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Langenbecks Arch. Chir. 350, 59-63 (1979) Langenbecks Archiv for Chirurgie © by Springer-Verlag1979 Kinetik der Keimelimination nach chirurgischen Eingriffen am Choledochus* H. Wacha, W. Rieber, J. Schumann und E. B. Helm Chirurgische Klinik (Direktor: Prof. Dr. E. Ungeheuer) und Abteilungfiir An/isthesie(Direktor: Prof. Dr. H. Pfliiger), Krankenhaus Nordwest, Steinbacher Hohl 2-26, D-6000 Frankfurt/M. 90 Zentrum f/ir Chirurgie, Abteilung for Allgemein- und Abdominalchirurgie (Direktor: Prof. Dr. A. Encke) und Zentrum fiir Inhere Medizin, Infektionslabor(Leiter: Prof. Dr. W. Stille), Johann-Wolfgang-Goethe-Universit/it, Theodor-Stern-Kai 7, D-6000 Frankfurt/M. 70 Pathogen Elimination after Surgical Interventions on Common Bile Duct Summary. Of 130 bile samples from the choledochus, 64 ~ were positive for bacteria. Different antibiotics were administered according to the susceptibility tests. Colony counts were monitored daily. Beta-lactam antibiotics lead to a more rapid pathogen clearance than the tetracyclines. Antibiotic therapy is discussed especially in older patients and in patients with recurrent in- terventions on common bile duct. Bile cultures were positive in most of these patients. Key words: Bacteriobilia - Common bile duct - Antibiotics - Bacterial growth - Pathogen elimination. Znsammenfassung. Bakterien wurden bei 130 Choledochusrevisionen in 64 der F/ille gefunden. Unter Behandlung mit verschiedenen Antibiotika entspre- chend der Sensibilit/it in Galle wurden Keimzahlmessungen an der T-Drain- Galle durchgeffihrt, fl-Lactam-Antibiotica zeigten eine gr613ere Effektivit/it als Tetracycline. Antibiotische Behandlung wird empfohlen bei Patienten im h6heren Alter und mit Rezidiveingriffen an den Gallenwegen. Hier fand sich in 88 ~ ein Bakterienbefall. Ober die ,~tiologie und Wertigkeit der bakteriellen Besiedelung der Choledochus- galle herrscht Ungewil3heit. Bakterien wurden bei 130 Choledochusrevisionen in der chirurgischen Klinik des Krankenhauses Nordwest im Jahr 1978 (Tablelle 1) 83mal, also in 64 ~o der F/ille gefunden. Eine besondere H/iufung fiel bei Patienten fiber dem 60. Lebensjahr auf (Abb. 1). Gerade bei dieser Patientengruppe scheint die bakterielle Besiedelung des Cholesdochus fiir die Ausbildung der Cholangitis und Cholangiolitis von entschei- dender Bedeutung zu sein. * Vortrag gehalten auf der 96. Tagung der Deutschen Gesellschaftfor Chirurgie 0023-8236/79/0350/0059/$01.00

Kinetik der Keimelimination nach chirurgischen Eingriffen am Choledochus

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Page 1: Kinetik der Keimelimination nach chirurgischen Eingriffen am Choledochus

Langenbecks Arch. Chir. 350, 59-63 (1979) Langenbecks Archiv for Chirurgie © by Springer-Verlag 1979

Kinetik der Keimelimination nach chirurgischen Eingriffen am Choledochus*

H. Wacha, W. Rieber, J. Schumann und E. B. Helm

Chirurgische Klinik (Direktor: Prof. Dr. E. Ungeheuer) und Abteilung fiir An/isthesie (Direktor: Prof. Dr. H. Pfliiger), Krankenhaus Nordwest, Steinbacher Hohl 2-26, D-6000 Frankfurt/M. 90 Zentrum f/ir Chirurgie, Abteilung for Allgemein- und Abdominalchirurgie (Direktor: Prof. Dr. A. Encke) und Zentrum fiir Inhere Medizin, Infektionslabor (Leiter: Prof. Dr. W. Stille), Johann-Wolfgang-Goethe-Universit/it, Theodor-Stern-Kai 7, D-6000 Frankfurt/M. 70

Pathogen Elimination after Surgical Interventions on Common Bile Duct

Summary. Of 130 bile samples from the choledochus, 64 ~ were positive for bacteria. Different antibiotics were administered according to the susceptibility tests. Colony counts were monitored daily. Beta-lactam antibiotics lead to a more rapid pathogen clearance than the tetracyclines. Antibiotic therapy is discussed especially in older patients and in patients with recurrent in- terventions on common bile duct. Bile cultures were positive in most of these patients.

Key words: Bacteriobilia - Common bile duct - Antibiotics - Bacterial growth - Pathogen elimination.

Znsammenfassung. Bakterien wurden bei 130 Choledochusrevisionen in 64 der F/ille gefunden. Unter Behandlung mit verschiedenen Antibiotika entspre- chend der Sensibilit/it in Galle wurden Keimzahlmessungen an der T-Drain- Galle durchgeffihrt, fl-Lactam-Antibiotica zeigten eine gr613ere Effektivit/it als Tetracycline. Antibiotische Behandlung wird empfohlen bei Patienten im h6heren Alter und mit Rezidiveingriffen an den Gallenwegen. Hier fand sich in 88 ~ ein Bakterienbefall.

Ober die ,~tiologie und Wertigkeit der bakteriellen Besiedelung der Choledochus- galle herrscht Ungewil3heit. Bakterien wurden bei 130 Choledochusrevisionen in der chirurgischen Klinik des Krankenhauses Nordwest im Jahr 1978 (Tablelle 1) 83mal, also in 64 ~o der F/ille gefunden. Eine besondere H/iufung fiel bei Patienten fiber dem 60. Lebensjahr auf (Abb. 1).

Gerade bei dieser Patientengruppe scheint die bakterielle Besiedelung des Cholesdochus fiir die Ausbildung der Cholangitis und Cholangiolitis von entschei- dender Bedeutung zu sein.

* Vortrag gehalten auf der 96. Tagung der Deutschen Gesellschaft for Chirurgie

0023-8236/79/0350/0059/$01.00

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60 H. Wacha et al.

Tabelle 1. Prozentualer Anteil positiver intraoperativ gewonnener Galleproben des Choledochus (Chirurgische Klinik des Krankenhauses Nordwest, Gallenwegseingriffe im Jahr 1978, n = 742)

Cholecystektomie 601 Choledochusrevision 141

Bakterienbefall von 130 intraop. Choledochusgallen 83 = 64

84% %

80- Patienten 75% 7 3 % J " 70- K'eimbefail / ~ e S "

60 - , F Zahl der / m Patlenten 50 - / ~ - 30

40 - 41~e,% 36%

< 40 40-50 50-60 60-70 > 70 Alter In Jahren

Abb. 1. H/iufigkeit der bakteriellen Besiedelung der Choledochusgalle bei Choledocholithiasis in Abh/ingigkeit vom Alter der Patienten (n = 130) (Chirurgische Klinik des Krankenhauses Nordwest, Frankfurt/M, 1. 1. 1978- 31. 12. 1978)

9 0 - Keimnachweis %

80

70

64%

60-

76%

>60Jahre

88%

> 60 Jahre und

Rezldlv- Eingriff

Abb. 2. Bakteriennachweis in Abh~ingigkeit von Alter und Rezidiveingriff bei 130 Patienten mit Choledochusrevision (Chirurgische Klinik des Krankenhauses Nordwest, Frankfurt/M., 1978)

Nahezu regelm~iBig wiesen Patienten nach Rezidiveingriffen am Choledochus neben histologischen Ver/inderungen der Leber einen positiven Keimbefall der Choledochusgalle auf (Abb.2).

Die chirurgische Sanierung der Gallenwege ist die unabdingbare Voraussetzung ffir den Rfickgang der klinischen Symptomatik. Dies geht jedoch nicht zwangsl~iu- fig mit einem Rfickgang des Bakterienbefalls in der Choledochusgalle einher.

Verlaufuntersuchungen bei Patienten ohne antibiotische Therapie zeigten unver/inderte Keimzahlen. Diese Messungen wurden kontinuierlich in Galleproben aus der T-Drainage bei 25 Patienten fiber 3 - 5 Tage verfolgt (Tabelle 2).

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Kinetik der Keimelimination 61

Tabelle 2. Bakteriennachweis intra- und postoperativ in der Choledochusgalle w~hrend 3 - 5 Tagen (Chirurgische Klinik des Krankenhauses Nordwest, Frankfurt /M.)

Keimart Keimzahl

1Tag 2Tag 3Tag 4Tag 5Tag

BM ? 76 E. coli > LC ? 75 E. coli, Streptoc. faecalis > AC ~ 38 E. coli, Streptoc. faecalis > LF ~' 61 E. coli, Proteus morganii > BH ~? 42 Streptococcus faecalis > KA ? 52 Streptococcus faecalis KA ~ 27 Streptococcus faecalis > GE ~ 67 nicht-haem. Streptoc, Staph. aureus > K K ? 74 Staphylococcus aureus > LM ? 59 Enterobacter aerogenes > LA ~ 37 Enterobacter aerogenes LA ? 62 Alkaleszens dispar > EK ? 53 steril BH (? 43 steril BC ? 57 steril D M ? 75 steril EG 9 45 steril FM ? 42 steril GH ~' 49 steril HB .9 66 steril HE ? 60 steril KJ ~ 67 steril LE ? 47 steril LD ~ 47 steril LF ? 70 steril

n = 25

10 6 ) 10 6 ) 10 6 ) 10 6 ) 10 5 )

I0 ~ ) 10 6 ) 10 6 ) 10 5 ) lO s )

> 10 5 )t 10 4 ).

Staph. alb. steril ) )

)-

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Inwieweit dies ein Ausdruck fill" die Unterhaltung der bakteriellen Entziindung der Gallenwege sein kann, bleibt weiterhin ungewiB. Der chronische Keimbefall trotz erfolgreicher Revision ist unserer Meinung nach fiir den Fortbestand der Cholangitis und das Auftreten yon erneuten GallenabfluBst6rungen nicht gfinzlich ohne Bedeutung. Es gilt bier die Wertigkeit der Antibiotica fiir den Verlauf einer bakteriellen Entziindung zu priifen.

Die therapeutische Empfehlung zur Behandlung von Gallenwegsinfektionen richtete sich bislang nur nach der H6he der Gallenspiegel des Antibioticum und dem zu erwartenden Erregerspektrum. Auf der Suche nach einem geeigneten, m6glichst kliniknahen Modell zur Beurteilung der Aktivit/it von Antibiotica in Galle wurden Keimzahlmessungen unter Behandlung aus der T-Drain Galle durchgefiihrt. Dabei wurden bei insgesamt 21 Patienten bis zu dem Zeitpunkt der Applikation eines Antibioticum und in regelm~iBigen Absffinden danach bis zum 3. Tag aus definierten Gallemengen sowohl Substanzspiegel als auch die Keimzahl bestimmt (Abb. 3).

Dabei zeigte sich schon in den ersten 6 h bei Cefazolin und Mezlocillin, zwei fl- Lactam-Antibiotica, eine deutliche Keimreduktion. In fast allen Ffillen waren weniger als 103 Keime/ml Galle nachweisbar. Zu einer Elimination aller Keime

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luglml > 10 e

10e-

pglml Keimelml >10 s

10e7 5000- Mezlocinin

[ 4000i 10 s"

3000- 104-

2000' pH

1000" 10110a~- ~ ~ I8'07,0

0 < 10 = -. . . . . . . . . . . . J ~

0 160'1120'3 4 6 2430 4854Std. 30' 90'

>106 Keimelml pglml 10s-: "

o - -

6 0 1 0 s -

4 5 - 104 -

30- pH 8,0 10 a- acycline I

15-

7,0 102-

0 < 10= o leo' 1 li6;"1:i ,;, 1; '2i :;O'"~--'S,I Std.

30' 90'

Keimelml

zolin

10 s-

I04-

100

10=-

50-

i0 z- 0 ¢10:

62 H. Wacha et al.

[:,.o 7,0

6 [ ~'1120: ~i 4 624;30-4854Std. 30' 90'

o Keimzahl o pH : Substanzsplegel

Abb. 3. Wirksamkeit von Antibiotica in der Choledochusgalle. Keim : E. coli gemessen durch gleichzeitige Best immung der Keimzahl und Substanzspiegel in Gallproben aus der T-Drainage

innerhalb des Beobachtungszeitraumes von 3 Tagen kam es nur in wenigen F~tllen.

Tetracycline zeigen die geringste Effektivit~it. Zu beachten ist besonders bei den Tetracyclinen der kurze Beobachtungszeitraum von 3 Tagen, der bei bakteriosta- tisch wirkenden Antibiotica eine Bedeutung haben k6nnte. Hinzu kommt, dab bei der iiblichen Dosierung von Rolitetracyclin die Maximalspiegel zwischen 50 und 10 gg in Galle lagen; die M H K in Galle war aber fiir E. coli fiber 100 pg/ml.

Zusammenfassend ergeben sich folgende Erkenntnisse:

1. Bei einem positiven Erregernachweis intraoperativ blieb die Zahl der Keime 3 - 5 Tage postoperativ konstant.

Page 5: Kinetik der Keimelimination nach chirurgischen Eingriffen am Choledochus

Kinetik der Keimelimination 63

2. In unserer Untersuchungserie kam es w~ihrend der Beobachtungszeit zu keinem Erregerwechsel und zu keinem Keimnachweis an der T-Drainage, bei intraoperat iv sterilen Gallenwege.

3. Unter einer Antibioticatherapie mit f l -Lactam-Antibiot ica wurde bei emp- findlichen Keimen eine deutliche Keimzahlredukt ion bis zur Elimination er- reicht.

Mit unserem Modell ist die Wirksamkeit von antibiotischen Substanzen nachweisbar.

N a c h der erfolgreichen chirurgischen Therapie (Choledochusrevision mit sicherem AbfluB und Entfernung s~imtlicher Konkremente) ist mit dem Rfickgang der klinischen Symptomat ik zu rechnen.

Dennoch ist unserer Ansicht nach eine Antibioticatherapie besonders zur Verhinderung der fortbestehenden Cholangit iden bei Vorliegen einer Keimzahl von mehr als 105 Keimen/ml Galle, bei Patienten fiber dem 60. Lebensjahr und nach Rezidiveingriffen an den Gallenwegen, zu empfehlen und gerechtfertigt.

Das vorgestellte Modell bietet zus/itzlich die M6glichkeit einer Effizienzkon- trolle einer Antibioticatherapie. Eine mehrt~igige Kontrol le mit Z~ihlung der Keime stellt keine Belastung des Patienten dar und hat keine Verl~ingerung der postopera- tiven Verweildauer zur Folge.

Die Stellung der Chemotherapie zus~itzlich zur chirurgischen Behandlung kann jedoch nur durch Langzeitergebnisse weiterer Studien gekl~irt werden.

Literatur

Anderson, R. E., Priestley, J. T. : Observations on the bacteriology of the choledochal bile. Ann. Surg. 133, 486-489 (1951)

Bishop, H. M., Keighley, M. R. S., Crapp, A. R., Burdon, D. W., Slaney, G., Alexander-Williams, J. : Gram stain on bile aspirated at operation: A rational approach to antibiotic therapy in biliary disease. Gut 16, 841 (1975)

Gross, E. : Bakteriologische und histologische Untersuchungen an Leber- und Gallenwegen vor und naeh Eingriffen am Sphinkterapparat. Med. Welt 28, 1024- 1026 (1977)

Keighley, M. R. B., Drysdale, R. B., Quoraishi, A. H., Burdon, D. W., Alexander-Williams, J. : Antibiotics in biliary disease: The relative importance of antibiotic concentrations in the bile and serum. Gut 17, 495-500 (1976)

Wacha, H., Knothe, H. : Antibiotikakonzentrationen der Gallenblase nach CysticusverschluB. Klini- sehe und tierexperimentelle Untersuchung. Langenbecks Arch. Chir. [Suppl.] Chir. Forum 1978, 171 - 178

Eingegangen am 9. Mai 1979