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G. Emons • H. Meden • R. Osmers Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Georg-August-Universität Göttingen Hormontherapie des Endometriumkarzinoms und seiner Präkanzerosen genassoziierten Endometriumkarzi- nome fast immer von einer Hyperpla- sie des Endometriums begleitet. Sie haben meist eine gute Differenzierung (G1, G2), werden in einem frühen Sta- dium diagnostiziert und haben eine ausgezeichnete Prognose. Sie expri- mieren in hohem Maße Östrogen- und Progesteronrezeptoren und spre- chen im disseminierten Stadium gut auf eine Gestagentherapie an [10]. Der 2. Typ des Endometriumkarzi- noms ist nicht mit einem hyperöstro- genen Zustand assoziiert. Er entsteht aus dem atrophischen Endometrium, vorzugsweise bei älteren Frauen, die typischerweise die klassischen Risiko- faktoren für das Endometriumkarzi- nom nicht aufweisen. Die betroffenen Patientinnen sind schlank, körperlich fit und haben nie eine Östrogensub- stitution erhalten. Diese nicht östro- genassoziierten Endometriumkarzi- nome sind in der Mehrzahl undiffe- renziert (G3) oder vom serösen bzw. klarzelligen Typ, zeigen primär eine tiefe Myometriuminvasion und meta- stasieren frühzeitig. Sie exprimieren meist keine funktionellen Östrogen- und Progesteronrezeptoren und spre- Endokrine Therapieverfahren beim Endometriumkarzinom Theoretische Grundlagen Ein großer Anteil der Endometriumkar- zinome exprimiert Östrogen- und Pro- gesteronrezeptoren, über die wachs- tumsmodulierende Effekte von Gestage- nen, Antiöstrogenen und Aromatase- hemmern vermittelt werden können [9, 10, 22, 23]. Ein großes Problem ist jedoch, daß gerade die primären Karzinome mit hohem Risikoprofil sowie auch die Re- zidive und Metastasen nur selten Proge- steronrezeptoren exprimieren, bzw. die nachweisbaren Rezeptoren nicht funk- tionell sind [9]. Viele Indizien sprechen dafür, daß zwei grundlegend unterschiedliche Entitäten des Endometriumkarzinom existieren: Der 1. Typ des Endometriumkarzi- noms ist mit einem Hyperöstrogenis- mus bzw. einer Östrogendominanz as- soziiert und entwickelt sich bei Frau- en mit den klassischen Risikofaktoren wie Adipositas, Anovulation, Nullipa- rität, Hyperinsulinismus oder exoge- ner alleiniger Östrogenzufuhr. Dieses Krankheitsbild entsteht häufig über eine charakteristische Sequenz von hyperplastischen Veränderungen des Endometriums, deren präkanzeröse Potenz kontinuierlich zunimmt. Im histologischen Bild sind diese östro- Der Onkologe 5·99 | 417 Zum Thema: Endometriumkarzinom Onkologe 1999 · 5: 417–421 © Springer-Verlag 1999 Neben dem Mammakarzinom ist in westlichen Ländern das Endometrium- karzinom der häufigste bösartige gynä- kologische Tumor. Auch wenn etwa 75% der Fälle im Stadium I diagnostiziert werden, in dem Heilungsraten von 75–90% erreichbar sind, liegen die 5-Jahresüberlebensraten (5-JÜR) im Stadium II nur noch bei 50%, im Stadium III bei knapp 30% und im Stadium IV un- ter 10% [9, 13, 17, 23]. Etwa 20–30% der Endometriumkarzinompatientinnen sterben an ihrer Erkrankung. Zahlreiche Versuche wurden unternommen, für pri- mär fortgeschrittene Endometriumkar- zinome oder lokal durch Operation oder Bestrahlung nicht mehr kontrollierbare Rezidive wirksame systemische Therapi- en zu entwickeln. Chemotherapeutische Ansätze erzielen zwar gute Ansprechra- ten von bis zu 60%, aber nur geringe Re- missionsdauern von wenigen Monaten [6, 9, 13, 23, 24]. Da Endometriumkarzinome aus hor- monabhängigen Zellen hervorgehen, spielen nebenwirkungsarme endokrine Manipulationen in der palliativen Thera- pie fortgeschrittener Fälle traditionell eine große Rolle. Umfangreiche Unter- suchungen wurden über den Wert einer adjuvanten endokrinen Therapie beim Endometriumkarzinom durchgeführt. In der konservativen Therapie von Präkan- zerosen haben endokrine Verfahren ei- nen festen Platz. Prof. Dr. Günter Emons Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Robert-Koch-Straße 40, D-37075 Göttingen

Hormontherapie des Endometriumkarzinoms und seiner Präkanzerosen

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Page 1: Hormontherapie des Endometriumkarzinoms und seiner Präkanzerosen

G. Emons • H. Meden • R. OsmersKlinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Georg-August-Universität Göttingen

Hormontherapie des Endometriumkarzinoms undseiner Präkanzerosen

genassoziierten Endometriumkarzi-nome fast immer von einer Hyperpla-sie des Endometriums begleitet. Siehaben meist eine gute Differenzierung(G1, G2), werden in einem frühen Sta-dium diagnostiziert und haben eineausgezeichnete Prognose. Sie expri-mieren in hohem Maße Östrogen-und Progesteronrezeptoren und spre-chen im disseminierten Stadium gutauf eine Gestagentherapie an [10].

◗ Der 2. Typ des Endometriumkarzi-noms ist nicht mit einem hyperöstro-genen Zustand assoziiert. Er entstehtaus dem atrophischen Endometrium,vorzugsweise bei älteren Frauen, dietypischerweise die klassischen Risiko-faktoren für das Endometriumkarzi-nom nicht aufweisen. Die betroffenenPatientinnen sind schlank, körperlichfit und haben nie eine Östrogensub-stitution erhalten. Diese nicht östro-genassoziierten Endometriumkarzi-nome sind in der Mehrzahl undiffe-renziert (G3) oder vom serösen bzw.klarzelligen Typ, zeigen primär einetiefe Myometriuminvasion und meta-stasieren frühzeitig. Sie exprimierenmeist keine funktionellen Östrogen-und Progesteronrezeptoren und spre-

Endokrine Therapieverfahrenbeim Endometriumkarzinom

Theoretische Grundlagen

Ein großer Anteil der Endometriumkar-zinome exprimiert Östrogen- und Pro-gesteronrezeptoren, über die wachs-tumsmodulierende Effekte von Gestage-nen, Antiöstrogenen und Aromatase-hemmern vermittelt werden können [9,10,22,23].Ein großes Problem ist jedoch,daß gerade die primären Karzinome mithohem Risikoprofil sowie auch die Re-zidive und Metastasen nur selten Proge-steronrezeptoren exprimieren, bzw. dienachweisbaren Rezeptoren nicht funk-tionell sind [9].

Viele Indizien sprechen dafür, daß zweigrundlegend unterschiedliche Entitätendes Endometriumkarzinom existieren:◗ Der 1. Typ des Endometriumkarzi-

noms ist mit einem Hyperöstrogenis-mus bzw.einer Östrogendominanz as-soziiert und entwickelt sich bei Frau-en mit den klassischen Risikofaktorenwie Adipositas,Anovulation, Nullipa-rität, Hyperinsulinismus oder exoge-ner alleiniger Östrogenzufuhr. DiesesKrankheitsbild entsteht häufig übereine charakteristische Sequenz vonhyperplastischen Veränderungen desEndometriums, deren präkanzerösePotenz kontinuierlich zunimmt. Imhistologischen Bild sind diese östro-

Der Onkologe 5·99 | 417

Zum Thema: EndometriumkarzinomOnkologe 1999 · 5: 417–421 © Springer-Verlag 1999

Neben dem Mammakarzinom ist inwestlichen Ländern das Endometrium-karzinom der häufigste bösartige gynä-kologische Tumor. Auch wenn etwa 75%der Fälle im Stadium I diagnostiziertwerden, in dem Heilungsraten von75–90% erreichbar sind, liegen die 5-Jahresüberlebensraten (5-JÜR) im Stadium II nur noch bei 50%, im StadiumIII bei knapp 30% und im Stadium IV un-ter 10% [9, 13, 17, 23]. Etwa 20–30% derEndometriumkarzinompatientinnensterben an ihrer Erkrankung. ZahlreicheVersuche wurden unternommen, für pri-mär fortgeschrittene Endometriumkar-zinome oder lokal durch Operation oderBestrahlung nicht mehr kontrollierbareRezidive wirksame systemische Therapi-en zu entwickeln. ChemotherapeutischeAnsätze erzielen zwar gute Ansprechra-ten von bis zu 60%, aber nur geringe Re-missionsdauern von wenigen Monaten[6, 9, 13, 23, 24].Da Endometriumkarzinome aus hor-monabhängigen Zellen hervorgehen,spielen nebenwirkungsarme endokrineManipulationen in der palliativen Thera-pie fortgeschrittener Fälle traditionelleine große Rolle. Umfangreiche Unter-suchungen wurden über den Wert eineradjuvanten endokrinen Therapie beimEndometriumkarzinom durchgeführt. Inder konservativen Therapie von Präkan-zerosen haben endokrine Verfahren ei-nen festen Platz.

Prof. Dr. Günter EmonsKlinik für Gynäkologie und Geburtshilfe,

Robert-Koch-Straße 40, D-37075 Göttingen

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Antiöstrogene

Tamoxifen wurde bei disseminiertenEndometriumkarzinomen in Dosierun-gen von 20–40 mg/Tag eingesetzt (Ta-belle 1). Es wurden Responseraten zwi-schen 0 und 53% beschrieben. Von 257Patientinnen, die im Rahmen kleinererStudien untersucht wurden, spracheninsgesamt 56 (22%) auf die Tamoxifen-behandlung an [18]. Tamoxifen bietetsich deshalb als Alternative für Frauenmit Adipositas, Hypertonie, Diabetes,Thrombosegefährdung usw. an, bei de-nen eine Gestagentherapie mit Risikenbehaftet ist.Allerdings ist hierbei zu be-denken, daß Tamoxifen seinerseits dieEntstehung von Endometriumkarzino-men fördern kann [2, 4, 9, 10, 23]. Dietheoretisch sinnvolle Sequenztherapiemit Tamoxifen und Gestagenen (Induk-tion von Progesteronrezeptoren) hatkeine Vorteile gegenüber einer reinenGestagentherapie gezeigt [9, 18].

Es ist zu hoffen, daß die neueren„reinen“ Antiöstrogene, die keine östro-gene Partialwirkung haben und z. Z.beim metastasierten Mammakarzinomklinisch evaluiert werden, bald auch fürdie klinische Prüfung beim disseminier-ten Endometriumkarzinom zur Verfü-gung stehen werden.

GnRH-Analoga

Gallagher und Mitarbeiter [12] behan-delten 17 Frauen mit gestagenrefraktä-ren disseminierten Endometriumkarzi-nomen mit GnRH-Analoga (Leuprore-linacetat 7,5 mg/Monat oder Goserelin3,6 mg/Monat). Sechs dieser Patientin-nen (35%) hatten eine objektive Remis-sion, die mit einem Median von 20 Mo-naten anhielt. Nebenwirkungen wurdennicht beobachtet [12]. 1996 berichtetendie Autoren über 15 weitere Patientin-nen, von denen 2 objektiv ansprachen(insgesamt 8/32 Pat. = 25% Ansprechra-te) [3].

De Vriese und Bonte [8] behandel-ten 7 Frauen mit fortgeschrittenen En-dometriumkarzinomen mit dem GnRH-Agonisten Goserelin und dokumentier-ten 4 objektive Remissionen.

Covens und Mitarbeiter prüftenLeuprorelinacetat (7,5 mg/Monat) bei

hatten eine Krankheitsstabilisierung.Die Ansprechrate lag bei 37% bei Fällenvon G1- und G2-Tumoren und bei 8%bei Patientinnen mit gering differenzier-ten (G3) Karzinomen. Die Response-Dauer lag zwischen 6,5 und 27 Monaten(Median 8,9 Monate), das medianeÜberleben der gesamtem Gruppe bei 7,6Monaten. Drei Todesfälle in Folge vonkardiovaskulären Ereignissen wurdenbeobachtet, die möglicherweise mitMGA-Therapie in Verbindung standen.

Die Autoren folgerten, daß MGA inhoher Dosierung beim Endometrium-karzinom wirksam ist, aber wahrschein-lich keinen Vorteil gegenüber niedrigerdosierten Gestagenregimes bietet [14].

Vergleichbare Studien der GOG mitZytostatika (Adriamycin, Cyclophos-phamid, Cisplatin) ergaben Remissions-raten von 22% (Adriamycin), 30% (Ad-riamycin und Cyclophosphamid). DieRemissionsdauern betrugen 3,2 bzw. 3,9Monate,das mediane Überleben 6,7 bzw.7,3 Monate [13]. Die Kombination vonAdriamycin und Cisplatin steigerte zwarAnsprechrate (44%) und das progressi-onsfreie Überleben, aber nicht das Ge-samtüberleben [13, 24]. Somit zeigenauch die neuesten Studien der Gyneco-logic Oncology Group, daß Gestagene inder Therapie von disseminierten Endo-metriumkarzinomen nach wie vor ihrenStellenwert haben und die Chemothera-pie noch nicht als das Mittel der 1.Wahlanzusehen ist.

Da die Wirksamkeit einer Chemo-therapie bei disseminiertem Endometri-umkarzinom durch eine vorangegange-ne Gestagentherapie nicht vermindertwird, empfiehlt es sich, in der palliativenSituation zunächst mit einer Gestagen-therapie zu beginnen. Eine Chemothe-rapie sollte nur bei gestagenrefraktärenund rasch progredienten Tumoren ein-gesetzt werden, wenn die nicht unerheb-liche Toxizität [18] der Patientin zuzu-muten ist.

Als Dosis für die Gestagenbehand-lung sind tägliche Mengen von 200–400mg MPA bzw. 160 mg MGA wahrschein-lich ausreichend. Höhere Dosen stei-gern vermutlich nur die Nebenwir-kungsrate [14].

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chen selten auf konventionelle endo-krine Therapien an. Ihre Prognose istschlecht. Ihr Anteil an den Endome-triumkarzinomen wird auf 35% bisüber 50% geschätzt [10, 20].

So sprechen Progesteronrezeptoren-po-sitive Endometriumkarzinome zwar in50–70% auf eine Gestagentherapie an,aber nur ein geringer Anteil der disse-minierten Karzinome exprimiert Proge-steronrezeptoren [4, 23].

In den letzten Jahren konnte gezeigtwerden, daß etwa 80% der Endometri-umkarzinome Rezeptoren für das Gona-dotropin-Releasing Hormon (GnRH) ex-primieren. In Endometriumkarzinomenexistiert wahrscheinlich in einem hohenProzentsatz ein autokrines System, dasauf GnRH basiert und als Angriffspunktfür neuartige endokrine Therapien ge-nutzt werden kann,die von der Expressi-on von Östrogen- und/oder Progesteron-rezeptoren unabhängig sind [11].

Palliative endokrine Therapien

Gestagene

Gestagene werden seit vielen Jahrzehn-ten erfolgreich in der palliativen Thera-pie von disseminierten Endometrium-karzinomen eingesetzt. In der älteren Li-teratur wurden Ansprechraten von30–50% angegeben,während spätere Ar-beiten mit schärferen Responsekriteri-en Ansprechraten von 10–25% beschrie-ben [4, 9, 18, 21, 23]. Neuere Studien derGynecologic Oncology Group (GOG) be-schrieben Responseraten von 26% (200mg Medroxyprogesteronacetat/Tag) und18% (1000 mg Medroxyprogesteronace-tat/Tag) [25]. Die Autoren schlossen ausdiesen Ergebnissen, daß die vielfachpropagierte Anwendung ultrahoher Do-sen von Medroxyprogesteronacetat(MPA) [9, 23] der Standarddosierungvon 200 mg MPA/Tag nicht überlegen ist.

In einer Phase-II-Studie prüfte dieGOG die Wirksamkeit von 800 mg Me-gestrolacetat (MGA) pro Tag bei 63 Frau-en mit primär fortgeschrittenen oder re-zidivierten Endometriumkarzinomen(Tabelle 1). 11% der Patientinnen hatteneine komplette, 13% eine partielle Re-mission. 22% der behandelten Frauen

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25 Frauen mit metastasierten oder rezi-divierten Endometriumkarzinomen [6].Es wurden keine objektiven Remissio-nen beobachtet. 8 Frauen hatten einestable disease (Median 5 Monate).

In einer deutschen Multicenter Stu-die wurde die Wirksamkeit des GnRH-Agonisten Triptorelin (3,2 mg/Monat)bei 37 Frauen mit weit fortgeschrittenemEndometriumkarzinom geprüft. Vondiesen hatten 3 schon eine Chemothera-pie und 15 eine endokrine Vortherapiegehabt. 11 hatten G3-Tumoren und 7 se-rös-papilläre bzw. klarzellige Karzino-me. Immerhin konnten 3 objektive Remissionen und 13 stable diseases (>3 Monate) erreicht werden [Emons etal., in Vorbereitung].

Die bisherigen Daten über den Ein-satz von GnRH-Analoga beim dissemi-nierten Endometriumkarzinom solltenein Anreiz für größere Studien sein, dieihren Wert definitiv klären. Da GnRH-Analoga eine äußerst geringe Nebenwir-kungsrate haben und in Pilotstudien ei-ne gewisse Wirksamkeit zeigten, er-scheint es vertretbar, diese Substanzeneinzusetzen, wenn Gestagene oder eineChemotherapie nicht in Frage kommenbzw. unwirksam sind (Tabelle 1).

Sonstige endokrine Therapien

In einer Pilotstudie induzierte der Aro-matasehemmer Aminoglutethimid bei

Nutzen einer adjuvanten Gestagenthera-pie möglicherweise nicht deutlich wer-den konnte [17].

Ende letzten Jahres publizierten dieCOSA-NZ-UK Endometrial Cancer Stu-dy Groups ihre lange erwarteten Ergeb-nisse aus einer randomisierten Studiemit 1012 Patienten mit Endometrium-karzinom und hohem Rezidivrisiko (G3-Tumoren, adenosquamöse, klarzellige,serös-papilläre Tumoren, >1/3 Myome-triuminvasion oder Zervix- oder Adnex-befall), die primär tumorfrei operiertwerden konnten. Diese Frauen erhieltenentweder 200 mg MPA 2mal/Tag übermindestens 3 Jahre oder keine Hormon-therapie. In der MPA-Gruppe traten 81und in der Kontrollgruppe 107 Rezidiveauf (p<0.05). In der MPA-Gruppe star-ben 73, in der Kontrollgruppe 98 Frauenan ihrem Endometriumkarzinom. Ins-gesamt starben in der MPA-Gruppe 149von 505 und in der Kontrollgruppe 165von 507 Frauen. Ein signifikanter Effektvon MPA auf das Überleben konntenicht gezeigt werden. Als nach einemzentralen Review aller Histologien 117Patientinnen aus der Auswertung ausge-schlossen worden waren, hatten Frauen,die MPA erhielten, ein signifikant länge-res rezidivfreies – und Gesamtüberleben(p=0.03). Interessanterweise erhielten 59von den 96 Frauen der Kontrollgruppe,die ein Rezidiv hatten, nach dessen Dia-gnose ebenfalls MPA. Das mediane

4 von 18 Patientinnen mit fortgeschrit-tenem Endometriumkarzinom objekti-ve Remissionen [19]. Nach unsererKenntnis wurde dieser Ansatz bishernicht weiter systematisch verfolgt. An-gesichts der Verfügbarkeit moderner,potenter und nebenwirkungsarmer Aro-matasehemmer sollte hierüber nachge-dacht werden.

Auch Antigestagene, die potentiellbeim Endometriumkarzinom wirksamsein könnten [9], sind bisher nicht syste-matisch untersucht worden.

Adjuvante endokrine Therapie

Gestagene werden seit langem auch inder adjuvanten Behandlung primär ku-rativ therapierter Endometriumkarzi-nome eingesetzt [17].Bisher liegen 7 pro-spektive randomisierte Studien zu die-ser Thematik vor. Die Metaanalyse von6 dieser Studien, von denen 1 [26] einpositives Ergebnis für die adjuvante Ge-stagengabe hatte, zeigte, daß das overall-survival durch die adjuvante Gestagen-gabe nicht verbessert, möglicherweisesogar verschlechtert wurde. Die Gesta-gengabe hatte auch keinen Effekt auf Re-zidivrate und Häufigkeit von Todesfäl-len durch Endometriumkarzinome [7,15, 16, 17, 26, 27]. In die analysierten Stu-dien waren vorzugsweise Frauen mit ei-nem geringen Rezidivrisiko aufgenom-men worden, wodurch der potentielle

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Tabelle 1

Endokrine Therapie beim disseminierten Endometriumkarzinom

Substanz Empfohlene Dosierung Bemerkungen

Medroxyprogesteronacetat (MPA) 200–400 mg/Tag Nach neueren Studien der GOG Ansprechrate von etwa 25%. Höhere Dosen nicht wirksamer.

Megestrolacetat (MGA) 160 mg/Tag Mit ultrahoher Dosierung (800 mg/Tag) in einer Studie der GOG Ansprechrate 24%; diese hohe Dosis wird aber nicht empfohlen.

Tamoxifen 20–40 mg/Tag Ansprechrate im Mittel 22%; bessere Verträglichkeit als Gestagene bei adipösen Frauen mit Diabetes und Hypertonus. Theoretische Kontraindikation beim Endometriumkarzinom.

GnRH-Agonisten Übliche Monatsdepots In Pilotstudien Ansprechraten von 0–10–25% bei Patientinnen mit schlechten Prognosekriterien; geringe bis fehlende Toxizität. Größere Studien sind erforderlich,als Therapieversuch ggf. indiziert.

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Überleben dieser Frauen betrug 10 Mo-nate, das der Frauen mit Rezidiv aus derKontrollgruppe,die kein MPA in der pal-liativen Situation erhielten, 4 Monate(p=0.03).

Dieser Nebenbefund zeigt noch ein-mal eindrücklich die Wirksamkeit vonMPA beim rezidivierten Endometrium-karzinom, hat aber möglicherweise eineDifferenz des Gesamtüberlebens zwi-schen der adjuvant mit MPA behandel-ten und der Kontrollgruppe etwas ver-wischt [5].

Der Steroid-Rezeptor-Status hattein dieser Situation keinen prädiktivenWert bezüglich der Wirksamkeit der ad-juvanten MPA-Therapie [5].

Trotz dieses signifikanten Nutzensder adjuvanten MPA-Gabe empfehlendie Autoren nicht die generelle adjuvan-te Therapie mit 400 mg MPA bei Hoch-risikopatientinnen, da der erreichteÜberlebensvorteil ihres Erachtens zu ge-ring ist [5].

Somit liegen auch nach prospekti-ven Studien an über 4500 Frauen nochimmer keine klaren Daten vor, die denadjuvanten Einsatz von Gestagenenbeim Endometriumkarzinom rechtfer-tigen würden.

Endokrine Therapien von Präkanzerosen

Die Hyperplasien des Endometriumswerden nach neueren Empfehlungender International Society of Gynecolo-gical Pathologists in 2 Kategorien, d.h.mit oder ohne zelluläre Atypien, undnach dem Grad der architektonischenAbnormalitäten in „simple“ oder „com-plex“ unterteilt (Übers. bei [1]. Ge-bräuchlich ist auch noch die Einteilungin glandulär-zystische Hyperplasienund adenomatöse Hyperplasien GradI–III (Übers. bei [23]).

Einfache Hyperplasien. Die einfachen Hy-perplasien ohne Atypien bzw. glandulär-zystischen Hyperplasien werden in allerRegel konservativ behandelt. Die Ursa-chen sind meist anovulatorische Zyklen(Pubertät, Klimakterium), Syndrom derpolyzystischen Ovarien (Stein-Leven-thal) oder reine exogene Östrogenzu-

Fazit für die Praxis

In der Therapie des metastasierten oderdurch lokale Maßnahmen nicht kontrol-lierbaren Endometriumkarzinoms zeigenGestagene Ansprechraten von etwa15–25% und mediane Responsedauernvon etwa 9 Monaten. Das mediane Überle-ben von solchen Patientinnen liegt bei 7,6Monaten.Wegen der geringen Toxizität istin der palliativen Situation Gestagenen derVorzug zu geben, insbesondere wenn derTumor Progesteronrezeptoren exprimiert.

Empfohlene Dosen sind 200–400 mgMPA/Tag oder 160 mg MGA/Tag. Die früherempfohlenen höheren Dosierungen, bis1500 mg MPA bzw. 480–800 mg MGA/Tag,bieten wahrscheinlich keinen Vorteil, son-dern erhöhen nur die Nebenwirkungsrate.Nur bei Hochrisiko-Tumoren (G3, serös-pa-pillär etc., keine Progesteronrezeptoren,hohe Eilbedürftigkeit des Ansprechens) erscheint eine primäre palliative Chemo-therapie sinnvoll.

Noch im experimentellen Stadium be-findet sich die palliative Therapie des En-dometriumkarzinoms mit GnRH-Analoga.Neue Ansätze sind von „reinen“ Antiöstro-genen und modernen Aromatasehem-mern zu erhoffen. In der adjuvanten Situa-tion konnte bisher für endokrine Thera-pien nur ein marginaler Nutzen bei Hochri-sikotumoren gezeigt werden.

Die leichteren Formen der Präkanze-rosen des Endometriumkarzinoms könnengut konservativ mit Gestagenen behan-delt werden. In Ausnahmefällen auch diehöhergradigen Hyperplasien. Neuerdingswerden auch GnRH-Analoga erfolgreich indiesen Indikationen eingesetzt. Sorgfälti-ge Überwachung ist allerdings Vorausset-zung für dieses konservative Vorgehen.

fuhr. Die logische Therapie besteht inzyklischer Gestagensubstitution in phy-siologischen bis niedrig pharmakologi-schen Dosen.

Komplexe Hyperplasien (adenomatöse Hy-perplasien) werden nach abgeschlossenerFamilienplanung wegen ihres hohenEntartungsrisikos (1–3% bei Grad I,10–30% bei Grad II und 30% bei GradIII) vorzugsweise durch eine Hysterek-tomie behandelt. Bei jüngeren Frauen,die noch Kinderwunsch haben, kann ei-ne konservative Therapie mit höher do-sierten Gestagenen kontinuierlich über 3Monate versucht werden.Nach Abschlußder Behandlung muß durch eine Kon-trollabrasio das Verschwinden der hy-perplastischen Veränderungen gesichertwerden. Bei adenomatöser HyperplasieGrad II oder III ist das Entartungsrisikoso hoch, daß die Hysterektomie oft un-vermeidbar ist. Wird im Einzelfall vonjüngeren Patientinnen ein Organerhaltgewünscht, so sollte dieser Wunsch nurnach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwä-gung und bei sehr enger Überwachungerfüllt werden [23].

Agorastos und Mitarbeiter [1] stell-ten kürzlich eine sehr sorgfältig durch-geführte Studie vor, in der 30 Frauen miteinfacher Hyperplasie und 12 mit atypi-scher Hyperplasie des Endometriums,zwei davon mit Atypie, über 6 Monatemit GnRH-Analoga behandelt wurden.Drei und 6 Monate nach Behandlungs-beginn sowie 6 und 12 Monate nach Be-handlungsende wurden Abrasionesdurchgeführt und die Abradate aufwen-dig analysiert. Bei der einfachen Hyper-plasie waren in 3% der Fälle am Endeder Behandlung noch Hyperplasiennachweisbar. 12 Monate nach Abschlußder GnRH-Analoga-Behandlung wur-den in 24% wieder Hyperplasien gefun-den. Die komplexen Hyperplasien ver-schwanden alle schon nach 3 MonatenGnRH-A-Behandlung und auch 12 Mo-nate nach Abschluß der Therapie warenkeine Hyperplasien nachweisbar [1].

Diese Studie zeigt einen sehr inter-essanten neuen konservativen Behand-lungsansatz, der allerdings wie die klas-sische Gestagentherapie nur bei sorgfäl-tiger Überwachung des Endometriumsdurchgeführt werden sollte [1].

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Zum Thema: Endometriumkarzinom

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Der Onkologe 5·99 | 421