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Jb. Geol. B.-A. ISSN 0016–7800 Band 141 Heft 4 S. 491–502 Wien, Dezember 1999 JAHRBUCH DER GEOLOGISCHEN BUNDESANSTALT Ein Vorkommen von Oberkarbon in den mittleren Hohen Tauern GERHARD PESTAL, MONIKA BRÜGGEMANN-LEDOLTER, I LSE DRAXLER, DORIS EIBINGER, HORST EICHBERGER, CHRISTIAN REITER & FRIEDERIKE SCEVIK*) Mit Beiträgen von ADOLF FRITZ (Paläobotanik) und FRIEDRICH KOLLER (Petrologie) 2 Abbildungen, 4 Tabellen, 2 Tafeln und 1 Farbbeilage Osttirol Hohe Tauern Oberkarbon Österreichische Karte 1 : 50.000 Paläobotanik Blatt 151 Metamorphose Inhalt Zusammenfassung ...................................................................................................... 491 Abstract ................................................................................................................. 491 1. Einleitung ............................................................................................................... 492 2. Geologischer Überblick .................................................................................................. 492 3. Lithologie der Graphitschiefer ............................................................................................ 492 4. Alpine Metamorphose (F. KOLLER) ........................................................................................ 492 5. Erhaltungszustand der Pflanzenfossilien .................................................................................. 495 6. Beschreibung der Pflanzenabdrücke (A. FRITZ) ............................................................................ 495 7. Schlussfolgerungen und regionalgeologische Überlegungen .............................................................. 497 8. Methodik ................................................................................................................ 498 Dank .................................................................................................................... 498 Tafeln 1–2 ............................................................................................................... 498 Literatur ................................................................................................................. 502 Zusammenfassung Vor etwa einem Jahrzehnt wurde im oberen Maurertal (mittlere Hohe Tauern, Österreich) ein Rollstück mit dem Abdruck eines farnartigen Blattes (Pteridophyll) gefunden und beschrieben (G. FRANZ, V. MOSBRUGGER & R. MENGE, 1991). Im September 1997 entdeckten dann Mitar- beiter der Geologischen Bundesanstalt in einer Wandstufe südlich des Maurertaler Keeses das Anstehende der Pflanzenfossilien führenden Graphitschiefer. Trotz der Überprägung durch eine intensive mittelgradige alpine Metamorphose konnten sensationell gut erhaltene Reste einer umfangreichen fossilen Flora gefunden werden. Diese Fossilfunde in Metasedimenten der Venedigerdecke bestätigen das Vorkommen von Oberkarbon (Stefan) im Bereich des Tauernfensters. Die Ablagerungen eines intramontanen Beckens über hochmetamorphem Altkristal- lin liefern einen ersten wichtigen stratigraphischen Anhaltspunkt zur Entschlüsselung spätvariszischer orogener Ereignisse in den tektonisch tiefsten Einheiten der Ostalpen. An Upper Carboniferous Rock Formation in the Hohe Tauern Mountain Range Abstract At the end of the 1980s a loose rock specimen containing fragments of Pteridophyll (G. FRANZ, V. MOSBRUGGER and R. MENGE, 1991), was picked up from surface debris in the Maurer Valley (Hohe Tauern, Austria). In September 1997 a team of geologists from the Geological Survey of Austria discovered in an outcrop above the Maurer Valley well preserved plant imprints in carbonaceous sediments metamor- phosed under nearly amphibolite facies conditions during Alpine times. These graphitic schists overlaying Altkristallin rocks of Venediger nappe document the presence of a late Carboniferous (Stephanian) intermontane basin in the central Tauern Window. Our current interest in these intramontaneos basin sediments is based on the expectation that their study will help in understanding geological processes operating just before and during the postcollisional stages of the Variscan orogeny. *) Anschriften der Verfasser: Dr. GERHARD PESTAL,MONIKA BRÜGGEMANN-LEDOLTER, Dr. I LSE DRAXLER,DORIS EIBINGER,HORST EICHBERGER,CHRISTIAN REITER,FRIEDERIKE SCEVIK, Geologische Bundesanstalt, Rasumofsgygasse 23, A-1031 Wien; Univ.-Prof. Dr. ADOLF FRITZ, Koschatstraße 99, A-9020 Klagenfurt; Univ.-Prof. Dr. FRIEDRICH KOLLER, Institut für Petrologie, Universität Wien, Geozentrum, Althanstraße 14, A-1090 Wien. 491 ©Geol. Bundesanstalt, Wien; download unter www.geologie.ac.at

JAHRBUCH DER GEOLOGISCHEN BUNDESANSTALT. Geol. B.-A. ISSN 0016–7800 Band 141 Heft 4 S. 491–502 Wien, Dezember 1999 JAHRBUCH DER GEOLOGISCHEN BUNDESANSTALT Ein Vorkommen von Oberkarbon

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Jb. Geol. B.-A. ISSN 0016–7800 Band 141 Heft 4 S. 491–502 Wien, Dezember 1999

JAHRBUCH DER GEOLOGISCHEN BUNDESANSTALT

Ein Vorkommen von Oberkarbonin den mittleren Hohen Tauern

GERHARD PESTAL, MONIKA BRÜGGEMANN-LEDOLTER, ILSE DRAXLER, DORIS EIBINGER,HORST EICHBERGER, CHRISTIAN REITER & FRIEDERIKE SCEVIK*)

Mit Beiträgen von ADOLF FRITZ (Paläobotanik) und FRIEDRICH KOLLER (Petrologie)

2 Abbildungen, 4 Tabellen, 2 Tafeln und 1 Farbbeilage

OsttirolHohe TauernOberkarbon

Österreichische Karte 1 : 50.000 PaläobotanikBlatt 151 Metamorphose

Inhalt

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4922. Geologischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4923. Lithologie der Graphitschiefer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4924. Alpine Metamorphose (F. KOLLER) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4925. Erhaltungszustand der Pflanzenfossilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4956. Beschreibung der Pflanzenabdrücke (A. FRITZ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4957. Schlussfolgerungen und regionalgeologische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4978. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498Tafeln 1–2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502

Zusammenfassung

Vor etwa einem Jahrzehnt wurde im oberen Maurertal (mittlere Hohe Tauern, Österreich) ein Rollstück mit dem Abdruck eines farnartigenBlattes (Pteridophyll) gefunden und beschrieben (G. FRANZ, V. MOSBRUGGER & R. MENGE, 1991). Im September 1997 entdeckten dann Mitar-beiter der Geologischen Bundesanstalt in einer Wandstufe südlich des Maurertaler Keeses das Anstehende der Pflanzenfossilien führendenGraphitschiefer. Trotz der Überprägung durch eine intensive mittelgradige alpine Metamorphose konnten sensationell gut erhaltene Resteeiner umfangreichen fossilen Flora gefunden werden. Diese Fossilfunde in Metasedimenten der Venedigerdecke bestätigen das Vorkommenvon Oberkarbon (Stefan) im Bereich des Tauernfensters. Die Ablagerungen eines intramontanen Beckens über hochmetamorphem Altkristal-lin liefern einen ersten wichtigen stratigraphischen Anhaltspunkt zur Entschlüsselung spätvariszischer orogener Ereignisse in den tektonischtiefsten Einheiten der Ostalpen.

An Upper Carboniferous Rock Formation in the Hohe Tauern Mountain Range

Abstract

At the end of the 1980s a loose rock specimen containing fragments of Pteridophyll (G. FRANZ, V. MOSBRUGGER and R. MENGE, 1991), waspicked up from surface debris in the Maurer Valley (Hohe Tauern, Austria). In September 1997 a team of geologists from the GeologicalSurvey of Austria discovered in an outcrop above the Maurer Valley well preserved plant imprints in carbonaceous sediments metamor-phosed under nearly amphibolite facies conditions during Alpine times. These graphitic schists overlaying Altkristallin rocks of Venedigernappe document the presence of a late Carboniferous (Stephanian) intermontane basin in the central Tauern Window. Our current interest inthese intramontaneos basin sediments is based on the expectation that their study will help in understanding geological processes operatingjust before and during the postcollisional stages of the Variscan orogeny.

*) Anschriften der Verfasser: Dr. GERHARD PESTAL, MONIKA BRÜGGEMANN-LEDOLTER, Dr. ILSE DRAXLER, DORIS EIBINGER, HORST EICHBERGER, CHRISTIANREITER, FRIEDERIKE SCEVIK, Geologische Bundesanstalt, Rasumofsgygasse 23, A-1031 Wien; Univ.-Prof. Dr. ADOLF FRITZ, Koschatstraße 99, A-9020Klagenfurt; Univ.-Prof. Dr. FRIEDRICH KOLLER, Institut für Petrologie, Universität Wien, Geozentrum, Althanstraße 14, A-1090 Wien.

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1. Einleitung

Bedingt durch die verbreitet intensive Deformation undeine meist hohe, zum Teil mehrphasige metamorpheÜberprägung sind Fossilfunde in den Schieferhüllgestei-nen des Tauernfensters überaus selten und dementspre-chend als sensationell zu bewerten. So war etwa der Ab-druck eines Perisphinktes sp. aus dem Oberjura des Hoch-stegenmarmors von Mayrhofen im Zillertal, den R. V. KLE-

BELSBERG 1940 fand (G. MUTSCHLECHNER, 1956), ein über-aus wichtiger Anhaltspunkt für die stratigraphische Glie-derung der postvariszischen Gesteinsgruppen in denwestlichen Hohen Tauern und Zillertaler Alpen. Dies sollteauch viele Jahre hindurch der einzige bedeutende Makro-fossilfund im Tauernfenster bleiben.

Erst 50 Jahre später entdeckte R. MENGE, ein Studentder Technischen Universität Berlin, an einem Rollstück imoberen Maurertal in den mittleren Hohen Tauern den Ab-druck eines Blattfragments (G. FRANZ, V. MOSBRUGGER &R. MENGE, 1991). Im März 1997 hielt Prof. G. FRANZ vonder TU Berlin einen Vortrag an der Geologischen Bundes-anstalt und überreichte anlässlich dieser Gelegenheitdem Direktor der GBA den Abdruck des Pteridophylls alsGeschenk. Motiviert durch diesen sensationellen Fundunternahmen im September 1997 einige Mitarbeiter derGeologischen Bundesanstalt eine systematische Sucheim Gebiet des Originalfundes (siehe Beilage). In 2650 mSeehöhe auf der östlichen Talseite des oberen Maurerta-les entdeckte man schließlich zahlreiche Pflanzenfossi-lien in einer 10 cm dünnen Graphitlage in den dortigendunklen Glimmerschiefern.

2. Geologischer Überblick

Der hier behandelte Gebietsabschnitt ist ein Teil dersüdlichen Venedigergruppe und wird überwiegend vonvormesozoischen Gesteinen aufgebaut, die der tekto-nisch tiefsten Großeinheit (Venedigerdecke nach W.FRISCH, 1977) des Tauernfensters angehören. Der haupt-sächlich aus Tonalit- bis Granodioritgneisen bestehendeZentralgneiskörper des Großvenedigers (Venedigerlap-pen) wird südlich und östlich von recht variabel zusam-mengesetzten Gesteinen des Altkristallins umhüllt (Serieder Alten Gneise von O. SCHMIDEGG, 1961; siehe auch G.FRASL & W. FRANK, 1966). Jene in der Hülle des Venediger-lappens und in der Riffldecke als Gruppe der Alten Gneisezusammengefassten Gesteine zeigen trotz einer meistbeträchtlichen alpinen Durchbewegung und Umkristalli-sation noch vielfältige präalpidische Strukturen. Weit ver-breitet ist der migmatisch-anatektische Gesteinsverbandeiner hochgradigen vormesozoischen Metamorphose.Üblicherweise besteht diese Gesteinsgruppe aus einerVielzahl von gebänderten Paragneisen, Zweiglimmer-schiefern, Migmatiten und Anatexiten; desweiteren gehö-ren Amphibolite und helle aplitische Gneisbänder zu ih-rem Baumaterial. Diese Gesteinstypen bilden mächtige,meist lagig entwickelte Komplexe, in die immer wiederZentralgneiskörper eingeschaltet sind. Der größte Teil derim Kristallin steckenden Zentralgneise dürfte wohl in va-riszischer Zeit intrudiert sein, dennoch kann man das Auf-treten altpaläozoischer Orthogneise innerhalb der AltenGneise nicht grundsätzlich ausschließen.

Südwestlich des Großvenedigers im mehr als fünf Kilo-meter mächtigen Altkristallinkomplex des oberen Maurer-tales befindet sich eine muldenförmige Einlagerungdunkler, graphitischer Glimmerschiefer. Aufgrund ihrerLithologie und Struktur unterscheiden sie sich sehr deut-

lich von den umgebenden Alten Gneisen (siehe Beilage).Dieser Gesteinszug wurde bereits in der 1979 herausge-gebenen Spezialkarte der Geologischen Bundesanstalt(Blatt 151 Krimml) bestens dargestellt. Einer der seiner-zeitigen Bearbeiter dieses Kartenblattes beschrieb denGraphitschieferzug des Maurertales folgendermaßen.

„Bemerkenswert ist ein breiter Zug von graphitischenGlimmerschiefern, wechselnd mit Lagen von Arkosen undQuarzkonglomeraten, die über den Gr. Happ, das Mau-rer Kees und den Mittl. Maurerkeeskopf zum KrimmlerKees ziehen. Ihr Alter ist unbekannt. Vor allem wegen derQuarzkonglomerate könnte man an Karbon denken, sonstsie auch zu den dunklen Schiefern des Habachtales stel-len.“ (O. SCHMIDEGG, 1961).Nun war SCHMIDEGG ein exzellenter Kenner des Nößla-

cher Karbons im Brennergebiet und man muss eingeste-hen, dass seine damalige auf lithologische Vergleiche ge-stützte Vermutung eine sehr zutreffende Alterseinstufungdieser Gesteinsgruppe war.

3. Lithologie der Graphitschiefer

Etwa zwei Kilometer nördlich der Rostocker Hütte quertder eben erwähnte Graphitschieferzug vom MittlerenMaurerkeeskopf kommend das obere Maurertal undstrebt dem Großen Happ zu. Das Geländebild wird durchdie schwarze Farbe des Gesteinszuges bestimmt undhebt diesen dadurch ganz deutlich von den umgebendenAlten Gneisen ab. In den schroffen Felswänden unterhalbder Trogschultern finden sich oftmals meter- bis meter-zehn-hohe Geländestufen. Die Graphitschiefer neigen zurAbsonderung größerer Platten; diese überstreuen dannals für eine Schieferserie untypisches grobes Blockwerkdie Moränenlandschaft des unteren Maurer Keeses. Ne-ben den meist deutlich gebänderten Graphitschiefernkonnten in den großen Sturzblöcken am Talboden desMaurertales die schon von SCHMIDEGG erwähnten Quarz-konglomerat- und Arkosegneislagen beobachtet werden.Als Ausgangsmaterial dieser Gesteine kommen lim-nisch-fluviatile Sedimente eines intramontanen Beckensin Betracht, die überwiegend aus kohlereichen Tonschie-fern mit Einlagerungen von Sandsteinen und Konglome-raten gebildet wurden.

Die typischen Graphitschiefer des Maurertaler Karbonsbestehen überwiegend aus Hellglimmer, Quarz, Plagio-klas und Graphit. Daneben treten noch von Biotit- undGranatblasten dominierte Granatglimmerschieferbänderin Erscheinung. Diese aufgrund ihrer markanten Minera-logie bereits makroskopisch auffälligen Lagen liefertendie Paragenesen zur Bestimmung der Metamorphose-bedingungen, welche das Fossilmaterial zu überstehen

4. Alpine Metamorphose(F. KOLLER)

Die petrologischen Untersuchungen konzentriertensich nur auf jene Bereiche der Graphitschiefer, die guterkennbare, üblicherweise tiefrot gefärbte Granatkristallemit einem Durchmesser bis zu 10 mm führen. Diese Berei-che sind durch einen Lagenbau mit unterschiedlichen Ge-halten an Graphit und Silikatphasen gekennzeichnet. Nurin relativ dünnen Schliffen sind diese Gesteine durchsich-tig und zeigen meist eine feinkörnige Matrix mit unter-schiedlichen Mengen an Hellglimmer, Quarz, Graphit,Plagioklas, ±Calcit, ±Titanit, ±Ilmenit.

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Abb. 1.BSE-Bild eines Biotit-Porphyroblasten(Bio-1, hell gefärbt mit vielen dunklenGraphiteinschlüssen) mit randlich an-wachsendem postkinematischem Biotit(Bio-2, hell und frei von Graphit).

Im Dünnschliffbild fallen be-sonders die idiomorphen Granat-kristalle dadurch auf, dass sie fastimmer einschlussfrei sind undeine dunkle Umrahmung aufwei-sen, die überwiegend aus ver-drängtem Graphit besteht. Im Ge-gensatz dazu sind die bis 2 mmgroßen Biotitaggregate (Bio-1)sehr stark poikiloblastischvon Graphit durchsetzt (Abb. 1).Im Dünnschliff ist gut erkennbar,dass Bio-1 über das ältere, fein-körnige Muskovit-Quarz-Gra-phit-Gefüge orientiert in der Schieferungsfläche hin-wegwächst. Im Gegensatz dazu ist Bio-2 frei von Gra-phiteinschlüssen und wächst quer zur Schieferung, gele-gentlich ersetzt er auch Bio-1. Mit der älteren Biotitgene-ration koexistieren deutlich feinblättrigere Hellglimmer,

die ebenfalls reich an graphitischen Einschlüssen sind.Neben Graphit ist noch Quarz und im geringeren UmfangAlbit, der ebenfalls poikiloblastische Graphitfüllung aufweist, vorhanden. Akzessorisch findet man noch Ilmenit,Calcit und Titanit.

Tab. 1.Mikrosonden-Analysen von Biotit und Muskovit (Gesamteisen als FeO, Formelverrechnung auf 11 O).

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Tab. 2. b b bMikrosonden-Analysen von Plagioklas und Ilmenit (Gesamteisen alsFeO, Formelverrechnung auf 8 und 3 O, theoretisches Fe2 O3 im Ilmenitaus einer Ladungsbilanz berechnet).

Tab. 3. ▼ ▼ ▼Mikrosonden-Analysen von Granat (Gesamteisen als FeO, Formelver-rechnung auf 12 O, theoretisches Fe2 O3 aus einer Ladungsbilanz be-rechnet, danach Berechnung der theoretischen Endglieder).

Die wichtigsten Mineralphasen wurden mit Hilfe derEMS untersucht. Die Analysenergebnisse sind in den Ta-bellen 1 bis 3 zusammengefasst. Alle gemessenen Biotitesind sehr Fe-reich und weisen ein XMg um 0,17 auf. Auffal-lend ist, dass die Biotite sehr homogen zusammengesetztsind. Die Hellglimmer zeigen ein etwas höheres XMg undweisen eine Si-Besetzung von 3,11 bis 3,16 auf (Tab. 1).Grundsätzlich ist immer eine geringfügige Paragonit-Komponente vorhanden. Alle untersuchten Plagioklasewaren reine Albite, die praktisch frei von Anorthitkompo-nente sind (Tab. 2). Die Ilmenite weisen als einzige we-sentliche Fremdkomponente etwa 3,5 Mol.-% einesMnTiO3 -Endgliedes auf (Tab. 2). Im Gegensatz dazu sinddie Granatkristalle deutlich zonar gebaut. Es handelt sichum sehr almandinreiche Zusammensetzungen (Abb. 2und Tab. 3). Die Pyrop-Komponente ist nur leicht zonar

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Abb. 2.Mikrosonden-Profil durch einen idiomor-phen Granatkristall. Dargestellt sind Ände-rungen der Almandin-, Grossular- undSpessartinkomponente.Alle Daten in Mol.-% bezogen auf eine For-melverrechnung auf der Basis von 12 Sau-erstoffen und einer anschließenden End-gliederberechnung.

und liegt um 2 Mol.-%, die be-rechenbare Andradit-Komponen-te ist meistens unter 1 Mol.-%.Die Gehalte an Uvarowit liegen imBereich der Erfassungsgrenze.Deutlich zonar gebaut sind nur dieAlmandin- und Spessartin-Kom-ponente sowie im geringeren Um-fang auch der Grossularanteil.Generell kann ein relativ einheit-licher Kern mit Alm0,68 Spes0,21 Gros0,08 (Tab. 3) mit einertypisch glockenförmigen Zonarbaukurve für Mn (Abb. 2)und einer Randzusammensetzung von Alm0,74 Spes0,10

Gros0,12 beobachtet werden. Die Zunahme von Almandinund Grossular ist vor allem am Rand sehr stark, die Ab-nahme des Spessartins geht relativ kontinuierlich. Allesin Allem entspricht dieser Granatzonarbau einem einfa-chen, prograden Metamorphoseverlauf.

Auf Grund dieser Paragenesen wurde nun mit Hilfe dergängigen Geothermometer versucht, die Bedingungender alpidischen Metamorphose abzuleiten. Die Ergebnis-se sind in Tab. 4 zusammengefasst. Aus texturellen Grün-den wurde mit Biotit nur der Granatrand verrechnet, mitMuskovit nur der Granatkern. Als Ergebnis können einzel-ne Stadien der prograden Metamorphoseentwicklung ab-geleitet werden, die in einem Bereich um 400–450 °C, ab-geleitet aus Muskovit-Granat (Kern), beginnt und beiTemperaturen um 500–550 °C, aus Biotit-Granat (Rand),endet. Für einen Ilmeniteinschluss liefert das Ilmenit-Gra-nat-Geothermometer Temperaturen um 470–500 °C. AlsDruckkomponente wurden von FRANZ et al. (1991) aus denumgebenden Gesteinen ,7,5 kbar abgeleitet. ÄhnlicheMinimaldrucke konnten auch an Hand der Phengitkompo-nente der untersuchten Hellglimmerzusammensetzungnach MASSONNE & SCHREYER (1987) abgeschätzt werden.

Damit kann festgehalten werden, dass die Pflanzenfos-silien führenden Graphitschiefer eine intensive mittelgra-

dige Metamorphose im Bereich um 500–550 °C bei einemDruck um 7,5 kbar erlebt haben. Diese Daten stimmen mitden Ergebnissen die FRANZ et al. (1991) mit ,525 °C und7,5 kbar bzw. RAITH et al. (1980) mit ,550 °C und 6 kbar fürjenen Teil der Venedigerdecke ableiteten, gut überein. Essind dies die Auswirkungen der jüngsten Regionalmeta-morphose (Tauernkristallisation), deren Höhepunkt vorca. 35–30 Mio.J. lag (R.A. CLIFF et al., 1971; M. SATIR,1975; W. FRANK et al., 1987).

5. Erhaltungszustand der Pflanzenfossilien

Das Karbon des Maurertales ist in einer großen mulden-förmigen Struktur, gleichsam in „robustes“ Altkristallineingelagert, und blieb durch diesen glücklichen Umstandweitgehend von stärkerer alpiner Durchbewegung ver-schont. Trotzdem sind bestimmbare Pflanzenfossilfundein den üblichen Graphitschiefern überaus selten und dem-entsprechend meist auf Einzelfunde beschränkte Be-sonderheiten. Dies vor allem deshalb, weil die in derSchiefermatrix gesprossten Blasten silikatischer Mineraledie paläontologisch bestimm- und verwertbaren Merkma-le der Pflanzenabdrücke bis zur Unkenntlichkeit verwisch-ten und letztlich vielfach auslöschten. Nach intensiverSuche konnte im unteren Wandbereich der östlichen Tal-flanke 500 m SSE Kote 2637 eine rund 10 cm dünne Lageaus feinkörnigem Graphit gefunden werden, die mehrerevorzüglich erhaltene Blattabdrücke mit deutlich erkenn-baren Details lieferte.

Diese Pflanzenabdrücke belegen, dass auch in den tek-tonisch tiefsten Einheiten der Alpen trotz der tauernkris-tallinen Aufwärmung auf bis zu 550° C Fossilfunde mög-lich sind. Manche Teilbereiche der Venedigerdecke blie-ben offensichtlich lokal von stärkerer alpiner Durchbewe-gung verschont. Aber vor allem die Einbettung der Fossi-lien in ziemlich reinen Graphit ermöglichte es ihnen als Ab-drücke die hohe Metamorphose während der alpinen Ge-birgsbildung zu überstehen.

6. Beschreibung der Pflanzenabdrücke(A. FRITZ)

Die sorgfältige Untersuchung des aufgesammelten Fos-silmaterials zeigte, dass offenbar sämtliche Hauptgrup-pen des Pflanzenreiches, die es im Zeitalter der Gefäß-

Tab. 4.Zusammenstellung der Ergebnisse aller berechneten Geothermometer.

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kryptogamen (Farnpflanzen im weiteren Sinn) gegebenhat, durch entsprechende Taxa vertreten sind.

cf. Calamites sp.(Taf. 1, Fig. 1)

Dieser stark fragmentarische Abdruck mit den Andeu-tungen einer parallelen Streifung und einer quer dazu lie-genden Abgliederung (?Internodium) könnte als Equise-tophytenrest im Sinne der Außenhauterhaltung eines Ca-lamiten gedeutet werden. Einziges Belegexemplar.

Cyperites bicarinatus LINDLEY und HUTTON, 1832(Taf. 1, Fig. 2)

Blattrest eines Lepidophyten, 12 mm lang, 6 mm breit.Blattreste dieses Taxons sind relativ zahlreich vorhandenund belegen eindeutig das Vorkommen der Schuppen-bäume. Eine Entscheidung darüber, ob die vorliegendenBlattorgane zu Lepidodendron oder zu Sigillaria gehören, istnicht möglich.

Lepidodendron cf. dissitum SAUVEUR(ohne Abb.)

Isoliert erhaltener Blattpolster eines Lepidodendron,9 mm lang, 2 mm breit. Die schlanke Gestalt desselbensowie die Lage der Blattnarbe unmittelbar über der unte-ren Hälfte des Blattpolsters verweisen auf Lepidodendrondissitum, eine Lepidodendron-Art, die im ostalpinen Ober-karbon von zahlreichen Lokalitäten bekannt ist (A. FRITZ &K. KRAINER, 1997). Die fotografische Darstellung bereiteteinfolge des schlechten Erhaltungszustandes erheblicheSchwierigkeiten, weshalb auf eine Abbildung verzichtetwird.

Pecopteris sp.(Taf. 1, Fig. 3)

Bruchstückhaft erhaltene Blattfiederchen eines Baum-farns. Weitere Fragmente von Farnfiederchen werdenvermutet. Doch hat es den Anschein, dass die zahlreichauftretenden aber großteils schlecht erhaltenen farnarti-gen Fiederchen überwiegend der Pteridospermen-Gat-tung Alethopteris angehören.

Alethopteris sp.(Taf. 1, Fig. 4)

Abdruck einer sehr stark fragmentierten Blattfiedereiner Pteridospermae aus der Gattung Alethopteris mit nurmehr zwei einseitig anhaftenden Fiederchen, von denennur das im Bild linke Fiederchen (10 mm lang) einigerma-ßen gut zu erkennen ist. Die an der Fiederachse herab-laufende, alethopterische Anheftung ist einschließlich derNebenadern deutlich wahrzunehmen.

Alethopteris sp.(Taf. 1, Fig. 5)

Terminalfieder einer Alethopteris. Die Fiederchen sind un-tereinander verbunden.

Neuropteris sp.(Taf. 1, Fig. 6)

Übereinander liegende, etwa 27 mm lange Fiederfrag-mente einer Pteridospermae aus der Gattung Neuropterismit gut ausgebildeter, fächerartiger Aderung.

Neuropteris sp.(Taf. 2, Fig. 1)

Fiederfragment einer Neuropteris (30 mm lang) mit ge-sprossten Granatblasen. Die zungenförmige Gestalt die-ses Taxons ist noch schön erhalten geblieben.

Sphenopteris nummularia GUTBIER, 1835(Taf. 2, Fig. 2 und 3)

Fiederfragment vorletzter Ordnung einer Pteridosper-mae aus der Gattung Sphenopteris, 20 mm lang,13 mmbreit. Die verhältnismäßig kurzen Fiedern fallen vor allemdurch die nahezu kreisrunden Fiederchen auf, die mitsphenopteridisch eingezogener Basis der Fiederachseansitzen. Fig. 3 ist ein vergrößerter Ausschnitt desselbenFossils.

Cordaites sp.(Taf. 2, Fig. 4)

35 mm langes und 10 mm breites Blattbruchstückeines Cordaitenbaumes. Die für Cordaitenblätter typi-sche Parallelstreifung ist im fossilen Erhaltungszustandnoch gut ausgeprägt. Reste dieser Formgattung tretenverhältnismäßig zahlreich auf.

Cordaites principalis (GERMAR, 1848) GEINITZ, 1855(Taf. 2, Fig. 5)

32 mm langes und 8 mm breites Blattfragment einesCordaitenbaumes. Dieses Taxon hat zwischen den paral-lel verlaufenden, kräftigen Blattadern zusätzlich einigewenige dünne Baststreifen, die sich vor allem im unterenBildteil einigermaßen gut erkennen lassen. Naturgemäßlässt sich dieses Bestimmungsmerkmal am Handstückunter der Lupe besser erkennen als an der Fotografie.

cf. Cardiocarpus sp.(Taf. 2, Fig. 6)

Same, vermutlich eines Cordaitenbaumes vom TypusCardiocarpus.

* * * * *

Die fossile Flora aus den Hohen Tauern weist im vorlie-genden Umfang keine spezifischen Leitfossilien auf, dieeine Altersfestlegung im Sinne einer konkreten geologi-schen Stufe erlauben würden. Die biostratigraphischeBewertung des Materials kann sich aber darauf stützen,dass Formen auftreten, wie Cyperites bicarinatus und Cordaitesprincipalis, die als Westfal–Autun-Durchläufer anzuspre-chen sind (A. FRITZ, M. BOERSMA & K. KRAINER, 1990; W.REMY & R. REMY, 1977). Die stratigraphische Einstufungder Fundstelle im Maurertal an Hand eines Pteridophyl-len-Fiederchens in das Permo-Karbon durch FRANZ et al.(1991) steht damit grundsätzlich im Einklang.

Der Nachweis von Sphenopteris nummularia sowie der be-gründete Verdacht auf Lepidodendron dissitum engt das Alterder Flora auf Westfal–Stefan (M. BOERSMA & A. FRITZ,1986) bzw. auf höheres Westfal–Stefan (R.H. WAGNER & J.TALENS, 1985) ein. Für ein höheres Westfal-Alter als untereAltersgrenze spricht auch das Vorkommen von Cordaitesprincipalis (W. REMY & R. REMY, 1977).

Da nach den biserhigen biostratigraphisch-paläobota-nischen Kenntnissen die ostalpinen postvariszischenKarbonbecken (Naßfeld, Nockberge, Nößlacher Joch) einStefan-Alter besitzen, ist es wohl naheliegend, dasselbeauch für die Flora des Mauerertales in den Hohen Tauernanzunehmen.

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7. Schlussfolgerungenund regionalgeologische Überlegungen

Die zeitliche Einstufung präalpidischer Ereignisse imBereich der Hohen Tauern ist seit jeher ein wesentlichesProblem der geologischen Forschung. Der nun geglückteNachweis von Pflanzenfossilien führendem Oberkarbonist somit ein wichtiger Beitrag zum besseren Verständnisder Entwicklungsgeschichte des Untersuchungsgebietesim Zeitabschnitt der zu Ende gehenden variszischenOrogenese. In diesem Sinn sollen nun auch das vor demOberkarbon geprägte altkristalline Grundgebirge (Grup-pe der Alten Gneise), die Oberkarbone Schieferserieselbst und die spät- bis postvariszisch intrudierten Zen-tralgneisedukte des Venedigerlappens erörtert werden.

Das Oberkarbon im Maurertal zeigt eine intensive tau-ernkristalline Metamorphose mit bis zu 550 °C bei einemDruck um 7,5 kbar. Obwohl die Intensität der alpinenÜberprägung den direkten Nachweis vortauernkristallinerMineralparagenesen im unterlagernden Altkristallin ex-trem erschwert, ist die Existenz von Strukturen einerhochgradigen alten Metamorphose allgemein aner-kannt.

Strukturelle Relikte einer solchen voralpinen Metamor-phose in den Paragesteinen der Alten Gneise waren prin-zipiell schon FUCHS (1958) bekannt, als er eingehend jene„ g e f e l d s p a t e t e n S c h i e f e r “ beschrieb.

Auf CORNELIUS & CLAR (1939) geht die Bezeichnung„ H o c h w e i ß e n f e l d g n e i s “ für Anatexite im oberenKapruner Tal im Bereich der Riffeldecken zurück. Weitüber diesen Bereich hinaus bis ins Gschlösstal im südöst-lichen Venedigergebiet konnten diese mittel- bis grob-körnigen, inhomogenen Granitgneise mit ihrem ausge-prägten schlierig migmatischen Charakter, ihren vielfälti-gen Einschlüssen und Übergängen zu biotitreichen Me-tatexiten erkannt werden (vergl. dazu Spezialkarten derGeologischen Bundesanstalt: Blatt 153 Großglockner,Blatt 152 Matrei in Osttirol). Somit ist der Hochweißen-feldgneis ein charakteristischer Gesteinstyp der AltenGneise schlechthin und er repräsentiert jenes tiefe Krus-tenniveau, in dem die hochgradige Regionalmetamor-phose das granitische Minimum erreichte.

Die migmatischen Prozesse erfassten ein über den Ver-breitungsbereich des Hochweißenfeldgneis hinaus rei-chendes Gebiet. In Abhängigkeit von der Paläosomzu-sammensetzung wurden in den Alten Gneisen lokal gra-nitische, aber auch dioritische bis tonalitische Neosomegeringeren Umfangs mobilisiert. Die hierfür verantwortli-che Metamorphose wird heute allgemein auf die variszi-sche Kollision und Krustenverdickung zurückgeführt.

Auch die geochronologische Untersuchung des Hoch-weißenfeldgneises unterstützt diese Alterseinstufung (A.v. QUADT unpubl., in A. SCHERMAIER, 1991). Dabei musseinschränkend vermerkt werden, dass zur Zeit noch nichtabtrennbare Anteile weiterer noch älterer Metamorpho-sen mit den Alten Gneisen verbunden sein könnten.

Das altkistalline Grundgebirge wird nun, wie im oberenMaurertal nachgewiesen, von mehrere hundert Metermächtigen oberkarbonen Metasedimenten (oberes West-fal?, Stefan) eines intramontanen Beckens überlagert.Diese dunklen graphitischen Glimmerschiefer, Arkosenund Quarzkonglomerate sind Vertreter einer oberkarbo-nen Transgressionsbildung, die sich auf der damaligenLandoberfläche ablagerte und, wie sich mit Bestimmtheitsagen lässt, durch die hochgradige variszische Metamor-phose nicht mehr beeinflusst wurde. Es spricht somit

manches dafür, dass spätestens im frühen Oberkarbondie Konsolidierung der in die variszische Kollision einbe-zogenen Anteile der heutigen Hohen Tauern abgeschlos-sen war. Während der zu Ende gehenden variszischenOrogenese kam es ganz offensichtlich zu einer sehr ra-schen Exhumierung des damaligen Gebirgsstammes.

So muss man nun annehmen, dass das migmatischeAltkristallin um 305 Mio.J. bis 295 Mio.J. deutlich abge-kühlt, in ein hohes Krustenniveau angehoben, z.T. sogaran der Oberfläche situiert war. Eine solche relativ rascheHeraushebung eines Gebirgskernes erfolgt üblicherweisein einem Dehnungsregime. Bruchtektonik gekoppelt mitGraben- und Beckenbildungen und Erosion des entste-henden Hochgebirges waren in dieser Zeit die bestim-menden geologischen Prozesse.

Verbunden war dies mit posttektonischen plutonischenAktivitäten, die sich in unserem Arbeitsgebiet von älterenZentralgneisen deutlich abheben. Hier ist vor allem die Int-rusion des kalkalkalischen Zillertaler Venedigerplutonssamt Ausläufern und Nachschüben in sein Altes Dach zunennen.

Basierend auf den Studien von KARL (1959) wissen wir,dass die für diesen Pluton typischen tonalitischen bis gra-nodioritischen Intrusionen samt zugehörigem Ganggefol-ge stets die jüngsten magmatischen Gebilde sind, die alleälteren Strukturen, im speziellen jene der Gruppe der Al-ten Gneise, diskordant durchschlagen.

Auch SCHERMAIER (1991), gestützt auf Ideen von Prof. G.FRASL, konnte mit umfangreichen Feldbeobachtungen amOstrand des Venedigermassivs dokumentieren, dass diePlatznahme der Venedigergranitoide in einem bereitsabgekühlten, postorogen herausgehobenen Krusten-stockwerk erfolgte.

Zur genaueren Beurteilung der Altersbeziehung zwi-schen den Venedigergranitoiden und den vorliegendengraphitischen Glimmerschiefern sind geochronologischeUntersuchungen (Zirkonanalysen) in Vorbereitung.

Als vorläufiger Diskussionsbeitrag zur Charakterisie-rung der relativen Alterseinstufung mögen folgende Ge-ländebeobachtungen vom Nordrand der MaurertalerKarbonmulde, nahe Kote 2637, im Zungenbereich desMaurer Keeses dienen:

„Die normalen dunklen Graphitschiefer sind im unter-sten Teil in einem rund 50 m mächtigen Abschnitt vonhellen Aplitgneisen durchdrungen. Über diesen Liegend-abschnitt hinaus, also in zentraleren Anteilen der Kar-bonmulde, waren Aplitgneise nicht mehr zu beobachten.Die aplitische Injizierung entspricht jener, wie sie auch inden Alten Gneisen, in den etwas weiter nördlich gelegenenGeländestufen oberhalb des mittleren Maurer Keeses, an-getroffen wird und kann dem Ganggefolge des Venediger-plutons zugerechnet werden.“

Ein Teil der magmatischen Tätigkeit des Venedigerplu-tons, zumindest die Intrusion seines aplitischen Gangge-folges, überschneidet sich demnach zeitlich mit der Abla-gerung oberkarboner, eigentlich nach-variszischer ter-restrischer Sedimente.

Durch die Verknüpfung mit der Analyse der Intrusions-verbände und der Kenntnis der relativen Abfolge von me-tamorphen und magmatischen Ereignissen erhöhte sichder stratigraphische Wert der Pflanzenfossilien beträcht-lich. Somit liefert das Maurertaler Oberkarbon einen wich-tigen Beitrag für das Verständnis des zeitlichen Ablaufesder variszischen orogenen Geschichte im Bereich desTauernfensters.

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8. MethodikDie Untersuchungen an den einzelnen Mineralphasen

wurden mit einer Elektronenstrahlmikrosonde (EMS) desTyps CAMECA SX100 an polierten, mit Kohlenstoff be-

dampften Schliffen durchgeführt. Gemessen wurde bei15 KV und 20 nA. Als Referenzmaterial wurden natürlicheMineralphasen verwendet.

Dank

Für kollegiale Unterstützung und Hilfe bei der Präparation der Fund-stücke danken wir Herrn HR. Dr. KOLLMANN, Frau Doz. Dr. EDER und HerrnTOPKA von der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhisto-rischen Museums. Herrn Mag. Amr EL-DALAK soll an dieser Stelle für die

tatkräfige Unterstützung bei den Mikrosondenanalysen gedankt sein.Gleichfalls sind wir dem Direktor der Geologischen Bundesanstalt, HR.Prof. SCHÖNLAUB, für die Bereitstellung personeller und finanzieller Res-sourcen für die Geländearbeit zu Dank verpflichtet.

Tafel 1

Pflanzenfossilien aus den Mittleren Hohen Tauern

Fig. 1: cf. Calamites sp.[1999/22/1].

Fig. 2: Cyperites bicarinatus[1999/22/2].

Fig. 3: Pecopteris sp.[1999/22/3).

Fig. 4: Alethopteris sp.[1999/22/4].

Fig. 5: Alethopteris sp.[1999/22/5].

Fig. 6: Neuropteris sp.[1999/22/6].

Die Ziffern in den Klammern sind die Inventarnummern des Materials in den Sammlungen der Geologischen Bundesanstalt.

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Tafel 1

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Tafel 2

Pflanzenfossilien aus den Mittleren Hohen Tauern

Fig. 1: Neuropteris sp.[1999/22/7].

Fig. 2: Sphenopteris nummularia[1999/22/8].

Fig. 3: Sphenopteris nummularia[1999/22/9].

Fig. 4: Cordaites sp.[1999/22/10].

Fig. 5: Cordaites principalis[1999/22/11].

Fig. 6: cf. Cardiocarpus sp.[1999/22/12].

Die Ziffern in den Klammern sind die Inventarnummern des Materials in den Sammlungen der Geologischen Bundesanstalt.

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Tafel 2

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Manuskript bei der Schriftleitung eingelangt am 9. November 1999 ■

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