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Impulstagung „Trauma und Behinderung“ Frühe Bindung und spätere Beziehungsarbeit im Kontext geistiger Behinderung Impulse zu inklusiven Bindungsbiografien Isabelle Villiger [email protected]

Impulstagung Trauma und Behinderung Frühe Bindung und spätere Beziehungsarbeit im Kontext geistiger Behinderung Impulse zu inklusiven Bindungsbiografien

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Impulstagung „Trauma und Behinderung“

Frühe Bindung und

spätere Beziehungsarbeitim Kontext geistiger Behinderung

Impulse zu inklusiven BindungsbiografienIsabelle [email protected]

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Isabelle Villiger

• 1961, 1989 Diplomarbeit am Institut für Angewandte Psychologie mit dem Titel „die Geburt- ein Trauma?“

• Psychotherapeutische und Pädagogische Arbeitsfelder, u.a. Leitung einer Kriseninterventionsstelle für Menschen mit geistiger Behinderung

• Heute Psychotherapeutin in Praxis Neurologen am Zürichsee, Beraterin Fachstelle Insieme Schweiz und Weiterbildnerin bsp. Agogis

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Neue Schwerpunkte der Psychologie

• Trauma- und Stressforschung

• Frühe Entwicklungspsychologie: Pränatale Zeit, erste Beziehungen / Bindungen

• Neurobiologische, systemische und körperorientierte Blickwinkel

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Kernfragen meines Referates

• Was sind Voraussetzungen für eine sichere Bindung?

• Was sind spezielle Herausforderungen für Menschen mit geistiger Behinderung, ihren Familien und Bezugspersonen?

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Inhaltsverzeichnis

1. Gesellschaftliche Haltung (Inklusion)2. Erste Lebensphasen

• Pränatale Zeit• Geburt• Erstes Jahr

3. Bindung:• Bindungsformen• Voraussetzungen für sicher Bindung• Spezielle Herausforderungen

4. Fazit5. Quellenangaben

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1 Gesellschaftliche Haltung (Inklusion)

Wie wir alle mit Menschen mit „geistiger Behinderung“ in Beziehung sind hat Einfluss darauf…

… wie Familien mit behinderten Kindern integriert sind

… ob wir uns als Kopfmenschen oder Menschen mit ganz unterschiedlichen Qualitäten wahrnehmen

… ob wir alle „gleich“ machen wollen oder ob wir gleich-mutig auf unterschiedliche Menschen antworten wollen

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2 Erste Lebensphasen

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Pränatale Zeit

Entwicklung der Sinne

1.Haut- und Tastsinn2.Gleichgewichtsorgan3.Geschmacks- und Geruchssinn4.Gehör5.Sehsinn

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Pränatale Zeit

Verbundenheit Ungeborenes-Mutter

Sinneswahrnehmung StoffwechselOrganismus

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2 Erste Lebensphasen

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Geburt

…ein Übergang zwischen Lebensgefahr und Wunder…

Kann traumatisch sein: Ca. 10% der geistigen Behinderungen sind perinatale Hirnschädigungen

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Geburt

Ca. 7% aller Schwangerschaften sind Frühgeburten:

• Ab der 25. Schwangerschaftswoche Überlebenschance, wenn < 1kg, 50-60%

• Vor 36. Woche extrem früh: erhöhtes Risiko für neurologische Schädigungen / Schädigungen Sinnesorgane

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Geburt

Wicki 2005

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Geburt

Sensitive Phase: ½ bis 2 Std nach Geburt meist hellwach

Sanfter Übergang: • Auspulsieren Nabelschnur• Erkennen der Stimmen• Körperkontakt wichtig für Mutter und Kind • Fokussieren auf 30 cm: „Liebe auf den

ersten Blick“

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Geburt

Verschiedenste Varianten wenn ein Kind behindert zur Welt kommt:

• Geburtsschaden• Bekannte oder unbekannte Behinderung

• Unterschiedlichste Konsequenzen (Bsp. Spitalaufenthalte)

• Unterschiedlichste Reaktion von Eltern und Umwelt

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2 Erste Lebensphasen

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Erstes Jahr

• Zwischen physiologischer Frühgeburt und kompetentem Säugling

• „sozialer Uterus“• Bezugspersonen sind Vorbild für die

Regulation der Affekte (Urvertrauen, Selbstsicherheit)

• In den ersten drei Lebensjahren werden die psychosozialen Fähigkeiten erworben

• In späteren Beziehungen allenfalls „nachentwickelt“ (vgl. Allan Schore)

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3 Bindung

Das Babuschkaprinzip

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3 Bindung

BindungsformenVoraussetzungen für sichere BindungSpezielle Herausforderungen

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3 Bindung

4 Haupt- Bindungsformen:

1 Sichere Bindung2 unsicher vermeidend3 unsicher-ängstlich- ambivalent4 unsicher - desorientiert

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3 Bindung

1 Sichere Bindung• Offener Austausch über Gefühle• Kompromissbereit bei Konflikten• Beziehungsbezogen und autonom• Selbstverantwortlich bei Belastung, dazu gehört,

andere um Hilfe zu bitten

Bindung Exploration

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Sichere Bindung3 Bindung

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3 Bindung

2 Unsicher-vermeidend („Flüchten vor Nähe“)

• kein Austausch über (negative) Gefühle• Anpassung an äußere Erwartungen• emotionale (Pseudo-) Unabhängigkeit• Äusserlich unbeeindruckt – innerlich hoher Stress• selbstbezogener Umgang bei Belastungen• Keine Zuversicht auf nahe Bindung

Bindung Exploration

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Sichere Bindung3 Bindung

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3 Bindung

3 unsicher-ängstlich- ambivalent • übersteigerter Gefühlsausdruck• wenig kompromissbereit• emotionale Abhängigkeit • wenig selbst-verantwortlich bei Belastungen• Ständige Aufmerksamkeit in Bezug auf Situation und

Befindlichkeit der BezugspersonBindung Exploration

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Sichere Bindung3 Bindung

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3 Bindung

4 unsicher – desorientiert

• Kein Halt – weder in Bindung noch in Umgebung• unerwartete nicht zuzuordnende Verhaltensweisen• Gleichzeitig lebensnotwendige Hinwendung zur

Bezugsperson wie Abwendung von ihr als Bedrohung• Stereotypien und/oder zerstückelte

Bewegungsabläufe

Bindung Exploration

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Sichere Bindung3 Bindung

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3 Bindung

Bindungsformen

Voraussetzungen für sichere Bindung

Spezielle Herausforderungen

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Voraussetzungen für sichere Bindung

• Feinfühligkeit/Sensitivität und Liebe• Gegenseitiges Spiegeln• Resonanz:

• Angemessene Antwort auf kindliche Bedürfnisse• Respektieren der Bedürfnisse nach

geborgener Nähe und friedlicher Distanz

• Dosieren der Stimulation• Zuverlässigkeit und Konstanz

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3 Bindung

BindungsformenVoraussetzungen für sichere Bindung

Spezielle Herausforderungen

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Spezielle Herausforderungen

• Tempo und Rhythmus anpassen:• Entwicklung (nicht Leistung) im Fokus

behalten• Initiative der Interaktion vom Baby und Kind

abwarten

• Unterschiedliche Wahrnehmung beachten• Affektregulation und Reizverarbeitung

brauchen mehr Unterstützung• Allfällige frühe und häufige

Spitalaufenthalte• Mehr Sorgen und Ängste

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Fazit

Ein Willkommen an Menschen mit geistiger Behinderung ist ein Willkommen…

… an die Notwendigkeit sich im jeweiligen Entwicklungsalter „einzuklinken“ und zugleich gemäss Lebensalter er-wachsend zu begegnen… an andere Wahrnehmungsmöglichkeiten

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Fazit

Es heisst:

• Kongruent zu sein und mit sich selbst zu arbeiten

• DolmetscherIn im Prä-/ nonverbalen Bereich zu werden

• Was in Beziehung verletzt wurde, kann in Beziehung geheilt werden

Wichtig: Die Absicht wirkt!

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Fazit

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Quellenangaben

Illustrationen: Anaïs Voirol

Allan Schore: Affektregulation und die Reorganisation des Selbst Stuttgart 2007

Barbara Senckel: Mit geistig Behinderte leben und arbeiten München 1994

Bettina Wegner: Kinder 1978 http://www.youtube.com/watch?v=fcdkwdfz0GA

Daniel Stern: Wie Säuglinge ihre menschlichen Welten erzeugen. Vortrag Berlin 2004. Auditorium Netzwerk

Elisabeth Schlumpf, Birgit Dechmann: Lieben ein Leben lang Weinheim und Basel 2008

Gerald Hüther/Inge Krens: Das Geheimnis der ersten neun Monate. Düsseldorf und Zürich 2005

Irène Kummer: Das Babuschkaprinzip München 1993Karin und Klaus Grossmann: Bindung- Das Geflecht des Lebens.

Lindau 2009. Auditorium NetzwerkWerner Wicki:Vorgeburtliche Entwicklung und Geburt. Uni Freiburg 2005