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KorrespondenzadresseProf. Dr. B. HomeyHautklinik der Heinrich-Heine-UniversitätMoorenstr. 5, 40225 Dü[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
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Hautarzt 2010 · 61:831–833 · DOI 10.1007/s00105-010-2046-0 · Online publiziert: 25. September 2010 · © Springer-Verlag 2010
E. Mühlenstädt · S. Eigelshoven · N.P. Hoff · J. Reifenberger · B. Homey · D. Bruch-GerharzHautklinik des Universitätsklinikums Düsseldorf
Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger-Syndrom)
Anamnese
Ein 2 Wochen alter weiblicher Säugling in gutem Allgemeinzustand wurde mit seit dem 2. Lebenstag bestehenden, überwie-gend linear angeordneten Hautverände-rungen am rechten Bein in unserer Kli-nik vorgestellt. Nach komplikationsloser Schwangerschaft war in der 39. Schwan-gerschaftswoche eine spontane vaginale Entbindung erfolgt. Die nicht konsangu-inen Eltern russischer Abstammung wa-ren gesund, ohne Hinweis auf dermato-logische Erkrankungen. Bei den Großel-tern mütterlicherseits habe ein atopisches Ekzem bestanden, die weitere Familien-anamnese war unauffällig.
Hautbefund
Am rechten Bein mit Betonung des Un-terschenkels imponierten multiple erythe-matöse, teils mit gelblichen Krusten be-legte, teils diskret hyperpigmentierte Pa-peln und Plaques sowie einzelne Bläschen,
die entlang der Blaschko-Linien angeord-net waren (. Abb. 1). Hautanhangsge-bilde und sichtbare Schleimhäute wiesen keinen pathologischen Befund auf.
Nebenbefundlich fand sich am gesam-ten Integument eine diskrete feinlamelläre Schuppung.
Weitere Befunde
Die 2 Wochen nach Geburt durchgeführ-ten bakteriologischen, virologischen und mykologischen Untersuchungen des Ve-sikelinhaltes waren unauffällig. Die er-hobenen Routinelaborparameter zeigten keinen pathologischen Befund.
Dermatohistopatho-logischer Befund
Die feingewebliche Untersuchung einer Hautbiopsie vom rechten Oberschenkel zeigte ein diskret verbreitertes Epithel mit Spongiose und vereinzelten Dyskerato-sen. Daneben fanden sich im oberen und
Tab. 1 Klinische Manifestationen bei Incontinentia pigmenti [3, 6, 7]
Häufige Manifestationen
Haut Stadienspezifische Effloreszenzen entlang der Blaschko-Linien
Haare Alopezie
Nägel Onychodystrophie, -dyschromie
Zähne Zahnformanomalien, verzögerte Dentition, fehlende Zähne
Augen Ptosis, Katarakt, Optikusatrophie, retinale Gefäß- und Pigmentveränderungen, Strabismus, Myopie, Keratitis, Uveitis, Mikroophthalmus, Irishypoplasie, Nystagmus
Nervensystem Enzephalopathie, Epilepsie, Malformationen, motorische und geistige Retardie-rung, Mikrozephalus
Skelett-, Mus-kelsystem
Kleinwuchs, Kyphoskoliose, Hüftdysplasie, Chondrodysplasie, Syndaktylie, Myopa-thie
Seltene Manifestationen
Nägel Subunguale Tumore
Brust Hypo-, Aplasie, Brustwarzenanomalien
Herz Fallot-Tetralogie, Septumdefekt, persistierender Ductus arteriosus, Herzklappenin-suffizienz, pulmonale Hypertonie
Immunsystem Dysfunktion des Immunsystems mit erhöhter Inzidenz maligner Erkrankungen
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Zusammenfassung · Abstract
Hautarzt 2010 · 61:831–833DOI 10.1007/s00105-010-2046-0© Springer-Verlag 2010
E. Mühlenstädt · S. Eigelshoven · N.P. Hoff · J. Reifenberger · B. Homey · D. Bruch- Gerharz
Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger-Syndrom)
ZusammenfassungWir berichten über einen 2 Wochen alten weiblichen Säugling, bei dem seit dem 2. Le-benstag erythematöse, teils mit gelblichen Krusten belegte Papeln und Plaques sowie Bläschen in linearer Anordnung am rechten Bein bestanden. Die dermatohistopatholo-gische Untersuchung zeigte den Befund ei-ner Incontinentia pigmenti im entzündlichen Stadium. Bei der Incontinentia pigmenti han-delt es sich um eine seltene X-chromosomal-dominant vererbte Genodermatose mit Mu-tationen im NEMO-Gen (Xq28), die in variab-ler Expressivität die Haut, verschiedene Or-gansysteme, das Zentralnervensystem, die Augen, die Zähne und das Skelett betreffen kann. Der vorliegende Fallbericht fasst zen-trale Aspekte der Klinik und Diagnostik sowie die molekulargenetischen Grundlagen dieser seltenen Genodermatose zusammen.
SchlüsselwörterIncontinentia pigmenti · Bloch-Sulzberger-Syndrom · Dermatohistopathologische Untersuchung · Genodermatose · X-chromosomal-dominant
Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger syndrome)
AbstractA female infant, aged two weeks, present-ed with linear erythematous crusted papules, plaques and blisters on the right leg which had occurred two days after birth. Histolog-ical examination revealed typical features of incontinentia pigmenti in the inflammato-ry stage. Incontinentia pigmenti is a rare X-linked dominant genodermatosis caused by mutations in the NEMO gene located at Xq28 affecting the skin, different organ systems, the central nervous system, eyes, teeth and skeleton with variable expression. We sum-marize important clinical and diagnostic as-pects of incontinentia pigmenti as well as its genetic and molecular basis.
KeywordsIncontinentia pigmenti · Bloch-Sulzberger syndrome · Dermatopathologic examination · Genodermatosis · X-chromosomal dominant
mittleren Korium lymphohistiozytäre In-filtrate und vermehrt eosinophile Granu-lozyten. Zudem ließen sich diskrete Mela-ninpigmentablagerungen im oberen Kori-um nachweisen (. Abb. 2).
Diagnose
Incontinentia pigmenti.
Therapie und Verlauf
Zur Infektionsprophylaxe wurden im Be-reich der kutanen Läsionen desinfizieren-de und zudem im Bereich des gesamten
Integumentes pflegende Externa einge-setzt. Darüber hinaus erfolgte eine umfas-sende pädiatrische Diagnostik zum Aus-schluss weiterer Organmanifestationen, die bislang keinen pathologischen Befund ergab. Regelmäßige dermatologische und pädiatrische Untersuchungen des Kindes sowie eine humangenetische Beratung der Eltern werden durchgeführt.
Diskussion
Bei der Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger-Syndrom) handelt es sich um eine seltene, X-chromosomal-dominant
Abb. 1 9 Incontinen-tia pigmenti: klinisches Bild
Abb. 2 9 Incontinen-tia pigmenti: histolo-gisches Bild
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vererbte Genodermatose, die erstmals von Garrod [5] im Jahr 1906 beschrieben wur-de. Es handelt sich um eine ektodermale und mesodermale Dysplasie mit assozi-ierten systemischen Manifestationen, die in variabler Expressivität die Haut, ver-schiedene Organsysteme, das Zentralner-vensystem, die Augen, die Zähne und das Skelett betreffen kann [4, 8]. Das Eponym Bloch-Sulzberger-Syndrom bezieht sich auf die konkrete Beschreibung des Krank-heitsbildes durch Bloch 1926 und Sulzber-ger 1927 [2, 9].
Die Bezeichnung Incontinentia pig-menti hingegen leitet sich von dem cha-rakteristischen histologischen Merkmal der Pigmentinkontinenz ab, bei der Me-lanin aus der bei Blasenbildung zerstör-ten Basalzellschicht in das Korium ab-tropft [8].
Die Ursache der Incontinentia pig-menti sind heterogene Mutationen im NF-ĸB-essential-modulator(NEMO)-Gen auf Xq28, das die Expression von NF-ĸB steuert [4]. Bei der überwiegenden Zahl der Patienten liegt eine große intrage-nische Deletion von Exon 4–10 vor, die in der molekulargenetischen Analyse durch die Darstellung eines mutationsspezi-fischen Junktionsfragments nachgewie-sen werden kann.
Wegen des X-chromosomal-dominan-ten Erbganges tritt die Incontinentia pig-menti fast ausschließlich bei weiblichen Individuen auf. Im hemizygoten Zustand stellt die NEMO-Mutation einen Letal-faktor dar, sodass männliche Feten in der Regel zumeist bereits intrauterin wäh-rend der Embryonalentwicklung verster-ben. In seltenen Fällen, z. B. bei Vorliegen eines Klinefelter-Syndroms (47, XXY-Ka-ryotyp) oder einer frühen somatischen Mutation ist jedoch ein Überleben mög-lich [4, 8]. Das typische Verteilungsmus-ter der Hautveränderungen entlang der Blaschko-Linien wird – wie auch bei an-deren X-chromosomal-gebundenen Er-krankungen – als Ausdruck eines funk-tionellen X-chromosomalen Mosaiks in-folge Inaktivierung jeweils eines X-Chro-mosoms (Lyon-Hypothese) während der Embryogenese angesehen.
Klinisch manifestieren sich die Haut-veränderungen der Incontinentia pigmen-ti üblicherweise bereits neonatal oder in-nerhalb der ersten Lebenswochen und fol-
gen einem charakteristischen Verlauf von 4, sich zum Teil überlappenden Stadien: Im initialen, entzündlichen Stadium ent-wickeln sich linear entlang der Blaschko-Linien der Haut angeordnete Erytheme, Vesikel und Bullae. Histologisch ist in die-sem Stadium eine Gewebseosinophilie ty-pisch, auch eine ausgeprägte Eosinophilie im peripheren Blut kann hinweisend sein. Im zweiten, hyperkeratotischen Stadium überwiegen Papeln und hyperkeratotische sowie verruköse Plaques, die im Verlauf abflachen und im dritten, hyperpigmen-tierten Stadium unregelmäßig bizarre, teils retikuläre Hyperpigmentierungen entlang der Blaschko-Linien hinterlassen. Das vierte, hypopigmentierte Stadium ist charakterisiert durch atrophe Hypo- bzw. Depigmentierungen in den betroffenen Arealen [1, 7].
Differenzialdiagnostisch findet man streifenförmige Pigmentverschiebungen auch bei genomischen Pigmentmosai-ken sowie bei fokaler dermaler Hypopla-sie und bei der Chondrodysplasia puncta-ta (Conradi-Hünermann-Syndrom).
Etwa 80% der Patienten mit Incont-inentia pigmenti weisen assoziierte sys-temische Manifestationen (. Tab. 1) auf: Bei ca. 65% der Patienten bestehen Zahnanomalien, bei 40% der Fälle treten eine Alopezie oder Nagelveränderungen (Onychodystrophie sowie -dyschromie) auf. Ophthalmologische Manifestationen (Ptosis, Katarakt, Optikusatrophie, reti-nale Gefäß- und Pigmentveränderungen u. a.) bestehen bei ca. 35% der Patienten. Zudem kann eine Zentralnervensystem- bzw. Skelettbeteiligung auftreten (30 bzw. 13%) in Form von Enzephalopathien, Epi-lepsie, Malformationen, motorischen und geistigen Retardierungen bzw. Klein-wuchs, Kyphoskoliose oder Hüftdysplasie. Seltenere Krankheitsmanifestationen sind subunguale Tumore, eine kardiale Beteili-gung oder eine Dysfunktion des Immun-systems mit erhöhter Inzidenz maligner Erkrankungen [3, 6, 7].
Insgesamt ist die Prognose der Incon-tinentia pigmenti entscheidend von den systemischen Manifestationen abhän-gig. So kann das klinische Erscheinungs-bild der Erkrankung von wenigen, kaum wahrnehmbaren kutanen Läsionen bis zum Vollbild mit schwersten Entwick-lungsstörungen variieren. Zur symptoma-
tischen Therapie der Hautveränderungen können v. a. im entzündlichen Stadium lo-kal und systemisch applizierte Glukokor-tikosteroide sowie zur Infektionsprophy-laxe antiseptische Externa eingesetzt wer-den. Eine humangenetische Beratung der Eltern sollte erfolgen. Regelmäßige päd-iatrische und dermatologische Kontrol-len der Patienten sind auch nach Abhei-lung der akuten Hautveränderungen un-abdingbar, um frühzeitig assoziierte sys-temische Manifestationen erkennen und ggf. behandeln zu können.
KorrespondenzadresseProf. Dr. D. Bruch-GerharzHautklinik des Universitätsklinikums DüsseldorfMoorenstr. 5, 40225 Dü[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
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