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1 Innovative Unternehmenskultur und professionelle Führung – entscheidende Bedingungen für eine erfolgreiche Zukunft? Dieter Frey, Claudia Peus und Eva Traut-Mattausch „Management is nothing more than motivating other people.” (Lee Iacocca, vormals CEO von Chrysler) 1. Einleitung Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch eine noch nie da gewesene Dynamik des Wandels. Während die Wirtschaft in den 50er und 60er Jahren noch durch ein kontinuierliches und stabiles Wachstum geprägt war, veränderten sich die Rahmenbedingungen in den letzten 20 bis 25 Jahren zunehmend diskontinuierlich. Getrieben durch die stärker werdenden Verflechtungen auf nationalen und internationalen Märkten stieg u.a. die Wettbewerbsintensität, die Unsicherheit bezüglich Marktveränderungen sowie der Rationalisierungs- und Konkurrenzdruck deutlich an. Aus diesen ständig im Wandel befindlichen Realitäten lassen sich neue Anforderungen an das Management ableiten: Um wirtschaftlich erfolgreich sein ist zum einen eine hohe Professionalität in der Unternehmensführung (Business Management) notwendig. Sie äußert sich z.B. darin, dass flexibel auf Marktveränderungen reagiert und innerhalb kurzer Zeiträume neue Strategien entwickelt werden. Um langfristig auf den dynamischen Märkten zu bestehen, muss aber auch die Menschenführung (People Management) professionell gestaltet sein, damit Mitarbeiter motiviert sind, Höchstleistungen zu erbringen. Die Bedeutung dieses zweiten Faktors für den Unternehmenserfolg wird durch eine Studie des Brookings Institute untermauert: Während 1982 die „hard assets“, d.h. die finanzielle und materielle Ausstattung noch 62% des Marktwertes eines Unternehmens ausmachten, waren es im Jahre 1992 nur noch 38% (Dzinkowski, 2000). Eine entscheidende Voraussetzung für langfristigen Erfolg in einer globalisierten Welt besteht also darin, eine innovative Unternehmenskultur zu schaffen und die Mitarbeiter durch professionelle Führung zu Spitzenleistungen zu motivieren. Was beinhaltet nun eine innovative Unternehmenskultur und wie sollte eine professionelle Mitarbeiterführung aussehen? Der Erstautor und seine Mitarbeiter haben in den letzten Jahren zwei Modelle entwickelt, die auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen konkrete Antworten auf diese Fragen geben: das Modell der Center of Excellence Kulturen (Frey, 1996a, b; 1998; Frey & Schulz-Hardt, 2000) und das Prinzipienmodell der Führung (Frey, 1996a, b; 1998; Frey, Kerschreiter & Mojzisch, 2001; Frey, Peus & Jonas, 2004). Beide Modelle werden im folgenden dargestellt. Dabei werden wichtige Aspekte des Modells in Kästen hervorgehoben bzw. zusammen gefasst. Anschließend werden mögliche Blockaden bei der Umsetzung sowie notwendige Bedingungen für die Einführung einer innovativen Unternehmenskultur sowie einer professionellen Mitarbeiterführung diskutiert. 2. Die Center of Excellence Kulturen Unter einem Center of Excellence verstehen wir Teams, Abteilungen oder ganze Unternehmen, die höchsten Standards verpflichtet und in diesen führend sind. Diese Spitzenleistung kann sich auf verschiedene Kriterien beziehen: Serviceleistungen, innovative

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Innovative Unternehmenskultur und professionelle Führung – entscheidende Bedingungen für eine erfolgreiche Zukunft? Dieter Frey, Claudia Peus und Eva Traut-Mattausch

„Management is nothing more than motivating other people.” (Lee Iacocca, vormals CEO von Chrysler)

1. Einleitung Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch eine noch nie da gewesene Dynamik des Wandels. Während die Wirtschaft in den 50er und 60er Jahren noch durch ein kontinuierliches und stabiles Wachstum geprägt war, veränderten sich die Rahmenbedingungen in den letzten 20 bis 25 Jahren zunehmend diskontinuierlich. Getrieben durch die stärker werdenden Verflechtungen auf nationalen und internationalen Märkten stieg u.a. die Wettbewerbsintensität, die Unsicherheit bezüglich Marktveränderungen sowie der Rationalisierungs- und Konkurrenzdruck deutlich an. Aus diesen ständig im Wandel befindlichen Realitäten lassen sich neue Anforderungen an das Management ableiten: Um wirtschaftlich erfolgreich sein ist zum einen eine hohe Professionalität in der Unternehmensführung (Business Management) notwendig. Sie äußert sich z.B. darin, dass flexibel auf Marktveränderungen reagiert und innerhalb kurzer Zeiträume neue Strategien entwickelt werden. Um langfristig auf den dynamischen Märkten zu bestehen, muss aber auch die Menschenführung (People Management) professionell gestaltet sein, damit Mitarbeiter motiviert sind, Höchstleistungen zu erbringen. Die Bedeutung dieses zweiten Faktors für den Unternehmenserfolg wird durch eine Studie des Brookings Institute untermauert: Während 1982 die „hard assets“, d.h. die finanzielle und materielle Ausstattung noch 62% des Marktwertes eines Unternehmens ausmachten, waren es im Jahre 1992 nur noch 38% (Dzinkowski, 2000). Eine entscheidende Voraussetzung für langfristigen Erfolg in einer globalisierten Welt besteht also darin, eine innovative Unternehmenskultur zu schaffen und die Mitarbeiter durch professionelle Führung zu Spitzenleistungen zu motivieren. Was beinhaltet nun eine innovative Unternehmenskultur und wie sollte eine professionelle Mitarbeiterführung aussehen? Der Erstautor und seine Mitarbeiter haben in den letzten Jahren zwei Modelle entwickelt, die auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen konkrete Antworten auf diese Fragen geben: das Modell der Center of Excellence Kulturen (Frey, 1996a, b; 1998; Frey & Schulz-Hardt, 2000) und das Prinzipienmodell der Führung (Frey, 1996a, b; 1998; Frey, Kerschreiter & Mojzisch, 2001; Frey, Peus & Jonas, 2004). Beide Modelle werden im folgenden dargestellt. Dabei werden wichtige Aspekte des Modells in Kästen hervorgehoben bzw. zusammen gefasst. Anschließend werden mögliche Blockaden bei der Umsetzung sowie notwendige Bedingungen für die Einführung einer innovativen Unternehmenskultur sowie einer professionellen Mitarbeiterführung diskutiert. 2. Die Center of Excellence Kulturen Unter einem Center of Excellence verstehen wir Teams, Abteilungen oder ganze Unternehmen, die höchsten Standards verpflichtet und in diesen führend sind. Diese Spitzenleis tung kann sich auf verschiedene Kriterien beziehen: Serviceleistungen, innovative

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Produkte, Adaptation an Marktveränderungen usw. (Frey, 1998; Frey et al., 2001). Eine derartige Spitzenleistung korrespondiert mit der Ausprägung sogenannter Center of Excellence Kulturen (siehe Abb. 1). 1. Kundenorientierungskultur 2. Benchmark-Kultur 3. Wertschöpfungskultur 4. Unternehmerkultur 5. Kulturen des Kritischen Rationalismus

a. Problemlösekultur b. Fehlerkultur c. Lern- und Zukunftskultur d. Streit- und Konfliktkultur e. Frage- und Neugierkultur f. Phantasie - und Kreativitätskultur

6. Team- und Synergiekultur 7. Zivilcouragekultur 8. Implementierungskultur 9. Rekreationskultur Abbildung 1: Kulturen für ein Center of Excellence (nach Frey, 1998) Kundenorientierungskultur Für die Umsetzung einer Kundenorientierungskultur ist es notwendig, dass jeder Mitarbeiter und jede Abteilung sich als sich als Service-Center definiert und das Ziel verfolgt, mit seinen Produkten, Prozessen und Dienstleistungen höchste Kundenzufriedenheit zu erreichen. Dabei entscheidet der Kunde über die Qualität der Leistungen, da er letztlich der Arbeitgeber ist. Absolute Kundenzufriedenheit ist oberstes Gebot. Sämtliche Prozesse müssen dahingehend überprüft werden, ob der Kunde bereit wäre, sie zu bezahlen. Jeder Mitarbeiter - ob mit oder ohne direkten Kundenkontakt - muss die Sorgen, Nöte und Bedürfnisse des Kunden kennen und Prozesse, Dienstleistungen und Produkte darauf abstimmen. Kundenorientierungskultur bezieht sich nicht nur auf den externen, sondern genauso auf den internen Kunden. Jeder Mitarbeiter, jede Führungskraft ist letztlich interner Kunde, der bedient werden muss, zugleich aber auch interner Lieferant, der andere bedienen muss. Jeder ist Erzeuger wie Empfänger von Serviceleistungen und muss sich entsprechend als „Servicecenter“ innerhalb der Firma verstehen. Selbstverständlich wird es immer einen Zielkonflikt geben zwischen Kundenorientierung auf der einen Seite und Wirtschaftlichkeitserwägungen auf der anderen Seite. Nicht jede Kundenanforderung kann umgesetzt werden, wenn der Kunde nicht bereit ist, diese zu bezahlen. Ziel sollte daher eine richtige Mischung sein, damit eine beiderseitige Zufriedenheit möglich ist. Benchmark-Kultur Mitarbeiter und Abteilungen einer Firma mit einer Benchmark-Kultur wissen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen. Sie orientieren sich an den Besten der Konkurrenz, um zu erkennen, welche Prozesse und Produkte im eigenen Unternehmen optimiert werden können (best practice). Als Benchmark können aber nicht nur die Spitzenunternehmen innerhalb oder außerhalb der eigenen Branche herangezogen werden, sondern auch die besten Bereiche innerhalb des eigenen Unternehmens. Lernfeld sind sämtliche Dimensionen und Aktivitäten innerhalb des eigenen Arbeitsbereichs. Dabei geht es nicht um eine Imitation, sondern darum Ideen aufzugreifen und für den eigenen Bereich zu adaptieren.

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Wertschöpfungskultur Jedem Mitarbeiter muss klar sein, welchen Beitrag er zur Wertschöpfung leistet: Er sieht das Ganze und weiß seinen spezifischen Beitrag einzuordnen. Jeder Prozess muss im Sinne einer Prozesskettenanalyse daraufhin analysiert werden, ob er zur Wertschöpfung etwas beiträgt - und ob der Kunde bereit wäre, jeden einzelnen Prozessabschnitt zu bezahlen. Tätigkeiten, die keinen Mehrwert produzieren, sollten möglichst eliminiert werden. Zur Wertschöpfungskultur gehört auch ein Höchstmaß an Professionalität bei der Implementierung von Projekten sowie bei der Durchführung von Sitzungen (hinsichtlich Zeitökonomie und Effizienz). Unternehmerkultur Jeder Mitarbeiter versteht sich als Unternehmer im Unternehmen. Alleine oder im Team, das seiner Persönlichkeit und seinen Talenten entspricht, ist er motiviert, Höchstleistungen zu erbringen und im Sinne eines Intrapreneurs eigene Entwicklungen voranzutreiben. Voraussetzung sind entsprechende Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen, die es durch unterstützende Strukturen zu fördern gilt. Gefordert und gefördert werden darüber hinaus unternehmerisches Denken und Handeln mit dem Ziel, die Qualität von Produkten und Dienstleistungen so zu verbessern, dass das Unternehmen vor den besten Konkurrenten liegt. Unternehmerisches Denken und Handeln verlangt Ganzheitlichkeit und Weitsichtigkeit in der Entscheidungsfindung (Einbezug vor- und nachgelagerter Prozesse), ständiges Informieren über den eigenen Aufgabenbereich hinaus sowie Eigeninitiative und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Grundvoraussetzung dafür, dass sich Mitarbeiter zu Unternehmern im Unternehmen entwickeln können, ist ein Menschenbild des Vorgesetzten, in dessen Mittelpunkt ein mündiger und motivierter Mitarbeiter steht (s. Abbildung 2).

Die Frage nach dem Menschenbild bzw. nach dem Anforderungsprofil für Mitarbeiter:

Welchen Mitarbeiter wollen wir?

Mündiger, selbständiger MA

• übernimmt Verantwortung• denkt mit• sieht über den Tellerrand hinaus• hat Selbstvertrauen• motiviert und begeistert• übt auch mal Kritik an Kollegen und

Vorgesetzten• fühlt sich verantwortlich für das Ganze• macht Verbesserungsvorschläge

Unmündiger, angepaßter MA

• Wartet ab, bis ihm gesagt wird, was er tun soll

• denktnur an sein Gebiet• ist verunsichert• macht nur das Allernotwendigste• ist kritikscheu• fühlt sich nicht verantwortlich• bringt keine Verbesserungsvorschläge

Es gilt: Die Führungskraft verdient die Mitarbeiter, die sie hat.

Es ist nicht zufällig, welchen Mitarbeitertypus man hat.

Genauso, wie der Englisch- und Geschichtslehrer uns motiviert oder aber demotiviert haben, gilt auch, dass Führungspersonen ihre Mitarbeiter demotivieren oder aber begeistern.

Abbildung 2: Menschenbild der Führungskraft im Center of Excellence Kulturen des kritischen Rationalismus Diese Kulturen gehen auf die Lehre des Philosophen Karl Popper zurück, der den kritischen Rationalismus vertreten hat (Popper, 1973 a, b). Nach ihm darf Wissenschaft nicht am

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Verifikationsprinzip (Bestätigungsprinzip) orientiert sein, sondern muss dem Falsifikationsprinzip (Widerlegungsprinzip) folgen. Diese Grundidee kann auch auf Unternehmen übertragen werden. Das bedeutet, es geht nicht darum, Bestehendes abzusichern (was gestern gut war, ist auch gut für morgen), sondern jeweils kritisch zu reflektieren, ob aufgrund veränderter Situationen, Märkte, Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse jeweils neuartige Problemlösungen initiiert werden müssen. Aus dem kritischen Rationalismus lassen sich folgende Kulturen ableiten: Problemlösekultur. Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Jedes Mitglied eines Spitzenunternehmens muss sich deshalb als Problemlöser und nicht nur als Problemthematisierer verstehen. Probleme sind als Chance und Herausforderung zur Weiterentwicklung zu betrachten. Mitarbeiter müssen in Möglichkeiten, statt in Schwierigkeiten denken. Sie müssen entscheiden, ob sie ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösung sein wollen. Jeder Mitarbeiter, der Probleme definiert, muss sich verantwortlich dafür fühlen, auch Lösungsvorschläge zu entwickeln. Ziel wäre, dass eine gemeinsame Überzeugung „wir sind Weltmeister im Problemlösen“ entsteht. Eine solche Mentalität oder ein solches Selbstverständnis hat direkte Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Probleme gelöst werden. So hat Dweck (1991) in ihren Untersuchungen festgestellt, dass Personen (bei gleicher Intelligenz) wesentlich besser Probleme lösen können, wenn sie über sogenannte Bewältigungskognitionen („ich kann es“, „ich versuche es“, „ich bin optimistisch“, „ich werde auch bei Misserfolgen nicht nachlassen“) verfügen im Vergleich zu Personen mit sogenannten Hilflosigkeitskognitionen („das versuche ich erst gar nicht“, „ich werde doch scheitern“, „ich habe das noch nie gemacht“). Wenn alle Mitglieder einer Organisation in Bewältigungskognitionen denken, wird nicht mehr in Problemen, sondern in Problemlösungen gedacht. Fehlerkultur. In einer konstruktiven Fehlerkultur werden Fehler nicht ignoriert, nicht vertuscht oder mit Schuldzuweisungen verbunden. Vielmehr werden sie als Chance gesehen, Fehlentscheidungen kritisch zu reflektieren und in Zukunft bessere Lösungen zu finden. In einem Center of Excellence werden Fehler als Möglichkeit zur kontinuierlichen Entwicklung betrachtet, so dass ein erneutes Auftreten des Fehlers verhindert wird. Eng verwandt sind Beschwerdekulturen, in denen Mängel von internen oder externen Kunden selbstkritisch und ohne negative Konsequenzen analysiert und konstruktiv beseitigt werden. Beschwerden und Ärgernisse sowohl von Mitarbeitern als auch von Kunden und Lieferanten sind ein Alarmsignal und zugleich eine Chance für Verbesserungen. Jedes Spitzenunternehmen wird deshalb Strategien entwickeln (Beschwerdebücher, Beschwerdetelefone mit direktem Zugang zur Geschäftsführung), um aus Beschwerden und Ärgernissen zu lernen. Wichtig für den Umgang mit Fehlern ist die Erkenntnis, dass Menschen oft defensiv reagieren, wenn man sie auf Fehler hinweist. Um dies zu vermeiden, sollten stets positive Formulierungen verwendet werden. Zum Beispiel: „ich habe eine Verbesserungsidee“ oder „Was halten Sie von folgender Verbesserung?“ oder „Könnte man es nicht auch so machen...?“ im Gegensatz zu Äußerungen wie "Sie haben einen Fehler gemacht", der Personen in die Defensive treibt. Um eine konstruktive Fehlerkultur in Unternehmen einzuführen, haben sich folgende Techniken als effizient erwiesen: - Mängellisten: Jeder Mitarbeiter führt einen Notizblock bei sich, auf dem er permanent

Störquellen, Ärgernisse, Doppelarbeit, Blindarbeit, fehlende Kommunikation, Kundenbeschwerden, usw. aufnotiert und in wöchentlichen Teamsitzungen artikuliert und

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neue Problemlösungen bereitstellt. Diese konstruktive Fehlerkultur kann nicht nur im Team angewandt werden, sondern jeder kann sie für sich selbst umsetzen.

- Pinnwände: Die Mitarbeiter notieren auf einer Pinnwand Defizite und Verbesserungsvorschläge.

- Tagesreflexion, Projektreflexion, Sitzungsreflexion: Die Mitarbeiter werden ermuntert darüber zu reflektieren, was an einem bestimmten Tag, in einer Sitzung oder einem Projekt gut lief, was also bewahrt werden sollte; anschließend soll reflektiert werden, was nicht optimal lief und was verbessert werden sollte. Wichtig ist, immer mit dem Positiven zu beginnen - um sich von einer Position der Stärke her auch für Defizite öffnen zu können. Ohne Reflexion keine Verbesserung!

- Einführung des Fehlers des Monats, der Fehlentscheidung des Jahres: Durch Ursachenanalyse (statt Schuldzuschreibungen) lassen sich Fehler in der Zukunft vermeiden.

- 5 Warum-Fragen bei Fehlern: Es werden nacheinander fünf Fragen gestellt, damit das Problem nicht nur oberflächlich behandelt wird. Die erste Frage bezieht sich auf die Ursache des Fehlers (z.B. der zuständige Mitarbeiter war im Urlaub), die nächste darauf, warum dies zu dem Fehler geführt hat (z.B. warum hat seine Vertretung die Aufgabe nicht übernommen?) usw.. Ziel ist es dabei, von Symptomen wegzukommen und stattdessen Ursachenanalyse zu betreiben. Wer die 5 Warum-Fragen stellt, wird vermutlich den Kern des Fehlers eher ermitteln und somit auch zukünftige Fehler eher vermeiden können.

Lern- und Zukunftskultur. Nur wenn Erfahrungen permanent ausgewertet und in den eigenen Wissensschatz und Kompetenzbereich integriert werden, kann eine lernende Organisation entstehen, die sich stetig weiter entwickelt (vgl. Senge, 1994). Auf der ständigen Suche nach besseren Lösungen werden Probleme gemeinsam thematisiert, analysiert und gelöst. Wichtiger Bestandteil einer Lernkultur ist die Gewährleistung, dass das, was ein Mitarbeiter in einem Team oder in der Firma an neuen Erkenntnissen gewinnt, in möglichst kurzer Zeit allen anderen Mitarbeitern zugänglich gemacht wird. Dies bedeutet, dass auch technische Möglichkeiten unterstützt werden, die diese Art von Informationsfluss ermöglichen (Lernende Organisation). Das Topmanagement wie die Führungskräfte und letztlich jeder einzelne Mitarbeiter dürfen nicht in der Gegenwart verharren, sondern müssen Zukunftsziele definieren. Zukunfts- und Lernkultur impliziert die Wahrnehmung der Entwicklung von Konkurrenten und Kunden, sowie die Nutzung neuer Märkte, technischer Entwicklungen, usw. In der Zukunftskultur sehen Topmanagement, Führungskräfte und Mitarbeiter über den Tellerrand hinaus. Mit dem Erlernen fremder Sprachen und dem Kennenlernen anderer Kulturen werden sie der zunehmenden Globalisierung nicht nur im Wirtschaftsleben gerecht. Zu einer Lernkultur gehört vor allem auch die Bereitschaft einzusehen, dass der Erfolg von heute der erste Schritt zur Niederlage von morgen sein wird, wenn man aufhört, sich zu verbessern. Es kommt dann nämlich zur gelernten Sorglosigkeit, wie sie in dem Modell der gelernten Sorglosigkeit von Frey und Schulz-Hardt (1997) beschrieben wird. Streit- und Konfliktkultur. Konflikte gehören zum Arbeitsalltag. Daher ist nicht der Konflikt selbst, sondern die Art des Umgangs, die Konfliktaustragung, entscheidend. Interessenskollisionen und Konflikte können - als Chance erkannt - konstruktiv gelöst werden. Sie führen - anstatt Energie abzuziehen oder gar Stagnation oder Rückschritt zu bewirken - oft sogar zu Prozess- und Produktinnovationen. Dies setzt allerdings voraus, dass Konflikte durch eine konstruktive und kooperative Austragung als Motor des Wandels fungieren. Es muss einem Kritisierten auch möglich sein, Vorwürfe konstruktiv zurückzuweisen oder ungerechtfertigte Kritik zu korrigieren, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Falsche Harmonie genauso wie starre Konfrontation führen dazu, dass

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Warnsignale für Fehlentwicklungen ignoriert werden. In einer konstruktiven Konfliktkultur müssen daher auch Querdenken, Zivilcourage und konstruktiver Eigensinn gefordert und gefördert werden; allen voran ist auch hierbei wieder das Topmanagement gefragt. Dort, wo keine Streit- und Konfliktkultur besteht, wo man z.B. bei Kritik sofort „schmollt“ und diese persönlich nimmt, kann es nicht zu kontinuierlicher Entwicklung und Verbesserung kommen. Von Partnerschaften weiß man, dass es in guten Partnerschaften genauso viele Konflikte gibt wie in schlechten Partnerschaften - nur die Konfliktaustragung untersche idet sich wesentlich: In guten Partnerschaften geht es um eine Ursachenanalyse und um die Reflexion darüber, wie man zu gemeinsamen Lösungen kommt, ohne dabei der Illusion zu verfallen, dass damit „das Himmelreich auf Erden“ erreicht ist. Bei schlechten Partnerschaften ist dagegen eine sehr persönliche, emotionale Konfliktaustragung kennzeichnend (Hahlweg, 1986; Hahlweg, Feinstein & Müller, 1987). Frage- und Neugierkultur. In einer Frage- und Neugierkultur werden Mitarbeiter ermutigt und aufgefordert, Fragen zu stellen. Keine Frage ist tabu - die gefragte Führungskraft entscheidet selbst, wie viel und was sie antwortet. Wichtig ist nur, dass sie ihre Antwort oder fehlende Antwort begründet. Frage- und Neugierkultur heißt aber auch „Führen durch Fragen“. Die Führungsperson fragt beim Mitarbeiter nach und erkundigt sich nach seiner Welt (Wo werden Kreativität und Motivation blockiert? Wo entstehen Störquellen? Was würden Sie anders machen, wenn Sie in meiner Position wären? etc.). Sie reagiert mit Entwurf und Umsetzung entsprechender Verbesserungen. In vielen Unternehmen heißt es allerdings „Tue Deine Arbeit und stelle keine unnötigen Fragen“. Durch so eine Haltung wird sich aber nie ein Unternehmer im Unternehmen entwickeln. Phantasie- und Kreativitätskultur. Flexibilität im Denken und Verhalten ist dringend erforderlich - starres Perfektionsstreben tötet Kreativität und Innovation! Gefragt sind Querdenken, Phantasie und Kreativität; schöpferisches Chaos muss gefördert werden. Es geht darum, Regeln zu minimieren, bei Vorschriften Ausnahmen zuzulassen und Querdenkern und vorausschauenden Systemdenkern mehr Raum und Aufmerksamkeit zu geben. Auf der Suche nach neuen Lösungen werden auch unbekannte Wege beschritten, Risikobereitschaft, Erfindergeist und unkonventionelle Ideen sind wichtige Wegbegleiter. Spielerisches Ausprobieren, Experimentieren, Phantasieren und das Schaffen entsprechender Freiräume sind wesentliche Erfolgsfaktoren, die - gepaart mit der entsprechenden Durchsetzungskraft - auch innovative Produkte, Prozesse und Dienstleistungen entstehen lassen: Aus Ideen werden Innovationen. Die zugrundeliegende Idee ist dabei Einsteins Auffassung, dass es uns nicht an Wissen fehlt, sondern an Phantasie; diese Phantasie müssen Führungskräfte nicht nur zulassen sondern auch fördern. Team- und Synergiekultur Spitzenleistungen werden vor allem dann erbracht, wenn heterogene Talente in Teams ergänzend zusammenarbeiten. Dies bedeutet, dass Teammitglieder hinsichtlich ihrer Ausbildung, Persönlichkeit und ihres Hintergrunds heterogen sind, sich aber gemeinsamen Werten und Spielregeln verpflichtet fühlen. Teams, die Spitzenleistungen erbringen, setzen sich - vereinfacht dargestellt - häufig aus vier verschiedenen Persönlichkeitstypen zusammen (s. Abbildung 3). Zum einen gibt es den Perfektionisten, der stets hundertprozentige Lösungen anstrebt und dabei bemüht ist, alle Regeln und Bestimmungen einzuhalten. Ihm entgegengesetzt ist der Macher-Typ, der sich hauptsächlich für die schnelle Umsetzung von Ideen einsetzt. Weiterhin gibt es den Kreativling, der sich häufig über Rahmenbedingungen hinwegsetzt, dessen Ideen für eine innovative Unternehmenskultur aber unersetzlich sind. Da die bisher genannten Persönlichkeitstypen sehr unterschiedliche Ziele (z.B. perfekte

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Lösungen, schnelle Umsetzung oder Ideenvielfalt) anstreben und auch von ihrem Wesen her sehr verschieden sind, ist eine Person, die alle anderen zu einem Team integrieren kann, für das effiziente Arbeiten notwendig. Dies ist die Rolle des Partners. Der Partner-Typ besitzt besondere kommunikative und interpersonale Fähigkeiten, vermittelt bei Konflikten, bestärkt die gemeinsame Identität der anderen Team-Mitglieder und fördert dadurch Synergie-Effekte im Team.

Abbildung 3: Persönlichkeitstypen in effizienten Teams Synergie bedeutet, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Dies ist dann der Fall, wenn eine Addition der Erfolge der einzelnen Teammitglieder weniger ist als der Erfolg des ganzen Teams. Andere Sichtweisen zu sehen und Vernetzungen anzuerkennen ist eine Voraussetzung für Synergie. Die einzelnen Teammitglieder sollen sich sozial-emotional verbunden fühlen. Nicht nur die fachliche Passung, sondern auch die menschliche Passung ist also wichtig. Die Zusammenarbeit ist von allgemein anerkannten Werten geprägt. Konstruktive Kritik, offenes und zivilcouragiertes Ansprechen von Konflikten sowie Toleranz anderen Standpunkten gegenüber sind Bestandteile effektiver Teams. Es geht darum, beständig zu reflektieren, wie man sich auf der Beziehungs- und auf der Sachebene verbessern kann. Andererseits geht es auch um die Fähigkeit des Teams zu reflektieren, wo die Stärken und Schwächen sind, und wie die Stärken erhöht und die Schwächen minimiert werden können (Teamreflexivität; West, 1997). Zivilcouragekultur In sehr vielen Firmen werden vorauseilender Gehorsam und angepasstes Denken belohnt. Dies fördert unkritisches Entscheidungsverhalten; bestehende Krisen verschärfen sich, und Neuerungen haben keine Chance. In einer Zivilcouragekultur sind dagegen konstruktiver Eigensinn, der Mut zu widersprechen, das Vertreten des eigenen Standpunkts nach oben wie nach unten gefordert. Wichtig bei der Zivilcouragekultur ist vor allem das Vorbildverhalten. Die Milgram-Studien zu blindem Gehorsam und Zivilcourage zeigen z.B., dass die Quote von 85% von sogenannten Lehrern (Versuchspersonen), die ihren sogenannten Schülern (Verbündete des Versuchsleiters) tödliche Elektroschocks vermitteln, dann auf 15% reduziert wird, wenn ein Strohmann des Versuchsleiters (als Vorbild) dieses Verhalten verweige rt (Günther, 1994). Insofern ist das Lernen am Modell bzw. an Vorbildern ein zentraler Baustein für die Umsetzung einer Zivilcouragekultur (vgl. Frey, Brandstätter, Peus & Winkler, 2004). Implementierungskultur Entscheidend für jegliche Veränderungs- und Optimierungsprozesse in Unternehmen ist das Vorhandensein einer Implementierungskultur. Diese beinhaltet klare Strukturen und Prozesse, wie Entscheidungen und neue Ideen umgesetzt werden sollen und wann und wie ihre Umsetzung zu einem späteren Zeitpunkt zu bewerten ist. Wichtig ist dabei, dass Transparenz darüber herrscht, wer für die Umsetzung einzelner Schritte verantwortlich ist.

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Rekreationskultur Jeder Mitarbeiter möchte als Ganzes gesehen und wertgeschätzt werden. Daher darf er nicht als „bloßes Output-Instrument“ betrachtet werden, das fortlaufend über unbegrenzte Energieressourcen verfügt, um Verbesserungen zu genieren und umzusetzen sowie Spitzenleistungen zu erbringen. Daher spielt die Betonung rekreativer Aspekte im Arbeitsalltag eine wichtige Rolle. Freiräume zur Regenerierung sollten geschaffen werden, damit Sättigungseffekte minimiert werden (vgl. Meinken, Rott & Frey, 1998). Wichtig ist auch, dass Mitarbeiter Erfolgserlebnisse haben, damit langfristig der Spaß an der Arbeit erhalten bleibt: Erfolg führt Energie zu, Erfolg nährt den Erfolg. Die gemeinsame Lösung schwieriger Probleme verschafft Teams neue Motivation und Stolz. Es gilt zu reflektieren, was man geleistet hat und dann auch innezuhalten, um darüber nachzudenken, welche nächsten Herausforderungen man angehen möchte. Notwendige Bedingung für die Umsetzung der genannten Unternehmenskulturen ist die Wahrnehmung veränderbarer und nicht veränderbarer Welten. Sehr oft haben Mitarbeiter und Führungskräfte diffuse Vorstellungen darüber, ob die Welten, in denen sie agieren, veränderbar (VW) oder nicht veränderbar (UVW) sind. Die Unterscheidung bezieht sich sowohl auf Situationen, Kulturen, Strukturen, Personen etc.. Gerade in Situationen, in denen viel gejammert und stets darauf hingewiesen wird „bei uns geht das nicht“ ist eine Klarheit darüber, welche Bedingungen verändert werden können – und wo sich somit die Investition von Ressourcen lohnt – und welche Realitäten nicht verändert werden können, ein entscheidender Faktor für Veränderungen. Die gewonnene Klarheit in den Köpfen von Mitarbeitern und Führungskräften ermöglicht es, gezielt auf die veränderbaren Realitäten einzuwirken (change it), die unveränderbaren Welten dagegen zu akzeptieren (love it) oder sie soweit wie möglich zu ignorieren (leave it) (s. Abbildung 4).

Veränderbare und nicht veränderbare Welten

Love it,Change it,Leave it

Love it,Change it,Leave itun-

veränder-bare

Welten

veränder-bare

Welten

zwei bis drei Lösungs-schritte generieren

zwei bis drei Lösungs-schritte generieren

Abbildung 4: Differenzierung zwischen veränderbaren und nicht veränderbaren Welten

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Neben der Unterscheidung zwischen veränderbaren und nicht veränderbaren Welten ist die Umsetzung zentraler Führungsprinzipien entscheidend dafür, ob fortschrittliche Unternehmenskulturen in einer Organisation umgesetzt werden oder nicht. Die Führungsprinzipen, an denen Vorgesetzte ihr Verhalten orientieren können, werden daher im folgenden Abschnitt vorgestellt. 3. Das Prinzipienmodell der Führung Das Prinzipienmodell der Führung von Frey (1996a, b; 1998; Frey et al., 2001) stellt ein Rahmenmodell dar, das unterschiedliche Führungsmodelle integriert und dabei empirische Ergebnisse zu verschiedensten Bereichen der Mitarbeiterführung aufgreift. In Abbildung 5 sind die Prinzipien des Modells dargestellt. Die Umsetzung der Prinzipien beeinflusst sowohl die Einstellung und die Motivation (z.B. Arbeitszufriedenheit, Leistungsmotivation) als auch das Verhalten der Mitarbeiter (z.B. Absentismus, Kreativität) (vgl. Peus, Traut-Mattausch, Kerschreiter, Frey & Brandstätter, 2004). 1. Prinzip der Sinn- und Visionsvermittlung 2. Prinzip der Transparenz (Information und Kommunikation) 3. Prinzip der Autonomie und Partizipation 4. Prinzip der konstruktiven Rückmeldung (Lob und konstruktive Kritik) 5. Prinzip der fachlichen und sozialen Einbindung (Teamarbeit, gutes Betriebsklima) 6. Prinzip der Passung und Eignung (Komfortzonen / Spaß an der Arbeit) 7. Prinzip der optimalen Stimulation durch Zielvereinbarung 8. Prinzip der positiven Wertschätzung 9. Prinzip der Fairness (Ergebnisfairness, prozedurale Fairness, informationale Fairness, interaktionale

Fairness) 10. Prinzip der Persönlichkeitsentfaltung und der menschengerechten Arbeitsbedingungen 11. Prinzip der situativen Führung und des androgynen Führungsstils 12. Prinzip des guten Vorbildes der Führungsperson (menschlich, fachlich) 13. Prinzip der fairen materiellen Vergütung Abbildung 5: Grundsätze des Prinzipienmodells (nach Frey, 1998) Das Prinzipienmodell der Führung stellt Anforderungen an den Vorgesetzten, die über die von anderen Führungsmodellen geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten weit hinaus gehen. Mit der Grundannahme, dass die Führungskraft den Mitarbeitern ein hohes Maß an Partizipationsmöglichkeiten gewähren und sie als Coach und Mentor fördern sollte, wird das Prinzipienmodell den Forschungsarbeiten zum Wertewandel gerecht: seit den 60er Jahren hat die Bedeutung von Pflicht- und Akzeptanzwerten stark nachgelassen, zugunsten von Selbstentfaltungs- und Selbstverwirklichungswerten (Frey, 1995; Opaschowski, 1987). Das bedeutet, Mitarbeiter sind in zunehmendem Maße daran interessiert, sich an ihrem Arbeitsplatz entfalten und weiterentwickeln zu können, der reine Broterwerb steht für die Motivation nicht mehr im Vordergrund. Die Attribute der modernen Führungskraft, die die Selbstverwirklichung und kontinuierliche Weiterentwicklung des Mitarbeiters fördert, sind in Abbildung 6 dargestellt.

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Die Frage nach dem Anforderungsprofil der Führungskraft

Die traditionelle Führungskraft

• Boss, Chef, Gottvater• Alleswisser, Besserwisser• Patriarch• „starker Max“, der keine

Fehler hat• selbstgerecht und

kritikunfähig• duldet keine Kritik

Die moderne Führungskraft

• Partner• Mentor• Trainer• läßt andere groß werden• zeigt auch mal Schwächen• sucht nach Kritik &

Verbesserungsideen• fordert und fördert, schont nicht• zeigt Grenzen auf• ist Kapitän und Coach zugleich

Abbildung 6: Anforderungen an die moderne Führungskraft Das Prinzip der Sinn- und Visionsvermittlung Der Mitarbeiter, der den Sinn seiner Tätigkeit nicht versteht, ihn nicht in ein größeres Ganzes einbetten kann, keine Visionen sieht, wird früher oder später in die innere Kündigung gehen. Dort, wo Mitarbeiter ihre Arbeit als sinnvoll erleben, sind sie willens, sich Gedanken über mögliche Verbesserungen zu machen. Sinnlose Tätigkeit dagegen frustriert. Sinnvolle Arbeitsinhalte haben für viele Mitarbeiter eine größere Bedeutung als Status und Karriere. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Sinnprinzip (vgl. Schulz-Hardt & Frey, 1998), das letztlich eine Präzisierung und Verallgemeinerung der Überlegungen von Frankl (1972) darstellt: Menschen besitzen eine „Sehnsucht nach Sinn“; sie stellen sich also immer die „wozu“-Frage, wenn ihnen der Sinn von bestimmten Dingen nicht unmittelbar ersichtlich ist. Dass die Formulierung und Verbreitung einer Vision einen Einfluss auf den ökonomischen Erfolg von Unternehmen hat, zeigt z.B. die Studie von Baum, Locke und Kirkpatrick (1998): das Vorhandensein einer aussagekräftigen Vision sowie die Kommunikation dieser Vision hatte einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung von Verkaufs- und Mitarbeiterzahlen sowie den Gewinn von neu gegründeten Unternehmen. Das Prinzip der Transparenz durch Information und Kommunikation Eng mit dem vorigen verbunden ist das Prinzip der Transparenz: Die Führungskraft muss ihre Mitarbeiter über ihren Arbeitsbereich hinaus (!) informieren, denn nur wer ausreichend informiert ist, kann sich zukunftsorientiert und verantwortlich verhalten. Dabei genügt es nicht, Transparenz nur durch einseitiges Informieren zu erreichen; entscheidend ist vielmehr Kommunikation in Form des Dialogs (vgl. Frey, 1996a, b; 1998). Nur im persönlichen Dialog können Fragen geklärt, Ziele neu vereinbart und Rückfragen gestellt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Führungskraft kommunikative Kompetenzen besitzt. Hierzu zählt zum einen gut Zuhören zu können, zum anderen muss die Führungskraft aber auch adäquat verbal und nonverbal kommunizieren können, um Kommunikationsstörungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zu vermeiden.

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Das Prinzip der Autonomie und Partizipation Transparenz alleine wird auf die Dauer nicht viel bewirken können, wenn den Mitarbeitern nicht auch Möglichkeiten der Mitwirkung gegeben werden. Analog hierzu hat die kontrolltheoretische Forschung gezeigt, dass die Erklärbarkeit von Ereignissen nur wenig positive Effekte hervorbringt, wenn keine Beeinflussbarkeit gegeben ist (vgl.Frey & Jonas, 2002). Besteht jedoch die Möglichkeit der Partizipation, so erhöht sich die Identifikation (Antoni, 1999). Partizipationsmöglichkeiten steigern darüber hinaus die Akzeptanz der Mitarbeiter für die gefundenen Problemlösungen: Forschungen von Tom Tyler (1994) über „prozedurale Gerechtigkeit“ zeigen, dass auch dann, wenn eine Entscheidung letztlich den Interessen des Mitarbeiters zuwiderläuft, die Identifikation mit dieser Entscheidung höher ist, wenn er zuvor in die Entsche idungsfindung eingebunden wurde und das Gefühl hat, dass die Entscheidungsprozedur gerecht war. Findet eine solche Einbindung des Mitarbeiters nicht statt, so kann es ganz im Gegenteil leicht zu Reaktanzphänomenen (vgl. hierzu Dickenberger, Gniech & Grabitz, 1993) kommen: Der Mitarbeiter fühlt sich in seiner Freiheit eingeschränkt, da „über seinen Kopf hinweg“ entschieden wurde und reagiert mit einer Blockadehaltung. Die Studienergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Mitarbeiter so früh wie möglich in Projekte einzubinden und ihre Meinungen auch dann einzuholen, wenn die Entscheidung letztendlich von der Führungskraft selbst getroffen werden muss. Dabei ist es wichtig, die Gründe für diese Entscheidung und evtl. für die Ablehnung von Vorschlägen der Mitarbeiter deutlich zu kommunizieren. Aber auch wenn eine Entscheidung ohne vorheriges Einbeziehen der Mitarbeiter gefällt werden muss (es gibt Fälle, wo dieses notwendig ist), bedarf es im Nachhinein einer ausführlichen Begründung mit Hintergrundinformationen. Denn bei der Umsetzung der Entscheidung ist wiederum der Mitarbeiter gefordert, und hier ist es wieder notwendig, ihm ein Höchstmaß an Mitwirkungsmöglichkeiten in den Details der Umsetzung zu geben, also nicht jeden einzelnen Schritt exakt vorzuschreiben. Das Prinzip der konstruktiven Rückmeldung (Lob und Korrektur/Kritik) Dass Lob und Korrektur zentrale Motivationsfaktoren sind, zeigen uns die Ergebnisse zu den Lerntheorien. Konstruktives Feedback geben zu können setzt aber eine entsprechende Kompetenz bei Führungspersonen und Mitarbeitern voraus. Dies gilt sowohl für die Lobkomponente (Lob als der wichtigste Motivator) als auch für Kritik- und Korrekturgespräche, mit denen Zielvereinbarungen kontrolliert und eingehalten werden. Es geht darum, sich zu verständigen und nicht zu verletzen. Dabei gilt letztendlich wieder die Devise „tough on the issue, soft on the person“, d.h. das Kritikgespräch muss konstruktiv, sach- und verhaltens-, aber nicht persönlichkeitsbezogen sein. Deutsche Führungskräfte loben zu wenig und kritisieren entweder zu wenig (wegen fehlender Zivilcourage) oder aber zu destruktiv. Konstruktives Feedbackgeben – unabhängig davon ob Lob oder Kritik - ist einer der zentralen Schlüssel zum Erfolg. Feedback ist für eine Weiterentwicklung entscheidend, da jeder nur seine begrenzte Sichtweise der Realität kennt (s. Abbildung 7) und dabei viele Aspekte übersieht, die für andere bedeutsam sind. Wichtig für die Implementierung professioneller Führung is t aber auch, dass Lob und Kritik nicht nur von oben nach unten vermittelt werden, sondern dass auch der Mitarbeiter ermuntert wird, die für Motivation und Kreativität besonders wichtigen Verhaltensweisen bei der Führungsperson zu loben bzw. konstruktiv zu kritisieren (Useem, 2002).

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Die begrenzte Sichtweise

• Jeder ist sich selbst der Blindeste. • Selbsteinschätzung ist nicht identisch mit Fremdeinschätzung.• Jeder sieht die Welt aus seiner Perspektive. • Jeder filtert die Informationen nach seinen Erwartungen,

Hypothesen, Stimmungen.

Ist das, was wir sehen, die ganze Realität oder sind wir nur zu egozentrisch?

Folge:

Feedback geben und Feedback holen. Keine fachliche und persönliche Weiterentwicklung ohne Feedback.

Abbildung 7: Sichtweise des Einzelnen Das Prinzip der fachlichen und sozialen Einbindung Dem Mitarbeiter muss ein Gefühl der sozialen und emotionalen Integration im Betrieb gegeben werden, damit vor allem seinem Bedürfnis nach positiven Sozialbeziehungen Rechnung getragen wird. Er hat dann die Möglichkeit, neben einer personalen auch eine soziale Identität zu entwickeln - ein sehr bedeutsamer Aspekt, wie auch die umfangreichen Forschungen im Rahmen der Theorie der sozialen Identität (vgl. hierzu z.B. Tajfel, 1978; 1981) zeigen. Der Aspekt der sozial-emotionalen Integration ist deshalb besonders relevant, weil er einen Schutz gegen krank machende Faktoren darstellt. Je weniger der Mitarbeiter sich am Arbeitsplatz wohl fühlt (z.B. durch schlechte Beziehung zum Vorgesetzten, zu Kollegen oder durch Überforderung), desto geringer ist seine Belastbarkeit. Führungskräfte haben deshalb eine ganz wichtige Funktion: Sie sind mit dafür verantwortlich, dass jeder Mitarbeiter sozial und fachlich in sein Team integriert ist und sich die Mitarbeiter daher wohl fühlen. Es soll dem Mitarbeiter bei der Arbeit regelrecht gut gehen. Das Prinzip der Passung und Eignung am Arbeitsplatz Auch eine vollständige fachliche und soziale Einbindung nützt wenig, wenn die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Mitarbeiters auf der einen und die Anforderungen und Gegebenheiten des Arbeitsplatzes auf der anderen Seite nicht zusammenpassen: Oft sitzen hervorragende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am falschen Platz oder im falschen Team und können ihre Fähigkeiten nicht optimal umsetzen. Dadurch kommt es zu Gefühlen von Unter- oder Überforderung und zu Unzufriedenheit auf Seiten der Mitarbeiter und der Vorgesetzten. Deshalb ist darauf zu achten, dass der Mitarbeiter ein Team und einen Arbeitsplatz besetzt, das/der seinen Komfortzonen, also seinen Neigungen und Interessen entspricht. Letztlich gilt: Wer Tätigkeiten ausführt, die ihn interessieren, wird sich engagieren und sich z.B. auch in der Freizeit produktive Gedanken über neue Problemlösungen machen. Dies belegen z.B. vielfältige Forschungen im Rahmen der Interessenstheorie (Prenzel, 1992). Interesse wiederum wird vor allem dann geweckt, wenn die tatsächlichen Talente und Neigungen des Mitarbeiters angesprochen werden, also eine Passung vorhanden ist.

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Das Prinzip der optimalen Stimulation durch Zielvereinbarung Durch gemeinsame Zielvereinbarung soll chronische Unter- oder Überforderung vermieden und die Produktivität und Weiterentwicklung des Mitarbeiters gefördert werden. Die Arbeiten von Locke und Latham (2002) zum „Goal-Setting-Ansatz“ ze igen deutlich, dass Ziele anspruchsvoll und konkret formuliert sein müssen, damit Spitzenleistungen erreicht werden können. Das bedeutet, Führungsperson und Mitarbeiter müssen gemeinsam klare und messbare Ziele vereinbaren. Führen durch Zielvereinbarungen (nicht Zieldiktat) bedeutet, dass jeder Mitarbeiter die Meßlatte kennt, und die Oberziele des Unternehmens in spezifische Ziele für die Abteilung, die Gruppe, den Einzelnen usw. transformiert werden. Weiß der Mitarbeiter nicht, was wirklich von ihm erwartet wird, so spricht das für ein Versagen der Führungskraft. Prinzip der positiven Wertschätzung Die Führungskraft muss jedem Mitarbeiter hohe persönliche Wertschätzung entgegenbringen, ihn quasi als einen wichtigen internen Kunden bzw. Lieferanten von Serviceleistungen betrachten und seine Entwicklung aktiv fördern. Das Prinzip der positiven Wertschätzung geht zurück auf die Ideen der humanistischen Schule von Rogers (1959). Menschen haben eine Sehnsucht nach Achtung, Respektierung und positiver Wertschätzung, sie wollen geliebt oder wertgeschätzt werden, zumindest von solchen Personen, die sie selbst gerne wertschätzen möchten. Ist diese Wertschätzung nicht vorhanden, wenden Menschen Selbstverteidigungsstrategien an (z.B. Abwertung des Gegenübers), um ihren eigenen Selbstwert zu schützen, was im Arbeitsbereich Demotivation zur Folge hat. Nicht nur aus humanitären, sondern auch aus kaufmännischen Gründen ist eine persönliche Wertschätzung zu fordern. Nur dann werden sich Mitarbeiter langfristig engagieren. Mitarbeiter, die sich nicht geachtet und respektiert – oder gar als anonyme Nummer behandelt – fühlen, werden kein überdurchschnittliches Engagement zeigen (vgl. Nickel & Krems, 1998). Die Bedeutung, die dem Prinzip der Wertschätzung auch in der aktuellen Führungsforschung entgegengebracht wird, drückt sich u.a. darin aus, dass individuelle Wertschätzung eine der vier Grundkomponenten der transformationalen Führung ist (Bass, 1985; 1998). Mittlerweile haben über 100 empirische Studien hinweise darauf geliefert, dass dieses Führungskonzept einen positiven Einfluss auf die Einstellungen und Leistungen der Mitarbeiter hat. Da aber nur Führungskräfte Wertschätzung ihren Mitarbeitern gegenüber ausdrücken können, die ein gesundes Selbstwertgefühl besitzen, ist es wichtig, den Führungskräften ihrerseits sehr viel Selbstvertrauen durch Kommunikation, Partizipation, Zielvereinbarung, Lob, usw. zu vermitteln. Das Prinzip der Fairness In der Fairnessliteratur wird zwischen vier verschiedenen Arten von Fairness unterschieden: Ergebnisfairness, prozedurale Fairness, informationale Fairness und interaktionale Fairness. Der Begriff Ergebnisfairness (auch distributive Fairness) bezieht sich darauf, ob das Ergebnis fair ist, also z.B. alle Teammitglieder die gleichen Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen haben. Prozedurale Fairness bezieht sich dagegen nicht auf das Endergebnis, sondern den Prozess. Ist z.B. die Ent scheidungsregel nach der Ressourcen verteilt wurden, als gerecht anzusehen? Gerade wenn Ergebnisfairness nicht erreicht werden kann, also beispielsweise Ressourcen ungleich verteilt werden, ist es wichtig, prozedurale Fairness zu verwirklichen. Das bedeutet, die Führungskraft sollte die Regeln, nach denen Entscheidungen getroffen werden, und die Gründe für aktuelle Entsche idungen kommunizieren. Auch wenn ein Mitarbeiter nicht direkt an der Entscheidung beteiligt ist, ist es wichtig, dass er „Voice“ hat, also seine Meinung artikulieren kann und angehört wird. Allein dadurch, dass der

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Mitarbeiter Gehör findet, ist er oftmals bereit, Entscheidungen mitzutragen und um zu setzten, die er eigentlich nicht befürwortet hat (vgl. Streicher, 2003). Neben der prozeduralen Fairness ist die sogenannte informationale Fairness wichtig, wie schon unter dem Stichwort Transparenz durch Information und Kommunikation angesprochen wurde. Sie bezieht sich auf die Frage, ob die Mitarbeiter ausreichend informiert wurden. Vor allem wenn Ergebnisfairness und prozedurale Fairness aus der Sicht des Mitarbeiters nur suboptimal umgesetzt wurden, muss er das Gefühl haben, er ist echt, ehrlich und umfassend informiert worden. Schließlich spielt interaktionale Fairness auch eine zentrale Rolle, d.h. ist der Umgang mit dem Mitarbeiter fair und respektvoll, oder wird er hintergangen, als Nummer behandelt und nicht ernst genommen? Die Forschung zeigt hier eindeutig, dass die Wahrnehmung interaktionaler Fairness, das heißt die Interaktion auf gleicher Augenhöhe, ganz zentral für das Vertrauen und letztlich die Motivation und Leistung des Mitarbeiters ist (Cohen-Charash & Spector, 2001). Die verschiedenen Fairness-Prinzipien sind in Abbildung 8 zusammengefasst.

Die Wichtigkeit von Fairness und Vertrauen

Man unterscheidet die folgenden vier Arten von Fairness. Je mehr diese erfüllt sind, desto mehr Vertrauen herrscht.

1. Ergebnis-Fairness (Input-Output)2. Prozedurale Fairness mit „Voice“3. Informationale Fairness

– Sofort, zeitnah, ehrlich– Bad news genauso wie good news

4. Interaktionale Fairness– Empfängerorientierte, individuelle Auseinandersetzung mit hohem

Grad an Wertschätzung und Empathie für die Betroffenen

Abbildung 8: Verschiedene Fairness-Arten Das Prinzip der Persönlichkeitsentfaltung und menschengerechten Arbeitsbedingungen Mitarbeiter möchten nicht ständig nur vereinbarte Ziele erfüllen; sie möchten sich dabei auch in ihren Kompetenzen weiterentwickeln und, wenn sie die Ziele erfüllen oder übererfüllen, auch Aufstiegsmöglichkeiten besitzen. Jeder Mitarbeiter sollte daher die Möglichkeit erhalten, sich gemäß seinen Fähigkeiten, persönlichen Talenten und Interessen weiterzuentwickeln. Bei entsprechender Qualifikation und Leistung sollte ein Aufstieg im Unternehmen ermöglicht werden oder - weil dies durch die Verflachung von Hierarchien immer schwieriger wird - eine Kompetenz- bzw. Verantwortungserweiterung möglich sein. Beim Prinzip der Persönlichkeitsentfaltung und menschengerechten Arbeitsbedingungen geht es um

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- Schädigungslosigkeit und Erträglichkeit der Arbeit - Ausführbarkeit - Zumutbarkeit - Beeinträchtigungsfreiheit - Handlungs- und Tätigkeitsspielraum - Beteiligung der Arbeitenden an der Gestaltung - Zufriedenheitsförderliche Arbeitsbedingungen - Persönlichkeitsförderlichkeit - Sozialverträglichkeit. Somit geht es um die Umsetzung von Kriterien, wie sie vor allem Hacker (1998), aber auch Hackman und Oldham (1980) gefordert haben; diese besagen: Arbeit soll so geregelt werden, dass Persönlichkeitsentfaltung möglich ist und die Aspekte Ganzheitlichkeit und Vielseitigkeit verwirklicht sind. Dies führt letztendlich nicht nur zu zufriedeneren und motivierteren Mitarbeitern, sondern auch zu einer höheren Produktivität des Unternehmens. Prinzip der situativen Führung und des androgynen Führungsstils Gegenüber bestimmten Personen und in bestimmten Situationen bedarf es der direktiven Führung, d.h. relativ klarer, teilweise sogar autoritärer Entscheidungen und Verhaltensweisen; in anderen Situationen und bei anderen Personen mag die Strategie „Samthandschuh“ adäquat sein; in wieder anderen Situationen sind Zwischenformen angemessen. Manche Mitarbeiter muss man mit Samthandschuhen anfassen, weil sie vielleicht empfindliche, aber höchst talentierte Menschen sind, andere verstehen dagegen nur eine sehr klare Sprache. Bestimmte Situationen erfordern ausführliche Diskussionen und Partizipation, andere Situationen verlangen schnelle Entscheidungen und weniger Partizipation. Daher muss die Führungsperson lernen, situativ zu führen, d.h. sich je nach Situation und je nach Gegenüber unterschiedlich zu verhalten. Zur situativen Führung gehört auch die Umsetzung androgynen Führungsverhaltens (unter androgyn versteht man jemanden, der sowohl typisch weibliche wie typisch männliche Führungsverhaltensweisen zeigt). Zu den typisch maskulinen Führungsverhaltensweisen zählen z.B.: Härte zeigen können, Nein sagen können, Durchsetzungsvermögen. Zu den typisch femininen Führungsverhaltensweisen gehören z.B.: Fragen stellen können, Zuhören können, andere groß werden lassen können, sich selbst zurückstellen können, Gefühle positiver und negativer Art zeigen können, sich als Mentor fühlen. Berth (1998) hat festgestellt: Je mehr feminine Führungseigenschaften in Dienstleistungsunternehmen umgesetzt werden, desto höher ist das Innovationspotential. Da durch die Globalisierung immer neue Anforderungen an Führungskräfte gestellt werden, ist die Vielseitigkeit des Führungsstils für den Erfolg entscheidend. Nur eine androgyne Führungspersönlichkeit führt ein Team - sei es in der Wirtschaft oder in einer sozialen Organisation - zum Erfolg, vor allem dann, wenn die Mitarbeiter ein Höchstmaß an Mündigkeit gewohnt sind. Das Prinzip des guten Vorbildes der Führungsperson (menschlich und fachlich) Führungspersonen müssen sich ihrer Funktion als Vorbild im Sinne hoher fachlicher Kompetenz und menschlicher Integrität bewusst sein. Nur dadurch können sie ein Klima des Vertrauens schaffen. Dazu gehören Aufrichtigkeit und die Fähigkeit, Wort und Tat in Übereinstimmung zu bringen. Nur dort, wo ein menschliches Vorbild vorhanden ist, wird der Mitarbeiter sich letztlich engagieren. Es ist nie nur eine Sache (der Arbeitsinhalt), die intrinsisch motiviert, sondern es sind Personen, die begeistern und motivieren. Bei der Arbeit ist es nicht anders als in der Schule: Die Begeisterung für Englisch ist sehr stark von der Person des Englischlehrers abhängig. Sind sich alle Führungspersonen bewusst, welche

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Verantwortung sie diesbezüglich als Vorbild haben? Eine Person mit Vorbildfunktion sollte sich also mehrmals im Jahr fragen: Sind Wort und Tat bei mir in Übereinstimmung? Entspricht mein Verhalten den Hochglanzbroschüren unserer Firma? Was würden Sie tun, wenn Sie in meiner Position wären? Wo bin ich Flaschenhals, wo bin ich Edelsachbearbeiter, wo bin ich gar Killer von Kreativität und Motivation? (s. Abbildung 9).

Vorbild ist alles, ohne Vorbild läuft nichts

Die besten Hochglanzbroschüren nutzen nichts, wenn menschliche Integrität und natürliche Autorität nicht sichtbar ist.

Über Vorbildverhalten - Wie kann ich ermitteln, ob ich Vorbild bin?

§ Was läuft gut? Was läuft nicht gut in unserer Abteilung?

§ Was würden Sie genauso wie ich machen, was anders?§ Was würden Sie tun, wenn Ihnen das Unternehmen gehören würde?§ Was würden Sie anders machen, wenn Ihnen das Unternehmen gehören

würde?§ Haben wir schon unser Ideal erreicht? Warum nicht?§ Wie sieht Ihre ideale Führungsperson aus?§ Wo fühlen Sie sich durch mich blockiert oder gar verletzt?§ Wo ist und war Wort und Tat bei mir nicht in Übereinstimmung?

Abbildung 9: Vorbildfunktion der Führungskraft Das Prinzip der fairen, anreizbetonten Vergütung Personen werden in die innere Kündigung gehen, wenn sie sich entsprechend ihrer Leistung materiell unterbewertet fühlen. Spitzenleistungen verlangen auch Spitzenvergütungen. Die jeweilige Vergütung muss begründet werden und muss einen Verstärker darstellen. Natürlich soll damit nicht von einem Menschenbild ausgegangen werden, bei dem die Führungskraft den Mitarbeiter als Reiz-Reaktions-Maschine sieht, die nur durch extrinsische, also von außen einwirkende Verstärker (und hierzu zählen auch monetäre Anreize) beeinflusst wird. Jedoch stellen auch für einen Mitarbeiter, der für eine Tätigkeit intrinsisch (also aus sich selbst heraus) motiviert ist, materielle Vergütungen einen wichtigen „Hygienefaktor“ dar, wie wir aus dem Modell der Arbeitszufriedenheit von Herzberg (1966) wissen. Eine gute Bezahlung kann zwar keine Arbeitszufriedenheit bewirken, aber dort wo sie nicht gegeben wird, kommt es zu Arbeitsunzufriedenheit. Empirische Ergebnisse zu diesem Gebiet lassen sich folgendermaßen zusammen fassen (vgl. Frey & Osterloh, 2000): im allgemeinen steigert ein variabler Leistungslohn die Produktivität und Gewinne einer Unternehmung nicht. Eine leistungsfördernde Wirkung lässt sich nur bei einfachen, leicht messbaren Tätigkeiten finden. Der Einfluss der Entlohnung auf die Motivation hängt allerdings von der Persönlichkeit des Mitarbeiters ab. Gehört der Mitarbeiter der Gruppe der „Einkommensmaximierer und Statusorientierten“ an, steigert ein variabler Leistungslohn seine Leistung. Ist der Mitarbeiter dagegen eher selbstbestimmt und intrinsisch motiviert, so kann eine variable Leistungsentlohnung sogar zu einer Verringerung der Arbeitsmotivation führen. Es wird deutlich, dass für unterschiedliche Mitarbeitertypen unterschiedliche Anreize wirksam sind und somit auch hier die Umsetzung des Prinzips der situativen Führung entscheidend ist.

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Die grundlegende Philosophie der Center of Excellene Kulturen und des Prinzipienmodells der Führung ist, dass Leistung immer mit Menschenwürde verbunden sein muss. Dadurch spielen „weiche Faktoren“ im Führungsverhaltne eine besondere Rolle (s. Abbildung 10). Dort, wo durch Unternehmenskultur und Führungsverhalten das Leistungsverhalten von Menschen nicht belohnt wird, wo gar Menschenwürde verletzt wird, wo der Mensch nur als Nummer gilt, klein gemacht wird usw., ist natürlich die Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft wesentlich geringer (Frey, 1996 a, b; 1998). Insofern hat jede Organisation durch ihre Unternehmenskultur und das vorherrschende Führungsverhalten einen unmittelbaren Einfluss darauf, inwieweit sich die Mitarbeiter im Unternehmen wohl fühlen und auch in schwierigen Situationen belastbar und engagiert sind.

Weiche Faktoren im Führungsverhalten

Andere groß werden lassen könnenAndere groß werden lassen können

Sich als Mentor fühlenSich als Mentor fühlen

Sich selbst zurückstellen könnenSich selbst zurückstellen können

Zuhören könnenZuhören können

Fragen stellen könnenFragen stellen können

Nicht immer Recht haben zu müssenNicht immer Recht haben zu müssen

Positive und negative Gefühle zeigen können

Positive und negative Gefühle zeigen können

Mitarbeiter an der langen Leine lassenMitarbeiter an der langen Leine lassen

Sich auch für Privates interessierenSich auch für Privates interessieren

Eigene Fehler und Schwächen zugeben können

Eigene Fehler und Schwächen zugeben können

Nicht den starken Max spielenNicht den starken Max spielen

EQ = emotionale QualitätenEQ = emotionale Qualitäten

Abbildung 10: Weiche Faktoren im Führungsverhalten Bei der Umsetzung der Unternehmenskulturen sowie der Führungsprinzipien in die Praxis ist jedoch zu beachten, dass nicht das Motto „je mehr, desto besser“ gilt, sondern es jeweils der Feinadjustierung in Abhängigkeit von der Führungsperson, dem Reifegrad des Empfängers, sowie der Komplexität der Situation bedarf. Notwendig ist dabei eine ständige Reflexion über den aktuellen Ist-Zustand sowie den gewünschten Soll-Zustand und die aktuelle Situation. Unternehmen und Führungskräfte sollten sich fortlaufend fragen: Welche Unternehmenskulturen / welche Führungsprinzipen sind für uns wichtig? Welche setzten wir bereits um? Wo haben wir Defizite? 4. Was kann die Verwirklichung der Center of Excellence Kulturen und der

Führungsprinzipien behindern? – Blockaden der Umsetzung Obwohl die dargestellten Center of Excellence Kulturen sowie die Führungsprinzipien von den meisten Führungskräften und Mitarbeitern als wichtig eingestuft werden, ist ihre

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Umsetzung in einem Großteil der deutschen Unternehmen (noch) mangelhaft. Wie ist dies zu erklären? Nicht Kennen: Führungskräfte haben zu wenig Know-how darüber, welche Unternehmenskulturen und welches Führungsverhalten Motivation und Kreativität – und damit auch Spitzenleistungen - auf Seiten der Mitarbeiter fördern. Daher sollte sowohl in Form eines „Studium Generale“ bereits für Studenten an Universitäten oder im Rahmen von Seminarangeboten für Nachwuchs-Führungskräfte als auch in Workshops für Manager solches Wissen transportiert werden. Nicht Können: Das theoretische Kennen alleine ist für die Umsetzung der Prinzipien und Kulturen aber noch nicht ausreichend. Ferner ist es notwendig, den Verantwortlichen Handlungskompetenzen zu vermitteln. Viele Führungskräfte wissen theoretisch, auf welche Dinge im Kommunikationsprozess geachtet werden sollte. Unklar ist vielen jedoch, wie konkret kommuniziert werden soll, wie Feedback vermittelt werden soll oder wie Ziele mit dem Mitarbeiter vereinbart werden sollen. Nicht Wollen: Auch wenn Führungskräfte das Wissen sowie die Handlungskompetenz besitzen, wollen sie diese Prinzipien oft nicht umsetzen. Ein Grund dafür ist die Angst vor Macht- und Autoritätsverlust. Viele Führungskräfte sind sehr am Status quo orientiert, weil sie von erworbenen Privilegien und erreichtem Einfluss profitieren. Die Umsetzung der dargelegten Kulturen und Führungsprinzipien bedeutet häufig einen Verlust an Macht, etwa dann, wenn mehr Partizipation über Delegation, mehr Transparenz über interne Vorgänge erreicht werden soll. Auch das Zulassen von Kritik auf Seiten der Mitarbeiter wird als drohender Autoritätsverlust der Führungsposition angesehen. Ferner könnte eine Rolle spielen, das mit der Umsetzung der Prinzipien ein Verlust jahrelang vorherrschender Handlungsorientierungen einhergeht. Schließlich bindet die Umsetzung der Prinzipien im ersten Schritt Ressourcen in Form von Zeit und Engagement, da z.B. sich die Führungskraft mit Ideen oder Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter auseinandersetzen muss. Der langfristige Nutzen professioneller Führung ist dabei nicht allen Managern deutlich. Nicht Sollen: Die genannten Unternehmenskulturen und Führungsprinzipien werden innerhalb der Firma – vor allem aber vom Top Management nicht als wesentlich angesehen. Als Folge wird ein mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten nicht belohnt und daher bestehen keine Anreize für ein solches Verhalten. Ferner können auch „geheime Spielregeln“ der Firma verbieten, dass ein konstruktiver Umgang gelebt wird, da „Wettbewerb“ als das Maß aller Dinge angesehen wird. Als Konsequenz daraus werden zum Beispiel wichtige Informationen als Wettbewerbsvorteil angesehen und daher nicht weitergeben oder Fehler werden vertuscht. Nicht Dürfen: Schließlich kann auch die negative Einstellung des eigenen Vorgesetzten oder der Kollegen dazu führen, dass Führungskräfte die erläuterten Führungsprinzipien nicht umsetzen bzw. sich nicht für die Umsetzung der innovativen Unternehmenskulturen einsetzen. 5. Wie können die Center of Excellence Kulturen und die Führungsprinzipien nachhaltig

eingeführt werden? – Wichtige Schritte der Umsetzung Nachdem beschrieben wurde, welche Barrieren bei der Umsetzung der Unternehmenskulturen und Führungsprinzipien auftreten können, werden nun Empfehlungen dafür gegeben, wie

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einige Schlüsselstellen im Unternehmen in die Implementierung mit einbezogen werden können, und welche Schritte für eine erfolgreiche Einführung notwendig sind (vgl. Frey & Schnabel, 1999). Überzeugung des Top-Managements als Motor des Wandels Die vorher bei den Spitzenunternehmen beschriebenen Führungsprinzipien und Unternehmenskulturen werden natürlich am ehesten umgesetzt, wenn das Topmanagement mit bewusster Überzeugung vorangeht. Das Topmanagement fällt die Grundsatzentscheidung, in welche Richtung der Wandel erfolgen soll. Dies erfordert oft Mut zu unpopulären Entscheidungen, wenn z.B. Aktivitäten, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten vollkommen neu gebündelt und zusammengeführt werden müssen. Die Überzeugung des Top Managements von der Notwendigkeit der Führungsprinzipien ist daher ein entscheidender Faktor für die Implementierung. Gewinn von Einsicht in der Organisation Wenn schon kein Leidensdruck in der Organisation vorhanden ist, dann muss Einsicht für Veränderungen geschaffen werden, indem einerseits eine klare Diagnose des Ist-Zustandes durchgeführt wird und aufgezeigt wird, welche Konsequenzen damit langfristig verbunden sind. Anschließend sollten mögliche Soll-Zustände und ihr Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens visualisiert werden. Nutzung von Multiplikatoren Es müssen Multiplikatoren gefunden werden, die diese neuen Ideen mittragen und vertreten. Verbunden mit der Identifizierung und Ausbildung von geeigneten Einzel- und Teammultiplikatoren müssen Macht- und Fachpromotoren gefunden werden, die sich der Umsetzung annehmen. Erzeugung eines Kontrollgefühls bei den Mitarbeitern Mitarbeitern muss ein Höchstmaß an Kontrollgefühl im Sinne von Vorhersehbarkeit, Erklärbarkeit und Beeinflussbarkeit gegeben werden. Der Mitarbeiter muss aktiv in die Veränderungsprozesse einbezogen werden. Nur dadurch ist die Angst vor dem Unvertrauten zu reduzieren. Zum Prinzip der Vorhersehbarkeit gehört auch der Aspekt der Transparenz. Wichtig ist, dass Transparenz im Wandel geschaffen wird: Wer macht was? Wie weit sind die jeweiligen Projekte? etc. Die gesamte psychologische Forschung über die Akzeptanz von Veränderungsprozessen zeigt, dass Mitarbeiter, die den Sinn von Veränderungsprozessen nicht sehen (Prinzip Erklärbarkeit), die nicht wissen, in welche Richtung es geht (Prinzip Vorhersehbarkeit) und die nicht eingebunden werden (Prinzip Beeinflussbarkeit) diese Prozesse blockieren oder gar sabotieren. Oft werden diese fundamentalen psychologischen Erkenntnisse nicht beachtet. Zum Prinzip Erklärbarkeit, Vorhersehbarkeit und Beeinflussbarkeit im Rahmen der Kontrolltheorie (vgl. Frey & Jonas, 2002). Verdeutlichung der Eigeninteressen der Mitarbeiter Dem Mitarbeiter sollten Erfolgserlebnisse bei der Umsetzung von Veränderungsprozessen vermittelt werden, z.B. dadurch, dass seine Arbeit leichter, sicherer, innovativer usw. wird. Er muss sich Vorteile und Eigennutz von der Veränderung versprechen können, was nur über intensive Kommunikation vermittelt werden kann. Förderung der Komplexitätskompetenz der Mitarbeiter Der Mitarbeiter muss nachvollziehen können, dass Veränderungsprozesse selten linear verlaufen, weil sich Steuern und Gegensteuern flexibel abwechseln. Unterstützung beim

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Umgang mit diesen Veränderungsprozessen erfolgt über die Vermittlung von „Komplexitätskompetenz“ für Mitarbeiter und Führungskräfte. Pragmatismus in der Umsetzung - Zufriedenheit mit 70%-Lösungen Es gilt die Devise, nicht zu perfektionistisch zu sein. Oft sind 70%-Lösungen mit kontinuierlicher Verbesserung funktioneller als 100%-Lösungen, die zu spät kommen. 6. Zusammenfassung und Fazit Der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens wird neben einer professionellen Unternehmensführung auch durch die Gestaltung der Unternehmenskultur und der Mitarbeiterführung bestimmt. Damit Mitarbeiter motiviert sind, Höchstleistungen zu erbringen, muss die Unternehmenskultur einer Firma innovativ und die Mitarbeiterführung professionell gestaltet sein. Im Rahmen unseres Beitrags haben wir zwei Modelle vorgestellt, die Leitlinien für die Praxis bieten, wie eine solche Unternehmenskultur sowie eine professionelle Mitarbeiterführung aussehen könnten: das Modell der Center of Excellence Kulturen und das Prinzipienmodell der Führung. Beide Modelle geben Hinweise darauf, welche Bedingungen notwendig sind, damit sich Mitarbeiter motiviert, kreativ, flexibel und leistungsbereit verhalten. Oberstes Ziel der beiden Modelle sind mündige Mitarbeiter, die eigenverantwortlich Probleme erkennen und Ideen zu ihrer Lösung generieren. Dieses Ziel wie auch die Grundprinzipen können sowohl auf kommerzielle wie auch auf soziale Organisationen übertragen werden. Wünschenswert wäre, dass auch in Schulen und Universitäten zentrale Center of Excellence Kulturen umgesetzt werden und Lehrer und Dozenten ihr Verhalten gegenüber Schülern und Studenten entsprechend der Führungsprinzipien ausrichten, um Motivation und Kreativität bereits früh zu fördern. Schließlich sind diese beiden Faktoren nicht nur für einzelne Unternehmen entscheidend, sondern sie sind auch die Voraussetzung für die langfristige Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

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