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INAQUIVALVER SCHALENBAU BE1 CRANIA ANOMALA DIETRICH SCHUMANN Schumann, D. : Inaquivalver Schalenbau bei Crania anmnala. [Konstruktions- Morphologie Nr. 31. Lethaia, Vol. 3, pp. 413-421. Oslo, October 15th, 1970. As a result of attachment over its entire surface, the ventral valve of the brachiopod Crania anonrala (Miiller) differs from the dorsal valve not only in growth form, time sequence of calcification, and distribution of endopuncta, but also (without ap- parent functional reason) in ultrastructure. The secondary layer of the dorsal valve grows together from flat crystals (up to 5p diameter) showing screw-like disloca- tions. The same layer of the ventral valve is formed later and has an irregular structure. Spiral crystals are not secreted in the ventral valve until the adult growth-stage is attained. The periostracum and primary layer are developed in both valves in a normal fashion. Fossil representatives, in which the ventral valve is partly or completely free, show the same ultrastructure in both valves. Infolge ganzflachiger Anheftung weicht die Ventralklappe von Crania anornula (Muller) nicht nur in Wuchsform, zeitlichem Ablauf der Kalzifikation und Verteilung der Endopuncta von der Dorsalklappe ab, sondern ohne erkennbare funktionelle Griinde auch in der Ultrastruktur. Wahrend die Sekundarschicht in der Dorsalklappe aus spezifischen, bis 5p groRen Kristallen mit Schrauben- versetzungen zusammenwachst, wird sie in der Ventralklappe verzogert und mit regelloser Struktur angelegt. Erst in adulten Wachstumsstadien konnen auch in der Ventralklappe spiralige Kristalle abgeschieden werden. Periostrakum und Primarschicht sind bei C. anomala normal entwickelt. Fossile Anpassungstypen der Craniacea, deren Ventralklappen nur punktformig oder uberhaupt nicht zementiert sind, zeigen in beiden Klappen dieselbe Ultrastruktur. Dietrich Schurnann, Geologisch-Palaontologisches Institut der Universitat, Sigmart- straJ3e 10, 74 Tubingen, den 20. Mai 1970. Unter den verschiedenen Anpassungstypen der Craniacea ist nur die Gat- tung Crania Retzius noch rezent vertreten. Die Anatomie von C. anomala Muller wurde von zahlreichen Autoren, insbesondere aber von Blochmann (1 892) in einer bisher unubertroffenen Grundlichkeit dargestellt. Auch uber den Schalenbau von Crania liegen ausfuhrliche Beobachtungen vor. Joubin (1886) beschreibt nfibres calcaires extrgmement fines . . .G, Bloch- ' mann (1892, S. 14, 15) verneint die Existenz solcher Strukturen und be- merkt, da13 die oKalkmasse eine eigentumliche Struktur zeigtcc und ))Kalk- lamellen fein gestreiftcc parallel zur Schalenoberflache verlaufen. Auch die Untersuchungen jungerer Autoren fuhrten uber diesen Kenntnisstand nicht hinaus. Rowel1 (1960) : )) . . . the calcite is secreted to form a confused aggre- gate of crystals an neither fibrous orientation of the crystal axes has been discerned.(( Erst elektronenmikroskopische Untersuchungen brachten zu- satzliche Kenntnisse. 26 - 1,ethaia 3 : 4

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INAQUIVALVER S C H A L E N B A U BE1 C R A N I A A N O M A L A

DIETRICH SCHUMANN

Schumann, D. : Inaquivalver Schalenbau bei Crania anmnala. [Konstruktions- Morphologie Nr. 31. Lethaia, Vol. 3 , pp. 413-421. Oslo, October 15th, 1970.

As a result of attachment over its entire surface, the ventral valve of the brachiopod Crania anonrala (Miiller) differs from the dorsal valve not only in growth form, time sequence of calcification, and distribution of endopuncta, but also (without ap- parent functional reason) in ultrastructure. T h e secondary layer of the dorsal valve grows together from flat crystals (up to 5p diameter) showing screw-like disloca- tions. The same layer of the ventral valve is formed later and has an irregular structure. Spiral crystals are not secreted in the ventral valve until the adult growth-stage is attained. The periostracum and primary layer are developed in both valves in a normal fashion. Fossil representatives, in which the ventral valve is partly or completely free, show the same ultrastructure in both valves.

Infolge ganzflachiger Anheftung weicht die Ventralklappe von Crania anornula (Muller) nicht nur in Wuchsform, zeitlichem Ablauf der Kalzifikation und Verteilung der Endopuncta von der Dorsalklappe ab, sondern ohne erkennbare funktionelle Griinde auch in der Ultrastruktur. Wahrend die Sekundarschicht in der Dorsalklappe aus spezifischen, bis 5p groRen Kristallen mit Schrauben- versetzungen zusammenwachst, wird sie in der Ventralklappe verzogert und mit regelloser Struktur angelegt. Erst in adulten Wachstumsstadien konnen auch in der Ventralklappe spiralige Kristalle abgeschieden werden. Periostrakum und Primarschicht sind bei C. anomala normal entwickelt. Fossile Anpassungstypen der Craniacea, deren Ventralklappen nur punktformig oder uberhaupt nicht zementiert sind, zeigen in beiden Klappen dieselbe Ultrastruktur.

Dietrich Schurnann, Geologisch-Palaontologisches Institut der Universitat, Sigmart- straJ3e 10, 74 Tubingen, den 20. Mai 1970.

Unter den verschiedenen Anpassungstypen der Craniacea ist nur die Gat- tung Crania Retzius noch rezent vertreten. Die Anatomie von C. anomala Muller wurde von zahlreichen Autoren, insbesondere aber von Blochmann (1 892) in einer bisher unubertroffenen Grundlichkeit dargestellt. Auch uber den Schalenbau von Crania liegen ausfuhrliche Beobachtungen vor. Joubin (1886) beschreibt nfibres calcaires extrgmement fines . . .G, Bloch-

' mann (1892, S. 14, 15) verneint die Existenz solcher Strukturen und be- merkt, da13 die oKalkmasse eine eigentumliche Struktur zeigtcc und ))Kalk- lamellen fein gestreiftcc parallel zur Schalenoberflache verlaufen. Auch die Untersuchungen jungerer Autoren fuhrten uber diesen Kenntnisstand nicht hinaus. Rowel1 (1960) : )) . . . the calcite is secreted to form a confused aggre- gate of crystals an neither fibrous orientation of the crystal axes has been discerned.(( Erst elektronenmikroskopische Untersuchungen brachten zu- satzliche Kenntnisse.

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Die Dorsalklappe

1. Das Periostrakum ist ca. 0.2-0,5 p dick und zeigt bei 20 000-facher Ver- groBerung eine rauhe, kornige Struktur. Es ist offensichtlich verkalkt, die kleinsten erkennbaren Strukturen haben einen Durchmesser von 0,05 p.

2. Die Primarschicht besteht aus einer ca. 10 p dicken, sehr lockeren An- haufung von radial angeordneten Kristalliten, von denen einzelne 4 p lang, sowie 0,5 p hoch und breit werden. Die grol3e Masse der Kristallite ist jedoch bedeutend kleiner (Abb. 7).

3 . Die Untersuchung der Sekundurschicht brachte ein uberraschendes Er- gebnis. Wahrend die Sekundarschicht fast aller hoher entwickelten Brachio- poden von durchziehenden Lamellen aufgebaut wird, besteht sie bei C. anomah aus versetzt schraubenformigen Kristallen (Abb. 2). Diese erreichen bei einem Enddurchmesser von ca. 5 p eine Hohe von durchschnittlich 0,3 p. Je nach Zahl der Kristallkeime pro Flachen-Einheit wachsen die Kri- stalle verschieden schnell zu einer relativ geschlossenen Schalenlage zu- sammen. Deshalb lassen sich die lose gefugten Schalenlagen nach den Seiten nicht einzeln, sondern nur pauschal verfolgen. Die Schalendicke ist altersabhangig ; neue Lagen werden immer auf der gesamten inneren Schalen- oberflache ausgeschieden. Eine 0,5 mm dicke Sekundarschicht besteht aus uber 1 000 Einzellagen. Schraubenversetzungen dieser Art sind von anorganischen Stoffen gut bekannt - siehe Wachstumsspirale von Karborund (Kleber 1961) und Magnesium-Zink-Eutektikum (Pfefferkorn & Blaschke 1967). In Molluskenschalen wurden sie bei Pinctata martensi und Potamides littoralis nachgewiesen (Wada, 1961 ; Taylor u.a. 1969).

Nach Jope (1965) hat die Schale von Crania anomala folgende chemische Zusammen- setzung: Nichtorganische Substanzen: 96,18'6 ; davon CaCO, 88,59;b, MgCO, 8,63:,, CaSO, 1,72';, Ca,P,O, 0,570/,, (Al, Fe)20, 0,27:,. Welcher der vorhandenen Losungs- genossen des Kalzits die Schrankenversetzungen verursacht, ist unbekannt. O b es sich bei den Spiralkristallen urn Einkristalle handelt, konnte nicht nachgewiesen werden. Zur Her- stellung von Kikuchi-Patterns sind die Kristalle zu klein (Durchmesser "). Versuche, einzelne Kristalle zu isolieren, schlugen fehl.

Die Ventralklappe

Dorsal- und Ventralklappe einer Art besitzen bei Brachiopoden normaler- weise denselben ultrastrukturellen Bau. Fur C. anomala gilt das nur mit wesentlichen Einschrankungen. Der oben beschriebene Bau gilt fur die Dorsalklappe. Die Ventralklappe besitzt unter einem ca. 1 p dicken Perio- strakum eine schwach entwickelte Primarschicht. Den wesentlichsten Unter- schied zeigt der Feinbau der Sekundarschicht. Sie besteht nicht aus parallel zur Schalenoberflache angeordneten flachen Kristallen und besitzt deshalb auch keine Lagen-Struktur. Statt dessen kalzifiziert die Sekundarschicht durch Abscheidung spatiger, und stengeliger Kristalle von 0,l-2 p Durch- messer. (Abb. 2). An verschiedenen Stellen sind sie zu regelrechten Whis- kers ausgezogen. Erst in adulten Wachstumsstadien konnen auch in der

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Abb. 1. Flache Kristalle mit Schraubenversetzungen sind die charakteristischen Bausteine der Sekundarschicht in der Dorsalklappe von C. anomala. Links unten: Mundung einer Endopore auf der Schalen-Innenseite. GPIT Stereoscan-Trager 283 Objekt 4, Negativ- Nr. 2318.

T h e secondary layer of the dorsal valve is built up by frat helicoidal calcite crystals which also coat the endopore opening on the lower left.

Ventralklappe die fur die Dorsalklappe charakteristischen Kristalle mit Schraubenversetzungen auftreten.

Diagenetische Einflusse - an die man bei der genannten Ultrastruktur der Ventralklappe zuerst denkt (vgl. Abb. 2) ~ kommen nicht in Betracht. Die Schalen wurden erst unmittelbar vor der Untersuchung vom Weichkorper isoliert.

Die Ursache fur die unterschiedliche Kalzifikation beider Klappen ist in der spezifischen ontogenetischen Entwicklung von C. anomala zu suchen. Als Anpassungstyp 1aBt sich C. anomala mit dem Gastropoden Patella ver- gleichen. Auf entsprechendem Untergrund bietet die Dorsalklappe dem Weichkorper vollkommenen Schutz, zu dem die VentralkIappe nichts bei- tragen kann.

Trotz intensiver Suche und langfristigen Aquariumsversuchen (Rowel1 1960 u.a.) ist die Larve von C. anomala bisher unbekannt geblieben. Das spricht fur ein auBerst kurzes freischwimmendes Larvenstadium. Die klein- sten bisher untersuchten Gehause haben bereits einen Durchmesser von 0,2-0,3 mm (Rowel1 1960 und eigene Untersuchungen). In diesem Stadium ist die Dorsalklappe schon mit den spiraligen Kristallen der Sekundarschicht ausgestattet, wahrend die Ventralklappe noch keinerlei Kalzifikation zeigt. Eine Anderung tritt erst bei einem Durchmesser von 3 4 mm ein. In diesem

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Abb. 2. Regellose Kristall-Anordnung ohne Lagenstruktur kennzeichnet die Ralzifikation der Ventralklappe von C. anomala. Hier: Typisch warzige Oberflache des randlichen Wulstes. GPIT Stereoscan-Trager 775, Objekt 7, Negativ-Nr. 9248.

Unlike the secondary layer of the dorsal aa lw, the secondary layer of the ventral valve grows up through edge-wise crystallites that are too irregular to form layers. Tubercular surface is typical for the marginal zone of both valves.

Stadium weist eine leichte WeiBfarbung des gewulsteten Randes in der Ventralklappe auf beginnende Kalzifikation hin; die Dorsalklappe ist zu diesem Zeitpunkt schon 0,3-0,4 mm dick. Der gesamte Restbereich der Ventralklappe ist noch von schleimiger Konsistenz und wird erst spater mit Kalzit durchsetzt. Diese nachtragliche Kalzifikation unterscheidet sich grundsatzlich von der dorsalen Schalenbildung.

Asynchrome Ralkabscheidung des dorsalen und ventralen Mantels und entsprechend heteromorphe Schalenstruktur sind von anderen Brachio- poden bisher unbekannt. Interessanterweise ist die ventrale Schalenbildung bei C. anomalu auch vom Substrat abhangig. An mehreren Fundpunkten zeigte sich ubereinstimmend, daR bei rauher Unterlage die Ventralklappe stets besonders dick ist. So werden die Ventralklappen von Individuen, die auf glatten Granitblocken siedeln, auch im adulten Stadium hochstens 1 mm dick, wahrend sie auf rauhen Bryozoenkrusten etc. haufig uber 2 mm er- reichen.

Ultrastrukturen bei anderen Anpassungstypen

Typische Ultrastrukturen, wie sie bei der Sekundarschicht von C. unomalu vorliegen, konnen wesentlich zur Klarung taxionomischer Fragen beitragen. Unkenntnis des verschiedenen iiltrastrukturellen Baues beider Klappen konnte dabei zu falschen Schlussen fuhren.

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Abb. 3. A. Primarschicht ; B. Sekundarschicht der Ventralklappe von Isocrania ignabergensis (Retzius), Maastricht, Belgien, GPIT Stereoscan-Trager 540, Objekt 2 und 4, Negativ- Nr. 8461 und 8542.

A. Primary layer; B. Secondary layer of the ventral valve of Isocrania ignahri-gensis (Re tz ius) I Maastrichtian, Belgium.

Abb. 4. Muskel-Ansatzflache: Der besseren Haftung dienen zusatzliche Kalkabscheidungen mit borstiger Oberflache, die von den Zellen des Muskelepithels sezerniert werden. Die Gliederung entspricht dem Epithel-Zellmuster. GPIT Stereoscan-Trager 772, Objekt 772, Negativ-Nr. 9261.

Muscle attachment : T h e polygonal pattern corresponds to the pattern of the epithelial cells of the myostracum. The polygonal grooves and the whisker-like surface structure seen at higher magnifications strengthen the connection between muscle and shell.

Ein unterschiedlicher Schalenbau beider Klappen ist aber nur bei solchen Formen zu erwarten, deren Ventralklappe sich mit der gesamten Flache an die Unterlage anschmiegt. Reizeichnenderweise sind von mehreren Gattungen gerade dieses Anpassungs-Typs die Ventralklappen unbekannt oder fehlen nachweislich: Acanthocvania Williams, Philhedva Koken, Ph'lhedvella Koz- lowski (vgl. Rowell 1965).

Diesem Anpassungs-Typ steht der von Orthisocrania Rowell und iso- crania Jaekel gegeniiber. Ovthisocvania zeigt auf keiner der Klappen eine Zementationszone. Das vollig storungsfreie Muster der zarten radialen und konzentrischen Berippung weist auf eine freiliegende Lebensweise. Isocrania besitzt zwar eine kleine Zementationsflache, der groBere Teil der Ventral- klappe wuchs jedoch frei. Gattungen dieses Typs sind im Gegensatz zu

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Abb. 5. Kissenartige Abscheidungen des Muskelepithels in der Ventralklappe von C. anomata. GPIT Stereoscan-Trager 773, Negativ-Nr. 9256.

Pillow-shaped secretions of the muscle epithelium in the ventral nahe of C . anomala.

C. anomala deutlich bilateralsymmetrisch und beide Klappen gleichen sich von Anfang an in Zuwachsrate und Ultrastruktur. So besitzen die ordo- vizische Orthisocrania planissima (Eichwald) und die kretazische Isocrania ignabergensis Retzius in beiden Klappen Schalenstrukturen, die denen der Dorsalklappe von C. anomala vergleichbar sind (Abb. 3).

Im Bereich der Muskelansatzstellen treten fossil und rezent selrundare Kalkabscheidungen auf, die fruher als prismatisch beschrieben wurden (Blochmann 1892, S. 15 und Abb. 26). Es handelt sich dabei um Abschei- dungen der unmittelbar der Schale anliegenden Epithelzellen, an die sich jeweils eine Gruppe von Muslrelfasern anschlient. Stereoscan-Aufnahmen (Abb. 4) zeigen, daD es sich um warzenformige Gebilde von verschiedenem UmriD und einem maximalen Durchmesser von 10 p handelt. Ihre borstig zerkluftete Oberflache (stengelige Aggregate) verstarkt die Anheftung des Muskelepithels. Bei dunnen Schalen sind die Abscheidungen des Muskel- epithels einfach aufgelagert ; bei dicken Schalen liegen sie in Hohlungen und bilden kissenartige Strukturen (Abb. 5).

Schalen-Perforationen (Endopuncta)

Die Polaritat von Gehause-Morphologie und Ultrastruktur - bedingt durch ganzflachige Anheftung der Ventralklappe - spiegelt sich auch in Anlage und Zahl der Endoporen beider Klappen wider. Die Dorsalklappe von C. ano- mala ist mit einer relativ konstanten Zahl von ca. 300 Poren pro mm' aus- gestattet. Die Poren sind auch im Rereich der Muskelfelder vorhanden und werden von den sekundaren Abscheidungen des Muskelepithels nicht aus- zementiert, sondern nur lose uberdeckt.

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Abb. 6. Endopuncta mit Endverastelungen in der Dorsalklappe von C. anomala. Entkalktes Kunstharz-Praparat. GPIT Stereoscan-Trager 769, Negativ-Nr. 9262.

Decalcified plastic mould of arborescent endopuncta in the dorsal eialzle. In addition to the external branching, neighbouring papillae may coalesce during subsequent wall thickening.

Die distalen Endverzweigungen (arborescent endopuncta) sind Abfor- mungen entsprechend gestalteter Mantelpapillen, die bereits am unver- kalkten Schalenrand vollstandig entwickelt sind (Abb. 6). Ihre radiare An- ordnung in den Furchen des Klappenrandes bewirkt die spatere zentrifugale Vergenz (vergl. Blochmann 1892, S. 15, Taf. 2, Fig. 22-25). Haufig ver- schmelzen die proximalen Abschnitte benachbarter Mantelpapillen mit zu- nehmender Schalendicke. Durch eine gemeinsame Furche verbundene Porenpaare der Schalen-Innenseite weisen auf eine gerade beginnende Ver- schmelzung. Der Poren-Durchmesser (Schalen-Innenseite) schwankt zwi- schen 1 und 40 p, betragt jedoch bei uber 90 76 ca. 10 p.

Wahrend in der Dorsalklappe von C. anomalu die Poren gleichmaoig verteilt sind und kein mmz porenfrei bleibt, schwankt in der Ventralklappe deren Zahl und Anordnung betrachtlich.

Bei mehreren Schalen wurden 28-30 Poren pro mm' gezahlt, d. h. ca. 10 7; des Wertes der Dorsalklappe. GroBe Bereiche bleiben porenfrei, an anderen tritt eine auffallige aber regellose Poren-Haufung auf. Da distale Verzweigungen in der Ventralklappe fast ganz fehlen, handelt es sich hier um rudimentare Poren.

Funktion der Perforationen

Aquariums-Untersuchungen an der ebenfalls endopunktaten Macandrevia cranium (Miiller) ergaben, daB die Poren offensichtlich dem Stoffaustausch dienen (Publikation in Vorbereitung).

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d b b . 7. Periostrakum (rechts) und darungerliegende Primarschicht der Dorsalklappe von C. anomala. Endverastelungen der Endoporen fuhren bis in die Primarschicht. Struktur und Dicke des Periostrakums behindern den Stoffaustausch zwischen Tier und Umgebung nicht. GPIT Stereoscan-Trager 283, Objekt 3, Negativ-Nr. 2278.

In the primary layer (appearing on the left side under a periostracal cover) the elongate crys- tallites are loosely packed. The soft parts can communicate wi th the sea water through the peviostracum.

Da die Summe des Durchmessers der Endverastelungen einer Pore ungefahr dem Porendurchmesser auf der Schalen-Innenseite entspricht, laRt sich die Kontaktflache einfach berechnen. Gehause von ca. 5 mmL Oberflache besitzen auf der Schalen-Innenseite der Dorsalklappe ca. 6 000 Poren von ca. 10 p Durchmesser. Nach xr2 (Kreisinhalt) ist somit die au8ere Kontaktflache 3,14\, 25 6000=471 000 p-’=ca. + mm?. Da von den feinen Endverastelungen zahlreiche Protoplasmafortsatze in die Primarschicht hineinfiihren, ist der errechnete Ausgangswert wesentlich zu erhohen. Struktur und Dicke des Periostrakums behindern Diffusionsvorgange nicht, obgleich es eine geschlossene CuBere Decke bildet. (Abb. 7). Die Endo- puncta befahigen die Tiere, auch in geschlossenem Zustand einen mini- malen Stoffaustausch aufrecht zu erhalten. Diese Funktion erklart auch den rudimentaren Charakter der Poren in der Ventralkappe. Bezeichnender- weise erhoht sich die ventrale Porenzahl, wenn C. anomala auf rauhen Krus- ten mit konimunizierenden Systemen siedelt (z. B. Bryozoen/Polychaeten- Krusten).

Andere Anpassungs-Typen (vergleiche Isouania und Ovthisorrania) zeigen in Bau und Verteilung der Endopuncta keine mit C. anomala vergleichbaren Unterschiede.

Das rezente Material von C . anomala wurde wahrend Aufenthalten bei der Biologisk Stasjon Bergen (Norwegen) und der Station marine d’Endoume (Marseille) geborgen. Fur die groRzugige Unterstutzung durch die Herren Prof. Dr. H. Brattstrom (Bergen), Prof. Dr. J.M. PCrk und Dr. H. Zibrowius (Marseille) sei an dieser Stelle herzlichst gedankt. Herrn Prof. Dr. A. Seilacher (Tubingen) danke ich fur zahlreiche Ratschlage und die kritische Durchsicht des Manuskripts. Die Untersuchungen wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstutzt.

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