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Internationales Recht und Neue Internationale Wirtschaftsordnung Author(s): ERNST-U. PETERSMANN Source: Archiv des Völkerrechts, 18. Bd., 1. H. (1978), pp. 17-44 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40797781 . Accessed: 12/06/2014 15:33 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.108.40 on Thu, 12 Jun 2014 15:33:45 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Internationales Recht und Neue Internationale Wirtschaftsordnung

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  • Internationales Recht und Neue Internationale WirtschaftsordnungAuthor(s): ERNST-U. PETERSMANNSource: Archiv des Vlkerrechts, 18. Bd., 1. H. (1978), pp. 17-44Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40797781 .Accessed: 12/06/2014 15:33

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  • Internationales Recht und Neue Internationale Wirtschaftsordnung

    Dr. iur. ERNST-U. PETERSMANN Wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut

    fr auslndisches ffentliches Recht und Vlkerrecht Heidelberg

    I. Internationales Recht und Wirtschaftsordnung Die Beziehungen zwischen Vlkerrecht und Weltwirtschaft sind so alt

    wie Vlkerrecht und Weltwirtschaft selbst und knnen unter verschiedenen Aspekten analysiert werden.

    Aus funktionaler Sicht betonen besonders die konomen, da intensive internationale Wirtschaftsbeziehungen nur auf der Grundlage ausreichender Rechtssicherheit mglich sind und der internationale Handel nicht weniger auf dem kategorischen Imperativ pacta sunt servanda" als auf D. Ricardo's Grundsatz der komparativen Kostenvorteile beruht. Dieser Feststellung der konomen, da under no economic system can economic integration go further than social-political-moral-legal integration"1, entspricht die Erfah- rung der Wirtschaftsjuristen, that no international legal order in the economic field can be stronger than the political order which conditions it"2. Zwischen wirtschaftlicher und rechtlicher Integration bestehen beson- dere, ber den allgemeinen Funktionszusammenhang von Rechts- und Ge- sellschaftsordnung (ubi societas, ibi ius") hinausgehende Wechselbeziehun- gen3. Der internationale Goldstandard vor 1914 ist ein Beispiel dafr, da ein intensiver liberalisierter Geld- und Kapitalverkehr auch ohne vlker- rechtliche Regelungen allein auf der Grundlage nationalen Wirtschaftsrechts und ungeschriebener, international praktizierter Spielregeln" (fr die Ein- haltung des Goldautomatismus") mglich ist. Die seit dem 13. Jahrhundert zunehmende Vielzahl internationaler Handels- und Konzessionsvertrge zeigt andererseits den Wunsch der Handelspartner nach rechtsverbindlicher

    1 Rpke, Economie order and international law, Recueil des Cours (RdC) Bd. 86 (1954, II), S. 211: Bere, Internationale Wirtschaftspolitik, 1976, S. 18, 21.

    2 Schwarzenberger, Economie World Order, 1970, S. 68. 3 Vgl. Petersmanriy Wirtschaftsintegrationsrecht und Investitionsgesetzgebung

    der Entwicklungslnder, 1974, S. 39-54.

    2 ArchVR 18/1

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  • 1 8 Ernst Petersmann

    (vlkerrechtlicher) Regelung und Liberalisierung des internationalen Han- dels. Das in der Rechtsprechung des Stndigen Internationalen Gerichtshofs besttigte Fehlen vlkergewohnheitsrechtlicher Rechte und Pflichten zu internationalem Verkehr (ius commun icationis) und Teilnahme am inter- nationalen Handel (ius commera)4, die geringe Zahl (z. B. Grundsatz der Freiheit der Hohen See) und der umstrittene Inhalt (z. B. des Mindeststan- dards im Fremdenrecht) von Regeln des allgemeinen Vlkerrechts fr den Welthandel zeigen, da das nationalstaatliche Beharren auf wirtschafts- politischer Souvernitt sowie die Verschiedenartigkeit des nationalen Wirtschaftsrechts in marktwirtschaftlichen Industrielndern, Entwicklungs- lndern und Staatshandelslndern eine einheitliche Systemkonzeption fr die Weltwirtschaft und das Entstehen weltweit anerkannten allgemeinen Wirtschafts Vlkerrecht s behindern. Die Folge sind das berwiegen staats- vertraglicher Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht und ein auf der Grundlage privater Vertragsfreiheit, Handelsbruche, Standardklauseln (z. B. die Incoterms) und Schiedsgerichtsbarkeit selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft", wie es bereits im Mittelalter als international einheitliches Kaufmannsrecht (lex mercatoria, law merchant) entstand und sich in der Neuzeit zu privatem Marktordnungsrecht internationaler Kartelle5, zu transnationalem Wirtschaftsrecht"6 und europischem Handelsrecht"7 aus- weitete.

    Als Instrument sozialer Gestaltung und friedlichen Wandels ist jedes Rechtssystem zugleich abhngig von den (wirtschafts)politischen Konzeptio- nen und Gesellschaftsstrukturen, die es zu regeln sucht. Aus rechtshistorischer Sicht entsprechen den verschiedenen historischen Phasen wirtschaftspolitischer Konzeptionen (Merkantilismus, Liberalismus, staatskapitalistische Zentral- verwaltungswirtschaft, soziale Marktwirtschaft) und (weltwirtschaftlicher Entwicklung seit der Ausbildung des Territorialstaates im 14. Jahrhundert daher zeittypische Entwicklungen und Erscheinungsformen des internatio- nalen Wirtschaftsrechts. Charakteristisch sind: das kaufmnnische Fremden- recht whrend der vormerkantil istischen Periode (z. B. vertragliche Liberali- sierung des Markt- und Niederlassungsrechts, autonomes Handelsrecht und Handelsschiedsgerichtsbarkeit der Kaufmannsgilden und in den Hanse- stdten), das staatliche Auenhandels-, Zoll- und Monopolrecht whrend der Zeit des Merkantilismus (z. B. staatliche Reglementierung des Auenhandels durch Handelsverbote, Kontigente, Zlle, Monopole, Subventionen, Navi-

    4 Vgl. Mosler, The international society as a legal community, RdC Bd. 140 (1974, IV), S. 261 ff.

    5 Vgl. Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, 1967, S. 6. 6 Z. B. die Literaturbersicht bei : Brmann, in : Internationales Recht und Wirt-

    schaftsordnung, Festschrift fr F.A.Mann, 1977, S. 560; Langen, Transnational Commercial Law, 1973.

    7 Goldman, Europisches Handelsrecht, 1973, S. 10.

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 19

    gationsakten), das multilaterale Liberalisierungsrecht der Freihandelsperiode (z. B. Handels-, Freundschafts- und Niederlassungs vertrage mit Meistbe- gnstigungsklauseln, schrittweise ffnung der Kolonien, Freiheit der Meere, Internationalisierung der Wasserstraen), das universale Harmonisierungs- recht zur finanziellen und technischen Handelsfrderung seit dem Ende des 19. Jahrhundert (Einfhrung der Goldwhrung durch nationale Gesetze, vlkerrechtliche Regelung des internationalen Eisenbahn-, Fernmelde-, Post verkehr und des gewerblichen Rechtsschutzes), die staatsautonome Reg- lementierung des gesamten grenzberschreitenden Waren-, Dienstieis tungs-, Zahlungs-, Kapital- und Personenverkehrs mit der Folge einer einzelstaat- lichen Verplanung des Auenhandels- und Zahlungsverkehrs seit Beginn des 1. Weltkriegs sowie seit 1944/45 der erneute Versuch weltweiter Liberali- sierung des Handels- und Zahlungsverkehrs (Allgemeines Zoll- und Han- delsabkommen [GATT] von 1947, Havanna-Charta von 1948, Internatio- naler Whrungsfonds [IMF] von 1944), ergnzt durch internationale Ent- wicklungshilfen (Weltbankgruppe) und regionale Wirtschaftsintegration.

    Die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre und die Keynes'sche Revolution" im Bereich der Wirtschaftswissenschaften fhrten nach 1945 zur weltweit von allen Staaten praktizierten, aktiven Konjunkturpolitik im Rahmen gemischter" Wirtschaftssysteme. Die internationalen Wirtschafts- und Whrungsbeziehungen wurden durch eine stndig wachsende Zahl von Staatsvertrgen aus dem vormals nationalen Zustndigkeits- und Rechts- bereich der Staaten herausgelst und zum umfassend geregelten Gegenstand des Vlkerrechts, zur matter of international concern" sowie zum Auf- gabenbereich eines weltweiten Netzes internationaler Wirtschaftsorganisa- tionen gemacht. Aus ordnungspolitischer Sicht stellen sich hierbei fr Wirt- schaftspolitik und Wirtschaftsrecht gleichermaen Grundfragen wie: wie- weit soll die nationale Wirtschaftssouvernitt und wirtschaftspolitische Autonomie aufrechterhalten oder entsprechend der tatschlichen weltwirt- schaftlichen Interdependenz und dem Bedrfnis nach kollektiver wirtschaft- licher Sicherheit" durch vlkerrechtliche Vertrge freiwillig eingeschrnkt werden? Wie kann die damit verbundene rechtliche Einschrnkung des na- tionalen wirtschaftspolitischen Instrumentariums durch internationale Wirt- schaftspolitik ausgeglichen werden? Soll die nationale (Auen) Wirtschafts- politik mehr am Leitbild des Freihandels oder des (Neo)Merkantilismus ausgerichtet werden? Soll das (Auen) Wirtschaf tsrecht sich daher gem der liberalen Forderung nach mglichst weitgehender Trennung von Staat und Wirtschaft auf Sicherung privatwirtschaftlicher Freiheiten (Eigentums-, Ge- werbe-, Berufs-, Vertrags-, Unternehmens-, Testierfreiheit) und marktwirt- schaftlichen Wettbewerbs beschrnken (Wirtschaftsordnungsrecht") oder eine ergnzende Staats Verantwortung fr das wirtschaftliche Gesell ehen (vgl. Art. 104 a Grundgesetz f. d. Bundesrepublik Deutschland [GG]) und eine gesamtwirtschaftliche Steuerung des Wirtschaftsablaufs durch staatliche

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    Instanzen vorsehen? Soll an Produktionsmitteln Privat-, Staats- oder Gesell- schaftseigentum bestehen? Sollen Angebot und Nachfrage, Produktion und Distribution, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Wirtschafts- subjekten (Unternehmen, private und ffentliche Haushalte), die Koordi- nierung ihrer wirtschaftlichen Einzelplne zu einem gesamtwirtschaftlichen Plan und damit die Allokation der Produktionsfaktoren in einer Volkswirt- schaft dezentral durch Markt-Preis-Mechanismen oder zentral durch staat- liche Planungsbrokratien gesteuert werden? Die teils sehr unterschiedliche Beantwortung dieser Grundsatzfragen durch die weltwirtschaftlichen Ak- teure (ber 160 Staaten, etwa 8 000 multinationale Firmen, 1972 ca. 280 International Governmental Organizations und 2 470 International non- governmental Organizations) erschwert eine konsensuale, kohrente vlker- rechtliche Regelung der mit den nationalen Wirtschaftssystemen verwobenen Weltwirtschaft. Sie zeigt die Notwendigkeit vlkerrechtlicher Konsultations-, Koordinierungs-, Beistands- und Streitbeilegungsverfahren, um nationale und internationale Wirtschaftspolitik zu koordinieren, nachteilige beggar- my-neighboura -Praktiken zu verhindern und integrationsbedingte Einbuen an nationaler Autonomie durch internationale Kooperation auszugleichen.

    Die genannten Ordnungsprobleme der Wirtschaftspolitik und des (Auen) Wirtschaftsrechts werfen zugleich die Frage nach der Mglichkeit einer er- folgreichen Mischung der verschiedenen Ordnungsalternativen, Wirtschafts- und Planungssysteme8 und nach der Rolle des Rechts bei der Gestaltung der Wirtschaftsordnung auf. Bei der Erforschung der Wechselbeziehungen zwischen Wirtschafts-, Rechts- und politischer Herrschaftsordnung hat in den letzten Jahren eine Renaissance der gesamtgesellschaftlichen Betrachtungs- weise eingesetzt, wie sie bereits bei den klassischen konomen (Smith, Ricardo, Keynes), besonders bei /. St. Mill, K. Marx, Max Weber und /. A. Schumpeter blich war. Rechts- und Wirtschaftsordnung werden als gesellschaftliche Teilsysteme mit zusammenhngenden Ordnungsstrukturen und Prozeablufen betrachtet. Eine derartige Systemanalyse ermglicht neue Erkenntnisse fr die Regelmechanismen wie etwa, da die Reaktions- mglichkeiten eines Systems (z. B. die Ausnahme- und Schutzklauseln des GATT) den Strungsmglichkeiten der Umwelt (Weltwirtschaft) entsprechen mssen9 und das Verhalten einzelner Systemelemente (z. B. Verste devisen- armer Rohstofflnder gegen die GATT- und IMF-Regeln) oft erst aus der

    8 Dazu z. B. Leipoldy Wirtsdiafts- und Gesellsdiaftssysteme im Vergleidi, 1976, S. 39. - Zum Folgenden (gesamtgesellsdiaftlidie Betraditungsreise) /. St. Mill, Principles of Political Economy, 1848; Max Weber, Wirtsdiaft und Gesellsdiaft, 1922; /. A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1942.

    9 So das Gesetz der erforderlidien Variett" von Ashby, An Introduction to Cybernetics, 1956, S. 202 ff. Vgl. aus vlkerreditlidier Sidit: Jenks, Economie and social change and the law of nations, RdC Bd. 138 (1973, I), S. 455 ff ; Fawcett, International economic conflicts, 1977.

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    Gesamtstruktur des Systems heraus zu verstehen sind, so da isoliert richtig erscheinende Korrekturmanahmen (z. B. gemeinsame Erzeugerkartelle der Rohstofflnder) an anderen Orten des Systems unerwnschte Nebenwirkun- gen haben und zum Gegenteil des ursprnglich Geplanten fhren knnen (z. B. Verfall statt knstlicher Steigerung der Rohstoff-Kartellpreise" in- folge synthetischer Ersatzproduktion)10. In der Rechts- und Wirtschafts- wissenschaft hat sich besonders die neoliberale Ordo-Lehre (Euckeny Bhm, v. Hayek, Rpke) um die berwindung eines punktuellen, in sich wider- spruchsvollen Wirtschaftsinterventionismus durch ein Denken in Ordnun- gen" und in sich widerspruchsfreien Systemen bemht und dabei die konsti- tutive Gestaltungsaufgabe des Rechts fr die Sicherung der Funktionsvoraus- setzungen fr eine marktwirtschaftliche Wettbewerbswirtschaft (z. B. Ver- trags-, Gewerbe-, Eigentumsfreiheit, Wettbewerbsrecht), insbesondere fr die rechtliche Einschrnkung wirtschaftlicher Macht und fr sozialstaatliche Korrekturen des Wirtschaftsablaufs, betont11. Rechts- und Wirtschaftsord- nung, opinio iuris und wirtschaftspolitische opinio necessitatis mssen sich strukturell entsprechen. Bei der Analyse der zahlreichen Wechselbeziehungen (z. B. Neuinterpretation zivilrechtlicher Normen im Lichte des wirtschaft- lichen Wandels, normative Kraft des Faktischen" im Sinne von G. Jellinek und normalisierende Kraft des Normativen" im Sinne von H. Heller) dauern die grundstzlichen Meinungsunterschiede ber die rechtliche Gestal- tungsfreiheit des Staates gegenber der Wirtschaft, insbesondere ber die Abhngigkeit staatlicher Wirtschaftspolitik von der Industriegesellschaft"12 und von der Produktions- und Absatzplanung moderner Grounterneh- men13, zwar im einzelnen unvermindert fort14. Im folgenden ist fr die

    10 Hierzu die weltwirtsdiaftlidien Systemanalysen in den bislang fnf Be- riditen an den Club of Rome, insbesondere Meadows, Die Grenzen des Wachstums, 1972; Mesarovic/Pestel, Menschheit am Wendepunkt, 1974; Tinbergen, Reform der Internationalen Ordnung, 1977. Ferner: Leontief, The Future of the World Economy, 1977.

    11 Hierzu: Mestmcker, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, in: Festsdirift fr F. Bhm, 1975, S. 383 ff; Steindorff, Einfhrung in das Wirtsdiaftsredit der Bundesrepublik Deutschland, 1977, S. 4. 14 ff, 18 ff.

    12 Hierzu die einseitige These von Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, nadi dessen Ansidit der von der Industriegesellsdiaft abhngige Staat un- fhig geworden ist, Herrschaftsfunktionen gegenber der Wirtsdiaft auszuben.

    i3 Hierzu die These /. K. Galbraith's (Economics and the Public Purpose, 1973) von der tendenziellen Verdrngung des Marktes durch Konzentrationsprozesse, Produktions- und Absatzplanung der Grounternehmen, die - nadi Galbraith - durdi Kontrolle der Preis- und Nadifrageentwiddung (Produzentensouvernitt" statt frherer Konsumentensouvernitt") das Marktsystem zunehmend durdi ein corporate planning system" verdrngen. Dazu die bereditigte Kritik z. B. bei O.Sik. Der Dritte Weg, 1972, S. 181 ff., da auch Grounternehmen auf dem Weltmarkt infolge Angebots- und Gewinnkonkurrenz sich den Nachfragestrukturen anpassen mssen.

    14 Einen berbliick gibt Frey, Moderne Politisdie konomie, 1977.

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    weltwirtschaftlichen Reformprobleme jedoch von der neoliberalen Erkennt- nis auszugehen, da es mglich ist, marktwirtschaftliche Fehlentwicklungen, insbesondere des alten Manchesterliberalismus (z. B. Monopol- und Kon- zentrationstendenzen, Konjunkturzyklen, Sozialprobleme) durch eine die Marktmechanismen ergnzende Wettbewerbs-, Konjunktur-, Sozial-, Struk- tur-, Steuer- und Finanzpolitik zu korrigieren und privatwirtschaftliche Macht im Rahmen des marktwirtschaftlichen Systems mit Hilfe des Rechts zu kontrollieren oder aufzulsen.

    Die Ausweitung des staatlichen Wirtschaftsinterventionismus und der internationalen Wirtschaftsbeziehungen hat seit 1945 zu einer korrespon- dierenden Ausweitung des Internationalen Wirtschaftsrechts" gefhrt. Die definitorische Abgrenzung dieses neuen Rechtsgebiets ist eine Frage der sprachlichen Zweckmigkeit. Teils wird das Internationale Wirtschaf ts- recht" wegen der inhaltlichen Verschiedenartigkeit von nationalem und internationalem Recht und wegen der unterschiedlichen Rechtsquellen des neuen internationalen Einheitsrechts"15 (vlkerrechtliche Konventionen, Rechtsakte zwischenstaatlicher Organisationen wie z. B. UNCITRAL und EWG, Rechtsakte privater internationaler Organisationen wie die Inco- terms der Internationalen Handelskammer, inhaltlich bereinstimmende nationale Gesetzgebung, privatrechtlich vereinbartes transnationales Han- delsrecht", Richterrecht nationaler und internationaler Gerichte, allgemeine Rechtsgrundstze) lediglich als Teilgebiet des Vlkerrechts oder als inter- nationales Recht der Regelung der Wirtschaft" definiert16. Teils werden der einheitliche Regelungsgegenstand (= die grenzberschreitende Volkswirt- schaft und das Verhalten der am grenzberschreitenden Wirtschaftsverkehr beteiligten Rechtssubjekte), die funktioneile Einheit, der wechselseitige rechtliche Zusammenhang und die gemeinsamen Besonderheiten von natio- nalem, transnationalem und vlkerrechtlichen Wirtschaftsrecht betont und Internationales Wirtschaftsrecht" definiert als Recht zur Regelung der internationalen Wirtschaft", als Summe der den grenzberschreitenden Wirt- schaftsverkehr regelnden nationalen und internationalen Rechtsnormen17. Die Bereiche des Internationalen Wirtschaftsrechts" knnen nach unter- schiedlichen Gesichtspunkten systematisiert werden wie z. B. nach den Rechtsquellen (Landesrecht, Vlkerrecht, Europisches Gemeinschaftsrecht,

    15 Dazu Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1974. 16 So Schwr zenberger y The Principles and Standards of International Economic

    Law, RdC Bd. 117 (1966, I), S. 7: International Economic Law is the branch of Public International Law which is concerned with (1) the ownership and exploita- tion of natural resources; (2) the production and distribution of goods; (3) invi- sible international transactions of an economic or financial character; (4) cur- rency and finance; (5) related services and (6) the status and organisation of those engaged in such activities".

    17 So G. Erler, Grundprobleme des internationalen Wirtschaftsrechts, 1956, S. 9 ff.; Langen, Studien zum internationalen Wirtschaftsrecht, 1962, S. 1 ff.

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    transnationales Wirtschaftsrecht", ffentliches Recht, Privatrecht, Kolli- sionsrecht), nach sektoralen Sachbereichen (Handels-, Dienstleistungs-, Per- sonen-, Niederlassungs-, Zahlungs-, Kapitalverkehr) oder nach nicht-sekto- ralen Funktionsgebieten (z. B. Wettbewerbs-, Wirtschaf tslenkungs-, Ent- wicklungshilf erecht, Recht der internationalen Wirtschaftsgemeinschaften); die Frage einer begrifflichen Abgrenzung gegenber anderen Rechtsbereichen (z.B. Seerecht, Sozialrecht, gewerblicher Rechtsschutz) ist ebenfalls eine Frage der Zweckmigkeit. Fr bestimmte Arten internationaler Wirt- schaftsvertrge werden teils besondere Bezeichnungen wie Vlkerhandels- recht" (F.A.Mann), Privatvlkerrecht" (Rengeling) oder autonomes inter- nationales Handelsrecht" (Schmitthoff) vorgeschlagen, ohne da es bei diesen Teilgebieten zu einer einheitlichen Terminologie oder zu einem um- fassenden Rechtssystem gekommen ist.

    Von den verschiedenen Bereichen des internationalen Wirtschaftsrechts beruht das Wirtschaftsvlkerrecht vorwiegend auf Vertrgen, bei deren Abschlu sich in jahrhundertelanger Vertragspraxis allgemeine Rechtsprin- zizien (z. B. nationale Souvernitt, Staatenimmunitt und Mindeststandard im Fremdenrecht) und Standardklauseln herausgebildet haben (z. B. Min- deststandard, Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der Meistbegnstigung, der angemessenen Behandlung, der offenen Tr, Dienstleistungs- und Nie- derlassungsfreiheit); von ihnen ist jedoch nur der fremdenrechtliche Mindest- standard Gewohnheitsrecht geworden. Nationales und internationales Wirt- schaftsrecht weisen im brigen Besonderheiten vor allem bei der Vielfalt und Anpassungsfhigkeit ihrer Rechtsformen (Empfehlungen, Absichtser- klrungen, Verhaltenskodices), der Inhalte der Rechtsnormen (z. B. recht- liche Differenzierung zwischen Ein- und Ausfuhrlndern in Rohstofforgani- sationen, zwischen Industrie- und Entwicklungslndergruppierungen in der TJNCTD, nach Finanzbeitrgen bei der Stimmgewichtung in internationalen Finanzierungsorganisationen), der Schutzklauseln und auergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren auf, die nur zum Teil mit der instrumentalen Steuerungsfunktion des Wirtschaftsrechts gegenber den sich stndig wan- delnden, politisierten Wirtschaftsproblemen und der Technizitt der Rege- lungsmechanismen zu erklren sind. Andere weltwirtschaftliche Bereiche wie etwa der Eurogeldmarkt oder die multinationale Unternehmensttigkeit entziehen sich einer vlkerrechtlichen Regelung wegen der unzureichenden Bereitschaft der Staaten zu souvernittseinschrnkenden Verpflichtungen und der im Vergleich zum Landesrecht weniger entwickelten, hufig lang- wierigen Rechtsetzungs-, Rechtsprechungs- und Exekutivverfahren des Wirt- schaftsvlkerrechts18.

    18 Dazu Weil, in: Aspects du Droit International Economique, 1972, S. 3 ff. 28 ff.

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  • 24 Ernst Petersmann

    II. Der Wandel der alten" Weltwirtschaftsordnung

    Mit dem Begriff Weltwirtschaftsordnung" wird blicherweise die Ge- samtheit der Institutionen, Rechtsnormen und sonstigen Regeln bezeichnet, welche die kommerziellen und finanziellen Transaktionen im internationalen Wirtschaftsverkehr regeln. Die vlkerrechtlichen Grundlagen der Weltwirt- schaftsordnung beruhen auf multilateralen und bilateralen Vertrgen sowie auf einer kleinen Zahl vlkergewohnheitsrechtlicher Regeln (z. B. Freiheit der Hohen See, Zollunionen als gewohnheitsrechtliche Ausnahme zur Meist- begnstigungspflicht) und allgemein anerkannter Rechtsgrundstze (z. B. im Recht der Europischen Wirtschaftsgemeinschaft). Fr das Vertragsrecht ist seit 1945 ein deutlicher Trend von bilateralen zu multilateralen Vertrgen und zur Errichtung internationaler Wirtschaftsorganisationen, eine unber- sehbare Vielzahl von Resolutionen und Deklarationen internationaler Ver- tragsorgane zu wirtschaftlichen Fragen sowie der Abschlu transnationaler" Konzessions- und Wirtschaftsvertrge zwischen Staaten und auslndischen Unternehmen charakteristisch. Neben den bilateralen vlkerrechtlichen Han- dels-, Zahlungs-, Kapital-, Verkehrs-, Freundschafts-, Schiffahrts-, Investi- tions-, Entwicklungshilfe- und sonstigen Vertrgen19 streben die multilate- ralen Vertrge eine weltweite wirtschaftliche Zusammenarbeit (Art. 55, 56 UN-Charta) besonders auf dem Gebiet der internationalen Handels-, Wh- rungs- und Entwicklungshilfebeziehungen (IMF, Weltbank [1944], GATT), die Errichtung von Sonderorganisationen der Vereinten Nationen fr nahezu alle Weltwirtschaftsbereiche, sektorale Regelungen wie fr den Rohstoff- handel (die internationalen Weizen-, Zucker-, Zinn-, Kaffee-, Kakao-, Oli- venlabkommen), fr das Seerecht (etwa die 4 Genfer Seerechtskonventionen von 1958), fr das Urheberrecht (die Berner Konvention von 1886 und die Universelle Urheberrechtskonvention von 1952) oder fr die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (Weltbankkonvention von 1965), Sonderregeln wie fr den Transithandel von Binnenstaaten (1965) sowie eine verstrkte regio- nale wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa, Afrika, Lateinamerika und Asien an. Insbesondere die mit weltweitem Anspruch im Rahmen der Ver- einten Nationen abgeschlossenen Vertrge sind jedoch zu lckenhaft und unvollstndig to permit of their classification as a legal world order in economic affairs"20.

    Die auf den Weltwirtschaftskonferenzen von Bretton-Woods (1944), Genf (1947) und Havanna (1948) vereinbarte, vlkerrechtlich durch die IMF-Satzung und das GATT reprsentierte Weltwirtschaftsordnung wurde wesentlich durch das wirtschaftstheoretische Denken der Vereinigten Staaten Wirtschaftsprobleme des laissez-faire-Liberalismus auf internationaler Ebene

    19 Dazu Leubey Vlkerrechtliche Rahmenvertrge mit privatreditlidien Ausfl- lungsgesdiften, 1967; Verbity Trade Agreements for developing countries, 1969.

    20 Schwarzenberger (Anm. 2), S. 68.

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    in den 40er Jahren und durch die wirtschaftspolitische Forderung dieser da- mals strksten Wirtschaftsmacht nach weltweiter Handelsliberalisierung ge- prgt21. Fr die internationalen Whrungsbeziehungen schreibt die IMF- Satzung die Aufrechterhaltung fester Goldparitten und stabiler Wechsel- kurse (Art. IV), die Liberalisierung des internationalen Zahlungsverkehrs durch Einfhrung der Konvertibilitt und Beseitigung von Zahlungsbe- schrnkungen und diskriminierender Whrungspraktiken (Art. VIII) sowie die Einzahlung der Mitgliedsquoten an den Fonds vor (Art. III); temporre Zahlungsbilanzdefizite sollen durch Liquidittshilfen des IMF berbrckt werden und Parittsnderungen nur fr den Fall to correct a fundamental disequilibrium" nach Konsultation oder Genehmigung des IMF zulssig sein (Art. IV/0). Der freie Zahlungsverkehr und die festen Wechselkurse sollen eine Expansion des Welthandels frdern, fr den das GATT den Grundsatz der unbedingten Meistbegnstigung (Art. I), das Verbot mengenmiger Handelsbeschrnkungen (Art. XI), regelmige multilaterale Zollsenkungs- konferenzen auf der Grundlage der Reziprozitt (Art. XXVIII), sowie In- lnderbehandlung bei internen Abgaben (Art. III) vorschreibt. Diese Ord- nungsprinzipien werden jedoch in beiden Vertrgen durch zahlreiche Aus- nahmeregelungen, so zum Schutz der Zahlungsbilanz oder bedrngter Wirt- schaftszweige (Art. XII, XVIII, XIX GATT), aufgeweicht, deren Anwen- dung nicht wirksam international kontrolliert und zeitlich begrenzt ist, so da von den ber 100 unterentwickelten IMF-Mitgliedstaaten nur 22 die Konvertibilittspflichten aus Art. VIII anwandten und die GATT-Schutz- klauseln fr einen neomerkanti listischen Protektionismus benutzt wurden (z. B. zur Rechtfertigung von Mengenbeschrnkungen im Agrar- und Textil- handel).

    Die im Rahmen des IMF und GATT erreichte Liberalisierung des Han- dels- und Zahlungsverkehrs ermglichte zwar ein Anwachsen des Welt- exports von 1950 57,5 auf 1973 566,7 Mrd. Dollar - schneller als in jedem anderen Zeitraum gleicher Lnge. Die weltwirtschaftlichen Vernderungen machten jedoch die Lcken und Mngel der vlkerrechtlichen Weltwirt- schaftsordnung zunehmend sprbar: Das Nichtinkrafttreten der Havanna- Charta (1948), insbesondere ihrer Regeln fr Restrictive business practices" (Kptl. V) und Intergovernmental commodity agreements" (Kptl. VI), hatte zur Folge, da die anerkannten rechtlichen Voraussetzungen fr die Funk- tionsfhigkeit einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbswirtschaft ( = Wett- bewerbsrecht zur Verhinderung von Wettbewerbsbeschrnkungen und zur Kontrolle wirtschaftlicher Macht, sozialrechtliche Frderung gleichwertiger Startchancen der Martkteilnehmer) auf vlkerrechtlicher Ebene von An- fang an fehlten und dadurch die Gefahr einer Wiederholung der Sozial- und bestand (z. B. Konzentrations- und Kartellisierungstendenzen, ungleichge-

    21 Vgl. Behrman, Towards a new international econmic order, 1974, S. 14.

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  • 26 Ernst Petersmann

    wichtige Wirtschaftsentwicklung auf Kosten der wirtschaftlich Schwcheren)22. Das Fehlen ausreichender Sonderregeln fr Entwicklungs- und Staatshan- delslnder fhrte dazu, da die Ostblocklnder dem IMF und ber 60 Ent- wicklungslnder dem GATT fernblieben und seit 1964 der Welthandels- konferenz (UNCTAD) eine Fhrungsrolle unter den internationalen Wirt- schaftsorganisationen zu verschaffen suchen.

    Die Nichtdiskriminierungs-Prinzipien des GATT wurden durch die Zu- nahme regionaler Zollunionen und Freihandelszonen, durch die prferen- ziellen Assoziations- und Handelsvertrge der EWG, durch die schrittweise Praktizierung der UNCTAD-Forderungen nach Aufhebung der Reziprozi- ttspflichten der Entwicklungslnder (so seit 1965 im neuen Art. XXXVI/8 GATT) und Einfhrung nichtreziproker Handelsprferenzen fr Entwick- lungslnder (seit 1971), durch das Lom- Abkommen von 1975 zwischen der EWG, ihren 9 Mitgliedstaaten und 46 Entwicklungslndern sowie durch die seit 1973 wachsende Zahl von Erzeuger- Allianzen" der Rohstoff -Export- lnder zunehmend rechtlich derogiert oder faktisch eingeschrnkt. Die Roh- stoffabkommen und Prferenzregelungen fr Entwicklungslnder konnten jedoch nicht verhindern, da deren Anteil an den Welthandelsexporten von 1950 31,6 auf 1974 16% (ohne OPEC-Staaten) sank und ihr Anteil an der Weltindustrieproduktion mit 7% weiterhin gering bleibt. Der auf ber 30% gestiegene Anteil der multinationalen Unternehmen am Weltexport hat zur Folge, da aus Austauschgeschften zwischen selbstndigen Handels- partnern zunehmend Vorgnge einer internen Konzernstrategie werden, die sich mit unterschiedlichen Rechtstechniken den Rechtsnormen und Markt- prinzipien entziehen knnen (z. B. dem Steuerrecht durch sog. Transfer- preise"). Trotz des aus der Handelsliberalisierung resultierenden Konjunk- turverbunds betreiben alle Staaten weiterhin eine vorwiegend nationale Konjunktur- und Wachstumspolitik und sind zur vlkerrechtlichen Ko- ordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken kaum bereit, so da Kon- flikte zwischen dem binnen wirtschaftlichen Interventionismus und dem weltwirtschaftlichen laissez-faire unvermeidlich erscheinen. Die bislang ge- ringen Erfolge des GATT bei der Liberalisierung des Agrarhandels, der nichttarifren Handelshemmnisse und des Ost-West-Handels, die im Wider- spruch zu den GATT-Regeln wachsende Zahl von Exportsubventionen, Selbstbeschrnkungs- und Marktstrungsabkommen oder auch die im natio- nalen Wirtschaftsrecht verbreitete Praxis, Inlandskartelle zu verbieten und gleichzeitig Exportkartelle zu frdern, sind Anzeichen eines neuen Merkan- tilismus"23; Handelskriege" und protektionistische Kettenreaktionen konn- ten bislang jedoch erfolgreich vermieden werden.

    22 Vgl. Raiser, in: Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, Festsdirift fr F. Bhm, 1975, S. 485 ff..

    23 Johnson, Mercantilism: Past, Present and Future, in: The Manchester School of Economic and Social Studies, Vol. XLII (1974), S. 1 ff..

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 27

    Die Aufhebung der Goldkonvertibilitt des US-Dollars am 15. August 1971 und das anschlieende floating der Wechselkurse fhrten zur welt- weiten Nichteinhaltung und Derogation der Paritts- und Wechselkursregeln der IMF-Satzung. Auch hier lag eine der Hauptursachen der Wirtschafts- krise in der Weigerung der berschu- und Defizitlnder (insbesondere des Leitwhrungslandes USA), ihre nationalen Wachstums- und Vollbeschfti- gungsziele durch eine zahlungsbilanz-orientierte Restriktionspolitik zu ge- fhrden, die unterschiedlichen Inflationsraten durch internationale Koordi- nierung der Konjunkturpolitiken zu verringern und somit auenwirtschaft- liche Ungleichgewichte durch binnenwirtschaftliche Anpassungsprozesse zu beseitigen. Die 1976 verabschiedete nderung der IMF-Satzung hat das System freischwankender Wechselkurse legalisiert und berlt den Mit- gliedsstaaten die freie Wahl der eigenen Wechselkursregelung; auf die wh- rend der Reformarbeiten als notwendig betonte Vereinbarung vlkerrecht- licher Regeln ber Konvertibilitt, Zahlungsbilanzanpassungen, Kontrolle der internationalen Liquiditt und der destabilisierenden Kapitalbewegungen konnte man sich jedoch nicht einigen.

    Nach der Whrungskrise von 1971 und der seit 1972 zunehmenden Welt- ernhrungskrise (Produktionsrckgang, Preissteigerungen) setzte 1973 fast gleichzeitig in allen Industrielndern die seit 1945 schwerste Wirtschaf tskrise ein mit hohen Inflationsraten, niedrigen oder negativen Wachstumsraten, Zahlungsbilanzungleichgewichten und 1975 17 Mill. Arbeitslosen in den OECD-Staaten. Die erfolgreiche Begrenzung der Whrungs- und Stag- flationskrise der OECD-Staaten mit Hilfe des Floatens, nationaler Kon- junkturprogramme, internationaler Zahlungsbilanzhilfen und des erfolg- reichen recycling der Petro-Dollars" zeigte zwar die Anpassungsfhigkeit der westlichen Marktwirtschaften. Die wachsende Einkommenslcke zwi- schen armen und reichen Staaten, die bei Nahrungsmitteln, Energie und einigen Rohstoffen aufgetretenen Verknappungserscheinungen, das durch die bislang fnf Berichte an den Club of Rome verbreitete Bewutsein fr die Erschpflichkeit der natrlichen Ressourcen und fr die nur begrenzte Re- generationsfhigkeit der durch Umweltschden belasteten Biosphre, die geringen Auswirkungen der UN-Entwicklungsdekaden auf die entwick- lungspolitische Staatenpraxis, der vom OPEC-Kartell einseitig mit der Vervierfachung der Erdlpreise erreichte Ressourcentransfer in Hhe von 60 - 70 Mrd. Dollar jhrlich, das solidarische Auftreten der in der Gruppe der 77a gewerkschaftshnlich organisierten 114 Entwicklungslnder, die wachsende Lcke zwischen Satzungszielen (z. B. Vollbeschftigung, Preis- stabiltt, weltweiter Wohlstand) und tatschlichen Ergebnissen internatio- naler Wirtschaftsorganisationen sowie andere weltwirtschaftliche Vernde- rungen (z. B. das Anwachsen der UN-Mitgliedstaaten von 1945 41 auf 1977 149, das Entstehen neuer weltwirtschaftlicher Macht- und Entscheidungs- zentren in Europa, Japan und den OPEC-Staaten) fhrten dazu, da in der

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  • 28 Ernst Petersmann

    von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 1. Mai 1974 ohne Abstimmung verabschiedeten Declaration on the Establishment of a New International Economic Order" (im folgenden Erklrung") die Notwendig- keit weltwirtschaftlicher Reformen weltweit anerkannt wurde. Das Fehlen vlkerrechtlicher Regeln fr weltwirtschaftlich derart wichtige Bereiche wie den Eurodollarmarkt, die internationale Liquiditt, die multinationale Unternehmensttigkeit oder fr kollektive wirtschaftliche Sicherheit" (z. B. Zugang zu Rohstoffen, Nahrungsmittelreserven, Recycling der Erdldollars) deutet auf grundlegende Inkongruenzen zwischen Wirtschaftsvlkerrecht, tatschlicher Weltwirtschaft und den Zielsetzungen der Entwicklungstrate- gien der Vereinten Nationen zugunsten der Dritten Welt hin24. Die zahl- reichen Vernderungen der 1944/47 vlkerrechtlich vereinbarten alten" Weltwirtschaftsordnung haben jedoch teilweise schon zur weltweiten Prak- tizierung neuer" rechtlicher und institutioneller Ordnungsprinzipien ge- fhrt (z. B. Modifizierung der traditionellen Meistbegnstigungs-, Nichtdis- kriminierungs-, Reziprozittsgrundstze durch einen Prferenzstandard" fr Entwicklungslnder; OPEC und UNCTAD als von den Entwicklungs- lndern dominierte Entscheidungszentren). Nach allgemeinem Vlkerrecht bildet der Grundsatz der nationalen Souvernitt jedoch weiterhin das Kern- element der gegenwrtigen Weltwirtschaftsordnung.

    III. Die Forderung nach einer Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung"

    Ausgangspunkt der Entwicklungslnderforderung nach einer Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung" (NIWO) ist die scharfe Kritik am Zustand, den Entwicklungstendenzen und Ungleichheiten" der gegenwrti- gen Weltwirtschaft. Die Entwicklungslnder hatten zwar ber viele Jahr- hunderte kein Wirtschaftswachstum zu verzeichnen und hatten 1950 - 1975 ein schnelleres Wachstum ihres Pro-Kopf-Einkommens als dasjenige anderer Lnder in vergleichbaren frheren Perioden25. Whrend des gleichen Zeit- raums war die weltwirtschaftliche Entwicklung jedoch im Widerspruch zu den IMF- und GATT-Zielen einer weltweiten Wohlstandsmaximierung mittels eines in sich ausgeglichenen Wachsens des Welthandels" (Art. I IMF-Satzung) durch einen widening gap" zwischen den rund 25 Industrie-

    24 Vgl. Petersmann, Zur Inkongruenz zwisdien vlkerrechtlidier und tatsch- lidier Weltwirtschaftsordnung, in: Die Friedenswarte 1976, S. 5 - 50.

    25 Eine trotz aller Kritik positive Bilanz zog bereits der Pearson-Bericht", Partners in Development, 1969, z.B. S. 12: The record of development is mixed, but it is far better than generally realized. The average rate of increase in the GNP of the developing countries has reached 5 per cent per annum in the 1960's".

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 29

    lndern und den insgesamt etwa 160 Entwicklungslndern gekennzeichnet26; der Anteil der Entwicklungslnder an den Welthandelsexporten sank von 1950 31,6% auf 1974 16% (ohne OPEC-Staaten); ihre ungnstige Export- struktur (noch fast 80% Rohstoffe) und der weiterhin geringe Anteil am Weltexport von Fertigwaren (1975 7,2%) zeigen, da die Entwicklungs- lnder ihre traditionelle Komplementrfunktion als Rohstofflieferanten fr die Wachstumszentren" in den Industrielndern bislang kaum verndern konnten; von den 1970 - 1974 neugeschaffenen internationalen Zahlungs- reserven in Hhe von 102 Mrd. Dollar erhielten die Entwicklungslnder mit 3,7 Mrd. Dollar weniger als 4%; von den 650 grten multinationalen Unternehmen haben 638 ihr Hauptquartier in OECD-Staaten; ber 90% aller Wissenschaftler und Techniker arbeiten in Industrielndern und sichern deren Technologie- Vorsprung" als dem heute wichtigsten komparativen Faktorvorteil; die Auslandsverschuldung (Anfang 1977 ca. 250 Mrd. Dollar) und Arbeitslosenprobleme (bis zu 40% der arbeitsfhigen Bevlkerung sind arbeitslos oder unterbeschftigt) der meisten Entwicklungslnder nehmen zu, ebenso ihre Nahrungsmittelprobleme (etwa 30% aller Kinder gelten als unterernhrt) und die Einkommenslcke" zu den Industriestaaten (1950 1:10, heute 1:14); der berwiegende Teil der Nahrungsmittel (ber 60%), der Energieerzeugung (ber 80%), der Industrierohstoffe und des Weltein- kommens (ca. 70%) werden in den Industrielndern verbraucht. Die ffentliche Entwicklungshilfe der OECD-Staaten, die 1956 - 1975 ber 274 Mrd. US-Dollar als Entwicklungshilfe leisteten und etwa 73% der Ausfuhren der Entwicklungslnder aufnehmen, geht relativ (= gemessen am BSP der Geberlnder) zurck; der traditionell geringe Anteil der CO- MECON-Staaten an den Einfuhren aus Entwicklungslndern (ca. 3,5%) und an der internationalen finanziellen Entwicklungshilfe (ca. 1 % = 0,04 % ihres BSP gegenber 1975 1,09% des BSP der OECD-Lnder und 2,94% des BSP der OPEC-Staaten) demonstriert eine fast vollstndig fehlende Bereitschaft zur Handels- und Entwicklungshilfe.

    Seitdem die Entwicklungslnder-Forderung nach politischer Unabhngig- keit und Dekolonisierung mit der einstimmigen Resolution der Generalver- sammlung der Vereinten Nation 1514 (XV) vom 14. Dezember 1960 ber Declaration on the granting of independece to colonial countries and peoples" weltweit anerkannt worden war, ist Hauptthema der zahlreichen Konferenzen der Entwicklungslnder ihre Forderung nach Anpassung der Weltwirtschaftsordnung an die besonderen Entwicklungsbedrfnisse der Dritten Welt", nach Trade and Aid" und wirtschaftlicher Souvernitt". Zu erwhnen sind besonders die Resolutionen und Deklarationen der Kon-

    26 Die folgenden Zahlenangaben entstammen berwiegend dem RIO-Beridit von Tinbergen (Anm. 10), Gem der Jahresprfung 1976" des DAC-Aussdiusses der OECD haben 1975 insgesamt 158 Lnder und Territorien Entwiddungshilfe- Leistungen in Ansprudi genommen.

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  • 30 Ernst Petersmann

    ferenzen der Entwicklungslnder in Kairo (1962), Algier (1967), Lima (1971), Dakar (1975) und Manila (1976)27. Auch auerhalb dieser Konfe- renzen praktizierten die Entwicklungslnder durch gemeinsames Auftreten (z. B. als Gruppe der 77" in der UNCAD, als Gruppe der 24" im IMF, als Erzeuger allianzen" der Rohstofflnder, als Gruppe der 46 ACP-Staaten im Lom- Abkommen) einen internationalen trade unionism" und benutz- ten ihre Stimmenmehrheit in den Organen der Vereinten Nationen syste- matisch dazu, die Forderungen der Entwicklungslnder durch eine Vielzahl von Resolutionen zu untersttzen, die weltwirtschaftlichen Entscheidungs- strukturen zugunsten der Entwicklungslnder zu verndern (z. B. erweiterte Mitgliederzahl im ECOSOC, Errichtung neuer UN-Organe wie UNCTAD, UNIDO, UNCDF oder den 20er- Ausschu" im IMF, Errichtung neuer Rohstoff- und regionaler Wirtschaftsorganisation der Entwicklungslnder) sowie Handel und Entwicklung" und das Vereinbaren eines neuen Ent- wicklungsvlkerrechts" zum Hauptttigkeitsbereich der Organisationen der Vereinten Nationen zu machen28.

    Die Entwicklungsstrategien der Dritten Welt wurden von den Organen der Vereinten Nationen weitgehend bernommen und lassen sich an deren Resolutionen ablesen. 1961 werden von der Generalversammlung unter anderem die Resolution 1706 (XVI) ber die Notwendigkeit eines neuen UN Capital Development Fund (UNCDF), Resolution 1707 (XVI) ber International Trade as the Primary Instrument for Economic Develop- ment" und Resolution 1710 ber die 1. UN-Entwicklungsdekade verab- schiedet - insgesamt eine vom Marshall-Plan beeinflute und auffllig auenwirtschaftlich orientierte, mittelfristige Aufhol "-Strategie. 1964 liegt der Akzent bereits auf der Forderung nach strukturellen" Reformen: die Entwicklungslnder schlieen sich zur Gruppe der 77 r" zusammen; durch Resolution 1995 (XIX) wird die UNCTAD als stndiges UN-Organ er- richtet und dadurch (de facto) eine neue, von den Entwicklungslndern domi- nierte Weltwirtschaftsorganisation mit einer von den GATT-Prinzipien abweichenden, alle Wirtschaftsbereiche erfassenden Globalstrategie" ge- schaffen; in der Schluakte der UNCTAD I werden - teils gegen die Stimmen der Industriestaaten - 15 allgemeine" und 13 besondere Prin- zipien" fr eine neue internationale Arbeitsteilung" festgelegt, die die entwicklungspolitische Staatenpraxis in den folgenden Jahren zunehmend beeinflussen (Teil IV GATT 1965, Assoziations- und Prferenzabkommen der EWG, UNCTAD-System allgemeiner Zollprferenzen fr Entwick- lungslnder) und die Forderungen der 1974 verabschiedeten drei Grund-

    27 Die Texte finden sich in: UN Doc. A/5162; Proceedings of the UNCTAD 1964, Vol. I, S. 66 ff.; 1968, Vol. I, S. 431 ff,; 1972, Vol. I, S. 374 ff., 385 ff.; 1977, Vol. I, S. 109 ff..

    28 Dazu Petersmann, Die Dritte Welt und das Wirtschaftsvlkerredit, Zeitschrift fr auslndisches ffentliches Recht und Vlkerrecht (ZaRV) 1976, S. 492- 550.

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 31

    satz-Resolutionen (Erklrung", Aktionsprogramm", Charta") ber die Neue Wirtschaftsordnung schon berwiegend enthalten; 1966 wird von den Entwicklungslndern gegen die Stimmen der Industrielnder durch Reso- lution 2186 (XXI) die Grndung des UNCDF erzwungen und durch Reso- lution 2152 (XXI), ebenfalls auf Initiative der Entwicklungslnder, die UNIDO als eine neue internationale Wirtschaftsorganisation gegrndet, die wie die UNCTAD auf dem Gruppensystem" beruht (= rechtliche Diffe- renzierung zwischen OECD-, COMECON- und Entwicklungsstaaten) und von den Entwicklungslndern dominiert wird; in der Deklaration ber sozialen Fortschritt und Entwicklung" (Res. 2542 von 1969) und der Inter- nationalen Strategie fr die 2. Entwicklungsdekade" (Res. 2626 von 1970) wird die Entwicklungsstrategie von der Generalversammlung nochmals um- fassend formuliert; im Anschlu an die Erdlkrise (1973) kommt es schlie- lich im Frhjahr 1974 zur 6. Sondersitzung der Generalversammlung, deren alleiniges Tagungsthema erstmals Weltwirtschaftsprobleme (Rohstoffe und Entwicklung") sind und auf der ohne Abstimmung im Konsens verfahren eine Erklrung" (Res. 3201 vom 1.5.1974) und ein Aktionsprogramm ber die Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung" (Res. 3202 vom 1.5.1974, zitiert Aktionsprogramm") verabschiedet werden.

    Nach zweijhriger Vorarbeit einer aus Vertretern von 40 Staaten be- stehenden Arbeitsgruppe nahm die Generalversammlung am 12. 12. 1974 mit 120 gegen 6 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen die Resolution 3281 an, mit der die Forderungen und Prinzipien der Erklrung" und des Aktions- programms" in eine Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten" umgesetzt werden29. Die seit 1974 zahlreichen internationalen Weltkonferenzen" (z. B. die Weltbevlkerungs- und Welternhrungskon- ferenz 1974, die 2. UNIDO-Generalversammlung und 7. UN-Sondergene- ralversammlung 1975, UNCTAD IV und die ILO-Weltbeschftigungskon- ferenz 1976, die Pariser Konferenz ber Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit = KI WZ 1977) nehmen in ihren Abschluresolutionen regelmig ausdrcklich auf die Erklrung", das Aktionsprogramm" und die Charta" Bezug und bekrftigen deren Ziele. Die am 16. September 1975 von der 7. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen ber Ent- wicklung und internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit" ohne Ab- stimmung verabschiedete Abschluresolution 3362 (S-VII) deutet auf eine Kompromibereitschaft zwischen Industrie- und Entwicklungslndern hin: wesentliche Streitpunkte werden mit Stillschweigen bergangen (Erzeuger- kartelle, Nationalisierung auslndischen Vermgens allein nach nationalem

    29 Die Erklrung" und das Aktionsprogramm" sind abgedruckt in: Inter- national Legal Materials (ILM) 1974, S. 715 ff.. Text der Charter der wirtschaft- lidien Redite und Pflichten der Staaten" vom 12. Dezember 1974: Archiv des Vl- kerrechts Bd. 16 (1974/75) S. 400 ff.

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  • 32 Ernst Petersmann

    Recht), bei anderen (integriertes Rohstoffprogramm, Preisindexierung, link" zwischen Sonderziehungsrechten und Entwicklungshilfe) wird eine ein- deutige Festlegung vermieden30. Die UNCTAD IV im Mai 1976 fhrte zur Einigung auf Verhandlungen ber einen Internationalen Rohstoffonds (Common Fund), ber die internationale Finanzierung von Lagerhaltungen (bufferstocks) sowie zur Prfung von Abkommen ber 18 ausgewhlte Rohstoffe31. Das Schludokument der Konferenz ber Internationale Wirt- schaftliche Zusammenarbeit vom Juni 1977 fhrt neben 20 Punkten, bei denen bereinstimmung erzielt werden konnte, weitere 21 Punkte an, ber die sich die 27 Konferenzteilnehmer nicht verstndigen konnten (z. B. In- dexierung der Rohstoffpreise, Erleichterung der Auslandsverschuldung der Entwicklungslnder)32.

    Die prinzipiellen Forderungen der Erklrung", des Aktionsprogramms" und der Charta" sind nicht neu und sind bereits in frheren UN- und UNCTAD-Resolutionen enthalten. Insgesamt bilden sie kein in sich wider- spruchfreies System, sondern eine Flle entwicklungspolitischer Einzelforde- rungen fr die Nord-Sd-Beziehungen ohne ordnungspolitisches Gesamt- konzept (z. B. keine Regeln fr den Ost-West-Handel). Whrend die Er- klrung und die Charta" sich im wesentlichen auf meist vage formulierte Prinzipienkataloge beschrnken, enthlt das Aktionsprogramm" eine Flle ablauf politischer Forderungen auch fr diejenigen Weltwirtschaftsbereiche (z. B. internationale Whrungsbeziehungen), die in der Erklrung" und Charta" ausgeklammert sind. Die Forderungen sind berwiegend an die OECD-Staaten und nur selten auch an die kommunistischen Staaten adres- siert; sie berhren den bisherigen Regelungs- und Ttigkeitsbereich des IMF und GATT teils nur am Rande, da das GATT die Probleme eines integrier- ten Rohstoff programms, der Preisindexierung, der Stabilisierung der Ex- porterlse und Verbesserung der terms of trade von Anfang an den Organen der Vereinten Nationen berlie. Die traditionellen Freihandelsziele werden ergnzt durch die Forderung nach international cooperation for develop- ment" und promotion of international social justice" (Kptl. I, m, n der Charta) zwecks Errichtung einer just and equitable economic and social order through the achievement of more rational and equitable international economic relations and the encouragement of structural changes in the world economy" (Prambel der Charta). Die Neue Internationale Wirtschafts- ordnung" soll insbesondere beruhen on equity, sovereign equality, inter- dependence, common interest and cooperation among all States" (Erkl- rung); die Billigkeit" ist das zentrale Leitprinzip, in dem sich die Wider- sprche der gleichzeitigen Forderung nach wirtschaftlicher Unabhngigkeit und organisierter Solidaritt, nach Gleichheit und systematischer Vorzugs-

    so Vgl. Prill, Vereinte Nationen 1975, S. 135 ff.. si Dazu: Proceedings of the UNCTAD IV, UN 1977. 32 Dazu Beridite und Dokumentation in: Europa- Archiv 1977, S. 561 ff..

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 33

    behandlung fr Entwicklungslnder, nach gegenseitigem Nutzen und Ver- zicht auf Gegenleistungen (Reziprozitt) seitens der Entwicklungslnder auflsen33. Produktion, Preise, internationale Handels-, Zahlungs- und Kapitalstrme sollen durch eine die Marktmechanismen korrigierende", systematische Vorzugsbehandlung zugunsten der Entwicklungslnder gelenkt und dadurch die bislang komplementre Nord-Sd-Arbeitsteilung in eine substitutive industrielle Arbeitsteilung umgewandelt werden.

    Die fortdauernden Meinungsverschiedenheiten betreffen besonders die Instrumente der angestrebten Weltwirtschaftsreform: Von den Vorschlgen fr die internationalen Handelsbeziehungen und fr die Erhhung des Welthandelsanteils der Entwicklungslnder (international finanzierte Roh- stoff- und Lagerhaltungsabkommen, kompensatorische Finanzierung von Exporterlsschwankungen, Einfuhrliberalisierung durch Ausbau des UNC- TAD-Prferenzsystems, durch Handelsliberalisierung zwischen Entwick- lungslndern und Abbau nicht-tarifrer Handelsbeschrnkungen, Rohstoff- weiterverarbeitung in Entwicklungslndern, Steigerung des Entwicklungs- lnderanteils an den Dienstleistungen, am Transport-, Versicherungsgeschft und Vertrieb ihrer Rohstoffe) sind besonders die Bildung von Produzenten- kartellen, die Indexierung der Ein- und Ausfuhrgterpreise der Entwick- lungslnder, die Stabilisierung der Exporterlse durch ein integriertes Rohstoffprogramm" fr 18 Rohstoffe, und die Ausweitung der Mrkte fr natrliche Rohstoffprodukte durch Abbau von Produktionskapazitten fr synthetische Ersatzprodukte umstritten und stoen wegen der Eingriffe in den Marktmechanismus auf ordnungspolitische Bedenken vieler OECD- Lnder34. Im Industriebereich soll der Anteil der Entwicklungslnder an der Weltindustrieproduktion von jetzt 7% auf 25% bis zum Jahre 2000 er- hht werden unter anderem durch ein Aktionsprogramm der UNIDO von 1975, durch finanzielle und technische Auslandshilfe, Frderung ausln- discher Investitionen, Verlagerung arbeitsintensiver Industrien aus Industrie- in Entwicklungslnder(n) und Einfuhrliberalisierung seitens der Industrie- lnder. Die whrungspolitischen Forderungen der Entwicklungslnder wur- den bei der nderung der IMF-Satzung 1976 nur zum Teil bercksichtigt (Erhhung der Quoten, Stimmrechte, Kreditmglichkeiten und Verkauf

    33 Feuer, Revue gnrale du Droit international public Bd. 79 (1975), S. 273 ff., 286.

    34 Zu diesen und anderen konomischen Streitpunkten Kebschull (Hrsg.), Die neue Weltwirtsdiaftsordnung, 1977; Sauvant/ Hassenpflug (Hrsg.), The New- International Economic Order, 1977; K. Waldheim u. a., Justice conomique inter- nationale, 1977; Bester s (Hrsg.), Eine neue Ordnung der Weltwirtschaft?, 1975; Giersch/ Haas (Hrsg.), Probleme der weltwirtsdiaftlidien Arbeitsteilung, 1975; Neue Internationale Wirtschaftsordnung in der Diskussion, Vereinte Nationen 1976; Corbet/ Jackson (Hrsg.), In search of a New World Economic Order, 1974; Tietzel/ Jonas (Hrsg.), Die Neuordnung der Weltwirtsdiaft, 1976.

    3 ArdiVR 18/1

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  • 34 Ernst Petersmann

    eines Teils der Goldreserven zugunsten der Entwicklungslnder); die For- derung nach Verwendung neuer Sonderziehungsrechte fr die Entwicklungs- hilfe (link") wird noch von den Vereinigten Staaten abgelehnt. Fr die internationalen Kapitalbeziehungen werden die Erhhung der Finanzhilfe zu weichen" Bedingungen, die Milderung der Auslandsverschuldung der Entwicklungslnder, ihr erleichterter Zugang zu den Kapitalmrkten der Industrielnder sowie die Regulierung und Kontrolle der Ttigkeit multi- nationaler Gesellschaften empfohlen; die Forderung nach voller stndiger Souvernitt einschlielich des Besitz-, Nutzungs- und Verfgungsrechts ber alle Reichtmer, Naturschtze und wirtschaftlichen Bettigungen" (Art. 2 der Charta) betrifft vor allem die Regelung und Enteignung aus- lndischer Privatinvestitionen in Entwicklungslndern und gehrt zu den umstrittensten Forderungen. Der Technologietransfer (nur 1% der ca. 3,5 Mill. Patente gehren Firmen mit der Nationalitt eines Entwicklungs- landes) soll durch eine Reform des internationalen Patenrechts und durch einen internationalen Verhaltenskodex fr den Technologietransfer" ge- frdert werden. Alle Lnder sollen dem International Undertaking on World Food Security" beitreten und ihre Agrar- und Nahrungsmittelhilfe an Entwicklungslnder erhhen. Fr besonders benachteiligte Entwicklungs- lnder sind zahlreiche Sonderhilfen vorgesehen.

    IV. Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten"

    Die Erklrung und das Aktionsprogramm wurden von der Generalver- sammlung der Vereinten Nationen im Konsensverfahren ohne formelle Abstimmung verabschiedet und stellen nach ihrer Rechtsgrundlage (Art. 10, 13 UN-Charta), nach Wortlaut (vgl. Ziff. 4 der Erklrung: should be founded on the following principles") und Kontext eine rechtlich unverbind- liche Empfehlung mit politisch-programmatischer Zielsetzung dar. Ihre politische Bedeutung (vgl. Ziff. 7 der Erklrung: The present Declaration . . . shall be one of the most important bases of economic relations between all peoples and all nations") wird durch die ausdrcklichen Zusatz- und Vorbehaltserklrungen von 38 Delegationen eingeschrnkt; in einem Schieds- spruch vom 19. 1. 1977 ber die Nationalisierung von Erdlkonzessionen amerikanischer lgesellschaften durch Libyen wird dies mit Recht betont35.

    Die Charta" war demgegenber von ihren Initiatoren als Instrument zur Kodifikation und schrittweisen Fortentwicklung des Vlkerrechts konzi-

    35 Fundstelle: Journal du Droit International 1977, S. 350 ff., 377; deutsche Zusammenfassung bei Seidl-Hohenveldern, RIW/AWD 1977, S. 502 ff..

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 35

    piert36. Dieses von den Industriestaaten abgelehnte Ziel einer Umsetzung des NIWO-Konzepts in ein vlkerrechtsverbindliches System neuartiger wirtschaftlicher Rechte und Pflichten der Staaten wurde jedoch nicht erreicht. Nach der Ablehnung eines Antrags der EG-Staaten, die vergleichsweise kurzfristigen Vorarbeiten in der Arbeitsgruppe bis zur Erstellung eines allseits akzeptablen Entwurfs einer Chajrta" fortzusetzen, stimmten 6 OECD-Staaten (Belgien, Bunderepublik Deutschland, Dnemark, Gro- britannien, Luxemburg, Vereinigte Staaten) gegen die Annahme der Charta und weitere 10 marktwirtschaftliche Industriestaaten enthielten sich der Stimme (Frankreich, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, sterreich, Spanien). Diese durch die Konfrontationsstrategie der Entwicklungslnder wohl unntig37 provozierte Ablehnung der Charta" durch die OECD-Staaten, deren Handelsunternehmen einen Weltmarktan- teil von ber 75% innehaben, hat angesichts der bislang erfolgreichen Be- wltigung der l- und Whrungskrise und des daher verminderten Re- formzwanges" der OECD-Staaten die baldige Verwirklichung einer NI WO in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen unwahrscheinlich gemacht.

    Die Entwicklungslnder knnen den OECD-Staaten auch nicht gegen deren Willen durch Mehrheitsresolutionen der Generalversammlung ein- seitig neue Rechtspflichten auferlegen. Vom Wortlaut her sind die Artikel der Charta zwar teils wie Rechtsnormen formuliert (right", duty", every State shall"). Aus Wortlaut und Systematik der Art. 10 ff. UN-Charta sowie aus dem von Art. 38 IGH-Statut geprgten System der Rechtsquellen wird in der vlkerrechtlichen Literatur und Staatenpraxis jedoch fast einhellig gefolgert, da Resolutionen der Generalversammlung nur in wenigen Aus- nahmefllen Rechtspflichten begrnden (z. B. organisationsinterne Ent- scheidungen, Kndigung des Mandatsvertrages ber Sdwestafrika/Namibia) und grundstzlich unabhngig von ihrer Benennung (Charta") fr ihren Adressaten rechtlich unverbindlich sind38. Die in der Charta formulierten Pflichten fr eine neue" Wirtschaftsordnung knnen auch nicht als authen- tische Interpretation der alten" Art. 55, 56 UN-Charta hingestellt werden, die nur eine Mitwirkungspflicht an der Bewltigung der weltwirtschaftlichen Probleme ohne inhaltliche Festlegung auf bestimmte Lsungen normieren

    se Vgl. die UNCTAD-Res. 45 (III) vom 18.5. 1972 (Proceedings of UNCTAD III, Vol. I, S. 58 f.), wonadi Aufgabe der Charta sei to establish generally accep- ted norms to govern international economic relations systematically"; ferner UN- Res. 3082 (XXVIII) in Doc. A/9030, sowie die uerungen des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, Castaeda, in UN-Doc. TD/B/AC 12/R. 4, S. 3.

    37 Bei der letzten Abstimmung ber den Entwurf der Charta im 2. Ausschu der Generalversammlung Ende September 1974 wurden von den 13 Abstzen der Prambel bereits 11, von den 13 Prinzipien im Kptl. I 10, und von den 28 Artikel im Kptl. II 12 ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen verabschiedet, vgl. Un-Doc. A/9946, S. 21-26.

    ss Dazu: Tomuscbat, ZaRV, 1976, S. 444 ff., 465 ff..

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  • 36 Ernst Petersmann

    und keine Anhaltspunkte fr Rechtspflichten zur Preisindexierung, zu Pr- ferenz- und Rohstoffabkommen enthalten. Ebensowenig kann die Charta angesichts der Gegenstimmen, Stimmenthaltungen und ablehnende Staaten- praxis der von der Charta hauptschlich betroffenen Staatengruppe (OECD- Staaten) als universelles Gewohnheitsrecht im Sinne von Art. 38 IGH-Statut (international custom as evidence of a general practice accepted as law"), als hinreichender Beweis einer neuen universellen opinio iuris (instant customary law"), als Kodifikation allgemein anerkannter Rechtsgrundstze oder als stillschweigender Vertrag interpretiert werden.

    Dieses Ergebnis einer fehlenden formellen Rechtsverbindlichkeit der 1974 von der Generalversammlung verabschiedeten Resolutionen 3201, 3202 und 3281 schliet jedoch nicht die Mglichkeit materieller Rechtswirkungen der Charta aus: Wie andere Resolutionen der Vereinten Nationen wurde auch die Charta in der internationalen Gerichts- und Staatenpraxis, so in dem Schiedsverfahren ber die Nationalisierung amerikanischer Erdlkonzessio- nen durch Libyen, als rechtliches Argument herangezogen. Bei internatio- nalen Wirtschaftskonflikten wird das Vlkerrecht meist nicht unter einem ausschlielich justiziellem Blickwinkel gesehen; der Nutzen der internatio- nalen Gerichtsbarkeit fr die Streitbeilegung auerhalb der EWG erwies sich als bislang gering39; die UN- Wirtschaftsorganisationen haben von der Mg- lichkeit einer Anrufung des Internationalen Gerichtshofes keinen Gebrauch gemacht und bevorzugen diplomatische Streitbeilegungsverfahren (z. B. im GATT, IMF, UNCTAD), bei denen der fr die Streitbeilegung notwendige Interessenausgleich vom guten Willen der Parteien abhngt und eine sach- gerechte Kompromilsung durch UN-Resolutionen mglicherweise eher gefrdert wird als durch ein justizielles Versteifen auf einen rechtlichen Sieg" (mit entsprechendem Prestigeverlust des Verlierers")40.

    Materielle Rechtswirkungen der Charta knnen sich daraus ergeben, da die Charta-Regeln in der Staatenpraxis angewandt und besonders die bei

    39 Vgl. Fawcett, International Economic Conflicts, 1977, S. 80 f. 40 Vgl. Neuboldy Internationale Konflikte - verbotene und erlaubte Mittel

    ihrer Austragung, 1977, nach dessen Ansicht der Unterschied zwischen einem rechtsverbindlichen Gerichtsurteil oder Schiedsspruch einerseits und dem politischen Gewicht einer UN-Empfehlung oder eines unverbindlichen Vermittlungsvorschlags andererseits auf internationaler Ebene von weitgehend blo formeller Bedeutung" ist (S. 562, 410) und die Befolgung mangels internationaler Vollstreckungsorgane jeweils von der Bereitschaft der betreffenden Partei abhngt. Hinsichtlich der Charta" betont Tomuschat, (Anm. 38) S. 478 f., da die meisten Charta-Bestim- mungen fr ihre Durchfhrung zustzliche Abkommen und Beschlsse voraus- setzen und es daher im Grunde gleichgltig ist, ob ein Prinzipienkatalog von der Art des vorliegenden in Form eines vlkerrechtlichen Vertrages - formell verbind- lich - oder auf Grund einer Resolution der Generalversammlung - formell un- verbindlich - verabschiedet wird, denn auch die formelle Verbindlichkeit vermag an einem sachlichen Hindernis der mangelnden Vollzugsfhigkeit nichts zu ndern".

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 37

    der Einzelabstimmung im 2. Ausschu einstimmig angenommenen Artikel zur Grundlage neuer Rechtsstandards" und Prinzipien" (z. B. der in Art. 18, 19, 21 anerkannte Prferenzstandard" fr Entwicklungslnder) oder neuen allgemeinen Vlkerrechts werden (z.B. die in Art. 7 - 9, 11 - 14, 17 - 19, 21 - 25, 31 anerkannten Kooperationspflichten). Das Verhandlungs- und Abstimmungsergebnis kann Prjudizwert fr den persnlichen und sach- lichen Geltungsbereich allgemeinen Vlkerrechts haben. So folgern viele Entwicklungslnder aus dem Abstimmungsergebnis zu Art. 2 Abs. 2 c (104:16:6) und der darin enthaltenen Ablehnung des klassischen" inter- nationalen Mindeststandards, da angesichts der Widersprchlichkeit von Staatenpraxis und Doktrin der Nachweis fr universelle vlkergewohnheits- rechtliche Einschrnkungen des Rechts zur Nationalisierung auslndischen Vermgens nicht erbracht und eine vlkergewohnheitsrechtliche Pflicht zur vollen, sofortigen und effektiven" Entschdigung enteigneten Auslands- vermgens im Rechtsbereich der Entwicklungslnder nicht anerkannt ist41. Im einzelnen bleibt umstritten, ob UN-Empfehlungen eine rechtserzeugende oder rechtszerstrende Staatenpraxis und Rechtsberzeugung darstellen knnen, wieweit universelles Vlkergewohnheitsrecht auch gegen den Willen einzelner Staaten durch mehrheitlichen Wandel seiner einzelnen Entstehungs- voraussetzungen (opinio iuris, consuetudo) derogiert und neu erzeugt werden kann (z. B. die gegen den Widerstand der Kolonialmchte zu einem Recht erstarkte Selbstbestimmung), und ob die seit 1945 ber 80 unabhngig ge-

    41 Die Mglichkeit einer Vlkerredit derogierenden Wirkung der UN-Resolutio- nen betonen z. B. Castaeda, Annuaire Franais de Droit International (AFDI) 1974, S. 56; Vir ally, AFDI 1974, S. 58 f.; Dubitzky, Harvard International Law Journal 1975, S. 675; Brower/Tepey The International Lawyer 1975, S. 302 f. - Die OECD-Staaten halten im Gegensatz zu Art. 2 der Charta am relativen Sou- vernittskonzept fest (sovereignty within the law"), wonach die staatlidie sovereignty, including possession, use and disposal, over all its wealth, natural resources and economic activities" (Art. 2 Abs. 1) zwar einen Bestandteil der territorialen Souvernitt bildet, aber durch vlkerreditlidie Vertrge und allge- meines Vlkerredit reditsverbindlich eingesdirnkt werden kann. Das in Art. 2 Abs. 2, c proklamierte Recht to nationalize, expropriate or transfer ownership of foreign property" knne daher nur dann vlkerreditskonform ausgebt werden, wenn der Inhalt verbindlidier vlkerreditlidier Vertrge nidit entgegensteht und die Eigentumsentziehung im ffentlichen Interesse, ohne ungerechtfertigte Diskrimi- nierung, unter Zahlung einer angemessenen" Entschdigung mit der Mglichkeit gerichtlidien sowie gegebenenfalls auch diplomatischen Reditsschutzes erfolgt. Nadi Seidl-Hohenverlderny RIW/AWD 1975, S. 237 ff., folgt aus Art. 33 Abs. 2 der Charta (In their interpretation and application, the provisions of the present Charter are interrelated and eadi provision should be construed in the context of the other provisions"), da die Ablehnung einzelner Bestimmungen zwangslufig auch die Ablehnung aller anderen Bestimmungen der Charta (bedeutet). Daher kann die Charta" nicht einmal hinsichtlich ihrer einstimmig angenommenen Arti- kel als Nachweis bestehenden Vlkergewohnheitsrechts angesehen werden" (S. 239).

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  • 38 Ernst Petersmann

    wordenen Entwicklungsstaaten auch gegen ihren Willen an das vorgefundene allgemeine Wirtschaftsvlkerrecht gebunden sind42.

    Die mglichen materiellen Rechtswirkungen mssen fr die einzelnen Charta-Bestimmungen jeweils gesondert untersucht werden und hngen vom Ergebnis der Einzelabstimmungen, vom jeweiligen Wortlaut und wechsel- seitigen Zusammenhang (vgl. Art. 33) der einzelnen Artikel, vom bisherigen Vlkerrecht und der knftigen Staatenpraxis ab. Der Rechtsberzeugung der developed countries", die teils ausdrcklich als alleiniger Adressat neuer Hilfspflichten genannt werden (z. B. Art. 18, 19) und von deren Mitwirkung die Verwirklichung auch der fr alle Staaten einheitlich postulierten Pflich- ten entscheidend abhngt (z. B. die finanzielle und technische Entwicklungs- hilfe gem Art. 22), drfte hierbeit eine besondere Bedeutung zukommen, da universelles Vlkerrecht sich niemals gegen den Willen einer ganzen Staatengruppe ausbilden kann und die entscheidende Rolle des Willens der Hauptbetroffenen auch im Urteil des Internationalen Gerichtshofes ber den Festlandsockel unterstrichen wurde43.

    Die mgliche normative Kraft" einzelner Charta-Bestimmungen fr die knftige Staatenpraxis hngt somit wesentlich vom Erfolg des wirtschafts- und rechtspolitischen consens-engineering" zwischen Industrie- und Ent- wicklungslndern ab. Die fortbestehenden rechtlichen Meinungsverschieden- heiten betreffen insbesondere die vlkerrechtlichen Schranken des staatlichen Rechts zur Nationalisierung auslndischen Vermgens (Art. 2) und zur Bildung von Erzeugerkartellen der Rohstoffe produzierenden Staaten (Art. 5), die nach Ansicht der OECD-Staaten unzureichende Gegenseitigkeit der oft allein zugunsten der Entwicklungslnder formulierten Rechte und Pflichten (z.B. Art. 17-19, 21-23) sowie den Abbau marktwirtschaft-

    42 Die Abhngigkeit der Reditsquellenlehre von der Grundstruktur der Vlker- rechtsgemeinschaft, insbesondere des konsensualen Charakters des vlkerreditlidhen Koordinationsrechts, und die mit der Dekolonisierung verbundenen Strukturver- nderungen werden wohl zu wenig bercksiditigt bei der z. B. von Kemper, Nationale Verfgung ber natrliche Ressourcen und die Neue Weltwirtschafts- ordnung der Vereinten Nationen, 1976, S. 73 ff., vertretenen Ansicht, wonach eine Derogation bisher allgemein anerkannter Normen des Vlkerrechts durch eine einseitige Lossagung eines Teils der internationalen Gemeinschaft von ihnen nicht erfolgen (kann). Erforderlich ist vielmehr eine allgemeine nderung der bung und Rechtsberzeugung derjenigen Staaten, fr die der Inhalt der Norm bisher gegolten hat" (S. 88). Daher kann die Ablehnung einer Fortgeltung der Grundstze des internationalen Mindeststandards durch einen Teil der Staaten- gemeinschaft nicht zu dem Ergebnis fhren, da damit diese Normen nur noch magebend seien fr die Behandlung, die sich die Industrielnder untereinander schuldeten. Es ist vielmehr . . . weiterhin von einer grundstzlichen Fortgeltung des Rechtsintstituts des internationalen Mindeststandards als universalem Vlker- recht auzugehen . . ." (S. 89).

    43 Urteil vom 20.2. 1969, ICJ Reports 1969, S. 4, 43; Archiv des Vlkerrechts Bd. 14 (1969/70) S. 257 ff; vgl. Tomuschat, Vereinte Nationen 1975, S. 99.

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 39

    licher Prinzipien, so durch Preisgarantien (Art. 28), brokratische Wirt- schaftslenkung (z. B. Art. 29) und Einschrnkung privater Vertrags-, Eigen- tums- und Unternehmerfreiheiten (z. B. im Patentrecht).

    In der Vlkerrechtswissenschaft der OECD-Staaten wird zwar seit langem die Ergnzung des auf einem System gegenseitiger Freiheitsrechte und Unterlassungspflichten beruhenden law of coexistence" durch vlkerrecht- liche Cooprations- und Beistandspflichten gefordert (law of cooperation") und auf das schrittweise Entstehen eines neuen international economic deve- lopment law"44, eines droit international du dveloppement"45 und Ent- wicklungsvlkerrechts"46 im Rahmen der Entwicklungsstrategien der Ver- einten Nationen hingewiesen. Zugleich wird aber betont, da die durch die weltwirtschaftliche Verflechtung, durch Erschpflichkeit vieler Ressourcen und Umweltverschmutzung aufgeworfenen Probleme oft nur noch durch globale Zusammenarbeit und nicht mehr allein mit einzelstaatlichen Ma- nahmen sinnvoll gelst werden knnen und hierfr vlkerrechtliche Ein- schrnkungen staatlicher Souvernitt zugunsten internationaler Zusammen- arbeit unerllich sind. Dem NIWO-Konzept wird vorgeworfen, da die Entwicklungslnder solidarische Kooperationspflichten vorwiegend nur fr auerhalb ihres Hoheitsgebiets liegende Regelungsbereiche fordern (Ent- wicklungshilfe und Handelsprferenzen der Industriestaaten, Weltraum und Tief see auerhalb der nationalen Wirtschaftszone als common heritage of mankind", Revision des Wirtschaftsrechts und Wirtschaftssystems der markt- wirtschaftlichen OECD-Lnder) und fr sich selbst - im Gegensatz zu der von den Industriestaaten beanspruchten Solidaritt - eine vlkerrechtlich uneinschrnkbare Ausbung ihrer Wirtschaftssouvernitt (Art. 2 Abs. 2) und ihrer Produzentenzusammenschlsse (Art. 5) beanspruchen; das in Art. 2 der Charta proklamierte Recht auf absolute stndige" Souvernitt ber alle wirtschaftlichen Ressourcen widerspreche dem relativen, durch vlker- rechtliche Verpflichtungen limitierten Souvernittsbegriff des Vlker- rechts47; die generelle Negation vlkerrechtlicher Schutznormen fr Aus-

    44 Friedmann, The dianging structure of international law, 1964, S. 176 ff. Nach White, ICLO 1975, S. 542 ff., ist es im Hinblick auf die Charta" not an overstatement to say that a new era in the international law of economic co- operation has arrived" (S. 552).

    45 Virally, AFDI 1965, S. 3 ff. sowie: Pays en voie de dveloppement et trans- formation du droit international, Colloque de la Socit Franaise pour le Droit International, 1974.

    46 Petersmann, Jahrbuch fr Internationales Recht (JIR), 1974, S. 145 ff. 47 Vgl. Kemper (Anm. 42), S. 89 f., 125 ff., 138. Auch der Schiedsspruch ber

    die Nationalisierung von Erdlkonzessionen amerikanischer Gesellschaften durch Libyen (1977; vgl. Anm. 35) kommt zum Ergebnis, da au regard du droit international des contrats, une nationalisation ne saurait prvaloir contre un con- trat internationalis conclu entre un Etat et une entreprise prive trangre et comportant des dispositions de stabilisation" (aaO, S. 372). - Eine generelle

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  • 40 Ernst Petersmann

    landsinvestitionen stelle keinen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Kapitalimport- und Kapitalexportlndern dar; die Unausgewogenheit der allein auf die Entwicklungslnderinteressen abstellenden Charta-Regelun- gen" (z. B. die im Art. 5 nur fr Ausfuhr- und nicht auch fr Einfuhrlnder anerkannte Assoziationsfreiheit, das im Art. 13 postulierte Zugangsrecht der Entwicklungslnder zu den technologischen" Ressourcen der Industrie- lnder ohne umgekehrtes Zugangsrecht zu den Rohstoffressourcen, einseitige collective economic security for development") widerspreche dem Gerech- tigkeitsgebot gleichmiger Pflichten Verteilung; die in der Charta postulier- ten Kooperations- und Beistandspflichten htten im Vlkerrecht der Gegen- wart bislang keine rechtliche Grundlage; auch sei der Funktionszusammen- hang zwischen nationalem und internationalem Wirtschaftsrecht zu beachten, der einigen OECD-Lndern dirigistische Einschrnkungen multinationaler Unternehmen oder auch Mindestpreisgarantien aus verfassungsrechtlichen Grnden verbiete.

    Solange die OECD-Staaten das NIWO-Konzept als Angriff auf die Grundlagen des geltenden Wirtschaftsvlkerrechts (Nichtdiskriminierung, Reziprozit, Marktwirtschaft, Eigentums- und Vertragsfreiheit) empfinden, wird die Rolle des Vlkerrechts als Rechtsgrundlage internationaler Ent- wicklungshilfepflichten gering bleiben (vgl. die Unverbindlichkeit des UNCTAD-Prferenzsystems, das Fehlen auervertraglicher Rechtspflichten zur Entwicklungshilfe) und werden weltwirtschaftliche Reformen (z. B. der internationalen Whrungs- und Erdlbeziehungen seit 1971/73) weiterhin im Widerspruch zu geltendem Vlkerrecht (z. B. des Floating- Verbots im bisherigen Art. IV IMF-Satzung) zunchst auf de facto-Basis versucht wer- den48. Ebenso wird der Erfolg der im Art. 34 der Charta vorgesehenen regelmigen systematic and comprehensive consideration of the implemen- tation of the charter, covering both progress achieved and any improvements and additions which might become necessary" von einer Verringerung der rechts- und wirtschaftspolitischen Divergenzen zwischen Industrie- und Ent- wicklungsstaaten abhngen.

    Die Interessengegenstze erscheinen bei der derzeit umstrittenen Rege- lung des Enteignungsrechts (Art. 2) und der Erzeugerkartelle (Art. 5) berwindbar: Einerseits entsprechen die Verfahrensgarantien und Entschdi- gungspflichten des landesrechtlichen Enteignungsrechts weitgehend denjenigen

    Kritik der offensive de rupture et de deterioration des procedures d'laboration du droit international" als Folge der stratgie conqurante du leadership juri- dique inaugure par les sous-dvelopps" (S. 272) findet sich bei P. G. de la Pra- delley Netherlands International Law Review 1975, S. 269 ff.

    48 Zur oft schwierigen Beurteilung des Rechtszustandes zwischen der Erschtte- rung der alten und der allgemeinen Durchsetzung der neuen Norm vgl. hinsichtlich des Enteignungsrechts Baade, Intertemporales Vlkerrecht, JIR 1956, S. 235 ff., hinsichtlich des Whrungsvlkerrechts Petersmann, ZaRV 1974, S. 453 ff., 488 ff.

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 41

    des Vlkerrechts (z. B. Pflicht zu angemessener" Enteignungsentschdi- gung)40, sind entschdigungslose Enteignungen auslndischer Unternehmen in der Rechtspraxis der an einem guten Investitionsklima interessierten Ent- wicklungsstaaten selten und wird auch in der Charta mehrfach die Notwen- digkeit eines fulfilment in good faith of international obligations" (Kap. I, j) und der Einhaltung des Vlkerrechts (Art. 33) anerkannt50. Anderer- seits wird in der Vlkerrechtswissenschaft zunehmend anerkannt, da die Bildung von Erzeugerkartellen der Rohstofflnder, wirtschaftlich motivierte Liefersperren zur Durchsetzung hherer Preise sowie die an den Nationali- sierungs-, Investirions- und Auenhandelsregelungen der Entwicklungsln- der ablesbare Verstaatlichungstendenz in den Nord-Sd- Wirtschaftsbezie- hungen nach allgemeinem Vlkerrecht als Attribut der Souvernitt grund- stzlich zulssig sind51; die von den Entwicklungslndern abgelehnte inter- national agreement doctrine", wonach auch transnationale Konzessions ver- trage zwischen Staaten und auslndischen Privatunternehmen der vlker- rechtlichen Verpflichtung des Pacta sunt servanda" unterliegen sollen, ist in Literatur und Vertragspraxis ebenfalls umstritten52. Fr den notwendigen

    49 Vgl. Schachter y Columbia Journal of Transnational Law 1976, S. 1 ff., 7; Petersmann, Wirtschaftsrecht 1973, S. 274 ff., 281; auch Seidl-Hohenveldern, RIW/AWD 1975, S. 239 zu dem bei der Stimmabgabe ausdrcklichen Bekenntnis des Iran und Kuweit zum Prinzip der Vertragstreue und vlkerrechtlichen Pflicht zu Enteignungsentschdigung. Nach Castaeda (Anm. 41), S. 51, une forte majorit des 77 affirmait qu'il existe une obligation internationale d'indemniser, puisque ceci constitue un principe gnral du droit et qu'en aucune legislation n'est inscrit le principe contraire, en estimant toutefois que la lgislation de l'Etat expropriant devait fixer les conditions, modalits et les dlais de la compensation".

    50 Im Schiedsspruch wegen libyscher Nationalisierungen (vgl. Anm. 35) wird ebenfalls betont (aaO, S. 379 f.), da die vlkerrechtlichen Bindungen in zahllosen Investitionsschutz- und Schiedsabkommen, im Artikel 33 der Charta sowie in der UN-Res. 1803 (XVII) von 1962 Permanent Sovereignty over natural Resources" anerkannt sind und die Res. 1803 das gegenwrtige Vlkergewohnheitsrecht am besten widerspiegelt, da diese Resolution eine ausreichend reprsentative Zustim- mung seitens aller Staatengruppen erhielt. Schwarzenberger, (Anm. 16), S. 32, kritisiert den angeblich unveruerlichen" Charakter der nationalen Wirtschafts- souvernitt mit Recht als a pseudo-legal ideology of international lawlessness, the naturalist counterpart to the equally fallacious natural law doctrine of the absolute sacrosanctity of private property".

    51 Vgl. Metzger y Texas International Law Journal 1976, S. 527 ff; Tomuschat, in: Vlkerrecht und internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, Kieler Sympo- sium 1976 (noch unverffentlicht). Im OECD-Expertenbericht ber Export Cartels" (1974) werden allein in 6 OECD-Staaten (Bundesrepublik Deutschland, Japan, Grobritannien, Niederlande, Spanien, USA) 590 rechtlich zulssige Ex- portkartelle mit Preis-, Quoten- und Zahlungsvereinbarungen festgestellt.

    52 Vgl. Petersmann, JIR 1974, S. 174 ff.; Le contrat conomique international, Colloque de Lou vain, 1975; Delaume, Transnational contracts, applicable law and settlement of disputes, 1975; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 1975, S. 144 - 181; sowie die Aufstze von Mann, Seidl- Hohenveldern, Lalive und van Hecke ber Contrats entre Etats et personnes

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  • 42 Ernst Petersmann

    Interessenausgleich und die vlkerrechtliche Vereinbarung neuer weltwirt- schaftlicher Ordnungsprinzipien (nichtreziproke Handelsprferenzen, Preis- stabilisierung, finanzielle und technische Zusammenarbeit) kann dem Lome- Abkommen zwischen der EWG und 46 Entwicklungslndern Modellwirkung zukommen53.

    Ein schwieriges Hindernis fr die Vereinbarung neuen Wirtschafts Vlker- rechts drfte die - im Hinblick auf die instrumentale Funktion des Wirt- schaftsrechts als Instrument gemeinsamer Wirtschaftspolitik unerlliche -

    berwindung des konomischen Dissens ber die NIWO sein, zumal das NIWO-Konzept der Entwicklungslnder auch auf politischen Forderungen beruht (vgl. Art. 15, 16 und die auenpolitische Ausnutzung des OPEC- Monopols). In der Praxis drften sich einige der in der Theorie beliebten Streitpunkte zwar als faux problmes" erweisen: so W.W.Rostow's Theorie linearer stages of economic growth" und der angebliche Gegensatz zwischen integrati vem" und dissoziativem" Entwicklungskonzept (in der Praxis haben sich verschiedenartigste weit- und binnenmar-ktorientierte Entwick- lungsstrategien als erfolgreich erwiesen) oder die Forderung nach full com- pensation for (colonial) exploitation" (Art. 16 der Charta) im Hinblick auf das Fehlen rationaler Kriterien fr die Zurechnung der Wertschpfung (Mehrwert") auf die einzelnen Produktionsfaktoren und die irrationalen Prmissen der marxistischen Ausbeutungstheorie (dazu /. Robinson: The only thing worse than being exploited is not being exploited"). Bei anderen Theoriestreitpunkten hat sich zunehmend ein Konsens gebildet. So hinsicht- lich der Notwendigkeit einer weniger wachstumsorientierten Neudefinition des Begriffs Entwicklung" am Mastab der Menschenrechte und Grundbe- drfnisse der Bevlkerungsmehrheit; hinsichtlich der im Rahmen weltwirt- schaftlicher Integration funktionsnotwendigen Neu interpretation und funk- tionellen Entflechtung" des territorialen Souvernittsprinzips54 (auch kein Industriestaat verfgt ber stndige" wirtschaftliche Unabhngigkeit); der meist nur marginalen Bedeutung von Entwicklungshilfe und komparativen Handelsvorteilen gegenber den fr eine bessere Nutzung der vorhandenen

    prives trangres, Revue belge de droit international 1975, S. 562-594; Schwar- zenberger, The Dynamics of International Law, 1976, S. 123 f. - Der Schieds- sprudi wegen libysdier Nationalisierungen (vgl. Anm. 35) erkennt die Partei- autonomie bei der Redits whl und die Mglichkeit einer internationalrechtlichen" Bindungswirkung ausdrddidi an: Encore qu'ils ne se confondent pas avec les traits, les contrats entre Etats et personnes privs peuvent nanmoins relever d'une branche particulire et nouvelle du droit international: le droit international des contrats" (S. 356); les contrats de concession litigieux se situent dans le domaine du droit international et celui-ci leur donnait le droit de choisir la loi qui allait rgir leurs relations contractuelles" (S. 357).

    53 Dazu Simmonds, Common Market Law Review 1976, S. 315 ff. 54 Dies ist eine der Hauptforderungen des von Tinnbergen herausgegebenen

    RIO-Berichts (Anm. 10), S. 94 ff., 168 ff.

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  • Neue Internationale Wirtschaftsordnung 43

    Ressourcen notwendigen Binnenreformen in Entwicklungslndern, und der daher oft ideologischen Funktion einer vorwiegend externen Erklrung (Kolonialismus, multinationale Unternehmen, Weltwirtschaftsordnung) der binnenwirtschaftlichen Mierfolge mancher Entwicklungslnder; hinsichtlich der politischen Funktionsbedingungen und Widersprche der neoklassischen Freihandels- und Gleichgewichtstheorien angesichts des auch von den OECD- Staaten praktizierten Merkantilismus und weltwirtschaftlichen Ungleichge- wichts55.

    Zu den konomischen hard core "-Problemen gehrt die Tatsache, da die meisten OECD-Staaten die in ihren nationalen Wirtschaftsordnungen fr notwendig erkannten Korrekturen marktwirtschaftlicher Unzulnglich- keiten (z. B. rechtliche Vorkehrungen zur Einschrnkung wirtschaftlicher Macht, zum Schutz wirtschaftlich Schwacher und zur finanziellen Umver- teilung) fr die vlkerrechtliche Regelung der Weltwirtschaft noch nicht akzeptieren und die Ersetzung dezentraler marktwirtschaftlicher Regel- mechanismen durch dirigistische Brokratien der Vereinten Nationen (mit Brokraten aus Entwicklungslndern) zu Recht ablehnen. Solange die R- stungsausgaben und Ungleichheiten innerhalb vieler Entwicklungslnder strker zunehmen als auf internationaler Ebene, wird auch der Vorwurf bestehen bleibten, da die lokalen Eliten mit ihrer NIWO-Forderung oft nur die wichtigeren nationalen Reformen vermeiden wollen56 und Reformen der internationalen Ordnung ohne entsprechende Reformen der nationalen Ordnung der Bevlkerungsmehrheit in den Entwicklungslndern wenig ntzen57. Fr die knftigen Reformverhandlungen mssen die Forderungen der Entwicklungslnder danach unterschieden werden, ob sie den Markt- mechanismus nur ergnzen oder ausschalten; ferner mssen die Interessen auch der Industriestaaten (z. B. am Zugang zu Rohstoffen) bercksichtigt und darf die Effizienz der einzelnen Reformmanahmen nicht durch eine zweckfremde Verkuppelung der weltwirtschaftlichen Reformaufgaben ge- schwcht werden (z. B. inflationre Ausnutzung der internationalen Liqui- dittsschpfung fr den notwendigen Kapitaltransfer an Entwicklungs-

    55 Dazu das Referat von Lord Balogh, in: Sdineider/Watrin (Hrsg..), Macht und konomisches Gesetz, Bd. II, 1973, S. 899 ff., 928 (seit dem zweiten Welt- krieg hat sich das theoretische System vllig im Widerspruch zur Realitt befun- den") und dort auch die Kritik von Fels an der neoklassischen Auenhandels- theorie: Weil diese vom Machtproblem und den sich kumulierenden Auswirkungen des technischen Fortschritts abstrahiert, lt sie sich als ideologische Tarnung von denjenigen Lndern und Machtgruppen gebrauchen, die die internationalen Wirt- schaftsbeziehungen zu ihrem Vorteil gestalten knne" (S. 929). 56 Vgl. D. Senghaas, Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungspolitik, 1977, S. 20 f., 62 f.

    57 So auch der RIO-Bericht (Anm. 10), S. 66 f.

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  • 44 Ernst Petersmann

    lnder)58. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Neuen Internatio- nalen Wirtschaftsordnung" gehrt die Ausarbeitung eines internationalen Wettbewerbs-, Gesellschafts-, Rohstoff-, Umweltschutz- und Entwicklungs- hilferechts sowie die rechtliche Regelung der hiermit verbundenen Souverni- ttseinschrnkungen.

    58 Zu diesen Ordnungsprinzipien der Interessenverwirklichung", der Ma- nahmeeffektivitt" und Trennung der Aufgabenbereiche": Fragen einer neuen Weltwirtschaftsordnung, Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium fr Wirtschaft, 1976, Teil II.

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