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Klinische Toxikologie – Symptomatik und Therapie von Intoxikationen Dr. Cornelius Heß Institut für Rechtsmedizin Leitung Funktionsbereich Forensische Toxikologie I n s t i t u t f ü r R e c h t s m e d i z i n Institut f Institut f ü ü r r Rechtsmedizin Rechtsmedizin

Institut für Rechtsmedizin · 2014. 11. 24. · Plasmaspiegel von GHB bei der Einnahme von GBL schneller ansteigt als bei Einnahme von GHB selbst (flash, Kick) • Plasmahalbwertszeit

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Klinische Toxikologie – Symptomatik und Therapie von Intoxikationen

Dr. Cornelius HeßInstitut für Rechtsmedizin Leitung Funktionsbereich Forensische Toxikologie

I n s t i t u t f ü r R e c h t s m e d i z i n

Institut fInstitut füür r RechtsmedizinRechtsmedizin

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International Classificationof Disease (ICD 10)Akute Vergiftung = Vorübergehender Zustand nach Aufnahme von Substanzen oder Alkohol mit Beeinträchtigung oder Veränderung der körperlichen und/oder psychischen Verhaltensfunktionen und Reaktionen

Klinische Zeichen:

Störung der Bewusstseinslage (Somnolenz bis Koma)

Störung der Atemfunktion (Hypo-/Hyperventilation; Atemdepression)

Störung des Elektrolyt- u. Säure-Basen-Haushaltes

Störung der Herz-Kreislauffunktion (Arrhythmien, Hypo-/Hypertonie, Schock)

Störung vegetativer Funktionen

Klinische Symptomatik abhängig von: Dosis, Einwirkungsdauer, Einwirkungshäufigkeit, toxikoddynamischen und toxikokinetischenEigenschaften

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„Bei jedem atypischen Krankheitsbild zuvor gesunder Personen sollte differentialdiagnostisch an eine Vergiftung gedacht werden. Das

klinische Bild ist bei vielen Vergiftungen nicht einheitlich, so dass in der Regel verschiedene Symptome pathophysiologisch

zusammengefasst werden zu Vergiftungssyndromen (sog. Toxidrome). Die wesentlichen Vergiftungserscheinungen sind

selbst bei schweren Vergiftungserscheinungen nach 2-3 Eliminationshalbwertszeiten abgeklungen.“

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Mögliche Toxidrome

» M-cholinerges Syndrom (muscarinerge Cholinorezeptoren) mit Stuhl- und Harnabgang, Miosis, Bradykardie, Erbrechen, erhöhtem Tränen- und Speichelfluss (z.B. Alkylphosphate)

» N-cholinerges Syndrom (nikotinerge Cholinorezeptoren) mit Tachykardie, Hypertonie, fibrillären Zuckungen, Paralyse, gastrointestinale Krämpfe, Bronchokonstriktion, Faszikulation und Schwäche, Emesis, Hypotonie (z.B. Organophosphate oder Carbamat-Insektizide, Physostigmin, Nicotin, Muskelrelaxantien)

» Anticholinerges Syndrom mit trockener Haut, Hyperthermie, Durst, Schluckbeschwerden, red. Magen-Darm-Motilität und Darmgeräusche, Mydriasis, Tachykardie, Hypertonie, Arrrythmien, Harnverhaltung, zerebralen Krampfanfällen, Halluzinationen, Atembeschwerden, Patienten sind oft agitiert und wach mit murmelnder Sprache, Hyperkinesien v.a. Arme, Beine und Gesichtsmuskulatur. (z. B. Atropin, Antidepressiva, Neuroleptika, Antiparkinsonmittel, Antihistaminika)

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Mögliche Toxidrome

» Adrenerges Syndrom mit zentraler Stimulation, Schwitzen, Tremor, Hyperthermie, Krämpfen, Hypertonie, Tachykardie, Verwirrtheit und z.T. Paranoia (z.B. Amphetamine / Ecstasy, Badesalzdrogen, Cocain, Ephedrin, Theophyllin)

» Narkotisches Syndrom mit zentraler Dämpfung, Atemdepression, Miosis Lungenödem, Bradykardie, Hypotonie, Harnverhaltung, Hyporeflexie (z. B. Opioide)

» Entzugssyndrom mit Diarrhö, Mydriasis, Gänsehaut, Tachykardie, Tränenfluss, Gähnen, Krämpfen, Halluzinationen (z. B. Alkohol- oder Opiatabhängigkeit)

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Diagnose einer Vergiftung

»Diagnostik vor Ort: Körperliche Untersuchung mit Beachtung typischer Vergiftungssymptome (Atmung, Blutdruck, Puls, Bewusstseinslage, Schmerzreaktion, Reflexe, Pupillen, Reaktion auf Ansprechen, Orientiertheit, Koordination, Haut, Muskulatur, Körpertemperatur, Mund-Nasen-Rachenraum u. a. )

»Diagnostik in der Klinik (apparativ)

»toxikologische Analyse

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Dialog behandelnder Arzt –Analytiker/Toxikologe

Das Ergebnis einer klinisch-toxikologischen Analyse muss in einem Dialogzwischen dem Toxikologen und behandelnden Arzt unter Berücksichtigungsämtlicher Befunde und der Umstände des Einzelfalles diskutiert und beurteiltwerden, wobei folgende Fragen zu berücksichtigen sind:

» Kommen bei der Symptomatik differentialdiagnostisch Erkrankungen in Betracht?» Liegt (zusätzlich) eine internistische oder neurologische Erkrankung vor?» Kann die Toxikokinetik beeinflusst sein (Schock, Leber-/Niereninsuffizienz,

Komedikation)?» Entspricht das klinische Bild dem Wirkprofil der nachgewiesenen Stoffe?» Existieren Referenzwerte zur Einordnung der Vergiftungsschwere (therapeutische

oder toxische Plasmakonzentration)?» Korreliert der Schweregrad des klinischen Bildes mit der Giftkonzentration (auch

in der Phase der Detoxikation)?» Sind Spätschäden zu befürchten?» Sind bei Mischintoxikationen mögliche Interaktionen zu berücksichtigen?

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§16e Chemikaliengesetz - Meldepflicht

(2) „Wer als Arzt zur Behandlung oder zur Beurteilung der Folgen einer Erkrankung hinzugezogen wird, bei der zumindest der

Verdacht besteht, dass sie auf Einwirkungen gefährlicher Stoffe, gefährlicher Gemische, von Erzeugnissen, die gefährliche Stoffe

oder Gemische freisetzen oder enthalten, oder von Biozid-Produkten zurückgeht, hat dem Bundesinstitut für

Risikobewertung den Stoff oder das Gemisch, Alter und Geschlecht des Patienten, den Expositionsweg, die

aufgenommene Menge und die festgestellten Symptome mitzuteilen…“

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Ursachenspektrum gem. Giftinformationszentrale

0 5000 10000

Fälle proJahr

nicht identifiziertsonstigePflanzen/PilzeTiereChem. sonstigeDrogenKosmetikaPestizideChem. HaushaltChem. gewerblichArzneimittel

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Akute Vergiftungen im Kindesalter

» meist akzidentelle Ingestionen

» zu 4/5 im Alter von ½ - 4 Jahren

» weniger als 1/5 muss behandelt werden

» 34 % betreffen “Publikumsmittel”

» 32 % betr. Medikamenteneinnahme

» 15 % betr. Pflanzen

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Gefährliche „Publikumsmittel“

»2,9 % Geschirrspülmaschinenreiniger (Laugenverätzung)

»2,6 % Lampenöle, Duftöle (Aspirationspneumonie)

»2,5 % Benzin, Nitroverdünnung, Terpentinersatz (Aspirationspneumonie)

»1,4 % Nagellackentferner

»0,6 % Knopfzellen

»Einzelfälle: Essigessenz, Kalklöser; Rohrreiniger; Frostschutzmittel, halogenierte Lösemittel

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Akute Vergiftungen bei Erwachsenen

»54-63 % suizidal, 22-34 % akzidentell, 3 % gewerblich

»90 % der Suizide mit Medikamenten (Benzodiazepine, Antidepressiva, Sedativa, H1-Histaminantagonisten)

»pro Jahr ca. 200 000 ärztlich behandlungsbedürftige Vergiftungen; 80 000 mit stationärer Behandlung; ca. 3000 Todesfälle

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Erstversorgung: Fünf-Finger-Regel

1. lebensrettende Basismaßnahmen (Sicherung Atem- und Kreislauffunktion)

2. Giftelimination

3. Antidot-Therapie

4. Asservierung

5. Transport

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Therapie - Elementarhilfe

• primäre Therapie ist symptomatisch

• Sekundäre Therapie ist spezifisch

• ABC Regeln:

Atemwege freimachen

Beatmung (Wiederherstellung der Atmung)

Circulation: Reanimation bei Herzstillstand

• DEF Regeln:

Drugs: Behandlung mit Infusion, Adrenalin, Antidoten

EKG: Asystolie/Herzflimmern

(De)Fibrillation

• Bei Krämpfen Diazepam i. v.

• Wärmeschutz bei Gefahr der Unterkühlung (z. B. Alkohol)

• Kliniktransport nur in stabiler Seitenlage

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Orale Giftaufnahme

• keine Flüssigkeitsaufnahme, wenn Gefahr bestehen könnte (kein Erbrechen auslösen !)

• Milch und Alkohol beschleunigen die Resorption

• “Einflößen” in Rückenlage führt zu Erbrechen u. Aspiration

• nach Verätzung kann reflektorischer Kehldeckelverschluß beeinträchtigt sein (Flüssigkeit kann im Oesophagus verharren)

• stabile Seitenlage mit Kopftiefstellung; u.U. Reinigung der Mundhöhle

• Mund-zu-Mund-Beatmung mit Verstand (Selbstvergiftung; Lungenüberblähung)

Obsolet:

• Salzlösung (zum Erbrechen) erzeugt potentiell tödl. Hypernatriämie

• Apomorphin: NW anhaltendes Erbrechen, Atemdepression, RR-Abfall, Schock, Kreislaufversagen, zentrale Erregung mit Krämpfen und Euphorie

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Gift-Inhalation / Verätzungen

• Patient an frische Luft bringen; Kleider öffnen; Lagern; evtl. Beatmen (cave: Selbstvergiftung)

• zur Prophylaxe eines Lungenödems absolute Ruhe im Liegen und keine Flüssigkeitszufuhr

• Augen (und Kopfhaar) mit fließendem Wasser 10 min spülen; keine Neutralisation!

• Kleider entfernen, aber Resorptionsfläche nicht vergrößern; Waschen mit Wasser, nicht bürsten

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Minderung der Giftresorption• evtl. Sirup Ipecacuanha zum induzierten Erbrechen

- Reflex-Emetikum durch Irritation der Magenschleimhaut

- Nebenwirkungen: anhaltendes Erbrechen, Diarrhoe, bei Resorption kardiovaskuläre Nebenwirkungen bis Schock

• Aktivkohle als Mittel der Wahl

- Adsorptionsfläche von 1000-2000 m2 pro Gramm

- Bindet große Zahl von Giftstoffen: unwirksam bei Ethanol/Methanol/Ethylenglykol, Schwermetallen, org. Lösungsmitteln, starken Säuren/Laugen

- Initial 1-2 g/kg KG

- Laxantien dazu: 20-30 g = 2 Esslöffel Glaubersalz = Natriumsulfat

- Vorteile: ohne spez. Infrastruktur einsetzbar, gute Wirksamkeit, risikoarm, repetitivauch zur sek. Giftelimination

- Ebenso wirksam wie Magenspülung oder induziertes Erbrechen

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Beschleunigung der Giftelimination

• Giftelimination aus dem Gewebe schwer erfassbar, daher Messung im Blut; cave: Nachströmen aus dem Gewebe, daher Elimination schlecht bei Substanzen, die sich im Gewebe anreichern

• Steigerung der Elimination über den Darm (Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufes)

z.B. tricyclische Antidepressiva o. Digitoxin: werden über Galle ausgeschieden und im Darm rückresorbiert

Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufes durch Gabe von Aktivkohle, Colestyramin

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Beschleunigung der Giftelimination

• Steigerung der Elimination über die Niere (forcierte Diurese)

- Vermehrte Harnproduktion: Ziel sind 8-12 L/Tag durch Infusion entsprechender Mengen an Elektrolytlösung, Flüssigkeit und Schleifendiuretika (Furosemid)

- Normalerweise 180 L Primärharn/Tag, mehr als 99 % werden rückresorbiert

- Anwendung bei Substanzen, die primär renal eliminiert werden (Salicylsäure, Ethylenglykol, Methanol)

- Zusätzliche Alkalisierung bei sauren Giftstoffen (Salicylate, Phenobarbital) durch Natriumbicarbonat

- Ansäuern bei basischen Giftstoffen (Opioide, Amphetamine) durch Gabe von NH4Cl, Arg-HCl, Lys-HCl

• Steigerung der Elimination über die Lunge

- Bei leicht flüchtigen Verbindungen (CO, Tetrachlorkohlenstoff, Dichlormethan)

- Beatmung mit 5-8 % CO2, durch Ansäuerung (resp. Azidose) Steigerung des Atemminutenvolumens von 6-8 L auf 25 L/min

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Beschleunigung der Giftelimination

Steigerung der Elimination über extrakorporalen Kreislauf

Hämodialyse

• Mittels Dialysator: Blut wird durch feines System aus Kunsstoffkapillaren geleitet, die von Dialysierflüssigkeit umspült wird

• Beim Transport durch Kapillaren gibt Blut über semipermeable Membran Wasser und niedermolekulare Substanzen ab

• Diese Bestandteile reten in Spülflüssigkeit über und werden aus Blut entfernt

• Besser, je kleiner das Molekulargewicht, geringer die Eiweissbindung, geringer das Verteilungsvolumen: z.B. Methanol, Ethanol, Ethylenglykol, Isopropanol, Salicylaten, Lithium

Hämoperfusion

• Prinzip Adsorption: Blut durchströmt Kapsel mit beschichteter Aktivkohle oder Austauscherharz

• geeignet auch für lipophile, nicht dialysable Gifte mit hoher Eiweissbindung

• Um eine mögliche Hypoglykämie zu vermeiden, sollte vor der Hämoperfusion eine Vorspülung der Kartusche mit 5 %iger Glucoselösung erfolgen.

Plasmapherese

• Blutentnahme, Entfernung der Plasmaproteine, Retransfusion der Zellen

• bei sehr großer Plasmaeiweissbindung > 90 %

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Antidottherapie

• Dekorporierungsantidote

- Gehen mit Giftstoff oder Metaboliten eine chem. Bindung ein

- Entstehung eine Komplexes mit stark verminderter Toxizität

- Chelatbildner, MetHb-Bildner (4-Dimethylaminophenol)

• Funktionelle Antidote

- Substanzen, die die Wirkung des Giftstoffes hemmen, z.B. durch Rezeptorblockade oder Verhinderung der Bioaktivierung

- z.B. Vit. K, Ethanol bei Methanolvergiftung, Naloxon bei Opiaten, Atropinbei Organophosphaten

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Antidota Antidot Gift Atropin Alkylphosphate

Toxogonin Alkylphosphate

DMAP Cyanide

Na-Sulfat Cyanide

Diazepam Chloroquin

Ethanol Methanol

Haloperidol Cocain, Amphetamine

Silibinin Amanitin

Obidoxim Parathion etc.

Digitalisantitoxin Digitalis

Toluidinblau MetHb-Bildner

Auxiloson Reizstoffe

Kohle Metalle

N-Acetylcystein Paracetamol, Acrylnitril Naloxon Opiate

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Aber auch viele andere zentral wirksame Arzneimittel und Drogen

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Liquid Ecstasy(GHB)

• bei 0,5-1,5 g dominiert stimulierender Effekt (anxiolytisch,leicht euphorisierend und sozial öffnend, allerdings mit motorischen Beeinträchtigungen)

• bis ca. 2,5 g Stimmungs- und Antriebssteigerung, u.U. tritt eine

aphrodisierende Wirkung hinzu

• in höheren Dosen wirkt GHB stark einschläfernd, Überdosierungen können zu plötzlichem narkotischem Schlaf führen, aus dem die betreffende Person kaum zu wecken ist

• GHB-Überdosen (d.h. Dosen, die zu einer unerwünschten Narkose führen) sind physiologisch verhältnismäßig unproblematisch, solange kein Mischkonsum mit anderen Drogen vorliegt

• gefährlich ist Kombination mit Alkohol, atemdepressiv wirkenden Medikamenten oder Benzodiazepinen (Übelkeit und Erbrechen mit Aspiration und Erstickungstod; lebensbedrohliche Atemdepressionen und Herzrhythmusstörungen)

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GBL

• Kein BtM

• GBL wird nach oraler Aufnahme schneller resorbiert als GHB, so dass der Plasmaspiegel von GHB bei der Einnahme von GBL schneller ansteigt als bei Einnahme von GHB selbst (flash, Kick)

• Plasmahalbwertszeit von GBL beträgt auf Grund rascher Metabolisierung zu GHB weniger als 60 sec., d.h. 5 min nach der Einnahme von GBL sind im Körper nur noch etwa 3 % GBL vorhanden

• Nachweis von GHB: 1. Problem: endogene Substanz2. GC/MS oder LC/MS-MS in Blut oder Urin, Sondermethode: nur bei Verdacht3. Nachweis nur max. 12 h möglich Opfer melden sich zu spät bei Polizei

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Pflanzliche Gifte

Welche Pflanze ist giftig?

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24.11.2014 Seite 28

Pflanzliche Gifte

Welche Pflanze ist giftig?

Kidney Bohnen (Phaseolus vulgaris) Können tödlich sein (Phytohämaglutinin)Minimum: 10 min bei 100°CLangsames Kochen kann Toxizität erhöhen

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Tomate – TomatinSchützt vor Kartoffelkäferlarven

Kartoffel – SolaninGeringe Konzentration in modernen ZuchtgemüsenZersetzung roter BlutkörperchenHemmung Cholinesterase

Rhabarber und MuschelnOxalateVor allem in reifem RhabarberCalcium-Oxalatablagerung in Nieren

Lakritz – GlyzyrrhetinsäureBeeinträchtigung des Cortisol-Stoffwechsels

Rote Beete - SaponineKann zur Zersetzung von roten Blutkörperchenführen

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Für Kinder gefährliche Pflanzen

Atropa BelladonnaTollkirscheAtropin/Scopolamin:M-cholino-Rezeptorantagonist

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Laburnum anagyroidesGoldregen

• Alle Pflanzenteile, besonders SamenEnthalten Cytisin• Kreuztoleranz zum Nikotin:Samen früher zur Raucherentwöhnung• Agonist an nicotinergen Rezeptoren• wie Nicotin-Überdosis• kein spezifisches Antidot

Für Kinder gefährliche Pflanzen

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Taxus baccataEuropäische Eibe

• älteste Pflanze in Europa• Samen und restliche Bestandteile sehr giftig• Samenhülle nicht giftig• Taxane: Zytostatika

Für Kinder gefährliche Pflanzen

Wirkung: zuerst zentral erregende, später aber zentral lähmende Wirkung (Atmung)Herz: initiale Beschleunigung des Pulses, dann extreme Bradykardie

1 - 2 Stunden nach der Einnahme Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Leibschmerzen, Krämpfe, Absinken der Körpertemperatur und eine rote Färbung der Lippen, erweiterte Pupillen, Bewusstseinsstörungen bis zur Bewusstlosigkeit, oberflächliche Atemzüge, Tod innerhalb 1,5 und 24 Stunden auf.

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24.11.2014 Seite 33

Verwechslungen

Colchicum autumnaleHerbstzeitlose

• Colchicin• Mitose-Hemmstoff• Einsatz bei akutem Gichtanfall• Nephrotoxizität, Durchfall

Convallaria majalisMaiglöckchen

Convallatoxinherzwirksames GlykosidÜbelkeit, Durchfall, Herzrhythmusstörungen, Schwindel und Brustbeklemmung

Allium ursinumBärlauch

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24.11.2014 Seite 34

Verwechslungen

alpha-Amanitin

• hemmt Transkription (mRNA-Synthese) durch Hemmung der RNA-Polymerase II

• Verlust von Enzymen, Strukturproteinen zur Lipoproteinsynthese

• nicht leberspezifisch, aber gerade dort dramatisch, da bedeutende Proteinsynthese und Penetration in Hepatocyten• Durchfall, Leberversagen • 30 g Pilz können tödlich sein• Letalität bei 20 %, Latenz: 6-48 h• Antidot: Silibilin aus Mariendistel• Zellmembran-stabilisierenden Eigenschaften:Aufnahme der Amatoxine in die Leberzellen wird erschwert und ihr enterohepatischerKreislauf unterbundenAmanita phalloides

Grüner Knollenblätterpilz

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Falsche Präparation vonpflanzlicher Medizin

Aconitum napellusBlauer Eisenhut

• verbreitet in TCM• muss heftig gekocht werden, um Toxin zu zerstören• Aconitin in allen Pflanzenteilen• Taubheit der Körperstellen, die mit der Pflanze in Berührung gekommen sind, • Kälteempfindlichkeit, Übelkeit, nervöse Erregung, Herzrhythmusstörungen und Krämpfe sowie • in schweren Fällen Lähmungen und Kreislauflähmung bis hin zum Tod.

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Vitamin D

Cholcecalciferol(Calciol, Vit. D3) phys. vorkommend aus Cholesterol in Haut gebildet

Regulierung des Ca-Spiegels

Mangel führt zu Rachitis (mangelnde Mineralisation der Knochen) bzw. Osteomalzie

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Hypervitaminosen - Vit. D

• fördert Ca-Resorption (Erhöhung) --> Kalkeinlagerung in Nieren, Herzklappen, Lungen, Nebenschilddrüsen, Lymphknoten u. Arterien; Störung der Blutbildung im Knochenmark; geistige Behinderung, da vorzeitige Verknöcherung des Schädels u. Wachstumsbegrenzung des Gehirns

• leichte Vergiftungserscheinungen: Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Gewichtsabnahme, Durst

• 1991 tödl. Vergiftungen in den USA durch mit Vit. D angereicherte Milch

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Vitamin A1

für Differenzierung und Erneuerung von Epithelzellen,Wachstum u. Reproduktion

Retinol (R=CH2OH) u. Retinsäure (R=COOH)

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Vitamin A

• Lebertran !!!!

• Wichtig für Wachstum u. Aufbau von Haut u. Schleimhäuten, Blutkörperchen, Stoffwechsel und Sehvorgang (Mangel führt zur Nachtblindheit u. zur Verhornung der Sehzellen)

• Hypervitaminosen A:

- akute Vergiftung: nach 24 h Kopfschmerzen, Schwindel, Reizbarkeit, Erbrechen, Schleimhautblutung, Müdigkeit, Hautablösung (Mundwinkel)

- chronisch: Schwellung des Unterhautgewebes, Knochen- u. Gelenksschmerzen, Appetitlosigkeit, Juckreiz, schuppige Haut, dünnes Haar

- Quelle ist insbesondere Leber von einigen Fischarten (Heilbutt, Hai)

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Indirekte Schädigungdurch Vit. C

• Skorbut bei Säuglingen, deren Mutter in Schwangerschaft große Mengen an Vit. C aufgenommen haben

• Fetus passt sich an beschleunigte Abbaurate an, was dann zu Mangelerscheinungen bei “normaler” Zufuhr führte

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Antivitamine

• = Vitamin-Antagonisten

• Hemmung der Vitaminsynthese: Bsp: Dicumarol aus verdorbenen Süßklee hemmt Vitamin-K.Epoxid-Reduktase und Vitamin-K-Reduktase hemmt Biosynthese von Gerinnungsfaktoren

• Hemmung der Vitaminaufnahme im Darm:Bsp: Alkohol führt zu gestörter Vitamin B1-Resorption

• Kompetitive Hemmung der VitaminwirkungBsp: Hydrazinderivate z.B. in Leinsamen oder Zuchtchampignon hemmen Phosphorylierung von Vit. B6 zuraktiven Form

• Zerstörung der VitamineBsp: in Sojabohnen Enzym Lipoxidas, das Carotin oxidativ zerstörtBesteht Nahrung zu 1/3 aus rohen Sojabohnen, kommt es zu Vit. A-Mangelerscheinungen (Kälber)

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Atemgifte - CO

• farb- und geruchlos

• entsteht bei unvollständiger Verbrennung organischer Materialien, ist in Autoabgasen enthalten und kann auch bei unvollständiger Verbrennung von Erdgas oder Propangas entstehen,

• kann bei vergleichsweise geringen Raumluftkonzentrationen (um 0,1 %) vor allem bei älteren oder herzkranken Personen zu letalen Intoxikationenkommen, wobei Raumluftkonzentration und Sauerstoffverbrauch (Schlaf oder Arbeit) die Dauer bis zum Eintreten bestimmen (Minuten- bis Stundenbereich).

• Brandleichen: erhöhte COHb-Konzentration neben Rußeinatmungenwichtigstes Vitalzeichen. Fehlen einer Gaseinatmung spricht für ein Ableben vor der Brandentstehung Leichenbeseitigung

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Atemgifte - CO

300fach höhere Affinität zum Hb als Sauerstoff

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Atemgifte - CO

COHb Wirkungsbild

10-20 % leichter Kopfschmerz, Mattigkeit, Unwohlsein, Herzklopfen

20-30 % Schwindel, Bewusstseinseintrübung

30-40 % Bewusstseinschwund, Atemver-flachung, Kreislaufkollaps

40-60 % tiefe Bewusstlosigkeit, Lähmung

60-70 % Tod

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Cyanide - Quellen von Blausäure• Tabakrauch:

erhöhte Cyanidkonzentrationen im Blut des Rauchers (durchschn. 0,04 mg/l i Vgl. zu 0,015 mg/l bei Nichtrauchern)

• cyanogene Glykoside oder Nitrile in Bittermandeln- Amygdalin mit 0,05-0,1 % an gebundenen HCN-Anteilen- Auch in geringeren Konzentrationen in Aprikosen-, Pfirsich-, Pflaumen- Kirsch-, Apfel- und

Birnenkernen. - Freisetzung erfolgt durch Bakterien im Magen-Darm-Trakt oder durch Enzyme, die von den

entsprechenden Pflanzen selbst gebildet werden. Da diese Enzyme nur extrazellulär vorkommen, werden sie durch mechanische oder chemische Zerstörung der Zellwände freigesetzt.

- tödliche Dosis bei Kindern 5-10 Mandeln, bei Erwachsenen 60 Mandeln

• synthetisches Amygdalin ("Laetril") wird im Internet zur Krebsbehandlung empfohlen

• Peroral aus ihren Salzen KCN (Zyankali), Ca(CN)2 und NaCN- im Magen durch Einwirkung von Salzsäure freigesetzt. - in grossen Mengen in der metallverarbeitenden Industrie, chemischen Laboratorien und als

Schädlingsbekämpfungsmittel verfügbar

• Acetonitril: Freisetzung des Cyanid-Ions nach Inhalation oder perkutaner Aufnahme

• Natriumnitroprussid: das Antihypertonikum enthält pro Molekül fünf Cyanid-Ionen, von denen im Körper vier frei werden. Toxische Cyanidspiegel können nach Überdosierung erreicht werden.

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Blausäure und Cyanide -Wirkmechanismus

• Angriff auf die Atmungskette: Blockade der Cytochromoxidasedurch Bindung an dreiwertiges Eisen

• Utilisation des Sauerstoffs aus Hämoglobin wird gehemmt

• Weiterhin: Hemmung von Enzymen mit Metallionen

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Blausäure und CyanideWirkung:

• bei bei inhalativer Aufnahme innerhalb weniger Sekunden,

• bei niedrigerer Dosierung (grundsätzlich auch nach peroraler Aufnahme) Atemnot, Schwindel, Erbrechen, Tachykardie, Krämpfen und ggf. Atemstillstand und Tod nach 15-60 min

• Bei genügend hoher Dosis (1-2 mg/kg Körpergewicht) nach Inhalation: Krämpfe, Atemstillstand nach Sekunden

• Laktatazidose

• Intrazellulärer Sauerstoffmangel und Erstickung auf zellulärer Ebene

• Entgiftung:

• intrazellulär zu 80 % durch Kopplung an Schwefel (langsam und begrenzt !) über das Enzym Rhodanase zum ungiftigen Thiocynanat renale Ausscheidung

• Grund für das Ausbleiben einer chronischen Vergiftung bei langfristiger Aufnahme geringer Dosen

Therapie:

• Schwefelsubstitution (Na2S2O3)

• MetHb-Bildung, z.B. durch 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP)

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Insektizide

Beispiele: • Organophosphate; • Carbamate, • Chlorierte cyclische Kohlenwasserstoffe,

Pyrethroide• z.T. mit Anreicherung in der Nahrungskette

• Resorption aus Magen-Darm-Trakt und über Lunge• Verteilung und Anreicherung wegen Lipophilie

stark, Elimination langsam (Oxidation in Leber)

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Organochlorverbindungen

• Dichlorodiphenyltrichloroethane (DDT)

• Akute Neurotoxizität:Unruhe, Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Mydriasis, Parästhesien; Schwindel, Benommenheit; Kopfschmerz; Agitiertheit, zerebrale Krämpfe; Erbrechen; Bewusstlosigkeit

• Therapie: Magenspülung; Na-Sulfat; bei Krämpfen Diazepam; bei Bradykardie Atropin

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DDT verhindert das Schließen von Na-Kanälen, so dass Na-Einstrom anhält und Aufbau des Ruhepotentials beeinträchtigt wird; daraus resultiert eine Übererregbarkeit der Zelle

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Pyrethroide• ursprünglich Ester der Chrysanthemsäure

• heute photostabile synthetische Produkte z. B. Pyrethrum, Permethrin

• Wirkung vgl. Organochlorverbindungen

• akute Lähmung bei Insekten, geringe Toxizität bei Säugern; starke Übererregung des NS; Verzögerung beim Schließen von Na-Kanälen

• Symptome beim Menschen: Brennen, Juckreiz, Spannungs- u. Taubheitsgefühl, Missempfindungen im Gesicht, bei orlaer Aufnahme Schmerzen im Magen-Darm-Trakt, Erbrechen, u.U. Zuckungen und Krämpfe

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Organophosphate

• Z.B. Parathion (= E605), Malathion, Dimethoat, Bromophos, Mevinphos (Blaufärbung)

• Inhibition der Acetylcholinesterase (t1/2 = Tage): Akkomodationsstörungen, Miosis, Sehstörungen, Tränen- u. Speichelfluss, Kolliken, Durchfall, Erbrechen, Engstellung der Bronchien mit erhöhter Bronchialschleimproduktion, Muskelsteife, Herzfrequenz- u. Blutdrucksenkung, Tremor, Muskelsteife, Sprachstörungen bis hin zu Bewußtlosigkeit, Lungenödem und tödl. Atem-/Herzstillstand

• Therapie: Erhaltung der Atmung, Verhinderung der Resorption (Magenspülung, Kohle); Blockade der Muscarinrezeptoren mit Atropin; Reaktivierung der Esterasedurch Oximgabe

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Inhibition der Acetylcholin-Esterase

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Carbamate

• Z.B. Propoxur Aldicarb

• Inhibition der Acetylcholinesterase (t1/2 = Minuten):Vgl. Organophosphate mit schnellem Abklingen und in der Regel ohne schwerwiegende Störungen des ZNS und nicht letal

• Therapie: Erhaltung der Atmung, Verhinderung der Resorption (Magenspülung, Kohle); Blockade der Muscarinrezeptoren mit Atropin; Reaktivierung der Esterase durch Oximgabe

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Reversible Hemmung der Cholinesterasedurch Carbamate

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Organische Lösungsmittel –Aliphatische Kohlenwasserstoffe

• Alkane = kurzkettige Benzine oder langkettige Paraffine• Gewinnung in Erdöldestillerien

• Inhalation: Hohe Lipophilie Überwindung der Blut-Hirn-Schranke Pränarkosenach Schnüffeln, bei Bewusstseinstrübung wird Umwelt verändert wahrgenommen Träume und Phantasien

• Bei Transport von Benzintröpfchen in die Bronchien kann als schwere Spätkomplikation eine Benzinpneumonie auftreten (Ursache ist wahrscheinlich Gefäßschädigung auch bei Einatmung hoher Dampfkonzentrationen mit Auftreten von Lungenödem

• Bei Überschreiten des Rauschstadiums: Exzitationserscheinungen, tonisch-klonischeKrämpfe

• orale Aufnahme: Reizung der Magenschleimhaut Erbrechen, Glomerulopathie

• n-Hexan: - neurotoxische Wirkung - Metabolit 2,5-Hexandion bildet mit Aminogruppen von Proteinen in Neurofilamenten

Addukte und führt so zu Degeneration von peripheren Nerven

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Organische Lösungsmittel –Aromatische Kohlenwasserstoffe

• Benzol- früher als Löse- und Reinigungsmittel weit verbreitet- heute als Antiklopfmittel in Superkraftstoff- Ausgangsstoff bei vielen Synthesen. - Ingestion von mehr als 0,5 ml/kg oder Inhalation von mehr als 1000 ml/m3 über länger als ½ Stunde:

Rauscherscheinungen mit euphorischer Komponente, Kopfschmerzen, Schwindel und später Übelkeit und Erbrechen.

- Höhere Dosen: Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Herzrythmusstörungen und Tod durch zentrale Atemlähmung oder Kreislaufversagen.

- rasche Erholung von Intoxikation- wiederholte, langandauernde oder gar einmalige, eher massive Einwirkung:

Hemmung der Erythropoese, Leukopoese und Thrombopoese kommen irreversible Chromosomenaberrationen

• Toluol - wird anders metabolisiert und ist frei von blutschädigender Wirkung und auch nicht kanzerogen- Narkotisierung mit möglicherweise geringgradig nephrotoxischen Eigenschaften.

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Organische Lösungsmittel –Alkohole

Siehe Vorlesung „forensische Alkohologie“ (Sommersemester)

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Organische Lösungsmittel –Chlorierte Kohlenwasserstoffe• Tetrachlorkohlenstoff (CCl4)- Modellsubstanz für Hepatotoxizität.- Umsatz über Cytochrom-P450-Reduktase zum CCl3-Radikal - Bildung des Peroxidradikals durch O2-Anlagerung- H-Abstraktion aus ungesättigten Fettsäuren Umlagerung des Radikals zum Dien Radikalkettenreaktion- Lipid-/Membranschädigungen mit irreversiblen Folgen, Zellnekrosen- Verschlucken: eintägige Latenz Leberdystrophie und Nierenschädigung, Leberzirrhosen

• Chloroform (CHCl3)- früher Narkosemittel - Radikalbildungen werden ebenfalls als hauptsächlich toxischer Anstoß für Leberschädigungen angesehen

• Dichlormethan (CH2Cl2)- Leberschäden- Verstoffwechselung zu Phosgen wie auch zu CO ist möglich, wobei eine entsprechende CO-Symptomatik

bei resultierenden CO-Hb-Konzentrationen < 15 % in der Regel unbedeutend ist.

» Trichlorethylen (C2HCl3) - chemischen Reinigungen oder in der Metallentfettung, - gelegentlich zu Rauschzwecken psychische Abhängigkeit („Tri-Sucht“).- Stoffwechselprodukt Trichlorethanol wirkt hypnotisch- Intermediat Trichloracetaldehyd und das primär gebildete Epoxid haben möglicherweise kanzerogene

Eigenschaften.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!