise gesund erhalten können, damit sie sie auf

ihrem spirituellen Weg nicht behinderten.

Was ist das Grundprinzip von Ayurveda?Der Mensch gilt als Einheit von Körper, Geistund Seele. Das Grundprinzip des Ayurvedabildet das Prinzip von “Binda-Brahmanda",der Einheit von Mikrokosmos und Makro-kosmos, Mensch und Natur. Alles was in derNatur geschieht hat seine identische Reflexionim Menschen. Dieselben 5 Elemente (Aether,Luft, Wasser, Feuer, Erde), die dem Makro-kosmos zugrunde liegen, bauen auch denmenschlichen Körper auf und wirken in ihmin der Form der 3 Doshas (Energien) Vata(Aether und Luft), Pitta (Feuer) und Kapha(Wasser). Je nachdem welche der 5 Elementejeweils vorherrschen werden die Menschen in

Dr. med. Gertraud Kiem

31

verschiedene Typen eingeteilt, mit ganz spezifischen Aussehen,Krankheitsneigungen usw. Ein harmonisches Zusammenwirken derElemente im Körper ist die Voraussetzung für Gesundheit undWohlbefinden des Menschen. So wie wir in der Natur einen tages-und jahreszeitlichen Rhythmus der jeweils vorherrschendenElemente beobachten, sind auch die Elemente im menschlichenKörper regelmäßigen physiologischen Schwankungen unterworfen.Um diesen Schwankungen am besten zu begegnen und gesund zubleiben ist es wichtig, dass der Mensch sich hinsichtlich seinerErnährung und Lebensroutine der jeweiligen Jahres- und Lebens-zeit und seiner individuellen Konstitution (Dosha-Typ) anpasst. EinBeispiel: Im Winter wenn Kälte und Feuchtigkeit (Kapha) vorherr-schen, wird auch im Körper Kapha-Dosha erregt und der Mensch(v.a. ein Kapha Typ) wird anfällig für Erkältungen, Bronchitis,Verschleimung, Gewichtszunahme usw. Um einem zu starkenAnsteigen von Kapha entgegenzuwirken, sollte man kalte, süße undandere Nahrungsmittel vermeiden, die dieses kalte Element nochmehr verstärken.

Wann kommt Ayurveda zur Anwendung?Therapeutisch werden im Ayurveda beiErkrankungen diätetische Maßnahmen, Arz-neien aus dem Pflanzen-, Tier- und Mineral-reich und ableitende Maßnahmen wie Schwit-zen, Abführen, Erbrechen und Niesen, Gebeteund das Rezitieren von Mantras (Verse ausden heiligen Büchern) eingesetzt.Bezüglich der Kräuter lehrt Ayurveda, dass fürdie Krankheiten, die in einer bestimmten Re-gion vorkommen, in der Natur auch dort dienotwendigen Heilkräuter wachsen.

Ayurveda

Wie wird “Gesundheit” definiert?Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben ist das harmonischeZusammenwirken der Elemente im Mikrokosmos selbst und ihr rei-bungsloser Einklang mit den Elementen im Makrokosmos im Sinneeiner selbstverständlichen Einheit.

“Swastha" (Gesundheit) wird definiert nicht nur als ein Zustand freivon Störungen, sondern als ein Zustand in dem die Elemente imGleichgewicht sind, Verdauung und Ausscheidung optimal funktio-nieren, Geist und Sinne klar und frei sind und eine optimistischeLebenseinstellung herrscht. Das Wort “Swastha" bedeutet wörtlichübersetzt “im eigenen Selbst stehen", also Stabilität in sich selbst,Verbundenheit und Einklang mit dem Inneren, der Seele. Laut Ayurveda gibt es keine rein psychischen oder körperlichenKrankheiten, sondern alle Krankheiten sind psychosomatisch odersomatopsychisch.Da die Grundprinzipien des Lebens überall und jederzeit gleichbleiben, kann uns Ayurveda auch heute noch einen einfachen, alleLebensbereiche einschließenden Weg zeigen ein gesundes Leben zuführen und Krankheiten vorzubeugen.

32

Ayurveda

Weitere Informationen erhältlich bei:

SÜDTIROLER KNEIPPBUND

Mazziniplatz 1839100 BozenTel. 0471 287511Webseite: www.kneipp.itE-Mail: [email protected]

ZENTRUM ZUR DOKUMENTATION

VON NATURHEILVERFAHREN (ZDN)

Gfrill 5939010 Tisens (BZ)Webseite: www.zdn.infoE-Mail: [email protected]

33