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Ziel der Umstellungsosteotomie desUnterkiefers ist es, unter Berücksichti-gung ästhetischer Belange eine regel-rechte Beziehung des zahntragendenAbschnitts zum Oberkiefer zu errei-chen und gleichzeitig eine physiologi-sche Fossa-Kondylus-Beziehung zu si-chern. Aufgrund der Geometrie derUnterkieferspange entstehen durch dieUmstellung des zahntragenden dista-len Segments Inkongruenzen zu denAnlagerungsflächen der proximalenSegmente. Durch geeignete Osteosyn-thesemethoden müssen diese Inkon-gruenzen aufrechterhalten werden, da-mit die präoperative fosso-disko-kon-dyläre Relation erhalten bleibt. Mit derDurchtrennung des Unterkiefers ver-liert der Operateur zudem den Fossa-Kondylus-Bezug über die Okklusion,so daß die Kondylen bei der „Freihand-Einstellung“ in unterschiedlicher Wei-se fehlpositioniert werden können(Abb. 1). Um diese Unsicherheit zuvermeiden, wird vielerorts versucht,mit Positionierungshilfen die präope-rativ vorhandene Fossa-Kondylus-Re-lation zu sichern.
Material und Methode
Insgesamt wurden konsekutiv 24 für eine Un-terkieferosteotomie anstehende Patienten einemRandomisierungsplan unterworfen, bei dem je-weils kurz vor der Operation die Eingruppie-rung in die Gruppe mit Positionierungsplattenoder in die Gruppe ohne vorgenommen wurde,so daß 12 Patienten mit Positionierungsplatten
und 12 ohne operiert wurden. In 4 Fällen wurdeeine Rückverlagerung mit Schwenkung deszahntragenden Segments, in allen anderen Fäl-len eine Vorverlagerung des zahntragenden Seg-ments durchgeführt.
In allen Fällen erfolgte eine transorale bi-kortikale Minischraubenosteosynthese, wie vonTurvey u. Hall [18] beschrieben. Die benutztenPositionierungsplatten stammten aus dem„Würzburg System“ (Fa. Leibinger). Die Unter-suchungen wurden jeweils kurz vor und 1/2 Jahrnach der Operation anhand klinischer Untersu-chung, Axiographie, MRT und konventionellenRöntgenaufnahmen durchgeführt. Bei allen Pa-tienten wurde zur Operationsplanung eine Biß-registrierung ohne Zahnkontakt in einer leichtgeführten kranialen Position der Kondylen vor-genommen. Die Modelloperation wurde im Ar-tikulator nach Gesichtsbogenübertragung durch-geführt.
In der klinischen Untersuchung wurde einUntersuchungsbogen in Anlehnung an den Funk-tionsstatus der DGZMK verwandt. Die Beurtei-lung dieser Befunde erfolgte nach Kriterien desklinischen Dysfunktionsindex nach Helkimo [8].Neben der Beweglichkeit des Unterkiefers gehenin die Untersuchung Gelenkgeräusche und derBewegungsablauf des Unterkiefers ein. Gemein-sam mit der Beurteilung der Kaumuskulatur so-
Mund Kiefer GesichtsChir (1998) 2 [Suppl 2] : S177–S182 © Springer-Verlag 1998
Kiefergelenkfunktion und -morphologie nach Unterkieferumstellungsosteotomien mit und ohne Positionierungsplatten
H. E. Umstadt, G. Lalyko, W. Hochban, K. H. AustermannKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr. Dr. K. H. Austermann), Klinikum der Philipps-Universität Marburg
Dr. H. E. Umstadt, Klinik für MKG-Chirurgie,Georg-Voigt Straße 3, D-35033 Marburg/Lahn
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Zusammenfassung
Um eine Fehlpositionierung der proxima-len Segmente bei Unterkieferumstellungs-osteotomien zu vermeiden, wird vielerortsversucht, mit Positionierungshilfen diepräoperativ vorhandene Fossa-Kondylus-Relation zu sichern. Ziel unserer Untersu-chung war es, in einer randomisierten,prospektiven Studie an 24 Patienten diemorphologischen und funktionellen Aus-wirkungen dieser Hilfen auf die Kieferge-lenke einer Kontrollgruppe ohne Positio-nierungshilfen gegenüberzustellen. Dabeiwurden bei 12 Patienten Positionierungs-platten benutzt, während die andere Hälf-te der Patienten ,freihand’ in die Zentrikeingestellt wurden. Die Fixation der Seg-mente erfolgte durch 3fache transorale,bikortikale Minischraubenosteosynthese.Die Beurteilung der Funktion erfolgteprä- und postoperativ anhand klinischerund elektronisch-axiographischer Unter-suchungen. Die Untersuchungen wurdendirekt präoperativ und frühestens 6 Mo-nate postoperativ durchgeführt. Zur mor-phologischen Beurteilung der Gelenkewurden röntgenologische und kernspinto-mographische Untersuchungen einge-setzt. Präoperativ hatten 12 Patientenleichte, 6 Patienten mäßige und 6 Patien-ten schwere Dysfunktionen. Postoperativwar kein Patient ohne Dysfunktion. Leich-te Dysfunktionen wiesen 15, mäßige Dys-funktionen 5 und schwere Dysfunktionen 4Patienten auf. Axiographisch wiesenpräoperativ 22 Patienten keine Bewe-gungsstörungen der Kiefergelenke auf,wogegen 2 Patienten schwere Bewe-gungsstörungen hatten. Postoperativ traterwartungsgemäß in beiden Gruppen ei-ne Verschlechterung der Gelenkmobilitätauf. Die MRT-Untersuchungen beiderOperationsgruppen erbrachten sowohlVerschlechterungen im Sinn von Diskus-dislokationen ohne Reposition als auchVerbesserungen im Sinn einer Korrekturpathologischer Diskuspositionen. Es tra-ten keine signifikanten Unterschiede zwi-schen beiden Gruppen auf. Röntgenolo-gisch wiesen aus der Gruppe der Patien-ten mit Positionierungsplatten 3 dislo-zierte Kondylen auf, während es aus derGruppe ohne Positionierungsplatten 4waren. Bis auf eine Dislokation in derGruppe ohne Positionierungsplatten er-folgten alle in transversaler Richtung. Po-sitionierungsplatten lassen nach diesenErgebnissen weder funktionell noch mor-phologisch Vorteile für die Kiefergelenkeerwarten.
Schlüsselwörter
Dysgnathie · Positionierungsplatten · Un-terkieferosteotomie · Kiefergelenkfunkti-on · Kiefergelenkmorphologie
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Abb. 1. Verlagerungsmöglichkeiten des Kon-dylus
wie möglicher Ruhe- und Bewegungsschmer-zen der Kiefergelenke erlaubt dieses Bewer-tungsschema durch ein Punktesystem die Ein-teilung in 4 Dysfunktionsgrade D0–D3.
Die instrumentelle Beurteilung der Kiefer-gelenkfunktion wurde anhand der elektroni-schen Axiographie durchgeführt. Verwendetwurde der Axiograph III zusammen mit demAxiotron der Fa. SAM, München. In einer axio-graphischen Untersuchung wurden in erster Li-nie das Ausmaß der Translation des Kondylus inder Sagittalen bewertet. Die Befunde wurden in5 Klassen A1–A5 eingeteilt, die, abgestuft vonregulären Bewegungsverhältnissen der Kondy-len bis hin zur irregulären Rotation um eine ima-ginäre Achse, die Bewegungen der Kondylenerfaßten (Tabelle 1).
Durch die Gegenüberstellung der präopera-tiv angefertigten MRT und den 1/2 Jahr postope-
rativ angefertigten kernspintomographischenBildern wurden die Weichteilverhältnisse derGelenke beurteilt. Die Aufnahmen wurden stan-dardisiert in Turbospinechosequenz und T2-ge-wichteter Sequenz in maximaler Interkuspidati-on und bei 28 mm Mundöffnung durchgeführt.In die Beurteilung der Befunde gingen Struk-turveränderungen des Diskus sowie reversibleund irreversible Diskusdislokationen ein; wei-terhin wurde nach Gelenkerguß als Zeichenmöglicher chronischer Gelenkreizung gesucht.Sichtbare regressive knöcherne Umbauprozessewurden als Adaptionsprozesse angesehen undfielen nicht in die Bewertung.
Im Rahmen der röntgenologischen Auswer-tung wurden knöcherne Läsionen und die Be-ziehung des Kondylus zur Fossa articularisdurch transkraniale Aufnahmen mit dem TMX-Bogen nach Graf beurteilt. Zur metrischen Be-
urteilung der Kondyluslage verwendeten wir dieSchädelbasisaufnahme nach Runström IV. AlsBezugsstrukturen dienten die Foramina spinosa,deren tangentiale Verbindungslinie zur Grundli-nie weiterer Beurteilungen wurde. Der inter-foraminäre Abstand diente mit Hilfe des Drei-satzes zum Ausgleich projektionsbedingter Grö-ßenunterschiede der dargestellten Strukturen:
• Zur Messung des Rotationsfehlers in der Ho-rizontalebene wurde der jeweilige Winkel derKondylenlängsachse zur Grundlinie be-stimmt.
• Zur Messung der transversalen Stellungsän-derung des Kondylus wurde der Abstand desmedialen Kondyluspols zu einer Senkrechtenauf der Höhe des Foramen spinosum zurGrundlinie bestimmt.
• Zur Messung sagittaler Veränderungen wurdeder Abstand des dorsalen Kondylusrands zurGrundlinie bestimmt.
Abweichungen von mehr als ±5° des Winkels αund der transversalen Distanz um mehr als ±3mm (in Abb. 2 als Strecke ×1/2 benannt), wurdenals röntgenologische Kriterien für die Segment-dislokation festgelegt.
Ergebnisse
Klinische Funktionsergebnisse
Präoperativ war nach den Kriterien desHelkimo-Indexes (Abb. 3) kein Patientsymptomfrei. Eine leichte Dysfunktion(D1) wiesen insgesamt 12 von den 24Patienten auf. Aus dieser Indexgruppewurden randomisiert 4 Patienten derGruppe ohne Positionierungsplattenund 8 der Gruppe mit Positionierungs-platten zugeordnet. Eine mäßige Dys-funktion (D2) wiesen insgesamt 6 vonden 24 Patienten auf. Aus dieser In-dexgruppe wurden randomisiert 4 Pa-tienten der Gruppe ohne Positionie-rungsplatten und 2 der Gruppe mit Positionierungsplatten zugeordnet.Schwere Dysfunktion (D3) wiesen
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Mund Kiefer GesichtsChir (1998) 2 [Suppl 2] :S177–S182 © Springer-Verlag 1998
TMJ-function and -morphology after mandibulartranslocation-osteotomies with and without positioning plates
H. E. Umstadt, G. Lalyko, W. Hochban, K. H. Austermann
Summary
Positioning devices are commonlyused to avoid the malpositioning ofthe proximal segments in bilateral,sagittal split osteotomies and tomake sure the preoperative fossacondyle relation is reproduced. Theaim of our prospective study, withrandom selection of 24 patients, wasto compare the morphological andfunctional outcome of the TMJs. Theproximal segments in half of the pa-tients had been positioned using de-vices, in the other half without de-vices. The segments were fixed bytransoral bicortical miniscrew fixa-tion. The evaluation of function isbased on pre- and postoperative clin-ical and electronic axiographic in-vestigations. To study the TMJ mor-phology, we performed MRI and X-ray investigations preoperatively and6 months postoperatively. Preopera-tively, 12 patients showed slight dys-function, six patients moderate, andsix patients severe dysfunction. Post-operatively, no patient was symp-tomless. Slight dysfunction was pre-sented in 15 cases, moderate dys-function in five and severe dysfunc-
tion in four cases. Evaluating the ax-iographic investigations preopera-tively, 22 patients showed no mobil-ity disturbances of the TMJ. Two pa-tients showed severe mobility distur-bances. Postoperatively, a significantincrease in TMJ mobility distur-bances could be seen. The MRI in-vestigations of both groups showedboth worsening and improvement inthe disk positions. No significant dif-ferences could be determined be-tween the two groups, however. Re-garding the X-ray investigation,three patients from the group withpositioning devices showed dislocat-ed condyles; in the group without po-sitioning devices four cases ofcondyle dislocation were seen. Alldislocations were transversal exceptfor one case in the group without po-sitioning devices. Positioning de-vices do not seem to improve thefunctional and morphological out-come of the TMJ after BSSO.
Key words
Dysgnathia · Positioning devices ·Sagittal split osteotomie · TMJ func-tion · TMJ morphology
Tabelle 1Einteilung der axiographischenBefunde
A1 Regulärer axiographischer BefundA2 Gelenkbahn verkürzt – keine
BewegungsstörungA3 Gelenkbahn wenig verkürzt – mit
BewegungsstörungA4 Gelenkbahn stark verkürzt – mit
BewegungsstörungA5 Irreguläre Rotation um eine
imaginäre Achse
insgesamt 6 von den 24 Patienten auf.Aus dieser Indexgruppe wurden ran-domisiert 4 Patienten der Gruppe oh-ne Positionierungsplatten und 2 derGruppe mit Positionierungsplatten zu-geordnet.
Postoperativ war nach den Kriteri-en des Helkimo-Indexes (Abb.4) eben-falls kein Patient symptomfrei. Eineleichte Dysfunktion (D1) wiesen ins-gesamt 15 von den 24 Patienten auf.Sieben Patienten, die ohne Positionie-
rungsplatten, und 8 Patienten, die mitPositionierungsplatten operiert wordenwaren, konnten dieser Indexgruppe zu-geordnet werden. Eine mäßige Dys-funktion (D2) wiesen insgesamt 5 vonden 24 Patienten auf. Zwei Patienten,die ohne Positionierungsplatten, und 3Patienten, die mit Positionierungsplat-ten operiert worden waren, konntendieser Indexgruppe zugeordnet wer-den. Eine schwere Dysfunktion (D3)wiesen insgesamt 4 von den 24 Patien-ten auf. Drei Patienten, die ohne Posi-tionierungsplatten, und 1 Patient, dermit Positionierungsplatten operiertworden waren, mußten dieser Index-gruppe zugeordnet werden.
Zusammengefaßt läßt sich feststel-len, daß es insgesamt zu einer leichtenfunktionellen Verbesserung nach derOperation gekommen ist, wobei in derGruppe ohne Positionierungsplatteneine größere Variabilität der präopera-tiven zu den postoperativen Befundenzu verzeichnen war.
Instrumentelle Funktionsergebnisse
Präoperativ (Abb.5) fielen 22 Patien-ten in Gruppe A1 und 2 Patienten inGruppe A5. 12 Patienten mit Index A1wurden randomisiert der Gruppe mitPositionierungsplatten, 10 Patientenmit Index A1 und 2 Patienten mit IndexA5 der Gruppe ohne Positionierungs-platten zugeordnet.
Postoperativ (Abb.6) blieben insge-samt 8 Patienten auf Index A1 (Tab. 1),davon entfielen auf die Gruppe mit Po-sitionierungsplatten 6 Patienten undauf die Gruppe ohne Positionierungs-platten 2 Patienten. Auf Index A2 be-fand sich in der Gruppe mit Positionie-rungsplatten kein Patient, dagegen er-reichten 6 Patienten aus der Gruppeohne Positionierungsplatten diesen In-dex. Dem Axiographieindex A3 warpostoperativ kein Patient zuzuordnen.Dem Index A4 waren postoperativ je-weils 2 Patienten aus den beiden Ran-domisierungsgruppen zuzuordnen. Inden Index A5 mußten 4 Patienten, diemit Positionierungsplatten operiert wor-den waren, und 2 Patienten, die ohneoperiert worden waren, eingestuft wer-den, so daß insgesamt 6 Patienten von24 starke Einschränkungen in der Mo-bilität des Kiefergelenks 1/2 Jahr post-operativ aufwiesen. Die Verschlechte-
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Abb. 2. Auswertungsschema der Runström-IV-Aufnahme
re
α1 α2
li
a
y1 y2
x1 x2
Abb. 3. Dysfunktionsindex präoperativ mit Verteilung auf die Randomisierungsgruppen
Abb. 4. Dysfunktionsindex postoperativ mit Verteilung auf die Randomisierungsgruppen
# #
rung instrumenteller Funktionsergeb-nisse postoperativ erklärt sich durch ei-ne verkürzte Gelenkbahn, also eineMobilitätseinschränkung, wobei keinsignifikanter Unterschied zwischenden Gruppen mit und ohne Positionie-rungsplatten bestand.
MRT-Ergebnisse
Durch die Gegenüberstellung der prä-operativ angefertigten MRT zu denpostoperativen kernspintomographi-schen Bildern wurden in erster Liniedie Weichteilverhältnisse der Gelenke
beurteilt. In die Beurteilung der Be-funde gingen Strukturveränderungendes Diskus sowie Diskusdislokationenmit Reposition und ohne Repositionein. Sichtbare regressive knöcherneUmbauprozesse wurden als knöcherneAdaptionsprozesse angesehen und fie-len nicht in die Bewertung, da zumZeitpunkt der Untersuchung nicht ent-schieden werden konnte, ob diese Um-bauprozesse zu einem bleibenden Ge-lenkschaden führen. Präoperativ wie-sen 7 Patienten (Tab. 2) in der Gruppemit Positionierungsplatten und 6 Pati-enten in der Gruppe ohne Positionie-rungsplatten anatomisch korrekte Dis-kuspositionen auf. Aus der Gruppe mitPositionierungsplatten hatten 4 Dis-kusdislokationen mit und 1 Patient Dis-kusdislokation ohne Reposition. Ausder Gruppe ohne Positionierungsplat-ten hatten präoperativ 5 Patienten Dis-kusdislokationen mit Reposition und 1Patient ohne Reposition (Tabelle 2).Postoperativ wiesen von den Patienten,die mit Positionierungsplatten operiertworden waren, 8 regelrechte Diskus-positionen, 2 Diskusdislokationen mitReposition und 2 Diskusdislokationenohne Reposition auf. Demgegenüberwiesen bei den ohne Positionierungs-platten operierten Patienten 7 regel-rechte Diskuspositionen, 3 Diskusdis-lokationen mit Reposition und 2 Dis-kusdislokationen ohne Reposition auf.
Röntgenologische Ergebnisse
Deutlich sichtbare Dislokationen derKondylen traten jeweils in transversa-ler Richtung auf. Die Dislokationen inder Gruppe mit Positionierungsplattenentstanden vorwiegend transversal,während in der Gruppe ohne Positio-nierungsplatten auch 2 sagittale Fehl-positionierungen zu verzeichnen wa-ren. Aus der Gruppe mit Positionie-rungsplatten wiesen 3 Patienten min-destens 1 dislozierten Kondylus undaus der Gruppe ohne Positionierungs-platten 4 Patienten dislozierte Kondy-len auf (Tabelle 3). Alle Dislokationenbis auf eine in der Gruppe ohne Posi-tionierungsplatten – erfolgten in trans-versaler Richtung.
Diskussion
Die Dislokation des Gelenkkopfsscheint sowohl bei der Fixierung durch
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Tabelle 2Ergebnisse der MRT-Untersuchung (präoperativer Befund in Klammern)
Unterkieferosteotomie Diskus Dislokation Dislokationn = 24 anatomisch mit Reposition ohne Reposition
korrekt
Mit Positionierungsplatten 8 (7) 2 (4) 2 (1)n = 12
Ohne Positionierungsplatten 7 (6) 3 (5) 2 (1)n = 12
Tabelle 3Ergebnisse der Röntgenuntersuchung
Postoperative Ergebnisse Gelenk anato- Dislokation gegenüber(Röntgen) misch korrekt präoperativem Zustand
Mit Positionierungsplatten 9 3n = 12
Ohne Positionierungsplatten 8 4n = 12
Abb.5. Axiographische Befundepräoperativ
Abb.6. Axiographische Befundepostoperativ
Drahtnaht [17] als auch bei rigidenFixationen [5, 11] ein unumgänglichesProblem nach Unterkieferosteotomienzu sein. Gravierende Fehlpositionie-rungen der Kondylen wurden aller-dings erst durch den Einsatz derübungsstabilen Osteosynthese bedeu-tungsvoll, da hierdurch dem kondy-lären Segment die Möglichkeit ge-nommen wird, sich noch postoperativunter Funktion selbst einzustellen.
Ergebnisse eigener Modelluntersu-chungen zeigen, daß auch Stellschrau-benosteosynthesen, bedingt durch dieSchraubengeometrie, eine Dislokationdes gelenktragenden Segments hervor-rufen [19]. Bereits geringe vertikaleAchsabweichungen im Osteotomiebe-reich führen zu relativ großen Diskre-panzen im Transversalabstand derKondylen [11], wobei zwischen Verla-gerungen mit und ohne Änderung derlangen Achse der Kondylen unter-schieden werden muß [16]. Hackney etal. [6] fanden in einer Überprüfung derInterkondylarabstände nach rigiderFixation bei bilateraler sagittaler Spal-tung postoperativ keine signifikantenUnterschiede. Dies steht im Gegensatzzu unserer Untersuchung, in der inzwi-schen 25 und 30% der Fälle eine Kon-dylenverlagerung meßbar war.
Zur Reduktion der Kondylenverla-gerung während der Fixation nach Un-terkieferumstellungsosteotomie wur-den von zahlreichen Autoren [9, 12–15] Positionierungshilfen vorgeschla-gen. Hiatt et al. [9] forderte darüberhinaus bei funktionsgestörten Patien-ten eine präoperative Splinttherapie,um keine vorhandenen Fehlpositionie-rungen der Kondylen zu übernehmen.
Heiser u. Slavicek [7] fanden beidynsgnathen Patienten in 70% der Fäl-le klinisch und instrumentell nach-weisbare Funktionsstörungen des Kau-organs. Nach Untersuchungen vonDahlberg et al. [3] geben 53% der Pa-tienten mit Dysgnathien Schmerzen imBereich der Kiefergelenke und/oder imBereich der Kaumuskulatur an. Eineähnliche Ausgangslage fanden wirauch bei unseren Patienten.
Die Forderung nach einer exaktenÜbernahme der präoperativen Kiefer-gelenkposition bei Umstellungsosteo-tomien des Gesichtsskeletts ist ver-breitet [15], um eine Schädigung derGelenkstrukturen als Folge der Unter-
kieferumstellungsosteotomie mög-lichst zu vermeiden. Da ein Großteilder Patienten mit Dysgnathie bereitspräoperativ Myoarthropathien undDiskusdislokationen [3, 7] aufweist,stellt sich die Frage, ob durch identi-sche Übernahme der Gelenkposition,welche bei diesen Patienten vielfachnicht physiologisch ist, dem Patientenin funktioneller Hinsicht geholfen wird[4]. Die Lösung dieses Problems müß-te demnach in einer Therapie der Kie-fergelenkerkrankung vor der Dysgna-thieoperation zu suchen sein. Erst dannkann die exakte Neueinstellung derzahntragenden Segmente vorgenom-men werden. Auf eine genügende Ad-aptionsfähigkeit vorgeschädigter Ge-lenke wird man vergebens hoffen [1].
Die Problematik der unterschiedli-chen intraoperativen Positionierungs-methoden ergibt sich daraus, daß ei-nerseits die präoperative Kondylenpo-sition des sitzenden wachen Patientenmit all ihren Fehlermöglichkeiten [4]in die Operationssituation übernom-men wird. Andererseits werden bei derEinstellung der gelenktragenden Seg-mente von Hand bewußt dorsale Fehl-positionierungen [2, 17], welche durchdie Relaxierung während der Narkoseentstehen, in Kauf genommen. Trans-versale Abweichungen der Kondylenmüssen scheinbar bei beiden Positio-nierungsverfahren akzeptiert werden,wie unsere Auswertungen der Run-ström-IV-Aufnahmen zeigen.
Aufgrund der Materialstärke derverwendeten Positionierungshilfen istzu erwarten, daß nicht alle während derFixierung auftretenden transversalenKräfte neutralisiert werden können.Hierdurch lassen sich die transversa-len Kondylendislokationen erklären,die auch in der Gruppe mit Positionie-rungsplatte aufgetreten sind.
Die Gegenüberstellung der präope-rativen und postoperativen Axiogra-phiebefunde zeigt durchgehend eineAbflachung der Gelenkbahn nach Un-terkiefervorverlagerung und ein Stei-lerwerden der Gelenkbahn nach Unter-kieferrückverlagerung. Hierin könntesich die physiologische Adaptions-fähigkeit des fossa-disko-kondylärenKomplexes widerspiegeln. Die Verän-derung der Unterkiefergeometrie be-dingt scheinbar eine Neigungsverän-derung der Gelenkbahn.
Regelmäßig konnte über die Grup-penzugehörigkeit hinaus bei allen ope-rierten Patienten erwartungsgemäß ei-ne mehr oder weniger große Ein-schränkung der Unterkieferexkursiongefunden werden [17]. Die postopera-tive Verschlechterung der instrumen-tellen Funktionsergebnisse erklärt sichsomit in erster Linie durch die ver-kürzte Gelenkbahn. Untersuchungenan einem anderen Patientenkollektiv,bei dem die Operation mindestens 2Jahre zurücklag, zeigt, daß sich späte-stens 2 Jahre postoperativ der Mund-öffnungsumfang wieder normalisiert[10].
Die Anzahl der postoperativ axio-graphisch als mäßig und schlecht ein-zustufenden Patienten korrelierte mitden Diskusdislokationen, welche inden MRT befundet worden waren.
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