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836 | Der Nervenarzt 9·99 Summary Two psychotic patients developed hyper- glycaemia several weeks after starting olan- zapine. In one case the elevated glucose concentrations returned to normal soon after withdrawal of olanzapine. In the second case severe ketoacidosis with letal outcome occured. Key words Olanzapin · Hyperglycaemia · Ketoacidosis Hyperglycaemia and ketoacidosis on olanzapine | Der Nervenarzt 9·99 Nervenarzt 1999 · 70:836–837 © Springer-Verlag 1999 Hyperglykämie und Ketoazidose unter Olanzapin D. v. Hayek · V. Hüttl · J. Reiss · H.-D. Schweiger · H.S. Füeßl Medizinische Abteilung, Bezirkskrankenhaus Haar gen starker extrapyramidal-motorischer Nebenwirkungen auf Olanzapin (20 mg/d) umgestellt. Die Patientin er- hielt als Begleitmedikation Metoprolol (25 mg/d), Lorazepam (1 mg/d) und Be- zafibrat (200 mg/d). Nach 3 Monaten un- ter diesem Regime beobachteten wir in- nerhalb weniger Tage ein kontinuierli- ches Ansteigen der Blutzuckerwerte in den Tagesprofilen bis auf maximal 213 mg/dl postprandial. Zu keiner Zeit bestanden bei der Patientin Symptome oder klinische Hinweise einer Hyper- glykämie. Dennoch wurde Olanzapin (letzte Tagesdosis 25 mg) abgesetzt.Am Folgetag wurde noch einmalig eine ma- ximaler Blutzuckerwert von 338 mg/dl gemessen. Nach dem Absetzen von Ol- anzapin kam es unter einer antidiabeti- schen Therapie mit Acarbose (150 mg/d) zu einer umgehenden Normalisierung der Blutglukosewerte von 90-187 mg/dl, über 60-218 mg/dl auf zuletzt 60- 150 mg/dl (jeweils Minimal- und Maxi- malwert angegeben). Fall 2 Beim zweiten Fall handelte es sich um einen normalgewichtigen (182 cm, 74 kg) 24jährigen Patienten mit einer paranoi- den Psychose, der sich schon mehrfach in unserer stationär-psychiatrischen Be- handlung, meist wegen Polytoxikoma- nie, befunden hatte. Bei der körperli- chen Aufnahmeuntersuchung zeigte der Patient bis auf ein Erysipel an beiden Unterschenkeln und eine rechtskonvexe Pharmakogen induzierte Glukoseto- leranzstörungen wurden bei einigen Psychopharmaka beschrieben, darun- ter Phenothiazine, Lithium und Cloza- pin [7, 9].Auch unter Therapie mit dem neu eingeführten atypischen Neurolep- tikum Olanzapin liegt mindestens ein Fallbericht über eine Hyperglykämie vor [2]. Wir berichten über zwei Fälle von Olanzapin-assoziierter oder -indu- zierter Hyperglykämie, die in einem Fall einen letalen Ausgang nahm. Fall 1 Eine 19jährige, mäßig adipöse (BMI 25,3 kg/m 2 ) Patientin wurde wegen einer paranoiden Psychose zur stationären psychiatrischen Behandlung in unsere Klinik aufgenommen.Von einem frühe- ren stationär-psychiatrischen Aufenthalt her waren eine Hyperlipidämie Typ IV und ein oraler Glukosetoleranztest im Grenzbereich (1-Stunden-Wert 170 mg/dl) bekannt.Ansonsten lagen die Blutglukose-Konzentrationen immer im Normbereich. Die Familienanamnese für einen Diabetes mellitus war leer, ei- ne abgelaufene Pankreatitis nicht be- kannt. Bei der körperlichen Aufnahmeun- tersuchung fanden sich, abgesehen von der mäßigen Adipositas, keine Auffällig- keiten. Die klinisch-chemischen Routi- neparameter bei Aufnahme lagen im Re- ferenzbereich, es bestand allerdings ei- ne Hypertriglyzeridämie von 274 mg/dl. Ein postprandialer Bluzuckerwert be- trug 119 mg/dl. Am 11. stationären Tag wurde die antipsychotische Therapie mit den klas- sischen Neuroleptika Flupentixol (10 mg/d) und Haloperidol (7 mg/d) we- Zusammenfassung Nach einigen Wochen unter Therapie mit Olanzapin traten bei zwei Patienten mit Psychosen Hyperglykämien auf.Während im ersten Fall sich die Blutzuckerwerte nach Absetzen des Präparates rasch normalisier- ten, kam es im zweiten zu einer raschen Ketoazidose mit letalem Ausgang. Schlüsselwörter Olanzapin · Hyperglykämie · Ketoazidose Prof. Dr. H.S. Füeßl Medizinische Abteilung, Bezirkskrankenhaus Haar, Postfach 1111, D-85540 Haar Ergebnisse & Kasuistik

Hyperglykämie und Ketoazidose unter Olanzapin

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836 | Der Nervenarzt 9·99

Summary

Two psychotic patients developed hyper-

glycaemia several weeks after starting olan-

zapine. In one case the elevated glucose

concentrations returned to normal soon

after withdrawal of olanzapine. In the

second case severe ketoacidosis with letal

outcome occured.

Key words

Olanzapin · Hyperglycaemia · Ketoacidosis

Hyperglycaemia and ketoacidosis on olanzapine

| Der Nervenarzt 9·99

Nervenarzt1999 · 70:836–837 © Springer-Verlag 1999

Hyperglykämie und Ketoazidose unter Olanzapin

D. v. Hayek · V. Hüttl · J. Reiss · H.-D. Schweiger · H.S. FüeßlMedizinische Abteilung, Bezirkskrankenhaus Haar

gen starker extrapyramidal-motorischerNebenwirkungen auf Olanzapin(20 mg/d) umgestellt. Die Patientin er-hielt als Begleitmedikation Metoprolol(25 mg/d), Lorazepam (1 mg/d) und Be-zafibrat (200 mg/d).Nach 3 Monaten un-ter diesem Regime beobachteten wir in-nerhalb weniger Tage ein kontinuierli-ches Ansteigen der Blutzuckerwerte inden Tagesprofilen bis auf maximal213 mg/dl postprandial. Zu keiner Zeitbestanden bei der Patientin Symptomeoder klinische Hinweise einer Hyper-glykämie. Dennoch wurde Olanzapin(letzte Tagesdosis 25 mg) abgesetzt. AmFolgetag wurde noch einmalig eine ma-ximaler Blutzuckerwert von 338 mg/dlgemessen. Nach dem Absetzen von Ol-anzapin kam es unter einer antidiabeti-schen Therapie mit Acarbose (150 mg/d)zu einer umgehenden Normalisierungder Blutglukosewerte von 90-187 mg/dl,über 60-218 mg/dl auf zuletzt 60-150 mg/dl (jeweils Minimal- und Maxi-malwert angegeben).

Fall 2

Beim zweiten Fall handelte es sich umeinen normalgewichtigen (182 cm,74 kg)24jährigen Patienten mit einer paranoi-den Psychose, der sich schon mehrfachin unserer stationär-psychiatrischen Be-handlung, meist wegen Polytoxikoma-nie, befunden hatte. Bei der körperli-chen Aufnahmeuntersuchung zeigte derPatient bis auf ein Erysipel an beidenUnterschenkeln und eine rechtskonvexe

Pharmakogen induzierte Glukoseto-leranzstörungen wurden bei einigenPsychopharmaka beschrieben, darun-ter Phenothiazine, Lithium und Cloza-pin [7, 9]. Auch unter Therapie mit demneu eingeführten atypischen Neurolep-tikum Olanzapin liegt mindestens einFallbericht über eine Hyperglykämievor [2]. Wir berichten über zwei Fällevon Olanzapin-assoziierter oder -indu-zierter Hyperglykämie, die in einemFall einen letalen Ausgang nahm.

Fall 1

Eine 19jährige, mäßig adipöse (BMI25,3 kg/m2) Patientin wurde wegen einerparanoiden Psychose zur stationärenpsychiatrischen Behandlung in unsereKlinik aufgenommen.Von einem frühe-ren stationär-psychiatrischen Aufenthalther waren eine Hyperlipidämie Typ IVund ein oraler Glukosetoleranztest imGrenzbereich (1-Stunden-Wert170 mg/dl) bekannt.Ansonsten lagen dieBlutglukose-Konzentrationen immer imNormbereich. Die Familienanamnesefür einen Diabetes mellitus war leer, ei-ne abgelaufene Pankreatitis nicht be-kannt.

Bei der körperlichen Aufnahmeun-tersuchung fanden sich, abgesehen vonder mäßigen Adipositas, keine Auffällig-keiten. Die klinisch-chemischen Routi-neparameter bei Aufnahme lagen im Re-ferenzbereich, es bestand allerdings ei-ne Hypertriglyzeridämie von 274 mg/dl.Ein postprandialer Bluzuckerwert be-trug 119 mg/dl.

Am 11. stationären Tag wurde dieantipsychotische Therapie mit den klas-sischen Neuroleptika Flupentixol(10 mg/d) und Haloperidol (7 mg/d) we-

Zusammenfassung

Nach einigen Wochen unter Therapie mit

Olanzapin traten bei zwei Patienten mit

Psychosen Hyperglykämien auf.Während im

ersten Fall sich die Blutzuckerwerte nach

Absetzen des Präparates rasch normalisier-

ten, kam es im zweiten zu einer raschen

Ketoazidose mit letalem Ausgang.

Schlüsselwörter

Olanzapin · Hyperglykämie · Ketoazidose

Prof. Dr. H.S. FüeßlMedizinische Abteilung, Bezirkskrankenhaus

Haar, Postfach 1111, D-85540 Haar

Ergebnisse & Kasuistik

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thorakale Kyphoskoliose keine neurolo-gischen oder internistischen Auffällig-keiten. Die klinisch-chemischen Routi-neparameter waren bei Aufnahme un-auffällig. Kurz nach der Aufnahme wur-de postprandial ein Blutzuckerwert von85 mg/dl gemessen. Von einem Vorauf-enthalt her war eine einmalige post-prandiale Hyperglykämie von 141 mg/dlbekannt, ansonsten lagen immer nor-moglykämische Werte vor.

Die antipsychotische Therapie mitHaloperidol (9 mg/d) und Lorazepam(2 mg/d) wurde nach 10 Tagen aufgrundvon extrapyramidal-motorischen Ne-benwirkungen (Akathisie) auf Olanzapin(20 mg/d) umgesetzt. Der Patient hattebereits bei einem Voraufenthalt über10 Tage hinweg Olanzapin erhalten, die-se Medikation jedoch nach Entlassungselbständig abgesetzt.Aus dieser Zeit lie-gen uns keine Blutzuckerwerte vor.

15 Tage nach Aufnahme berichteteder Patient über Schwächegefühl in denBeinen und Übelkeit. Eine Polydipsiewurde nicht beobachtet, kann aber auchnicht sicher ausgeschlossen werden.Daraufhin wurde Olanzapin abgesetzt.In der darauffolgenden Nacht entwickel-te der Patient zunehmende Blässe,Schwäche, Tachypnoe, Tachykardie so-wie einen Blutdruckabfall auf 90/50 mmHg. Noch auf der psychiatrischen Stati-on wurde mittels Teststreifen ein Blut-zuckerwert von über 500 mg/dl gemes-sen, worauf die sofortige Verlegung desPatienten auf die Intensivstation der Kli-nik erfolgte.

Hier präsentierte sich der Patientsomnolent bis soporös. Er wies übermit-telweite Pupillen beidseits mit prompterLichtreaktion auf, der okulozephale Re-flex war nicht auslösbar, es bestand keinMeningismus, jedoch ein positiver Ba-binski-Reflex rechts.Zusätzlich hatte derPatient eine ausgeprägte Tachypnoe miteiner Atemfrequenz um 40/min, er wiesklinische Zeichen der Exsikkose, einediffuse abdominelle Abwehrspannungund fehlende Darmgeräusche auf. DieBlutgasanalyse erbrachte die Konstella-tion einer metabolischen Azidose mit ei-nem pH-Wert von 7,08 sowie einer Ba-senabweichung von -22,8 mmol/l, Elek-trolyte und Blutgase lagen im Normbe-reich.Trotz sofortiger intravenöser Gabevon Insulin,Natriumbikarbonat und Ka-liumsubstitution verschlechterte sichdas klinische Bild mit zunehmender Hy-perventilation,Hypoxämie,mit Bedside-

Therapiebeginn werden mehrere post-prandiale Blutzuckerbestimmungen,evtl. auch ein oraler Glukosetoleranztestdurchgeführt. Während der Therapiemit Olanzapin bestimmen wir minde-stens einmal pro Woche den postpran-dialen Blutzucker, vorläufig über 3 Mo-nate hinweg.Für die ambulante Überwa-chung bietet sich alternativ die Selbst-messung der Glukoseausscheidung imUrin an, sofern dies technisch möglichist und vom Patienten akzeptiert wird.

Nach Annahme dieses Fallberichtszur Publikation sind 3 weitere Fälle ei-ner Olanzapin-assoziierten reversiblenHyperglykämie bekannt geworden [1,10]. Es zeigte sich ein gehäuftes Auftre-ten bei Angehörigen der schwarzen Be-völkerung sowie bei Patienten mit einerpositiven Familienanamnese für Diabe-tes mellitus. Aufgrund des Ähnlichkei-ten des klinischen Verlaufs ist ein ähnli-cher Pathomechanismus wie bei Cloza-pin anzunehmen. Unter der Therapiemit Olanzapin erscheint erhöhte Wach-samkeit hinsichtlich des Glukosestoff-wechsels empfehlenswert.

Literatur

1. Fertig MK, Brooks VG, Shelton PS (1998)

Hyperglycemia associated with olanzapi-ne. J Clin Psychiatry 59:687-689

2. Hyperglykämie unter Olanzapin. (1998)

Arznei-telegramm 1:11

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4. Kamran A, Doraiswamy PM, Jane JL, Hammet

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5. Koren W, Kreis Y, Duchowiczny K, Prince T,

Sancovici S, Sidi Y, Gur H (1997) Lactic acidosisand fatal myocardial failure due to cloza-pine. Ann Pharmacother 31:168-170

6. Martin A (1992) Acute pancreatitis associat-ed with clozapine use. Am J Psychiatry

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9. Popli AP, Konicki PE, Jurjus GJ, Fuller MA, Jaskiw

GE (1997) Clozapine and associated diabe-tes mellitus. J Clin Psychiatry 58:108-111

10. Wirshing DA, Spelberg BJ, Erhart SM, Marder

SR,Wirshing WC (1998) Novel antipsychoticsand new onset diabetes. Biol Psychiatry

44:778-783

Methoden nicht mehr meßbaren Blut-zuckerwerten und einer Elektrolytent-gleisung. Bei der Anlage eines zentralve-nösen Subklaviakatheters kam es zu ei-nem iatrogenen rechtsseitigen Pneumo-thorax, der suffizient mit einer Bülau-Drainage versorgt wurde. Im weiterenVerlauf zeigte der Patient eine zuneh-mende respiratorische und zuletzt kar-diovaskuläre Insuffizienz. Bei mittler-weile normalisiertem pH-Wert bestandnur noch eine mäßige Elektrolytentglei-sung (Serumnatrium 155 mmol/l, Se-rumkalium 3,2 mmol/l) bei. Trotz Gabevon Katecholaminen (Dopamin und Do-butamin) kam es 5 h nach Aufnahme indie Intensivstation zum Exitus infolgeHerz-Kreislauf-Versagen bei elektrome-chanischer Entkopplung.

Diskussion

Bisher liegen eine Reihe von Berichteüber meist reversible hyperglykämischeEntgleisungen unter der Behandlung mitdem strukturverwandten Clozapin vor[4, 5, 8, 9]. Hinsichtlich des Pathomecha-nismus wurden mehrere Hypothesenformuliert, welche überwiegend einenEffekt von Clozapin am Pankreas postu-lieren. Neben einer verminderten Insu-linausschüttung der pankreatischen Be-tazelle durch eine Clozapin-induzierteHemmung der Kalzium-abhängigen Ka-liumkanäle [5] wird eine direkte toxischeoder über a2-adrenerge Rezeptoren ver-mittelte Hemmung der pankreatischenInselzellrezeptoren diskutiert [3, 6]. Diehyperglykämischen Komplikationen tra-ten gehäuft bei Angehörigen der schwar-zen Bevölkerung, bei Patienten mit Dia-betes mellitus in der Familienanamnesesowie unter einer gleichzeitigen Lithium-Therapie auf.Da Olanzapin als selektiverSerotonin-Rezeptorantagonist vielestrukturelle Gemeinsamkeiten mit Clo-zapin besitzt,dürfte ein ähnlicher Patho-mechanismus vorliegen.

Unseres Wissens (MEDLINE-Re-cherche Juli 1998) ist dies der erste Falleiner letalen Hyperglykämie und Keto-azidose unter Olanzapin.Der Verlauf derbeiden Fälle läßt es ratsam erscheinen,den Glukosestoffwechsel vor und wäh-rend der Behandlung mit Olanzapinsorgfältig zu kontrollieren. So wurdenach dem Auftreten der beiden be-schriebenen Fälle in unserem Hause einstandardisiertes Monitoring bei der Be-handlung mit Olanzapin erarbeitet: Vor

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