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Signifikante Elektronenstrukturen;l) Aromatizitat Beschreibt man die n-Elektronensysteme von Cyclobutadien und Benzen durch Mesomerie ihrer beiden Grundstrukturen, so erhiilt man mit der Methode der signifikanten Elektronenstrukturen [S] in Huckel-Naherung einen Energiegewinn fur Benzen, nicht aber fur Cyclobutadien [3], iibereinstimmend mit einer HMO-Beschrei- bung, aber abweichend von einer VB-Beschreibung auf gleicher Niherungsstufe. Die Stabilitiitsuntersuchung von mono- und bicyclischen n-Elektronensystemen kann in Hiickel-NLherung (mit = 0, ,!I = 1) allgemein durchgefuhrt werden und erlaubt eine verallgemeinernde Aussage uber deren aromatischen Cha- rakter. Vier-, sechs-, acht- und hohergliedrige Monocyclen werden durch je zwei Grundstrukturen beschrieben: R b (1 b 1st die Zahl der beteiligten Bindungsorbitale n ungerade, so er- halt man fur das Nichtorthogonalitatsintegral zwischen den bei- den Konfigurationen Sab = (1/4)%-l, und fur n gerade ist Sub = 0. Der Energiegewinn bei der Wechselwirkung der beiden Strukturen ist von Vab = Hab - Ha, * Sub abhangig. Mit Hab = 4n . Sab und Haa = Hbb = 2n folgt Vab = 2n. Sab. Monocyclische Systeme mit ungeradem n sind demnach als aromatisch, solche rnit geradem n als nichtaromatisch einzuordnen. Eine analoge Aussage ist fur die Reihe der Bicyclen Bicyclobuta- dien, 1,4-Dehydrobenzen, Pentalen, Naphthalen, Heptalen, Octalen usw. moglich. 1st n gerade, so gibt es zwei Grundstruk- turen: a b a b a b Da Sub =I0 und also auch Vab =[O, ist deren Wechselwirkung nicht mit einem Energiegewinn verbunden, diese Systeme sind nicht- aromatisch. 1st n ungerade, so gibt es drei Grundstrukturen: a b C a b C b C Fur die Wechselwirkung~de<Strukturen a und:b ist Sab = (1/4)%-l und Vab = 2 n . Sub. Sie fuhrt also zu einem Energiegewinn. Die Wechselwirkung von a bzw. b mit der Struktur c ist fur 1,4-De- ') 6. Mitteilung; 5. Mitteilung vgl. [l] hydrobenzen und fur Octalen (allgemein fur n = 3,7.. .) auf die- jenige zwischen den Strukturen reduzierbar, die nicht mit einem Energiegewinn verbunden ist. Diese beiden Molekule sind demnach [ I ] - - bzH: als aromatisch einzuordnen, und ihr Grundzustand wird durch die beiden Strukturen a und b zu gleichen Teilen beschrieben. mereinstimmend mit HMO-Resultaten hat die zentrale Bindung in beiden Molekulen keinen Doppelbindungsanteil. I n Naphthalen (allgemein n = 5, 9.. .) ist die Wechselwirkung von a bzw. b mit c auf diejenige zwischen den Strukturen /--) ,-\ - 1. . . . - I P- ,'\ : c-- I - [.,2 reduzierbar, mit Sac = Sbc = 1/16 und Hac = Hbc = 3/4. Diese Wechselwirkung ist wesentlich groder als die zwischen a und b. Wenn Sab = 11256 = 0 gesetzt wird, kann der Grundzustand von Naphthalen bis auf einen Normierungsfaktor durch die Linear- kombination Y = l/vF(Qa + Qb) + Qc beschrieben werden. Die Gewichte der drei Strukturen sind dann a: b:c = 25:25:50%, die Erlenmeyer-Struktur c erweist sich als dominierend. Der Energiegewinn gegenuber den Grenzstrukturen betragt 6 vS/ (16 + VT) = 0,487B (vgl. die Mesomerieenergie von 0,353 /3 der beiden KehZ4-Strukturen von Benzen). Naphthalen wird dem- nach ebenfalls als aromatisch beschrieben mit einer durch die Be- teiligung von Struktur c bedingten besonders hohen Mesomerie- energie. Fur alle Systeme gilt, da13 rnit zunehmender Ringrode der Energiegewinn durch Wechselwirkung der Grundstrukturen und damit der aromatische Charakter rasch abnimmt. Die Spannung kleiner Ringe und die geringe Mesomerieenergie bei groden R,ingen begrenzen den Bereich nach unten bzw. oben, so daB in den bei- den Reihen nur Benzen und Naphthalen als Systeme hoher Sta- bilitiit ubrigbleiben. Die HMO-Methode versagt bei der Beschreibung der genannten Bicyclen, da ihnen in jedem Fall eine hohe, mit der des Naphtha- lens vergleichbare Delokalisierungsenergie zugeschrieben wird (1,66 fur 1,4-Dehydrobenzen, 2,46 fur Pentalen, 3,68 ,!I fur Naphthalen, 3,62B fur Heptalen und 4,19,!I fur Octalen). Die experimentell gesicherte sehr geringe Stabilitiit des Pentalen- bzw. Heptalensystems (vgl. die ausfuhrliche Diskussion in [4]) kann durch die HMO-Methode nicht erklart werden. Umgekehrt ist die VB-Methode auf analoger Naherungsstufe nicht in der Lage, die Stabilitatsverhaltnisse der Monocyclen zutreffend wieder- zugeben. Die Beschreibung durch Wechselwirkung signifikanter Elektronenstrukturen bietet fur beide Reihen, Mono- und Bicyc- len, ein zutreffendes Aromatizitatskriterium. - Literatur [l] Grundler, W.: Z. Chem. 19 (1979) 391 [2] Griindler, W.: Z. Chem. 18 (1978) 351 [3] Griindler, W.: 2. Chem. 19 (1979) 236 [4] Streitwieser, A.: Molecular Orbital Theory for Organic Che- WoZfgang Grundler, Sektion Chemie der Martin-Luther-Universitat Halle-Wittenberg, DDR-4020 Halle/Saale, Weinbergweg 16 eingegangen am 23. Juni 1980 mists, New York, Wiley, 1961, S. 292ff. ZCM 6727 Tagungsbericht e Internationales Dobereiner-Kolloquium vom 20. bis 22. Mai 1980 in Jena Die Sektion Chemie der Friedrich-Schiller-Universitiat Jena hatte den 200. Geburtstag von Johann Wolfgang Dobereiner zum AnlaS genommen, zu einem internationalen Kolloquium zum Thema ,,Fortschritte in der Systematisierung von Struktur- und Reak- tivitatsbeziehungen in der Chemie" einzuladen. Auf diese Weise sollte der in der Geschichte der Jenaer Universitiit wohl bedeu- tungsvollste Chemiker gewurdigt werden, dessen Werk mit der Entdeckung der heterogenen Katalyse und der Aufstellung der Triadenregeln schon zu historisch fruher Zeit ein stark ausgeprag- tes Bestreben nach Verallgemeinerung und Systematisierung in der Chemie widerspiegelte. Eine wurdige Einstimmung in das naturwissenschaftliche Denken der Zeit Dobereiners gab eine literarische Soiree, veranstaltet am Vorabend des Kolloquiums durch die Goethe-Gesellschaft, zu

Internationales Döbereiner-Kolloquium vom 20. bis 22 Mai 1980 in Jena

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Signifikante Elektronenstrukturen;l) Aromatizitat Beschreibt man die n-Elektronensysteme von Cyclobutadien und Benzen durch Mesomerie ihrer beiden Grundstrukturen, so erhiilt man mit der Methode der signifikanten Elektronenstrukturen [S] in Huckel-Naherung einen Energiegewinn fur Benzen, nicht aber fur Cyclobutadien [3], iibereinstimmend mit einer HMO-Beschrei- bung, aber abweichend von einer VB-Beschreibung auf gleicher Niherungsstufe. Die Stabilitiitsuntersuchung von mono- und bicyclischen n-Elektronensystemen kann in Hiickel-NLherung (mit = 0, ,!I = 1) allgemein durchgefuhrt werden und erlaubt eine verallgemeinernde Aussage uber deren aromatischen Cha- rakter. Vier-, sechs-, acht- und hohergliedrige Monocyclen werden durch je zwei Grundstrukturen beschrieben:

R b (1 b

1st die Zahl der beteiligten Bindungsorbitale n ungerade, so er- halt man fur das Nichtorthogonalitatsintegral zwischen den bei- den Konfigurationen Sab = (1/4)%-l, und fur n gerade ist Sub = 0. Der Energiegewinn bei der Wechselwirkung der beiden Strukturen ist von Vab = Hab - Ha, * Sub abhangig. Mit Hab = 4n . Sab und Haa = H b b = 2n folgt Vab = 2 n . Sab. Monocyclische Systeme mit ungeradem n sind demnach als aromatisch, solche rnit geradem n als nichtaromatisch einzuordnen. Eine analoge Aussage ist fur die Reihe der Bicyclen Bicyclobuta- dien, 1,4-Dehydrobenzen, Pentalen, Naphthalen, Heptalen, Octalen usw. moglich. 1st n gerade, so gibt es zwei Grundstruk- turen:

a b a b

a b

Da Sub =I0 und also auch Vab =[O, ist deren Wechselwirkung nicht mit einem Energiegewinn verbunden, diese Systeme sind nicht- aromatisch. 1st n ungerade, so gibt es drei Grundstrukturen:

a b C

a b C

b C

Fur die Wechselwirkung~de<Strukturen a und:b ist Sab = (1/4)%-l und Vab = 2 n . Sub. Sie fuhrt also zu einem Energiegewinn. Die Wechselwirkung von a bzw. b mit der Struktur c ist fur 1,4-De-

') 6. Mitteilung; 5. Mitteilung vgl. [l]

hydrobenzen und fur Octalen (allgemein fur n = 3,7.. .) auf die- jenige zwischen den Strukturen reduzierbar, die nicht mit einem Energiegewinn verbunden ist. Diese beiden Molekule sind demnach

[I] - - bzH:

als aromatisch einzuordnen, und ihr Grundzustand wird durch die beiden Strukturen a und b zu gleichen Teilen beschrieben. mereinstimmend mit HMO-Resultaten hat die zentrale Bindung in beiden Molekulen keinen Doppelbindungsanteil. I n Naphthalen (allgemein n = 5, 9.. .) ist die Wechselwirkung von a bzw. b mit c auf diejenige zwischen den Strukturen

/--) ,-\ - 1. ...-I

P- ,'\ : c-- I - [.,2

reduzierbar, mit Sac = Sbc = 1/16 und Hac = Hbc = 3/4. Diese Wechselwirkung ist wesentlich groder als die zwischen a und b. Wenn Sab = 11256 = 0 gesetzt wird, kann der Grundzustand von Naphthalen bis auf einen Normierungsfaktor durch die Linear- kombination Y = l /vF(Qa + Qb) + Qc beschrieben werden. Die Gewichte der drei Strukturen sind dann a: b:c = 25:25:50%, die Erlenmeyer-Struktur c erweist sich als dominierend. Der Energiegewinn gegenuber den Grenzstrukturen betragt 6 vS / (16 + VT) = 0,487B (vgl. die Mesomerieenergie von 0,353 /3 der beiden KehZ4-Strukturen von Benzen). Naphthalen wird dem- nach ebenfalls als aromatisch beschrieben mit einer durch die Be- teiligung von Struktur c bedingten besonders hohen Mesomerie- energie. Fur alle Systeme gilt, da13 rnit zunehmender Ringrode der Energiegewinn durch Wechselwirkung der Grundstrukturen und damit der aromatische Charakter rasch abnimmt. Die Spannung kleiner Ringe und die geringe Mesomerieenergie bei groden R,ingen begrenzen den Bereich nach unten bzw. oben, so daB in den bei- den Reihen nur Benzen und Naphthalen als Systeme hoher Sta- bilitiit ubrigbleiben. Die HMO-Methode versagt bei der Beschreibung der genannten Bicyclen, da ihnen in jedem Fall eine hohe, mit der des Naphtha- lens vergleichbare Delokalisierungsenergie zugeschrieben wird (1,66 fur 1,4-Dehydrobenzen, 2,46 fur Pentalen, 3,68 ,!I fur Naphthalen, 3,62B fur Heptalen und 4,19,!I fur Octalen). Die experimentell gesicherte sehr geringe Stabilitiit des Pentalen- bzw. Heptalensystems (vgl. die ausfuhrliche Diskussion in [4]) kann durch die HMO-Methode nicht erklart werden. Umgekehrt ist die VB-Methode auf analoger Naherungsstufe nicht in der Lage, die Stabilitatsverhaltnisse der Monocyclen zutreffend wieder- zugeben. Die Beschreibung durch Wechselwirkung signifikanter Elektronenstrukturen bietet fur beide Reihen, Mono- und Bicyc- len, ein zutreffendes Aromatizitatskriterium.

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L i t e r a t u r

[l] Grundler, W.: Z. Chem. 19 (1979) 391 [2] Griindler, W.: Z. Chem. 18 (1978) 351 [3] Griindler, W.: 2. Chem. 19 (1979) 236 [4] Streitwieser, A.: Molecular Orbital Theory for Organic Che-

WoZfgang Grundler, Sektion Chemie der Martin-Luther-Universitat Halle-Wittenberg, DDR-4020 Halle/Saale, Weinbergweg 16

eingegangen am 23. Juni 1980

mists, New York, Wiley, 1961, S. 292ff.

ZCM 6727

Tagungsbericht e

Internationales Dobereiner-Kolloquium vom 20. bis 22. Mai 1980 in Jena Die Sektion Chemie der Friedrich-Schiller-Universitiat Jena hatte den 200. Geburtstag von Johann Wolfgang Dobereiner zum AnlaS genommen, zu einem internationalen Kolloquium zum Thema ,,Fortschritte in der Systematisierung von Struktur- und Reak- tivitatsbeziehungen in der Chemie" einzuladen. Auf diese Weise sollte der in der Geschichte der Jenaer Universitiit wohl bedeu- tungsvollste Chemiker gewurdigt werden, dessen Werk mit der

Entdeckung der heterogenen Katalyse und der Aufstellung der Triadenregeln schon zu historisch fruher Zeit ein stark ausgeprag- tes Bestreben nach Verallgemeinerung und Systematisierung in der Chemie widerspiegelte. Eine wurdige Einstimmung in das naturwissenschaftliche Denken der Zeit Dobereiners gab eine literarische Soiree, veranstaltet am Vorabend des Kolloquiums durch die Goethe-Gesellschaft, zu

,,Dichtung und Naturwissenschaft im Lichte der Begegnung Goethe-Dobereiner". In der A d a der Universitat hatte man hierbei dus bekannte Hodler-Gemalde ,,Auszug der Jenenser Studenten 1813" vor Augen, das unschwer die Gedanken der Teilnehmer in Dobereiners Zeit gleiten IieB; Dobereiner sol1 ja gerade diese in den Freiheitskampf gegen die Napoleonischen Truppen ziehenden Stu- denten im Umgang mit Sprengstoffen unterwiesen haben. Kam an diesem Abend zwar vorrangig Goethe zu Wort, so standen doch viele seiner Gedanken auch in enger Beziehung zum Anliegen des Kolloquiums, ja hatten als Leitwort gewahlt werden konnen, wenn er beispielsweise schrieb :

,,Hypothesen sind Geriiste, die man vor dem Gebaude auffiihrt und die man abtragt, wenn das Gebaude fertig ist. Sie sind dem Ar- beiter unentbehrlich; nur muB er das Geriist nicht fur das Ge- baude ansehen."

Nach der Eroffnung des Kolloquiums durch den Direktor der Sektion Chemie, Prof. Dr. G. Heublein, und nach kurzen Begru- Bungsworten des Dekans der mathematisch-naturwissenschaft- lich-technischen Fakultat der Friedrich-Schiller-Universitat, Prof. Dr. E . Uhlig, sowie des stellvertretenden Vorsitzenden der Chemischen Gesellschaft der DDR, Prof. Dr. Dr. Wiss. c. h. H.-J. Bittrich, ergriff als erster Referent Doz. Dr. D. Linke (Berlin) das Wort, der sich in den zuriickliegenden Jahren seiner Jenaer Tatigkeit intensiv rnit den1 Wirken Dobereiners beschaftigt hatte. In seinem von entsprechend tiefer Sachkenntnis getragenen und auBerst lebendig dargebotenen Vortrag , ,J . W . Dobereiner - Leben und Wirken in seiner Zeit" verstand er es ausgezeichnet, Personlichkeit und wissenschaftliche sowie gesellschaftliche Um- welt Dobereiners vielfaltig zu beleuchten, nicht ohne interessante und reizvolle Parallelen zur Gegenwart aufzuzeigen. Kurz vor Beginn der Nachmitt,agssitzung fanden sich viele der Tagungsteilnehmer auf dem nahegelegenen alten Friedhof der Stadt Jena ein, um mit einer Kranzniederlegung am Grabe Dober- einers dessen Andenken zu ehren. Das Nachmittagsprogramm wurde eroffnet mit einem Vortrag von Prof. Dr. R. Hoj'fmann (Ithaca, USA) iiber Fragmentorbitale a19 vereinheitlichendes Prinzip in der Metallorganochemie. Ein- leitend gab er eine ifbersicht iiber die Strukturmannigfaltigkeit dieser Substanzklasse. Einen Ansatz zum Verstandnis der Struk- turen in diesem ,,Reich der unbegrenzten Moglichkeiten" bildet die theoretische Auftrennung in Molekulfragmente, die haufig auftretende Baueinheiten enthalten und teilweise durch Matrix- isolation auch experimentell beobachtbar sind. Welche Aussagen man bei bekannter Elektronenstruktur der Teilmolekiile hinsicht- lich der Struktur des daraus aufzubauenden Gesamtmolekiils treffen kunn, wurde am Beispiel des Fe(CO),(C,H,) anschaulich erlautert und auf eine Reihe interessanter anderer Strukturen an- gewandt, wobei die Palette der diskutierten Verbindungen von Komplexen vom Typ ML,-Polyene (M = Cr, Mo, W; L = NR,, CH,R, C1) und M,L6 iiber Zweikernkomplexe vom Typ M,L, und inverse Sandwichstrukturen bis hin zu mehrkernigen Clustern fiihrte. Prof. Dr. 1. Ugi (Miinchen) sprach anschlieBend iiber ,,Die histo- rische Entwicklung der Begriffe und logischen Grundlagen der Chemie - der Weg bis zur Computerchemie", indem er zunachst einen kurzen geschichtlichen AbriB gab: Angefangen mit der Zeit vor Dobereiner, wo eine Klassifizierung der Stoffe vorrangig nach deren Konsistenz vorgenommen wurde (und wonach T'itriolol eben zii den Olen gehorte!), setzte rnit den in zunehmendem MaDe starker quantitativ orientierten Untersuchungen (Laaaoisier, Dalton, Dobereiner) eine Entwicklung Gin, die zii einem neuen Be- griffssystem der Beschreibung fuhrte, auf das man sich endgultig auf der Cheinikerversammlung des Jahres 18GO inKarlsruhe einigte. Eine Weiterentwicklung brachte in der ersten Halfte dieses Jahr- hunderts die Anwendung der Quantentheorie auf die Chemie mit sich, die erstmals Aussagen zur Natur der chemischen Bindung and zu lteaktionsmechanismen lieferte. Gleichzeitig waren damit die theoretischen Voraussetzungen gegeben, chemische Synthesen mathematisch zu modellieren, was zur heutigen Computerchemie gefuhrt hat. Hierbei werden die molekularen Systeme durch Ma- trizen wiedergegeben, und jede Reaktion, letztlich identisch mit der Verschiebung von Valenzelektronen in einem solchen System, stellt eine additive Matrizentransformation dar. Das Aufsuchen geeigneter Transformationsmatrizen im Computer kann somit einen Weg zur Syntheseplanunp offnen. Ein solches Herangehen macht

neue Begriffe erforderlich wie beispielsweise die ,,chemische Di- stanz" als quantitatives MaB fur chemische Ahnlichkeit. Den AbschluB des ersten Vortragstages bildete ein Beitrag von Prof. Dr. D. Huberlund (Greifswald) ,,Zur Systematik chemisch- kinetischer Untersuchungen". Darin wurde an instruktiven Bei- spielen ein uberblick iiber das System der heute in der Reaktions- kinetik angewandten Modellreaktionen und die Grenzen ihrer Anwendbarkeit gegeben sowie die Moglichkeiten zur experimen- tellen Bestimmung der enthaltenen Parameter diskutiert. Der erste Tag klang aus mit einem Kammerkonzert im Foyer der Universitatsaula mit einer szenischen Auffiihrung der ,,Kaffee- kantate" von J . 8. Bach als Hohepunkt. Das Programm am Mittwoch, dem 21. Mai 1980, begann mit einem Vortrag von Prof. Dr. R. Paetzold (Jena), der dankenswerterweize kurzfristig das Thema des erkrankten Prof. Dr. H. A . Staab (Heidelberg) iibernommen hatte und iiber ,,Elektronen-Donor- Akzeptor-Verbindungen: Ergebnisse und Probleme" sprach. Unterstiitzt durch Experimente, die allein schon durch ihre Far- bigkeit beeindruckten, hat er an ausgewahlten Beispielen vor- rangig eigener Forschungsergebnisse Bindungsverhaltnisse und Strukturen anorganischer und organischer EDA-Komplexe im Zusammenhang mit ihren thermodynamischen nnd kinetischen Eigenschaften diskutiert und interessante Anvatze zu deren Systematisierung in Form von LFE-Beziehungen vorgestellt. Als zweiter Referent an diesem Tage sprach Prof. Dr. R. Taube (Merseburg) uber ,,Die Oxydationsstufe als Modellbegriff und heuristisches Prinzip in der Koordinationschemie". Ausgehend von der Definition des Begriffes ,,Oxydationsstufe" im Rahmen des LCAO-MO-Modells als Ionenladung des ,,stabilsten" Valenz- zustandes wurde die ZweckmaBigkeit des Begriffes zur Charak- terisierung und Systematisierung der Ubergangsmetallkomplexe dargelegt und auf die Zusammenhange zwischen Oxydations- stufe und Koordination bzw. effektiver Ladung des Zentralatoms sowie die Grenzen der Anwendbarkeit dieses Begriffes einge- gangen. Die Vormittagssitzung schloB mit einem interessanten und pro- blemreichen Beitrag von Prof. Dr. V . Gutmann (Wien). SeinVortrag ,,Strukturvariabilitat und Reaktivitat" war in zwei Hauptteile gegliedert : Zunachst stellte er Regeln zur Erweiterung des Donor- Akzeptor-Konzeptes vor, die es gestatten, Bindungslangenan- derungen in Abhangigkeit vonUmgebungseinfliissen abzuschatzen, und fuhrte, daraus resultierend, den Begriff der Strukturvariabi- litat ein als Ausdruck der Tatsache, daB Ladungsdichte, Struktur und somit auch Reaktivitat cines Molekiils Funktionen des Um- gebungseinflusses sind. Nach Erlauterung dieses Konzeptes anhand von Beispielen (Losungsmitteleffekte, EinfluB des Druckes, Bindungen an Oberfliichen) ging es ihm im zweiten Teil darum zu zeigen, daB speziell im Falle der Festkorper deren Idealstruktur eine denkbar ungeeignete Beschreibungsweise ist, wenn es um Eigenscha€ten wie die Reaktivitat geht, da diese durch die energie- reichsten, also am starksten von der Idealstruktur abweichenden Bausteine bestimmt werden. Die qualitative Diskussion der Wechselwirkung zwischen FeLlstelle und Gitter und die energeti- sche Hierarchie der Bausteine im Festkorper stellten interessante Aspekte zum Thema dar, ohne allerdings so revolutionar zu sein, wie dies die Ausfuhrungen des Referenten vermuten lieBen. Die Mittagszeit war bis zu Beginn des ersten Rundtischgespraches am Spatnachmittag freigehalten zur Besichtigung kulturhisto- rischer Sehenswiirdigkeiten der Universitat und der Stadt, wobei das besondere Interesse der Tagungsbesucher neben dem Optischen Museum und dem Naeckel-Haus der Sammlung vorderasiatischer Altertiimer der Universitat (Hilprecht-Sammlung) sowie einer Fuhrung zur Universitatsgeschichte galt mit einem Besuch dcs Collegium Jenense, des altesten noch existenten Universitats- gebaudekomplexes auf dem GeLiet der DDR. AnschlieRend fand man sich zum ersten Rundtischgesprach zu- sammen, das unter dem Thema ,,Struktur und Reaktivitat" stand und von Prof. Dr. G . Heublein geleitet wurde. Als Hauptdiskus- sionspartner am ,,runden Tisch" hatten desweiteren Prof. Dr. V . Gutmann, Prof. Dr. R. Taube, Prof. Dr. I . CJgi und Dr. A . Weise (Berlin) Platz genommen. Es standen dabei vorrangig Schwer- punkte vorangegangener Vortrage (Donor-Akzeptor-Prinzip, Fortschritte nnd Grenzen der Computerchemie) im Mittelpunkt, wobei um die Gutmannsche Interpretation des Begriffes ,,Modell" und seine Rolle in der Chemie eine lebha€te Diskussion gefiihrt wurde.

Am Abend fanden sich die Tagungsteilnehmer auf dem ,,Fuchs- turm", einer bekannten Gaststatte auf den Hohen des Hausberges bei Jena, erneut zusammen. I n geselliger Atmosphare hielt die Diskussionsfreudigkeit bis spat in die Nacht an. Der Ietzte Veranstaltungstag begann mit dem Vortrag von Prof. Dr. B. Baranowski (Warschau), der uber die ,,Hochdruckforschung als Beitrag zur Systematisierung der Chemie" sprach und auf uber- zeugende Weise die Notwendigkeit demonstrierte, den Druck als eine Dimension in einer chemischen Systematik mit zu beruck- sichtigen, da dieser nicht nur zu neuen Phasen und veranderten physikalischen Eigenschaften der Festkorper fuhrt, sondern ebenso den Valenzzustand der Atome und damit die Moglichkeiten der Verbindungsbildung beeinflussen kann. Auch ist die Zuordnung eines Elementes zu den Metallen letztlich nur eine Frage des ver- fugbaren Druckes. An anwendungstechnisch interessanten Pro- blemen uvrden die Speicherung des Wasserstoffs als Metallhydrid, die Hochdrucksupraleitfahigkeit und der metallische Wasserstoff diskutiert. Im folgenden Vortrag warf Prof. Dr. A . D. VlEek (Prag) die Frage auf, gibt es ,,Redoxmittel nach MaB ?". Eine in seinem Vortrag an Einzelbeispielen ausfuhrlich begrundete Antwort darauf gab er am SchluB, als er feststellte, daB sich im Prinzip die theoreti- schen Kenntnisse der Redoxprozesse auf einem Niveau befinden, das es gestattet, fur beliebige Prozesse ein geeignetes Agens zu finden. Die Entwicklung einer umfassenden, systematischen Theo- rie aber, die die Optimierung aller EinfluBfaktoren gestatten aiirde, stellt nach wie vor eine lohnende Aufgabe fur den Chemiker dar. Mit einem anderen Themenkreis, dem gegenwartigen Stand spe- zieller chemischer AnalysenmeBtechnik, beschaftigte sich Prof. Dr. E. Pungor (Budapest) in seinem Vortrag ,,Flow-through Analysis Methods with Electroanalytiral Detectors". Nach einem Uberblick uber diesbeziigliche Analysenmethoden und der Ab- leitung von Forderungen zu ihrer weiteren Vervollkommnnng ging er auf eigene Arbeiten ein, die das Ziel hatten, eine Durchflud- titrationstechnik zu entwickeln, um Genauigkeit und Zuverliissig- keit analytischer Methoden, die auf Titration beruhen, mit den Vorteilen zu kombinieren, die eine Analysentechnik in stromenden Systemen bietet. Als Ietzter Vortragender des Kolloquiums sprach Prof. Dr. R. Mayer (Dresden) uber ,,Schwefelhaltige Gruppen als Hilfs- funktionen in der organischen Synthese". An konkreten Reak- tionsbeispielen demonstrierte er die vielseitigen Einsatzmoglich- keiten des Schwefels und seiner Verbindungen zum Knupfen und Losen von C-C- oder auch N-h--Bindungen, zur Aktivierung und Desaktivierung funktionellcr Gruppen, zum reversiblen Schutz und zur Umpolung von Gruppen, wobei die Ursache fur diese Multivalenz der Funktion des Schwefels darin zu suchen ist, dad Schwefel in der Oxydationsstufe sehr variabel ist, als Anion,

Kation nnd Radikal auftreten und auch mit sich selbst unbegrenzt Bindungen eingehen kann. Den Abschlud des Internationalen Dobereiner-Kolloquiums bildete ein weiteres Rundtischgesprach. Prof. Dr. A . Feltz (Jena) hatte unter der Uberschrift ,,Entwicklungstrends in der Chemie" Prof. Dr. B. Baranowski, Prof. Dr. R. Mayer, Prof. Dr. Schreiber (Halle) und Prof. Dr. E. Uhlig zum Gespriich gebeten. Er gab zunachst einen weit gespannten Uberblick uber gegenwartig be- sonders aktueile und voraussichtlich auch zukunftig relevante Probleme der Chemie. I n der sich anschlieaenden Diskussion stan- den vor allem Aufgaben im Vordergrund, die sich fur die Chemie aufgrund der Energie- und Rohstoffsituation und der daraus fol- genden Forderung nach Verarbeitung von Abprodukten sowie des Umweltschutzes ergeben. Aber auch Grenzgebiete der Chemie (Biochemie und -physik) spielten in der Diskussion eine besondere Rolle. Dabei wurde einmal mehr die Notwendigkeit aufgezeigt, die Chemie als eigenstandige Wissenschaftsdisziplin auch in ihrer Gesamtheit und Breite im Auge zu behalten und zu entwickeln, da selbst die Fachsprache als integrierende Grundlage der Ver- standigung zwischen Vertretern verschiedener Grenzgebiete heute bereits zu divergieren droht. Gerade hierin aber, in demzusammen- fiihren von Chemikern der verschiedensten Richtungen und in der Diskussion der allgemeinen und damit gemeinsamen Grundlagen der Chemie, bestand auch ein wesentliches Anliegen des Dobereiner- Kolloquiums. Und so war es fur die Veranstalter erfreulich, in einer abschlie- Denden Einschatzung durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Chemischen Gesellschaft, Prof. Dr. Dr. Wiss. e. h. N.-J . Bittrich, bestatigt zu bekommen, daB das Kolloquium diesem Vor- habenvoll und ganz gerecht geworden sei und man nur den Wunsch nach weiteren solchen Veranstaltungen anschlieden konne. Als Besonderheit am Rande sei noch vermerkt : AuBer hoffentlich recht zahlreichen Anregungen fur die weitere Arbeit konnten viele der Teilnehmer auch gegenstandliche Erinnerungen an das Dobe- reiner-Kolloquium rnit nach Hause nehmen: Wahrend Originalfeuerzeuge aus Dobereiners Zeit nur besichtigt werden konnten, hatten die Teilnehmer die Moglichkeit, anlLBlich des Kolloquiums nachgebaute funktionsfiihige Dobereiner-Feuer- zeuge kauflich zu erwerben. Auch eine auf Anregung der Jenaer Sektion Chemie von der Deutschen Post herausgegebene Dobe- reiner-Briefmarke mit einem kolloqiumsspezifischen Sonder- stempel und -umschlag wurde angeboten. AIles in ailem ein interessanter und nach Einschiitzung vieler Gaste auch gelungener Versuch, das auf uns uberkommene wissen- schaftliche Erbe durch seine Verknupfung mit den wissenschaft- lichen Problemen unserer Tage zu pflegen!

Eberhard Muller, Jena ZCT 6761

IX. International Symposium an Organic Sulphur Chemistry vom 9 ~ 1 4 . Juni 19SO in Riga, UdSSR

Die organische Schwefelchemie hat in den letzten Jahren einen ungewohnlich steilen Aufschwung genommen. Immer breitere Bereiche der organischen Chemie und des Anwendungssektors werden von ihr entscheidend beeinfluat. Es ist kein Zufall, daB eine intensive Beschaftigung mit der schwefelorganischen Chemie rasch in Neuland fuhrt und neue Verbindungsklassen und ungewohnliche Reaktionen gerade aus der organischen Schwefel- chemie resultieren, vermag doch der Schwefel inunterechiedlichsten Oxydationsstufen, Koordinationszahlen und Bindungsverhalt- nissen aufzutreten und dabei als negatives oder positives Zentrum zu wirken. Seit 1964 (Liblice) treffen sich die Schwefelchemiker aller 2 Jahre zu einem intensiven Erfahrungsaustausch. Der Weg fiihrte uber Groningen, Caen, Venedig, Lund, Bangor, Hamburg und Por- toroz (1978) diesmal nach Riga in die Hauptstadt der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Organisatoren und Gastgeber des IX. Schwefelsymposiums waren u. a. die Akademie der Wissen- schaften der UdSSR und das Institut fur Organische Synthese der Akademie der Wissenschaften der Lettischen SSR. Das Sym- posium stand unter der Schirmherrschaft der Chemischen Gesell-

schaft (Mendeleev) der UdSSR, der IUPAC und des Sulphur Institutes. Organisation, Vorbereitung und Durchfuhrung waren ohne Ein- schrankung hervorragend und in jeder Beziehung perfekt. So etwas ist kaum zu ubertreffen. I n liebevoller Kleinarbeit und mit organisatorischem Geschick wurde ein wissenschaftliches und kulturelles Programm aufgestellt, das bei allen Beteiligten einen nachhaltigen Eindruck hinteriied. Auch die auBeren Bedingungen waren ideal. Allerdings wurde auch folgendes deutlich: Mit der Zahl von etwa 460 Teilnehmern aus 2 1 Landern ist die Grenze eines derartigen Symposiums moglicherweise schon uberschritten. 18 Plenarvortrage, 85 Diskussionsvortrage und 210 Poster in wenigen Tagen sind kaum zu bewaltigen. Fur eine optimale Aus- wertung des Symposiums war die DDR-Delegation mit 9 Teil- nehmern aus dem Hochschulwesen, der Akademie und der Indu- strie relativ gunstig zusammengesetzt. Die Vortrage und Poster wurden in vier Sektionen abgehalten. Wie ublich gab es dazu und zu einigen ubergreifenden Aspekten Plenarvortrage. Der Wort ~

lant der Plenarvortrage sol1 1981 im IUPAC-Organ ,,Pure and Applied Chemistry" erscheinen. Die Kurzreferate des Plenar- und

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